Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 8: Kristallsplitter --------------------------- ~ Kristallsplitter ~ Während Brad sich im Bad gleich richtig duschte, trug Schuldig Aya zum Bett. Noch immer keine wesentlich zu erkennende Wachheit des Mannes registrierend, legte er ihn auf dem Bett ab und setzte sich daneben. Er grübelte noch über das Problem nach, was er ihm zum Anziehen geben konnte, als er die offenen Augen bemerkte. "Du bist im Bad abgeklappt", sagte er und stand auch schon auf um zum Schrank zu gehen. "Ich leg dir was zum Anziehen her und zwei Handtücher." Aya versuchte sich aufzurichten, als er die Worte des anderen Mannes hörte und ihn immer noch mit nicht ganz wachen Augen verfolgte, zusah, wie dieser ihm Kleidung aussuchte. Zusammengeklappt...ja, das war er anscheinend...wusste er doch nicht wirklich, wie er aus der Wanne gekommen war. Er warf einen Blick auf seine zitternde Hand, seinen instabilen Arm und ließ sich langsam wieder zurücksinken. Gleich...gleich hatte er sich soweit, dass er alleine für sich sorgen konnte. Gleich...jetzt aber noch nicht. Gleich. Mantra und Beschwörung zugleich. Eine Phrase, mit der er versuchte, sich selbst Mut zu machen. Ayas Augen bohrten sich stumm in den Rücken des Telepathen, ließen noch einmal alles Revue passieren, was geschehen war und gesagt wurde. Vergessen. Ein scheußliches Wort. Doch er war nicht so dumm und hasste den anderen Mann dafür. Er war wütend, ja. Wütend, dass Schuldig nicht daran gedacht hatte, welche Verantwortung er sich auferladen hatte mit seiner Entführung. Blinden Hass rechtfertigte das aber noch lange nicht. Nicht wie solchen, den er gegen Takatori empfunden hatte. Auch wenn sich dieser Hass eben nun wieder regte unter der eisernen Schale seiner Beherrschung, als sein Blick auf die einsam am Bettpfosten baumelnde Manschette richtete. Ohne Frage, was Schuldig gleich wieder tun würde...Aya schauderte angeekelt. Nein...das würde er nicht zulassen. Konnte er nicht! Und was war, wenn er zu schwach dazu war? Ha! Da ist er, dachte Schuldig und zog triumphierend einen seiner Schlafkimonos heraus. Da er für gewöhnlich alleine in seiner Wohnung war, hatte er es selten für nötig empfunden zum Schlafen etwas anzuziehen. Jetzt hatte er allerdings jemanden hier....und trotz der letzten Nacht, in der er hier nackt geschlafen hatte, würde sich das so schnell nicht wiederholen. Er hatte nicht vor sein Bett für Aya zu räumen. Wie er diese Dinger liebte. Ein breites Grinsen zierte die Lippen und haftete in einem übriggebliebenen Lächeln, als er zu Aya zurückkehrte. Dieser starrte mit stoischem Blick auf die Manschette, seine Arme allerdings regten sich nicht, als wären sie auf dem Bett festgewachsen. "Willst du es alleine versuchen, oder lässt du dir von mir helfen?", fragte er, die Handtücher neben Aya legend, den Kimono oben auf. Ayas Blick ruckte zu Schuldig, konnte dessen Lächeln für einen minimalen Moment nur mit Hass in den Augen erwidern, bevor Ruhe einkehrte. Bevor er den Anblick der Manschette und der damit verbundenen Hilflosigkeit aus seinen Gedanken verbannen konnte...vorerst. Ein anderes Problem stellte sich ihm hier. Schuldig sah auf ihn herab...war ihm zu nah dafür, dass er hier lag. Auch wenn Aya es nicht wirklich wollte, kam er sich unterlegen vor. Bedroht. Ausgeliefert. Er versuchte sich aufzurichten, sich in die Höhe zu stemmen und siehe da. Es gelang ihm. Auch wenn er dringend etwas brauchte, an das er sich anlehnen konnte. Er war selbst zu schwach zum Sitzen...wie erbärmlich war das denn? "Von einer Kopfstütze hältst du anscheinend nichts", richtete er an den anderen Mann, sah ihm jedoch nicht in die Augen, viel zu beschäftigt, sich auf das Sitzenbleiben zu konzentrieren. "Ich habe so etwas bisher nicht gebraucht", gab Schuldig zu und setzte sich neben Aya ans Kopfende. "Wenn du willst stütze ich dich ab", sagte er etwas unsicher. Warum konnte Brad sich eigentlich nicht beeilen, brummte er innerlich und warf der geschlossenen Badtür einen bösen Blick zu. "Du könntest dich an mich anlehnen...an meine Schulter und ...dich dann abtrocknen...was Besseres fällt mir nicht ein...oder du ziehst dich gleich an." Letzten Endes war es die Unsicherheit in der Stimme des Telepathen, die Aya seine Distanz aufgeben ließ. Auch wenn er davon regelrecht abgestoßen wurde, dass er sich so schwach an die dargebotene Schulter lehnte und nach dem Handtuch griff, sich mit festen, schummrig-präzisen Bewegungen abtrocknete. Dem anderen Mann immer noch nicht in die Augen sah. Er wollte seine Ruhe wiederfinden. Er wollte keinen Hass. Nicht jetzt. Nicht, wo er ihn nicht gebrauchen konnte...so wehrlos und ohne die Möglichkeit, mit seiner Waffe zu töten. Hier musste er Ruhe bewahren...als wenn das so einfach sein würde. Das Handtuch längs um seine Haare schlingend, griff er nach dem Schlafkimono. Ein schönes Stück...wirklich schön. Sehr weicher Stoff...nur wie sollte er ihn sich alleine anziehen? Von den Bewegungen abgelenkt ließ Schuldig den Blick zu den Händen Ayas gleiten, als dieser den Schlafkimono berührte und etwas ratlos dreinblickte. "Ich denke, an der Bettkante und dann mit kurzem Hinstellen kriegst du das hin, meinst du nicht?", sagte Schuldig und lächelte unwillkürlich, jedoch wegen der Situation an sich. Dieses Lächeln war frei von Spott oder gar Gemeinheit. Er wartete auf Ayas Einverständnis und betrachtete sich die helle Hand auf dem dunklen Farbton des Schlafkimonos. Aya wusste, dass dieser momentane Zustand der Gelassenheit, dieses Lächeln so gänzlich ehrlich, nicht lang anhalten würde. Vielleicht nur bis zum nächsten Morgen...wenn er Glück hatte. War das Reue...Verlegenheit...etwa Angst, die er hören konnte? Die er nun auch sehen konnte, als er seinen Blick endlich auf die Augen des Deutschen richtete. Ihn schweigend maß, wie dieser seine Hand betrachtete, die den Kimono umfasst hielt. Urlaub von Kritiker. Als wenn das möglich wäre... Aya fröstelte. Ihm war kalt so gänzlich unbekleidet. Vielleicht, wenn sie aufgewacht war. Vielleicht würde er dann versuchen, sich von ihnen loszusagen. Vielleicht auch nicht...vielleicht blieb er auch ewig erpressbar, wie es Schuldig so treffend formuliert hatte. Ohne es wirklich zu bemerken, verkrampfte sich seine Hand im weichen Stoff. Hatte er denn damals eine andere Wahl gehabt, als die exzellente medizinische Versorgung mit Blutgeld zu bezahlen? Welcher Job hätte ihm denn so viel Geld eingebracht? Er tötete doch nicht, weil es ihm Spaß machte... "Ich denke, es wird gehen", riss er sich und Schuldig aus der Stille und löste sich von dessen Nähe. Kämpfte sich kaum bedeckt wie er war an die Bettkante, wo ihn auch schon das nächste Problem erwartete. Wie sollte er sich hinstellen ohne Hilfe? Aya seufzte frustriert. Also musste er noch einmal darauf vertrauen, dass Schuldig ihm half...und, dass er das laute, fordernde Grollen seines Magens überhörte, welches seinen Worten wie ein Donnerschlag folgte. Schuldig hörte das niedergeschlagene Seufzen und dieser leise Laut bescherte ihm ein warmes Gefühl, weil es so vertraut wirkte. Auch wenn es nichts Positives war, so erweckte es plötzlich so etwas wie Zuneigung in ihm, die er hinter einer normalen Handlung verbarg, indem er aufstand und den Schlafkimono in die Hand nahm ihn Aya reichte. "Hier, schlüpf oben ´rum rein, der Rest entfaltet sich dann, wenn du stehst", bot er ihm den Schutz von Ayas Intimsphäre durch den Schlafkimono an. Es hatte schon gereicht Aya nackt in den Armen zu tragen, er musste nicht schon wieder diese appetitliche Kehrseite vor Augen haben...denn eine sichtbare Erregung wäre für die weitere Annäherung an Aya mit Sicherheit hinderlich. Diesen schlanken Mann berühren zu dürfen und sei es nur um ihn von der Badewanne zum Bett zu tragen, war bereits eine Herausforderung an seine Beherrschung gewesen, aber ihm jetzt näher zu kommen zu dürfen und ein wenig Akzeptanz und nicht nur Ablehnung zu spüren, war zuviel des Guten. Das Grummeln des aufmerksamkeitsheischenden Magens ignorierte er und verschob es auf später. Aya folgte dem Vorschlag schweigend, stülpte sich den Kimono über und stieß sich dann von der Bettkante ab, ließ den Rest des Kleidungsstücks an seinem Körper hinuntergleiten. Wie weich er doch war...wie bequem. Auch wenn sich Aya unwohl fühlte, so gänzlich unbekleidet...momentan, besonders jetzt zum Ruhen, reichte es. War es sogar den Umständen entsprechend angenehm. Er zog den Gürtel enger um sich, spürte dabei jedoch schon, dass er erneut in sich zusammensacken drohte. Dass seine Beine nicht mehr das wollten, was er sich vorgenommen hatte. Elende Schwäche. Er hasste sie. Die Lippen zu einer starren Linie zusammengepresst, versuchte Aya seinen Körper zu bezwingen, einen Sieg über die allgegenwärtige Benommenheit zu erringen und dennoch...wo sonst eiserne Selbstbeherrschung regierten, musste er nun klein beigeben. Vor Schuldigs Augen...nein, besser an dessen Seite. Er wollte nicht wieder zurück auf das Bett. Wollte nicht, dass der Deutsche über ihm stand. Ayas Hand ergriff Schuldig instinktiv, als sie nach Halt suchend in seine Richtung fuhr und er die nötige Stütze anbot, indem er unter dem Arm fasste und ihn aufrecht hielt. Schuldig drehte sich zu Aya um und sah ihm ins aschfahle Gesicht, die blassen Lippen gänzlich ohne die sonstige frische Farbe. Und er hatte Schuld daran. Schnell und ohne sich groß um etwas Anderes zu Sorgen setzte er den Mann wieder ins Bett und half den kraftlosen Beinen nach. Er hatte immer noch zu wenig Flüssigkeit in sich um lange stehen zu können, ohne, dass Ayas Kreislauf einbrach. Eben dieser seufzte erleichtert, als er sich wieder in der Waagerechten befand. So konnte ihm der Schwindel wenigstens nicht so viel zusetzen, wie er es gerade getan hatte. Er schloss müde die Augen, legte den Kopf zur Seite. Wenn es nach ihm ginge, hätte er sofort schlafen können. Was ihm, ohne den quälenden Durst und dem vor wenigen Stunden noch brachialen Schmerz vielleicht auch endlich gelingen würde. Aya rollte sich leicht auf die Seite, fand so eine angenehmere Position zum Ruhen. Schuldig stand vor dem Bett und blickte auf die abweisende Gestalt von Aya. Tief einatmend klaubte er die feuchten Handtücher zusammen, immer wieder die Augen zu Aya lenkend. "Willst du nicht doch etwas von der Suppe? Die schmeckt echt nicht schlecht...", fügte er murmelnd an. "Ich komm gleich wieder." Die Antwort nicht abwartend brachte er erst einmal die Handtücher ins Bad um sie in den Wäschekorb zu befördern. Mühsam drehte sich Aya zurück und beobachtete den Telepathen dabei, wie er zum Bad ging. Suppe? Er hatte das ungewisse Gefühl, dass er diesen Begriff schon einmal gehört hatte. Und, dass er ihn mit nichts Gutem verband. Suppe bedeutete essen und das wollte er nicht. Noch etwas trinken, ja. Aber essen? Schon alleine beim Gedanken an feste Nahrung, die er kauen und hinunterschlucken musste, wurde ihm übel. Doch anscheinend hatte Schuldig keinen Wert auf seine Antwort gelegt...so schnell, wie er wieder verschwunden war. Nach einigen Minuten kam Schuldig mit einem Glas Tee in der Hand wieder und stand unschlüssig mit dem Getränk da. "Hast du es dir überlegt...mit der Suppe?", fing er wieder an, wollte unbedingt, dass der Andere endlich etwas zu sich nahm. "Ich hab dir etwas Tee geholt. Ich kenn mich da ja nicht so aus, aber der Apotheker meinte, du solltest wenigstens etwas Suppe heute zu dir nehmen, damit dein Magen nicht mehr so schmerzt und du nicht Probleme mit...naja mit der Verdauung bekommst. Iss lieber was...", wurde er bei dem letzten Satz immer leiser und verstummte schließlich. Verdammt noch mal! Konnte das nicht Brad machen...immer musste er die unangenehmen Dinge erledigen...war ja fast wie bei der Arbeit, schimpfte er nach Herzenslust, während er abwartend dastand, die eine Hand mit dem Saum seines übergroßen blauen Pullover spielend. Einige Stellen waren unangenehm kühl, weil die Nässe, die er durch Ayas Transport zum Bett abbekommen hatte noch immer in dem Gewebe haftete. Es war ja schön, dass sich der Deutsche Sorgen um seine...Verdauung machte, doch diese Sorge kam genau zwei Tage zu spät, ätzte Aya in Gedanken, sagte jedoch nichts. Er war darauf aus zu verletzen, ja. Innerlich. Innerlich akzeptierte er das Wissen nicht, welches ihm zuteil geworden war. Innerlich war er wütend auf den Telepathen, ihn einfach aktiv beiseite zu drängen. Die Erinnerung an ihn selbst. "Ich...", setzte er kalt an, sah dann jedoch, wie der andere Mann an seinem Pullover spielte. Wie seine Finger denen eines Kindes ähnlich vor Nervosität nicht stillhalten konnten. Ein Versöhnungsangebot? Die Bitte um Nachsicht? Das Glas Tee eine Entschuldigung für das, was geschehen war? Seine Stimme wurde weicher, leiser als ursprünglich geplant, als er nun ein weiteres Mal ansetzte. "...verstehe nicht, wie man einfach so vergessen kann. Dazu noch etwas so wichtiges." Ohne offene Wut. Nur Unverständnis. Schuldig suchte die Konfrontation mit den violetten Augen. "...einfach", wiederholte er tonlos und sein Blick verlor sich. "..nein, einfach ist das nicht", sagte er ruhig. "Das war es noch nie." Still stand er da und sah in das Gesicht des Anderen, der Ausdruck voller Unverständnis. Und wie sollte er von Aya das Gegenteil bekommen? "Dir zu sagen warum es passiert ist, ist mindestens genauso gefährlich für mich...als wenn ich direkt zu Kritiker gehen und mit auf den Seziertisch legen würde." Er hielt den Kontakt für einen Moment, wich dann aus und setzte sich mit dem Rücken zu Aya auf das Bett, die Unterarme oberhalb der Knie abgestützt. "Es ist nicht zum ersten Mal geschehen und es wird nicht das letzte Mal sein. Ich wollte das nicht und...und .... es tut mir leid", sagte er. "Bisher hatte es keine solchen Konsequenzen...weil bisher niemand so nahe bei mir war." Er verstummte und spürte den Drang, auf und davon zu laufen. Er wollte schreien. Warum hatte er das gesagt? Seine Augen wurden größer und er starrte vor sich hin, fast so, als würde er sich selbst über diese Worte erschrecken. Aya sah aus seiner liegenden Position den Rücken des anderen Mannes entlang hinauf auf dessen gesenkten Kopf. Schuldig hatte sich entschuldigt. Welch Wortspiel...er lächelte innerlich bitter darüber. Er hatte das getan, was Aya glaubte, hören zu wollen. Glaubte. Denn nun, wo er die Worte vernommen hatte, fragte er sich, ob es wirklich das Richtige war. Ob es ihm genügte, oder ob er nach mehr verlangte...doch was konnte er schon mehr erwarten? War Reue denn nicht genug? "Und was ist, wenn es wieder passiert? Wenn es dann eine Woche ist?", fragte er, immer noch ruhig. Getragen. Wie dachte Schuldig, dieses Problem zu lösen? Indem er auf gut Glück darauf vertraute, dass es nicht wieder vorkam? Aya rang sich nun auch ein äußeres, herbes Lächeln ab. Er besaß dieses Vertrauen nicht. Wütend aber mehr noch - verzweifelt - fuhr Schuldig auf und drehte sich zu Aya herum, sah auf ihn hinab, kam sich aber eher klein und verletzlich vor, als wäre nicht er es, der stünde und Aya derjenige, der lag. "Verstehst du das nicht? Wie zur Hölle soll ich's dir denn noch deutlicher sagen? Solange ich diese verfickten Fähigkeiten habe sind das nun mal die Nebenwirkungen! Ich kann nicht alles aufnehmen, zuviel Stress ohne Ruhe befördert den Stressfaktor zugunsten meiner Fähigkeiten aus meinem Kopf. Legt ihn an einen gut geschützten Bereich, an den ich nicht komme, verdammt!" Sich seiner eigenen Gefühlslage bewusst, wandte er sich wieder kurz ab, fuhr sich über die Stirn um sich für einen Augenblick sammeln zu können. "Ich habe nicht daran gedacht, dass die Rettung von dir zu Lasten deiner Gesundheit gehen würde. Es war eine spontane Entscheidung...wie oft soll ich dir das noch sagen, bis du mir glaubst? Spontane Entscheidungen werden nun Mal gefällt, ohne dass man an die Konsequenzen denkt! Ich dachte in dem Moment, wo ich dich gesehen habe, es wäre richtig! Richtig für mich oder dich war mir egal, ich wusste nur, dass es für den Augenblick so war." Er registrierte wie er sich langsam in seinen Begründungen und Ansichten verlor, verstummte schließlich, weil alles durcheinander kam, als würde er überquellen. Am Besten er hielt die Klappe, hatte er doch schon zu viel gesagt. Aya musste all seine Kraft in Anspruch nehmen, damit er nicht zurückwich. Schuldig thronte über ihm, viel zu bedrohlich, wie ihm seine Instinkte zuflüsterten. Er würde angreifen und Aya könnte sich nicht dagegen verteidigen....Doch das war Unsinn. Er hätte sich momentan so oder so nicht verteidigen können, egal, welche Position er eingenommen hatte. "Danach habe ich dich nicht gefragt", erwiderte er schließlich und begegnete den aufgebrachten, grünen Augen mit kälter werdender Ruhe, auch wenn ein Teil in ihm sich bereits fragte, wie Schuldig seinen Aufenthalt hier als Rettung ansehen konnte. Ob er nicht doch Recht hatte mit dem, was er sagte. "Ich habe gefragt, wie du es dir vorstellst. Willst du das nächste Mal die Kette bis hin zur Küche verlängern? Nur für den Notfall?" Aya verstummte. Wusste, dass wenn er weiter gesprochen hätte, nur Vorwürfe seine Lippen verlassen hätten. Er atmete tief ein, bevor er sich besann. "Mir ist durchaus bewusst, dass du es nicht...steuern kannst. Ich glaube dir das, was du sagst. Ich glaube daran, dass du mir...Urlaub gönnen wolltest..." Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. "...dennoch schützt es mich nicht, wenn sich deine Kraft wieder überlädt." Schuldig erstarrte, blickte wieder unverwandt auf Aya, jedoch nur kurz, bevor er dem Inneren Drängen nachgab und dicht machte. Er zog sich zurück, wollte nicht antworten, fühlte sich in die Enge getrieben. Zuviel, was er nicht beantworten konnte. "Lass mich in Ruhe", sagte er monoton und wandte sich ab. Dieser Satz war völlig aus der Luft gegriffen, gänzlich fehl am Platz "Ich wiederhole mich nur ständig. Wieso hätte ich dich nicht anketten sollen? Wie hätte ich merken sollen, dass ich dich vergesse? Es ist niemand da, der mir widerspiegelt, wie ich bin, wie ich reagiere. Ich bin allein, mit meinen Gedanken und mit den Gedanken vieler anderer. Sie unterhalten sich nicht mit mir. Jeder für sich ist allein. Ich werde dich nicht mehr anketten, falls dir das Sorgen bereitet." Resignation begleitete die Worte. . Er ging. "Wie könntest du mich so akzeptieren?", flüstere er rau in seine Gedanken versunken, bereits im Weggehen begriffen und den Blick auf seine Schritte gelenkt. Würde Aya verstehen, was er meinte? Würde er selbst es denn akzeptieren können, was er damit sagen wollte? Dass er wollte, dass Aya ihn annahm, ihn so annahm wie er war? Wie sollte er denn verhindern, dass so etwas noch einmal geschehen würde? Hatte er es nicht früher schon versucht? Aya hielt sich an das ,Lass mich in Ruhe' und drehte sich weg. Weg von Schuldig, weg von dem weitläufigen Raum. Weg von dessen Nicht-Antwort. Er sagte keinen Ton. Die Wut in seinem Inneren tat weh. Die Worte des anderen Mannes taten weh. Die Einsamkeit des Telepathen, die er dadurch schier fühlen konnte, tat es. In einer Menschenmenge zu stehen und trotzdem einsam zu sein. In einem Ozean von fremden Gedanken zu waten und alleine zu sein...er verstand, was der Telepath ihm damit sagen wollte. Er verstand es und genau das tat weh. Die immer noch schwachen Hände zu schmerzhaften Fäusten geballt, versuchte er zu kompensieren. Zu verstehen, warum er verstand. War Wut da nicht wesentlich besser? Wut...und Hass? Weniger schmerzhaft... Aya verspürte große Lust, sich in einem kindischen Impuls die Decke über den Kopf zu ziehen und nichts mehr zu hören, geschweige denn sehen. Doch das wäre feige. Das wäre Flucht. Brad kam gerade aus dem Bad, mitten hinein in die Worte, die Schuldig über seine Einsamkeit sagte. Mit eiskaltem Zorn beobachtend wie Schuldig litt, unter seinen eigenen Worten litt, näherte er sich, trat dem Telepathen entgegen. Natürlich hatte er darum gewusst und wie selbstverständlich hatte er nie gefragt. Schuldig war einsam, gerade weil so viel Treibgut durch seine Gedankenwelt floss. Er konnte sie aussperren, aber es ihn belastete dennoch. Brads Miene war wie versteinert. In Stein gemeißelter Hass, der diese einsame, trübe Gestalt die nun auf ihn zukam, nicht wollte. Sie nicht tolerieren konnte. Nicht wollte, dass Schuldig sich vor dem Weiß so demütigte, sein Innerstes dem Weiß vor die Füße warf, der dieses Geschenk nicht würdigen würde. Schuldigs Seele war zerbrechlich wie Kristall, ließ man sie fallen, zersprengte sie in viele Teilchen. Und Brad war gerade dabei, diese Teilchen wieder zusammenzuführen und er war nicht bereit, sie sich von dem Rotfuchs abnehmen zu lassen, der gar nicht wusste, woher die Splitter stammten. Er trat Schuldig in den Weg und landete einen Magenschwinger, der den unvorbereiteten Telepathen in die Knie zwang. Ein Stöhnen, kurz darauf ein unterdrücktes Keuchen folgte, als Schuldig versuchte wieder Luft zu bekommen. "Mach das nochmal und ich schlag zurück, Großkotz", blitzte Schuldig zwischen seinen Haaren nach oben zu Brad, der ihn kalt anlächelte. "Tu dir keinen Zwang an. Aber hör auf, ihm was vorzujammern, er kapiert's vermutlich sowieso nicht." Entgegen seines vorherigen Verhaltens fuhr Aya herum, als er dieses allzu bekannte Geräusch hörte und schließlich sah, was ihm Unverständnis abrang. Wieso tat Crawford das? "Schließ nicht von dir auf andere, Orakel", erwiderte er eiskalt und stemmte sich so gut es ging in die Höhe. Der Amerikaner meinte also, er würde nicht verstehen, was Schuldig ihm zu sagen versuchte? Für wie dumm hielt er ihn? Für wie arrogant und menschenverachtend? Aya wusste selbst, dass es ihn nicht stören sollte. Letzten Endes tat es das wahrscheinlich auch nicht. Nicht, wenn er wieder bei seinem Team war und gegen Schwarz kämpfen musste. Doch nun begriff er, was Sache war. Ayas Hände krampften sich wütend ins Laken. Ärgerlich strich er seine Haare nach hinten. Brad ließ Schuldig zurück und ging mit schnellen, bedrohlichen Schritten zum Bett, beugte sich hinab und zog Aya an dem Kimono in Brusthöhe leicht zu sich. Es war keine Drohung, eher ein Ausdruck von Brads Wut über die Situation. "Was weißt du schon davon? Auf ihn wartet niemand, er kann auf niemanden warten, es wird niemand kommen. Und trotzdem durchströmen ihn die Gedanken derjenigen, die nicht allein sind. Sag mir, wie würdest du damit zurechtkommen, wenn du hörst, wie schön es ist mit jemand anderem zusammen zu sein? Würdest du es gerne hören? Oder würdest du beginnen zu hassen? Alles zu hassen? Alles zu zerstören?" Brads Inneres kochte. Er hatte das Gefühl, er müsste Schuldigs Weichheit, die er vor Aya gezeigt hatte, mit seiner Wut wieder wettmachen. Er wollte sein Schutzschild wiederherstellen, was sich Schuldig selbst heruntergerissen hatte. Wie hatte er sich nur so offen geben können? Das durfte nicht sein, es machte sie schwach, angreifbar. Sie? Der Amerikaner hielt kurz inne, ließ Aya sachte wieder los. War es so? War er angreifbar durch Schuldig? War es auch er, den Schuldig mit Schwäche behaftete, indem er seine Einsamkeit zugab? Das Leid, das er unter dieser Einsamkeit erfuhr? Oder war es vielmehr, dass er nicht wollte, dass Schuldig schwach war? "Hier geht es nicht um Weiß oder Schwarz. Es ist kein Vergnügen für uns. Wir sind, wie wir sind, aus Gründen, die nur wir kennen. Ich bezweifle, dass du sie alle verstehen kannst...nicht weil du es nicht willst, aber vielleicht weil du nicht wie wir bist", schloss er, blickte von Aya zu dem herannahenden Schuldig, der nun langsamer wurde, als er gesehen hatte, dass Brad Aya losgelassen hatte. "Wir sollten alle mal wieder etwas runter kommen, findest du nicht, Brad?", sagte Schuldig mit angedeutetem Grinsen, welches mit dem Hauch von Galgenhumor behaftet war. Was sollte er sonst machen? Die Emotionen schienen selbst bei Brad hochzukochen, der sonst so eiskalt blieb. "...und das alles durch ihn...," murmelte er und sah dann zu Aya. Eben dieser hatte unbewegt schweigend und wachsam mitangehört, was Crawford ihn scheinbar zu sagen hatte. Mehr als er je über seine Feinde hatte wissen wollen. Ayas Kiefer pressten sich eisern aufeinander, er selbst ignorierte Schuldig für einen Moment, als er sich ausschließlich auf den Amerikaner fixierte. "Für niemanden von uns ist es ein Vergnügen, das zu tun, was wir tun. Willkommen im Club", grollte er. "Auch auf mich wartet niemand, auch ich sehe täglich, wie es ist, unbeschwert und verliebt zu sein. Aber ich hasse dafür nicht. Ich helfe, wenigstens ein kleines Bisschen dieser Unbeschwertheit zu erhalten. Und ich bin nicht böse darum." Nein? War er das nicht, in den einsamen Stunden, die er an Ayas Bett verbrachte, wütend und zornig, dass ausgerechnet sie nicht zu ihm hielt und nicht mehr aufwachte? Überwiegte das nicht manchmal den Sinn, gegen das Dunkel der Welt zu kämpfen? Aya blinzelte. Ihm war schwindelig...nicht alleine herbeigeführt durch das Hochziehen Crawfords. Er war langsam am Ende seiner mentalen und körperlichen Kraft. Er wollte auch nicht mehr. Brauchte Zeit, all das für sich zu verarbeiten. Es war zu schwer für ihn, zu schnell...er musste darüber nachdenken. Was mit Kopfschmerzen enden würde, das wusste er jetzt schon. "Ich bin schuld?", wandte er sich ohne einen weiteren Blick zu Crawford an Schuldig, fixierte diesen mit erhobener Augenbraue. Wünschte sich wie nichts, dass er noch genug Kraft übrig hätte, die Köpfe der beiden Schwarz ordentlich zusammen zu donnern. Doch bevor er zu solch Gewaltakten in der Lage war, musste er sich erst einmal wieder ausruhen...Was ihm sein Körper nun auch mit aller Macht befahl, als er ihn wieder zurück auf das Bett schickte, mit schnell schlagendem Puls und leuchtenden Punkten vor seinen Augen. Schuldig wollte noch etwas sagen, aber er sah nur zu wie Aya vor Erschöpfung in sich zusammenfiel. Schulterzuckend überwand er die freie Strecke zum Bett, Brad mit einem schrägen Lächeln bedenkend. Er nahm die Decke auf, legte sie über Aya, der mit seiner Schwäche zu kämpfen schien. "Ich bin ,schuldig' sonst niemand", lachte er leise und fuhr Aya sanft übers Haar, bevor er Brad mit einem Wink bedeutete etwas zu trinken zu holen. Das Licht war immer noch im Bereich des Bettes abgedunkelt. "Wir stellen dir etwas zu trinken neben das Bett." Auch wenn er durchaus dankbar für das Wasser, oder was auch immer sie ihm ans Bett stellen würden, war, so quittierte Aya das über seine Haare streichen mit einem leisen, verschwommenen Grollen. Er verstand diese Faszination für seine Haare nicht. Für den Drang, sie und ihn selbst anzufassen. Die Decke noch etwas höher ziehend rollte er sich zur Seite direkt in die Mitte des Bettes, weg von den beiden Männern. Hatte nun einen Punkt erreicht, an dem ihm selbst die Gegenwart beider Schwarz egal war. An dem er einschlafen konnte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was er da tat. Aya schloss seine Augen. Ließ sich hinunterziehen von Erschöpfung und endlich gegebener Schlafmöglichkeit. `Er ist kein Schoßtier`, giftete Brad in seine Gedanken, als er einen kleinen Besuch wagte. Er erhob sich und ging in Richtung Küche, quer durch die Wohnung, den Amerikaner im Schlepptau wissend. `Keif hier nicht wie ein Waschweib herum, Crawford. Mir platzt gleich der Schädel. Warum hast du dich eigentlich so aufgeführt, erklär mir das?` `Es ging ums Prinzip` `Um WAS? Seit wann denn das? Ist das eine neue Leitlinie bei uns?`, spottete Schuldig, das Offensichtliche an der ganzen Sache nicht erwähnend. Nämlich, dass Brad viel von seinen Beweggründen, von den Folgen seiner Fähigkeiten wusste, obwohl sie selten oder gar nie darüber gesprochen hatten. Brad wandte sich ab zum Fenster, starrte in das Lichtermeer der Stadt. Schuldig ließ ihn, holte etwas zu trinken und deponierte es neben dem Bett, ließ Aya dabei aber in Ruhe. Nachdenklich kam er zu Brad zurück. Es war schon später Abend. `Willst du hierbleiben?`, fragte er vorsichtig. `Nein, ich bin noch nie hier geblieben`, kam es frostig zurück. `Na und?` `Es geht nicht.` `Wie du willst.` Schuldig blickte eine Weile in die selbe Richtung wie Brad. `Sag mir, warum ....', fing Schuldig an, doch Crawford wandte sich bereits um. "Das Thema ist beendet", blockte er ab und ging zur Couch, wo sein Jackett lag. Während er hineinschlüpfte und nach seinen Schlüsseln griff, hatte sich die übliche Kälte auf dem Gesicht ausgebreitet. Als wäre er zu dem Ausbruch von Gefühlen, und sei es nur die leidenschaftliche Wut, die er vorhin gezeigt hatte. Und das für Schuldig. Nachdenklich nickte Schuldig Brad zu, als dieser sich damit verabschiedete, dass er ihn daran erinnerte, morgen pünktlich im Hauptquartier zu sein. Die Tür fiel ins Schloss und die Stille legte sich über den Raum, hüllte ihn ein und ließ ihn automatisch in Richtung Bett gehen. Er zog sich um, diesmal wählte er ebenfalls einen Schlafkimono und löschte die Lichter. Der matte Schein der Himmelskörper spendete etwas Licht als er sich ins Bett legte, Aya neben sich ahnte, der weit in der Mitte lag. Schuldig dachte aber nicht im Traum daran, sein Bett vollkommen dem Anderen zu überlassen. Er knüllte sein Kissen zurecht und rollte sich etwas zusammen, hoffte auf einen ruhigen Schlaf. o~ Ganz so tief, wie Aya es gerne gehabt hätte, hatte der rothaarige Mann dann doch nicht geschlafen. Durst weckte ihn mitten in der Nacht, ließ ihn sich hochquälen und mit Erleichterung das Glas Wasser sehen, das neben ihm am Bettrand platziert war. Er leerte es mit gierigen, hastigen Schlucken und ließ sich wieder zurückfallen. Auf die weiche Matratze, die ihn in weniger als ein paar Augenblicken erneut in erholsamen Schlaf schickte. Später jedoch weckte ihn ein ganz anderes Problem...das einer aufwendigeren Behebung bedurfte. Wofür er aufstehen musste. Ins Bad gehen. Aya seufzte schläfrig, benommen noch, kämpfte sich dann aber mühsam in die Höhe und bemerkte, dass es keinesfalls so dunkel war, wie er zunächst angenommen hatte. Matte Helligkeit fiel durch die Fenster in das Loft, kündete vom nahen Sonnenaufgang. Ließ ihn wissen, dass er immer noch nicht genug geschlafen hatte... Ayas Blick fiel nach links, dorthin, wo er dem weichen Lager entkommen wollte. Fand jedoch nicht ganz die Leere, die er geglaubt hatte zu entdecken. Schuldig lag dort...auf dem Bauch ausgestreckt, alle Viere von sich gestreckt. Ihm wie selbstverständlich nahe. Die Haare natürlich wild und zerzaust um sich herum, das friedliche, entspannte Gesicht ihm zugewandt. Wie vertrauensvoll, schoss es Aya durch den Kopf. Machte sich der Telepath denn keine Sorgen, dass er ihn im Schlaf umbringen konnte? Er musste einfach die Decke nehmen und sich mit vollem Körpergewicht auf den ungeschützten Kopf des Schwarz legen...ein kleiner Todeskampf...Minuten, dann wäre es vorbei. Schuldig würde qualvoll ersticken und er wäre womöglich frei. Aya schüttelte den Kopf. War das Unvorsichtigkeit? Vertrauen? Arroganz? Was auch immer es war...es hielt seine Blase nicht im Geringsten davon ab, Druck zu machen und ihm nun die Entscheidung, ob er Schuldig tötete oder ob ER von seinen niederen Bedürfnissen getötet wurde, leicht machte. Schweigend und so gut es ging lautlos kämpfte er sich hoch, stellte mit Freude fest, dass er sich zwar immer noch schummrig fühlte, dass aber das überwältigende Schwindelgefühl etwas nachgelassen hatte und ihm nun seinen Weg erleichterte. Was nicht hieß, dass er nicht doch sehr lange dafür brauchte. Nur um sich schließlich vor einem Problem zu sehen, das sich ihm gerade nicht aufgetan hatte. Schuldig lag im Bett. Das war schön und gut. Aber freiwillig würde er sich nicht mehr dazu legen. Nicht, wenn er sich schon der Tatsache bewusst war, dass der andere Mann sich einfach dazu gelegt hatte. Dafür legte er viel zu viel Wert auf seine Privatsphäre, in jeglicher Hinsicht. Mit einem Naserümpfen entzog er dem Bett vorsichtig eine der beiden Decken und legte sich schließlich auf die Couch. Die nicht halb so bequem war wie das Bett...ihm aber dennoch noch Schlaf schenkte...wie er mit Erleichtern feststellte. Unwillig öffnete Schuldig die Augen einen Spalt breit und stellte zu seinem Missvergnügen fest, dass es noch früh war und trotzdem der anbrechende Tag die Dreistigkeit besaß ihn zu wecken. Grummelnd drehte er den Kopf von der Fensterseite weg und ignorierte die Helligkeit. Schlussendlich stand er doch nach einiger Zeit des Dösens auf und ging ins Bad. Dabei fiel ihm Aya auf, der scheinbar die Couch seiner Nähe vorzog. Eben dieser war durch die Geräusche des anderen Mannes wach geworden und hörte nun aufmerksam wie Schuldig aufstand und an ihm vorbeiging. Was auch ihn unwillig seufzen ließ, da er, in seinem wacheren Zustand, es als äußerst...unangenehm empfand, in der Gegenwart des Telepathen zu schlafen. Vor allen Dingen, da er ihm den Rücken zudrehte. Ein Umstand, der er nun änderte, indem er sich dem Raum präsentierte...die hoch aufgeflauschte Decke eng um seinen Körper geschlungen...wenigstens war ihm so mollig warm, ganz im Gegensatz zu diesen unseligen Tagen. Nein...er wollte nicht mehr frieren. Gut gelaunt kam Schuldig aus dem Badezimmer wieder heraus, freute sich auf ein ausgiebiges Frühstück. Er ging an der Couch vorbei - Ayas neu erwählter Schlafplatz - und grinste leicht in sich hinein, als er die hochgezogene Decke sah. Bis unters Kinn, als wäre das der geeignete Schutz vor dem bösen Schuldig. Ein schneller Griff zur Fernbedienung und das Radio spulte sein Morgenprogramm ab, während Schuldig in die Küche schritt. "Und, hast du schlafen können?" Ayas Blick folgte dem Deutschen in die Küche hinein. Die gleiche Frage wie vor drei Tagen, nur mit anderer Intonation...mit anderem Hintergrund. Schuldig tat fast zu nonchalant...dafür, was gestern und vorgestern passiert war. Was Aya misstrauisch machte. Hatte Schuldig vergessen? Oder war er in sein altes Schema aus Spott und Hohn zurückgefallen? Oder hatte er einfach zuviel gekifft gerade? "Besser als gestern ", erwiderte er mit einem ruhigen Blick auf die aufgedrehte Gestalt des Deutschen, dachte jedoch nicht im Traum daran, sich der Decke zu entledigen...vor allen Dingen, da ihm wirklich übel war. Sein Magen zog sich zusammen, verlangte nach Nahrung...nach Essen. Schuldig werkelte bereits daran etwas Essbares zu zaubern als er von seiner Arbeit aufblickte und Aya ansah. "Du hast nicht zufällig etwas Hunger?", fragte er fast schon beiläufig. Aya sollte nur nicht auf die Idee kommen, dass Schuldig nun stündlich darum betteln würde, dass er endlich etwas zu sich nahm. Dennoch machte er sich zunächst einen Kaffee, setzte Teewasser auf. Ist immerhin schon ein Anfang, dachte er und stöberte in den Schränken. Wo hatte er zuletzt den Kaffee hingeräumt... Aya kämpfte sich nun doch in die Höhe. Setzte sich auf die Couch und ließ seine Beine hinausbaumeln, stellte sie probeweise auf den kalten Untergrund. Sie war schon abartig, diese gute Laune. Er stemmte sich versuchsweise in die Höhe, wollte zu Schuldig in der Küche. Wenn der Boden nicht so kalt wäre! Schweigend ließ er sich schließlich auf einen der Barhocker nieder und sah Schuldig für einen Moment bei dessen Tätigkeit zu, bevor er seinen Blick nach draußen schickte...über die vor ihm liegende Stadt. Die Gemüsesuppe war nach wenigen Minuten fertig und Schuldig füllte sie in zwei Schalen um eine davon Aya zu reichen. Angefüllt mit Gemüse und einigen Tofuwürfeln, war sie für Ayas erste feste Mahlzeit sicherlich gut geeignet. Schuldig wirbelte zur Kaffeemaschine, grübelte einen Augenblick und entschied sich, besser nachzufragen. "Willst du den Tee trinken, den ich dir gekauft habe?", fragte er bereits die Schranktür öffnend. Ayas Blick hatte wirklich Mühe, der momentanen Position des Deutschen zu folgen, ohne dass ihm allzu schwindelig wurde. Er machte es sich etwas bequemer auf dem hohen Barhocker und strich den Kimono glatt, ihn etwas enger um seinen Körper schlingend. Ihm war kalt...immer noch. "Tee....", brachte er hervor, während er vorsichtig an der Gemüsesuppe roch. Was ihm Übelkeit verursachte...und dennoch. Sein Magen verlangte nach Nahrung. Nach Arbeit. Vorsichtig setzte er die Suppenschale aus Ermanglung von Stäbchen an und trank einen Schluck. Schauderte. Es schmeckte ihm nicht...war aber wichtig. Langsam kaute er auf einem Bambusstück, schluckte es schließlich hinunter. Konnte förmlich die Dankbarkeit seines Magens hören, als dieser endlich etwas zu tun erhielt. "Okay, ich...", setzte Schuldig an und wandte sich kurz um, sah, dass er die Essstäbchen vergessen hatte, als Aya von der Suppe kostete. Er rollte innerlich mit den Augen über sich selbst. Wie dämlich war er eigentlich? Still nahm der Japaner Schuldigs Dämlichkeit hin, was Schuldig etwas verlegen machte und daher wurde er auch wieder etwas ruhiger. Warum war er heute nur so überdreht? Er holte Essstäbchen für sie beide und legte Aya sorgfältig darauf bedacht, ihn nicht beim Essen zu stören die Stäbchen hin und wuselte wieder in die Küchenzeile um den Tee abzugießen. Für einen Moment hatte Aya geglaubt, dass der andere Mann ihm umwerfen würde, nur um ihm die Stäbchen, die er doch noch erhielt, hinzulegen. Dann jedoch...was den rothaarigen Weiß wunderte, wurde dieser ruhiger, näherte sich ihm als müsste Schuldig befürchten, dass er jederzeit in die Luft ging, wenn er nur eine falsche Bewegung machte. Aya...amüsierte das irgendwie. Es ließ ihn in die Schale lächeln, besonders jetzt, da Schuldig, sobald wieder aus seiner Reichweite, weiterwuselte. Er seufzte beinahe lautlos. Viel zu viel Action am frühen Morgen. Schuldig brachte den Tee zu Aya, stellte ihn ab und holte sich selbst einen Kaffee. Er hatte den Tee, den Aya sich vor zwei Tagen gewünscht hatte...oder waren es bereits drei Tage her...seit er... Er stockte, ließ sich dann Aya gegenüber auf dem Barhocker nieder. Am Besten, er dachte jetzt nicht daran. Und das Thema wollte er vorläufig vom Tisch haben. Zumindest jetzt von diesem Tisch. Vorsichtig umfasste er die heiße Tasse und nippte an dem schwarzen Gebräu. Was für eine Wohltat es doch war. Aya stellte vorsichtig die Suppenschale ab und nahm sich den Tee. Ganz einfach, um den schlechten Geschmack des Gebräus hinunter zu spülen...und war schließlich angenehm überrascht, dass es einer derjenigen war, die er auch wirklich gerne trank. Er schmeckte ausgezeichnet...wirklich wundervoll. Es dauerte lange, bis er den Tee wieder senkte und den anderen Mann in Augenschein nahm. Einen Hauch dessen Duschgels roch...er musste auch duschen. Dringend. Der gestrige Versuch war...eine Katastrophe gewesen. Eine richtige Katastrophe. Die sich nicht wiederholen würde. Garantiert nicht. Stumm nahm Aya den Geruch von Kaffee wahr, schwelgte einen Moment darin. Neidete Schuldig sein schwarzes Lebenselixier, das ihm sicherlich noch einige Magenkrämpfe mehr beschert hätte. Ein weiteres Mal griff er zu den Stäbchen und fischte sich einen Tofuwürfel aus der Flüssigkeit. Das Schweigen machte Schuldig irgendwie nervös, obwohl es ihm äußerlich nicht so sehr anzumerken war, warf er in einigen Abständen einen unbedeutenden Blick zu Aya um zu sehen ob er auch brav seine Suppe aufaß. In Wirklichkeit hatte er das Gefühl sich der Gegenwart des anderen zu versichern, sich bewusst zu machen, dass Aya hier im trauten Beisammensein sein Frühstück ihm gegenüber einnahm. Sie keiften sich nicht an, aßen in Ruhe, wobei er sich noch an den Kaffee hielt und die Musik im Radio dudelte im Hintergrund, während der Tag vollends erwachte. Es kam ihm vor, als wäre er im falschen Film. Er runzelte die Stirn und nippte wieder an seinem Kaffee. Tief in Zuckerbrot und Peitsche in Form von Tee und Suppe versunken, machte sich Aya nichts aus der Stille. Hieß sie im Gegenteil durchaus willkommen. Bis sein Blick auf einen halbverdursteten, schon beinahe um den Gnadenschuss bettelenden Bonsai fiel, der in einer versteckten Ecke der Küche vor sich hin vegetierte. Ein mitleidserregender Anblick, wie Aya fand. "Bevor du mir einen Bonsai mitbringst, solltest du vielleicht DEINEM etwas Gutes tun", meinte er völlig überraschend in die Stille hinein. Zog abwartend eine Augenbraue in die Höhe, während eine kleine, verräterische Stimme in seinem Inneren bereits schadenfrohe Vergleiche zwischen ihm selbst und diesem kümmerlichen Gewächs zog. Seinen Gesichtsaudruck entzog sich nach diesem Satz etwas außer Schuldigs Kontrolle, als er von seiner Suppe aufsah, über die er sich hergemacht hatte und Ayas Blick folgte. "Bonsai?", fragte er und hatte das Gefühl etwas minderbemittelt drein zu blicken, deshalb räusperte er sich und runzelte die Stirn. "Ich hab so etwas nicht. Das Kraut braucht Pflege, ich bin kaum hier, der würde eingehen...", sagte er leiser werdend. Und schon wieder zog er eine Parallele zwischen einem Resultat aus seinem Verhalten und Ayas jetzigen Zustand... "Du wolltest doch einen...sieht jetzt halt nicht mehr so frisch aus", murmelte er und sah in seine Schale um ein Tofustückchen herauszufischen. Auch Ayas innerer Hohn lachte über den Vergleich...ja. Eingehen würde er. Weil er als Kraut Pflege brauchte. Doch nun war es an dem rothaarigen Weiß selbst, den anderen Mann wortlos anzustarren. Das war...seiner? Vielmehr der, den er sich ,gewünscht' hatte? Die Stäbchen ruhten bewegungslos in seiner Hand, während er versuchte, die Bedeutung hinter diesen Worten zu erkunden. Schuldig hatte ihm tatsächlich einen Bonsai mitgebracht? Nur... "Dann muss ich ihn also hochpäppeln?", fragte Aya scheinbar ungerührt und runzelte nachdenklich die Stirn. Da schlug doch gleich sein Floristenherz höher... "Ja", sagte Schuldig. "Ich hab ihm Wasser gegeben, als ich ihn aus dem Auto geholt habe. War wohl gerade noch rechtzeitig gewesen", murmelte er, blickte kurz auf das kleine Bäumchen und widmete sich danach wieder seinem Frühstück. "Kriegst ihn sicher wieder hin", lächelte er leicht, bevor er die leere Schale vom Tisch nahm um sie erneut zu füllen. Er stand auf und ging zur Kochzeile. "Willst du noch etwas Tee, oder hast du noch?" Tee. Aya schaute auf seine Teeschale, war sich mit einem Male bewusst, was Schuldig vorhin gesagt hatte. ,Der Tee, den ich dir gekauft habe.' Der Tee, den du dir gewünscht hast. Ayas Augen weiteten sich noch ein kleines Stückchen mehr. Nicht nur der Bonsai. Nein, Tee auch.... "Schokoladenkekse?", fragte er ungläubig, versuchte sich mittlerweile angestrengt an all das zu erinnern, was er sich noch gewünscht hatte. Sein Blick fiel bedächtig auf Schuldig, fixierte diesen fest. "Aber keine rote Reizwäsche. Oder?" Schuldig füllte gerade seine Schale mit Suppe auf. "Ich hab mich zwar etwas gewundert über ...deine Vorlieben..., aber naja...", schulterzuckend deckte er die Suppe wieder ab und durchquerte den kleinen Raum, der durch verschiedene Ablagemöglichkeiten und eine Theke als Küche vom übrigen Wohnraum separiert war. Die Kekse hatte er in den Süßigkeitenschrank gepackt, grinste er etwas und holte sie hervor. "....siehst sicher heiß aus in der Reizwäsche. Hab mich beraten lassen", grinste er unverschämt mit den Keksen auf Aya zusteuernd und die Packung bereits öffnend. "Ich hab das gleich als erstes gekauft und dann den Bonsai, bevor ich nach und nach das andere zusammengesucht habe...", sagte er grübelnd. Ja und als er den Rest gekauft hatte und es im Auto verstaut war ... war es genauso vergessen wie Aya... Aya starrte auf die Kekse. Auf Schuldig. Sah vermutlich reichlich dämlich aus mit seinem ratlosen Gesichtsausdruck. "Beraten...?" Was hatte er sich dabei nur gedacht? Was hatte er sich damit eingebrockt? Seine Augen folgten dem anderen Mann, wie er zu ihm kam, völlig gebannt von dessen Worten. "Vorlieben...?" Aber...das war doch nur...Aya schluckte mühsam. In ihm keimte ein schrecklicher Verdacht hoch. Etwas wirklich grausames.... Diesen unbezahlbaren Gesichtsausdruck genießend ließ sich Schuldig Zeit die Kekspackung sorgfältig zu öffnen und sie Aya neben seinen Tee zu stellen. Innerlich amüsierten Schuldig Ayas Fragen, die dieser einem helleren Ton als für ihn normal war, gestellt hatte. Ein zuvorkommendes Lächeln präsentierend wandte er sich ab, holte einen kleinen Teller und seine Suppe, stellte beides ab, immer noch das amüsierte Blitzen in den Augen. "Natürlich beraten. Ich kaufe Reizwäsche eher selten. Obwohl wenn ich mich genau erinnere hatte ich das früher öfters getan. Aber naja in deinem Fall brauchte ich doch etwas Beratung. Hat auch etwas gedauert, bis ich mich für etwas entscheiden konnte. Muss ja schließlich auch zu den Haaren passen...und dann auch noch rot... Ton in Ton, ist wirklich nicht leicht...aber schlussendlich ...", laberte er und genoss die geweiteten Augen des anderen. Das Violett, das ihn in seiner Milde anstatt in seiner sonstigen Schärfe anblickte. "....ja und keine Sorge, hab natürlich nicht verraten für wen ich es gekauft habe. Die richtige Größe war da schon etwas schwierig, aber die Verkäuferin verstand ihr Handwerk und im Nu hat sie die richtige Größe herausgesucht", schloss er und legte einige verpackte Kekse auf den Teller, schob die Schachtel etwas beiseite und den Teller wieder zu Aya. Ton in Ton? Handwerk? Aya klappte mit Gewalt seinen Kiefer zu, starrte Schuldig jedoch weiterhin an, als hätte der andere Mann ihm gerade den Weltfrieden verkündet. "Das ist...ja schön, dass du dermaßen...diskret warst...", presste er zwischen den Zähnen hervor, konnte jedoch immer noch nicht umhin, die Horrorvisionen, die ihm sein Verstand einflößte, zu bewundern. Schuldig hatte ihm nur...solche Wäsche gekauft...und wie er den anderen Mann kannte... Nein. Er hoffte anderes. Besseres. Weniger weibliches... Schuldig verarschte ihn...oder? Das meinte der andere Mann nicht ernst, KONNTE es nicht. Vor allen Dingen da... "Die RICHTIGE Größe?" "Ja, sicher, die richtige Größe. Du willst es ja schließlich anziehen, da sollte es schon passen", begründete er seine sorgfältige Auswahl. "Ich bin extra in einen Nobelladen gegangen", meinte er beflissen. "Die hatten wirklich hübsche Teile da, aber du wolltest ja unbedingt etwas in Rot", war ein kleiner enttäuschter Vorwurf heraus zu hören. Schuldig trieb das Spielchen gerne weiter. Denn Aya schien es gar nicht fassen zu können, blickte ihn ungläubig an, als käme er vom Mars und hätte deshalb rote Haare. Das amüsierte Lächeln konnte er kaum von seinem Gesicht wischen, es war einfach da und die Freude, die ihm dieses Gespräch, überhaupt dieses so anders geartete Zusammensitzen boten zeigte sich in seinen Augen. "Wenns nicht passt, kann ich ja Brad losschicken, der kann dir sicher eine andere Größe kaufen", sagte er wie beiläufig. Vielen Dank für's Lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)