Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 10: Honigfalle ---------------------- ~ Honigfalle ~ Aya nutzte eben diese Geste der Nachlässigkeit um sich aus dem Griff des Telepathen zu befreien, um aufzustehen. Taumelnd rückwärts zu stolpern. Weg von diesem Mann! Nur weg... Den Blick voller Abscheu, voller Hass auf Schuldig gerichtet tat er einen Schritt. Zwei. Drei. Er wollte nicht mit dem schrecklich ruhigen Blick konfrontiert sein. Mit der Trauer. Mit all den anderen Emotionen...er hatte genug damit zu tun, dem Hass nicht die Vormachtstellung zu geben. Schritt um Schritt wich Aya zurück. Zum Bad, dem einzigen Raum, der den Blicken des Deutschen verborgen war. Der einzige Raum, in dem er genügend Abstand finden konnte, um vielleicht wieder zu sich zu kommen, auch wenn Aya dem keine große Hoffnung zumaß. Zu groß war das Chaos, was Schuldig in ihm angerichtet hatte...zu groß der Schmerz...die Wut über das, was dieser gesagt hatte. Aya öffnete ruckartig die Tür, taumelte hinein in den stillen Raum und warf sie wieder hinter sich zu. Wasser....er brauchte kaltes Wasser... Stumm strebte er das Waschbecken an, stockte, als sein Blick in den Spiegel fiel. Ein Mann, violette Augen, rote Haare. Blasse Haut. Ein Mann, hässlich entstellt durch Hass und Wut. Durch Zorn. Nicht mehr menschlich...eine Teufelsfratze, die ihm dort entgegenstarrte. Die all seine Bemühungen der letzten Monate, zur Ruhe zu kommen, in diesem Moment zunichte gemacht sah. Die wieder voller eisigem Feuer danach brannte, sich zu rächen. All das, was Weiß nach Takatoris Tod langsam gemäßigt hatten...nun fort. Hinweg gespült durch unbedachte, verletzende Worte. Der Teufel in ihm verspottete ihn. So schwach war er also...so schwach. Wurde bei jeder Gelegenheit wieder rückfällig...konnte nicht davon ablassen...von dieser hässlichen Maske. Von diesem Monster dort im Spiegel. Ja....alle Menschen sind schlecht...du bist...deine Schwester ist es. Du hasst sie noch mehr als alle anderen...auch wenn du vorgibst, es nicht zu tun...du hasst...hasst hasst hasst. Erinnere dich an das Verlangen, sie aus Zorn zu erwürgen, erinnere dich an die Abscheu. Na los, erinnere dich! Das bist du, nichts anderes! Siehst du? Schwach....so schwach...du hast versagt, du- Die Stimme verstummte augenblicklich, als Aya seine Faust in das Antlitz vor sich trieb, als er sein Spiegelbild zerstörte, es laut scheppernd zu Boden schickte. Aufkeuchte, als Schmerz in seiner Hand explodierte...als Blut hervorquoll. Sein Blut...durch ihn hervorgebracht. Nötiges Blut...mit dem die Stimme, diese hässliche, wahre Stimme seinen Körper verließ und hinausfloss. Aya starrte die Wunden an, klammerte sich mit der unverletzten Hand an das Becken, bemerkte nur nebenbei, wie sich feine Scherben auch dort in seine Haut schnitten. Er war...nicht schwach. Nicht so hässlich...keine solche Kreatur...oder? o~ Durch das laute Splittern von seinem blicklosen Starren aufgeschreckt, richtete Schuldig sein Augenmerk zunächst in die Richtung, in die Aya ihn verlassen hatte. Es war klar gewesen, dass auf Schuldigs Antwort entweder eine Welle der Gewalt oder eine Flucht wegen Abscheu erfolgen würde. Und letzteres ist eingetreten. Er zog die Beine an, seine Kleidung raschelte etwas und er verschränkte die Arme, hockte noch einige Augenblicke da und lauschte auf kleine, nichtige Geräusche, wie seine Atmung. Tief einatmend, fuhr er sich dann mit der Hand übers Gesicht, rieb einmal über seine Augen, um sie zu klären. Fast schon mühsam und ungelenk stand er auf und ging zum Badezimmer, verharrte jedoch vor der geschlossenen Tür. Es hatte sich angehört, als hätte Aya den Spiegel zerschlagen, überlegte er. Aber was würde Aya jetzt, nach dieser Szene davon halten, dass Schuldig ihm nachging. Ihn in seiner Wut - und sicherlich war auch eine Spur Verzweiflung im Spiel - sah und dies wirkte mit Sicherheit wieder bedrohlich auf den Anderen. Er überlegte eine Minute, bevor er die Tür öffnete, sie langsam aufschob und abwartend im Türrahmen stehen blieb. Das Bild, welches sich ihm bot, bestätigte seine Vermutungen. Aya stand mit Blut an den Händen, das vermutlich von Schnitten aus dem Spiegelglas stammte, da und starrte darauf. Das ist das Ergebnis deiner Treibjagd auf Ayas verletzliche Seele, das ist das Resultat deiner Gier danach, das Leid in ihm zu sehen. Das ist das Ende nach der Hasswelle, das Gesicht des Hasses, wenn er geht und zurück nur die Verzweiflung und die Selbstanklage, der Selbsthass bleiben. Dein Werk, Schuldig. Er schämte sich dafür, dies hervorgebracht zu haben, diesen Mann derart weit in die dunkelsten Winkel seines Selbst getrieben zu haben. Schweigend ging er zu einem großen Metallkoffer, der auf dem Boden neben dem Sideboard stand und hob ihn auf die Ablage, öffnete die Verschlüsse bedächtig und suchte nach den Dingen, die er für die Säuberung und die Anlage eines Verbandes benötigte. Für den ersten, kostbaren Moment bemerkte Aya nicht, dass Schuldig sich zu ihm ins Bad geschoben hatte, war er doch viel zu sehr in inneren Verwünschungen und Kämpfen mit sich selbst beschäftigt. Zu sehr gefangen in dem Monstrum, das Schuldig mit Freuden in ihm hervorgerufen hatte. Das er nieder zu ringen versuchte mit eiserner Selbstbeherrschung. Eine einfache Technik...einatmen, Ruhe finden. Sich abschotten... Er starrte auf seine Hand, beobachtete, wie ebensoviel Schmerz wie Blut hervorquoll. Fühlte, wie das Leben in ihm pulste. Ihm dennoch keine Beruhigung schenkte...der Pulsschlag, viel zu schnell, zu heftig. Zu brachial in seinen Ohren. Er schauderte, akzeptierte den feinen, stechenden Schmerz als das, was er war. Befreiung für all das Negative, das ihn durchfloss. Doch erst das Klicken des Koffers neben ihm entriss ihn seiner Starre. Sein unfokussierter, abwesender Blick ruckte zu Schuldig. Der ihn auch hier nicht in Ruhe lassen konnte. Was wollte der andere Mann noch? Er hatte doch schon bekommen, wonach er gierte. Stumm und völlig unbewegt starrte Aya auf sein Gegenüber, krallte seine Hände in das Becken. Lauter Scherben...laute Bruchstücke...die ihm nicht mehr zeigen konnten, wie hässlich er war. Wie verkommen er in seinem Hass darauf lauerte, zu verachten...das Leben als solches zu verachten. Schuldig nahm den kleinen Kanister mit Desinfektionsmittel und schraubte die Kappe ab, stellte es auf die Ablage und holte einige Kompressen und große weiße Dreieckstücher hervor. Er hatte immer einen Vorrat bestimmter Verbandsutensilien in seiner Wohnung. Ohne Worte, sondern nur mit ruhigen, gezielten Bewegungen näherte er sich Aya, damit er die stärker blutende Hand genauer in Augenschein nehmen konnte. Er hielt den Blick von Aya fest und berührte mit seiner Hand die von Aya an den Fingern, umfasste sie zart. "Du blutest", sagte er und wartete auf eine Reaktion. Auf eine Weigerung, dass Schuldig ihm helfen durfte, oder dass Aya ihn erneut anschrie, oder vielleicht auch, dass Aya ihm erlaubte, die Wunden zu reinigen und einen sauberen Verband anzulegen. Aya schrie nicht. Aya weigerte sich auch nicht. Blieb einfach nur dort stehen, wo er war, mit dem Gefühl von Schuldigs Fingern auf seiner Haut. Er blutete? Na das war ja etwas neues, ätzte eine Stimme tief in seinem Inneren, ließ ihn den Blick abwenden. Starr geradeaus in die kümmerlichen Reste der Halterung des Spiegels sehen. Kein Bild mehr...kein Selbstporträt, das seine verspottende Stimme gegen ihn erheben konnte. Nein...das brauchte er nicht mehr. Schuldig stand ja direkt neben ihm um diese Aufgabe zu übernehmen. Die Wunden taten weh, brannten. Brannten wie sein Inneres vor Schmerz. Bluteten. Aya blieb still, wehrte sich nicht. Er hatte wohl gesehen, was der andere Mann plante. Sollte er. Vielleicht war es sogar besser so. Ihm selbst fehlte momentan die Geduld. Die Ruhe, um nicht wieder von dem Hass überschwemmt zu werden, der immer noch in ihm lauerte. Den er bekämpfen musste. Als keine Reaktion kam, nahm Schuldig dies als Einverständnis hin und begann mit seiner Arbeit. Er nahm das Desinfektionsmittel und schüttete es in einem dünnen Rinnsal über die Wunden, so dass sie ausgewaschen und kleine Splitter mit herausgeschwemmt wurden. Die feinen Haarrisse waren nicht sehr tief, sodass es unwahrscheinlich war, dass größere Splitter in der Tiefe lagen. Das Desinfektionsmittel brannte nicht in der Wunde, war deshalb auch teurer, aber dafür eine große Erleichterung. Er besah sich die Hand genau, tastete mit seinen Fingern neben den Schnitten ab, ob weitere Verletzungen zu spüren waren, doch es schien bis auf die oberflächlichen Schnitte und mit Sicherheit später auftretenden Blutergüssen keine größeren Beeinträchtigungen zu geben. Nach einer erneuten Inspektion, ob auch alle Splitter ausgeschwemmt waren, stellte er den kleinen Kanister ab, zog eine netzartige, in Aluminiumfolie verpackte Wundauflage heran, öffnete sie und legte ihren Inhalt, ein Gittergeflecht aus Fasern auf die Verletzungen. Danach legte er einen Verband an und wickelte zusätzlich eines der Tücher um die Hand. Mit der anderen Hand verfuhr er ebenso, doch da sie eher in der Handinnenfläche verletzt war, beließ er es bei der Mullbinde und Kompressen. Schweigend, begann er seine Utensilien zu verräumen, schloss danach den Koffer wieder und drehte sich danach etwas zu Aya. "Egal, was ich jetzt sage, es...", fing er an, beschloss aber dann, es sein zu lassen, denn Aya blickte stoisch auf die Stelle wo der Spiegel zuvor hing. "Wenn...", begann er erneut und wandte sich wieder ab, begann damit größere Teile der Spiegelscherben aufzuheben. Als er so seitlich hinter Aya stand, mit einer der größeren Scherben in der Hand fiel sein Blick darauf und er erkannte, dass sich sein Gesicht zur Hälfte darin widerspiegelte. "Es ist nur eine Hälfte von mir, ein Teil", sagte er ohne eine bestimmte Adresse. "Wenn du deine Gefühle in dir begräbst, finden sie auf die eine oder andere Weise ihren Weg nach draußen. Du kennst dich selbst am Besten", sagte er und legte die Scherbe auf die Seite, bückte sich wieder und sammelte die nächste Große ein. Den Rest würde er mit dem Staubsauger entfernen Aya brauchte einen Moment, um aus den ruhigen, medizinisch versorgenden Berührungen des anderen Mannes wieder aufzutauchen. Sich bewusst zu werden, dass dieser mit ihm sprach. Dass dieser seine Hände versorgt und verbunden hatte. Wie schrecklich es aussah. Als wäre er ungeschickt... Sein Blick fiel auf den gebückten Schwarz, der die Scherben aufsammelte. Seine Scherben. Die Scherben seiner Ruhe. Schuldig war schuld. Hatte sie zerstört in einem Anflug vom spielerischer Grausamkeit. Fehlte nur noch, dass er sie jetzt zusammensetzte... Wie er es jetzt schon tat. Was hatte Schuldig gesagt? Dass er sämtlichen Emotionen in seinem Inneren freien Lauf lassen sollte? Aya lauschte dem inneren, hysterischen Lachen. Natürlich würde er das tun...damit der Deutsche noch mehr hatte, das er zerreißen konnte. Dass er gegen ihn verwenden konnte. Seine Hände hingen bewegungslos an seiner Seite hinab, schwebten nahe der ihm zugewandten, feurigen Mähne. Wenn er seine linke Hand ausstrecken würde...könnte er sie berühren, diese Haare. Sehen, was Schuldig daran fand. Seine Lippen pressten sich zusammen. Nein. "Da hast du wohl recht. Ich weiß, was für mich gut ist", erwiderte er ausdruckslos und trat einen Schritt zurück. Wieder einen. Weg von Schuldig. Ohne ein Wort des Dankes. Warum auch, Schuldig hatte nur etwas gut gemacht. Aya runzelte die Stirn. Er hatte ihm ein Stück Ruhe zurückgegeben mit seinem Tun. Vielleicht die Basis in eine stabilere Lage. Er verließ das Bad, streunte zur Fensterbank. Ließ sich schließlich darauf nieder und warf einen Blick auf die gewaltige Stadt vor sich. Auf die pulsierende, nie stillstehende, schmutzige Stadt. So viel Böses...so viel dunkel. Und er saß hier und zog Ruhe aus diesem trügerisch friedlichen Ausblick. Egoismus in seiner Reinform, doch in genau diesem Moment war ihm nichts mehr egal als das. Schuldig nickte einmal auf Ayas Worte und beseitigte die Überreste des Spiegels, beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, wie es nun dazu gekommen war, warum er Aya gerne quälte, warum es ihm danach gegiert hatte, dem Anderen seine Mauer vor dem Tor zum Hass einzureißen. Nachdem er fertig war, ging er wieder zum Schlafbereich, öffnete eines der Terrassenfenster und besah sich seine Kleidung im Schrank, wählte daraus seine heutigen für den Auftrag aus, zog sie jedoch noch nicht an, denn er hatte noch Zeit bis er los musste. Nach einer halben Stunde hatte er sowohl seine Waffen ausgewählt, als auch seine Kleidung geordnet. Etwas befangen, doch nicht unsicher durchquerte er danach den Raum und ging zu Aya. "Wann willst du mit dem Kochen anfangen?", fragte er ruhig. "Wenn du mir sagst was ich machen soll, übernehme ich das", wies er so auf einem Umweg auf die verletzten Hände hin. "Gar nicht." Aya löste seinen Blick nicht von der Stadt vor sich, auch wenn er wusste, dass Schuldig direkt hinter ihm stand. Wenn seine Instinkte unangenehm prickelten und ihn warnten. Auch wenn sein Hass auf die Nähe des Schwarz reagierte und wie ein Barometer ausschlug. Das Intermezzo und der darauf folgende Schmerz hatten seinen Hunger und die Lust, sich auch nur in die Nähe zu etwas Essbarem zu begeben, gründlich gestillt. Mit Mühe konnte er sich davon abhalten, seine Stirn an die angenehm kalte Scheibe zu betten und seine Augen zu schließen. Er war erschöpft. Müde. Ausgebrannt. Er wollte Ruhe. Wollte weg von hier. "Mir ist der Appetit vergangen." Gut, das war klar, dachte Schuldig innerlich nickend. "Ich verstehe", sagte er sarkastisch. "Ich bin wohl jetzt der Letzte, von dem du hören willst, dass du etwas Essen sollst, also lasse ich es besser", murmelte er und wollte schon gehen, als ihm etwas einfiel. "Du weißt ja wo die Kekse sind, falls du später Hunger bekommst, im Kühlschrank ist auch noch genügend." Es war ein Versöhnungs-...oder ein Entschuldigungsangebot gewesen, zumindest konnte Schuldig es auf diese Art ausdrücken. Sich in die Nähe Ayas zu begeben, ihn anzusprechen, war für ihn als würde er sich damit entschuldigen wollen. Aya hatte das Angebot jedoch nicht angenommen. Schuldig wandte sich nach einem Moment des Betrachtens ab und ging in die Küche, machte sich erneut einen starken Kaffee. Das musste reichen, wenn Aya nichts aß, machte er sich eben eine der schnelleren Sachen, vielleicht etwas Süßes?, grübelte er und machte sich daran sich etwas zu Essen zuzubereiten. Aya wandte sich schließlich von den unzähligen Lichtern ab. Es brachte nichts, sich hier hinaus zu wünschen. In seiner momentanen Verfassung würde er nicht einmal bis vor die Tür kommen, ohne dass Schuldig ihn mit einem spöttischen Grinsen wieder in das Loft zurückziehen würde. Ohne dass er sich adäquat wehren konnte, wohlgemerkt. Er seufzte, ließ seinen Blick auf besagten Mann fallen, nur um ihn gleich wieder abwenden zu wollen. Wollen, es aber letztendlich nicht zu tun. Da, wo er geglaubt hatte, neuerlichem Hass ausgesetzt zu sein, wenn er den rotflammigen Schwarz mit nur ein wenig Aufmerksamkeit bedachte, kehrte nun Ruhe in dessen Betrachtung ein. Es verschaffte ihm Ruhe, der Gestalt des anderen Mannes dabei zuzusehen, wie sie sich etwas zu essen machen wollte. Vertraut verhasste Züge. Das Wissen um Beständigkeit, aus der er seine Ausgeglichenheit ziehen konnte. Und obwohl Schuldig für seine Disbalance verantwortlich war, löste sich Aya nicht von der Betrachtung dessen, was sich ihm nun darbot. Lehnte gegen die Fensterbank, die Arme sorgsam verschränkt, die Hände versteckt. Der Blick wie Efeu an dem anderen Mann festgewachsen. Ein Schmarotzer... Ayas Lippen umhuschte ein bitterer Zug. Als wenn Schuldig das nicht verdiente... Schuldig beachtete Aya nicht mehr, diesen weißen Fleck in seiner telepathischen Wahrnehmung. Vielleicht war es deshalb auch für ihn so schwer, sich ständig dessen Anwesenheit bewusst zu sein, vorsichtig zu sein. Aus einer Schublade holte er sich eine schlichte lange dunkle Schürze, wie sie in Bars oft getragen wurde, band sie sich um die Hüfte und legte los... In sein Tun vertieft, werkelte er an seiner Süßspeise und nippte ab und an an seinem Kaffee. Als es daran ging die kleinen süßen Teigbällchen anzubraten, band er sich die Haare nachlässig zusammen um sie nicht gleich mitanzubraten. Er war in der Küche ein seltener Tollpatsch und daher sehr darauf bedacht, nicht zusätzliche Fallen aufzustellen. Leise summend gab er die Teigbällchen in die Pfanne, wendete sie rasch. Aya konnte schon beinahe deutlich sehen, wie der andere Mann ihn mehr und mehr ausblendete und sich seinen Tätigkeiten widmete. Die im Moment just darin bestanden, dass er Teigbällchen zubereitete, deren Geruch wie eine sanfte Lockung zu Aya hinüber wehten. Versuchte Schuldig genau das? Oder war es, dass der andere Mann ihn wieder ausgeblendet hatte...soweit, dass er ihn vergaß. Soweit, dass er das vergessen hatte, was gerade geschehen war. Ein leichter Ausweg. Ayas Lippen verzogen sich zu einer schmalen, bitteren Linie, untermalt von einem lockeren, gelösten Summen. Untermalt von Mandel- und Honiggeruch. Es erzürnte Aya. Ebenso wie der Zorn ihn beruhigte. Zorn machte stark, Zorn konnte er durch sich hindurchfließen lassen... Immer noch verweilte sein Blick stumm auf den Händen, die so emsig ihre Arbeit machen. Zunächst hatte Schuldig die Rohmasse der Teigbällchen zubereitet und bei dieser Prozedur schon gegrübelt, wie viel er machen sollte und hatte sich zur doppelten Menge entschlossen. Nun, als er sie in Honig und Mandeln karmelisierte und sie in der Pfanne hin und herrollte, blickte er kurz zu Aya auf. Vielleicht würde Aya seine Lieblingsnachspeise doch gerne probieren wollen. Aber er machte sie nicht für Aya sondern für sich selbst, versicherte er sich. "Willst du nicht doch wenigstens eine Kleinigkeit probieren?" Anscheinend war er doch nicht so in Vergessenheit geraten, wie er es gedacht hatte... Aya behielt seinen Blick auf dem anderen Mann. Da war keine Bosheit in den Zügen des Telepathen...nicht so wie vorher. Kein Wille, ihn zu verletzen. Ein Versöhnungsangebot...und nicht das Erste seiner Art. Ein Teil in Aya verachtete das. Ein anderer wurde neugierig. Aber wie sagte man so schön? Neugier war der Katze Tod. Aya erhob sich von seiner momentanen Position und näherte sich dem Telepathen, kam schließlich ebenso in die Küchenzeile. Auch wenn er immer noch Abstand zu Schuldig hielt, war er doch nah genug, um einen schweigenden Blick in die Pfanne werfen zu können. Auch wenn das Essen mit verschränkten und schmerzenden Armen eine Sache für sich war. "Was ist das?" Schuldig schaltete den Abzug aus und blickte zu Aya, der neben ihm stand, die verletzten Hände unter die Arme geschoben. Mit den Schultern zuckend und wieder auf seine Klößchen schauend, runzelte Schuldig die Stirn. "Keine Ahnung, wie die Dinger heißen, ich hab das ursprüngliche Rezept etwas verändert. Etwas Mehl, Zucker, Kokosfett und Kokosmilch, ein paar Raspel dazu, das Ganze danach dann mit Honig und Mandeln bearbeitet, frittiert. Süß, sind sie", lächelte er die Pfanne an und freute sich schon darauf die Bällchen zu vernaschen. Ja...das roch Aya. Vorsichtig schnupperte er ein weiteres Mal nach dem beinahe schon weihnachtlichen Geruch. Weihnacht und Karibik...in einem vereint. Und auch wenn er keinen Hunger hatte, so lohnte es sich doch sicherlich, wenn er ein wenig davon probierte, oder? Schon alleine, um Schuldig zu zeigen, dass er doch kein verwöhnter Gourmet war. Er trat zurück, ging zu seinem vorherigen Platz am Bartresen, beobachtete Schuldig schweigend. Es war gerade mal Nachmittag und er wollte sich am Liebsten in sein Bett verkriechen und schlafen...das war doch nicht normal, aber angesichts des noch vor wenigen Momenten erlebten in gewisser Weise verständlich. Um das Ganze noch etwas frischer zu gestalten, holte Schuldig noch eine Dose mit Mangos und eine mit Ananas hervor, zerkleinerte zwei, drei Scheiben und richtete sie in einer Glasschüssel an, die er dann auf den Tresen stellte, zusammen mit zwei Schalen, zwei Paar Essstäbchen und den süßen Bällchen. Währendessen warf er hin und wieder einen beobachtenden Blick zu Aya, der etwas zusammengesunken auf seinem Barhocker saß und ihm dabei zusah, wie er alles arrangierte. Er wirkt müde, stellte Schuldig fest, als er sich die Schürze losband, das Licht des Abzuges ausschaltete und zu Aya kam. Kein Wunder, nach ihrem Streit... . "Wie viele magst du, für den Anfang?", fragte er, als er sich neben Aya setzte. Er lächelte geheimnisvoll und wusste genau um den hohen Suchtfaktor seiner Kreation. Zusammen mit den Früchten, waren diese Spezialbällchen sehr lecker. Zumindest für ihn. Natürlich hätte er auch frische Früchte kaufen und sie dementsprechend zubereiten können, aber da es eine spontane Idee war und er nichts anderes zu Hause hatte, gab er sich auch gerne damit zufrieden. Früchte? Fehlte nur noch die Sahne...Ayas Blick hielt sich an den dargebrachten Speisen fest, versuchte sich schon im Voraus auszumalen, wie es schmecken würde. Süß und fruchtig...sicherlich... "Eins", gab er immer noch in seinem ausdruckslosen Ich zurück. Wer weiß...vielleicht täuschte das Bouquet...die gute Aufmachung und er würde es bitter bereuen. Auch wenn er sich nicht sicher war, wie er sie essen sollte. Mit Stäbchen. Gut. Das würde wehtun, dank seiner Unbeherrschtheit, dank allem, was dazu geführt hatte. Er betrachtete unbemerkt seine Hände. Wie Klumpen...zu nichts nütze...so stumpf. Na er musste es ja versuchen... Sein Blick ruhte auf der vor ihm dampfenden Süßspeise. Wie sie schimmerte, die goldgelbe Kruste. Zumindest seinem Magen gefiel das, wie er an dessen innerlichen Regungen festmachen konnte. Kommt Zeit, kommt Rat..., dachte sich Schuldig und gab eines der runden Köstlichkeiten in Ayas Schälchen, legte ein paar Essstäbchen darauf. Dazu gab er sowohl Ananas als auch einige Streifen der Mango. Bei sich war er da schon großzügiger. Schuldig war der Blick, den Aya auf seine Hände geworfen hatte, nicht entgangen und so verzog er den Mund etwas, als er nachdenklich auf Ayas Schale blickte. Na dann half er eben, was sollte es schon groß machen? Sie standen sich sowieso kaum nahe und Aya hasste ihn, also würde das sicher nicht als Anmache gewertet werden, da brauchte er sich keine Sorgen machen. Für ihn war es etwas Besonderes jemand Anderem das Essen in kleinen Häppchen zu geben, es war für ihn etwas Erotisches, deshalb überlegte er es sich genau, was er hier vorhatte. Doch tatsächlich nahm er die Stäbchen von Aya in die Hand, hob das Schälchen etwas an und nahm die süße Nachspeise auf um sie Aya zu reichen. "Achtung, hier kommt etwas leckeres", grinste er und fühlte sich in die Vergangenheit versetzt, als er noch kleiner war. Aya sah mit Argwohn, dass Schuldig ihm seine Stäbchen nahm, als er sich plötzlich gewahr wurde, warum dem so war. In leichten Ansätzen fassungslos starrte er zunächst den anderen Mann, dann das vor ihm schwebende Bällchen...das leckere Ding...wie Gift an. Presste unwillig seine Lippen aufeinander...in einer kindischen Verweigerung. Er konnte sich schon vorstellen, wie das aussah...wann war er denn das letzte Mal gefüttert worden? Aya wusste es nicht mehr...wusste nur noch, dass es seine Mutter gewesen war, die diese Aufgabe übernommen hatte. Und nun...nun nahm Schuldig genau ihre Position ein...sagte das, was sie auch gesagt hatte. Schien scheinbar größte Freude dabei zu verspüren, ihn zu...füttern. Sein Feind. Sein Feind hielt es für eine gute Idee, ihn zu füttern, nachdem sie noch nicht einmal eine halbe Stunde vorher... Doch vielleicht war es genau das richtige, auf eben dieses Spiel einzugehen. Vielleicht bewahrte ihn das vor dem Wahnsinn, Schuldig in die Augen zu sehen und wieder und wieder den Mann in ihnen zu erkennen, der ihn verletzen konnte. Vielleicht war Verdrängung ein gutes Mittel. Nein, nicht nur vielleicht. Es war so. Innerlich zu einer Übereinkunft gekommen, setzte Aya diesem Auflockerungsversuch nichts mehr entgegen. Wenn er probieren wollte, konnte er die unförmigen Klumpen seiner Hände nicht gebrauchen. So reckte er sich nun leicht und entblößte seine Zähne, biss ein winzig kleines Stück von dem warmen Teigbällchen ab. Kaute langsam. Sah Schuldig in die grünen, amüsierten Augen. Vom Feind gebadet und gefüttert...was würden Kritiker wohl dazu sagen? "Man kann es essen...", erwiderte er schließlich mit zögerlich hochgezogener Augenbraue. Mochte das Spiel beginnen... Schuldig verzog den Mundwinkel spielerisch nach unten. "Schmeckt es Eurer Hoheit etwa nicht? Natürlich wäre ein angemesseneres Mahl für einen Meisterkoch wie Euch wünschenswert gewesen, aber ....in so kurzer Zeit...", suchte er mit entschuldigendem Gesichtsausdruck nach Ausflüchten, imitierte einen unterwürfigen Diener. Dann lächelte er etwas, als er das angebissene Bällchen ablegte und eine Mango aufnahm, sie Aya darbot. "Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du so hochnäsig bist", schmunzelte er und der Schalk blitzte in den grünen Augen. Vermutlich hatte er es sich wieder verscherzt, aber warum sollte er bei Aya ein Blatt vor den Mund nehmen? Der Andere mochte ihn sowieso nicht. Wozu also seine Worte verschönern? Hochnäsig? Ayas Lippen umspielte ein kleines, gemeines Lächeln, wurde jedoch durch die Mango verdeckt, die sich ihm gerade so bereitwillig darbot. Eure Hoheit? Schuldig hielt ihn also für einen eingebildeten Fatzken, der andere herumkommandieren musste um sich gut zu fühlen? Das konnte er haben. Dieses Spiel konnte er spielen. Genüsslich labte er sich an dem Stück Frucht, blieb dem anderen Mann für einige lange Augenblicke eine adäquate Antwort schuldig, bevor er seine Augen über dessen sitzende Gestalt schweifen ließ. Eine arrogante Augenbraue lupfte. Ohne auf die in Humor verpackte Beleidigung des Telepathen zu antworten, lehnte er sich leicht zurück. Mimte den perfekten Pascha. "Es ist meiner so gerade eben würdig...und nun... Den Rest des Bällchens....Sklave." Und wie arrogant herrisch Ayas Augen funkeln konnten, als er seine Lider auf Halbmast senkte. "Hättest du wohl gerne...", raunte Schuldig, ließ Aya nicht aus dem Blick, nur als er den ,Befehl' seines ,Gebieters' ausführte und das gewünschte Häppchen mit den Essstäbchen fasste. "Sehr wohl, mein Gebieter, Euer Wohl ist mein Gesetz", sagte er mit samtweicher Stimme, den Kopf leicht geneigt, einen unschuldigen Blick präsentierend, die Lippen leicht geöffnet. Er konnte sich Aya sehr gut als herumkommandierenden Herrscher vorstellen... vor allem im Bett. Schuldig überlegte gerade in Gedanken, ob er sich von diesem arroganten Blumenkind Befehle erteilen lassen würde, während er ihren Blickkontakt aufrecht erhielt. ...ohja...und wie er würde... Ayas Lippen zierte ein stummes, alles verbergendes Lächeln, ließ sich den warmen, knusprigen und angenehm duftenden Teig auf der Zunge zergehen. Nun...so schlecht, wie er es kurz befürchtet hatte, war es dann wohl doch nicht. Wohl eher ganz im Gegenteil. Soso...sein Wohl war Schuldigs Gesetz? Da konnte er doch noch etwas rausschlagen...aber später. Später...nicht jetzt. "Hätte ich gerne? Aber natürlich...wer hätte nicht gerne jemanden, der einem das Putzen und Kochen, Spülen und Aufräumen abnimmt. Und die Blumen natürlich auch...Fensterputzen...schrecklich. Staubwischen?" Das Lächeln verbreiterte sich ein klein wenig. "Ach ja...und das Bad...das könntest du dann auch sauber machen." Seine Mundwinkel zuckten, als er mit Mühe, den gefordert hochnäsigen Blick beibehielt. Er hatte wohl verstanden, was Schuldig so lasziv sanft ausdrücken wollte. Doch er würde den Teufel tun, sich auf dieser Ebene mit dem anderen Mann zu unterhalten. Nicht nachdem, was geschehen war. Unbemerkt von Aya wanderte ein weiteres Bällchen aus der Schüssel in dessen Schale und wartete dort harmlos in illustrer Gesellschaft von Mango und Ananas auf seinen kalorienhaltigen Einsatz. "Nun, es ist meine Wohnung, selbstverständlich werde ich diese Aufgaben übernehmen, aber sie dienen doch sicherlich nicht Eurem Wohl, wenn es Aufgaben sind, die ich ohnehin schon erledige. Ihr vertraut mir also euren Bonsai an? Der nur durch Eure Hand gepflegt werden sollte?" Ein minimales warmes Lächeln legte sich auf die Lippen, als er Aya die Früchte anreichte. "Gibt es nichts Anderes, was ich Euch ,an'-tun könnte um es Euch angenehm zu gestalten?" Wieder ein charmantes Lächeln, das Spiel zwischen ihnen sichtlich genießend, die Ruhe die sich in ihm ausgebreitet hatte. Keinerlei Gedanken flossen durch ihn hindurch, nichts störte Schuldigs Aufmerksamkeit. "Oh...ich meinte natürlich in meinen Räumlichkeiten...wozu sollte es sonst gut sein?", näselte Aya und stolperte im nächsten Moment über das ,antun'. Er hob eine Augenbraue. Antun...ja, was könnte Schuldig ihm noch antun? Leise lächelnd schüttelte Aya amüsiert seinen Kopf. Gar nichts mehr. Es war schon alles geschehen, was geschehen konnte. "Du könntest...", begann er, stockte dann. "...könntest....", noch einmal. Immer noch ohne wirkliches Ziel. Das, was er wollte, würde ihr Spiel zerstören. Würde ihnen beiden den Ernst der Lage wie einen Spiegel vorhalten. Die neu aufgekommene Ruhe durch Frustration und Hass eintauschen. Lieber griff er sich das nächste Stück frischen, köstlichen Obstes, schwelgte in dessen frischen Geschmack. "Ahh, ihr ladet mich also in Eure Gemächer ein? In Euer Domizil? Ein Beweis Eures Vertrauens, dessen ich - nur ein Sklave - nicht würdig bin." Schuldig bemerkte das Stocken, hatte er dieses kleine Spiel scheinbar gewonnen ohne dass er es beabsichtigt hatte. Viel lieber hätte er es weiter gespielt, ohne dass einer von ihnen gewann. Sein Blick verirrte sich kurz auf den von Fruchtsaft feuchten Lippen Ayas. "Wie wäre es mit etwas Zerstreuung, während Euer Sklave selbstverständlich nur für wenige Stunden ohne Eure großmütige Anwesenheit auskommen muss? Einige der Bücher, könnten Euch die gewünschte Ablenkung schenken, mein Gebieter", bot er Aya an. Bücher? Das hörte sich wirklich fantastisch an. Auch wenn... "Und was, wenn ich meinem...Sklaven", oh wie sehr schauderte er innerlich, dieses Wort zu gebrauchen, "...verbiete, dieses Domizil zu verlassen?" Eine Herausforderung an den anderen Mann. Mal sehen, was dieser sich als Ausrede ausdenken würde. Auch wenn die Aussicht darauf, alleine zu sein, gewisse Vorteile bot, wie sich Aya nun eingestehen musste. Er konnte versuchen zu fliehen. Insofern er die Codes der Verriegelungen knackte natürlich. Oder einen anderen Weg fand. Auf jeden Fall ein sinnvoller Zeitvertreib. Ebenso, wie nun seicht seine Hände zu bewegen, festzustellen, dass der Schmerz zu einem nicht ignorierbarem Pochen geworden war. "Dann müsste ich dieses Gebot missachten, doch wie immer erwarte ich bei meiner Rückkehr Eure Strafe für diesen Ungehorsam in ergebener Demut", lächelte Schuldig treu und bot Aya während er sprach ein Kokosbällchen an. Und wieder hatte er ein Bild vor Augen, welches mit dieser Situation nichts zu tun hatte, nichts mit ihm zu tun hatte, wie er wusste. Vielleicht wieder fremde Gedanken eines anderen Menschen, von ihm nur durch Zufall unbewusst aufgenommen? Er tat es innerlich schulterzuckend ab, doch seine Aufmerksamkeit war für wenige Sekunden von Aya abgewichen. Nun wieder den alten amüsierten Glanz in den Augen, richtete er sie wieder auf Aya, auf ihr Spiel. Aya war nicht entgangen, dass ihm die Aufmerksamkeit des Telepathen für einen Moment entflohen war. Dass dieser sich an etwas festzuhalten schien, was er letztendlich wieder verlor...nichts wirklich wichtiges also. Er belohnte das treue Lächeln mit einem vorsichtigen, weiteren Biss und dann noch einem. Aß die Süßspeise gänzlich auf, um sich schließlich wohl gerundet und völlig aufnahmeunfähig zurückzulehnen. "Dann werde ich mir etwas Entsprechendes ausdenken...", nickte er und leckte sich nachhaltig die süße Substanz von den Lippen. Nun, da Aya satt erschien und sich zurücklehnte, stellte Schuldig die Schale beiseite und aß selbst die kleinen Köstlichkeiten, freute sich, eines der süßen Bällchen in seinem Mund verschwinden lassen zu können und grinste leicht vor sich hin. Mit Süßem war er leicht zu ködern. Genüsslich begann er die Früchte samt Bällchen zu vertilgen. o~ Immer noch völlig satt und noch zusätzlich faul vor Langeweile warf Aya einen müßigen Blick in Richtung des Telepathen. Der sich gemächlich vor seinen Augen umgezogen hatte und dies immer noch tat...seinem Outfit den letzten Schliff gab. Er musste schon sagen...der andere Mann sah durchaus bereit aus, sich in ein nächtliches Abenteuer zu stürzen...was ja auch letztendlich dessen Sache war. Dass er selbst allerdings hier bleiben und auf Schuldig warten musste, dass dieser von seinem One Night Stand zurückkam... Alleine war, wie sein Verstand ihm mit unnötiger Grausamkeit hämisch zuflüsterte. Nein...dieses Mal würde Schuldig ihn nicht vergessen. Oder? Oder würde er aufgrund ihres Disputs seine Existenz ein weiteres Mal verschwinden lassen und ihn... Stumm verfolgten Ayas Augen, wie nun auch noch das I-Tüpfelchen den anderen Mann umschmiegte. Ein langer, schwarzer Gehrock, passend zum Rollkragenpullover und Lederhose. Die seiner doch recht ähnlich sah. Alles in allem...passend. Gefährlich gefährlich..., spottete er innerlich und bettete sein Kinn auf die Couchlehne und heftete seinen Blick auf den Deutschen. Vielmehr auf dessen Hose. Es war schon interessant, wie gleich ihr Geschmack in manchen Dingen war. Alleine schon die Naht dieser Hose war seiner überaus ähnlich, soweit er das aus dieser Entfernung erkennen konnte. Was gar nicht so leicht war, schließlich trug er seine Brille nicht umsonst. Kurzsichtigkeit, auch wenn sie nur leicht ausgeprägt war, war manchmal ein wirklicher Fluch. Aya blinzelte. Die waren noch mehr Gemeinsamkeiten...schon alleine diese kleine, verwaschene Stelle am linken Hosenbein. "Ist das MEINE Hose?", fragte er lauernd. Schuldig sah erst Aya an, dann wanderte sein Blick nach unten, fixierte das Leder und zog die Augenbrauen Richtung Haaransatz. "Keine Ahnung, steht dein Name drauf?", fragte er rotzfrech und mit der Dreistigkeit, auch noch ein unschuldiges Gesicht zu ziehen. "Wer´s findet, dem gehört's", zwinkerte er. Die Lederhose saß zwar nicht wie seine eigenen, aber es hatte schon den gewissen Kick, sich unverschämterweise in Ayas Eigentum zu kleiden und diesen damit gehörig zu ärgern... Sich nicht stören lassend in seinem Tun warf er noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor er zum Tisch mit den Waffen ging, den Code flink eingab und die Platte des Tisches geöffnet werden konnte. Er nahm seine Dolche heraus und seine automatische Handfeuerwaffe, verstaute sie in der Halterung unter seinem Gehrock. Ah...so war das also. Sie spielten ,Wie du mir, so ich dir'...nur auf eine sehr spezielle Art und Weise. Als wenn Aya eine andere Wahl gehabt hätte, als die Sachen des Deutschen anzunehmen, nachdem sein Pullover so unschuldig Opfer des Dolches geworden war... Aber gut. Was Schuldig konnte, konnte er auch. Sein Kinn immer noch störrisch auf der Lehne, funkelte er den anderen Mann scheinbar amüsiert an. "Du solltest abnehmen...dein Arsch ist zu breit für meine Größe", ließ er klar und deutlich durch des Raum schallen. Runzelte dann aber die Stirn. Schuldig war nicht auf ein Date aus. Die Waffen sprachen da eine andere Sprache. Auf töten. Morden...kämpfen. Ein scharfer Stich von Wut wie auch Eifersucht durchfuhr Aya. Das war auch seine Aufgabe...eine Aufgabe, der er momentan nicht nachgehen...konnte. Er musste zusehen, wie sein Team ohne ihn klar kam, wenn sie heute auf Schwarz treffen würden. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, ließ ihn trotz allem nicht los. "Ich warne dich...wehe, die Hose hat auch nur einen Kratzer...oder Blutflecken", veräußerte er anstelle dessen schließlich. "Oder du lässt etwa die Naht reißen...so eng, wie sie sitzt, sicherlich wahrscheinlich..." Schuldig verschloss seine ,besondere Waffenkammer' und drehte sich lachend um. "Ah...von wegen! Das sind alles nur Muskeln, was sollte ich da schon abnehmen?", fragte er schmunzelnd. "Ich finde, sie sitzt recht gut, anders als meine eigene, aber gut. Und was die Flecken angeht...werde ich mich selbstverständlich bemühen. Wobei ich selbst in weißer Kleidung - wie du weißt, eher selten Probleme mit Flecken habe", grinste er und kam zu Aya. "Muskeln...alles klar", lächelte Aya mit leicht spöttischem Hauch und winkte gönnerhaft ab. Setzte sich schließlich auf und drehte sich Schuldig nun völlig zu, als dieser auf ihn zukam. Bewaffnet und gefährlich. Huh....er hatte Angst. Ja...die hatte er wirklich. Um sein Team. Um Weiß, die, so vermutete er es bitter, ohne ihn nicht klar kommen, ja gar versagen würden. "Wie gesagt...nur ein Blutfleck und du wirst es bereuen...", nickte er hoheitsvoll, wurde dann jedoch ernst. "Ebenso, wenn meinem Team etwas geschieht. Aber ich denke, das brauche ich nicht extra zu erwähnen, oder?" Lauernde Gefahr aus undurchsichtigen, violetten Seen. Ernst mit der Warnung, nicht zu spaßen...in keinster Weise. Die Drohung in den Augen deutlich sehend, winkte Schuldig jedoch lediglich ab und griff sich seine Autoschlüssel. "Berufsrisiko nennt man das!", sagte er gut gelaunt. "Mach dir keine Sorgen Schatz, bin bald wieder da, musst nicht aufbleiben und auf mich warten", flötete er, jedoch das belustigte Blitzen in den Augen kaum verbergend, als er zur Tür ging. Aya wusste für einen Moment nicht, über was er mehr erzürnt sein sollte. Dass der andere Mann ihn nicht ernst nahm, noch über ihn lachte, oder dass er ihn mit Kosenamen betitelte. Augenblicklich war es das Erste, das ihn die Lippen aufeinander pressen ließ. Natürlich...das passte ja. Er war aus dem Weg geräumt, während Schwarz sich mit seinem Team vergnügen konnte...zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, was wollte Crawford mehr? Er erhob sich ruckartig, steuerte auf das Fenster zu. Dunkle, kochende Lava brodelte wieder gefährlich in ihm hoch. Hass auf Schuldig und dessen Handeln...dessen Freiheit, während er hier gefangensaß. Seine verbundenen Hände pressten sich auf das Fensterbrett, suchten nach Schmerz, nach Ablenkung, nur um nicht wieder in sinnlosen Verwünschungen zu versinken. Dennoch...er wusste, dass er diesen Kampf mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren würde. Schuldig verdrehte die Augen genervt und zuckte mit den Schultern. Was sollte er sich ständig um die Laune dieses Kerls kümmern?, verwies er sein schlechtes Gewissen auf seinen Platz in den hintersten Reihen, bevor er es nachher sowieso in die Versenkung schicken würde. Doch wie er so dastand und die Gestalt am Fenster stehen und in die vermeintliche Freiheit starren sah, öffnete er den Mund, schloss ihn jedoch ohne einen Laut hervorgebracht zu haben wieder. "Soll ich mich jedes Mal wenn ich versuche die Stimmung aufzulockern, gleich eine Entschuldigung dransetzen?", murrte er kindisch vor sich hin. Unschlüssig stand er da, näherte sich aber dennoch Aya, bis er neben ihm am Fenster stand und hinaus blickte, Aya dabei scheinbar außer Acht lassend. "Was willst du hören?", fragte er ernst, völlig gegensätzlich zu dem Spaßvogel von vorhin. "Dass wir sie verschonen, wenn sie uns in die Quere kommen? Glaubst du, das könnte ich dir versprechen? Dass wir euch bisher aus dem Weg gegangen sind, hatte seinen Grund, aber wenn sie nun hartnäckiger sind und uns stören, dann werden wir nicht tatenlos herumstehen und uns töten lassen. Hättet ihr mein Team verschont, während ich bei dir in dem Keller war? Wohl kaum. Warum erwartest du es dann von mir?" Schuldig sah mit Unverständnis im Blick kurz zu Aya hinüber. Und Ayas ruckte zu Schuldig, fixierte den anderen Mann erbost. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, es wirklich zu versuchen, den Telepathen zu überwältigen und dessen Waffe an sich zu nehmen. Einen Moment sicherlich...doch dann war dieser Plan auch schon Geschichte. Es war die Anstrengung nicht wert...wirklich nicht. Zumal die Aussichten auf Erfolg so dermaßen gering waren, dass es Wahnsinn war, etwas derartiges zu versuchen. "Verschonen...? Wir? Euch? Natürlich...als wenn wir euch jemals überlegen wären, richtig? Das Einzige, was ICH möchte ist, dass ihr euch den Umstand, dass sie ohne mich sind, nicht zu Nütze macht. Denkst du nicht, dass du mir wenigstens DEN Gefallen schuldig bist?" Aya verstummte, verharrte völlig angespannt neben dem Deutschen, starrte diesen weiterhin unverwandt an. "Mir ist es egal, wenn du versuchst, die Stimmung aufzulockern...dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Aber die Tatsache, dass du mich auslachst..." Er presste seine Lippen aufeinander. Kein. Weiteres. Wort. Kein einziges. Er würde nicht noch mehr von der Schwäche preisgeben, die scheinbar in ihm köchelte. Mit einem ironischen Lächeln wandte der Telepath sich einen Moment der Stadtansicht zu, nur um im nächsten Satz wieder die violetten Augen mit seinen grünen zu konfrontieren. "Was willst du damit sagen? Dass ihr bisher halbherzig gekämpft habt, mit Null - Erfolgschancen uns zu töten? Willst du das damit sagen?" Ärger zog in ihm auf, aber er war eher ungehalten und unverständig diesen Worten von Aya gegenüber. "Das nehme ich dir nicht ab, dass ihr nie geglaubt habt, dass ihr uns erledigen könntet. Dazu wart ihr zu gut, als dass ihr das nur vorgetäuscht hättet. Ich konnte...kann es jetzt in deinen Augen lesen, wie sehr du davon überzeugt warst und noch immer bist, dass du mich töten kannst, sobald du fit bist und deine Waffe in Reichweite ist." Er presste die Kiefer zusammen, besann sich wieder und lockerte die Muskulatur etwas. "Falls du dich nicht erinnerst. Wir haben euch nie angegriffen, das war euer Job. Ihr habt uns bei unserer Arbeit gestört. Solange die drei uns in Ruhe lassen und nicht zu lästig werden - was ich nicht glaube - werden wir sie nicht tangieren. Aber falls sie zu gefährlich werden, sehe ich keinen Grund, warum ich sie schonen sollte. Wenn sie unterbesetzt sind, weil sie zuvor einen Fehler gemacht haben, ist das, dass verschulden ihrer Gruppe." Verächtlich verzog er den Mund leicht. "Du willst es nicht kapieren, was?", sagte er ließ jedoch offen was er damit meinte. "Ich frage mich nur, was für einen Gefallen ich zu erwarten gehabt hätte bei Kritiker...", murmelte er als er sich abwandte, die Augen blanke grüne Seen ohne Blick. "Natürlich haben sie keine Chancen, dich und Schwarz zu töten...bei mir mag das anders sein. ICH kann dich blocken, wie du ja sicherlich weißt..." Ein dünnes Lächeln huschte über Ayas Lippen, doch es war weit davon entfernt, auch nur einen Funken an Freude zu enthalten. "Die Frage ist, wer hier was nicht verstehen will...DIR ist es doch egal, was ich davon halte, wenn ich hier brav...als dein SCHATZ auf dich warten muss, dass du zurückkommst und mir freudestrahlend berichtest, dass mein Team nicht mehr existiert. Sie können euch nicht gefährlich werden...aber ihr könnt sie aus Spaß abschlachten. DAS verstehst du nicht..." ...wie sehr ich mich um sie sorge, beendete Aya den Satz in seinen Gedanken, veräußerte jedoch keinen Ton. Seufzte nur erschöpft. Er war schier krank vor Sorge um das Wohlergehen von Weiß. Dass sie ohne ihn nicht zurechtkamen. Alleine der Kleine des gegnerischen Teams konnte sie zerschmettern, wenn er es wollte. Was er nie getan hatte. Nein, da hatte Schuldig recht. "Kritiker...hat dich nicht. Das ist der Unterschied. Sie haben dich nicht." Er schüttelte stumm den Kopf, wandte sich ab, erschöpft bis in die letzte Faser seines Körpers. Er konnte nichts tun...wieso sah er das nicht endlich ein? Wieso versuchte er immer noch zu kämpfen...für all das, was ihm lieb war? Wieso konnte er nicht mitansehen, dass Menschen, die er gern hatte, vielleicht starben? Das musste er doch langsam gewohnt sein. "Mach was du willst...aber wenn sie sterben, kannst du mich gleich hinterherschicken." Ohne den anderen Mann auch nur noch eines Blickes zu würdigen, strebte er auf das Bett zu, ließ sich darauf nieder. Mit dem Rücken zu Schuldig. Starrte auf den Boden. Alleine schon die Vorstellung, dass er nicht dabei sein würde, um seinen Team beizustehen... "Na, da hab ich doch richtig viel Glück gehabt, dass ich jetzt nicht schon aus dem Mund sabbere und mein Hirn Brei ist," ätzte Schuldig und dachte nicht daran, auf die Worte näher einzugehen. Er nahm das tragbare Telefon an sich und nahm es kurzerhand mit sich. Die Tür fiel ins Schloss und der Code verriegelte die Wohnung. Es war kein Dauerzustand, das wusste er auch, aber was sollte er machen? Momentan konnte er Aya nicht frei lassen. o~ Wie gerne hätte er Schuldig etwas hinter geworfen, als dieser die Wohnung verlassen hatte. Wie gerne hätte er es gesehen, wenn dieses Etwas auch getroffen hätte. Schuldigs Hirn zu Brei zermanscht hätte. Er wollte seine Hände um den Hals des anderen Mannes legen und zudrücken. Immer wieder. Nur um dessen Bosheit nicht mehr ertragen zu müssen. Anscheinend war der andere Mann der Meinung, dass er sich als Gefangener seiner Situation mehr bewusst sein sollte. Keine Forderungen stellen sollte...weil es ihm nicht zustand. Aya lachte darüber. Gerade eben weil er sich in einer solchen Situation befand, war es sein gutes Recht, etwas zu fordern im Austausch dagegen, dass Schuldig ihn beinahe ins Jenseits geschickt hätte...im Austausch dagegen, dass er gewisser Dinge beraubt hier auf etwas warten musste, von dem er auch nicht genau wusste, was es war. Von dem wahrscheinlich noch nicht einmal Schuldig wusste, worum es sich handelte... Was nicht davon ablenkte, dass er sein Team in großer Gefahr sah und erst wieder zur Ruhe kommen würde, wenn er bei ihnen war und wusste, dass ihnen nichts passiert war. Verflucht war Schuldig! Aya grollte innerlich und kämpfte sich in die Senkrechte hoch, wollte nicht mehr auf dem Bett sitzen. Er fand ja so oder so keinen Schlaf mehr. Da konnte er sich auch genauso gut mit der Wohnung vertraut machen. Noch einmal in aller Ruhe versuchen, die Codes zu knacken. Versuchen, eine Lösung zur Flucht zu finden. Kopfschüttelnd erhob er sich, streckte seine müden, immer noch schmerzenden Glieder vorsichtig durch. Sah sich zum ersten Mal richtig um. Intensiv. So, dass er Informationen aufnehmen und verwerten konnte. Informationen, die ihm nichts nützten. Sowohl Tür als auch Fenster waren verriegelt, ließen sich nicht öffnen...wie sollte es auch anders sein? Aya probierte es, wirklich. Minuten...eine halbe Stunde. Eine Stunde. Nichts. Absolut gar nichts. Selbst Gewalt half nicht weiter. Selbst Wasser nicht! Verfluchte, moderne Technik! Aussichtslos. Da konnte er nichts mit machen. Dann vielleicht anders...mehr aus Neugier, als auch wirklichem Trieb, noch heute Abend fliehen zu können, begann er, die ganze Wohnung zu durchsuchen...angefangen mit der Küche, dem Bad, bis hin ins Wohnzimmer. Oh...er hatte viel zu sehen...wirklich viel. Verspürte nicht die geringste Scham darüber, dass er in den privaten Sachen des Deutschen herumwühlte. Schuldig hatte es so gewollt, als er ihn zu sich geholt hatte. Er begutachtete noch einmal den Messerblock, ein durchaus wichtiges Utensil in seiner Planung. Schuldig hielt ihn in der Tat also für ungefährlich genug, dass er ihm hier Mordwaffen präsentierte. Aya schnaubte. Wenn der andere Mann meinte... Seufzend und zum größten Teil frustriert ließ er sich schließlich auf die Couch sinken, starrte das Bücherregal vor sich mit vernichtendem Blick an. Das Einzige, was er noch nicht durchsucht hatte, war das Monstrum dort. Lauter deutsche Bücher...Aya grauste es. Auch wenn er diese Sprache in Ansätzen beherrschte, so war das doch noch nicht genug, um ein ganzes Buch flüssig lesen zu können. Aber womit sollte er sich sonst die Zeit vertreiben? Außer mit Kochen vielleicht, doch das würde später kommen... Er hasste Schuldig. Das wurde ihm mehr denn je bewusst. Hasste den anderen Mann für dessen Ego, für seine Vorstellungen, für das, was er tat. Fand nichts Gutes an dem Telepathen. Kein Stück. Doch er durfte sich nicht zu sehr darauf versteifen, das wurde Aya mit einem Schlag klar. Denn sonst schwappte eben dieser Hass in ihm über, ließ ihn unbalanciert und fertig zurück. Das würde er nicht zulassen....er würde seine Ruhe behalten. Eisern dafür sorgen, dass niemand Zugang zu seinem Inneren erlangte...dass er selbst mit sich im Einklang war. Und wie konnte er das besser erreichen? Richtig. Wie sehr lachte ihn doch dieses violett eingebundene Buch im Regal an? Lesen lesen lesen. Ruhe. Lesen. In Ruhe lesen. Aya seufzte, erhob sich und schlenderte zum Regal, riss es wütend aus seiner Halterung. "Dann wollen wir mal sehen", sagte er zu sich und schlug den Buchdeckel auf. Wie primitiv...ein Alphabet. Buchstaben...und nur sechsundzwanzig davon. Wie wahrlich primitiv. o~ Dunkel lag der Korridor vor ihnen und ihre gelassenen Schritte halten in dem Verbindungsgang wider. Sie hatten noch etwas Zeit und drangen nach und nach in den anderen Komplex ein, der mit einem kleineren Lagergebäude verbunden war. "Schuldig, du und Nagi ihr geht rein", wies Crawford die beiden Schwarz-Agenten an. "Achtet auf die zweite Wache, die euch im Untergeschoss begegnet, er hat eine zusätzliche Waffe, schaltet ihn sofort aus, nachdem ihr in den Raum tretet. Keine Spielchen, Schuldig." Schuldig nickte und sie machten sich auf den Weg. Nagi öffnete die Tür mittels seiner Fähigkeiten, hob sie aus den Angeln und schleuderte sie mit Wucht durch den angrenzenden ersten Raum, erwischte somit gleich eine der Wachen und schaltete ihn aus. Schuldig setzte nach, erledigte die zweite Wache im Kontrollraum des Untergeschosses noch während sie zum Monitor hastete um über die Sprechanlage Hilfe zu holen. Zwei aufeinander folgende Schüsse in den Kopf und das Problem war behoben. Das Blut verteilte sich mit einer organischen weißen Substanz über die Überwachungsmonitore und der Körper fiel kraftlos auf das Steuerpult. Crawford zog nur die Augenbraue in die Höhe und Schuldig grinste diabolisch, verfolgte den Fluss des Blutes und der weißen Masse über den Monitor. "Los weiter, nächstes Mal etwas sauberer, wenn's geht", murrte Brad eisig. Eben dieses Alphabet machte ihm in seiner zusammengewürfelten Form nun doch Probleme. Aya wusste nicht, was er sich da herausgegriffen hatte, doch die Hälfte der Wörter war ihm völlig unbekannt. Völlig. Innerlich wie äußerlich fluchend suchte er nach einem Wörterbuch, war nicht gewillt, diese Herausforderung verstreichen zu lassen. Wie gut, dass er in der hinterletzten Eckes des Regals eins fand. Immer noch in wütender Ruhe platzierte sich Aya schließlich auf die Couch, setzte sich mit unterschlagenen Beinen auf den weichen, bequemen Untergrund. Begann zu lesen...nachzuschlagen...las weiter...schlug wieder nach. Eine zeitaufreibende Tätigkeit, die ihn für eben diese Momente vergessen ließ, dass er das nicht freiwillig tat. Viel lieber kämpfte er sich durch die Seiten, bis hin zu einem, anscheinend achtlos in das Buch geschobene Foto. Schon vergilbt und augenscheinlich schwarzweiß starrten ihn mit einem Male ein Dutzend ernste wie auch fröhliche, aber zum größten Teil doch traurige Kindergesichter an. Aya runzelte die Stirn, nahm das Bild genauer in Betracht, versuchte, das Schild zu lesen. Deutsch. Natürlich...ein Kindergarten in Deutschland? Nein...ein - Aya musste das Wort nachschlagen - Waisenhaus. Eine Einrichtung für elternlose Kinder. Sowas. War das aus Schuldigs Kindheit? War das eine Erinnerung an Schuldig selbst? Auch wenn er sich dessen nicht aktiv bewusst war, machte das Aya doch neugierig und er besah sich die Kindergesichter ein wenig genauer. Vielleicht fand er ja auch den Telepathen unter ihnen. Und anscheinend hatte er auch Glück. Ein Junge in der Mitte...größer als die anderen, mit überheblichem Grinsen im Gesicht. Die Arme verschränkt. Die Gesichtszüge denen des heutigen Telepathen durchaus ähnlich. Aya taten die anderen Kinder leid. Besonders der Kleinste in der Gruppe...ein schmächtiger, beinahe schon dürrer Junge mit einem Teddybären in seinem Arm. Den Blick so hilflos und ängstlich. Und wie Aya sich vorstellen konnte, was Schuldig diesem armen Jungen angetan hatte...wie er seine Position als Stärkster in der Gruppe ausgenutzt hatte. Er schnaubte abfällig. "Immer schon der Schwarz gewesen", teilte er dem arrogant lächelndem Waisenkind mit und schob das Foto zurück, klappte das Buch zu, plötzlich keine Lust mehr verspürend, sich dadurch zu quälen. An diesem neuerlichen Beweis von Schuldigs Grausamkeit. Nachlässig warf er es zum anderen Ende des Sofas und verschränkte die Arme. Und nun? Die Aufzugtüren öffneten sich mit einem leisen Geräusch und Schuldig trat heraus, ging gelassenen, ruhigen Schrittes durch die Korridore, die Hände in die Hosentaschen gesteckt, hatte er das gesamte Stockwerk unter seiner mentalen Kontrolle. Crawford koordinierte den Einsatz, Nagi kümmerte sich um das grobe Beiwerk und Farfarello...nun Schuldig vermutete, der Ire machte es wie Schuldig: Zog den größtmöglichsten Unterhaltungswert aus der Sache. Schuldig schlenderte an den Büros vorbei, die im Dunkeln lagen um sich umzusehen, als er eine Berührung von außen an seinem Kontrollfeld spürte. Scheinbar bekamen sie Besuch. Er durchquerte etwas zügiger die Etage, bis er zu einem Aktenschrank kam, den Brad ihm beschrieben hatte. Schnell zog er aus seiner Tasche eine dünne Akte um sie mit einer anderen auszutauschen. `Nagi, bist du soweit?`, fragte er den Jungen. `Ja, der Virus breitet sich bereits aus, die Daten dürften verloren sein. Hast du die Sicherungskopien?` `Noch nicht, aber hoffentlich gleich. Pass auf Kleiner, wir kriegen Besuch.` `Crawford sagte es schon.` `Na klar, was auch sonst`, grinste Schuldig und schloss den Aktenschrank. Es dauerte noch etwas, bis er die Sicherungskopien in seinen Fingern hielt. Selbstverständlich nicht ohne die Safenummer einzugeben, die er zuvor einem Angestellten buchstäblich aus seinem Verstand gestohlen hatte. `Hab die Kopien und die neuen Daten sind ebenfalls platziert`, gab er Brad zu verstehen. `Komm runter, wir haben Gäste`, antwortete dieser kurz angebunden. Schuldig tastete kurz ihre Gäste ab während er über den Expressaufzug seinen Weg nach unten antrat. Das Beste war, er würde sich einfach schlafen legen. Ruhen. Wie es sein Körper verlangte. Aya seufzte. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis er zu seinen alten Kraftreserven zurückgefunden hatte? Er mochte es sich nicht ausdenken. Ebensowenig wie er sich ausmachen wollte, wann Schuldig sich dazu herabließ, ihn freizulassen, sollte es ihm nicht gelingen zu fliehen. Worauf die Chancen verschwinden gering waren, hatte er doch gerade gesehen, wie gut hier alles abgesichert war. Zahlencodes...wäre er Omi, wüsste er, welchen Bestandteil dieser Technik er außer Kraft setzen müsste, damit er den Mechanismus störte. Doch über diese Kenntnisse verfügte er leider nicht. So musste er sich darauf verlassen, dass Schuldig irgendwann einmal einen Fehler beging, den er ausnutzen konnte. Aya stemmte sich seufzend hoch. Natürlich. Als wenn das geschehen würde. Er schlenderte zum Schlafbereich herüber, hatte plötzlich eine andere Idee. Ein anderes Thema, das seine Neugier erregte. Die Reizwäsche. So sehr er sie auch verabscheute, so neugierig war er auch darauf, sie zu sehen. Zu sehen, was ihm angedacht worden war. So begann er nun eine Schublade nach der anderen zu durchsuchen, trotz allem auf der Suche nach nichts Bestimmten. Bis er sie schließlich fand. Aya rollte mit den Augen. Rote Spitze. Sündhaft. Entblößend. Ein Graus. Nacheinander zog er die guten Stücke aus der Schublade, betrachtete sie mit zusammengepressten Zähnen. Vielleicht hätte er sie sogar als hübsch bezeichnet...wäre sie nicht für ihn gewesen. Und die Strapse...das Hochzeitsband...nein. Er stopfte den Gegenstand seines Unmutes zurück in die Schublade, blieb dabei an etwas hängen. Anscheinend etwas flauschiges...Unterwäsche war es jedenfalls nicht. Aya kräuselte die Stirn, zog und zupfte an dem Gegenstand, bis er ihn vor sich hatte, gebettet auf der leidenschaftlich roten Reizwäsche. Ein Teddy. Wie niedlich. Schuldig hatte einen Teddy bei sich. Ein zerfleddertes, altes, schmutziges Ding...anscheinend ein Überbleibsel aus Kindheitstagen. Ayas Augen weiteten sich ungläubig. Dieses kleine, zerzauste Ding kam ihm bekannt vor...und er wusste auch genau woher. Brauchte noch nicht einmal nachzuschauen. Dennoch ging er nun zur Couch zurück und öffnete ein weiteres Mal das Buch. Besah sich das Foto noch einmal. Intensiver dieses Mal. Der Teddy...der Junge, der ihn trug. Das war nicht Schuldig, oder? Dieser kleine, schmächtige Junge war NICHT Schuldig. Er schüttelte verneinend den Kopf, auch wenn er bereits zweifelte. Nein nein...dieser große Junge war der Telepath. Hatte dem Kleinen wahrscheinlich sogar den Teddy geklaut. Allem zum Trotz nahm er nun jedoch den Bären mit zum Bett, platzierte ihn neben sich auf die Matratze und ging ins Bad, streifte sich dort den Schlafkimono über. Legte die warmen, sicheren Sachen ab. Machte sich soweit bettfertig, dass er schließlich unter die warme Decke schlüpfen und das Licht bis hin zur Dunkelheit dämmen konnte. Ja...er war müde. Vorwurfsvoll starrte er den zerzausten, sitzenden Bären vor sich an. "Na...hat er dich einfach gestohlen? Deinem Besitzer?", lächelte er kopfschüttelnd. "Was für ein gemeiner Kerl." Sein Daumen und Zeigefinger legten sich um eine der breiten Tatzen und drückten spielerisch zu...beinahe schon tröstend. Als wenn der arme, alte Bär wirklich des Trosts bedurfte...aber wer wusste das schon? Aya seufzte leise. Hatte er erst noch geplant, den Bären wieder zurückzusetzen, behielt er nun aber seine Finger auf der Tatze. Machte es sich gemütlich und schloss die Augen. Schlafen...ja. Das wollte er. Brauchte er. Um stark zu werden...genau. Wie der kleine Junge auf dem Bild. Der NICHT Schuldig war! Mit diesem Gedanken driftete Aya langsam in die sanfte Schwärze hinab, die ihm Ruhe versprach. Ihn ruhig und ebenmäßig atmen ließ. o~ Es war wie eine Droge, ein Stoff den er brauchte, der ihm Kraft gab und er saugte ihn in sich auf. Das hysterische Kreischen war wundervoll in seinen Ohren, als er den Mann telepathisch anwies, die Waffe zu senken und sich ins rechte Bein zu schießen. Der Mann zitterte, doch er hatte den Befehl bekommen stehen zu bleiben und auch wenn die Schmerzen größer werden würden, er würde stehen bleiben. "Nana, auf einem Bein kann man nicht stehen, heißt es nicht so?", witzelte Schuldig mit einem grausamen Lächeln und der Mann schoss sich ins andere Bein. "Ahh, wir zwei verstehen uns," lächelte er und ließ den Mann die Waffe an die Schläfe halten. Er umrundete den panischen, winselnden Mann und trat ihn in die Kniekehlen sodass er auf seine Knie krachte. Und selbst da hielt er die Waffe noch ohne zu zögern. Was mentale Kontrolle doch alles bewirken konnte. Gierig blickte Schuldig den knieenden Mann vor sich an, der ihm ausgeliefert war, ohne Rettung. "Schuldig, die Katzenkinder rücken an", versuchte Brad zu dem Mann durchzudringen, doch der irre Ausdruck auf dem Gesicht sprach Bände. Und tatsächlich, Schuldig schien gehört zu haben, mit einem schleifenden Geräusch zog er seine Waffe aus dem Holster, richtete sie auf den Hinterkopf des Knienden und drückte kalt und mit einem genießenden Blick ab. Er blickte auf und gab dem Körper einen Schubser, als er daran vorbeiging. "Was stehst du dann noch hier herum, Crawford?", grinste Schuldig, die irrlichternden grünen Iriden in die braunen bohrend. "Hast du die Sicherungskopien?" fragte Brad überflüssigerweise und Schuldig drückte sie ihm in die Hand. Gut, den Rest konnten sie erledigen, wenn sie draußen angekommen waren. Sie konnten Weiß locker umgehen, mussten nicht zwangsläufig gegen sie antreten. Sie hatten, was sie wollten und die lästigen Weiß Killer waren nicht gerade, was er einem Schuldig, der auch ohne Drogen manchmal wirkte, als wäre er auf einem Trip, zumuten würde. Die würden Schuldig nur noch mehr aufheizen, lächelte Crawford wölfisch und war schon auf den ,Neuen' von Weiß gespannt, den Kritiker als Vertretung für Fujimiya eingesetzt hatten. Sie stießen die Tür auf und Farfarello und Nagi waren schon dabei sich Respekt unter den vier Weißkillern zu verschaffen. Als sie auftauchten, zogen sich die beiden wieder etwas zurück, gestalteten den Radius auf dem Tiefgaragenplatz etwas größer. Der Geruch von Autoabgasen lag in der kühlen Luft. "Jetzt sieh dir einer diese treulosen Tomaten an", wisperte Schuldig auf Deutsch, den Blick auf den neuen Mann im Bund der vier Weiß-Killer richtend. Eiskalte Wut peitschte durch seinen Körper und explodierte in seinem Kopf, als er unbeherrscht auf diesen Killer zu lief, seine Dolche zückte. o~ Youji hasste. Ganz einfach. Er war wütend, frustriert und gereizt. Seit fünf Tagen war Aya verschwunden! Seit zwei Tagen hatten sie Ersatz für den Rotschopf bekommen...was ihm überhaupt nicht schmeckte. Aya war noch am Leben, dessen war er sich sicher gewesen, schon als er den zerfetzten Pullover des jüngeren Mannes in seinen Händen gehalten hatte. Schwarz hatte Aya. Und taten ihm weiß Gott was an. Und dennoch konnten sie ihn nicht finden, suchten wieder und wieder nach neuen Ansätzen, fanden keine. Vergeblich...Schwarz hatten sich zu gut abgesichert und waren nun hier. Hier...damit er sie richten konnte...auch wenn ihm das nicht Aya zurückbrachte. Er musste wissen, was passiert war! Dass Aya noch lebte! "Schwarz." Das Zischen einer Schlange, begleitet vom Surren seines Drahtes, den er nun zog. Zeit zu kämpfen...zu morden. Mit einem Wutschrei stürmte er auf den Telepathen los, kümmerte sich nicht um ihren Neuling. Er würde schon alleine fertig werden...war er doch so gut ausgebildet! "Hoppla!" Mit diesem Wort wich Schuldig gerade mal knapp dem Draht aus, rollte rückwärts, von seinem eigentlichen Ziel - dem neuen Mitglied weg. "Heute mit dem falschen Fuß aufgestanden, Balinese?" säuselte Schuldig und versuchte sich einen telepathischen Zugang zu dem Neuen zu verschaffen. Doch Balinese wollte ihn nicht in Ruhe lassen. "Nicht so hastig, Blondschopf", wich er erneut einem Angriff aus. Youji lachte teuflisch. "Angst, Schwarz?", zischte er und ließ den Draht ein weiteres Mal zuschnappen...in Richtung des Monsters fliegen. Keine Frage...er war auf Blut aus und das würde er auch bekommen. Von Schuldig...der... Youjis Augen verengten sich gefährlich. Die Hose kannte er. Er kannte sie wirklich. Das war.... "Was hast du mit Aya gemacht?", schrie er völlig außer sich, blendete nun alles aus. Verfiel dem Wunsch nach Schlachtung. Nach Blut. Nach Tod. Der Draht schnitt sich durch den Zug schmerzhaft in sein Fleisch, doch im Augenblick viel mehr immer noch auf sein Ziel aus, vergaß er sogar diesen Umstand, verpasste lediglich allen Umstehenden in einer großflächig angelegten Attacke Kopfschmerzen. Da er sich nicht konzentrieren konnte, mussten eben alle dran glauben, damit Yohji den Draht lockerer ließ. Wie auf Speed wandte sich Schuldig aus dem Draht, griff mit seinen Handschuhen um das Metall und zog daran, intensivierte die Kopfschmerzen für einen Augenblick, bis er sicher war, dass Yohji nicht mehr anziehen würde und ihm dabei dummerweise noch wirklich ankratzte. Seine Waffe zog er noch während er aufstand und sich des Drahtes entledigte, bevor er die Attacke beendete, den Ersatz für Aya ohne mit der Wimper zu zucken erschoss. Youji krümmte sich für einen Moment schmerzerfüllt zusammen, nur um im nächsten gewahr zu werden, dass Schuldig den...nein...er. Ayas Ersatz lag mit einer kleinen Einschusswunde am Kopf neben ihm, hatte noch nicht einmal die Chance gehabt, sich zu verteidigen...oder anzugreifen, bevor Schuldig ihn erwischt hatte. Der Telepath hatte ihn EINFACH so niedergeschossen! Der blonde Weiß keuchte. Ohne Frage auch Einwirkung des Deutschen. Der Kopfschmerz ging einfach nicht weg...es ging einfach nicht...und dennoch griff er nun an. Kämpfte sich in die Höhe. Ließ seinen Draht ein weiteres Mal fliegen, erwischte Schuldig am Hosenbein. Ayas Hose...wo war ihr Anführer...was hatten sie mit ihm gemacht? "Ich werde dich umbringen, du Schwein!", schrie er, taumelte Schritt um Schritt auf Schuldig zu, zog die Schlinge zu. Vielen Dank fürs Lesen! Bis zum nächsten Teil. Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)