Zum Inhalt der Seite

Children of the night

Die Geschichte des Kilian
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Poesie ^^

Hallo alle zusammen, dies ist mein dritte FF, dieses mal mit weniger Fehlern ^^’

Sie basiert auf dem gleichnamigen RPG, wobei es sich, vorerst, nur um die Geschichten eines Lieblings Charakters, Kilian dreht. Ihr könnt euch auf einen Epos freuen den ich hoffentlich bis zu ende durch ziehe (ich bin ja nicht sonderlich ausdauernd), es kann gut sein das zwischen den Kapiteln laaange Zeit abstände liegen, was nicht nur daran liegt dass ich ab und an keine Zeit zum schreiben hab, sondern dass ich die Kapitel immer erst meiner Freundin ebe und die korrigiert, bis ich ihr als doe sachen gebe und sie alles ließt…. Na ja…
 

Jedenfalls ist das hier nicht einfach ein Prolog. Nein hier solltet ihr regelmäßig rein schauen, denn hier kommt die Poesie hinein die ich und mein Team zu unserem RPG aufgeschrieben haben. Das meiste hat entweder mit Kilian oder Mit Christine (seine neue Liebe *schmacht* *Shay zu wink*) oder Christian (Zwillingsbruder Christines *science zu wink*) zu tun. Und da immer mal wieder was gedichtet wird kommt immer mal wieder was dazu. Ich hoffe euch gefallen die Dichtungen ^^
 

Mon etoile (by: Tak-lung 2006/04/01)
 

Dein Licht erleuchtet meine Welt

Verdrängt das Dunkel in mei’m Herze,

Löscht aus ihm den ganzen Schmerze,

Der nun solange mich schon quält.
 

Du strahlst von innen strahlst ganz hell,

Lässt keinen Platz für Schatten hier,

Schenkst dein Licht und Feuer mir,

Ganz wie ein Stern am Himmelszelt.
 

Die Sonn’ bist du, ich bin der Mond.

Deshalb kannst du niemals zu mir,

Gehörst doch einfach nicht hier her,

Auch wenn in meinem Herz zu wohnst.
 

Ich leucht durch dich, bin bei dir gern,

Doch du darfst erlöschen nicht,

Niemals verlier’n dein Wunderlicht,

Kannst nicht hier bleiben, du, mein Stern
 

Sommernachtstraum (by: tak-lung)
 

Mich träumt

von einer fremden Welt

in der kein Schatten uns mehr hält

in der wir leben ohne Zügel

gleich zwei Engeln ohne Flügel.
 

Dich träumt,

von einer bessren Welt

in der man lebt wies ein’m gefällt,

in der du nicht entscheiden musst

und immer nur das Beste tust.
 

Uns träumt,

umsonst von dieser Welt

die uns nicht mehr länger quält.

Das Fleh’n auf immer ungehört.

Der Traum gebrochen und zerstört.
 

Bis grade eben (by Shay-chan/ Christine)
 

Einst warst du der Sinn in meinem Leben,

bis vorhin, bis vor gerade eben.
 

Einst lacht’ ich nur für dich,

auch wenn es schien vergebendlich.

Meine Freude gab ich ganz allein nur dir,

auch wenn Trauer schmerzte tief in mir.

Ich gab dir Hoffnung mut und Stärke,

auf das du nie erkennst wie meine Seele schmerzte.
 

Doch jetzt will ich gehen,

bitte, so hör auf zu fleh’n.

Ich fand mein Tor zur Freiheit, fand mein Licht,

ruf nicht nach mir, zurück kann ich nicht.

Mein frühres Leben ist nun erloschen,

unsere Liebe wohl für immer verflossen.
 

Ob ich jemals komm zu dir zurück?

Wohl eher nicht, ist uns unser Leben doch schrecklich missglückt.

Es tut mir Leid, ich liebe dich mein Bruger Herz,

doch war zu groß mein innerer Schmerz.

Zu groß war die Sehnsucht nach inem eignen Leben,

zu groß der Wunsch gen Himmel zu schweben.
 

Einst warst du er einz’ge Sinn in meine, Leben,

bis vorhin, bis vor grade eben
 

Gegensätze (by tak-lung)
 

Wie Himmel und Hölle, wie Tag oder Nacht

Sind immer verscheiden, doch niemals getrennt

Und doch hat er immer nur an sie gedacht

Und doch hat sie sich von ihm abgewandt.
 

Wie Licht oder Schatten, wie Leben und Tod.

Ohne sie geht’s nicht, doch mit ist’s unmöglich.

So wandern sie weiter durch all ihre Not,

so wandern sie Weiter und sind niemals glücklich.
 

Wie Sonne und Monde, doch Bruder und Schwester.

Ihr Schicksal ist doch aneinander gebunden.

Und trotz all der Mühen wird es niemals besser

Und trotz all der Mühen ward es nie verwunden.
 

Wie wird es einst Enden das Drama der zwei?

Der Bann, der sie hält, wird er noch gebrochen?

Ich frage mich ob sie wird jemals sein frei.

Ich frage mich, ob er sein Licht kann bewachen.
 

Wie sie’s auch drehen es ist einerlei,

Denn letzten Endes kann’s ein’m nur gelingen.

Dem einen ist die Erfüllung doch frei,

den andren wird dann das dunkel verschlingen.
 

If (tak-lung 7.7.06)
 

If I was a bird and could fly

no more searching sin the dark

but in your sun lightening the sky

You would touch my very heart,

and become my only spark
 

If you touched my inner soul

and you let me give

I know that I'd become whole

Together we could live
 

If I had one wish for free

Christine I promise you this

I would never dare to flee

would change my live to fell once more your kiss
 

If it wasn't for the if

I would not be what I'm now

and forever we could live

if only I knew how
 

But it will allways stay an if

Nothing in this wiorld for sure

could ever make my body live

could ever make your wound cure
 

Was (tak-lung)
 

Was ist ein Blick?

Sehen,

oder erkennen?
 

Was ist eine Begegnung?

Zufall,

oder Schicksal?
 

Was ist ein Wort?

buchstaben,

oder Gedanke
 

Was ist ein Kuss?

Leidenschaft oder Liebe,

Geste oder Schwur?
 

vielleicht ist das alles auch egal,

wenn es um dich geht.
 

Chère cherie (Lexi)
 

Meine Flügel waren gebrochen, doch trotzdem flog ich hoch,

denn ich spürte es nicht.

Mein Atem war versiegt, doch ich tauchte tief hinaub,

denn ich spürte es nicht.

Und mein Herz...

Mein Herz war gebrochen, dennoch liebte ich dich abgöttisch,

denn ich spürte es nicht.
 

Jetzt bist du weg

und ich spüre

meine gebrochenen flügel, die mich fallen lassen

meinen versiegenden Atem, der mich ersticken lässt

meine verschwundene Liebe, die mich leiden lässt.
 

Die Nacht hat mich zu sich genommen, in ihre zarten Arme,

hat meine Flügel verbunden, damit ich wieder fliegen kann,

und der Schmerz verging

hat mir ihren Atem gegeben, damit ich wieder atmen kann,

und der Schmerz verging.

Doch mein Herz...

mein Herz konnte sie nicht heilen, denn du hast es mitgenommen

Und der Schmerz...ist immer noch da........
 

Christian

Geburt

Kapitel 1
 

Ich heiße Kilian. Kilian du St. Etienne les Orgues.

Ein schöner Name, nicht wahr ? Er hat so etwas Vornehmes und zugleich etwas Gebieterisches. Man muss unweigerlich an Adel, an ein großes, imposantes Haus, eine Villa wohlmöglich denken.

Ein Name, der mit Sicherheit meinem Wesen entspricht, und ein Name, den keiner bezweifeln würde, wenn er ihn in Verbindung mit meinem Äußeren hört. Nein, das gewiss nicht.

Sicher würde keiner annehmen, dass dies gar nicht mein wahrer Name ist. Zumindest nicht der, den mir meine Mutter bei meiner Geburt gab. Damals hieß ich noch Jacques. Einer von vielen Jacques des 14ten Jahrhunderts in Frankreich. Einer von den Tausenden von Bauern, von Untergebenen dieser finsteren Zeit.
 

Meine Mutter... die Frau, die mir diesen Namen gegeben hatte, war eine gewöhnliche Frau, ich habe kaum Erinnerungen an sie, gerade mal ihre traurigen blauen Augen, mit denen sie mich immer angesehen hat sind mir ins Gedächtnis gebrannt. Warum sie immer so traurig gewesen ist, weiß ich bis heute noch nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht trauerte sie tatsächlich um mich, um das vergeudete Talent. Aber wahrscheinlicher ist es, dass sie um sich selbst getrauert hat. Einen Trunkenbold als Mann, eine Farm in hohen Schulden und zwei Kinder nach der Geburt verstorben.

Mein Vater... der Herr im Haus, immer betrunken, aber wen interessierte das schon?

Mich jedenfalls nicht, nach dem ich Vampir geworden bin, habe ich mein vorheriges Leben quasi verdrängt. Viel Interessantes konnte in den 10 Jahren auf einer Farm auch nicht geschehen sein. Ich weiß nur, wie ich es in stummen Hass erduldet, nie etwas dagegen gesagt habe, obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht hätte, als Freiheit. Lesen lernen, Dichtungen verschlingen, selbst schreiben, oder Musik hören.

Das wäre etwas gewesen, doch schien es, als sollten diese Träume für immer Träume bleiben. Gott gab es für mich nicht, hatte es nie gegeben. Hätte es einen gegeben, warum hatte er mich dann in diese Familie gesteckt? Warum nicht lieber als Waise in eines seiner Häuser, wo ich lesen gelernt hätte? Warum nicht in eine Adelsfamilie?

Nein. Ich musste in das dumpfe Leben eine Bauernsohnes geboren werden, um dort zu versauern.

Doch ich bin es nicht. Vielleicht gibt es ja doch einen Gott, der mir einen Engel sandte, um mich aus diesem Fegefeuer der Bitterkeit zu erlösen.

Dieser Engel hieß Xavier. Xavier du Lambourt, ein junger Adeliger aus der Provence, der Landsherr einer kleinen Grafschaft dort.

Xavier, mein Retter, mein Henker, mein unsterblicher Liebhaber.
 

Es war einer jener Herbsttage gewesen, Arbeit auf dem Felde. Meine Glieder mussten geschmerzt haben von der harten Feldarbeit die ich shcon in jungen Jahren mit betreiben musste, doch erinnern tu ich mich nur an das Licht, welches durch die roten und gelben Wipfel fiel. Ein magisches Farbenspiel, und nichts was ich je gesehen hatte, schien ihm gleich zu kommen, so alltäglich und doch so einmalig war es. Gerade so, als hätte ich gewusst, was mich erwartet.

An jenem Tag machte mir die Arbeit nichts aus. An jenem Tag hörte ich das Schelten meines Vaters nicht, wenn ich wie so oft bei der Arbeit in einem meiner Tagträume verfallen war. In einen jener Träume, in denen ich Dichter war, und mein Name in ganz Frankreich bekannt.

Jener Tag kommt mir noch heute wie ein Traum vor, und doch kann ich mich an nichts vor meiner Geburt so erinnern wie an jenen Tag. Ja, vor meiner Geburt, denn wahrlich, an jenem Abend sollte Kilian geboren werden.

Die Sonne war untergegangen, die letzten rötlichen Schimmer mischten sich mit dem Laub der Blätter, das grüne Gras wehte in der kühlen Briese. Eine Idylle in dieser kaputten Welt, ein Lichtblick in der Finsternis, welche mein Herz zu umfangen drohte.

Hufgetrappel, eine Kutsche, schwarz, wie die bald hereinbrechende Nacht, verziert mit allerlei Silber.

Nur ich sah ihn, und er sah mich, als er vorbei fuhr. Ich glaube, er hatte nicht halten wollen, war nicht mit der Absicht gekommen, in diesem Dorf zu verweilen. Doch als unsere Blicke sich trafen, da wusste ich, dass er bleiben würde! Es war eine Ahnung .. nein, es war ein Gefühl, nichts klar Definiertes, kein Gedanke, den ich als solchen hätte formulieren können. Aber im Nachhinein weiß ich, dass ich es irgendwie gespürt haben musste. Vielleicht hatte er es mich auch einfach wissen lassen...

Er machte Halt, blieb in der Schenke, und wie es der Zufall so wollte, war auch ich diesen Abend dort, sollte meinen Vater auf den Markt begleiten und er nahm mich mit in die Schenke. Ich glaube nicht an Zufälle. Meine Erklärung für dieses Ereignis ist, dass Xavier mich kennenlernen wollte, und Vampire kriegen, was sie wollen. Die Lektion lernte ich schnell.

Ich saß also in jener Schenke. Eine kleiner blond gelockter Bube, welcher gerade mal 10 Jahre zählte, mit einem sturzbetrunkenen Vater neben ihm. Ein Jammerhaufen, welcher sich duckte, wenn der Vater wieder zu schimpfen begann, welcher lediglich versuchte unsichtbar zu sein, für die Zeit, die er hier verweilen musste.

Und dann, plötzlich, stand er neben mir. Sanfte braune Augen, die Lippen rosig, das Gesicht bleich. "Bonsoir. Ich heiße Xavier du Lambourt."

Ich war mehr, als nur ein wenig erstaunt, und doch auch wieder nicht... Gefangen von dem seltsamen Zauber, den dieser junge Herr mir entgegenbrachte, begrüßte ich ihn und stellte mich ebenfalls vor: "Bonsoir Monsieur. Ich heiße Jacques" und wir redeten.

"Jacques... magst du deinen Namen?" Ich schüttelte den Kopf, unfähig mich seines Zaubers zu entziehen. Der Rest der Schenke schien vergessen, mein Vater lallte wohl mit einem seiner Kumpanen über die Feldarbeit. Wäre ich tot umgefallen, er hätte es nicht bemerkt. "Nein Monsieur." Er nickte verständnisvoll und überlegend, als wäre er mit seinen Gedanken woanders. "Und weshalb, wenn mir die Frage gestattet ist?" "Nun, Monsieur, jeder heißt so. Ich kenne 4 Jungen alleine in diesem Dorf, die so heißen. Wie soll man uns denn auseinanderhalten?" Mir entrann ein Lachen, welches mir bei dem ernsten Gesicht, das Xavier machte sofort verging. Beschämt wie ein 6 Jähriger auf der Schulbank, welcher vom Lehrer zurecht gewiesen worden war, schaute ich zu Boden. "Ist das der einzige Grund, Junge?" "Nein, Monsieur." Es war gesagt ehe ich darüber hatte nachdenken können, und einen Moment verwirrte es mich.

Nein? Was denn noch? Ich hatte nie darüber nachgedacht... ein Name war ein Name. Mehr nicht... oder?

"Ich verstehe" Ich sah wieder auf, direkt in diese unglaublich sanften freundlichen Augen und ich zweifelte nicht, dass er verstand was mir ein Mysterium blieb. "Erzähl mir mehr." Forderte er mich auf, und ohne zu wissen was ich sagen sollte, ohne zu wissen, warum er mich das fragte, begann ich zu erzählen. Über meine Mutter und ihre traurigen Augen, über meine Brüder, über meinen Hass zu Gott.

Wir machten einen langen Spaziergang an jenem Abend. Meinen Vater scherte es nicht. Er war so betrunken, wie gesagt, der Himmel hätte einstürzen können und er hätte gelacht und getrunken. Die Worte sprudelten geradezu aus mir heraus, und Xavier hörte zu. Mehr tat er nicht, einfach nur zuhören. Meine Ängste, meine Träume, dass ich so gerne dichtete, aber nicht schreiben konnte, dass ich so gerne einmal ins Theater wolle, und Paris sehen. Der Drang nach Freiheit entbrannte in mir. Erst eine kleine Flamme, und schließlich ein Inferno, welches nicht mehr zu löschen war, zumindest nicht mit Wasser.

Irgendwie, ich weiß nicht mehr wie, bin ich nach Haus gekommen, hatte Schelte von meiner Mutter gekriegt. Was sie gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, wie sie sich bei Xavier für die Mühen bedankt hatte, weiß noch genau wie seine braunen Augen mich mitleidig angesehen hatten, und er gegangen war. Dieser stattliche Gang, dieser unmenschliche Gang eines Vampirs...
 

Der Tag verging für mich mit einer ungewohnten Lustlosigkeit, die Bäume schienen nicht mehr den gleichen Reiz auszuüben wie noch am Tag zuvor. Stattdessen nahm ich die Menschen um mich herum mehr denn je wahr. Ich bemerkte diese kleinen Alltäglichkeiten, die mir das Leben zur Hölle machten. Das "Guten Morgen. Gut geschlafen?" ohne, dass es wirklich von Interesse war. Dieses ewige aneinander vorbei reden. Niemanden interessierte es, was wirklich war, keiner wollte sich mit irgendwem beschäftigen, erst recht nicht mit mir. Wirkliches Zuhören gab es nicht.

Oh, wie sehnte ich den Abend herbei, den Abend und mit ihm zusammen meinen neuen Zuhörer. Und tatsächlich, die Gebete eines kleinen Jungen wurden erhört. Xavier kam.

Meine Mutter war geradezu euphorisch, ein Adeliger speiste bei ihr zu Hause. Lange Zeit hatte sie vor dem Spiegel verbracht, ihre Falten mit billiger Schminke zu überdecken versucht, die Haare gekämmt und zu einem Dutt hochgesteckt und ihr altes Kleid herausgekramt. Vater hatte sich zwar dem Anlass entsprechend gekleidet, doch legte er nicht ein so künstliches Benehmen an den Tag wie meine Mutter, welche dem Grafen de Lambourt imponieren wollte. Er betrank sich, wie jeden Abend. Ob nun daheim, oder in der Schenke, wo war der Unterschied?

Mir und meinen Brüdern war eingebläut worden uns gut zu benehmen, und endlich kam er.

Eine feine schwarze Jacke, dazu der samtene Gehrock. Ein weißes, mit Rüschen verziertes Hemd verlieh ihm ein herrschaftliches Aussehen. Die braunen Haare fielen sanft über den graziösen Rücken. Das Gesicht war bleich, wie am Abend zuvor. Ein engelsgleiches sanftes Lächeln lag auf den roten Lippen, als er sich vor meiner Mutter verneigte, wie sie es zuvor getan hatte "Ich entschuldige mich noch einmal außerordentlich für das Benehmen meines Sohnes gestern. Ich hoffe, er hat euer Gnaden nicht allzu sehr mit seinen Belangen belästigt." Eltern, redeten ohne zu verstehen. Er hatte mich dazu aufgefordert zu reden. Es war viel mehr sein Wunsch gewesen es zu erfahren. Er hatte meine Worte eingesogen, sie in seinem Geiste kreisen lassen und schließlich, wie ein wertvolles Schmuckstück in eine der Schubladen seiner Erinnerung verstaut. Doch meine Mutter sah es nicht, wusste es nicht und wollte es auch garn icht wissen.

"Nicht doch, Madame, euer Sohn ist wahrlich ein außergewöhnliches Kind", sagte er lächelnd, und ich erwiderte seinen Blick. "Außergewöhnlich tollpatschig. Sicher.", scherzte meine Mutter und fuhr mir durch das lockige Haar. "Heute erst hat er einen ganzen Heuballen ins Wasser katapultiert, nur weil er nicht acht gab, wo er mit der Schubkarre hinlief." Und so ging es den ganzen Abend. Xavier redete kaum, stellte ab und an eine Frage, führte das Gespräch unauffällig in eine Richtung und erfuhr so immer mehr über mich, mein Leben auf diesem Bauernhof. Und er begriff. Das wusste ich, das sah ich ihm an. Doch was half es mir?

Ich war hier doch nicht in einem Märchen. Ein großer starker Prinz kommt daher und rettet den armen missverstandenen Jungen... nein, reines Interesse, damit der Adel sich besser fühlte. Und doch war da etwas.. etwas, dass ich nicht verstand und das mich faszinierte.

"Es wäre mir eine Ehre morgen ein wenig Zeit mit ihrem Jüngsten zu verbringen, Madame" sagte Xavier in seinem wohligen sanften Ton, welcher jedoch keinen Widerspruch duldete "Wir fühlen uns geehrt, euer Gnaden" war meiner Mutter Antwort.

Keine Frage, weshalb er sich so für ihr Kind interessierte. Ich meine: er hätte auch ein Massenmörder sein können... nun, genau genommen traf das sogar zu, auch wenn ich davon nichts ahnte, noch nicht zu mindest.

"Du wirst schön nett zu dem Herren sein!" bläute Mutter mir ein. "Verstanden?" "Verstanden"

Solange ich bei ihm sein durfte, verstand ich. Ja, so lange verstand ich alles, was sie von mir wollte, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. In Wirklichkeit war auf einmal alles rätselhaft, und das nur durch die Präsenz eines Fürsten? Unterschieden sie sich tatsächlich so sehr vom normalen Bauernvolk? Oder war nur Xavier so?

Und wieder die Frage. Warum war ich hier zur Welt gekommen? Und je länger Xaviers Besuch andauerte, um so fremder fühlte ich mich. Das für mich sonst nicht in Frage zu stellende Tagewerk wurde zur Qual, die Gespräche mit anderen eine Last. Nur am Abend, wenn ich in seine nussbraunen Augen, welche all meine Sorgen und mein Leid aufzusaugen schienen, blickte und ihm von meinem Wandel berichtete, verspürte ich einen Moment des Friedens.

"Ich möchte... ich möchte einfach frei sein" Wir saßen auf einer Mauer, wobei ich nun aufgestanden war und meine Arme ausbreitete "Frei wie die Vögel, welche jeden Herbst über die Felder ziehen. Einfach hingehen, wo ich hin will!" Ich ließ mich wieder fallen und sah zu ihm empor "Ist das denn zu viel verlangt?" Sein Blick ruhte wie so oft in weiter Ferne, als könnte er im Himmelsfirmament etwas erkennen, was sonst niemand sehen konnte, mich eingeschlossen.

Das silberne Mondlicht brach sich in seinem Haar, wurde wie magisch von der glänzenden Haut widergespiegelt, das Licht der Sterne stand in seinen Augen, als wären sie nicht dort oben am Himmelszelt sondern direkt hier unten, vor uns.

Ein Engel. Ein dunkler und doch strahlender Engel, welcher schweigend über mich wachte. "Und doch fliegen die Vögel nur, um dem Hunger, dem Winter zu entfliehen. Und doch fliegen sie immer dieselben Bahnen, jedes Jahr aufs Neue." Seine Stimme war seltsam melodisch. Fast mehr Lied als Satz.

Ich überlegte. Wenn nicht einmal die Vögel frei waren, wie konnte ich es dann je sein? "Zumindest haben sie es besser, als ich hier unten. Sehen etwas von der Welt, vielleicht nur ihre Bahn, aber das ist immer noch mehr, als dieser Bauernhof.", beharrte ich weiter.

"Kilian"

Ich war verwirrt und sah mich um. War hier noch jemand? Nein... nicht, dass ich jemand hätte er erspähen können.

Noch immer hafteten die braunen Augen auf dem Himmelszelt, als lese er den Namen dort ab "Kilian..." wiederholte er und sah nun zu mir herunter "Ein schöner Name, nicht wahr?"

Ich nickte. Kilian war ein außergewöhnlicher Name. Nicht wie Pierre, Jean, Michel oder... oder Jacques. "Wirklich schön" bestätigte ich "Wie kommst du darauf?" Erneut dieses Lächeln. Dieses warme zärtliche Lächeln, welches mich vollkommen in seinem Bann sog.

"Das ist dein Name." Ich war noch immer verwirrt "Aber ich heiße doch Jacques" widersprach ich. "Das ist lediglich der Name, welchen deine Mutter ausgesucht hat. Lieblos, ohne Bedeutung. Namen jedoch sind etwas sehr Wichtiges und sollten nicht aus einer Laune heraus getroffen werden. Namen beschreiben das Wesen einer Person, eines Gegenstandes, Pflanze wie auch Tieres gleichermaßen. Alles hat seinen Namen." Ich lauschte fasziniert seinen Worten. Noch nie hatte er so viele geredet, meistens hatte er nur dagesessen und zugehört, was ich zu berichten hatte, hat ab und an eine Frage gestellt, doch noch nie wirklich gesprochen. "Und Jacques passt nicht zu dir, denn du bist nicht wie die anderen. Du bist wie dieser Stern" erdeutete auf den Stern, welchen er während unseres Gespräches, oder vielmehr meines Monologes, betrachtet hatte. Es war ein kleiner Stern, nicht von den anderen zu unterscheiden, nicht besonders hell. Eher im Gegenteil, er erschien mir beinahe erloschen zu sein. Ich runzelte die Stirn, verstand nicht, was er mir damit sagen wollte. Bis der kleine Stern aufleuchtete und als Sternschnuppe hernieder fiel, einen langen leuchtenden Schweif hinter sich herziehend. "Woher...." Ich staunte. Woher hatte er das gewusst. "Kilian, so nenne ich dich von nun an. Und das wirst du vom heutigen Tage auch sein" "Aber meine Familie... du musst doch sicher zurück..." er stand auf und strich sich sorgsam den Staub von seinem Gehrock. "Tatsächlich werde ich meinem Besuch hier morgen Abend ein Ende bereiten müssen, doch nicht alleine." Eine Entschlossenheit, welche ich noch nie zuvor auf seinem Gesicht gesehen hatte, spiegelte sich in seinen Zügen wider, und bevor ich wieder eine Frage stellen konnte, ja überhaupt über das, was er gesagt hatte, hatte nachdenken können, war er verschwunden. Einfach so, ließ mich in der Nacht zurück, ohne mich über sein Vorhaben aufzuklären.
 

Den Rest der Nacht lag ich ruhelos, konnte seine Worte nicht vergessen. "Tatsächlich werde ich meinem Besuch hier morgen Abend ein Ende bereiten müssen, doch nicht alleine." Doch nicht alleine... mit mir? Aber wie? WIE?

Wie konnte er mich von hier wegschaffen? Oder war ich am Ende gar nicht gemeint gewesen? Nein, er musste mich meinen! Ich war doch der Grund für seinen Aufenthalt.

Und zum ersten Mal in meinem Leben betete ich ernsthaft. Ich betete, er möge mich von hier wegbringen, möge meine Eltern überzeugen. Ich wollte nicht mehr Jacques sein. Nein, ich wollte Kilian werden.

Leben

Kapitel 2
 

Die Felder erstrahlten in einem eigentümlichen goldenen Licht. Wind ließ das Rauschen der Bäume erklingen, wie das Flüstern der Natur selber, als wollten sie mich verabschieden. Der Bach nahe unseres Hauses floss. Das Wasser zog seiner Wege, wie es schon immer weiter geflossen war, plätscherte fröhlich vor sich hin. All die Stellen meiner Kindheit, die alte Eiche, auf welche ich so gerne geklettert war, der Marktplatz, wo ich so vielen Minnesängern applaudiert hatte, die Kirche, in welcher ich den Klängen des Chors hatte lauschen dürfen, wurden ein letztes Mal besucht.

All die kleinen, unbedeutenden Freuden meines bisherigen Lebens, ich besichtigte sie ein allerletztes Mal. So wie andere ein Museum besichgen mochten. Denn mir bedueten sie nichts. Nicht mehr. Ohne den Abscheu, den ich am Tag zuvor in meiner Umgebung gespürt hatte, ohne die Bewunderung ging ich von einem Fleck zum nächsten, als wären diese Orte Vitirnen in denen meine Erinnerungen ausgestellt wurden.

Ich verabschiedete mich, mehr oder weniger sicher, dass ich sie nie wieder sehen würde. Zumindest nicht allzu bald... Mein Herz war erfüllt mit einer ungewohnten Glückseligkeit, und nichts konnte meine Ruhe stören.

„Sag mal, was ist denn mit dir?“ Michel, mein Bruder musterte mich, während ich ohne zu murren meine Arbeit verrichtete. „Hast dich wieder eingekriegt? Das gestern war ja wohl...“

Ich wusste, was er meinte. Am Vortag hatte ich einfach die Schubkarre fallen gelassen; was meine Mutter als Tollpatschigkeit abgestempelt hatte, war volle Absicht gewesen. „Ich will nicht mehr!“ hatte ich geschrieen „Was soll das überhaupt?“, dann hatte mir mein Vater eine Ohrfeige versetzt, hatte mir eine Rede über das Wohlergehen der Familie gepredigt. Ausgerechnet er, der Trunkenbold, welcher unser hart verdientes Geld für seine Saufgelage zum Fenster rausschmiss, ausgerechnet er hielt mir einen Vortrag, man müsse zusammenhalten, man müsse sein Wohl hinter das der Gemeinschaft stellen.

Welch Ironie.

Ich lächelte stumm, ohne meine Arbeit zu unterbrechen. „Na?“ Hohn und Übermut waren seiner Stimme deutlich anzuhören „Hast endlich kapiert, was es heißt, für andere da zu sein? Wir müssen nun einmal zusammenhalten, um zu überleben. Nur, weil du dich jetzt, wo der Graf da ist, für etwas Besonderes hältst... aber das bist du nicht, das ist dir hoffentlich klar.“ Ich schwieg, Wut kochte in mir auf, wurde jedoch von der Gewissheit, dass ich all dies nicht mehr lange ertragen müsse, zurückgehalten. „Du bist nur ein Spielzeug des Adels, genau wie wir alle. Bald hat er seinen Spaß gehabt und dann verschwindet er auf Nimmerwiedersehen.“

Noch ein Ballen, den ich zusammenband, fest das Seil zusammen ziehend „Gut, dass du jetzt doch noch zur Besinnung gekommen bist und eingesehen hast, dass du nur uns hast; und weiter arbeitest.“ Immer weiter ging es, jedes Wort ein geschliffener Dolch, welcher mich mitten ins Herz traf. Meine Zuversicht drohte zu schwinden.

Und wenn es nun stimmte?

Wenn er heute Abend einfach ging? Ohne mich? Wenn ich nun tatsächlich nur ein Spielzeug des Grafen gewesen war?

Ich etwas Besonderes? Wie hatte ich mir das nur einbilden können? Ich... etwas Besonderes.

Doch dann fielen mir die Worte des gestrigen Abends wieder ein „Kilian.“ Mein Name. Ein stolzer Name, ein schöner Name. Mein Name, eine Sternschnuppe, mein Wesen.

„Wenn du das sagst; du musst ja wissen, wie es ist, normal und nichts Besonderes zu sein. Und vor allem, wie es ist, ein Spielzeug des Adels zu sein“, erwiderte ich scharf, schärfer als ich erwartet oder beabsichtigt hatte.

Michel war nicht weniger überrascht über diese Worte, als ich selber. Nie hatte ich widersprochen, immer nur getan, was man von mir verlangt hatte. Doch auf einmal griff ich ihn an, ließ mich nicht herumschubsen. „Was hast du gesagt?“ Er packte mich am Kragen und zog mich zu sich hinauf. Schweiß war auf seinem vor Wut verzerrten Gesicht, das braune Haar hing wild über seine Augen, welche mich zornig anfunkelten „Na? Wiederhol es!“ Ich schwieg, starrte ihn nur trotzig an. „Wiederhole es, hab ich gesagt!“ Er schrie jetzt fast. „Ich habe gesagt, dass du ja wissen musst, wie es ist, sich dem Adel zu Füßen zu werfen und nichts Besonderes zu sein“, zischte ich „Und jetzt lass mich runter!“ „Oder was?“ - blanker Hohn, wie schon so oft „Ich bin der Älteste, im Gegensatz zu dir bin ich sehr wohl etwas Besonderes. ICH werde diesen Hof erben, ICH werde der Herr im Haus sein, und DU nicht mehr als ein Untergebener. Ein Arbeiter!“

Stille, nur das ungleichmäßige Atmen von uns war zu hören. Schließlich ließ er mich runter „Sei bloß froh, dass du mein Bruder bist, andere würde ich für solche Frechheiten teurer bezahlen lassen, kapiert?“

Hasserfüllt starrte ich ihn noch eine Weile an, stand dann wieder auf und arbeitete weiter. Nur noch heute. Nur noch heute musste ich Jacques sein. Nach diesem Tag müsste ich mir solcherlei nicht mehr anhören. Kilian würde stärker sein als Jacques es je sein könnte.
 

Schnell und doch viel zu langsam zog der Tag sich hin, die Sonne glitt über das Himmelszelt, von morgens zum Zenit, um auf der anderen Seite anzukommen und den Abend mit seinen Schatten einzuläuten. Die Nacht, welche verhüllte, was man am Tag sah, Hässliches wurde mystisch, oder furcherregend, Schönes makellos und verheißungsvoll brach herein.

Ich saß vor der Tür, wartete, dass seine schwarze Kutsche auftauchte und mich mitnahm. Meine Sachen lagen oben zusammengepackt, alles fertig zur Abreise.

Die Sonne war nur noch ein rotes Flackern am Horizont, und durch die Wolken, welche in sanften Bahnen sich über den Himmel zogen, wurde ihr sanftes Licht reflektiert, so dass der Himmel eher einem Ölgemälde als der Realität gleich kam. Doch ich hatte kaum Augen für die Schönheit, die mich umhüllte.

Nicht für die Abendröte, welche wie ein samtener Vorhang vorbeizog. Nicht für die Vögel, welche ihre Abendlieder zum Besten gaben. Nicht für die letzten Grillen dieses Jahres, welche in das Konzert einstimmten. Nicht für das Säuseln des Windes, welches die Symphonie unterstrich, oder das Rauschen der Bäume, welche sich sacht im Takt wiegten.

Wo blieb er?

Ich wartete hier, würde notfalls die ganze Nacht draußen verbringen. Er würde kommen. Gewiss würde er seinen Kilian nicht zurücklassen...
 

Ich kann mich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein, doch dem muss so gewesen sein, denn als sich meine Augenlider hoben, sah ich in SEIN Gesicht. „Schlaf nur, Kilian“, vernahm ich seine Stimme, sanft, wie seine Augen, welche mich anstrahlten mit ihrem unsichtbaren Zauber „Wo...?“ ich versuchte meinen Kopf zu heben, doch war ich von tiefer Müdigkeit gefangen. Kein Wunder, ich war ein zehnjähriger Junge und hatte seit nun mehr drei Tagen kaum ein Auge zugetan. Mein kindlicher Körper schien schwer wie Blei, doch das machte nichts, ich blieb liegen und schloss die Augen. Ich spürte das weiche Polster, auf dem ich lag, ein schwarzer Umhang aus ungewohnt weichem Stoff war über mich gelegt, um mich vor der Kälte dieser Herbstnacht zu schützen. Als wir über einige Steine fuhren, wackelte die Kutsche ein wenig, doch das störte mich kaum. „Morgen werde ich dir alles erklären.“ Es war mehr ein Flüstern, wie das Rauschen des Bachs aus weiter Ferne, kurz bevor ich wieder in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
 

Als ich erneut meine Augen öffnete, war die Sonne bereits aufgegangen und die Kutsche war stehen geblieben. Nein, ich befand mich nicht einmal in einer Kutsche, sondern in einem richtigen Bett. Einen schrecklichen Moment befürchtete ich, das alles wäre nur ein Traum gewesen und ich läge daheim in meinem Bett. Doch schnell merkte ich, dass dies nicht sein konnte. Weich war mein Schlafplatz, nicht nur Stroh, eine warme Daunendecke war über mich gelegt und spendete mir ihre Wärme. Vermutlich war ich in einer Schenke in einem Dorf. „Na, auch schon wach?“ Erschrocken drehte ich mich um. In einer Ecke saß ein älterer Herr, in seiner Hand eine Pfeife, aus welcher Rauch strömte. Ein seltsam würziger Duft stieg mir in die Nase. Ich hustete. „Wo sind wir? Wer sind Sie? Wo ist Xavier?“ So viele Fragen. Fragen, deren Antwort ich nicht wusste, dies jedoch zu ändern gedachte.

„Nicht so viel auf einmal, Bub“, lachte der Herr, mit einem starken Akzent, er war aus der Provence. Seine kleinen grauen Augen schauten mich aus seinem faltigen Gesicht heraus an, halb belustigt, halb neugierig. „Wir sind in Valonce, einem Dorf nicht weit entfernt der Provence. Ich heiße Renards und bin der Kutscher und Diener des Grafen de Lambourt. Und was deine letzte Frage betrifft…“ Er setzte die Pfeife an seinen Mundwinkel, um einen tiefen Zug zu nehmen und Rauchringe zu blasen. Wieder dieser würzige Geruch. „Seine Grafschaft pflegt nur des Nachts zu reisen und tagsüber nicht gestört zu werden. Eine Krankheit, welche ihm das Leben im Tageslicht verbietet.“

Ich war schockiert. Warum hatte er mir das nie erzählt? Ich begann zu überlegen. Was wusste ich eigentlich über ihn?

Nur, dass er ein Graf aus der Provence und ein guter Zuhörer war. Mehr nicht. Wo hatte er eigentlich hinreisen wollen, bevor er seine Reise unterbrochen hatte? Was war mit seiner Familie? Er selbst schien doch kaum zwanzig Jahre zu zählen... an meine Familie verschwendete ich kaum einen Gedanken. Heute Abend würde ich ihn fragen können. „Was ist mit seiner Familie? Machen sie sich keine Sorgen?“, fragte ich Renard, dieser schenkte mir nur ein mildes Lächeln „Wenig ist über seine Familie bekannt, sein Vater soll im Krieg gefallen sein, seine Mutter im Kindbett verstorben.“ Diese Antwort war ebenso schockierend wie zuvor die Erkenntnis über die Krankheit des Grafen. „Aber das sind nur Gerüchte. Er selbst spricht nie darüber, und lässt auch niemanden in sein Schloss.“ „Wieso?“ Ich erwartete nicht unbedingt eine konkrete Antwort, und war nur milde überrascht, zu hören, dass niemand dies so genau wisse. Immer mehr Gerüchte, über die Krankheit, über sein melancholisches Gemüt, angebliche Liebschaften und gebrochene Herzen, Morde und Anschuldigungen wahrer und nichtiger Natur. Ein Gewirr aus Sagen und Mythen, alles schon dutzend mal erzählt, umgeändert, abgedroschen bis zum geht nicht mehr. Nicht einmal die Hälfte entsprach der Wirklichkeit, und dennoch fragte ich immer weiter, ließ mir immer mehr erzählen und lauschte fasziniert Renards’ Erzählungen, was ihm zu gefallen schien.

„Einst soll eine Prinzessin zu ihm gereist sein, gemeinsam mit ihren Untergebenen, um ihm Aufwartung zu machen, um eine Hochzeit zu arrangieren. Hübsch soll sie gewesen sein, und reich. Er empfing sie, und wie ein Paradezug standen sie alle vor dem Tor, doch er ließ nur sie hinein.“ Die Stimme ging herunter, eindeutig ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte „Nie wieder wurde sie lebend gesehen, aber im Flussgraben wurde ein Skelett in ihren Kleidern gefunden.“ Ich staunte ihn groß an, wartete auf eine Erklärung.

Wie konnte er ihm dienen, wenn er das glaubte... „Die Menschen fürchten und lieben ihn. Seine Grafschaft gedeiht immer weiter, als wäre sie von Gottes Hand persönlich geführt, doch diese mysteriösen Vorkommnisse und seine Geheimnistuerei lassen die Mythen entstehen. Auf ihn verzichten will keiner...“, schloss der alte Herr und tat erneut einen tiefen Zug aus der Pfeife, wobei er mich ansah. „Aber er ist doch noch so jung!“ sagte ich „Was sagst du? Er ist nun bald vierzig!“ Ich war verwirrt, wie schon so oft in den letzten Tagen.

Vierzig Jahre? Das konnte nicht sein, er war höchstens zwanzig, wenn überhaupt... „Also ist das alles... erfunden?“, hakte ich nach; über das Alter zu streiten schien nicht wirklich etwas zu bringen. „Wer weiß? Ich arbeite erst seit drei Jahren für seine Lordschaft. Der Teufel weiß, was mit meinem Vorgänger geschehen ist. Aber ich glaube nicht, dass er ein schlechter Mensch ist.“ Ich lächelte und nickte „Das glaube ich auch nicht!“ Auch er nickte und eine Weile sahen wir uns so lächelnd an, bis die Stille vom Knurren meines Magens unterbrochen wurde.

„Ich sehe, wir haben Hunger. Keine Bange, ich hol Euch etwas zu speisen. Seine Lordschaft hat mich beauftragt, mich um Euer Wohlergehen zu kümmern.“

Hatte ich mich gerade verhört? War ich ge-Euchzt worden? Ich, der kleine Jacques, der Bauer?

„Was wünschen Eure Grafschaft Kilian?“, fragte der Herr und musste bei meinem verdutzten Gesicht laut auflachen. „Ja: Eure Grafschaft. Da Seine Gnaden keine Nachfolger hat, und auf Grund seiner Krankheit auch nie einen haben wird, ist er losgeritten, einen Jüngling zu adoptieren. Nun, wie es scheint, seid Ihr der Auserwählte.“
 

Das Essen war köstlicher als alles, was ich zuvor gegessen hatte. Die Kartoffeln mochten etwas angebrannt gewesen sein, das Fleisch nicht genug gewürzt und das Gemüse kaum durch gekocht, dennoch schmeckte es mir besser als alles wasm eine Mutter je auf dne Tischgebracht hatte. Mein erstes Mahl außerhalb meines Dorfes, weit entfernt von meiner Familie, vom Alltag. Während wir speisten, erklärte mir Renards, dass meine Eltern entlohnt worden waren, hundert Goldstücke hatte Xavier ihnen gegeben, und so hätten sie mich bereitwillig mitgeschickt.

Nichts anderes hatte ich erwartet. Für Geld täten sie doch alles, und erst recht, um mich loszuwerden.

Kaum waren Speß und Trank geleer, stand ich auf. Ich war ganz begierig, mir das Dorf anzusehen. Zu sehen, ob es anders war, als bei mir Zuhause, oder ob es überall gleich aussah. Renards stimmte zu, er sollte mir ohnehin neue Kleider besorgen, schließlich war ich nun der Sohn eines Grafen und solche Fetzen geziemte sich für meinen Stand nicht.

Mit weit aufgerissenen Augen lief ich neben dem Kutscher her. Freilich, große Unterschiede zu meinem Dorf gab es nicht: Dieselben staubigen Straßen und Lehmhäuser. Die Menschen jedoch hatten mir unvertraute Gesichter. Daheim kannte jeder jeden. Selten kamen Reisende vorbei, hier jedoch waren mir alle fremd, das alleine reichte, um mich zufrieden zu stellen. „Ah, quel bel enfant!“ Die Schneiderin war eine recht beleibte Frau mit rosigen Wangen und einem freundlichen Gesicht. „Mal sehen, was wir haben, sicher etwas Besseres, als diese Lumpen, aber für etwas Angemessenes bräuchte ich sicher einen Tag.“ Sie suchte in einigen Kartons und zog schließlich einen schwarzen Anzug, Sonntagskleidung für die Kirche, etwas besser als die gewöhnlichen Straßenkleider, heraus. „Das wird zunächst reichen, wir werden heute Abend noch aufbrechen. Habt dank Mademoiselle.“ Er gab ihr ein wenig Geld und ich wurde in die neuen Kleider gesteckt.
 

Der Tag verging, der Abend kam. Am Nachmittag legte ich mich noch einmal zur Ruh, um in der Nacht mehr Zeit haben zu können, mit Xavier zu reden. Und endlich verschwand die Sonne, und mit ihr ihr wärmendes Licht.

„Und? Gut geschlafen?“ Ich sah erneut in diese wunderbaren klaren braunen Augen „Xavier!“ Erfreut sah ich ihn an und fiel ihm um den Hals. Ein wenig verwundert sah er zu mir runter, lächelte schließlich und strich mir sanft durch das lockige Haar. Der Abend war schon fortgeschritten, und seine Haut rosig von dem Blut, welches er erst kürzlich getrunken hatte, und ich lag, von alledem nichts ahnend, in seinen kräftigen Armen. „Los, brechen wir auf.“ Ich nickte und folgte ihm in die Kutsche. Renards saß auf dem Kutschbock und trieb die schwarzen Rappen an. Wir ritten in die Nacht hinein und ließen schnell das Dorf hinter uns.

Eine Weile saßen wir uns stumm gegenüber, betrachteten uns, beide gleichermaßen fasziniert. „Nun frag schon.“ Ich sah ihn an „Ich habe dich so viel gefragt, nun ist es an dir, mich zu fragen. Und ich werde alles so gut wie möglich beantworten.“

Eine Weile dachte ich nach „Stimmt das mit deiner Krankheit?“ Er lachte „Ist es das, was Renard dir erzählte?“ Ich nickte und wartete stumm auf seine Erklärung. „Nun, man kann es sicher als Krankheit bezeichnen, als eine ewig andauernde, mich verzehrende Seuche... doch das wirst du später begreifen, später, wenn die Zeit reif ist.“ Ich verstand seine Worte nicht, war es nun wahr, was Renards mir erzählt hatte? „Renards erzählte mir, du wärst über vierzig... aber…“ „Ich sehe für dich nicht älter aus als zwanzig. Ich weiß“ „Warum?“ „Nun...“, einen kurzen Moment dachte er nach, schaute aus dem Fenster, wo die dunkle Landschaft an uns vorbei zog. In weiter Entfernung waren schon die Pyrenäen zu sehen, groß und bedrohlich, die Grenze nach Spanien.

„Nun... Menschen sehen was sie sehen wollen. Ich bin schon vierzig Jahre in dieser Grafschaft, was würdest du erwarten zu sehen?“ „Einen Vierzigjährigen.“ Er nickte. „Und genau das ist es, was ich ihnen zeige.“ Irgendwie gefiel mir diese Antwort nicht ganz, und mein Gesichtsausdruck muss das verraten haben, denn er fügte noch „Alles mit der Zeit, es hat... mit meiner Krankheit zu tun.“ hinzu. Allmählich begann ich mich zu fragen, weshalb ich eigentlich Fragen stellte. Antworten erhielt ich ohnehin nicht, lediglich „Später.“ Schon früher hatte es doch immer „Später“ geheißen, „Später“ oder „Wenn du alt genug bist“, immer dasselbe, und nun schon wieder.

Er lächelte, als könnte er meine Gedanken lesen. „Ich weiß, es stört dich. Aber hier in der Kutsche ist es einfach... unpassend. Bei mir zu Hause.“ „Versprochen?“ „Versprochen.“

Den Rest der Fahrt redeten wir, redete ich wieder, wie schon so oft daheim. Ich erzählte ihm von dem Dorf, und all den Menschen, und wie sich alles glich und doch ganz anders war. Und wieder war es wie im Dorf, und wieder hörte er zu und ich fühlte mich geborgen in seiner Nähe, und alle Zweifel waren von mir gewichen.
 

Und am Morgen hielten wir wieder in einem Dorf, mir fiel auf, dass Xavier blasser war als sonst. Seine Haut strahlte unnatürlich weiß, reflektierte verheißungsvoll das sanfte Licht des Mondes, welcher sich dem Horizont näherte, mit jeder Sekunde, die verstrich. Die braunen Augen hatten einen unnatürlichen Glanz angenommen. Wie er mich ansah, anders als sonst, und schnell wandte er sich ab, als könne er es nicht ertragen, mich anzusehen.

Was mit ihm war, wollte er, konnte er, mir nicht erklären. Was hätte ich wohl dazu gesagt, hätte er mir erzählt wie sehr ihn sein Durst plagte, dass er das Blut in meinen Adern sah, nicht mehr den Jungen, der ich nun mal war. Wie er sich danach verzehrte, mein süßes Lebenselixier zu trinken, zu kosten und doch vor Schmerz darüber gestorben wäre.

Denn ich war sein Engel, wie er meiner war. Ich war seine Erlösung aus der Einsamkeit, sein Gefährte, den er sich auserkoren hatte. Doch wie hätte ich das mit meinen zehn Jahren begreifen sollen? Hätte ich es akzeptieren können, dass er von dem Blut anderer lebte?

Ich weiß es nicht. Ich kann nicht beschwören, dass dies den Zauber, der mich an Xavier fesselte, gebrochen hätte. Ob ich Angst statt Wohlwollen empfunden hätte.

Ich sah nur, wie er sich langsam in jemand anderen verwandelte, und das jedenfalls erfülltem ich mit furcht. Ich sah, wie er wegging und mich in der Schenke absetzte, um Nahrung für sich zu suchen.

Familie

Kapitel 3
 

Wie staunend ich doch in den Ländern des Grafen de Lambourt angekommen bin. Noch nie hatte ich Dörfer gesehen, welche in Felsen hinein gebaut wurden. Steilste Hänge waren bevölkert, nicht nur hier, sondern überall in der Provence.

Und nie verlernte ich dieses Staunen. Jedes Mal, wenn ich Tags oder auch Nachts durch die Straßen des Dorfes in der Nähe streifte, fragte ich mich aufs Neue, wie so etwas entstehen konnte.

Vielleicht war das ja der Zauber, den Xavier gesucht hatte: einfach nie das Staunen zu verlernen. Ich weiß es nicht. Nie hat er mir erzählt, weshalb er mich auswählt hatte. Von Renards erfuhr ich, dass sein Herr schon lange umher gereist war, um einen würdigen Erben zu finden. Seine Entscheidung habe ich natürlich nie in Frage gestellt und schnell war das Thema vergessen. Es war nun mal, wie es war, und ich wollte es ja auch nicht ändern.

Die Jahre vergingen. Xavier lehrte mich alles, von der Kunst des Schreibens und der Mathematik, bis hin zu den schönen Künsten wie Musik, oder Malerei. Tanzen lernte ich bei ihm, Gedichte las ich, schrieb ich. Er erzählte mir von den alten Römern und den Griechen; und als ich begann, mich mit Gott und dem Christentum zu befassen, gerieten wir oft in philosophische Diskussionen.

„In der Kirche sagen sie, die Erde sei flach“, erzählte ich ihm. Inzwischen war ich sechzehn, ein gut aussehender Jüngling, gerne gesehen im Dorf, besonders bei den Mädchen. Doch sie interessierten mich kaum, hatte ich doch Xavier, welcher sich um mich kümmerte und mich umsorgte wie seinen eigenen Sohn, oder mehr noch...

„Sie sind wirklich davon überzeugt, doch entspricht das nicht der Wahrheit.“ „Das hast du mir schon mal erzählt, aber woher nimmst du, oder auch sie, diese Gewissheit?“

Wir wanderten durch einen der Korridore, welche mir inzwischen besser vertraut waren, als es jemals die Felder daheim gewesen wären. Mondlicht schimmerte durch das Fenster und erhellte den Gang genug, damit wir ohne weiteres Licht auskamen. An Dunkelheit hatte ich mich schon gewöhnt. Ich lebte fast nur bei Nacht. Meine Haut war schon beinahe so weiß wie die Seinige, doch fehlte ihr der Glanz, diese Glätte, die seine hatte.

„Immer hinterfragst du“, lachte er „Alles, was ich dir sage, was die Menschen dir sagen.“ Er lächelte, wie eigentlich immer. Noch nie hatte ich ihn zornig gesehen. Ab und an schien er in einer melancholischen Gemütsverfassung zu sein. Oft unternahm er dann einen Ausflug, ohne mich, und ich saß daheim, spielte auf meiner Geige und fragte mich, was der Anlass zu dieser aus tiefster Seele kommenden Trauer war.

„Vielleicht seid ihr ja alle einem Irrtum erlegen und die Erde ist in Wahrheit ein Quadrat“, lachte ich „wie ein Würfel, und der Gott spielt mit ihm 1 und 5“ Wir beide lachten bei diesem Gedanken. „Wenn es denn einen Gott gibt.“, betonte er. „Ich glaube an das, was die Griechen uns lehrten, und wenn es nicht wahr ist, warum zerstören die Christen, in ihrem Wahn über Gott und sich selbst, dann all diese Werke, Aristoteles, Platon, Sokrates...? Viel Wahrheit liegt in ihren Schriften, und doch werden sie als ketzerische Werke verbrannt“ - wieder dieser Verbitterung.

Ich glaube, Xavier hasste die Kirche, hasste, was sie taten und wofür sie standen. „Xavier?“ „Ja?“ „Warum denkt ihr so über die Kirche? Ich meine, was hat sie so schlimmes getan?“ Einen Moment schwieg er, sammelte seine Gedanken und versuchte, sie in akkurate Worte zu kleiden. Worte die auch ich verstünde.

„Du meinst außer ihrer irrsinnigen Zerstörungswut? Ihrer Einstellung, alles vor ihrer Zeit sei falsch? Ihre Jagden auf Hexen, welche von Jahr zu Jahr immer schlimmer werden? Die Art und Weise, wie sie die Menschen dazu bringen, ihnen zu gehorchen? Oder vielleicht, wie sie an die Macht gekommen sind?“ Mir schauderte. Hexenjagden, Zerstörung, die Kreuzzüge...war das alles, wofür die Kirche stand? Blut und Tod?

„Warum glauben dann so viele an ihren Gott? Wenn er so grausam und ungerecht ist, wenn sie all diese Verbrechen begangen haben, ja, heute noch begehen, warum folgt ihnen dann jemand?“ „Weil nicht ihr Gott dies befiehlt. Ihr Gott ist von viel weicherer und gutmütigerer Natur. Zumindest der Gott, von dem Jesus damals predigte. Außerdem brauchen Menschen etwas, an das sie glauben können. Dieser Glaube ist so etwas wie eine Stütze durchs Leben. Wie sonst sollten sie all die Qualen ihres Lebens, all das Unglück, welches ihnen widerfährt, überstehen, wenn sie nicht den Glauben haben, dass es Gottes Bestimmung für sie ist. Dass er sie teste, und je mehr sie leiden, umso reicher werden sie belohnt, nach ihrem Verscheiden. Das gibt ihnen Kraft“

Nun war es an mir, zu schweigen und über das Gesagte nachzudenken. „Ich habe nicht diesen Glauben an Gott, und doch verzweifle ich nicht. Wenn es stimmt, was du sagst, wie können wir dann eine Ausnahme sein?“ „Wir haben einen Glauben, nur einen recht... unkonventionellen. Wir glauben an die Philosophen von damals. An Menschen, die vor Hunderten von Jahren gelebt haben und nun schon lange nicht mehr sind. Wir vertrauen auf das, was sie schrieben. Selber beweisen können wir ihre Thesen nicht, wir vertrauen darauf, glauben daran, wie die Menschen an einen Gott glauben“, erklärte er ruhig. Inzwischen waren wir im Garten angekommen, gerade rechtzeitig, um einem der wohl beeindruckensten Ereignisse der Welt beiwohnen zu dürfen.

Um die schlanken Bäume und an den Mauern rankten sich fingerbreite Luftwurzeln, schlangen sich um die Gewächse. Wo tagsüber noch schlaff und kraftlos weiße Blüten wie welk herabgehangen hatten, sodass man meinen wollte, sie seien am verdursten, stellten sich nun Blüten auf. Wie in Zeitlupe entfaltete sich ein Blatt nach dem anderen, ein kleiner Knall und noch einer und noch einer, für jede Blüte, welche sich öffnete. Ein betörender Geruch vermischte sich mit dem heimischen Lavendel. Strahlendes Weiß reflektierte das Mondlicht. Es war eine wahre Freude, den Blüten beim Entrollen ihrer feinen weißen Blätter zuzusehen. Immer weiter, bis sie schließlich in voller Blüte standen, etwa dreißig Zentimeter breit, und jede für sich eine wahre Schönheit, ein Wunder der Natur. Selenicerius grandiflorus, oder auch Königin der Nacht.

Ich weiß nicht, wie Xavier diese einmalige Pflanze nach Frankreich hatte bringen können, es hatte schaffen können, ihr hier, soweit fort von ihrer eigentlichen Heimat, ihren Zauber zu entlocken.

Einen Moment hatten wir beide zu reden aufgehört, haben diesem Schauspiel mit all seiner Faszination beigewohnt. Ich atmete die Kühle und nun von wunderbarem Duft erfüllte Luft ein. Himmlisch.

„Aber, woran haben denn dann die Philosophen geglaubt?“ Seine Fingerspitzen berührten eine der Blüten, ließ sie sich kaum wahrnehmbar bewegen. Wie er so dastand, mitten in diesem Zauber aus Blüten und Licht, wie der König der Nacht persönlich, von unvergänglicher Schönheit, ein marmorner Engel der Nacht.

„Ich habe dir doch erzählt, woran die Griechen glaubten“, sagte er sanft. „Aber wie lässt sich das denn vereinbaren, dass sie an Götter, sogar an mehrere glaubten, und gleichzeitig an Logik und ihre Philosophie? Warum können das die Menschen heutzutage nicht mehr, wir ja auch nicht?“ „Ich kann nicht an Götter glauben, dir ist es freigestellt, dir eine eigene Meinung zu bilden, letztendlich entscheidet das jeder für sich.“

Ich nickte, entschieden hatte ich mich schon vor langer Zeit, und das wusste er. „Die Götter von damals sind anderer Natur als die von heute, die Menschen hatten ein anderes Wesen. Nicht alles, was anders war, war schlecht. Doch die Christen haben Angst vor den Schriften. Sie glauben, dass sie ihre Kultur, ihren Einfluss untergraben würden“ Ich nickte verstehend. Was hätte ich doch gegeben, zu der Zeit der Griechen, der Römer zu leben. Nur einen Tag dort verbringen zu dürfen und mit eigenen Augen dieses gänzlich andere System, diese andere Kultur, sehen zu dürfen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, und ich zweifle kaum, dass er genau das getan hatte, fuhr er fort: „Die Zeit wird immer weiter verrinnen, was heute alltäglich ist, mag in hundert, zweihundert Jahren nicht mehr gelten. So wie die alten Götter starben, wird auch dieser Gott sterben, und ein anderer wird an seine Stelle treten.“ „Hundert, zweihundert Jahre“, wiederholte ich missmutig „Was bringt es mir? Jetzt sollte es sich ändern!“

Dieses Lächeln, was würde ich dafür geben, es noch einmal sehen zu dürfen, nur einmal, dieses wissende, sanfte Lächeln, welches er mir immer schenkte. Natürlich, er wusste, welches Schicksal mich ereilen würde. Schon am ersten Tag, da wir uns sahen, hatte er sich entschieden, das er mir die Ewigkeit schenken würde, die Ewigkeit mit ihm als Gefährten.

Die kalte weiße Hand streckte sich nach vorne. Schön war sie und kalt, als sie mein Gesicht berührte und mir eine der blonden Locken aus dem Gesicht strich. Ich zuckte nicht zurück, wie ich es früher getan hatte, wenn seine kalte Haut auf meine warmes, lebendiges Fleisch getroffen war. Im Gegenteil, ich genoss es, jede seiner Zärtlichkeiten.

Wie lange wir so standen, weiß ich nicht mehr, doch wir beobachteten die Blüten, wie sie nach zwei Stunden der Schönheit wieder zerfielen, wie alles Leben aus ihnen zu weichen schien und sie wieder schlaff an den grünen Stängeln hingen, um bis zur nächsten Nacht zu warten. Versonnen und von Griechen träumend war ich gegen ihn gelehnt, er hatte seine Hand um mich gelegt, wie schon so oft.

Eine Sekunde der Unendlichkeit für ihn, für mich ein unvergleichlicher Moment, eine Undendlichkeit gar in meinem befristeten Menschenleben.

Und doch stimmte etwas nicht. Immer stimmte etwas nicht, doch es war mir unmöglich zu sagen, was. Es schien nicht richtig zu sein, was passierte. Die kalten Finger, was er sagte, wie er sich bewegte, sein immer jugendliches Aussehen. „Xavier?“ - Er antwortete nicht, dennoch fragte ich weiter „Was bist du eigentlich für ein Wesen?“

Er war kein Mensch, sein Verhalten hatte nichts mit dem eines Menschen gemeinsam. Nein, das war mir vom ersten Moment klar gewesen, doch hatte ich warten wollen, bis er es mir von selbst sagte. Jetzt jedoch, gerade in diesem Moment, überkam mich dieses Gefühl des Unvertrauten, dieser Schauer, welcher mich an ihn band und gleichzeitig von ihm wegtrieb.

Vielleicht hatte er einfach Hunger, dass er dieses Gefühl bei mir auslöste, ich weiß es nicht. Doch bezweifle ich es, da er zu jenem Zeitpunkt schon zweitausend Jahre zählte, und je älter wir werden, umso weniger Blut benötigen wir.

Aus seinen großen braunen Augen sah er mich an. „Ich wusste, du würdest fragen“, sagte er matt lächelnd.

„Dass du nur Nachts wach bist, mir nicht sagst, wo deine Gemächer sind, du isst nichts, trinkst nichts. Du weißt so vieles und lässt mich doch nicht alles wissen“, begann ich „Wenn du wieder so traurig weggehst und mich nicht in deine Trauer einweihst, deine Erscheinung, einfach alles an dir... was bist du? Warum kannst du es mir nicht sagen?“ Gekränkt klnag meine Stimme. Alles erzählte ich ihm. Ihm, meiner Familie. Ihm, meinem Freund. Ihm, meinem Liebhaber. Und doch verheimlichte er mir alles, was ihn ausmachte, sein ganzes Wesen.

Er sagte nichts, sah wie damals daheim zum Himmel hinauf. Hinauf zu den funkelnden Sternen. Lange Zeit schwiegen wir beide, meine kühlen blauen Augen unentwegt auf seinem vollkommenen Antlitz.

„Ich bin nicht dumm“ sagte ich.

Es kränkte mich, dass er es mir nicht sagte, dass er mir, seinem Schüler, seinem Sohn, seinem engsten Vertrauten, nicht erzählen konnte, was er doch so gerne sagen wollte. Ich sah doch, wie schwer es ihm viel, sah doch diese traurigen Augen, welche nun das Firmament musterten. „Ich kriege es noch raus. Wenn du es mir nicht sagen willst, bitte!“ Zum ersten Mal, seit ich hier bei ihm war, verspürte ich Wut, verspürte ich Trauer und Kränkung. Ich konnte und wollte nicht akzeptieren, dass er Geheimnisse vor mir hatte, wo ich ihm doch nichts verheimlichte. Er war mein Leben, der Einzige, den ich hatte, und ich der Einzige, den er hatte.

Ich drehte mich um, wandte mich zum ersten Mal mitten im Gespräch von ihm ab und eilte in mein Zimmer, wo ich mich in die weichen Daunen schmiss. Ich vermag nicht wiederzugeben, wie ich mich in jenem Augenblick gefühlt habe, wie tief mich sein Schweigen verletzt hatte. Vielleicht weinte ich in jener Nacht sogar, ich weiß es nicht mehr, auch wenn ich oft an jene unvergessliche Stunde zurück denken muss.

In dieser Nacht erhielt ich keine Antwort. Auch die nächsten Nächte verbrachten wir schweigend, da ich es bevorzugte, tagsüber mir im Sonnenschein die Zeit zu vertreiben, die Leute im Dorf nach dem Grafen auszufragen, die Wohnung zu durchstöbern auf der Suche nach seinen Gemächern, welche er mir noch nie gezeigt hatte.

Doch vergebens. Ich fand nichts, keinen Hinweis auf sein Rätsel. Natürlich hätte ich auch Trotzkopf spielen können, ihn Nacht für Nacht fragen können, bis er nachgab. Aber ich hatte wenig Hoffnung, dass er solch kindischem Verhalten nachgeben würde, außerdem gebot es mir mein Stolz, meine Drohung zu erfüllen, aus eigener Kraft sein Rätsel zu lösen. Und ihm nachts zu folgen, wäre ebenso schlimm wie fragen gewesen, ich war mir sicher, er würde mich bemerken, er war nicht menschlich, soweit war ich schließlich mit meinen Gedanken gekommen, doch schreckte mich diese Erkenntnis keineswegs ab.

Geahnt hatte ich es schon immer. Und sicher hätte es mich auch nicht mehr beeindruckt, hätte er mir offenbart, was seine wahre Natur war. Von den Menschen um mich herum war ich distanziert, sie waren jetzt schon eher ein Zeitvertreib, nicht mein Leben, keine Bedeutung kam ihnen zu, nur ihm alleine. Doch er sperrte mich aus seinen Gedanken aus.
 

Sicher war schon ein Monat vergangen seit jener lauen Sommernacht. Ein Monat, ohne mit ihm zu sprechen. Welche Qualen ich ihm mit meinem Schweigen bereitete, kann ich heute nur ahnen. Doch gerade weil er ein Vampir ist, weil er Xavier ist, musste es ihn hart getroffen haben. Dennoch denke ich er verstand mich, mein Wesen. Nichts anderes konnte er erwartet haben, auch wenn ich ihn mit meiner Unnachgibigkeit sicher überrascht habe.

Hätte ich nachgeben, er hätte die Frage beantwortet. Alle Qualen von mir, wie von ihm,hätten ein Ende gefunden. Doch mein Stolz, der dumme Stolz eines Sterblichen, das dumme Herz eines Sterblichen, ließ mich und meinen Geliebten verwunden, verbluten.

An jenem Tag, es war bereits abends und bald würde die Sonne untergehen, streifte ich wieder einmal durch die Villa, auf der Suche nach einem Hinweis auf die Gemächer meines Vaters. Nichts, nichts, gar nichts hatte ich finden können und allmählich langweilte mich das Spiel. War es denn mehr? Das Spiel eines dummen Sechzehnjährigen… Schließlich gab ich es auf. Ich beschloss, mich ihm heute wieder zu stellen, konnte doch auch ich nicht mehr in Einsamkeit leben, verzehrte mich nach seiner makellosen Figur, seinen sanften Augen und seinen Ohren, welche mich erhörten.
 

Die Sonne, eben noch ein feuerroter Ball, war schon im nächsten Moment ganz verschwunden.

Meine Beine trugen mich, ohne das ich ihnen sagte, wo sie hingehen sollten, in Richtung Garten, wo die Königin der Nacht schlaff an ihrem Stiel hing. Meine Finger streichelten einige der Blüten im Vorbeigehen, doch schenkte ich ihnen kaum Beachtung. Wie im Halbschlaf wandelte ich durch mein Heim. Der Mond stand inzwischen am Firmament, Sterne funkelten. Wie schnell die Sonne doch manchmal unterging... immer weiter führten mich meine Schritte, wie von Schnüren gezogen, weniger mein eigener Wille als viel mehr ein unsichtbares Band, an welches ich gekettet war und welchem ich halb schlafend folgte.

Xerxes

Kapitel 4
 

Verwirrt blickten ich mich um, doch sahen ich nichts. Nichts, als die Schwärze, welche mich umhüllte.

Ein bestialischer Gestank drang in meine Nase. Ich kannte diesen Geruch nicht, ich konnte es nur ahnen. Es roch nach Tod.

Gekicher, doch immer noch kein Licht, keine Möglichkeit, festzustellen, wo ich war. Einen Moment dachte ich, vielleicht hatte ich meine Augen noch geschlossen. Benommen blinzelte ich, doch der Unterschied zwischen offen und geschlossen war kaum erkennbar.

Mein Kopf schmerzte, der Gestank raubte mir den letzten Nerv. „Bin ich tot?“ Ich weiß nicht, ob ich diese Gedanken laut ausgesprochen hatte, doch hörte ich daraufhin eine hohe, schrille Stimme „Noch nicht, Bub, noch nicht!“ Und wieder Gekicher um mich herum.

Wer auch immer sie waren, es waren mehrere. Mindestens vier, wenn ich mich nicht irrte.

Ich blinzelte erneut. Allmählich bildeten sich in der Dunkelheit Schemen, etwas, das noch finsterer war, als ddie Schatten, welche mich umgaben. „Wer seid ihr?“ Ich hörte meine bebende Stimme, wollte mich aufrichten, doch gaben meine Hände unter dem Gewicht meines Oberkörpers nach. Ein stechender Schmerz an meiner Rechten ließ mich niedersinken. „Wir sind Kinder der Nacht.“ Ich verstand nicht. „Kinder der Nacht“, was sollte all das? Mit der linken Hand fasste ich an die Schulter, wo mich zuvor der Schmerz zu Boden gezwungen hatte. Eine warme Flüssigkeit benetzte meine Finger. Blut. Das wusste ich, ohne das Rot sehen zu können.

Verzweifelt versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Kinder der Nacht, diese Worte hatte ich schon einmal vernommen... nur wo? „Sicher hast du sie schon vernommen!“, lachte eine Frauenstimme höhnisch. Wo? Wo, wo, wo, wo, wo nur? Ich versuchte, das Gelächter zu ignorieren. Selbst nun, da es verstummt war, kreiste es in meinem Kopf.

„Ich weiß wo“, murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu ihnen.

Ein altes Märchen kam mir in den Sinn. Eibn Märchen über Kinder der Nacht. Seelenlose, wandelnde Tote, welche töteten, um zu überleben. „Schlaues Kerlchen, in seinem Zustand noch so viel nachzudenken.“ Wieder die Frau mit dem schrillen Lachen „Trotzdem verstehe ich nicht, wie er das zulassen konnte.“ Ein Mann, eine tiefere Stimme, ruhiger als das andere Gekicher um mich, nicht von diesem Wahnsinn getrieben. „Wer…?“ fragte ich, und versuchte erneut, mich aufzurichten „Das solltest du schön lassen, Bub!“, höhnte ein weiterer Mann „Du beschleunigst nur deinen Tod, und das wäre schade, wo wir dich doch sooo lange gesucht haben!“

Ich verstand nicht. Wieso sollten diese Wesen nach mir suchen? ... Es sei denn… „Ich sag doch, er ist schlau.“ Dieses verrückte, schrille Lachen. „Ruhe!“ Es verklang. „Ja, nicht du bist wichtig, nur dein Meister.“

Meister...? „Xavier ist nicht mein Meister“, sagte ich und machte keine Anstalten, sitzen zu bleiben, wobei ich auf dem kalten, nassen Boden öfters abrutschte. Anscheinend war ich in einer Art Höhle unter der Erde. Die Schemen wurden immer deutlicher, als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Tatsächlich waren es fünf Gestalten. Zwei Frauen und ein Mannvonn etwa 30 Jahren.

„Nicht dein Meister, sagst du?“ Er musste der Anführer sein, der Einzige ohne dieses wahnsinnige Lachen.

„Mein Freund“, erwiderte ich. „Nicht mein Meister.“ Er wandte sich nicht ab, die anderen brachen in ihr wildes Gelächter aus. „Natürlich dein Meister! Oder tust du nicht, was er dir sagt?“ Ich schwieg, ich brauchte gar nicht zu reden. Sie spazierten in meinen Gedanken ohnehin ein und aus, wie es ihnen beliebte, wussten was ich dachte, ohne das ich es hätte verhindern können. Wäre ich bei Kräften gewesen, nicht hier eingepfercht, verwundet, betäubt von dem Gestank, vielleicht hätte ich mich ihrer Macht erwehren können. Doch unter diesen Bedingungen…

„Stimmt, es hat keinen Sinn, aber glaub mir, auch in ausgeruhtem Zustand hättest du keine Chance. Oder weißt du nicht mehr, wie du hierher gekommen bist?“ Eine verächtliche Stimme; dieser Tonfall, als würde er mit einer Ratte sprechen, nicht mit einem Menschen. Oder waren Menschen in seinen Augen gar weniger wert als Ratten?

„Und warum bin ich dann hier?“ Dieses Lachen. Konnten sie nicht endlich damit aufhören? Ein Handbewegung des Mannes. Ich sah, wie der Schemen sich mir näherten. Mit einer Handbewegung entfachte er eine Kerze, so dass ich zum ersten Mal mich wirklich umschauen konnte. Der Vampir, welcher sich mir näherte, hatte kaum Ähnlichkeit mit Xavier, sein Gesicht war zwar von vollendeter Schönheit, es war ebenso glatt und weiß wie Xaviers, doch schien es unendlich alt, und das, obwohl er vielleicht dreißig Jahre zählte. Die Flamme, welche sein Gesicht erhellte, spiegelte sich in den grünen Augen wieder, das schwarze Haar, obgleich verstaubt und verdreckt, hatte einen seltsamen Glanz und reflektierte das fahle Licht in seiner klauenartigen Hand. Seine Kleidung entsprach in etwa der gebräuchlichen, nur war sie viel zerschlissener. Dreck überall, sogar Risse, es schienen mehr Lumpen als Kleider zu sein. „Xavier... so nennst du ihn also...“ Ich starrte in seine Augen, sah meine eigene Reflektion in ihnen, welche mich zurück anstarrte. Blass war ich, durch den hohen Blutverlust, doch strotzen die blauen Augen nur so vor Willenskraft.

„Das ist doch sein Name“, zischte ich „Nein. Er heißt, oder vielmehr hieß, Xerxes.“ „Lüge!“, sagte ich etwas lauter als vorher. Hieße er tatsächlich so, hätte er es mir doch gesagt. „Er hat dir auch nicht von seiner Natur als Kind der Nacht erzählt. oder?“, fragte die Frau mit dem schrillen Lachen höhnisch, die Andere starrte mich schweigend an, und ich starrte hasserfüllt zurück.

„Das ist etwas anderes, er hatte sicher seine Gründe...“ Der Vampir, welcher nun vor mir kniete, lächelte. Nicht das sanfte, engelsgleiche Lächeln, welches ich von Xavier kannte. Nein, ein grausames, kaltes Lächeln.

„Er ist ein lange tot geglaubter Mythos, doch jetzt haben wir ihn gefunden, und die Stunde der Rache ist gekommen“, sagte er, wobei er sich erhob und auf mich herabblickte.

Ich verstand nicht, nie verstand ich. Alles blieb mir ein Rätsel. Sie lasen meine Gedanken, diese Fremden, wussten mehr über meinen Xavier, als ich je erfahren hatte. Ja, vielleicht sogar erfahren würde. Sie wussten, dass ich nicht verstand, und es amüsierte sie, wie ich mein Gehirn zermarterte. Das dumme, langsame Gehirn eines Sterblichen.

Xerxes, ein griechischer Name, ich hatte schon Bücher aus der Zeit gelesen und die Namen hatten sich ähnlich angehört. Sollte das stimmen, so war Xavier sicher weit über tausend Jahre alt. Wer wusste schon, wie alt diese Ausgeburten der Hölle waren. Doch sollte ich raten, ich hätte sie jünger geschätzt, wesentlich jünger.

Ob er sie erschaffen hatte? Ob er ihnen etwas angetan hatte? Oder waren sie einfach eifersüchtig? Trieb der Neid, welcher sie in den Wahnsinn geführt hatte, zu diesen Taten?

„Willst du es wirklich wissen?“ Die Frau, welche bisher geschwiegen hatte, hatte die Stimme erhoben. Rote, blutunterlaufene Augen sahen mich an, die Stimme schien rau und kratzig, und obwohl ihr Gesicht makellos, obwohl sie ihrem zierlichen Körperbau zu folgern vielleicht 25 war, wirkte sie am ältesten von allen Anwesenden.

„Willst du wirklich erfahren, was er uns angetan hat, dein ach so toller Xavier?“ Ich nickte. Wenn er es mir nicht sagen wollte... Bevor ich hier starb, wollte ich es wissen! Warum, wusste ich wohl selber nicht. Was brachte mir das Wissen schon, wenn ich das Zeitliche segnete?

Die Frau stand auf und trat ins Licht. Sie trug ein schwarzes Kleid, einen weiten Rock, und in der Dunkelheit waren all die Risse kaum zu sehen. Erst, als der fahle Schein der Kerze sie berührte. Ich konnte kaum blinzeln, da war ihr Gesicht genau vor dem meinigen. Der andere Vampir hatte sich im selben Augenblick einen Schritt entfernt, ließ sie gewähren.

Die eben noch roten Augen färbten sich zu einem undurchdringlichen Violett. So starrte sie mich wieder an.
 

„Du solltest nicht auf sie hören.“

Alle Augen wanderten binnen Sekunden zum Eingang der Höhle, wo ER stand. Gelassen, die braunen Augen auf die Frau gerichtet. „Du!“, zischte sie und kniff die Augen zusammen, wieder waren sie rot und blitzten edrohlich.

„Xerxes.“ „Xavier“, berichtigte er sie gelassen, sein Blick war noch nicht einmal zu mir geschweift. Er schien mich gänzlich zu ignorieren. „Xavier“, wiederholte die Frau verächtlich. „Xavier.“ „Xavier.“ „Xavier.“, äfften die anderen schrill nach und die Höhle war mit irrem Gelächter gefüllt, doch schien Xavier sich davon nicht beeindrucken zu lassen. „Wegen eines Sterblichen“, lachte die mit der schrillen Stimme. „Dass es tatsächlich funktionieren würde!“ Wieder brach sie in ihr wirres Gelächter aus. „Lasst ihn, er hat nichts damit zu tun.“

Xavier tat einen Schritt tiefer in die Höhle. „Und lasst uns draußen reden, nicht unter dem Friedhof, den Gestank hält ja nicht mal ein Sterblicher aus“, sagte er, drehte sich um und verließ den Raum, ließ mich erneut allein.

Der männliche Vampir mit der Kerze stand auf und sah die Rotäugige fragend an. Diese erwiderte die Geste mit einem stummen Nicken. Das Lachen war verstummt und die Vampire folgten Xavier in die Nacht, ich wurde einfach vergessen, blieb im Schlamm liegen und beobachtete das Schauspiel.

So dicht war ich dran gewesen etwas über ihn zu erfahren. Nur ein Satz, und wer wusste, was nun aus mir würde, wenn er nun mit ihnen wegging? Wenn sie ihn wegbrachten, fortrissen von mir? Nein, er war zu stark... oder?

Keuchend, bebend schleppte ich mich über den Boden, nur dem Ausgang aus dieser Hölle entgegen. Nichts anderes vor Augen.

Wie weit dieser Weg war, ich kann es nicht beschreiben, mochten es doch nur vier Schritte gewesen sein. Doch versuchen Sie einmal, mit der Hälfte ihres Blutes (nun, ich mag übertreiben), zumindest stark verletzt, diese vier Schritte zu tun. Dennoch, irgendwie schaffte ich es, ich weiß nicht mehr genau wie, aber ich schaffte es hinaus, spürte, wie sich meine Lungen mit dem frischen Sauerstoff der kühlen Nachtluft füllten, wie der Grabesgeruch von mir wich, wie der Wind mein Haar nahm und zum Wehen brachte.

Sofort erkannte ich, wo wir waren: Auf dem Friedhof oder zumindest in der Nähe von ihm. Es ist nicht ein solch imposanter Anblick wie beispielsweise ‚Les Innocents’ in Paris, keine Engelsstatuen, keine verzierten Gruften, keine reichgeblümten Gräber. Nein, dies war ein einfacher Friedhof auf dem Lande. Nicht sonderlich groß. Ein marmorner Engel in der Mitte, welcher über alles Wache hielt, eine kleine Kapelle droben auf dem Hügel unweit meines momentanen Aufenthaltsortes.

Und kaum zehn Meter weiter sah ich sie, sah, wie sie redeten und hörte doch nichts. Sie sprachen in einer mir unverständlichen Sprache, ich nehme an, es war Griechisch. Ab und an hörte man die Verrückte laut auflachen, doch wurde sie von den Anderen zum Schweigen gebracht.
 

Was sich mir nun bot, lässt sich schwer in Worte fassen. Trotzdem werde ich es versuchen:

Ahnungslos lag ich also da. Ein sechzehnjähriger Sterblicher unter den Toten. Kraftlos, unfähig, mich zu bewegen. Ich konnte nur beobachten, wie sich nur wenige Meter entfernt von mir lebende Tote unterhielten. Schon lustig, wenn man es so sagt, doch verspürte ich wahrlich nicht das Bedürfnis zu lachen, in jenem Moment.

Ich fühlte mich gekränkt. Gekränkt in meinem Stolz, einfach dort liegen gelassen worden zu sein, nicht in dieses Gespräch mit einbezogen geworden zu sein. Denn egal, wie diese Wesen darüber dachten, ich hatte nun etwas damit zu tun, war ein Teil ihrer Geschichte geworden. Und hatte ich nicht auch das Recht, den Grund meiner Entführung zu erfahren? Zu erfahren, weshalb ich kraftlos, mehr tot als lebendig, in einer Grabesstätte lag?

Wut entbrannte erneut in mir, das hatte ich nicht gewollt, als ich Xavier damals begleitete. Ich wollte ihn als Vertrauensperson, als Familie, welche er ja auch für mich war! Doch schloss er mich aus seinem Leben aus, verheimlichte mir seine wahre Gestalt und nun erlitt ich all dies. Er war mir weiß Gott eine Erklärung schuldig. So empfand es mein törichtes, sterbliches Herz, das Herz eines Bauernjungen. Jacques Herz. Wo war der starke Kilian?

Doch egal, wie sehr ich es auch bedauerte, ich konnte nicht erreichen, was ich wollte. Nicht jetzt. Nicht hier. Und so blieb mir nichts, als stumm an meinem Ort zu verharren.

Wild wurde gestikuliert, Betonungen wechselten, die anderen verärgert, Xavier ruhig und entspannt. Alles Menschliche schien aus ihm gewichen. Ich erkannte ihn kaum wieder, die weiße, marmorne Haut, kaum mehr lebendig, vielmehr Stein, leblos, tot.

Mit einem Mal wurde auf mich gedeutet, ich zuckte zusammen, unsere Blicke, meiner und seiner, trafen sich einen Moment und dann... ich weiß nicht genau, was passierte, es war zu schnell für meine Augen, die Hexe direkt vor mir, gelbe Augen, die mich im Wahnsinn anfunkelten. Ich taumelte voller Entsetzen zurück, und schon im nächsten Moment flog sie über den Friedhof, und wo sie gestanden hatte, war Xavier.

„Wir gehen“, sagte er laut vernehmbar auf Französisch, und er blickte mit jenem gewohnten, fürsorglichen Gesicht auf mich hernieder, schien all das, was ihn eben noch zu jenem mir unheimlichen und gleichzeitig faszinierenden und unnahbaren Geschöpf gemacht hatte, abgelegt zu haben und nahm mich sanft in seinen Arme.

Die Rotäugige nickte stumm, und auf ihr Zeichen verharrte selbst die Wahnsinnige, welche mich begierig anstarrte, jedoch blieb, wo sie war. „Geht, doch ihr wisst, wie wir denken, und was geschieht, sollten wir euch erneut begegnen, Xerxes.“, antwortete der junge Vampir mit der Kerze in der Hand und blickte Xavier durchdringend an, eine Art stummes Gespräch schien stattzufinden „Ich weiß“, hörte ich die wohlige Stimme Xaviers.

Ein Wimpernschlag und weg waren sie.
 

Seine kalte, weiße Hand strich mir über das Gesicht, verschwitzt, dreckig vom Schlamm, die blonden Locken verklebt. Noch nie hat mich seine Berührung so... wie soll ich es ausdrücken, verängstigt trifft es nicht. Angst verspürte ich keine, trotz meines neuen Wissens über sein Wesen. Vielleicht lag es auch an dem Schmerz in meiner Schulter, der Kraftlosigkeit, welche meinen Körper heimsuchte, doch ich schien in jenem Moment einfach gar nichts zu fühlen. Nicht, außer Trauer. Trauer über seinen Treuebruch.

Schließlich gab mein Körper dem Verlangen nach Schlaf, nach Regeneration nach. Meine Augenlider fielen zu, ein schwarzes Tuch legte sich über mich, sanft, weich, wärmend, wohltuend, und ich gab mich jener Dunkelheit hin.

Ein seltsamer Traum suchte mich heim. Nie hatte ich geträumt. Noch heute ist es selten, dass ich in meinem Schlaf, während ich tagsüber in meinem Sarg liege, etwas träume, an das ich mich am nächsten Morgen (beziehungsweise Abend) noch erinnern kann. Nun, vielleicht war dies auch kein Traum, wer weiß das schon? Ich habe Xavier nie gefragt, und es ist auch unwichtig.

Ich träumte zu fliegen, frei zu sein, wie ein Vogel im Wind, denn egal, was Xavier auch sagte, Vögel waren in meinen Augen die freiesten und beneidenswertesten Geschöpfe der Welt. Schon als kleiner Junge hatte ich dagesessen und ihnen gelauscht, sie beobachtet und bewundert. Diese feinen Federn, jede präzise ausgerichtet, um den Flug zu ermöglichen. Die dünnen Knochen, so zerbrechlich, geradezu schwerelos, um sich in die Lüfte zu erheben. Und in diesem Traum war ich der Vogel, spürte ich den Wind durch mein Haar, sah die Welt aus einem Blickwinkel, den ich mir nie zu träumen gewagt hätte.

Ich erinnere mich gerne an diesen Traum, oft rufe ich ihn mir ins Gedächtnis, träume ihn noch mal, denn es war das einzige Mal, dass ich diese Freiheit genießen durfte, das einzige Mal, dass ich durch die Luft flog, frei von allen Sorgen, frei von dem Gedanken an Xavier, an die anderen Vampire, oder sonst etwas. Nur ich, der Himmel und die Erde unter mir in all ihrer Pracht.

Geheimnis

Kapitel 5
 

Als ich meine Augen aufschlug, lag ich wieder in dem gewohnten weichen Bett in meinem Zimmer, welches ich nun schon bald sieben Jahre bewohnt hatte. Xavier, Xerxes, wie auch immer ich ihn nun nennen sollte, saß neben mir.

Noch immer fühlte ich mich kraftlos, jedoch hatte der Schmerz in der Schulter nachgelassen.

Hungrig war ich, und durstig. Wenig überrascht sah ich ein Teller Hühnerbrühe mit einem wohltuenden heißen Tee neben mir stehen.

Eine betretene Stille entstand, während ich die aufbauende Mahlzeit einnahm. Ich schaute direkt in die entgegengesetzte Richtung zu Xavier, spürte jedoch seinen Blick auf mir ruhen. So mussten Minuten vergangen sein, bevor er das Schweigen brach. „Ich schulde dir Antworten“, sagte er ruhig, höflich, wie jedes Mal, wenn er sprach.

Langsam drehte ich mich um, setzte die Tasse auf den Nachttisch vor mir und schaute ihm direkt in seine bezaubernden braunen Augen. „Ja“, sagte ich ernst. „Und zwar eine Menge. Warum hast du mir nicht erzählt, was du bist, als ich gefragte hatte? Warum muss ich es so erfahren? Wer waren diese... Wesen und was wollten sie von dir? Und vor allem: Was habe ich damit zu tun?“ „Ruhig, eine Frage nach der anderen, wir haben genug Zeit.“ Er drückte mich mit einer sanften Gewalt derer ich mich nicht erwehren konnte in die Kissen.

„Wie ich sagte…“, fuhr er nun fort und strich mir dabei, wie schon so oft, liebevoll eine blonde Strähne aus dem Gesicht „…schulde ich dir Antworten, und ich begleiche stets meine Schulden.“ War das ein Lächeln auf seinem Gesicht? Nein, nicht wirklich ein Lächeln. Doch obwohl er sein Gesicht nicht verzog, schien es doch eine gewisse Heiterkeit auszudrücken, zugleich jedoch eine tiefe Ernsthaftigkeit, welche ich bisher selten bei ihm gesehen hatte.

„Ich bin, wie du nun weißt, ein Kind der Nacht.“ „Ein Vampir“, verbesserte ich ihn vorlaut, wie ich war. Diesmal huschte tatsächlich ein Lächeln über die roten Lippen. „Vampir“, sagte er. „Nun, als ich einer wurde -ein Vampir, wie du sie nennst- gab es dieses Wort noch nicht. Ich wurde als ‚Kind der Nacht’ bezeichnet, und so tue ich es immer noch. Doch wenn es dir lieber ist: Ja, ich bin, was man heute unter einem Vampir versteht.“

Alles ergab einen Sinn! Die Schauermärchen, sie waren also nicht frei erfunden, seine Krankheit, seine nie gekannten Eltern...

„Ich habe dir nichts erzählt, weil ich befürchtete, du wärst noch nicht reif genug.“, erklärte er mir. „Doch ich denke, ich habe mich geirrt. Selbst mir kann so etwas passieren und ich hoffe du kannst mir noch einmal verzeihen.“ Das Lächeln war verschwunden und tiefe Sorge stand ihm nun im Gesicht. Ich konnte nicht anders, wie hätte ich meinem rettenden Engel denn auch böse sein können? All mein Gram, meine Wut, mein Unverständnis wich, war vergessen.

„Natürlich, doch nun erzähl schon. Du bist ein Vampir? Doch besitzt du ein Spiegelbild! Du hast hier mehr als nur ein Kreuz hängen, was ist mit all den Sagen?“

Und so wurde ich aufgeklärt. Die ganze Nacht erzählte er mir von den Legenden, und inwiefern sie Wahrheit oder Fiktion waren.

Vampire gab es lange vor dem Christentum. Eine Angst vor dem Kreuz war also nur ein Aberglaube, wenngleich einige der neueren Vampire, welche sich selbst für Diener Satans hielten, ihm anheim fielen.

Der Spiegel ist ein Gegenstand, welcher die Seele widerspiegelt, so sagt man, daher der Mythos über der spiegelbildlosen Gestalten. Schwachsinn. Ob Vampire eine Seele hatten, ob irgendwer eine Seele besaß, war zwar eine umstrittene Frage, aber was das Wesen der Seele angeht, so war jedem seine Definition überlassen, daher lässt es sich nicht so einfach abtun, doch haben Vampire durchaus ein Spiegelbild, und Xaviers Ansicht nach haben sie auch eine Seele. Seine Ausführungen diesbezüglich waren höchstinteressant, und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie ganz widerzugeben vermag.

Vampire waren einst Menschen, hatten eine Seele wie jeder Sterbliche. Was macht nun die Seele aus? Der Zustand des Lebens? Nun, Vampire mochten tot sein, dennoch wandeln sie, haben ein schlagendes Herz, atmen, Blut fließt durch ihre Adern. Alle Eigenschaften, welche die heutige Wissenschaft an Leben stellt, sind erfüllt. Sie haben einen Stoffwechsel, sie vermehren sich (wenn auch etwas unkonventionell), sie bewegen sich und sind reizbar, lediglich das Wachstum ist nicht mehr vorhanden. Warum also keine Seele? Sie denken, wie Menschen denken, fühlen genauso, wenn nicht sogar intensiver, nehmen ihre Umwelt wahr. Ja, sie töten, doch tun Menschen nicht dasselbe?

Kriege, Rituale, Morde. Haben all diese Menschen keine Seele, nur weil sie töten? Und letztlich nehmen sie den Tieren das Leben, um selbst zu überleben. Schießen Hasen, züchten Kühe nur, um sie später zu schlachten. Wir essen nun mal kein Steak, sondern Menschen. Das ist es, wofür sie uns verdammen.

Sieht man es so, nehme ich an, dass die Kaninchen dieser Welt die gesamte Menschheit für seelenlose Wesen halten, angesichts der Morde an ihren Verwandten.

Was war der Anlass zu denken, wir hätten keine Seele? Was ist eine Seele? Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher. Bis heute weiß ich nicht, ob es so etwas wie eine Seele überhaupt gibt; etwas Unsterbliches, das wiedergeboren wird, oder in den Himmel oder in die Hölle kommt. Ich weiß es nicht, und sicher werde ich es nie erfahren, doch wer weiß...

Knoblauch. Mal im Ernst, wer riecht gerne Knoblauch? Ihn als Mensch zu essen, mag unter Umständen, mit der richtigen Zubereitung, eine Gaumenfreude sein, doch jemanden nach einem solchen Festmahl mit reichlich Knoblauch zu küssen, seinen Atem ertragen zu müssen, ist schon Menschen ein Ekel. Vampire haben einen wesentlich ausgeprägteren Geruchssinn. Sicher schätzen wir dieses Nahrungsmittel nicht sonderlich, aber das wir uns ihm, oder jemandem, der es gegessen hat, nicht nähern können, ist ebenfalls ausgemachter Unsinn. Knoblauch ist ein Pflanze wie jede andere auch kein Grund die Flucht zu ergreifen.

Und was es nicht alles für Legenden der Sterblichen gibt. Reis auf den Boden streuen, da Vampire angeblich nicht umhin können, alle Körner zu zählen. Beliebt natürlich, der Pflock durchs Herz, oder dass wir uns in Fledermäuse verwandeln könnten, in Gräbern schliefen... nun, Letzteres mochte auf einige, sehr traditionsbewusste, christliche Vampire zutreffen, aber der Rest... nicht wirklich Realität.

Was jedoch der Wahrheit entspricht, ist die Sache mit dem Tageslicht. Viele schlafen daher in Särgen. Ein guter, sicherer Schutz vor dem Licht, bequem; und irgendwie hatte es auch etwas, am Abend mit den letzten Sonnenstrahlen aus diesem Bett für Tote zu entsteigen. Xavier freilich schlief nicht in einem. Sein Gemach, welches er mir noch immer nicht zeigte, befand sich im Keller, wo kein Sonnenstrahl einzudringen vermochte.

Doch nicht nur Sonnenstrahlen vermögen den Körper eines Vampirs zu zerstören. Auch das Feuer konnte ihn zur ewigen Ruhe betten, vorausgesetzt, man verstreute die Asche im Wind; ein Tropfen Blut, und es bestand die Möglichkeit, ihn wieder umherwandeln zu sehen, wenn dies auch selten geschah. Nicht wenige Vampire wählten schon nach hundert Jahren den Freitod, sprangen in die Flammen, um ihrem Schicksal als Unsterbliche zu entgehen. Nur wenige hielten die Ewigkeit aus. Nun, Gott sei Dank, sonst gäbe es bald mehr Vampire, als Beute.

Er erzählte und erzählte und ich stellte Fragen, immer mehr, und jemehr er erzählte, umso hingerissener war ich. Hingerissen von der Erkenntnis, dass all dies Realität war, und verängstigt. Doch sollte die Nacht viel zu schnell zu Ende gehen.

Geschwind kam die Sonne. Noch nie hatte ich sie mehr verabscheut, als an jenem Abend, da Xavier mich alleine in meinem Zimmer ließ, um in dem Seinigen, fernab von all dem Licht, Ruhe zu finden. Und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte aller Fragen gestellt, die mir durch den Geiste gingen . Die Wichtigsten waren bisher unbeantwortet geblieben.

Wie war er zu einem Vampir geworden? Wie lange lebte er schon? Wieso nannten diese anderen seltsamen Vampire ihn Xerxes? Woher kannte er sie?

Doch musste ich meine Neugier zähmen. Zumindest, bis die verhasste Sonne ihre Bahn gezogen hatte...

Ich beobachtete sie durch mein Fenster. Die Morgenröte, welche ihn vertrieben hatte, die wärmenden Strahlen, welche durch das Fenster drangen, welche die scheinbar schlafende Welt mit ihren sanften Küssen zu wecken suchte. Das warme Rot, das blendende Gelb, immer strahlender, je höher sie stieg, und schließlich ein strahlender, weiß-gelber Ball, der die ganze Welt in seine Arme schloss.

Ich stand auf, auch wenn es mir nicht leicht fiel. Noch waren meine Wunden nicht gänzlich geheilt. Trotzdem ließ die Tatsache, dass ich shcon wieder aufstehen konnte sehen dass sie erstaunlich schnell verheilten. War es tatsächlich nur einige Stunden her, dass ich entführt worden war?

Ich sperrte die Sonne aus, dunkelte das Zimmer ab, schien ihren Anblick schon jetzt nicht mehr ertragen zu können.

Renards kam einmal herein, brachte mir neue Brühe zu essen, mit Baguette, anscheinend war er höchst erfreut, mich wohlauf zu sehen. „Ah, Monsieur, seid ihr wieder wach? Ich bin erleichtert.“ Verwirrt sah ich ihn an. Es war also nicht nur eine Nacht her, sondern mehrere... „Wie lange war ich bewusstlos?“ „Fast zwei Wochen, hoher Blutverlust, Gott sei Dank nichts Lebensbedrohliches“, sagte er sichtlich erleichtert. „Und jetzt müsst ihr Nahrung zu Euch nehmen.“

Und das tat ich auch, brav aß ich die Suppe, die er gebracht hatte, auch das Baguette und sonst alles.

Die meiste Zeit des Tages lag ich im Bett, schlief, ließ meinen Körper sich regenerieren, damit er bald wieder bei Kräften war, bis zum Abend, damit ich mehr erfahren konnte. Dieses Mal über ihn, Xavier de Lambourt, Xerxes...
 

Und endlich kam ie Nacht, und mit ihr Xavier. Als ich erwachte, war die Nacht schon fortgeschritten. Ich nehme an, er war vorher jagen gewesen. „Wie ich sehe, hast du dich gut erholt“, sagte er in dem ihm eigenen höflichen Ton. Ich nickte. „Bin quasi gänzlich genesen“, antwortete ich. „Und jetzt, erzähl mir mehr über dich.“, forderte ich ihn ohne umschweife auf.

Ein Lächeln auf seinen rosigen Lippen, so menschlich, hätte ich nicht gewusst, was er war, ich hätte es nicht geglaubt. Dieses junge, makellose Gesicht eines Achtzehnjährigen, welches mich freundschaftlich ansa. Wir hätten Schulfreunde sein können, Brüder, wenn man uns so da sitzen sah, und doch hatten seine Augen etwas... etwas Undefinierbares.

Es waren nicht meine Augen, die eines Kindes, eines Teenagers, wie man es heutzutage nennt, welche noch voll Staunen durch die Welt gehen, die noch nichts gesehen haben, aber dennoch denken, alles zu wissen. Nein, es handelte sich um welterfahrene Augen. Augen, die Vieles kannten, Wüsten, Wälder, Meere, Menschen und Tiere, Kummer und Leid wie auch Freude und Liebe. Augen, so unendlich alt wie die Welt.... Augen, die alleine schon eine ganze Geschichte erzählen konnten, wenn ich ihnen nur besser hätte zuhören können, doch war ich, wie gesagt, ein Jungspund. es reichte mir nicht seinen Blick auf mich einwirken zu lassen, auch wenn er mich verzauberte.

„Meine Geschichte also“, sagte Xavier ruhig. Ich nickte, schluckte. „Und was es wirklich heißt, ein Vampir zu sein.“, fügte ich hinzu. „Soll ich es dir zeigen?“ Er beugte sich über mich, das braune glatte Haar fiel nach vorne, seine ebenso braunen, ja, beinahe schwarzen Augen direkt vor mir, der rote Mund dem Meinigen gegenüber, ich konnte seine Zähne sehen, diese weißen, blitzenden Fangzähne, wie ich sie heute selber trage. Ein Engel, ein Engel mit Fangzähnen, und doch unwiderstehlich.

„Ja“, sagte ich. „Zeig es mir.“ Er strich mir durch das blonde Haar, löste den Zopf, den ich mir gemacht hatte, so das nun meine Locken in all ihrer Pracht über meine Schulter hingen. Ich spürte seine weißen, kalten Finger, wie sie mir liebevoll durchs Haar strichen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, so nah war ich ihm noch nie gewesen. Vielleicht war es auch einfach nur sein Zauber, der Zauber eines Vampirs, so wie es meinen Opfern geht, wenn ich mich ihnen nähere, sie berühre.

Ich schloss meine Augen, und spürte schließlich seinen Atem an meinem Hals, bevor er mir zum ersten Mal seinen unsterblichen Kuss gab.
 

Wie es war, von einem Vampir gebissen zu werden - wie schon zu oft in meinen Erzählungen fehlen mir einfach die Worte, doch werde ich mein Möglichstes tun, um es in etwa realistisch wiederzugeben.

Der Geist der beiden Geschöpfe verschmilzt für die Dauer des Kusses, der Vampir spürt die Gedanken, Hoffnungen und Träume des Menschen, und der Mensch ... er verfällt in eine Art Ekstase, auch mir erging es nicht anders.

Alles war mit einem Schlag unwichtig, meine Neugier vergessen, ich hörte meine Herzschlag, seinen; ein unendlicher Strom, der mich durchfloss, eine Melodie, mein Puls. Ich spürte ihn, und doch schien er nicht mehr bei mir zu sein, und Leidenschaft, Glück in seiner Perfektion, schien mich zu durchfluten. Und was ich sah, in diesen zehn Sekunden, in diesem einen Schluck, den er tat.

Einen Jungen, braunes Haar, vielleicht vier Jahre alt, trotzig gegen einen Tempel gelehnt, sehnsüchtig nach draußen blickend, das Wasser und die Schiffe voller Fernweh ansehend.

Das Gesicht einer Frau, schwarzes, lockiges Haar, ein markantes, jedoch unendlich schönes Gesicht, weiße Zähne, die aufblitzten, ein Meer aus Flammen, Schreie, ohrenbetäubende Schreie und dann Stille, die mich umschloss.

Und dann nur noch mein unregelmäßiger Atem. Ich blinzelte verwirrt, sah mich um. Ich lag zu meiner Überraschung immer noch in meinem Federbett, Xavier war nicht mehr über mich gebeugt. Seine dunkle Silhouette stand am Fenster, das Gesicht von mir abgewandt.

Ich schwitzte, mein Herz schien zu zerbersten, und doch fühlte ich mich seltsam schlapp und kraftlos. Unbewusst strich ich mir über mein Gesicht, strich den Schweiß weg. „Was...?“ „Meine Geschichte also“, sagte er erneut und wandte sich wieder mir zu, erfasst von dem Licht des Mondes, welches direkt durch mein Fenster schien, und wie so oft musste ich bei seinem Anblick an einen Engel denken, das Leuchten seiner Augen, eine Statue, die regungslos dastand, die nichts Menschliches an sich hatte, kalt wie Stein in unveränderlicher Schönheit. Nur die Kleidung und die Haare verrieten, was sich hinter diesem Abbild einer Säule verbarg. „Ich stamme aus Griechenland, und wie du, las ich dich fand trug ich damals noch einen anderen Namen. Xerxes...“

Xaviers Geschichte I

Kapitel 6
 

"Griechenland, wie es heute genannt wird, gab es zu meiner Zeit nicht. 800 Jahre bevor Jesus von Gott berichtete, noch bevor Romulus und Remus das später so mächtige Rom erbauten, gab es uns schon, doch nicht als Griechen. Wir waren die stolze Rasse der Hellas. Ein freies Volk, ein stolzes Volk, welches nicht in Eintracht leben, nicht unterwürfig einem Herren ergeben konnte. Zwar hatten all die kleinen Stadtstaaten denselben Glauben, dieselbe Sprache und Schrift, doch mehr nicht. Keinen König, der sie hätte vereinen können.

Weit waren wir verteilt, Athen, Sparta, über die Peloponnes, über die Inseln im Ägäischen Meer, über große Teile des heutigen Joguslawien, der Türkei oder Bulgariens. All das waren wir. Unsere Handelsbeziehungen reichten sogar bis nach Sizilien, Syrien und Italien.

850 vor Christus, das war die Zeit, da ich zu einem Kind der Nacht, einem Vampir, wie die Kirche uns taufte, werden sollte.

Ich war der Sohn eines Aristokraten der damaligen Zeit. Wohlhabend. Wir hatten einige Leute um uns gescharrt, waren eine jener Familien, die das Land mitregierten.

Mein Vater war ein stattlicher Herr. Gebräunte Haut, wildes, dunkelbraunes Haar und stolze braune Augen. Der Körper war der eines Kriegers, muskelbepackt, eine wahre Kämpfernatur: autoritär und ein guter Taktiker. Meine Mutter war wunderschön: blassere Haut, volles, schwarz gelocktes Haar, rosige Lippen. Sie war die Tochter eines Priesters. Eine kluge wie auch schöne Frau. Dann hatte ich noch einen Bruder, einen Krieger, mit dem taktischen Talent meines Vaters gesegnet, und eine Schwester, jung wie der frische Morgentau, von einer Neugier und Gelehrsamkeit ergriffen.

Ja, wir hatten es gut, es fehlte uns an nichts, und ich denke, dass ich von mir behaupten kann, dass ich ein schönes Leben hatte. Ich redete mit meiner Schwester bis tief in die Nacht und kämpfte mit meinem Bruder, welchem ich natürlich immer unterlegen war.

Ich lernte, lebte, lachte, dennoch lag mein Blick oft auf dem Meer, welches die Insel umschloss, den Gebirgen, welche das Landschaftsbild prägten. Genauso rau wie die Umwelt waren die Menschen, stolz, ungebrochen; und trotz der schlechten Bedingung des festen, steinigen Bodens ackerten sie weiter. Soweit war unsere Kultur gewesen. Ja, ich rede von „war“.

Eines Abends, als ich wie schon so oft hinaus aufs Meer sah und beobachtete, wie die runde Sonne über den Horizont zog, wie ihre roten und violetten Strahlen allmählich verblassten, um die Nacht einzuläuten, sah ich Segel. Schiffe, die aus dem Nordwesten kamen.

Die Völkerwanderung begann, aus dem Nordwesten kamen die primitiveren Griechen; sie kamen, stark, bereit, mit dem Willen, sich hier niederzulassen.

Sofort rannte ich los, nach Hause. Alles war schon in heller Aufregung, wir hatten schon von den Barbaren gehört. Weite Teile der Hellas waren von ihnen angegriffen worden, und nun war unsere Insel dran, irgendwo mitten im Ägäischen Meer.

Waffen wurden ausgeteilt, mein Vater und mein Bruder organisierten den Widerstand. Meine Mutter, meine Schwester und ich wurden mit den anderen Jüngeren weggeschickt. Ich weiß noch, wie ich mich wehrte, ich war damals schon bald achtzehn, also ein Mann; ich wollte an der Seite meines Vaters kämpfen, wollte neben meinem Bruder für meine Mutter, für die Menschen, die ich liebte, die mir etwas bedeuteten, alles geben, doch wurde es mir verwehrt. So versteckte ich mich mit all den anderen in den Höhlen der Berge, unwissend, wartend. Dieses Gefühl, nichts ausrichten zu können, zu hoffen, nicht zu wissen, ob die Schlacht schon angefangen hatte, zermürbte mich.

Doch mit den Barbaren war etwas auf die Insel gekommen, ich spürte es. Etwas war da, ein seltsame, mir unvertraute Macht, doch schien sonst niemand etwas bemerkt zu haben, und so verschwieg ich dieses seltsame Gefühl. Natürlich glaubte ich, dass es Einbildung war, hervorgerufen durch Anspannung. Verwunderlich wäre es freilich nicht gewesen.

Stunden vergingen, ängstlich saßen wir da, die Mütter, die Kinder. Ich und einige der älteren Jungen dienten als Späher, saßen auf den Wipfeln der Bäume, spürten, wie der starke, kräftige Wind des Meeres uns um die Nase strich, hielten unsere Blicke auf die brausenden Wellen des Meeres geheftet. Natürlich sinnlos, wir konnten nichts sehen, nichts sehen, ob wir gewannen oder verloren. Nichts von der Schlacht.

Stunden mochten so vergangen sein, Stunden in der Ungewissheit, und dieses Gefühl, diese Vorahnung ließen mich nicht los. Etwas schien mich zu beobachten, etwas, dass mit den anderen Barbaren gekommen war. Und seit es diese Insel erblickt hatte, schien es mich anzusehen, und ich hatte Angst. Es war etwas, das mein Geist nicht erfassen konnte. Und wie jeden Sterblichen ängstigte es mich.

Die Nacht verging. Ereignislos. Keine Nachricht der Männer unten. Ich und einige andere Knaben waren der Ansicht, man solle ein oder zwei hinunterschicken, um nachzusehen und Bericht zu erstatten.

Die älteren Frauen jedoch rieten davon ab. Kein Wunder, waren sie doch schon besorgt genug um ihre Männer. Noch ihre Söhne, die Jüngsten, hinunterzuschicken, wäre unerträglich für sie gewesen. Ich erinnere mich noch genau, wie die bittenden, müden und verängstigten Augen meiner Mutter mich damals ansahen, als sie versuchte, mir zu erklären, warum sie mich nicht gehen lassen wollte. Ihr lockiges schwarzes Haar fiel unordentlich über ihre dünnen Schultern, und doch wirkte sie stark, tröstete all die Frauen, welche vor Kummer umkamen, wo sie doch selbst größte Ängste erlitt.

Doch damals wollte ich das nicht einsehen, eine Wut ergriff mich, nichts konnte ich tun, nicht ihnen helfen, nicht meinem Vater helfen, warum wollte Mutter denn nicht verstehen?
 

Unvorsichtig, unbedacht, wie ich damals war, schlich ich mich davon. Sollten sie doch zitternd da sitzen, sollten sie sich doch verkriechen. Ich würde mich nicht in den Kampf einmischen, ich wäre den Älteren nur im Weg, doch es zog mich hinunter, dieses Gefühl.

Ich musste wissen, was mit meinem Bruder, mit meinem Vater war. Doch das war freilich nur eine Ausrede, die sich in meinem Kopf breit machte. Eine rationale Erklärung. Der wahre Grund war vielmehr das Gefühl. Ich musste erfahren, wodurch es hervorgerufen wurde, was mich so magisch anzog, was mit den Barbaren gekommen war.

So schlich ich also den Hang hinab. Die Sonne sollte bald schon wieder aufgehen, die ersten roten Strahlen schoben sich schon über den Horizont, doch noch diente mir der Mantel der Nacht als Schutz vor den Augen der Angreifer.

Endlos schien der Weg an diesem Morgen. Die Pfade, die ich schon so oft gegangen war, schienen mir mit einemmal nur allzu fremd. Hinter jedem Busch schien sich ein Feind zu verbergen, jedes Rascheln schien ein Angreifer zu sein. Endlich erreichte ich mit der Morgenröte die Grenzen unseres Städtchens.

Stille. War die Schlacht zu Ende? Doch warum erhielten wir keine Nachricht? Ich schlich näher heran, bis mich nur noch wenige Meter von den ersten Häusern trennten.

Im Hintergrund sah ich das Glitzern des Meeres, die roten und orangefarbenen Strahlen, welche von der Sonne ausgesandt wurden.

Immer weiter bahnte ich mir meinen Weg entlang der Küste, im Schatten der Bäume und Büsche, welche ich nicht zu verlassen wagte. Bis ich sie hörte. Lachen! Hatten wir tatsächlich verloren? Gegen diese Wilden? Gegen diese Menschen, welche keine Schrift hatten, welche keine Strategie besaßen?

Ungläubig trat ich näher, und was ich sah, nahm mir den Atem.

Tote. Überall die mir so vertrauten Straßen rot von Blut. Die Leute, welche ich kannte, mit welchen ich geredet hatte, von denen ich gelernt hatte, mit denen ich gestritten hatte. Ich unterdrückte die Tränen, ich wusste, jedes Geräusch konnte mich verraten. Und so saß ich still, lauschte und hielt nach meinem Vater und meinem Bruder Ausschau.

Anscheinend waren auch nicht alle Männer gestorben, einige hatten sie gefangen genommen; in ihre eigenen Häuser eingesperrt. „SIE wird zufrieden sein.“ Er sprach zwar einen harten Dialekt, dennoch war es Griechisch. Er, das war einer der Soldaten; oder als was auch immer man diese Männer bezeichnen wollte. Nackter Oberkörper, ein breites Schwert an der Seite, das benarbte Gesicht mit einem schwarzen Schnurrbart versehen. Er setzte eine Flasche an seine Kehle, und sein Gesprächspartner lachte und machte eine Handbewegung, um ebenfalls die Flasche zu bekommen.

„Warum auch immer wir bis zum Abend warten sollen, um die Frauen und Kinder zu suchen.“, fuhr der mit dem Schurrbart fort. „Sie braucht nun mal ihre Ruhe, das kennst du doch, jeden Morgen.“ „Das ist es ja“, unterbrach die tiefe, feste Stimme des Ersten den Anderen. „Nur nachts ist sie zu sehen, warum kommt sie nicht einmal am Morgen heraus? Immer kämpfen wir nachts, sehen SIE nur nachts, ich habe schon fast vergessen, wie blau das Wasser am Tage sein kann.“

Der Andere, ich konnte ihn nicht sehen, da er mit dem Rücken zu mir stand, zuckte mit den Schultern und warf den Kopf nach hinten, um einen Schluck aus der Flasche zu nehmen. „Solange es uns gut geht und wir weiter gewinnen, ist mir das recht egal. Ich meine, was hätten wir ohne sie gemacht? Hätte sie ihre Strategie nicht so schnell durchschaut, wäre das da wahrscheinlich unser Blut auf der Erde, und unsere Köpfe...“ Der Bärtige nickte.

Ich staunte nicht schlecht.

Eine Frau? Eine Frau, die diese Barbaren führte? Eine Frau, die die Strategie meines Vaters durchschaut hatte und eine Gegenstrategie entwickelt hatte? Es musste eine Athne auf Erden sein, schlau und kriegerisch zugleich.

„Und warum müssen wir die anderen verschonen?“ Ein Dritter war hinzugekommen, das schwarze Haar wild durcheinander, das kantige Gesicht schroff und unwirsch wie seine Stimme. „Mal im Ernst, nur um herauszufinden, wo ihre Frauen sind? Das hier ist doch eine Insel, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie finden.“ „Ach, lass sie doch, du weißt ja, was mit den meisten Gefangenen geschieht.“

Was mit ihnen geschah? Mein Herz schien stehen zu bleiben. Also gab es tatsächlich noch Überlebende? Doch welches Schicksal sollte sie erwarten?

„Ja, auch wenn keiner genau weiß, was SIE mit ihnen macht...“ „Tot liegen sie dann da, kalt, blass...“ Der Neuankömmling schauderte bei dem Gedanken. „Ich sage euch, mit ihr stimmt etwas nicht.“

Zustimmendes Gemurmel der anderen. „Na ja, solange es uns nicht so ergeht...“ Wieder zustimmendes Gemurmel. Mir jedoch war das nicht egal. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Wer war SIE? War SIE diejenige, die mich rief? Die mich beobachtete? Der Grund für meinen Ungehorsam?

Ich schlich weiter, wollte erfahren, wie es um meinen Vater stand. Überall standen die Barbaren, plünderten die Häuser, die Stoffe, welche die Frauen gewebt hatten, Tonkrüge, Waffen, alles wurde aufgeteilt.

Eine Wut entfachten sie in mir. Uns einfach zu bestehlen, uns zu nehmen, wofür wir so hart gearbeitet hatten. Dennoch zügelte ich meine Gefühle und hielt mich versteckt.

Während ich so, heimlich, ungesehen, die Straßen durchstreifte, erfuhr ich einiges über diese Menschen. Sie waren aus dem Norden gekommen, die Frauen und Kinder würden auch bald nachkommen. Sie hatten vor, sich hier niederzulassen, die restlichen Überlebenden mochten weiterleben, solange sie ihre Herrschaft billigten.

Endlich fand ich, was ich suchte. Inzwischen war der Himmel über meinem Kopf blau gefärbt, nur einige weiße und graue Wolken zogen über ihn hinweg, getrieben von der salzigen Meeresbrise. Das, was ich gesucht hatte war unser ehemaliges Gefängnis, auch wenn es fast nie gebraucht worden war. Nur ab und an, um Betrunkene in ihrem Rausch sich austoben zu lassen, oder die wenigen Diebe, die wir auf unserer kleinen Insel hatten, einzusperren.

Nun waren die Zellen mit Verwundeten überfüllt. Ich hörte sie durch das Gitter, vor dem Gebäude standen zwei Wachen, welche sich mächtig zu langweilen schienen. Ich schlich mich von hinten heran, kannte ich mich doch bestens in der Stadt aus, sodass ich unbemerkt an eines der Fenster kam. Schnell lugte ich hinein, schaute in eine der vier Zellen. Einige unserer Männer waren darin gefangen. Etwa zehn, wenn ich mich richtig erinnere, die Hälfte davon verletzt. Zwei, drei der Älteren waren auch drin, beruhigten die Jüngeren; einer schien sogar zu weinen, ein anderer hatte sich ängstlich in eine Ecke verkrümelt, doch die anderen schienen nicht gewillt, sich so einfach geschlagen zu geben.

Ich versuchte, sie auf mich aufmerksam zu machen, und meine Bemühungen wurden belohnt.

„Xerxes, was machst du hier?“ Ich hielt den Zeigefinger vor die Lippen, um ihnen zu bedeuten, zu schweigen. „Was ist mit Vater, und mit meinem Bruder?“, zischte ich, machte mich schon auf das Schlimmste gefasst. „Was mit Telemachos ist, wissen wir nicht, aber deinen Vater haben sie gefangen genommen. Da er ja unser Anführer ist.“ Ich atmete auf, wenigstens Vater hatte es geschafft. „Wie konnten sie euch besiegen?“, fragte ich weiter.

Es war mir ein Rätsel, mein Vater hatte bisher diese Insel gut verteidigt, noch nie hatte es so eine Schlacht gegeben, noch nie waren wir unterlegen gewesen... „Es war wie verhext“, antwortete einer der Älteren. „Es war, als hätten sie von unserer Taktik gewusst, als kannten sie unsere Verstecke, als hätten sie unsere Pläne vorher gelesen! Unsere Gedanken gelesen!“ Die anderen nickten nur stumm.

Verzweiflung, und dennoch der eiserne Wille, dort herauszukommen, stand in ihren Blicken. Sie wussten nicht, was sie tun sollten, aber Aufgeben kam nicht in Frage. Das war typisch für die Hellas, sie waren nie unterwürfig, das war der Grund, weswegen es keinen König gab, der alle vereinen konnte.

„Wisst ihr etwas über die Anführerin?“ Verständnislose Blicke wurden ausgetauscht. „Anführerin?“, fragte diesmal einer der Jüngeren, etwa zwanzig Jahre mochte er zählen, er hielt sich die verwundete Schulter und sah mich aus schwarzen Augen fragend an.

„Eine Frau lenkt sie?“ Ich nickte stumm. Sie wussten also nichts, hatte sie nicht gekämpft? Dann war sie noch auf dem Schiff? „Ja“, bestätigte ich leise. „Ich habe einige darüber reden hören. Wenn ihr fliehen wollt, so solltet ihr es besser tagsüber machen“, fuhr ich fort. „Bist du verrückt? Gerade am Tage werden sie uns doch sofort erwischen.“ „Aber tagsüber scheint ihre Anführerin, also das Gehirn dieser Barbaren, inaktiv zu sein. Sie sind dementsprechend taktisch nicht auf der Höhe, und ihr habt die Chance, zu entkommen“, erklärte ich. Ich hatte das Gefühl, dass diese Wilden ohne ihre tolle Anführerin nicht allzu gefährlich sein würden. Sie mochten Muskeln besitzen, aber über die nötige Intelligenz verfügten sie sicher nicht.

„Wo ist mein Vater untergebracht?“, zischte ich durch die Stäbe, ich wusste, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, wenn ich nicht entdeckt werden wollte. „Auf dem Schiff, glaube ich.“ Es war wieder der Ältere, der mir antwortete. „Aber Xerxes, geh lieber wieder zu deiner Mutter und berichte, was du weißt, sie wird Rat wissen. Athena ist mit ihr. Sag ihr und den anderen, dass es uns hier noch gut geht, dass wir wieder herauskommen und unser Dorf zurückerobern werden.“

Ich nickte, auch wenn ich nicht vorhatte, in die Berge zurückzukehren. Nein ich würde versuchen, noch mehr zu erfahren, über SIE. SIE schien mich zu fesseln, in ihrem Bann zu halten, und ich konnte mich dessen nicht erwehren. Noch ehe ich sie sah faszinierte sie mich und ich musste erfahren, was mit meinem Bruder war. Das war der Vorwand, den ich mir immer wieder vorhielt.

Natürlich würde ich mir nicht eingestehen, wegen dieser Wilden da zu bleiben. Nein, ich sorgte mich natürlich nur um meine Familie. Ich belog mich, in jeder Hinsicht. Ich sagte mir, dass unsere Männer es tatsächlich schaffen konnten. Schwachsinn. Es waren zu viele Barbaren, selbst mit einer guten Strategie war es unwahrscheinlich. Die Barbaren waren durchtrainierter, hatten eine größere Ausdauer, und auch ohne SIE schienen sie nicht so dumm zu sein, wie ich erwartet hatte. Spätestens diesen Abend würden wir fallen. Wir waren dem Untergang geweiht, und etwas anderes zu denken, war töricht. Nein, menschlich, wie ich heute weiß.

Ich kletterte schnell wieder auf die Straße und eilte in die sicheren Büsche, welche sich in der Nähe befanden.

Inzwischen stand die Sonne im Zenit, Hunger plagte mich, und Durst. Wir hatten Hochsommer, und seit dem gestrigen Abend hatte ich nichts mehr getrunken oder gegessen, ich schwitzte in der Hitze, meine Kräfte schienen mich verlassen zu wollen, zumal ich noch nie ein Sportler gewesen war, und es nicht gewohnt war, den ganzen Tag ohne Nahrung auszukommen.

Ich beschloss, bei meinem alten Haus zu schauen, schließlich war es das prächtigste in der Gegend, und das größte, und mit etwas Glück könnte ich sogar etwas zu essen ergattern, oder einen Schluck Wasser.
 

Den ganzen Tag verbrachte ich im Dorf. Was ich alles machte, weiß ich nicht mehr, viel Sinnloses auf jeden Fall. Ich hätte in die Berge zurückkehren sollen, um die anderen zu warnen, doch ich tat es nicht. In meiner grenzenlosen Dummheit, in meinem Egoismus blieb ich.

Ich schaffte es irgendwie, mir etwas zu essen und zu trinken zu stehlen, und ich wartete, beobachtete. Und wofür? Für nichts; dafür, die Informationen, die ich sammelte, niemals weiter zu geben, und das wusste ich auch. Trotzdem blieb ich, bis die Sonne unterging. Vielleicht wollte ich ja einfach wissen, was geschah, wollte SIE unbedingt sehen. Ja das halte ixh sogar für das Wahrshceinlichste. So wartete ich am Kai, wo drei Schiffe standen. Stumm wartete ich. Wartete nicht etwa auf meinen Vater, sondern einzig und allein auf SIE, musste sehen, wer uns vernichtet hatte.

Ich denke, selbst, wenn ich zurückgegangen wäre, hätte es nichts geändert, schließlich war sie eine Vampirin. Sie würde uns finden, unsere Gedanken konnte sie spüren, uns riechen, uns hören. Sie wusste ohnehin schon längst, wo wir waren, las die Gedanken derer, die Fluchtpläne schmiedeten.

Vielleicht habe ich das ja gefühlt, und wenn ich schon sterben musste, dann nicht unwissend. Aber ich sollte nicht sterben, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.

Xaviers Geschichte II

Kapitel 7
 

Ich stand also da, am Pier, sah die Möwen, welche auf ihren Schwingen über das inzwischen schwarze Wasser glitten. Und endlich kam es. Ein schwarzes Boot im schwarzen Wasser umgeben von schwarzer Nacht. In ihm war sie. Das wusste ich und ich wusste, sie würde zu mir kommen, so wie du wusstest, ich würde zu dir kommen. Und sie kam, und mit ihr ein neuer Zeitabschnitt, eine neue Ära.
 

Elegant war sie, makellos in ihrer Schönheit, in ihrer Reinheit, als wäre Diana persönlich hernieder gestiegen. In ihrem langen, weißen Gewand, welches sie trug, genauso weiß wie ihre Haut, welche das Licht des Mondes zu überstrahlen schien. Die schwarzen, gelockten Haare fielen frei über die porzellanähnlichen Schultern. Ihre Augen waren schwarz wie die Nacht, in welcher sie lebte, und hatten die Form zweier Mandeln, die Wimpern waren wie seidene Fäden, lang und schwungvoll, die Fingernägel wie aus Glas.

Und ihr stolzes Gesicht: die Nase klein und schmal, genau zwischen den großen Augen, ihre Lippen voll und rot, wie das Blut, welches ihre Adern durchströmte. Zwei feine Striche waren die Augenbrauen, welche ihrem Gesicht in diesem Moment einen herrschaftlichen Ausdruck verliehen. Ewigkeiten könnte ich dir von ihr erzählen, allein von ihrem Erscheinen, die Ohren, ein wenig spitz, was sie elfenähnlich aussehen ließ. Doch ich denke, ich konnte dir ein ungefähres Bild ihrer Schönheit bieten, auch wenn keine Beschreibung der Welt ihren Liebreiz wiedergeben könnte.

Kaguya. Sie kam weit aus dem Osten, wie ich später erfahren sollte. Aus einem Land, dessen Namen du nicht einmal kennst, doch ich greife voraus.
 

Ich stand also am Ufer, im sicheren Gebüsch, von wo aus ich beobachtete, wie sich das Boot näherte, die faszinierende Frau mit sich führend. Und ihr Blick streifte mich, nur einen Augenblick - ein Augenblick, welcher mir die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Sie war so bezaubernd und doch... und doch haftete ihr etwas Eisiges an. Sie schien so kalt und rein wie der erste Frost des Winters, ihre Haut so zart wie der Raureif, welcher sich als dünne, glitzernde Schicht auf den Blättern niederließ, und von ebenso seltsamer Farbe war ihre Haut, als läge dieser Reif auf ihr. Kalt, aber schön, sie hätte sicher nicht einmal Aphrodite in Schönheit nachstehen können.

Sie landeten, mein Vater war nicht mit auf dem Boot gewesen. War ihm etwas zugestoßen? Lebte er noch? Meine Gedanken verließen SIE und wanderten zu ihm, zu meinem Bruder und zu meiner Schwester, welche noch in den Bergen Schutz suchte.

„Sieh mal an, wen haben wir denn da?“ Eine kräftige Hand hatte mich an der Schulter gepackt und ließ mich zusammenzucken.

Es handelte sich um jenen Bärtigen, den ich belauscht hatte. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht, er schubste mich und ich fiel in den Sand des Strandes vor mir, spürte seinen Fuß auf meinem Rücken, seinen Blick abfällig auf mir ruhen.

„Na, was sollen wir mir dir anstellen?“ Lachen. Anscheinend war er nicht allein. „Wir könnten dich zu den anderen bringen, bis du dort verrottest.“ Der Druck, den sein Fuß ausübte, wuchs, ich biss die Zähne zusammen. Wie hatte ich mich nur erwischen lassen können? Jetzt war alles aus. Ich war nicht zurückgekehrt, hatte meine Familie nicht warnen können. Was blieb mir noch, außer dem Tod? Sollten sie mit mir doch machen, was sie wollten, es interessierte mich nicht mehr. Ich hatte versagt, hatte meine Neugier über alles andere gestellt, und das hatte ich jetzt davon.

Der Druck auf meinem Brustkorb ließ nach, und ich wurde nach oben gezogen, am Kragen, bis ich mit dem Bärtigen auf Augenhöhe war. „Na? Oder sollen wir dich einfach bei lebendigem Leib kochen? Soll gut schmecken, Menschenfleisch.“ Er sah mir in die Augen. Meine Augen, die nur aufs Meer blickten, desinteressiert. Lieber bei lebendigem Leibe gekocht, als als Sklave gehalten zu werden, soviel stand fest. „Erst mal in die Zelle mit ihm.“

Und so geschah es dann auch, ich wurde zu den anderen geschmissen, wie einen Haufen Müll, den man nicht mehr benötigte. Nun, du kannst dir vorstellen, wie ich von den anderen willkommen geheißen wurde, nachdem ich am Nachmittag da gewesen war.

Verständnislos. Weshalb ich nicht zurückgegangen sei und so weiter. Aber das war mir egal, ich musste immerzu an SIE denken, die namenlose Schönheit. Seltsamerweise nicht an meinen Bruder, oder an meine Schwester, oder an all jene, welche ich enttäuscht hatte.

Ich hatte aufgegeben. Etwas, das für die Hellas undenkbar war. Doch ich tat es, ich gab auf, ergab mich dem Schicksal.

Schicksal - an jenem Abend dachte ich lange über dieses Wort nach. Schicksal... bestimmten tatsächlich die Götter über unser Handeln? Lenkten sie unsere Schritte?

Wenn dem so war, waren wir nicht mehr als Spielzeuge, machte es dann noch Sinn, sich zu wehren?

'Spielzeuge, hm? War ich das, der das gedacht hatte? Nein, eine Frauenstimme... Für ein Spielzeug sind das aber interessante Gedanken, warum versuchst du nicht, einen Fluchtplan zu erstellen, wie deine Freunde?' Ich war mehr als nur verwirrt, eine Stimme, glockenklar in meinem Kopf. Ich sah mich um. Niemand schien sie gehört zu haben. Schließlich dachte ich: „Wer bist du?“ Stille, dann wieder die Stimme: 'Ist das so wichtig?'

Nein. War es nicht, und insgeheim ahnte ich, wer es war „Wozu noch fliehen? Dies ist eine Insel, wohin noch fliehen? Unsere stärksten Krieger sind gefallen, warum noch mehr Niederlagen hinnehmen?“ 'Weil du ein Hellas bist. Weil Stolz in deinem Herzen lebt, so sehen es zumindest die anderen.' Ich dachte über ihre Worte nach. Ja, es war nicht, wie ich denken sollte, nicht wie die Anderen dachten. „Ich habe gehört, sie ließen die am Leben, die sich unterwerfen.“ 'Die Hellas untergeben sich aber nie.' „Bin ich für dich nur ‚die Hellas’?“

Ich wartete auf eine Antwort, doch hörte ich nichts als das Gemurmel der Bauern um mich herum. Nichts als den Wind, welcher am Fenster vorbei wehte und das Lachen der Barbaren, welche feierten, herübertrug.

'Nein. Du bist Xerxes.' Das war alles, was sie sagte „Und du?“ - Keine Antwort mehr. „Bist du SIE? Ihre Königin? Ihre Göttin? Antworte, wenn du kannst, bitte!“ Doch nichts geschah, sie ließ mich alleine mit meinen Gedanken, alleine unter jenen, die sie lediglich Hellas nannte, ohne Namen. Leute ohne Bedeutung, wie Statisten in einem Theaterstück. Belanglos, aber es gab sie eben und sie spielten auch ihren Teil. Schließlich schlief ich ein.
 

Tage vergingen, Nächte zogen vorbei. Wie viele vermag ich nicht zu sagen, eine Woche, vielleicht sogar zwei.

Immer weniger wurden wir, jede Nacht einer weniger. Manchmal zwei, manchmal gar keiner, zuerst die jüngeren, kräftigen Männer, doch ich nicht. Ich blieb und sah zu, wie sie alle gingen. Ob es ihr Spaß machte, mich so zu quälen? Ich wollte leben! Ich hasste es, hasste den Tod, der mich nun umgab. Was passierte mit den Abgeführten?

... „Ja, auch wenn keiner genau weiß, was SIE mit ihnen macht.“ ...„Tot liegen sie dann da, kalt, blass...“ ...Die Worte hallten in meinem Kopf wieder; wenn ich schlief, sah ich ihre Augen, starr, leblos.

Ob sie mich beschuldigten? Ich tat es, ich machte mir Vorwürfe, vielleicht hätte ich ja doch was verhindern können. Erst hatte ich, wie beschrieben, ein andere Meinung gehabt, dachte, es wäre vorbei. Doch sie ließen uns nicht, fragten nicht einmal, ob wir uns ergeben würden.

Mein Glaube schlug in Verzweiflung um. Würden wir alle sterben? War es meine Schuld?

Sorge. Was war mit meiner Schwester, mit meiner Mutter, mit meinem Vater und meinem Bruder?

Ich hatte das Gefühl, ich müsste wahnsinnig werden, hoffte halb, endlich mitgenommen zu werden und das alles nicht mehr ertragen zu müssen. Gleichzeitig versuchte ich, nicht aufzugeben. Selbstmord- oder ähnliche Gedanken sollten kein Heim in meinem Kopf finden - als würde das etwas an der Situation ändern.

Die anderen. Die, die ich liebte. Die, die ich hasste. Alles was mir irgendwie etwas bedeutete, ob gut oder schlecht, es würde weiter leiden, weiter diese Schmerzen spüren, und das wollte ich nicht. Doch was konnte ich schon tun?

SIE meldete sich lange Zeit nicht, und ich begann mich zu fragen, ob ich mir das alles nicht nur eingebildet hatte. Vielleicht waren meine Erinnerungen getrübt, vielleicht hatte diese Unterhaltung nie stattgefunden... wer wusste das schon?

Inzwischen waren wir nur noch vier Personen in der Zelle. Hoffnungslos waren wir, nichts war mehr geblieben. Der Glaube, dass alles sich noch zum Guten wenden würde, war verschwunden und schiere Verzweiflung hatte ihren Platz eingenommen.

'Xerxes.' Ich konnte meinen Ohren, oder vielmehr meinen Gedanken, nicht trauen. Vielleicht träumte ich nur, oder meine Verzweiflung hatte mich tatsächlich in den Wahnsinn getrieben. Doch wen interessierte schon, ob sie eingebildet war oder nicht, ich hörte sie, glaubte es zumindest.

„Wer bist du?“, fragte ich sofort, noch immer wusste ich es nicht. 'Hilf mir.' Ihre Stimme war flehend, verzweifelt, ob sie wohl gerade weinte...? „Ich soll dir helfen? Ich komm hier ja selbst nicht raus.“ 'Du wirst es schaffen, keiner außer dir kann es, bitte hilf mir, hol mich hier raus.' War das wirklich meine Göttin, welche ich am Strand gesehen hatte? Die stolze, aufrechte und bezaubernde Diana? Unbändig, kalt, gefühllos?

Nein, diese Stimme war sanft, voller Emotionen, zart. Es konnte sich nicht um SIE handeln, sie musste eine starke, kalte Stimme haben. Eine, die ihrem Wesen entsprach. Nie hätte diese Göttin mich um etwas gebeten. „Wer bist du?“, fragte ich erneut, ohne auf ihre Bitte weiter einzugehen. 'Ich werde es dir sagen, wenn du hier bist.'

Was sollte ich tun? Wie sollte ich ihr helfen, wo ich doch nicht einmal wusste, wie ich mir selbst helfen sollte. Und doch wollte ich unbedingt zu ihr, sehen, wer hinter der körperlosen Stimme steckte. „Wo bist du?“ 'Auf dem Hauptschiff, bitte beeil dich, bevor sie zurückkehrt.' SIE, also doch eine andere, nicht meine Göttin, welche ich schon zu verehren begonnen hatte. Nein, jemand, den sie anscheinend mitgebracht hatte. Die zarte, namenlose Stimme.

Sollte ich ihr helfen? Wer war sie, woher sollte ich wissen, ob ich ihr vertrauen konnte? Und doch ... „Warte auf mich, ich komme.“

Stille, kein Danke, kein Hinweis oder Hilferuf. Hoffentlich kam ich nicht zu spät, ich wollte Antworten, aber vor allem wollte ich sie sehen. Dieser Gedanke gab mir Kraft, beflügelte mich. Die anderen in meiner Zelle schliefen tief und fest. Mein Blick glitt durch die Zelle, irgendetwas Hilfreiches musste doch da sein, irgendetwas... Einen Moment hing mein Blick am Fenster, durch welches ich nichts außer einigen Sternen am Himmelszelt sehen konnte.

Wir hatten diese Festung gebaut, es musste doch einen Weg hinaus geben, einen, an den noch keiner gedacht hatte. Nur ich konnte es schaffen, das waren ihre Worte gewesen, und ich war entschlossen, sie nicht zu enttäuschen.

Die Zelle, in der ich mich befand, war relativ klein, umgeben von Lehmwänden, mit einem Fenster, durch welches wenigstens ein bisschen frische Luft kam, auch wenn es nicht helfen konnte.

Du kannst dir vorstellen, wie es nach einer Woche roch, etwa zehn Männer, am Anfang, eingepfercht, kein Weg hinaus, alles, was wir taten, auch unsere Notdurft, alles mussten wir in dieser kleinen Zelle tun. Meine Kleider waren ebenso verschmutzt. Ein Bad, das wäre jetzt etwas gewesen, und neue Kleider, so konnte ich ihr doch nicht gegenüber treten, doch blieb mir etwas anderes übrig? Wenn ich es denn überhaupt zu ihr schaffte...

Weiter glitten meine Gedanken auf der Suche nach einer Lösung. Zur kleinen Holztür, welche uns vom Korridor trennte, eine kleine Luke war darunter, um Essen und Wasser hindurch zu schieben; zur kleinen Holzbank, auf der momentan der Älteste der noch Lebenden lag und schlief.

Zur Tür. Eine Weile sah ich sie stumm an. Wie kam ich da hindurch? Doch wohl nur als Geist, wenn ich durch Wände gehen könnte, aber das konnte ich nicht...

Langsam erhob ich mich. Etwas, das ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ob Wachen vor der Tür standen? Ich war nicht sonderlich kräftig, ich könnte sie nicht besiegen...

'Ich helfe dir.' Da war sie wieder. „Wo warst du?“ fragte ich halb klagend, ich wäre vor Sorgen fast umgekommen ich konnte nicht antworten, sie hätte es beinahe bemerkt. Ich kümmere mich um die Wachen, öffne die Tür, irgendwie... Die Tür war ein geringes Problem, ich war beim Einbau dabei gewesen, ich könnte sie aufbrechen, wenn sie sich tatsächlich um die Wachen kümmern konnte... warum konnte sie sich dann nicht selbst befreien? Wenn sie so mächtig war, warum benötigte sie dann die Hilfe eines Jungen, wie ich es war?

Ich sollte es bald genug erfahren...

Nun musste ich nur noch die Tür aufbrechen. Schnell getan, damals gab es ja noch keine so komplizierten Schlösser wie heutzutage, ein paar gezielte Schläge mit einem Stock, und es war geschafft. Tatsächlich schliefen die Wachen vor der Tür und wachten nicht einmal auf, als ich die Tür, gegen die sie gelehnt waren, aufschob, so dass sie zur Seite fielen.

Ich dachte nicht weiter darüber nach, wie sie das geschafft hatte. In meiner Welt schien alles wahr werden zu können. zu jener Zeit war alles ein Wunder, in irgendeiner Art. Das Gewitter, das Meer, sogar das Feuer. Wir wussten ja nicht, was genau es war. Es war eine Welt, in der Götter regierten. Götter, welche mit ihrer Macht Leben und Tod überwachten, und vielleicht waren sie ja wirklich eine Art Götter, vielleicht. Ich würde es sehen.

Endlich frische Luft, wieder das Gefühl, frei zu sein. Wie hatte ich es vermisst. Ich hatte beinahe schon vergessen, wie frische Luft riechen konnte. Es fühlte sich einfach nur himmlisch an. Ich war dankbar für dieses Gefühl. Doch es war keine Zeit, es einfach zu genießen. Ich musste zu ihr, und ich durfte mich nicht erwischen lassen.

Schnell rannte ich im Dickicht zum Strand, zu der Stelle, wo sie mich vor nicht allzu langer Zeit geschnappt hatten. Immer noch lagen die zwei Schiffe dunkel und imposant im Wasser. Wie sollte ich dort rüber kommen...? Schwimmen, was andres blieb nicht, kein Boot war da. Ich zog mein ohnehin dreckiges, verklebtes Oberhemd aus, ebenso Schuhe, nur die Hose blieb freilich an, dann rannte ich, nachdem ich sicher gegangen war, dass niemand mich sehen konnte, ins kalte Nass.

Salziges, lauwarmes Wasser umfing mich und spülte all den Dreck weg, ein befreiendes Gefühl, welches dem der frischen Luft nicht unähnlich war.

Zug um Zug schwamm ich weiter, schnell, unaufhaltsam meinem Ziel entgegen. Das Hauptschiff war nicht schwer zu erkennen. Größer. Mehr nicht, aber immerhin, noch nie hatte ich solch einen Koloss von Schiff gesehen, und je näher ich kam, umso bewusster wurde mir, welches Ausmaß es eigentlich hatte.

Wie sollte ich sie dort nur finden? Zug um Zug kam ich vorwärts, bis ich den Rumpf berühren konnte. Gutes, solides Holz, schwarz wie das Wasser, welches mich umgab. Ich brauchte ein ganze Weile, bis ich eine Leine fand, um an Deck zu klettern, was selbst mit Hilfe des Taus kein leichter Akt für mich war, doch schließlich schaffte ich es.

Auf dem Schiff alles war ruhig. Das verwunderte mich nun doch, wenn hier so eine wichtige Gefangene war, wieso bewachte sie dann niemand? Doch warum machte ich mir darüber Gedanken? Ich war nun hier und ich würde nicht gehen, ehe ich sie gefunden hatte.

Es war nur vorteilhaft, dass sie alle weg waren, und wenn es eine Falle war... nun, was hatte ich schon zu verlieren?
 

Das Knarren des Holzes, über welches ich lief, ließ mich immer wieder zusammenzucken. Wie du vielleicht bemerkt hast, ich war kein sonderlich mutiger Geselle. Manchmal etwas unüberlegt, wie alle Jugendlichen es sind, aber ich war vorsichtig und sehr schüchtern, wie auch ängstlich. Jedes Klappen einer Tür, jedes Knallen einer Holzdiele versprach neues Unglück, doch verbargen sich nichts dahinter außer dem Wind, oder meinen eigenen Schritten.

Ich durchstreifte die Korridore auf der Suche nach ihr, und vor allem nach Antworten. Und schließlich fand ich sie.

Es war nicht sonderlich schwer gewesen, vielleicht lenkte auch sie damals meine Schritte. Ich weiß es nicht, und um ehrlich zu sein, ist es mir auch egal.

Ich betrat eine kleine Kammer. Nichts in ihr, nur Holzwände und Holzboden. Sie war dunkel, kein Fenster, welches Licht hinein gelassen hätte. Anscheinend war dies einmal eine Abstellkammer gewesen, doch nun war es ein Gefängnis.

Ich hatte inzwischen aus einem der andere Räume eine Kerze mitgenommen und sie angezündet, so dass ihr Schein mir einen Einblick in diesen finsteren Raum gewährte, und was ich sah war atemberaubend.

Es war eine Frau, vielleicht dreißig Jahre alt, ihr Haar glatt und weiß, wie ihre Haut. Sie trug schwarze Lumpen, dreckig, und doch kann ich mich nicht entsinnen, sie jemals so schön gesehen zu haben. Ihre Hände waren an Eisenriemen über ihrem Kopf zusammengeschnürt, das blasse Gesicht hing schlaff, leblos zur Seite hinunter, so dass das ungewaschene Haar in Strähnen über es fiel, die Augen waren geschlossen.

Einen Moment schien mein Herz stehen zu bleiben, ich befürchtete, ich sei zu spät, wie sie so da hing, leblos, eher Statue, Leiche, als Mensch. Ich tat einen Schritt nach vorne, als sich ihr Kopf bewegte. Ganz langsam. Am Anfang bemerkte ich es kaum, doch schließlich schien es, als sehe sie mich an, nur, dass ihre Augen noch immer geschlossen waren.

'Xerxes.' Sie sprach nicht. Nicht ein Wort kam über ihre weißen Lippen, welche stumm verharrten, wie ihr restliches Antlitz. Warum sprach sie nicht, oder konnte sie nur auf diese Weise kommunizieren? „Ja, ich bin hier.“ Ein Lächeln breitete sich auf den dünnen Lippen aus.

Sie war ganz anders als jene, die ich gesehen hatte. Sie hatte nichts von der Pracht, nicht das stolz erhobene Haupt, die eisige Kälte.

Sie war das Gegenteil von ihr, in die ich mich verliebt hatte, ehe ich sie kannte. „Warum siehst du mich nicht an?“ fragte ich. Ich konnte es nicht abwarten, denn die Augen, so sagt man, sind der Spiegel zur Seele. Die Augen sagen mehr über jemanden aus, als man ahnt, und oft sind es einzig die Augen eines Vampirs, die die Menschen in ihren Bann, oder in die Flucht zu schlagen vermögen.

Ihre Augenlider öffneten sich, und ich erschrak. Was mich ansah, waren zwei weiße Augäpfel, keine Iris, keine Pupille, nur Weiß, wie ihr Haar, wie ihre Haut. Sie war blind. Und dennoch hatte ihr Blick etwas Warmes, als würde sie mich ansehen und jede meiner Bewegungen beobachten. 'Keine Angst', beruhigte sie mich. Ich hatte keine Angst, nicht, als ich erneut ihre sanfte Stimme in meinem Kopf hörte 'Komm her.' und ich tat, wie mir befohlen, obwohl ‚befohlen’ sicher das falsche Wort war. Sie befahl nicht, sie bat lediglich und ich kam ihrer Bitte nach.

'Ich heiße Mahara', sagte sie ruhig, noch während ich zu ihr ging. Mahara, ein wunderbarer Name, Mahara... Ich stand nun vor ihr, sah ihr in die weißen Augen, welche mich zu durchbohren schienen, in das Innerste meiner Seele zu blicken schienen, und ich ließ sie gewähren. Es war mir nicht unangenehm, wie es dir von Zeit zu Zeit ist. Ich empfand es als schön. Einfach nur schön.

Ich legte meinen Kopf auf ihre Brust, hörte ihren Herzschlag, ganz langsam, viel zu langsam für das Herz eines Menschen, und dann spürte ich, wie sich ihr Haupt senkte, wie ihre Lippen an meinen Hals kamen und die Zähne sich in mein Fleisch drangen.

Nun kennst du das Gefühl, welches mich damals durchfuhr, die Ekstase des unsterblichen Kusses, mein Blut, welches sich mit dem ihrem vermischte. Ihr Herz, das wieder schneller zu schlagen begann, und meines, welches erst zu zerbersten und schließlich zu sterben schien.

Gedanken

Kapitel 8
 

Ich sah Xavier erwartungsvoll an. War das der Moment, in dem er zum Vampir geworden war?

Immer noch stand er am Fenster. Seit er begonnen hatte zu erzählen, hatte er sich keinen Zentimeter bewegt, hatte mich angesehen und ich hatte stumm zugehört, immer auf seine Lippen gestarrt, welche sich als einziges zu bewegen schienen.

Er machte eine Pause. Warum, verstand ich nicht, doch ich wartete.

Einige Gedanken schwirrten in meinem Kopf, welche ich ohnehin zunächst sortieren musste.

Zunächst wurde mir jetzt erst bewusst, wie alt Xavier sein musste. Er hatte zu einer Zeit gelebt, als die Griechen noch kein großes Volk waren, noch keine Philosophen wie Sokrates oder Platon lebten. Die Zeit, von der er sprach, musste um 800 v. Chr. gewesen sein, somit war er schon 2000 Jahre alt, wenn nicht gar noch älter.

Kaguya, wie er sie schon genannt hatte, die seltsame Vampirin mit den langen schwarzen Haaren, weshalb hielt sie Mahara gefangen, wer war Mahara? Vielleicht waren sie Rivalinnen? War es denn dann tatsächlich Kaguya gewesen, die Xavier seinerzeit gerufen hatte?

Ich sah Xavier fragend an.

Xavier... Xerxes... wieso nannte er sich nun Xavier? Welchen Grund gab es, schien doch Xerxes ein Name gewesen zu sein, mit dem er zufrieden war.... Ich weiß nicht, was noch alles in meinem Kopf vor sich ging, während ich ihn so ansah. Wie ich sah, wie das fahle Licht des Mondes sich wie schon so oft in seinem schwarzen Haar zu brechen schien, wie seine Augen katzenähnlich zu leuchten schienen, während er mich ansah. Seine Augen...

Wie hatte er eben noch gesagt? Augen seien der Spiegel zur Seele? Doch hatten Vampire eine Seele? Seine Augen waren so warm, so weich, doch konnten sie im nächsten Moment kalt und hart wie Stein sein. Wie damals am Friedhof, als die Hexe mich angriff. Sind dann Augen nicht vielmehr ein Werkzeug? Ein Werkzeug, um anderen eine Nachricht zu übermitteln, ein Gefühl zu vermitteln? Und Vampire beherrschen das perfekter als jeder Sterbliche?

Wie konnte ein Organ, welches in einem Moment voller Güte und im nächsten Moment voller Verbitterung, voller Glück oder voller Traurigkeit und Hass war, wie konnte solch ein Organ der Spiegel zur Seele sein? Oder machte gerade das diesen Spiegel aus? War die Seele vielschichtig, so dass ein Ausdruck nicht reichen konnte? Doch das hieße, die Seele sei veränderlich. War sie das? Doch wie ich schon sagte, muss jeder darauf selbst eine Antwort finden, ich persönlich glaube nicht wirklich an eine Seele, oder vielleicht doch? Wer weiß das schon? Vielleicht ist die Seele auch wieder eine Erfindung der Menschen, einfach, um besser mit dem Tod fertig zu werden. Es ist eine Sache, zu sterben, aber dass der Tod eine restlose Ausmerzung eines Wesens ist, können Menschen nicht akzeptieren; wenn jedoch eine unsterbliche Seele existierte, welche vielleicht in den Himmel kommt, oder aber wiedergeboren wird, oder als Geist durch die Welt zieht, sieht die Sache anders aus.

So wird der Tod verdrängt. Man kann sich einreden, ein Mensch käme an einen besseren Ort, oder begegne einem wieder, in seinem neuen Leben. Ja, ich denke, so kann man es beschreiben, so sehe ich das zumindest.
 

Doch nun zurück zu seiner Geschichte, sicher werde ich irgendwann auf Seelen zurückgreifen können.

Nun, ich saß also in meinem Bett, machte mir allerlei Gedanken über das gerade Gesagte, und Xavier beobachtete mich dabei. Beobachtete, wie sich meine Stirn in Falten legte, wie mich seine Geschichte mitnahm, ganz so, als sei ich der junge Xavier, welcher noch nicht verstand, welcher versuchte, hinter das Geheimnis zu kommen. Ich konnte mir alles genau vorstellen, die Situationen, wie er als Jüngling die Berge hinabgestiegen war, konnte die Meeresbrise beinahe spüren.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie er in der Zelle gefangen war, von ihr träumend, und wie er schließlich durch das kalte Wasser schwamm, um sie zu sehen. Ich malte sie mir im Geiste aus, das glatte weiße Haar, welches wie Wasser, nein, wie Eis, über ihren geschundenen Körper fiel, sah das zarte Gesicht mit dem Lächeln vor mir, als stünde sie direkt hier vor mir, in diesem Raum.

Doch hätte ich anders gehandelt. Ich weiß nicht, aber ich wäre nicht einer körperlosen Stimme gefolgt. Ich hätte mich nicht damit zufrieden gegeben, das es war, wie es war, und hätte gefragt, hätte mehr als nur nach dem Namen gefragt. Ich schätze, wenn ich sie gesehen hätte, wäre ich vielleicht so verzaubert gewesen, wie ich es momentan von Xavier war. Doch selbst seinem Bann hatte ich mich von Zeit zu Zeit entzogen, und ich stellte meine Fragen und er musste antworten, oder ich blieb wieder fort. Es war egal, ob es ihn quälte oder nicht. Doch dies war nicht meine Geschichte, und es waren nicht meine Entscheidungen.

Wir schwiegen uns eine Weile an, vielleicht überlegte er, wie er fortfahren sollte, vielleicht ließ er mich auch nur nachdenken, damit ich seiner weiteren Erzählung besser folgen konnte. Seinem Gesichtsausdruck konnte ich es jedenfalls nicht entnehmen.

„Sie brauchte mein Blut“, sagte er schließlich, ich musterte ihn aufmerksam, als er fortfuhr... „Sie brauchte mein Blut. Wie lange sie wohl nichts hatte trinken können, kann ich nur ahnen. Während der Reise mit dem Schiff, und wer weiß wie lange vorher schon nicht. Wenn man älter wird, braucht man weniger Blut, die ersten fünfhundert bis tausend Jahre eins bis drei Opfer pro Nacht, das variiert, aber mit zweitausend Jahren braucht man kaum ein Opfer pro Nacht. Junge Vampire halten es kaum eine Nacht ohne Blut aus. Ich könnte einen Monat ohne leben. Sie hatte sicher nur das Nötigste an Blut zugeführt gekriegt, anscheinend war sie ja für die Führerin der Barbaren wichtig. Doch nun, was weiter geschah...“

Xaviers Geschichte III

Kapitel 9
 

Sie nahm mir nicht das Leben, wie du dir vorstellen kannst. Um genau zu sein, tötete sie mich nicht einmal ansatzweise. Ein Schluck war alles, was sie brauchte. Ein zweiter, um ihre Stärke wieder zu finden, und sie ließ ab von mir.

Ich war schwach, kraftlos, konnte keinen klaren Gedanken fassen nach diesem Erlebnis, und ich lag in ihren Armen. Ja, sie hatte sich nun, wieder von neuer Stärke erfüllt, von den eisernen Fesseln befreien können. Doch mir fiel es nicht weiter auf. Ich dachte nicht darüber nach, wie sie, dieses zarte Geschöpf, solch einen Kraftaufwand hatte vollziehen können. Und auch später kam es nicht weiter in meinen Gedanken vor, wurde verdrängt von anderen Dingen.

Wie lange wir so standen, kann ich nicht sagen; wie lange es dauerte, bis ich wieder einen klaren Kopf hatte, weiß ich nicht. „Komm, wir müssen weg“, sagte ich schließlich und nahm Mahara bei der Hand. Sie nickte.

Leichtfüßig eilten wir durch die Korridore, kein Wort glitt über unsere Lippen, ich war wohl zu aufgeregt und sie. Nun, wer weiß schon, wie sie darüber dachte.

Schließlich erreichten wir das Deck, wo ich sie zum ersten Mal im Schein des Mondes sah, ein unvergleichlicher Moment.

Es gibt einige Bilder in meinem Kopf. Bilder, welche ich mir immer wieder ansehen kann, als würde es gerade in diesem Moment geschehen. Eines davon ist meine Mutter, wie sie versuchte, mich davon abzuhalten, hinunter zu gehen, eines ist die Barbarenkönigin am Strand, in ihren weißen Gewändern und erhobenen Hauptes. Und eines ist dieses.

Wie sie dastan. Sanfter, als ein Engel und stärker, als eine Göttin. Das weiße Haar wie der Schein des Mondes selbst. Die Augen funkelten weiß, wie die Sterne am Firmament. Die Haut war wie ein seidenes Tuch, welches sie überzog, und selbst in diesen abgetragenen Kleidern schien sie das erhabenste Wesen der Welt zu sein.

Der Wind erfasste das seidige Haar und spielte damit, jede einzelne Strähne ein Zauber für sich. Eine Zeit lang hatte ich sie nur angesehen, unfähig, meinen Blick von ihr zu wenden. Schließlich kam sie mir entgegen, langsam, wie sie zuvor ihren Kopf gehoben hatte. Lediglich ihre Beine bewegend, nicht ihre Arme, oder Hände. Das Gesicht starr in diesem seltsamen, undefinierbaren Ausdruck, als wäre sie in einer ganz anderen Welt.

Ich fand das Tau, an welchem ich hochgeklettert war. Meine Hände umfassten ihr Hüften und ich hob sie hinauf auf die Reling, denn auch wenn sie anscheinend auf eine ihr eigene Art fähig war zu sehen, ließ ich sie doch nie alleine, lenkte jeden ihrer Schritte, dass ihr auch ja nichts geschah.

Sie war so leicht, leicht wie eine Feder, und sie ließ sich von mir empor heben. Ich stieg ihr hinterher, wollte sie auf meine Schultern nehmen, doch sie schüttelte stumm den Kopf. 'Du bist zu schwach', sagte sie sanft. Und damit hatte sie ja nicht unrecht. Wahrscheinlich wären wir zusammen abgestürzt, doch ihre Worte taten mir irgendwie weh, ich wollte sie nicht alleine klettern lassen.

Ihre edlen Hände schienen nicht für solcherlei gemacht. Nein, sie sollte nie wieder arbeiten müssen, wenn’s nach mir ging. Ich wollte einfach weg von hier, gemeinsam mit ihr, weg von der anderen, weg von den Toten, von den Barbaren. Doch dann musste ich wieder an meine Familie denken. Ich konnte nicht einfach gehen, sie einfach im Stich lassen.

Ich kletterte voraus, so dass ich sie fangen könnte, fiele sie die Reling hinunter. Doch nichts geschah und wir tauchten in das kühle Nass, ich ergriff erneut ihre Hand, zog sie mit ans Ufer, und sie ließ sich ziehen.
 

„Mahara“, sagte ich und sprach damit zum ersten Mal ihren Namen aus. Wir saßen in einer kleinen Höhle etwas entfernt vom Dorf. Hier wären wir sicher, zumindest vorerst.

'Bring mich fort.' Einsam, hilflos klang die Stimme in meinem Inneren. Ob sie Angst hatte? Wenn ja, so zeigte sie es nicht. Sie zeigte nur, wie sehr sie mich brauchte, wie schwach sie eigentlich war, selbst mit meinem Blut. Ich nickte nur. Ja wir mussten fort, weit weg von dieser verfluchten Insel, „Meine Familie...“ Sie schüttelte stumm den Kopf, meine Augen weiteten sich, ich kniete vor ihr.

„Was ist mit ihr? Du weißt es, oder?“ 'Bitte, lass uns so schnell wie möglich weg von hier', wiederholte sie etwas eindringlicher. Sie wich der Frage aus.

Sie waren tot, schon lange hatten die Barbaren die Berghöhle gefunden... Ich sah sie fassungslos an. Trauer, welche in mir aufstieg, Tränen, die über meine Wange liefen. Ich wollte es eigentlich nicht. Nicht vor ihr, doch sie wollten nicht aufhören zu fließen, das Schluchzen wollte nicht verstummen, so sehr ich auch dagegen kämpfte.

Ich spürte ihre Hand, welche mir durchs Haar fuhr, sie drückte meinen Kopf stumm gegen ihre Schulter und spendete mir Trost. Sie ließ mich weinen und schwieg.

„Wir müssen weg“, sagte ich schließlich und wischte mir die Tränen ab. „Ja, wir müssen fort, du hast Recht.“ Sie nickte, die Sonne war nicht fern und sie bräuchte einen Unterschlupf. 'Morgen Abend.' hörte ich ihre Stimme. „Wieso morgen Abend?“ Dann fielen mir die Worte jener Barbaren wieder ein: „Sie kommt nur nachts heraus.“ „Ich weiß kaum noch, wie die Sonne aussieht“ Und Mahara war ihr nicht unähnlich, auf eine seltsame Art und Weise glich sie ihr. Dieselbe weiße Haut, dieselben funkelnden Augen.

„Morgen Abend“, bestätigte ich nach einem neuerlichen Nicken. Sie hatten so viele Gemeinsamkeiten wie Unterschiede. Die Haut, Maharas zart wie Seide, jene hart wie Marmor, was sich glich, unterschied sich doch in einer undefinierbaren Art und Weise.

Sie stand auf, tastete sich an der Höhlenwand entlang zum Ausgang, ich folgte ihr, stützte sie mit meiner Hand, führte sie.

Sie ließ mich los. 'Von hier muss ich alleine gehen.' Ich sah sie erschrocken an. 'Keine Sorge, morgen Abend, hier, nur du und ich.' Ich wollte wieder etwas sagen, dass ich sie nicht alleine lassen würde, was denn wäre, wenn die andere sie fände. Doch sie hob ihre Hand und berührte mein Lippen, um sie zu versiegeln. Ihre sanften, kalten Hände. Ich schwieg, sah ihr lediglich in die weißen Augen, welche mich, obgleich blind, sanft, jedoch auch fest entschlossen anzusehen schienen.

Und so ließ sie mich am Strand zurück, um sich ein Erdloch zu buddeln und zu vergraben, irgendwo im Gebüsch, wo niemand sie finden würde. Weder SIE noch ich.

Ich selbst suchte mein Hemd, welches ich am frühen Abend zu Beginn meiner Rettungsaktion zurückgelassen hatte. Ich fand es sogar, zog es mir wieder über und ging wieder in die Höhle. Zunächst brauchte ich etwas Schlaf, einen klaren Kopf, um einen Plan auszuhecken, wie man hier wegkäme, wie ich sie fortbringen könnte, ohne dass wir erwischt würden.
 

Wie du dir vorstellen kannst, war im Dorf alles in heller Aufregung. Nicht nur mein Verschwinden war bemerkt worden, in den zwei Stunden, welche ich in der Höhle geschlafen hatte, hatte man auch das Schiff einmal inspiziert, und so suchte man nach Mahara.

Immerhin war es Tag, SIE, die für mich noch namenlose Schönheit mit dem schwarzen Haar, war nicht wach, würde mich nicht aufhalten können.

An jenem Tag machte ich keine dummen kleinen Spielchen. Nie wieder, das hatte ich mir geschworen, würde ich so törricht, so naiv handeln. Ich nahm meine Pflicht, die ich eingegangen war, den Vertrag, den ich in meinem Kopf unterschrieben hatte, nämlich Mahara zu beschützen, sehr ernst und ich schwor mir, nie wieder etwas so auf die leichte Schulter zu nehmen wie an dem Tag, da die Katastrophe begonnen hatte.

So schlich ich zu meinem alten Haus -inzwischen eine Art Hauptsitz der Barbaren- und wie es schien, begann die Anführerin es sich häuslich bequem zu machen. Doch sie interessierte mich nicht weiter, genauso wenig wie die Anderen, das Einzige, was noch zählte, war meine weitere Existenz.

Das Leben ging weiter, ich konnte ohnehin nichts gegen diese fremden Krieger ausrichten, gegen die seltsame Göttin, auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als mit ihr zu sprechen, sie selbst zu fragen, wer sie war und was sie hier wollte, und was für einen Grund sie hatte, Mahara gefangen zu halten. Doch sie würde sich mir nicht zeigen. Nicht am Tage, soviel stand fest. Und sollte sie sich dennoch zeigen, so würde ich es sicher nicht überleben.

Ich hatte sie beleidigt, indem ich geflohen war, indem ich ihre Gefangene entwendet hatte. Andererseits hätte sie uns immer aufspüren können, oder hatte Mahara die Kraft, ihre Gedanken zu verbergen? Hatte sie die Kraft besessen, mich vor ihrer Macht zu schützen?

War es denn so wichtig?

Deinem Blick zu entnehmen ja, doch ich empfand es anders. Du darfst mich nicht missverstehen, ich hatte durchaus auch meine Gedanken, meine Zweifel und Ängste, doch lasse ich solcherlei ruhen, wartete, dass es sich von selbst aufklärte, ließ die Zeit alles bewirken, und so mache ich es noch immer. Ich konnte nicht auf meiner geliebten Insel bleiben. Sie würden mich früher oder später finden, und alleine hatte ich kaum Chancen davonzukommen. Und Mahara war, wie du zugeben musst, eine Bereicherung. Was hätten mir also Zweifel gebracht, außer dem sicheren Tod?

Fragen sind gut, sind wichtig, und es gibt keine dummen Fragen, zumindest, wenn es ernsthaft Gemeinte sind. Doch sollte jede Frage zum richtigen Zeitpunkt gestellt werden, und damals war er noch nicht gekommen, und so wartete ich auf ihn.
 

Nun, ein Boot zu beschaffen war, wie du dir denken kannst, ziemlich kompliziert. Sie lagen am Hafen, darunter das Boot meiner Familie, welches sich doch deutlich von den kleinen Nussschalen der anderen Bewohner abhob.

Sicher war es für lange Reisen besser geeignet, doch wie es unbemerkt stehlen? Ich hatte also die Wahl: entweder eines, das gefährlich zu bekommen und sehr gefährlich für die Überfahrt war, oder eines, das SEHR schwer zu bekommen war, aber eine einigermaßen sichere Überfahrt darstellte.

Das eine würde früher, das andere spätere den Tod bedeuten.... Ich entschied mich für die Nussschale, zumal ich auch nicht wusste, wie wir zu zweit das größere Boot steuern sollten.

Es war ein ziemlich heikles Unterfangen, unbemerkt an den Barbaren vorbeizukommen. Es war wohl auch mehr Glück als Verstand, dass ich es schaffte, das Bötchen im Schilf etwas abseits der Stadt zu verstecken.

Zumindest hatte ich den Tag sinnvoll verbracht, ich besorgte mir Wasser aus einer Quelle nicht fern des Dorfes und einiges an Essen, jedoch nichts, was sich länger halten konnte. Den Rest des Tages nutzte ich, um meine Kräfte zu sammeln, um mich für die kommende Nacht auszuruhen.

Xaviers Geschichte IV

Kapitel 10
 

Ein blauschwarzes Tuch, dass Wasser wie Tinte aussehen ließ, welches alles in seine Geschmeide hüllte und verbarg legte sich übe mich, das Dorf, die Insel.

Ich wartete im Schatten dieser mir so heiligen Nacht, welche nunmehr 2264 Jahre her ist und welche ich doch nie vergessen werde, genauso wenig wie die Nächte zuvor.

Ich weiß noch jedes Detail: Wie sich der Sand auf meinen nackten Füßen anfühlte, als ich am Strandrand entlang lief, immer wieder auf und ab, auf sie wartend. Das kalte Wasser des Meeres, welches mit jeder neuen Welle etwas Kies und Muscheln brachte und wieder nahm und sich sanft über meine Haut ergoss. Der Wind, welcher mir vom Meer her entgegenwehte und mir von fremden Ländern flüsterte, mich liebkoste und hinaus rief.

Doch ich wartete und das nicht vergebens. Sie kam, schön wie am Abend zuvor, wenn auch schmutzig, die Lumpen voll von der Erde, in welcher sie geruht hatte.

„Mahara“, begrüßte ich sie, überglücklich, sie noch mal zu sehen. Zu sehen, dass es doch kein Traum war.

Geschwind schloss ich sie in meine Arme und führte sie dann zu dem Boot, welches ich hatte ergattern können, wobei ich ihr davon erzählte. „Es ist nichts Großes, aber es reicht, wir werden damit sicher bis zur nächsten Insel kommen und von dort auf ein Handelsschiff, welches uns zum Festland bringt, und dann werden wir frei sein.“ Meine Augen müssen geleuchtet haben, ich weiß es natürlich nicht, doch ich weiß, dass ich nie zuvor, und auch später nicht, von solcher Euphorie erfasst worden war.

Das Leben schien jetzt erst zu beginnen, mein Leben, meine Freiheit gemeinsam mit ihr. Alles schien noch offen. Dies schien der Beginn einer neuen Welt für mich. Ja, die Familie war schon vergessen, all die Trauer war vorüber, oder war sie nie da gewesen? Keine Gedanken verschwendete ich daran, dass dies meine Heimat war, welche ich einfach den Barbaren, ihrem Schicksal überließ, einfach, um mein Glück zu finden.

Sie jedoch nickte nur stumm, und wandte plötzlich den Kopf zur Seite. „Was ist?“ Ich folgte ihrem Blick, wenn man es so nennen wollte, jedoch konnte ich nichts im dunklen Dickicht des Waldes erkennen, konnte nicht sehen, was Mahara mit ihren weißen Augen zu sehen imstande war. 'Sie kommt.', hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf.

Natürlich wusste ich, wer gemeint war. Wie könnte ich es nicht wissen? Sie, die Namenlose Göttin, welche meine Gedanken verhext hatte. Sie, die Unglücksbringerin meiner Mahara. Ohne zu zögern ergriff ich ihre Hand und zog sie mit mir. „Wir müssen fort!“ Doch sie rührte sich nicht, und ich konnte sie nicht ziehen, so leicht wie sie zuvor gewesen war, so schwer schien sie nun zu sein, unbeweglich wie ein Fels.

„Was zögerst du? So komm doch, ehe sie uns erreicht!“ Doch sie schüttelte nur ihr Haupt, sodass ihr weißes Haar im Wind flog. 'Geh du vor, ich habe noch etwas zu erledigen.' Erschrocken ließ ich sie los, konnte nicht glauben, was ich gerade selber gehört hatte. „Ich werde nicht ohne dich gehen, nicht mit dieser Hexe...“ 'Geh, bitte, hierbei stehst du nur im Weg.'

Natürlich hatte sie Recht, das war mir klar. Was sollte ich kleiner Sterblicher Möchtegern-Held schon ausrichten können?

Nichts, ich würde tatsächlich nur stören, aber ich konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal, der Frau, die sie solange eingesperrt hatte, überlassen!

'GEH!' Keine Bitte mehr, ein klarer Befehl, ein Funkeln in den leeren Augen. Erneut wollte ich ihre Hand ergreifen, wollte widersprechen doch sie zog ihre Hand weg, ehe ich sie erreichte, trat zwei Schritte nach vorne, drehte sich nicht mehr zu mir um. „Mahara!“ Doch es schien sie nicht mehr erreichen zu können, und trotz ihres Appells blieb ich stehen und sah zu. Sah zu, wie sich aus den Schatten eine dunkle Silhouette abhob und schließlich hervortrat.

Zuerst bemerkte ich die Augen, wie zwei funkelnde Sterne, dieses Mal mehr grau als schwarz, dennoch bezaubernd wie nie zuvor. Ihr weißes Gesicht reflektierte das Sternenlicht, als sie aus dem Dickicht hervortrat. Dieses Mal war sie nicht in Weiß gekleidet, sondern in ein passendes schwarzes Gewand, ein zufriedenes, selbstsicheres Lächeln auf den makellosen Lippen. „So sieht man sich wieder.“ Einen Moment glitten ihre Augen zu mir und das Lächeln schien sogar noch größer zu werden. „Auf die Hilfe eines Sterblichen angewiesen zu sein...“ 'Sag, was du willst, oder geh wieder!' Zwar hatte sie mich weggeschickt, doch ließ sie mich mithören, oder konnte sie das nicht regulieren?

„Nicht so hektisch, meine Liebe, wir haben doch die ganze Nacht“, lachte die Frau und trat noch einen weiteren Schritt auf uns zu. Ich wich unwillkürlich zurück, was sie wiederum zu amüsieren schien. 'Lass uns!' ... „Herzallerliebst. Wer hätte gedacht, dass du ihn tatsächlich mitnehmen willst. Ich gebe zu, er ist... interessant, doch sicher nicht mehr. Immerhin hat er es geschafft. dich zu befreien, was mich übrigens ein wenig geärgert hat...“ Wieder blitzen ihre Augen zu mir. 'Wenn du etwas zu sagen hast, so sag es, Kaguya.' „Aber Schwesterchen. Ich wollte mich doch nur verabschieden.“

Inzwischen stand sie direkt vor Mahara, und es war ein eigenartiges Bild: Ihre schwarzen, gelockten Haare, das feine, ebenso nachtschwarze Gewand und ihr gegenüber die glatten, weißen Haare, die blanken Augen, die Lumpen. Und doch waren sie Schwestern, glichen sich, wie ich es ja schon beschrieb. Eines stand jedoch fest, es war keine Schwesternliebe, welche sich da abspielte.

„Ich will dich und deinen Sterblichen...“ „Ich habe einen Namen.“ Was in mich gefahren war, weiß ich selber nicht genau, warum musste ich mich in ihr Gespräch einmischen? Nur, damit diese Göttin der Verdammten mich einmal richtig ansah? Einmal mit mir sprach? War es mir so wichtig, von ihr beachtet zu werden?

Sie schloss die Augen. „Ich will dich und Xerxes ziehen lassen, wenn du mir gibst, was ich verlange.“ 'Was verlangst du?' Ich verstummte wieder, sie hatte nicht einmal gefragt, wie ich hieß. Sie hatte es einfach gewusst, hatte mich keines vernünftigen Blickes gewürdigt. Wahrscheinlich war es unter ihrer Würde, mit Gewürm wie mir zu kommunizieren.

Sie sahen sich stumm an, ich jedenfalls hörte nichts, doch das bedeutete nicht, dass sie nicht diskutierten. So hatte ich jedoch einen kurzen Moment, um meine Gedanken zu ordnen. Im Großen und Ganzen verstand ich noch immer nichts von dem, was sich um mich herum abspielte. Ich wusste, dass diese Frauen nicht normal waren, irgendeine Art der Gottheit schienen sie zu sein. Götter mit übermenschlichen Kräften, deren Existenz jedoch auf die Nacht beschränkt war. Des Weiteren schienen sie beide beinahe gleich mächtig zu sein, sonst hätte Kaguya sich genommen, was sie verlangt hatte, oder war es etwas, dass man freiwillig geben musste? Schwester, hatte sie Mahara genannt, war dies wörtlich zu nehmen? Waren sie Blutsverwandte?

Du siehst also, ich kenne dieses Gefühl der Unweissenheit wie du sie leider mit erleben musstest.

Doch näher vermochte ich nicht auf diese Fragen einzugehen. „Gut, dann wären wir uns ja einig.“

Ich schreckte auf, geweckt aus meinen Gedanken, sah mehr interessiert als ängstlich zu den Vampirinnen, um zu sehen, was geschehen war. Mahara nickte stumm, fuhr sich einmal durchs Haar, nein, strich es zur Seite, und entblößte so ihren Hals.

Was nun passierte, dürfte dir inzwischen klar sein. Was Kaguya gefordert hatte, war ein Schluck des mächtigen Blutes Maharas. Nicht deren Tod, nicht meinen, oder dass sie hier blieb. Ich konnte nur stumm beobachten, wie die schwarze Gestalt Kaguras sich Mahara nährte, ruhig, gemächlich, würdevoll schritt sie über den Sand. Ihr Füße waren nackt. Ich weiß nicht, warum, aber es fiel mir auf, so wie die kleinen, zarten Zehen, welche aussahen, als wären sie aus Porzellan, die Zehennägel wie aus Glas, und der Sand schien von der glatten Haut abzuperlen. Wie sie über den Strand ging, so majestätisch, als wäre sie Diana persönlich, das Haar bei jedem Schritt erneut wehend, und ein neues Kunstbild ergebend, wie es vom Wind getragen wurde.

Sie schien diesen Moment zu genießen, schien jede Sekunde voll auskosten zu wollen, ihren Triumph über Mahara; und vielleicht lag es auch daran, dass ich da war. Ein Zuschauer, den sie beeindrucken konnte, für den all das so wirken musste, wie es war, und doch begriff ich damals die Bedeutsamkeit dieses Rituals nicht. Niemand, nicht einmal ein Vampir, begreift es, bis er einmal das Blut eines anderen Vampirs getrunken hat.

Die schwarze Göttin blieb vor Mahara stehen, streckte ihre zarten Finger aus und strich ihrem Opfer über die zarte Wangenpartie. Mahara hatte die Augen geschlossen, erwartete den Kuss Kaguras.

„Was...?“ Langsam hatte ich meine Stimme wiedergefunden, hatte mich von dem Bann gelöst, welcher mich vorher zu ersticken schien. „Was passiert hier?“ 'Keine Sorge' Es war die beruhigende Stimme Maharas, welche ich erneut in meinem Kopf vernahm. 'Mir wird nichts geschehen, wir werden gleich in Richtung Horizont fahren, weit fort von hier, und dann werden wir all das erleben, wovon du träumst.' Ein Lächeln lag auf ihren zarten roten Lippen. Ganz anders als das kalte, grausame Lächeln ihrer Schwester, welche nun Mahara in ihre Arme nahm, sie förmlich umschlang und dann in ihre Halsschlagader biss.

Erneut eines jener Bilder, die ich mir immer wieder angucken kann, welche ich im Gedächtnis habe, als würde ich es jetzt wiedererleben. Der Mond, welcher sich aus dem Schleier der Wolken befreite und auf die Szene herniederschien, die weißen und schwarzen Haare, welche sich zu einem magischen Spiel des Windes vermengten. Beide Frauen steif, als handle es sich um Statuen, nicht um zwei Lebewesen. Lediglich das wehende Haar, die seidene Kleidung konnte verraten, dass dies keine Skulpturen waren, welche sich dort in dieser ewigen und innigen Umarmung hielten.

Mir schien dieser Moment Ewigkeiten zu dauern. Ewigkeiten der Angst, in der ich um das Leben meiner Mahara bangte und gleichzeitig begierig war zu erfahren, was sich mir da eigentlich bot. In Wahrheit jedoch war dies eine Angelegenheit, die nur Sekunden in Anspruch nahm, doch ist dir sicher bekannt, das Menschen die Zeit immer unterschiedlich wahrnehmen. Wenn etwas schön ist, so fliegen die Jahre nur so dahin und wenn etwas schlimm oder langweilig ist, scheint eine Sekunde die Zeitspanne eines Jahrhunderts ausfüllen zu können. Dies ist bei Vampiren, insbesondere bei jungen, übrigens genauso, auch wenn Unsereins die Zeit ganz anders wahrnimmt als die Sterblichen, zumal wir alle Zeit der Welt haben.

Die Prozedur fand ein Ende. Mahara war in die Arme ihrer Schwester gesunken, jedoch konnte ich sehen, wie sie atmete, langsam und gleichmäßig. „Hier, Junge.“ Sie sah mich an, ihre Augen wieder schwarz wie die Nacht, welche uns umgab. Mein Herz schien stehen zu blieben, genauso wie ich selber. Mahara war wunderschön, das stand außer Frage doch in diesem Moment hätte ich sicher alles für Kagura getan. Wohl wissend, dass sie für den Tod meiner Eltern verantwortlich war, wohl wissend, was sie Mahara angetan hatte, dass sie sie in ein Schiff eingesperrt hatte... doch ich war nur ein einfältiger Sterblicher, und sie übte lediglich die Macht aus, die jeder Vampir auf einen Sterblichen zu haben pflegte. In diesem Fall war es jedoch noch extremer. Sie hatte gerade neue Kraft erhalten, Maharas Blut pulsierte durch ihre Adern und ließ sie einige ihrer Züge annehmen, der sanfte Blick, das geheimnisvolle Lächeln.

Sie kam näher. So langsam und majestätisch, wie sie sich zuvor Mahara genähert hatte, kam sie auf mich zu, Mahara auf ihrem Arm, und sie legte das zarte und nun so gebrechlich wirkende Geschöpf in die meinen. „Bis Sonnenaufgang habt ihr Zeit, dann kann ich euch holen, euch verfolgen, handeln, wie es mir beliebt. Nutzt die Zeit gut, und nun geht.“ Ihre Stimme war ehrfurchtgebietend, es war klar, weshalb sie die Barbaren anführte. Ein Ton, dem keiner widersprechen konnte.

Ich nickte nur stumm, und sie lächelte. „Und pass gut auf dich auf, Jungchen.“ Wieder hatte sie meinen Namen nicht ausgesprochen, eine Geste, welche mich ein wenig kränkte, hatte Mahara mich doch für würdig befunden, mit ihr zu reisen. doch Kaguya schien dies gleichgültig zu sein. Sterblicher war Sterblicher, und wahrscheinlich wäre ich selbst als Vampir nicht besser behandelt worden.

Sie verschwand, ehe ich etwas hätte antworten können. Einen Moment stand ich perplex da, bis sich Mahara in meinem Arm bewegte und sich zu meinem Hals vorkämpfte, um mich erneut in den ekstasengleichen Zustand wie schon am Abend zuvor zu versetzen.

Noch immer wurde ich nicht zum Vampir. Dies war nur verständlich, jemand musste tagsüber segeln. Wie sollte dies gehen, wenn zwei Vampire an Bord waren? Jemand musste auf sie aufpassen, wenn es Tag war, zumindest, bis wir einen guten Unterschlupf gefunden hatten.
 

Umgehend nachdem sie wieder zu Kräften gekommen war, machten Mahara und ich uns auf den Weg. Um das Sonnenlicht brauchten wir uns keine Sorgen zu machen, es gab eine Kiste auf dem Boot, normalerweise für den Fischfang gedacht, doch nun würde Mahara sie als ihre Ruhestätte verwenden. Ich hatte ihr schwören müssen, der Kiste nicht zu nahe zukommen. Zu meiner eigenen Sicherheit. Dies ist auch der Grund, weshalb du nie wissen durftest, wo ich ruhe, denn wenn Sterbliche bei Tage in die Nähe unserer Särge kommen, so setzt unbewusst ein Mechanismus in unseren Körpern ein, welcher den Eindringling tötet. Schnell und sauber mit der Hand durchs Herz, oder den Kopf ab.
 

Ich könnte dir nun jeden Tag beschreiben, wie wir über den Ozean segelten, wie ich nachts an ihrer Seite einschlief und tags das Boot lenkte, immer darauf hoffend, endlich Land zusehen, doch das halte ich für unwichtig. Auch auf der nächsten Insel geschah nichts Wichtiges, außer, dass ich Mahara mit neuer Kleidung ausstaffierte, was sie noch bezaubernder machte.

Wir reisten von Insel zu Insel bis zum Festland, diese Prozedur dauerte schon bald einen Monat. Keine Zwischenfälle, keine Verfolger von Kaguya, jedoch erfuhr ich viel über ihre Art.

Die Kinder der Nacht, oder die Götter der Nacht. Wir haben unseren Ursprung in Indien, wie Mahara berichtete. Sie selber stammte auch aus dem Osten, gehörte zu den Ältesten, jedoch erzählte sie mir nicht mehr über unsere Entstehung. Ich weiß nicht, ob sie es einfach nicht wusste, doch ich glaube, sie hätte mehr erzählen können und es nur nicht gewagt. Vielleicht ist das Wissen der Entstehung auch der Schlüssel unseres Todes... wer weiß, vielleicht wird es auch nie ein Weiterer unserer Gattung erfahren...

Nun, wie wurde ich zu dem, was du heute vor dir siehst? Das ist es doch, was du dich fragst.

Tod

Kapitel 11
 

„Nun, das war eigentlich meine Geschichte, die wie ich zum Vampir wurde.“, schloss Xavier. Meine Augen hafteten auf ihm. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Die eigentliche Geschichte wie er zu einem Vampir wurde hatte er bisher verschwiegen. Auch, was es mit jenen Gestallten vom Abend zuvor auf sich hatte war mir noch immer ein Rätsel.

„Nun meine eigentliche Transformation zu einem Wesen der Finsternis war natürlich kurze Zeit später“ Ich war mir sicher er hatte meine Gedanken gelesen.

Zu seltsam, wenn ich heute darüber nachdenke. Immer hatte Xavier gesagt er lese nur ungern in den Gedanken anderer, es wäre besser mit en Menschen zu reden statt ihre Gedanken zu lesen, was ich bevorzugt tat wenn ich mit meinen Opfern zusammen war. Doch an sich tat Xavier doch nichts anderes, oder besaß er nur nach den 2000 Jahren eine so gute Menschenkenntnis, dass er es mir vom Gesicht hatte ablesen können?

„Es gibt keine große Geschichte zu meinem Geburt als Wesen der Nacht, ich wurde am jenem Abend an der Küste nur aus einem Grund verschont“ fuhr er beflissen fort „Jemand musste auch tags das Boot steuern. Am Land ließ sie mich noch eine Weile als ahnungsloser Sterblicher umher wandern, ließ mich mit Menschen Augen einen Teil dieser Welt sehen und sie hätte mich auch länger am Leben gelassen. Ein Unfall führte jedoch dazu, dass ich hohen Blutverlust erlitt und sie hatte die Wahl: Meinen Tot, oder ein neues Leben. Sie entschied sich für das Letztere wie du siehst.“

„Warum hat sie gewartet?“ Xavier schenkte mir ein Lächeln. „Aus dem selben Grund weshalb ich bei dir warte.“ Ich verstand nicht, schaute ihn verwirrt an, und er lächelte bloß, lächelte wie er immer zu lächeln pflegte wenn ich Fragen stellte, als wäre ich noch immer der kleine Bauernjunge, welcher vor 6 Jahren zu ihm gekommen war. Wahrscheinlich sah er mich auch noch immer als solchen. Schließlich war ich gerade mal 16 Jahre alt. Ich hatte keine Ahnung von der Welt wie er sie kannte. Ich kannte nur mein Dorf und seine Residenz, ich kannte eigentlich nichts vom Leben. Und genau das meinte er damals. Er wartete, wartete, dass ich das wahre Leben kennen lernen würde. Darum wurde ich auch kurze Zeit später auf eine Lehre geschickt. Eine Lehre zum Feinschmied, wie man Gold zu Ringen verarbeitete, aus einem groben stück Silber eine Brosche fertigte, ich sollte ein Leben führen und begreifen, was es bedeutete Sterblich zu sein.

Doch es langweilte mich. Ich fand nichts an diesem sterblichen Leben. Mädchen kamen, Mädchen gingen. Mal wurde ich von dem Schmiedemeister gelobt, dann wieder gescholten. Ich nahm es hin, wie es eben kam. Für mich war dieser Mann, waren diese Frauen Nichts im vergleich zu meinem Xavier. Kein Lob bedeutete etwas, kam es nicht von ihm, kein Ärger berührte mich, kam er nicht von ihm. Ich führte kein normales Leben, dazu war es längst zu spät.

Nun bin ich jedoch abgedriftet, verzeiht, nun was jene Geschichte mit den seltsamen in Lumpengekleideten Wesen betraf… ich erfuhr viel später, dass sich im Mittelalter eine Art Sekte der Vampire zusammen gefunden hatte. Es handelte sich um Wesen -ich möchte sie kaum als Vampire bezeichnen- welche daran glaubten, dass sie Kinder Satans waren. Welche diesen anbeten, Kirchen mieden und sich dazu berufen fühlten Böses zu tun. Mit Menschen reden, ein Menschliches Leben führen, all das war absurd und gehörte sich nicht. Nicht für Geschöpfe des Bösen. Menschliche Kleider tragen, ihre Sprache benutzen sich mit ihnen abgeben, den Adams Söhnen und Eva Töchtern, es war in ihren Augen falsch. Nun, sie hatten Xavier anscheinend einst zu ihrem Anführer erkoren, was dieser erst angenommen hatte mit dem Versuch, diesen armseligen Geschöpfen zu zeigen, dass es auch anders ging.

Doch sie hörten nicht auf ihn, misstrauten ihm bald, beschlossen den Sünder in die Flammen der Hölle zu werfen. Xavier ging. Er floh nicht, er war es nur leid. Leid der Erklärungen und der Verdächtigungen und er wollte den Vampiren nichts tun, auch wenn sie ihm auf eine gewisse Weise Leid taten.

Ich verstehe das bis Heute nicht. Es war ihr Wille, ihr Glaube, mir taten sie nie leid. Es war ihre freie Entscheidung seinen Worten keinen glauben zu schenken und sich gegen ihn zu wenden. Ich verachte diese engstirnigen Vampire lediglich. Das ist alles. Doch dies ist Xaviers Geschichte, und ich kann sie nicht erzählen. Wer weiß vielleicht schreibt er seine auch eines Tages nieder?
 

Nun, wie ging es bei mir weiter, ich der ich noch ein junger Sterblicher war?

Wie schon gesagt begann ich eine Lehre, spazierte von einem Mädchen zum nächsten, nur um festzustellen, dass sie mir nicht geben konnten was ich suchte. Was ich wollte, was ich wirklich wollte, so glaubte ich damals, war die Ewigkeit mit Xavier zusammen. Dieser weigerte sich jedoch beharrlich mich zu seinem Gefährten zu machen. „Noch ist die Zeit nicht gekommen“, sagte er immer. Und wie es nun mal ist mit den Jugendlichen, damals wie heute, sind sie stets ungeduldig, können nicht warten. So auch ich.

Dieses Warten, welches Xavier mir aufzwang war mir zu wider. Ich wollte endlich seine Geheimnisse teilen, sein Leben teilen, und nicht mehr länger in einer anderen Welt leben als er. Doch was blieb mir? Ich musste weiter durch dieses langweilige, öde Leben gehen, welches er mir aufgezwungen hatte.

So vergingen die Jahre in dem trüben Trott der Alltäglichkeit.

Nach dem ich meine Lehre mit Bravour schon mit 19 abgeschlossen hatte nahm mich Xavier mit auf einige Reisen. Natürlich erfreute ich mich der fremden Städte, der Kultur, des Fremden an sich, doch es war nicht was ich wollte. Ich wollte alles so sehen, wie er es sah.
 

Schließlich wurde ich 23. Vom Aussehen her war ich nun schon stattlicher als Xavier, ich war ein Stückchen größer als er, meine Haare hatte ich weiterhin lang getragen, weil es Xavier gefiel. Er sagte immer ich sähe aus wie Erzengel Gabriel persönlich, ob das nun positiv, oder negativ war...

Wir waren in Paris, jener Stadt die ich bis heute am meisten liebe, wenn gleich sie sich auch veränderte im laufe der Zeit. Heute ähneln sich alle Straßen, über all die weißen Häuser, die schwarzen Gitter, nur an den Verziehungen erkennt man ob es sich um reichere oder ärmere Viertel handelte. Heute ist Paris eine Stadt von einem Menschen erdacht und aufgezeichnet. Damals war sie, wie jede Stadt, erst ein Dorf, dann mehrere Dörfer, und schließlich wuchsen sie dank günstiger Handelsbedingungen zusammen, bis eine Venetien entstanden. Kein Ordnung in den Straßen, keine Places des étoiles, in denen sich Boulevards, Avenues und Rues treffen. Lediglich das bekannte Wirrwarr von Straßen, welches man in jeder großen Stadt finden kann.

„Xavier“ Wir gingen durch eine Avenue, die reicheren hatten beschlossen, dass ihren die kleinen Straßen zu unbequem waren daher haben sie dafür gesorgt, dass ihre Bezirke besser aussehen müssten, als die der Unterschicht und so hatten sie Avenues angelegt. Diese waren lediglich etwas breiter und hier und dort war ein Baum, auch wenn diese eher eine Rarität waren.

„Xavier“, wiederholte ich etwas entnervt „Ich bin jetzt 23, wie lange willst mich noch warten lassen?“ Xavier schüttelte den Kopf. „Du begreifst es nicht oder? Ich will dir ersparen, was ich durchgemacht habe. Vor dem Sterben sollst du leben. Sonst hältst du die Unsterblichkeit nicht aus.“ Ich sah zu ihm herüber. Hätte ich es nicht besser gewusst hätte ich ihn für einen Buben gehalten, er mit seinem dünnen Ärmchen, dem gebräuchlichem Körper und dem freundlichen Lächeln auf den roten Lippen. Seine Wangen waren leicht gerötet da er gerade erst auf Jagd gewesen war, ich hatte natürlich in irgendeiner Schenke auf ihn warten müssen.

„Du hast es auch geschafft“ widersprach ich vehement, doch er tat diesen Einwand mit einer beschwichtigenden Handbewegung ab. „Das ist etwas anderes“, sagte er leise.

Wie es mich aufregte! Immer war er die Ruhe selbst, nie wütend, nie genervt, immer so übernatürlich ruhig. Ich hingegen hatte ein unzähmbares Temperament entwickelt. Wenn ich wütend war dann zeigte ich es, wenn mir langweilig war so wusste es jeder, und wenn ich fröhlich war so lachte ich. „Wieso ist das was anderes? Verdammt, ich hab dieses Leben von dem du immer sprichst satt. Ich habe es ausprobiert, es gefällt mir nicht. Ich habe die Nase voll von den Weibern, die sich um mich versammeln, als wäre ich ein Prophet, welche versuchen mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, nur, um meine Liebe kosten zu dürfen. Sie sind nett, aber das ist auch schon alles. Nett, ein Amüsement, mehr nicht. Ich will nicht mehr irgendwelchen Anforderungen entsprechen, will mich nicht dem Willen anderer beugen. Ich will DEIN Leben teilen. Xavier, warum lässt du mich nicht?“

Eine unangenehme Stille entstand, während wir weiter die Straße hinab schritten. Ich kannte Xavier schon recht gut. Ich wusste er meinte es nur gut mit mir. Wie oft hatte er versucht es mir zu verstehen zu geben: Die Unendlichkeit würde ich kriegen, doch diese Leben als Mensch war für mich begrenzt, ich sollte es auskosten, es wahrnehmen mich von ihm führen lassen solange ich noch konnte. Jeder Tag, jeder Sonnenstahl war ein Geschenk, das ich bekam. Jede Mahlezeit oder Wein war ein unvergleichliches Geschmack, den ich nicht verschwenden sollte. Doch was sollte ich mit diesen Geschenken? Was sollte ich mit der Sonne, welche mich von ihm separierte? Was sollte ich mir den Wein den ich alleine trinken musste? Was sollte ich mit den Sonnenaufgängen, die so grausam ihn von mir zu trennen suchten?

Nein, all das bedeutete mir nichts. Es war da. Das war alles. Früher, ich erinnerte mich dunkel, früher, daheim habe ich nichts mehr geliebt gehabt, als die Natur, habe mich auf Bäume verkrochen und Gedichte ersonnen. Doch nun verschmähte ich sie. Einst gab es Tage da ich mich Morgens aus meinem Zimmer stahl, nur um die ersten Strahlen der Sonne zu bewundern, doch nun verachtete ich diese glühende Scheibe, welche alles verbrennen konnte, wenn sie wollte, alles zerstören was mir lieb und teuer war.

Xavier schwieg weiter. Was er zusagen hatte, hatte er schon lange ausgesprochen, und auch sein Schweigen sprach für sich. Er verstand mich einfach nicht, er wollte mich nicht verstehen, so glaubte ich. Er war zu lange schon ein Gott, um das Sinnen der Menschen nachempfinden zu können. Vielleicht wollte er mich ja auch nie zu einem der Seinen machen?

Nein, diese Zweifel waren absurd, genauso absurd wie damals die Angst, als ich auf der Treppe gesessen hatte und darauf gewartet hatte, dass er mich aus meinem Heim befreite. Jetzt wartete ich, dass er mich aus dem Gefängnis des Lebens befreite.

Wir bogen um eine Ecke. Ich hielt dieses Schweigen nicht mehr aus. Nichts verdross mich so sehr, wie die kleinen Streite zwischen uns, welche ich immer und immer wieder heraufbeschwor. „Ich weiß ja was du meinst, Xavier, ich versteh es doch, aber versteh doch auch mich!“ „Ich verstehe dich“, sagte er ruhig. Ich atmete erleichtert auf, als ich seine Stimme erneut vernahm, als wäre es schon Jahre her, dass ich sie hatte hören dürfen.

„Du bist noch jung. Jung und ungeduldig, doch Geduld ist eine wichtige Tugend, vor allem für das Leben in der Ewigkeit. Es gibt noch soviel für dich zu erfahren, zu lernen und zu entdecken. Sachen, die du als Unsterblicher nicht so erleben kannst. Das blaue Meer, die weiten Blumenwiesen, all das wird dir verwehrt bleiben. Schmeiß dein Leben nicht weg, denn du wirst es nie wieder bekommen.“ „Aber mir gibt dieses Leben nichts, ich verachte es so sehr, wie ich damals das Leben als Bauer verachtet habe. Ich will dieses Leben nicht, zwing mich nicht dazu.“

Ich vernahm das Seufzen des Jungen neben mir. 'Hoffnungslos', sagte es mir ohne dieses Wort zu gebrauchen, ‚Hoffnungslos und unbedacht. Er weiß nicht, was er sagt’. ‚Sterblicher’, sagte es mir und es traf mich wie ein eisiges Messer mitten ins Herz hinein. Ein Sterblicher, das war ich für ihn. Darum sprach er nicht mit mir, zumindest nicht über die Dinge, die ihn bedrückten. Darum zwang er mich zu diesem Leben. Ich verdiente nicht sein Leben, ich war nur ein Sterblicher.

Ich schnaubte auf und schenkte ihm einen kalten Blick. Kalt... und enttäuscht. „Ich geh dann mal, ich gehe und lebe dein ach so tolles sterbliches Leben“ Dann wandte ich mich ab und rannte davon.

Warum nur? Warum mussten wir uns immer wieder streiten? Nein, ‚wir’ stimmte nicht. Ich stritt mich. Ich war es der ihm Vorwürfe machte. Aber er stritt diese auch nicht ab. Er rannte mir nicht hinterher. Warum? Warum ließ er mich nicht endlich mehr als ‚nur’ ein Sterblicher sein? Gerade WEIL er mir so viel bedeutete, gerade weil ich ihn so verehrte konnte ich es nicht akzeptieren, konnte seine Worte nicht verstehen.

Ich rannte durch das nächtlich Paris, achtete nicht auf meine Weg, und selbst wenn, was hätte es geändert? Es war eine fremde Stadt für mich. Ich wusste nicht, welche Straßen mich in welches Viertel brachten. Regen ergoss sich über das Kopfsteinpflaster, spülte den Dreck und Gestank der Menschen und Tiere weg, ließ meine Haare zusammen klebten und durchtränkte meine Kleider. Es ist seltsam wie manchmal das Wetter und die eigenen Gefühle zusammen spielen, denn nichts hätte das Gefühl, welches sich in mir breit machte und schließlich mein ganzen Körper in seiner Dunkelheit verschluckte besser beschreiben können, als dieser kalte Herbstregen, der mich wie in einem Traum umhüllte.

Kalt. Ja, kalt, so kalt wie er sich mir gegenüber benahm. Er mochte lächeln, er mochte sanft mit mir sprechen, doch was er tat und sagte sprach für sich.

Erschöpft und unter erstickenden Tränen erreichte ein eine Sackgasse. Nichts, als blanke Wand, die mich wie Höhnisch anzugrinsen schien. Ich schlug auf sie ein, trat sie und schluchzte, ob der Erkenntnis, dass ich doch nur en Spielzeug gewesen war. Genau wie mein Bruder es prophezeit hatte.

Als wäre diese Wand schuld an meinem Leid schlug ich auf sie ein ohne der Schmerzen meiner Handflächen Beachtung zu schenken, bis ich irgendwann zusammen sackte. Die Tränen vermischten sich mit dem Regen der über meine Gesicht lief, ein ersticktes Schluchzen entrann meiner Kehle. Ich konnte es nicht verhindern. Das konnte einfach nicht sein. Es konnte nicht sein, ich bildete mir da doch nur etwas ein!

Das versuchte ich mir einzureden doch ich schaffte es nicht mich selbst davon zu überzeugen.
 

Ich weiß nicht wie lange ich in der Nische gehockt hatte, ob ich eingeschlafen war unter meinen Tränen, oder einfach nur vor mich hingeschluchzt hatte, bis die Tränen wichen und Leere hinterließen. Xavier war alles in meinem Leben. Ohne ihn war ich ein Nichts.

Vielleicht war es das, vielleicht wollte er sich selbst nur noch einmal zeigen, dass er alles haben konnte. Nein, das passte doch gar nicht zu ihm. Mein innerer Kampf ging weiter, auch wenn die andere Seite einfach nicht gewinnen wollte. Wie Sterbliche nun mal sind. Ich vergaß alles was er mich gelehrt. Ich dachte nicht mehr all seine Geschichten, seine Lehren.

Nur die letzten Ereignisse kreisten in meinem Kopf und ließen sich nicht verdrängen. Alles Gute schien auf einmal eine Lüge was ich durch die schlechten Erfahrungen bestätigte, welche mit einemmal viel schlimmer waren, als noch vor wenigen Augenblicken.

Die Schritte, die sich mir näherten hatte ich genauso wenig bemerkt wie das Fieber, welches durch die durchweichten Kleider drang. Erst die feinen schwarzen Gamaschen die vor meinen Augen stehen blieben ließen mich gewahr werden, dass sich jemand bei mir befand. Doch es interessierte mich nicht. Ich blieb einfach sitzen, genau so wie ich war.

„Dummerchen“ hörte ich eine vertraute Stimme.

Wer sonst konnte es schon sein, als mein Todesengel. „Verschwinde“, antwortete ich schwach. Meine Stimme war mehr ein krächzen, zerstört von dem Schluchzen in der kalten Luft. Ein Hand wurde ausgestreckt, edle schwarze Lederhandschuhe, welche vor mein Gesicht gehalten wurden „Komm mit, Kilian, mein Kilian“ Ich schlug die Hand we.g „Ich bin niemandes Kilian“, widersprach ich mit heiserer Stimme und hustete leicht, blickte jedoch immer noch nicht auf, um in das Gesicht des Mannes vor mir zu blicken.

„Kilian ich weiß wie du denkst, aber glaube mir…“ „Ich habe dir lang genug geglaubt! Dennoch redest du nie mit mir! ‚Später’ heißt es immer ‚du lernst es noch’, sagst du mir. Wie damals mein Vater.“ Ich schwieg. Das hatte ich nicht sagen wollen. Meinen Vater, ich hasste ihn, ich hasste ihn wie ich Xavier liebte. Wie konnte ich die Beiden nur mit einander vergleichen?

„Gut“ Ich blickte auf. Xavier war über mich gebeugt, ein Junge mit zerdenem Haar und nussbraunen Augen, die mich unglaublich ernst anblickten. So habe ich ihn bisher nur einmal erlebt gehabt. Nur einmal, und das war an jenem Abend, da er mir offenbarte was er war und wie er es geworden war.

Langsam beugte er sich zu mir herab, bis sein Gesicht direkt vor dem meinigem war. Seine braunen Augen in denen ich mich spiegelte, ein kleines Häufchen Elend unter dem Blick eines Gottes. Sein blasses Gesicht wirkte noch nie wo wirklich, noch nie so ernst und erwachsen wie an jenem Abend. Von dem 18 Jährigem Knaben war kaum noch etwas zu erkennen. Nein, der Mann vor mir war eine 2000 Jahre alte Seele, und noch nie ist mir dieses Wissen so real vorgekommen wie an diesem Abend.

Die dunklen Haare klebten aneinander, schmiegten sich an das zarte, etwas längliche Gesicht. Der schwarze Gehrock war durchnässt und klebte an seinem Körper, so, dass man jetzt richtig sehen konnte wie dünn er war, jedoch bei weitem nicht so gebrechlich wie ich ihn zuvor immer gesehen hatte. Es ist schwer zu beschreiben, aber trotz der wenigen Muskeln, dem schmächtigen Oberkörper und den dünnen Armen wie auch feingliedrigen Händen wirkte er sehr stark, unbesiegbar, was er ja auch war.

Immer näher kam sein Gesicht dem meinigem. Es kam mir so irreal vor, als wäre das ganze ein Traum, als wäre seine Hand, welche meine ergriff nicht wirklich. Als wäre der Atem den ich auf meiner Haut spürte nicht dort, und doch weiß ich, dass ich noch nie etwas so reales erlebt habe wie an jenem Abend.

Vielleicht lag es auch nur an dem Fieber, weöches meinen Verstand zu benebeln schien, oder an der Trauer, dei gegen das Glück ankämpfte, sich wie ein wohliger Schauer durch meinen Körper ausbreitete.

Ich weiß gar nicht, wie ich diesen Augenblick beschreiben soll. Keine Worte scheinen treffend zu sein, keine Metapher kann es auch nur annähernd beschreiben was ich empfand, was ich spürte und fühlte, als seine nassen Haase mein Kinn berührten, sein Dufte der sich mit dem erfrischenden Duft des Regen vermischt hatte in meine Nase stieg und sich sein Arm um meine Schulter legte. Seine Lippen der nun meinen Nacken erreichte und dann höher wanderten.

„Überleg es dir gute Kilian, noch kannst du diesem Schicksal entfliehen. Du hast die Wahl.“ Ich schloss die Augen, sog jeder Silbe seiner Stimme, welche wie die feinste Silberglocke so klar in meinen Ohren klang. „Nichts wünsche ich mir sehnlicher.“, antwortete ich flüsternd. „So sei es.“

Er strich mir durch das durchnässte Haare „Fühle zum letzten Mal als Sterblicher.“ Meine Augen waren noch immer geschlossen, jeder seiner Berührungen, seiner Liebkosungen wurden ein Teil von mir. Ein Teil den nichts und niemand jemals wieder auslöschen konnte. „Sieh zum letzten mal mit diesen Augen“ mein Kopf, der nach hinten gefallen war, wurde von seinen zarten Händen wieder nach vorne gehoben. Ich öffnete die Auge und sah seine Gesicht vor dem meinigen, seine roten Lippen, seine weißen Zähne, welche blitzten. „Höre zum letzten mal als Kind des Lichtes“ das Plätschern des Regens, das Lachen der Leute im Hause neben an, den Atem meines Liebhabers. „Rieche, was nie wieder so gerochen werden kann.“ Die klare Luft des Regens aus seinem Haar, seiner Haut. „Schmecke den Kuss des Todes“

Seine Lippen berührten die meinen, kalt, zart, unbeschreiblich. „Und jetzt sei zum letzten Mal ein Mensch“ mit diesen Worten wanderte sein Kopf hinunter, bis er direkt über meiner Halsschlagader war.

Ein kurzer Stich. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, meine Hand griff nach seinem Umhang, dann ließ der Griff nach und meine Sinne schwanden.

Ich verspürte jenes Gefühl, welches ich erst einmal vor 4 Jahren verspürt hatte. Diese sanfte Welle der Ohnmacht, der Lust und des Wohlempfindens. Ich hörte das Geräusch, diese zwei Trommeln, die zuerst auseinander waren, die eine ganz schnell. Meine. Die andere gleichmäßig, langsam. Seine. Doch mit der Zeit kamen sie in Einklang, und es war nicht ein Rhythmus den sie spielten, es war ein Symphonie. Eine wie nicht Mozart, nicht Beethoven oder Bach sie je so perfekt hätten komponieren können.

Der letzte Rest Wärme wich aus meinem Körper, ich zitterte, lag in den Armen meines Geliebten, spürte wie jegliches Leben aus mir wich, wie mein Herzschlag aus dem Takt viel und langsamer, schwerer wurde, während seiner immer schneller zu werden schien.

Schließlich hörte das Gefühl ganz auf, ließ mich alleine in einem Meer der Finsternis und Kälte, bis eine warme Strömung kam. Warmes Blut, welches meine Lippen benetzte. Erst nahm ich es nur schwach wahr, doch es wurde immer mehr. Begierig leckte meine Zunge über meine Lippen, dann ohne hinsehen zu müssen ergriff ich seinen Arm und presste ihn an meinen Mund.

Dieser Honig, diese warme Lebensessenz, das war es was ich immer hatte haben wollen, wo nach sich mein ganzes Sein verzehrt hatte. Jeder Schluck schien einer Erkenntnis gleich zu kommen, der Erkenntnis, dass das Warten ein Ende hatte, die Erkenntnis, dass ich nun für immer in seiner Welt verweilen durfte. Und jeder Schluck war eine reine Wohltat.

Meine Sinne wurden wieder belebt. Wärme breitete sich wie ein Flut in meinem Körper auf und dann war es zu ende. Xavier stieß mich ab. Ich wollte protestieren, doch dazu kam ich nicht. Eine Welle des Schmerzes ließ mich die Worte die ich eben noch auf der Zunge hatte vergessen, stattdessen krampfte sich mein ganzer Körper zusammen. Ich schrie nicht, nein ich biss die Zähne zusammen.

„Ganz ruhig“ hörte ich Xaviers blasse Stimme, schwach klang er, schwach und kraftlos, aber auch glücklich. „Dein menschliches Leben ist nun vorbei, um zu leben musst du sterben. So ergeht es jedem von uns.“ Ich wollte etwas antworten, doch dazu kam ich nicht, wieder überwältigte mich eine Welle des Schmerzes. Ich spürte förmlich wie ich starb, wie meine Körper Flüssigkeiten ausschied, all der Schnickschnack den Sterbliche zu leben notwendig, für Vampire unwichtig ist.

Zwei Arme umfassten mich, hoben mich empor und trugen mich irgendwo hin, ich konnte nichts dagegen tun, selbst wenn ich es gewollt hätte. So lange mein Körper starb war ich unfähig etwas zu unternehmen, oder etwas wahrzunehmen, das einzige was ich vernahm war ab und an die sanfte beruhigende Stimme Xaviers, welche mich wissen ließ, dass es bald vorbei war, dass es jedem so erginge, alles sei natürlich und es beruhigte mich.

Ich starb, damit hatte ich mich schon lange abgefunden. Mein ganzes leben war ein langsames qualvolles Sterben gewesen.

Nein Sterben war das falsche Wort. Ich wurde geboren, zum ersten Mal, und allein der Gedanke daran half mir den Schmerz zu überstehen.

Erfahrung

Kapitel 12
 

Warm. Um mich herum war alles warm. Benommen schlug ich die Augen auf. Alles schien verschwommen, es dauerte eine Weile, bis ich mich an das dunkle Licht gewöhnte und mich umsehen konnte.

Ich befand mich in einem Bett. Die weiche Bettdecke umhüllte meinen kalten toten Körper und wärmte ihn. Der Geruch von brennendem Buchenholz lag in der Luft und ich hörte das prasseln eines Feuers. Aber wie ich es hörte, roch und spürte. Langsam hob ich meine Hände vor mein Gesicht. Die selben etwas groben Hände denen man doch noch das Bauernhandwerk ansehen konnte, und doch waren sie... anders als sonst. Sie waren blass, geradezu weiß, doch das war es nicht, was mich so an ihnen beschäftigte. Ohne die Augen von ihnen zu wenden drehte ich sie leicht, betrachtete jeden Zentimeter meiner neuen Haut genau. Die Adern, durch welche mein neues, unsterbliches Blut floss. Die Zellen, welche zu einer Einheit verschmolzen zu sein schienen. Die Fingernägel, wie Glas.

Stunden hätte ich meine Hände betrachten können, ohne, dass es mir langweilig geworden wäre, denn mit jeder Bewegung, mochte sie noch so klein, noch so unbedeutend erscheinen veränderte sich die ganze Hand. Das Licht viel anders, warf Schatten sie nicht veränderten, das Blut floss ein wenig anders... all diese Kleinigkeiten waren schon immer da gewesen, doch noch nie hatte ich sie so wahrgenommen.

Nach einiger Zeit zwang ich mich dazu meinen Blick abzuwenden und betrachtete nun den Stoff der über meinen Körper gelegt war. Das Muster aus Farben und Formen schien sich geradezu zu bewegen, doch veränderte sich nichts. Es sein zu tanzen zu leuchten und mich zu hypnotisieren, doch war es immer noch eine ganz normale Decke und kein Sterblicher hätte je gesehen was ich sah.

Voller Staunen und Verwunderung richtete ich mich gemächlich auf, spürte wie der Stoff von meinem Oberkörper fiel. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht mehr in meine alten Kleider gehüllt war. Mein Oberkörper war bar doch trug ich eine bequeme Stoffhose.

Weiter sah ich mich im Raum um. Der Teppich, die leicht wehenden Vorhänge, das prasselnde Feuer, alles hatte seine eigene Faszination und es kostete mich einiges an Selbstüberwindung mich der Gestalt am Fenster zu zuwenden. Doch hatte ich meinen Blick erst auf sie gerichtet war es mir unmöglich mich von ihr abzuwenden.

Schön wie die Nacht, zart wie ein Engel. Der schwarze Stoff glänzte im matten Licht einer Kerze, welche auf dem Tisch stand. Er stand mit dem Rücken zu mir starrte aus dem Fenster welches offen stand und eine leichte Brise hinein ließ. Zwar sah ich sein Gesicht nicht, doch das brauchte ich auch gar nicht. Das ganze Bild, seine Haltung, die Art wie seine Schultern hinunter hingen, ein Arm an den Rahmen, die dunkel braunen Haare offen hinunterhängend... er war traurig. Warum? Warum war er traurig, wo dies doch der schönste Tag meines Lebens... - nun ja, als war auch immer man es bezeichnen wollte- war.

Langsam erhob ich mich, verließ das Bett und ging zu ihm. Meine Hand ruhte auf seiner Schulter.

„Bist du jetzt zufrieden?“ Noch immer sah Xavier mich nicht an, starrte nur hinaus in den Regen. Ich schwieg. Sein Ton schockierte, verletzte mich ein wenig. Warum fragte er das? Natürlich war ich glücklich und ich erwartete, dass auch er diese Freude teilte. Ein neues Leben, UNSER neues Leben hatte begonnen, doch es schien ihn nicht zu tangieren. Ich wollte es ihm sagen, wollte ihn umdrehen und ins Gesicht sehen, ihm sagen das sich mein Traum erfüllt hatte, dass uns nun Nichts und Niemand mehr trennen könne, dass von nun an alles wunderbar sein würde, schöner als alles zu vor. Doch ich konnte es nicht, nicht bei seinem Anblick. Ich spürte wie sein Brustkorb sich einmal hob und wieder senkte, hörte ein Seufzen und schließlich drehte er sich um.

2000 Jahre alte Augen schauten mich aus dem Gesicht eines 18 Jährigen an. Ich schreckte etwas zurück. War das tatsächlich mein Xavier? Es war der Selbe Körper, die selben zauberhafte Augen, das selbe weiche Haar und doch schien es... anders zu sein als sonst, auch wenn ich nicht spezifizieren konnte was genau es war das mich zurückschrecken ließ.

Ernst lag in ihnen, diesen unglaublich dunklen Augen, welche mich beobachteten, in meine Seele einzudringen schienen. Doch dieses mal nicht so tief wie sonst. Das lag daran, dass er mein Erschaffer war. Er konnte meine Gedanken nicht mehr lesen. Mir war dies zu jenem Zeitpunkt natürlich nicht bewusst, ich sah nur diese Augen.

Doch. Es war mein Xavier. Langsam bekam ich mein altes Gefühl des Vertrauens zu ihm zurück. Ich lächelte. „Jetzt bist du einer der Unseren.“ Sprach Xavier leise, doch jedes Wort hatte eine Bedeutung, seinen Platz und seine Wirkung. „Nie wieder Sonne, nie wieder Wärme. Nur noch Tod wirst du bringen, kein Leben...“ Ich hob meine Hand, sehr langsam und doch schneller, als das ein Menschliches Auge es hätte verfolgen können. „Sorg dich nicht um mich. Es war meine Entscheidung und ich bereue es nicht“ „Noch nicht.“

Es folgte eine Stille, lediglich unterbrochen durch das Knistern des Feuers und das Plätschern des Regens, jenen furchtbaren Geräuschen, welche die Eigenschaft haben Stille noch leiser zu machen.

„Xerxes“ es war das erste mal, dass ich ihn mit seinem richtigen Namen ansprach, er sah auf zu mir und zum ersten mal seit ich bei ihm war wirkte er tatsächlich wie ein 18 Jähriger, unsicherer Junge der Angst hatte das einzige zu verlieren was er liebte. „Solange du bei mir bist kann ich alles überstehen.“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich weiß, dass du stark bist, Kilian. Darum habe ich dich ausgewählt. Es ist...“ er brach ab und wich meinem Blick aus. „Es ist... was?“ fragte ich und versuchte seinen Blick wieder einzufangen. „Nichts.“ Endlich schlich sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf, als wolle er die letzten Zweifel nun auch wegschieben. „Nun, du hast noch viel zu lernen“

Auf einmal schien alles wieder normal, alles war wie es sein sollte. Ich nickte bei seinen Worten, überglücklich. Ein nicht auszuradierenes Lächeln lag auf meinen Lippen. Geschwind griff ich nach meinen Kleidern, zog mich an. Ein weißes Rüschenhemd, ein hellblauer Gehrock eine schwarze sans-culotes und schwarze Gamaschen. Schließlich wollte ich mein Haar wie gewohnt nach hinten binden, doch spürte ich Xaviers Finger. „Lass sie offen.“ Bittend waren seine Worte und ich erfüllte ihme idesen Wunsch.
 

Der erste Abend als Wesen der Nacht.

Wir verließen das Hotel, ich lachend und jeden Sterblich betrachtend, Xavier erzählend was sie gerade dachten. Die Kleinigkeiten die mir auffielen berichtete ich ihm, mit einer Begeisterun wie ein kleiner Junge an seinem ersten Schultag. „Und diese Frau dort, sie ist auf dem Weg zu ihrem Liebhaber, das lustige ist, dass ihr Collier ein Geschenk ihres letzten Ehemanns der auf 'seltsame Art' ums Leben gekommen ist.“ Ich lachte bei dem Gedanken daran „Und der Herr dort, siehst du die Knöpfe an seiner Weste? Die müssen aus England stammen! So etwas sieht man in Frankreich gar nicht! Darum wohl auch diese schmutzigen Gedanken“ Xavier hörte meine Ausführungen geduldig zu, obgleich er das natürlich ebenso die Gedanken der Sterblichen lesen konnte. Ich jedoch kannte das noch gar nicht. Ich musste eine Person nur etwas länger anschauen und schon waren ihre Gedanken, ihre Ängste und ihre Hoffnungen ein offenes Buch für mich. „Ach wie süß, die Frau scheint ihre Begleitung wirklich zu lieben. Nun leider ist sie damit nicht alleine, 3 weitere Frauen sind auf diesen Kerl herein gefallen. Aber, dass er allen so eine hässliche Brosche schenken muss! Ist ja nicht mal echtes Gold, gerade mal Gold überzogen. Na, so was gehört sich aber nun wirklich nicht“ Ich schüttelte in gespielten Entsetzen den Kopf und lächelte Xavier zu.

„Warum hast du mir nie gesagt dass du so einfach Gedanken lesen kannst?“ Xavier lächelte zurück, ruhig und beflissen antwortete er; „Nun du scheinst ein besonderes Talent darin zu haben, bei mir bedurfte es etwas mehr Übung, um die Gedanken so genau lesen zu können wie du. Insbesondere auf der Straße wo so viele Menschen ein und ausgehen, so viele Gedanken.... Bis heute nehme ich eher Gefühle, als präzise Gedanken wahr. Doch die dunkle Gabe fällt letztlich bei jedem anders aus und du scheinst ein Talent für das Lesen der Gedanken anderer zu haben.“ „Deine kann ich nicht lesen“ stellte ich halb enttäuscht fest „Geht es nur bei Sterblichen?“ „Natürlich nicht, doch mein Blut fließt durch deine Adern, so wie deines durch meine. Da ich dich erschaffen habe kannst du meine Gedanken genauso wenig lesen wie ich die deinen. Außerdem solltest du bei Vampiren vorsichtig sein. Sie können spüren, wenn du in ihre Gedanken eindringst. Je älter sie sind umso besser können sie sich gegen deine Kräfte wehren und einigen gefällt es nicht, wenn man ohne zu fragen in ihren Gedanken ließt“ Ich nickte verstehend. Einen Moment dachte ich über seine Worte nach. Er konnte also nicht mehr in meine Gedanken lesen... oder viel mehr: Er konnte also vorher in meinen Gedanken lesen! Für mich was dies ja eine völlig neue Erkenntnis . Mein Lächeln wuchs zu einem Lachen. So hat er es also die ganze Zeit gemacht! Darum hat er mich so gut verstanden und immer das richtige sagen können. Ich kam mir so unglaublich dumm vor, oder viel mehr, der Sterbliche der ich einst war kam sich unglaublich dumm vor.

„Also du kannst jetzt meine Gedanken nicht mehr lesen, nein?“ Xavier nickte, jedoch lag der Hauch eines Lächelns auf den dünnen Lippen. „Wir haben zum ersten mal eine richtige Unterhaltung.“

So konnte man es natürlich auch sehen. Ja, ich sah es auch so, je länger ich darüber nachdachte. Er hatte schließlich nie zuvor mit MIR, DEM Kilian geredet der da vor ihm stand. „Also gut. Was ist Lektion Nummero uno?“ Ich rieb mir die Hände, vor Freude, vor Aufregung. „Eile mit weile“ Unweigerlich rollte ich mit den Augen. Das sah Xavier wieder einmal Typisch, vermutlich ist dieses Sprichwort sein Lebensmotto. „So, und Lektion Nummer Eins für dich ist...“ Ich überlegte einen Moment ehe ich fort fuhr: „Genieße jeden Tag als wär’ es dein letzter“ Mein Lebensmotto im übrigen. Simultan begannen wir zu lachen. All die Trauer, die Last die so schwer wie eisen auf unseren Schultern gelastet hatte schien vom Regen davon gespült zu werden. Kein Wort mehr über falsche Entscheidungen, über Ängste oder Befürchtungen. Stattdessen das Lachen zweier junger, lebenslustiger Gesellen die sich ein schönes Leben machten. Einfach Lachen... wann hatte ich Xavier jemals einfach aus freiem Herzen heraus lachen sehen? Noch nie. Er schmunzelte, lächelte aber blieb immer unnahbar, ruhig und kühl. Nicht Fröhlich, nicht wütend, nur unsagbar traurig. Doch an jenem Abend kam er mir ein Stückchen näher. Er lachte, er hatte einfach Spaß. Spaß am Leben.

Endlich erreichten wir eine Schenke (ein Ball wäre doch noch etwas zu hoch für einen Anfänger wiem ich gewesen). Das in einer der Kneipen jemand ermordet wurde, dass war damals noch alltäglich.

Die Devise lautete stirb oder töte und es wurde wenig aufheben um eine Leiche mehr oder weniger gemacht. Wenn jedoch auf einem Ball etwas falsch lief, jemand zu schreien anfing oder sonst etwas bemerkte, dann wurde es heikel. Des Weiteren tötete Xavier grundsätzlich nur Verbrecher, oder jene die schon kein Leben mehr besaßen. Er bestrafte oder erlöste, tötete jedoch nie aus Lust oder Leidenschaft. Er tötete aus der Not heraus. Er hatte keine Wahl.

Wir erreichten also die Schenke. „Black Dragon“ war der eher weniger passende Name. Die schwarzen Lettern waren schon am abblättern und das kleine Etwas, das anscheinend einen Drachen darstellen sollte war er süß als furchterregend.

Ein muffiger, typischer Kneipengeruch kam uns entgegen. Immer hatte ich sie gehasst die Spielunken, den Gestank nach Brandy und Zigaretten, jetzt fand ich ihn zwar immer noch nicht angenehm, jedoch interessant, faszinierend. Und erst der Rauch an sich, wie er sich nach oben Schlängelte, mal in langen geschwungenen Bahnen, mit einen kleinen Windhauch wurde darauf auf einmal eine eng umschlungene Spirale und schließlich verlor er sich in der Luft. Xavier beobachtete mich, das spürte ich, und es störte mich nicht. Wahrscheinlich fand er es amüsant wie ich mit großen Augen durch die Welt lief, als hätte ich sie nie zuvor gesehen, was ja auch gar nicht so falsch war. Noch nie hatte sie die Welt auf diese Art und Weise gesehen wie an jenem Abend.

„Also Kilian, das Töten ist ein Notwendigkeit. Als solche sehe ich es zumindest, jeder Vampir hat da seine Vorlieben. Ich benutze meine Fähigkeiten, erspüre ein in meine Augen passendes Opfer, wie jenen Herren dort. Ein Mörder, tötet, stielt und säuft nur, um morgen wieder zu töten. Wir mögen auch jede Nacht aufs neue Töten, doch haben wir eine Wahl wen wir töten.“ Ich schaute in die Richtung in die Xavier gedeutet hatte. Auf einem Schemel saß ein beleibter Mann, ein Narbe zog sich Quer über das rote Gesicht, wie ein Wunde zog sich ein Schlitz horizontal über das Gesicht, kaum zu glauben das es sich dabei um einen Mund hatte. Die Haare waren abrasiert und am Hinterkopf schien eine art Bemalung zu sein. Schwach wirkte der Kerl jedenfalls nicht, was vielleicht auch schon der einzige Grund des Wirtes war trotz des zunehmend betrunkenen Zustands seines Gastes diesen weiter zu bewirten. Das und noch der Sack voll Gold der unbedacht neben ihm auf der Thresen lag. Irgendwas schien er zu lallen, etwas das keiner wirklich verstehen konnte, und ich fächerte mir grob Luft zu. „Seinen Mundgeruch kann man ja bis hier hin riechen... und davon ernährst du dich?“ Halb angewidert starrte ich das Etwas auf dem Stuhl an. Doch das Nicken Xaviers schien tatsächlich die Antwort auf meine Frage zu sein. „Gut.“, sagte ich schließlich und schluckte meinen Ekel hinunter „Natürlich kann ich, ein 18 Jähriger Knabe nicht einfach in einer Schenke jemanden aussaugen“ Das war einleuchtend. Schon alleine seine Präsenz in besagter Schenke war verwunderlich. Nicht das Jungendlich keine Alkohol kriegten oder so, wir schreiben das Jahr 14hundert, nicht 1989 und das hier ist schließlich Frankreich. Nein, allein der Umstand dass Xavier 1. Nicht unbedingt in dieses Milieu passte, zumindest nicht mit den feinen Samtkleidern und edlen Lackschuhen und er 2. nicht gerade robust wirkte. Kaum ein Mensch mit gesundem Menschenverstand und dieser Statur wagte sich nachts in eine solche Schenke. Er fiel auf und das war schlecht. „Nun um das zu umgehen halte ich mich an das alte Sprichwort“ Ich rechnete schon mit etwas wie: `Reden ist Silber und Schweigen ist Gold` oder `Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben`, würde schließlich wunderbar zu seinem Motto passen... „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann, muss der Berg eben zum Propheten“ Etwas verwundert musterte ich ihn. Wie sollte man so einen Berg von Fleisch dazu bringen einem reichen Sohn zu folgen, ohne, dass es großes Aufsehen erregte? Das Folgen an sich würde wahrlich das kleinere Problem darstellen, so einfache Beute kriegte man schließlich nicht alle Tage, aber es sollte nicht die ganze Schenke mit kommen um sich das erbeutete Geld zu teilen oder sich gegenseitig umzubringen um es hinterher ergattern zu können.

„Sieh zu und lerne“ Xavier drehte sich um und verließ das Gebäude. Verwirrt folgte ich ihm. „Aber ich dachte du wolltest ihn...“ Ich verstummte, als ich hörte wie schon kurze Zeit später die Tür hinter uns auf ging. Einen Moment war das Reden der Menschen von drinnen zu vernehmen, das laute Auflachen einer Kellnerin und ein Prost, dann war die Tür auch schon klappernd zu gefallen. Draußen auf der Straße stand zu meiner Überraschung der Mann. Dabei hatte er nicht wirklich den Eindruck gemacht er wolle heute noch mit dem trinken aufhören... Ohne sich umzudrehen ging Xavier weiter und ich folgte ihm, einmal um eine Ecke und in eine der kleinen Seitengasse.

Der Koloss folgte und mit seinen trägen, schweren Schritten und ich begann zu begreifen. Wenn der Prophet nicht zum Berg kam, so musste der Berg zum Prophet. Also konnte man sogar den Geist der Sterbliche kontrollieren, sie in die Falle locken, ohne dass sie es merkten.

Endlich kamen wir zu stehen. Ich sprang auf eines der umliegenden Dächer, um eine bessere Aussicht auf das Stück zu haben, welches in Kürze beginnen würde. Es trug den Titel: „Das erste Mahl“ und die Hauptrolle hatte Xavier. Immer näher kam ihm der Hüne, eine Gestallt von gut zwei Metern Größe, die den kleinen schmächtigen Knaben überragte. Verwirrt und langsam schaute der Mann von einer Seite zur andern. Gespannt las ich in seine Gedanken, konnte jedoch kein Zeichen dafür finden dass er tatsächlich direkt von Xavier gesteuert wurde. Ein Runzeln trat auf meiner Stirn. Wenn nicht durch Gedanken Manipulation, wie dann?

Gespannt verfolgte ich das Geschehen. Der Hüne dessen Blick, die kleinen blauen Schweinzäuglein, auf Xavier liegen blieb war stehen gebliben. Xavier stand wie ein kleiner Engel mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck vor ihm, wirkte wie eine Porzellan Figur so klein und zerbrechlich.

Ohne groß weiter nachzudenken warum er hier war oder wer dieser Fremde da vor ihm war lief der Sterbliche in die Falle. Es war zwar nicht so, als hätte er jetzt noch fliehen können, Xavier hätte ihn so oder so erwischt, aber so machte er es noch einfacher und anschaulicher wie dumm die Menschen doch eigentlich waren.

Der Rest spielte sich in Sekunden ab. Mit einem Satz war Xavier auf ihn gesprungen drückte den schweren Körper zu Boden (ich erwischte mich dabei verwundert zusein und mich zu fragen, wo er denn die Kraft her hatte), um ihn schließlich in den Hals zu beißen. Binnen Sekunden war er Tot. Eine neue Leiche in den Slums von Paris. Eine weitere Namenlose Seele die ihren Weg in die Hölle gefunden hatte und dort für seine Sünde zahlen würde und niemand, nicht einmal die Ratten dies einen Kadaver zernagen würden, würden um ihn trauern. Kein Grab gab es für ihn, keine Seele die sich je an ihn erinnern würde, es war, als hätte es ihn nie gegeben.

Doch ich, ich sah angewiedert zu. Es tat mir sogar Leid um ihn, und sicher verwunderte dies niemanden mehr als mich. Doch wie er dort lag, die kleinen Augen in starrem Entsetzen aufgerissen. Noch war mein menschliches Gewissen nicht verstummt, doch ich verdrängte es, sah den toten Körper nicht mehr an und erinnerte mich schnell an meine neue Existenz.

Ich sprang hinunter zu meinem Lehrer „Wie hast du das gemacht? Ich meine, dass er dir folgte, ich spürte keine Gedankenkontrolle oder ähnliches, ...“ Verwundert besah ich mir Xavier. Nun wirkte er mehr denn je wie ein 18 Jähriger Grafensohn. Die roten Bäckchen, das dunkelbraune Haar, welches sein Gesicht umrandete, die großen Augen, die mich interessiert musterten. „Du hast nichts ungewöhnliches gespürt?“, fragte er in dem sanften Tonfall eines Buben der seinem kleinen Bruder versuchte auf die Sprünge bei einer Matheaufgabe zu helfen.

Ich überlegte, auch, wenn es mir gewissermaßen zuwieder war mir diesen ungleichen Kampf wieder durch den Kopfgehen zulassen.... „Nein“ sagte ich schließlich „Ich habe nicht, nichts ungewöhnliches gespürt.... aber ich habe jedenfalls keinen zweiten Geist der ihn steuerte gespürt, und was weiß ich schon was normal ist bei Sterblichen?“ Trotzdem dachte ich noch weiter nach. Mein Gefühl sagte mir, dass etwas dahinter steckte, dass etwas an dem Geist des Verstobenen dran gewesen war... verstohlen schaut ich zu ihm herunter, sah in sie leeren Augäpfel, ein einziges Abbild des Schrecken der ihn erst vor einem Moment heimgesucht hatte. Xavier beobachte wie ich auf den Leichnam zu Schritt, wie ich ihn mir noch mal besah und versuchte mich an das Gefühl zu erinnern, das ich beim lesenseiner Gedanken hatte... kein Wort kam über seine Lippen, er stand nur da, sein Blick verfolgte jede meiner Bewegungen, jedes Runzeln meiner Stirn und jedes Falte die ich warf wenn ich einfach nicht dahinter kam. Er ließ mir Zeit mit meiner Antwort, denn alles vor zusagen brachte seiner Meinung nach nicht viel. Man musste selber lernen, selber Begreifen und verstehen. Zuhören konnte man viel, aber wirkliches Begreifen entstand aus eigenem Denken heraus. Erst wenn wirklich nichts mehr ging würde er mit die Lösung des Rätsels verraten, oder gar nie, bis ich es verstand. Doch ich begann von alleine zu verstehen.

Es war nicht so gewesen, dass jemand den Geist verdrängt hätte, oder den Körper gelenkt hätte, gegen den Willen der Besitzers. Nein, es war viel mehr so, dass das ganze Wesen des Mannes plötzlich nur noch auf die Gasse fixiert gewesen war. Nicht einmal auf Xavier, er war sogar überrascht gewesen den Knaben dort zu finden. Der Tote war einfach davon ausgegangen dorthin gehen zu müssen, ohne einen besonderen Grund, einfach einem Gefühl folgen, mehr unbewusst als bewusst. Meine Miene hellte sich auf. „Du hast...“ Xavier nickte „Man sollte nicht immer seinem 'Gefühl' trauen, es könnte sein, dass ein Vampir seine Finger im Spiel hat. Allerdings gibt es durchaus elegantere und einfacherer Methoden um an seine Beute zukommen. Vor allem dir bieten sich weit mehr Möglichkeiten als mir, zumal ich in diesem Körper gefangen bin. Nun ist es an dir“

Auf diese Worte hatte ich nur gewartet. Alles in mir Schrie nach Blut, nach dieser göttlichen Essenz des Lebens, welche ich nur einmal hatte kosten dürfen bisher. Mein Körper lechzte geradezu nach der warmen Flüssigkeit, welche Erlösung von dem Hunger versprach. „Mit Vergnügen“ Ich sagte es, doch bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Dennoch mein ganze Körper schrie danach, und was für eine Wahl hatte ich? Und ich wollte es ja auch. Ich wollte so sein wie er, den Gedanken ans Töten hatte ich schon lange in mir, doch noch nie zuvor war ich damit so konfrontiert worden. Und nun war die Stunde der Wahrheit gekommen.

Ich drehte mich auf dem Absatz um, verlies die Gasse, gefolgt von Xavier. Ich wusste er würde nichts mehr sagen, mir keine Tips geben außer: „Kilian“ ich blieb einen Moment etwas überrascht stehen, mit einer Unterbrechung hätte ich nicht mehr gerechnet. „Eine wichtige Regel: Trinke nie nach dem letzten Herzschlag, oder der Tod zieht dich mit ins Verderben.“ Das war das Letzte, was er mir für meine erste Jagd mit auf den Weg gab und es reichte völlig aus.

Wieder suchten wir eine Schenke auf. Natürlich war ich derjenige, der sie wählte und es war nicht die selbe Schenke wie am Abend zuvor. Zwei Morde in einer Spielunke, oder dessen Nähe wäre doch etwas auffällig gewesen. Außerdem wollte ich Paris noch ein wenig genießen.

Schließlich umhüllte uns doch wieder der Muff der Kneipe. Alkohol, Tabak und Schweiß mischten sich in der Luft zu einem Gebräu durch das wir unseren Weg bahnten.

An der Theke deutete ein Mann auf mich, ich wusste es ohne hinsehen zu müssen, neben ihm stand eine Frau,.. mager, ausgelaugt das blonde Haar zu einem Dutt gesteckt. Ein Muttermahl auf der einen Seite, blau-graue Augen starrten aus blutunterlaufenen Augenringen zu mir herüber. Sie schien bald mehr Skelett, als Mensch zu sein. Halb verhungert war sie, den Abend hatte sie durch geweint. Vor kurzer Zeit war ihr Kind gestorben, von ihrem Lebensgefährten wurde sie regelmäßig geschlagen und den hart erarbeiteten, kargen Lohn verlor sie an seinem Wein und Bier. Ein tristes, sinnloses Leben. Ein Dahin-Vegetieren von einem Tag in den Nächsten, ohne jemals die Hoffnung auf eine Erlösung zu haben, und im tiefsten ihres Herzen der Schrei. Der Schrei nach der einzigen Erlösung aus dieser Hölle die ihr Leben darstellte.

„Siehst du den reichen Herren dort?“ Sie nickte stumpf, so wie sie immer nickte, wenn man etwas von ihr verlangte. „Der hat Geld, viel Geld, das wir gebrauchen können. Also versuch es mir zu beschaffen, gib ihm alles was er will, und wenn ich sage alles meine ich es auch so.“ Die Ohren eines Vampirs waren berauschend. Trotz all der Geräusche um mich herum konnte ich ihn reden hören, konnte ich genau verstehen was er sagte ich musste mich nur etwas konzentrieren.

Xavier schien keiner im Raum Beachtung zu schenken. Vielleicht lag es an diesem gewissen Zauber den er ausübte, wie hatte er doch gesagt? `Menschen sehen nur was sie sehen wollen. Ich nutze die Eigenschaft aus`. Sicher erwartete keiner in diesem Raum einen 18 Jährigen Buben in der Tracht eines Fürsten. Ich hatte jedoch keine Zeit nach ihm zu schauen denn schon stand die Bedienung vor mir. Scheu blickte sie zu Boden, wagte es nicht mich anzusehen. „Der Herr wünscht?“ fragte sie und trotz all der Mühen schaffte sie es nicht da Zittern aus der traurigen, rauchigen Stimme zu verbannen. Schön hätte sie sein können, doch das Gesicht war von Kummer und Sorge wie auch Hunger und Armut entstellt. Sie hatte nichts mehr zum Leben.

Sanft berührte meine Hand ihre warme Haut, hob ihren Kopf und ließ sie in meine Augen blicken. „Die Frage ist was ich für euch tun kann.“, waren meine Worte mit denen ich sie in ein Hinterzimmer geleitete. Und für einen Moment vergaß sie ihre Furcht, für einen Moment verlor sie sich in den weiten meiner Augen und konnte all ihr Leid vergessen. Diesen Moment schenkte ich ihr, kurz bevor sich meine Zähne in ihr Fleisch bohrten, um sie ein für alle Mal von dieser grausamen Welt zu befreien.

Es war einfach herrlich, und auch scheußlich. Gerade dass es mich so belbte, mir dieses Gefühl der Wonne und Glückseligkeit gab bestürzte mich, hatte ich doch Schmerz und Trauer erwartet. Nun wurde ich mit Glück und Wollust empfangen. Es war jedenfalls anders, als das Blut Xaviers welches ich ohne Gewissen hatte trinken können. Irgendwie war es süßer und heißer, doch nicht ganz so berauschend, es nahm nicht mein ganzes Wesen so in beschlag wie sein Blut es getan hatte. Doch was gleich war, waren jene Trommeln, welche dieses mal jedoch nicht zu einer Symphony anschwellen wollten. Trotz allem war es ein berauschendes Gefühl, wie sich die Trommeln aneinander anpassten, wie Wärme durch meine Körper schoss und ich Ausschnitte aus ihrem Leben sah. Alles grau, alles trist du traurig. Nicht ein Funken schien mehr in ihr zu glühen. Einst war da ihr Sohn doch der starb. Einst war da ihre Mutter, verreckt an einer Krankheit. Ihre Freundin, als Jüdin vertrieben und nie wieder gesehen. Bilder in meinem Kopf die mir ihre Lebensgeschichte erzählten, bis das Trommeln langsamer wurde, leiser, nur noch ein schwacher Wiederhall. Ich erinnerte mich an die Worte Xaviers und ließ wiederwillig von ihr ab.

Blaue Augen ruhten auf dem leblosen Körper dessen Blut durch meine Körper floss, mir nun seine Lebenskraft schenkte. Und eine, zwei, drei, immer mehr Tränen flossen über mein nun von Blut gerötetes Gesicht. Braune Augen lagen auf mir, strahlten mich von der gegenüberliegenden Wand an. „Das wird dich von nun an jede Nacht erwarten“ sprach eine ruhige feste Stimme. Ich zuckte mit den Schultern, wischte mir über die Wangen, um die Tränen zu tilgen. „Du hast ihr eine Gefallen getan.“ Ich spürte sein Hand auf meiner Schulter „Für die meisten ist es schwer, beim ersten Mal, doch denke daran: Such dir Opfer, die es verdienen, oder ersehenen. Dann bleibt dein Gewissen so rein, wie es die Umstände billigen.“ Tröstend waren seine Worte, und ich klammerte mich an sie. Doch ich konnte diese kalten Augen die mich ansahen nicht ertragen, konnte den Gedanken jemanden getötet zu haben nicht ertragen. Noch immer leise Schluchzend beugte ich mich zu meinem Opfer herunter, strich über ihre Augenlider, um diese für die letzte Ruhr zu schließen und sandte sein ein kurzes Gebet für sie gen Himmel.

Xavier beobachtete mich, und ich wusste das er vor allem die letzte Geste nicht sonderlich schätzte. Zumindest nahm ich dies an. „Ja“ sagte ich leise und richtete mich wieder auf, drehte mich wieder zu ihm um und sah ihn an. Etwas Warmes haftete ihm an, wie ein Vater blickten seine Augen sanft auf mich, während er die letzte Träne von meiner Wange strich. „Ich wusste, du bist etwas Besonderes. Du kannst fühlen, darum wählte ich dich.“ Ich sagte nichts dazu, wünschte mir nur, ich könnte nicht diesen Schmerz fühlen. Wie sollte ich so weiter leben, jeden Abend diese Schuld auf meinen Schultern lastend? Ich würde einfach nicht weiter daran denken. Was blieb mir sonst? Sollte ich etwa mein ganzes, unendlich langes Leben mit Trauern verbringen? Nein es musste weiter gehen, ich musste nur an die Möglichkeiten denken die sich mir nun offenbarten, die Freude die ich erleben würde. „So ist es richtig. Deinem Gesicht nach zu urteilen machst du weiter. Nichts anderes habe ich erwartet, du hast eine starke Persönlichkeit. Solange du nicht vergisst jedem deiner Opfer Respekt zu zuteilen und sie Vernünftig auszuwählen ist alles in Ordnung.“ Ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich nickte. So würde ich es machen, das nahm ich mir zumindest vor.

„Nun was machen wir als nächstes?“ Erwartungsvoll sah ich ihn an. Die tote Frau zu meinen Füßen war schon längst vergessen.

Letztlich habe ich doch nur ihren Wunsch erfüllt...
 

Ich durfte wählen was wir als Nächstes taten, was auch immer mein Sinnen war, ich durfte es tun. Vielleicht weil dies mein erster Abend war, vielleicht aber auch nur, weil Xavier ein schlechtes Gewissen hatte. Wer konnte das schon sagen? Ich kümmerte mich auch nicht weiter darum. So vieles gab es, was ich sehen und tun wollte, ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.

Die Kirchen, der Montmartre, das Nachtleben, die Feste und Bälle, die Veranstaltungen... Einfach alles was das Leben der Stadt ausmachte, ich wollte alles auf einmal erleben. Wir besuchten die Festlichkeiten der Reichen, besahen uns das Leid der Armen, verharrten vor den imposanten Mauern Notre dames. Ja es war wie ich es mir vor gestellt hatte. Alles war anders und doch genauso wie vorher. Ich war mittendrin im Leben und doch kam ich mir wie ein unbeteiligter Zuschauer vor. Ich beobachtete die Menschen ihre Redensart ihr Verhalten, verglich es untereinander und konnte mich einfach nicht satt sehen. Nicht an den Kleidern, an dem Schmuck, den Perücken oder anderem Accessoire.

Es war eine lange, berauschende Nacht, die ich nie in meinem ewig dauerndem Leben vergessen werde. Genauso wenig jene namenlose Seele die mein erstes Opfer wurde. Es gibt wenig Opfer derer ich mich genau erinnern kann, doch sie gehört dazu. Nur weil sie die erste war? Ich weiß es nicht, ich denke ab und zu darüber nach und ich komme immer zu dem selben Ergebnis: Ich weiß es nicht.

Ich weiß nichts ob es nicht doch an diesen leeren blau-grauen Augen lag, oder diesem Aufschrei, diesem Sehnen nach dem Tot, ohne Furcht, ohne Zögern.

Veränderung

Kapitel 13
 

So begann mein Leben als unsterblicher. Einige nennen sie, teilweise sogar sich selber, die Verdammten. Ich habe dies nie so empfunden. Nun vielleicht doch... am Anfang war ich noch anders als heute. Natürlich verändern 500 Jahre einen.
 

Die nächste Nacht folgten, eine und noch eine und immer so weiter, ohne ende wie es schien. Wir lachten, wir lebten, wie wir nie zuvor gelebt hatte, zumindest galt dies für mich. Noch nie waren die Straßen von Paris so schön gewesen, noch nie der klang des Windes der die Noten eines fernen Klavier und Geigenspiels durch die Gassen trug so wie in jenen Nächten.

Und auch Xavier wirkte glücklich, nie zuvor hatte ich ihn so ausgelassen gesehen. Ausgelassen mag das falsche Wort sein, er war nicht wirklich entspannt, nicht wirklich.. wie soll ich sagen, nicht so wie man bei dem Wort ausgelassen annehmen würde. Aber die Art wie seine Augen strahlten wenn ich wieder ein Wunder erblickte und ihm berichtet.

Die Schönheit der Welt hatte sich mir in einem Augenblick erschlossen, ein Schönheit welche in fast allem inne wohnten. Selbst in den verdreckten und stinkenden, von Ratten besetzten Gassen, welche ich jedoch mied. Das glamouröse Leben mit den verlockenden Klängen, den Lichtern und allem was dazu gehörte hatte es mir angetan.

Schon immer war ich in Kunst interessiert gewesen, ich las Gedichte, schrieb selber ab und an, Bilder waren eine große Leidenschaft von mir und Musik schien ein Geschenk der Götten an die Menschen, doch nun erschien es mir, als wäre alles was ich gehört, gesehen und gefühlt hatte nur ein Traum gewesen. Als wäre ich im Dunkeln umher geirrt und hätte plötzlich feststellen müssen, das eine Kerze in dem Raum stand, und Xavier hatte sie angezündet und plötzlich konnte ich die wahre Schönheit der Kunst erkennen. Wie Platon selbst es in seinem Höhlengleichnis beschieb: Wir Menschen leben in einer dunklen Höhle, sehen nicht die wahre Natur der Gegenstände, nur ihren Schatten, der an eine Wand projektiert wird sehen. Nichts als Trugbilder. Doch ich hatte den Weg aus dieser Höhle gefunden und konnte den Ursprung dieser Schatten ergründen.

Keine Gedanken verschwendete ich an das scheußliche Verbrechen, welches ich begehen musste, welches sich Nacht für Nacht wieder ereignen würde.

Ich hatte die Fähigkeit in jedem meiner Gefühle ganz aufzugehen, wie Xavier sagte eines der Auswahlkriterien die er an mich gestellt hatte. Ob es nun Wut oder Trauer oder aber auch Freude und Lust waren, verspürte ich eines so nahm es meine ganzen Geist in beschlag,. So bestürzt wie ich um diese Frau gewesen, so erstaunt war ich nun über alles andere. Wie schnell ich doch vergessen konnte, es war ja auch viel leichter, und inzwischen wurde es zur Angewohnheit.
 

„Die Oper war wundervoll! Natürlich die Sängerin schrecklich, doch der Tenor einfach himmlisch, zu dumm das man nie ein perfektes Stück sehen wird. Entweder ein Musiker schafft es nicht oder einer der Schauspieler beleidigt das Stück mit seiner Inkompetenz“ ich seufzte, frustrierte mich diese Tatsache doch sehr. Menschen mochten einige Kleinigkeiten nicht auffallen, uns Vampiren schon und jede Disharmonie im spiel des Orchesters war in meinen Ohren hängen geblieben. „Musik kann so etwas berauschendes sein, es grenzt an Blasphemie was manche Musiker aus diesem Paradies machen. Da wundere ich mich kaum mehr, dass Gott Adam und Eva aus dem Paradies verbannte, höchst wahrscheinlich aßen sie keinen Apfel, sondern versuchten eine Oper aufzuführen“ Xavier lachte sein ganz besonderes, stummes Lachen, welches nur ich vernehmen konnte „Ich empfand dieses Stück vielmehr als Ohrenschmaus, Kilian du solltest nicht so hart mit den Menschen sein es sind... es sind nun einmal Menschen“ „Das ist ja das Problem, wenn sie wenigstens immer den selben Fehler begingen ab nein. Das eine mal ist das Orchester Perfekt, doch der Chorknabe kommt in den Stimmenbruch, und ist die Besetzung Ideal so gibt es einen Amateur Pianisten. Denket man beides ist gut so stellt sich heraus, dass der Bühnenbildner etwas vermasselt hat, oder die Maske. Es ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit dass in einem Theater alles stimmt.“ „Sieh über die Makel hinweg und siehe das Ganze als solches. Es mag nicht alles perfekt sein. Das sind Menschen auch nicht, und gerade das macht es authentischer.“ Ich lachte auf „Authentisch... du weißt wirklich nichts über das Theater. Man geht dort nicht hin um erinnert zu werden wie unperfekt das Leben ist, sondern um die Illusion, den Tagtraum zu erleben, dass alles perfekt sei. Die Prinzessin kriegt ihren Prinzen, der Gute gewinnt, das Böse fährt zur Hölle und alle leben glücklich bis ans ende ihrer Tage. Authentik hat dort wirklich nichts zu suchen, oder glaubst wirklich das irgendjemand auf Erden sich in diese dicke Sängerin auf der Bühne verlieben und sie als Angél du glace` bezeichnen würde, und das auch noch gesungen. Ich bitte dich Xavier, nichts ist der Realität so fern wie Theater, daher kann es auch nicht authentisch sein.“ „Aber nicht doch, mein Herr“ wir wurden von einem älteren Herrn unterbrochen. halb verwirrt sah ich auf, hatten wir, Xavier und ich, bis eben noch alleine auf dem Balkon gestanden.

Noch befanden wir uns in dem Opernhaus, es war Pause und da wir die frische Luft bevorzugten waren ich und meinem Erschaffer hinaus getreten, um uns über das gerade erlebte zu unterhalten. Nun stand hinter uns ein Mann. Das Haar war Aschblond, beinahe schon hellbraun, die Augen blau mit einem Stich von grün darin und sie blitzen förmlich aus dem schon mit Falten besetztem Gesicht. Nicht das er so alt war, die Falten waren nur angedeutet, verliehen dem Gesicht Charakter und Ausdruck, machten die Person zu der, die sie war. Ich spüre Menschen zwar, aber ich war zu jener Zeit mit meiner Gabe nicht wirklich vertraut, und gerade in eine Unterhaltung mit Xavier vertieft gewesen. Heute würde mich solch eine Unterbrechung, zumindest durch einen gewöhnlichen Sterblichen, nicht länger irritieren.

Damals jedoch schon „Wie darf ich euch verstehen, Monsieur...“ „Fareuax. Julien Fareuax ist mein Name.“ Er machte eine kurze Pause, in welcher ich und Xavier uns vorstellten, um das Gespräch anschließend fortzuführen. „Was ich meine“ begann er in seiner ruhigen, melodischen Stimme „Ist, dass das Theater oft realer ist als die Realität.“ Ich sah ihn verwirrt an, Xavier schmunzelte lediglich „Aber alles im Theater ist doch lediglich eine Maskerade, nichts wirkliches. Wie könnt ihr diese Meinung vertreten?“ „Nun, es kommt auf den Standpunkt der Realität an die man sucht. Das Theater besitzt nun einmal seine eigene. In einem guten Theater fühlen die Menschen das Leid oder die Freude der Schauspieler, und diese fühlen, was ihre Rollen fühlen, welche wiederum Gedanken des Schreibers verkörpern. Somit meine ich kann man sagen, dass ein Theaterstück real gewordene Gedanken und Gefühle sind. Und niemand fühlt so real wie ein guter Schauspieler.“ Ich schüttelte den Kopf „Nein, auch die Gefühle sind lediglich gespielt, genauso wie der Rest. Menschen gehen aus dem Theater und vergessen was sie sahen.“ „Wollt ihr damit sagen, dass es sich in der Realität anders verhält?“ Ich wollte sofort mit ‚Ja’ antworten, doch ich stockte. Nein, es verhielt sich nicht wirklich anders, ich selbst war das beste Beispiel. Mein früheres Leben hatte ich jetzt schon vergessen, als wäre es nichts weiter, als ein Theaterstück. „Ich sehe ihr versteht was ich meine“

Ich schwieg, das ein Sterblicher so weit dachte... nun wieso wunderte es mich denn? Menschen waren nicht nur dumm, zumindest nicht alle. Sonst gäbe es solche Opern und Theaterstücke, ja nicht einmal solche Gebäude… „Dennoch würde ich es nicht als Realer als Leben beschreiben“ sagte Xavier zur Überraschung von uns beiden schließlich. „Es hat seine eine Realität welche im Theatersaal gefangen ist. Dort ist es sicher Realität aber nicht über die Türen hinaus“ Der Mann lachte auf „So jung und schon so ein helles Köpfchen. Ja ihr habt Recht. So kann man es sicher auch sehen. Es ist schon lange her, dass ich so ein anregendes Gespräch habe führen dürfen. Wenn es ihnen nicht ungenehm ist so würde ich euch nach der Vorstellung in mein Anwesen einladen.“

Begeistert wandte ich mich Xavier zu, sah ihn erwartungsvoll an, als bräuchte ich seine Erlaubnis, was Faraux zu amüsieren schien. Kaum verwunderlich, schließlich wirkte es eher so als wäre Xavier mit mir unterwegs, nicht anders herum. Xavier lächelte „Sieh mich doch nicht so an, das ist dein Leben. Mir jedenfalls wäre es eine Ehre und Freude diesen Herrn zu begleiten.“ Freudestrahlend wandte ich mich zu ihm um „Ihr habt es gehört“ „Dann soll ich euch nach der Vorstellung draußen am Eingang erwarten“ und schon ertönte das wohlbekannte Zeichen, welches verkündete, dass die Pause um war und die Vorstellung weiter ging.
 

Mit der Ungeduld eines Knaben erwartete ich das Ende der Oper. Das erste mal, dass ich zu einem Sterblichen gehen, mit ihm reden würde, und dazu noch so ein Außergewöhnlicher.

Schließlich durfte man die Zeit in der ich lebte nicht vergessen. Noch gab es keinen Luther, Liberalisten, Individualisten oder ähnliches. Zwar begann schon langsam und stetig die ersten Veränderungen der Menschen, ein Weltglaube wurde nicht von einem Tag auf den anderen umgeworfen, doch noch lebte ich im Mittelalter, wie es heute genannt wird. Religion, nur die Christliche wie jeder weiß, diktierte das Denken der Menschen, diktierte Kunst, Theater und Musik. Alles eben was mein Leben ausmachte, weshalb ich persönlich mich einem gewissen Einfluss dieser Weltmacht nicht entziehen konnte.

Die Menschen jedoch standen noch immer unter ihrem Bann und Freidenker wie Faraux gab es eigentlich gar nicht.

Ich saß also wie auf Feuerkohlen, erwartete die letzt Note, den Applaus und stürmte sogleich hinaus.

Nicht lange mussten Xavier und ich warten, da wir ihn schon erblickten. „Es freut mich überaus, dass ihr meiner Einladung folgtet, Messieur. Meine Kutsche. Falls es euch genehm ist, so mögt ihr mit mir zu meinem Haus fahren. Es befindet sich unweit von hier in der Rue Catalaine. Die Nummer 26“ „Welch Frage, Monsieur. Wir sind erfreut über ihre Einladung und es ist uns nur Recht in eurem prächtigem Gefährt zu reisen“ erwiderte ich, entzückt über den roten Satin, der die Vorhänge dieser in schwarzen Lack bestrichenen Kutsche darstellte. Wie er sich wölbte bei jeder Bewegung... oder das mit silberverzierte Rad, der Tür Knauf, der nun von eine Diener gedreht wurde und das innere der Kutsch preis gab. Ein einziger Traum in den wir Beide nun eintraten.

„Nun Monsieur Faraux, was hielten sie von dieser Oper?“ „Beeindruckend, wie immer, besonders das Ende hat es mir angetan. Wie steht es mit euch, habt ihr eure Meinung geändert was die Unvollkommenheit der Oper betrifft?“ „Nein, und das werde ich wohl auch niemals. Das Ende war wirklich mitreißend, dies muss ich eingestehen. Doch erzählt uns mehr von euch, Faraux.“ „Es ist mir ein vergnügen“ erwiderte der Mann „Nun wo mag ich beginnen, denn zugegeben, mein Leben ist nicht eines, welches man als sonderlich aufregend beschreiben mag.

Ich bin verheiratet, schon 10 Jahre, habe eine Tochter, zu Leidewesen meiner Frau noch keinen Sohn, der mein Anwesen Erben würde. Ich selber empfinde dies nicht als Tragödie. Wenn ich tot bin, so bin ich tot. Was interessiert es einen Toten schon, was mit seinem Geld geschieht?“ „Glaubt ihr an Gott“ fragte ich, sah ihn aus neugierigen blauen Augen an. Einen Moment schien er verwundert, dass ich auf solch eine absurde Frage kam. Absurd, wahrlich, in jenen Jahren glaubte man an Gott, oder brannte. „ Natürlich glaube ich an ihn“ erwiderte er aufrichtig „Wie könnte ich nicht, mein ganzes Leben war auf ihn ausgerichtet. Doch ich fürchte, dass Gott es herzlich wenig interessiert ob jemand wie ich, oder sie, wenn man dabei ist, oder irgendeinen der anderen in Paris, an ihn glaubt. Er spricht ja doch nur zu den Priestern, zu dem Papst und diese ändern die Worte Gottes um, wie es ihm passt. Für mich ist dies in Ordnung, solange ich nur mein Kuchen auf dem Tisch , ein Kutsche zum fahren, ein Frau für die Schönen Dinge im Leben und vielleicht noch etwas Gold für all den Rest den ein Mann wie ich begehrt habe“ er lachte, beugte sich vor und schaute aus dem Fenster. „Und schon haben wir mein Heim erreicht.“

Auf seine letzten Worte konnte ich nichts erwidern da die Kutsch zum Stillstand kam und das prächtige Gebäude mein Wesen in Anspruch nahm „Ein wunderschönes Haus besitzt ihr da, Monsieur“ sanft strichen meine Finger über die Wand, meinen Blick ließ ich empor schweifen, bis zu der Fassade. Gotik war in dem Gebäude eingeflossen, der Spitzbogen, die dunkle Steinmauer, sie weiten Fenster. Es hatte etwas bedrohliches und doch einladendes. Es gefiel mir auf Annhieb „Es freut mich immer, wenn Besucher mein Heim zu schätzen wissen. Doch nun darf ich euch bitten einzutreten.“

Wir taten wie uns geheißen und betraten die Eingangshalle, ein weiter Raum mit Holzvertäfelungen versehen, an den Wänden hingen Wandteppiche und ein Spiegel am Ende des Saales, aus welchem mich mit weit aufgerissenen Augen mein Spiegelbild anblickte. „Wenn ich sie bitten darf, den Mantel nimmt Jean“ jeder Diener, der uns hier her gefahren hatte nahm nun unsere Mäntel an und hing sie auf. Gerade als wir uns der Tür widmen wollten ging diese auch schon auf „Vater? Sag wie war die Oper? Oh du hast Gäste?“ es handelte sich um die zierliche Stimme eines Mädchens. Braun gebrannt von der Sonnte, das schwarz Haar zu einem Zopfgebunden und einer wunderschönes Satinkleid tragend, in einer Hand hielt sie Nähzeug. Bei dem Anblick der Gäste machte sie schnell einen Knicks, wobei ihr Blick einen Moment auf mir haften blieb und eine leichte, schmeichelnde Röte in ihre Wangen trieb. Dann schritt sie jedoch auf ihren Vater zu und umarmte ihn warm. „Die Oper war vortrefflich, doch wenn du diesen Herren fragst so war sie alles andere als perfekt. Madlaine, die ist Kilian ... verzeiht, wie sagtet ihr lautete euer Titel?“ „Kilian du St Etienne les Ourges“ antwortete ich, nahm die Hand des Mädchens und küsste diese zur Begrüßung. So sanft und warm ihre grazilen Finger. Mädchenröte schoss ihr in die Wangen und sie murmelte etwas von „Hoch erfreut Monsieur“ wobei sie erneut einen Knicks machte. „Und mein Name lautet Xavier du Lambourt. Eine Ehre Mademoiselle Faraux“ „Die Freude liegt auf Meiner Seite Monsieur de Lambourt“

Monsieur Faraux und seine bezaubernde Tochter geleiteten und durch die Halle in das, was man heute als Wohnzimmer bezeichnen würde. Wie ich schon sagte, es war Mittelalter, daher muss man sich die Möblierung entsprechend vorstellen und deshalb benutze ich auch nicht das Wort Salon, erst in 100 bis 200 Jahre werde ich dazu übergehen.
 

Wir kamen ins Gespräch, ich möchte hier nicht ins Detail gehen da es so interessant nicht war und da dieses Gespräch 700 Jahre her ist befürchte ich auch, dass meine Erinnerung mir bei dem ein oder anderen Satz nicht allzu viel weiter helfen würde.

Es war in jedem Fall in wunderbarer Abend, ich hätte nie gedacht, dass man als Vampir unter den Menschen soviel Spaß haben konnte, und dass ohne sie sofort zu töten, im Gegenteil. Wir befreundeten uns schon beinahe mit der Familie Faraux. Besonders die Tochter hatte es mir angetan, was auch daran liegen konnte, dass ich ihre Gedanken las und sah wie angetan sie von mir war. Nicht verwunderlich, für sie musste ich wie eine Engel wirken, das lockige blonde Haar welches immer zu wehen schien, die strahlenden blauen Augen... ich konnte dies nur zu gut nachvollziehen, war es mir bei Xavier doch nicht anders ergangen. Um 2 Uhr verließen wir das Haus, suchten das verkommene Stadtteil auf,. All die Zeit in der Oper und in dem haus, immerzu umgeben von Menschen hatte mich hungrig gemacht, und ich, als Neuling, brauchte mehr Blut als Xavier.

Ausgerechnet heute, wo ich gelernt hatte, das Vampire mit Menschen zusammen leben konnte, ja in meinen Augen sogar besser als Menschen mit Menschen, war ich doch nie so gut mit diesen Ausgekommen wie in jener Nacht, hatte für sie sonst nur Gleichgültigkeit übrig gehabt. Ausgerechnet jetzt musste ich einen Menschen töten.

Ich hielt mich an Xaviers rat, suchte mir einen Mörder, verhinderte, dass er wieder Mordete. Ich weinte nicht, dieses mal nicht ich betete nur, erwies diesem Mann Respekt, schloss seine Augen und schaute ihn traurig an. Er hatte es verdient, sagte ich mir immer wieder, doch daheim in meinem Sarg war er schon vergessen, genauso wie die Frau vom Abend zu vor. Sie waren Tot und ich lebte weiter, so war es, und so musste es sein.
 

„Kilian!“ Sie lachte „Was sagt ihr nur immer für ungestüme Dinge, würde euch ein Mensch der Kirche hören-“ „Doch hier ist kein Mensch der Kirche oder Madlaine“ Wieder ertönte ihr Lachen, wie die Glocken der Engel. „Das ist nur zu wahr. Oh welch Anblick seht nur“

Wir hatten die Brücke zur ìle-de-la-cité erreicht, der Mond in Richtung Notre dame erstrahlte in all seiner Macht „Nicht halb so schön wie ihr Madmoiselle“ Röte schoss in die jungen Mädchen Wangen „Ihr sagt immer solche dinge...“ murmelte sie „Nur weil sie der Wahrheit entsprechen“ erwiderte ich „Eure Eltern mussten Diebe gewesen sein, denn sie stahlen das Licht der Sterne und setzten es in eure Augen, sie nahmen der Nacht dein Dunkles Gewand und bedeckten euer Haupt damit, der Glanz des Mondes ist eure Haust und das Lied der Nachtigal eure Stimme“

Sie lehnte sich gegen das Geländer, drehte sich um und lächelte mir zu. Der Wind fuhr ihr durch das schwarze Haar, die grün-blauen Augen leuchteten und ihre Wangen waren noch immer gerötet. Wie wunderschön sterbliche doch waren. Schon in en ersten Tagen lernte ich die Lektion. Ich wollte keiner mehr von ihnen sein, daran hatte sich nichts geändert. Als sterblicher hätte ich nie die Schönheit dieses Geschöpfes erfassen können ,hätte sie nie so angucken können wie ich es gerade tat. Ein lebendes Portrait schien sie zu sein. Heiliger als Maria, die Mutter Gottes, schöner als Maria Magdalena, Himmlischer als der Engel Gabriel persönlich (ich sollte noch einmal anmerken, dass zu jener Zeit Zeichnen nur im Zusammenhang mit Religion zu tun hatte. Keine Portraits, Landschaftsbilder oder ähnliches)

„Diese Kompliment, Monsieur, muss ich euch zurück geben, denn wahrlich kann sich meine Schönheit von welcher ihr immerzu redet nicht mit der eurigen Hinhalten. Wie macht ihr es nur, das eure Haar so wunderbar glänzt. Und das sich meine Augen so in den euren verlieren können?“ Ich trat einen Schritt nach vor, stellte mich neben sie und betrachtete den Mond für eine Weile. Ihr Blick lag auf mir, ich spürte es, spürte auch wie hingerissen sie von mir war, wie verliebt und ich genoss es. Wer würde es nicht genießen bewundert zu werden? Ich bewunderte sie ja auch.

Dann drehte ich mich erneut zu ihr, strich mit meiner, von dem Blut meines letzt Opfers gewärmten Hand über die Wange „Ist es denn wichtig?“ fragte ich auch wenn mir die antwort bereits bekannt war. Sie schüttelte den Kopf, sah mich an, mir einem Blick der jedes Herz hätte schmelzen können. So schön, und diese Schönheit schenkte sie mir und mir alleine.. Mein Kopf näherte sich dem Ihren, meine Hand strich ihren Hals hinunter. Ihr Herzschlag war so laut in meinen Ohren, ihr Atem so warm auf meiner Haut. Doch liebte ich sie? Nein, ich konnte sie nicht so lieben wie ich Xavier liebte. Sie war schön, es war schön geliebt zu werden. Heute ist mir dies bewusst doch damals musste ich noch lernen mit den starken Gefühlen als Vampir umzugehen und ich glaubte ich wäre in sie verliebt und deshalb küsste ich sie. Sie jedoch, sie war wirklich in mich verliebt, erwiderte ihren Kuss aufeine menschliche, heiße Art wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte, und auch darin verliebte ich mich, jedoch nicht in den Menschen dahinter...
 

„Xavier“ ich war so glücklich als ich ihn wieder sah, strahlte ihn an, wollte ihm alles berichten. „Kilian, wie war der Besuch bei Madmoiselle Faraux? Du scheinst einen angenehmen Abend verbracht zu haben“ „Tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen, Xavier. Aber der Abend war angenehm, nein er war berauschend, himmlisch“ ich ließ mich in den großenroten Sessel fallen und lächelte Xavier zu. Heute hatten wir uns einmal getrennt, er hatte darauf bestanden, wollte einen Abend in ruhe zum lesen verbringen, während ich das Leben spüren wollte. Vielleicht hatte er es auch nur getan um mir Raum zu geben, die Möglichkeit alleine Erfahrungen zu sammeln. Nun sah er von seinem Buch auf, ich erkannte das Werk Platos wieder, welches ich schon einmal in der Hand gehalten und gelesen hatte. Es war sein Lieblingsbuch. Er betrachtete mich nun mit der Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht. „Sie ist so wunderbar, und hat den Intellekt ihres Vaters geerbt, Gott sei dank die Schönheit der Mutter, eine perfekte Kombination beider Personen. Ich weiß gar nicht was mich mehr begeistert, ihre Schönheit oder die Schönheit unserer Gespräche“ „Du solltest vorsichtig sein“ antwortete Xavier ernst und widmete sich wieder seinem Buch. „Wieso? Wie meinst du das?“ „Du und sie ihr seid zwei verschiedene Arten, sie ein Mensch und du ein Kind der Nacht. Ihr seid zwei verschieden Naturen, sie christ du... du eben.“ „und?“ „Nichts. Ich möchte nur dass du dir dein Handeln gut überlegst“

Ich blieb noch einen Moment liege, schaute sie weiße Decke über meinen Kopf an. Keiner von uns sagte mehr etwas. Schließlich stand ich mit Schwung auf, schenkte Xavier noch einen Blick, welchen er jedoch zu ignorieren schien.

Warum sagte er nicht einfach was er dachte? Warum ließ er mich immer im ungewissen. Mir war zwar klar, dass er es gut meinte, doch war der sinn seiner Worte nicht ganz klar. Natürlich war ich ein Vampir, aber änderte das etwas an meinen Gefühlen? An meinem Denken? Wäre es wirklich etwas anderes wenn ich eine Mensch wäre? Nun jetzt würde ich es nie mehr erfahren. Ich war, was ich war und nichts konnte das ändern. Und das wollte ich auch nicht.
 

Die Tage vergingen, Nacht für Nacht gingen ich und Xavier die neu gewonnenen Freunde besuchen und jeder Besuch war schlichthinreißend. Xavier schien es schnell weniger zu begeistern als mich, er hatte sich nie sehr viel mit Menschen beschäftigt, hatte sie eher beobachtet und nur kurzlebige Bekanntschaften gehalten, während ich den Kontakt zu ihnen geradezu suchte. Ein Gefährliches Spiel wie er mir sagte, doch fast alles im Leben ist ein gefährliches spiel und wer nicht wagt der nicht gewinnt.

Ein Problem gab es jedoch, Madelaine wunderte sich über meine immerwährende Blässe, meine kalte Haut und nur wenn ich gerade blut getrunken hatte schien sie beruhigt. Dennoch spürte ich, dass sie etwas zu ahnen begann, sie sorgte sich um mich...

So suchte ich mir vor jedem Treffen ein Opfer, begann nach einiger Zeit sogar welche dazwischen zu schieben um sie zu beruhigen. Da wir nicht unbedingt in Spielunken unsere abende verbrachten ließ es sich auch nicht vermeiden, dass es sich bei den Opfern nicht nur um Verbrecher handelte. Zunächst natürlich schon, ich hielt mich an Xaviers Richtlinien fest, und auch unter den Reichen gab es genug Mörder und Betrüger, doch dann und wann ließ es sich nun einmal nicht umgehen, und letzten Endes hatte dch jeder Mensch irgendetwas auf dem Kerbholz. Ich beschwichtigte mein Selbst damit, dass der Tot letztlich doch jeden Heimsuchte, das es nur Zufall war, dass er in meiner Gestallt kam. Verteidigte mich vor meinem eigenen Gewissen, dass ich doch meine Schein wahren musste, dass sie nichts merken durfte, dass ich sie doch nur schützen wolle... doch es änderte nichts daran dass ich drei, manchmal sogar 4 Menschen pro Nacht tötete, und was für mich noch schlimmer war, ich liebte es. Ich genoss das Gefühl des frischen Blutes in meinen Venen, ich ertappte mich sogar bei den Gedanken, einfach so jemanden zu töten, nur um die Rausch, diesen Frieden zu erleben. Doch sofort strafte ich mich, allein der Gedanke daran war abartig, schien nicht mein eigener zu sein.

Trauer überwandt ich schnell, ich betete auch nicht mehr, dazu war nun wirklich keine Zeit wenn niemand verdacht schöpfen sollte. Ab und an dachte ich an ines Meiner Opfer, doch von Reue war kaum mehr ein Spur. Ich bedauerte sie, bedauerte ihr verscheiden und lauschte der Musik.
 

„Kilian.“ „Was mein Herzblatt?“ ihr Kopf lag auf meinem Köper, ihre zierlichn Hände spielten mit meinem Haar. „Wie lange kennen wir uns nun schon?“ ich über legte. Ein gute Frage, für Menschen schien die Zeit doch ganz anders zu fließen als für uns. „zwei Monate will ich meinen, wein Stern. Wieso?“ „Nun“ sie errötete und vergrub ich Gesicht in dem Stoff meiner Bluse. „Ich... ich liebe euch“

Ein Stille dauerte, ließ mich diesen Moment auskosten. Es war seltsam wie ich es genoss, wie ich diese Wort aufsog die Realität ihrer Gefühle welche nun ausgesprochen in mich einverleibte. So oft hatte ich diesen Moment in meinem Kopf zurecht gelegt, so oft hatte ich ìch dich auch` gesagt und sie dann geküsst. Doch nun da es soweit war machte mein Herz nicht der erwarteten Hüpfer. Es blieb wo es war. „Ich dich auch“ antwortete ich, aber ich meinte es nicht so... nach dem sie die Worte gesprochen hatte schien der Zauber verflogen zu sein... doch einfach gehen lassen, ihr Herz einfach brechen das konnte ich nicht.

Ich spürte, wie schon so oft zuvor, ihre Lippen auf den Meinen, ihr Zunge welche sich mit der meinigen zu vereinen schienen. Ich roch ihr Haar und doch roch es anders und ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. Ein Gefühl der Überlegenheit. Sie war mir verfallen, sie glaubte alles was ich ihr sagte, ich war ihre Realität geworden, sie jedoch war von mir distanziert, ich war klar im Kopf, klarer als jemals zu vor. Sie küsste nicht mehr Kilian sondern nur seine Körper, Kilian genoss nicht ihre Liebe sondern das Gefühl der Überlegenheit und erwar erschrocken über diese Gefühl. Doch war diese stimme so klein, dass er, ich sie nicht ernst nahm.

Stattdessen küsste ich sie zurück, nahm mir vor ich was ich wollte. Nahm ihre Zärtlichkeit, ihren guten glauben, Irrglauben an mich und dachte nur noch, wie dumm diese Sterbliche doch war.

Zuerst erschreckten mich selbst diese Gedanken, ich stieß sie weg als ich ihrer gewahr wurde. Hatte wirklich ich das Gedachte? „Kilian? Was hast du? Habe ich etwas falsches getan?“ verzweifelt sah sie mich an, doch ich sah sie nicht, ihr Stimme war mehr ein Rauschen aus der Ferne. Ich war zu sehr mit mir beschäftigt. Wie hatte ich so etwas denken, fühlen können? Wo war das Gefühl des Wohlfühlens an ihrer Seite? „Kilian?“ wiederholte sie „fühlt ihr euch unwohl? Kann ich etwas tun um euch zu helfen?“ „Verzeiht mich“ oder etwas in der Art nuschelte ich und rannte fort, ließ sie allein zurück..

Lange lief ich durch die Straßen der Metropole, wusste nicht was ich suchte, fand es nicht, denn was ich finden wollte gab es nur in mir selbst... und ich hatte Angst es zufinden.

Schließlich, es war kurz vor Sonnenaufgang, kehrte ich Heim. Xavier erwartete mich schon, einen undurchschaubaren Ausdruck wie immer wenn ich von einem Treffen mit Madelaine wieder kam auf seinem Gesicht. „Du warst wieder bei ihr?“ fragte er beflissen als ich eintrat. Ich antwortete nicht, hängte stumm meine Mantel auf und schritt stumm an ihm vorbei. „Was ist geschehen?“ „Wir gehen“ sagte ich bestimmend „Ich bin Paris leid, ich will mehr von der Welt sehen. Rom, oder Wien, vielleicht auch London oder noch weiter. Immer nur Paris ist langweilig“ Ein Runzeln huschte über Xaviers Stirn „Wenn es dein Wunsch ist mir nicht zu erzählen was geschehen ist-“ „Es ist nichts geschehen. Ich will mein unsterbliches Leben genießen, das ist alles“ gab ich zurück „-dann respektiere ich das natürlich. Wir müssen nur einpaar Vorbereitungen treffen, sich können wir in einer Woche Paris verlassen und-“ „nicht ein Woche, Morgen, morgen Abend, die Sachen können wir uns Nachschicken lassen. Wir fahren nach Östereich über Preußen“ bestimmte ich einfach. Xavier seufzte „Ich weiß zwar nicht was über dich gekommen ist, doch gut, du sollst deinen Willen haben. Ich dachte ohnehin nicht daran die Ewigkeit in Paris zu verbringen. Doch was ist mit deiner charmanten Freundin? Wird sie dich nicht vermissen?“ Mein Blick verfinsterte sich. Madlaine... sie wusste ja nicht was in mir vorging, ebenso wenig Xavier. Zum ersten mal in meinem Leben verheimlichte ich ihm etwas.. doch was hätte ich tun sollen? Ihm von diesem beängstigendem Gefühl erzählen? Und was wenn ich ihn dann enttäuschte? Wenn er mich abschrieb... nein das hätte ich nicht ertragen. Sicher lag es nur an dem andauernden Kontakt mit diesem Mädchen und dem Aufenthalt in Paris. Ja, sicher würde mir ein Luftwechsel gut tun...

„Das wird schon gehen, ich schreibe ihr eine Brief in dem ich alles erkläre“ 2Gut, ich hätte gerne eine Kopie von jenem, oder gedenkst du mir vielleicht noch die Gründe deines Reisewahns zu offenbaren“ ein wenig gekränkt klang er. Ich, sein Sonnenstrahl der seine Nacht erhellte, verschwieg ihm etwas... „Ich.. ich werde es dir morgen erklären“ ich fuhr mich durchs Haar „Momentan finde ich nicht die richtigen Worte, ich hoffe du verzeihst es mir Xavier, heute ist zu viel geschehen, ich muss erst alles verarbeiten“ „Nimm dir die Zeit die du brauchst“ erwiderte er. Ich nickte und begab mich in mein Gemach, in meine Sarg und genoss die Stille und das dunkel welches mich in einen sanften Schlaff einhüllte.

Es war jedoch kein traumloser schlaf, es war ein Wirrwarr aus Bildern und formen, Konturen Geräuschen und Gefühlen, nichts schien etwas mit dem andere zutun zu haben... es war nicht wie Menschen träumen, es war meine art zu träumen und sie machte keinen Sinn. Es war einfach eine Offenbarung all dessen, was sich in mir verbarg. Die Worte ich liebe Dich, ein Gefühl des Triumphes, blaue Augen die enttäuscht waren, das Lachen eine Mädchen, dann das Xaviers, ein Herzschlag. Rot, schwarz, nein wieder rot, blut das Floss, ein Fluss und darüber der Mond.
 

Der nächste Abend kam. Mein vorerst letzter Abend in Paris. Als ich erwachte, von rotem Schweiß getränkt, und mich fertig machte stand Xavier schon an der Tür. Er trug einen schwarzen samtenen Gehrock, dazu hochgeschlossene Gamaschen, das schwarze glatte Haar war hinten zusammen gebunden, was das jugendliche Erscheinungsbild nur unterstützte.

Geschwind, ohne Xavier wirklich wahrzunehmen, ergriff ich Papier und stift, begann mit meiner Nachricht an Madelaine.

Ein langer Brief, drei Seiten umfasste er. Drei Seiten der Entschuldigung, der Beteuerung, dass ich die Stadt verlassen müsse, ich nicht wisse wann ich wieder käme dass meine Gefühle für sie die gleichen waren sie aber nicht auf mich warten solle, sie solle mich lieber vergessen. Ich wusste es würde ihr das Herz brechen und in Gewisse Weise tat es mir auch Leid, doch es war schon wie am Abend zuvor, es berührte nicht meine Seele. Ich schrieb die Worte, ohne Herz und Seele, dachte nicht daran zu ihr zurück zu kehren.

„Bist du fertig?“ fragte Xavier schließlich nach einer Weile. Ich nickte „Ich muss ihn nur noch zu ihr bringen lassen. Dann brechen wir auf. Gesagt getan. Der Letzte Dienst eines userer Dienstboten war es den Brief der Madmoiselle Faraux zu überbringen, während ich und Xavier schon in der Kutsch saßen und Paris verließen.

Xavier musterte mich aufmerksam, sagte jedoch nichts. Wartete, dass ich mit ihm sprach. Wie gewöhnlich.

Eine Weile erwiderte ich seinen Blick, dann schaute ich aus dem Fenster, hinaus in die Nacht. Ich wusste nicht was zu sagen war, wie ich es ihm sagen sollte, aber etwas musste ich sagen., es sei denn ich wollte Xavier mehr verletzten als einer meiner Wutausbrüche es jemals hätte tun können.

Uch seufzte und wandte mich schließlich ab von den schwarzen Häusern die an uns vorbei Zogen, immer kleiner und weniger wurden, bis wir die Stadt verließen und nur noch gelegentlich an Bauerhöfen vorbei kam. Nur noch Felder, Wälder und die Straße vor uns.

„Ich“ begann ich und endete weder, dachte darüber nach wie ich s in geeigneten Worte packen konnte. Schließlich begriff ich selber nicht was eigentlich mit mir war....

„Ich“ wiederholte ich und sah n die klaren braunen Augen Xaviers, und ich wusste, dass ich ihn nicht anlügen konnte „Ich liebte sie nicht mehr... gestern, als sie mir sagte was sie empfand, aussprach, was ich doch eigentlich schon wusste schien der Zauber wie gebrochen. Sie war plötzlich nur noch irgendeine Sterblich. Dieses Gefühl hat mir Angst gemacht... dass ich plötzlich nichts mehr für sie Empfand... als wäre ich nicht in SIE sondern etwas anderes verliebt gewesen, etwas, dass durch diesen simplen Satz verloren gegangen war... ich weiß auch nicht wie ich es erklären soll“ ich schwieg wieder, beobachtete wieder das geschehen außerhalb der Kutsch. Ich konnte ihn nicht ansehen, denn dann hätte ich weiter geredet, hätte ihm von diesem berauschendem Gefühl der Macht erzähl welches mich in der letzten Nacht, ein Droge gleich, in seine Bann gezogen hatte. Doch das sollte er nicht wissen, nein nicht er, nicht mein geliebter schwarzer Engel. Er lachte auf. „Und dafür verlassen wir Paris? Mein lieber Kilian“ noch während der fahr stand er auf, setzte sich neben mich, strich mir, wie früher, sanft übers Haar „Kilian, du kannst nicht nach jeder verflossenen Liebe die Stadt verlassen“ er lachte wieder, lehnte sich an meine Schulter 2Ach mein lieber Kilian, mein dummer Kilian. So ist es nun einmal. Die bist ein Vampir, du kannst dich hin Sterbliche verlieben, aber nicht auf Dauer. Du bist anders als sie, denkst anders als sie. Denke nicht an den letzten Abend, sondern an jene zuvor. Mein guter Kilian“ Es war wie früher, wie wir da zusammen saßen, e, wie ein Knabe, an mich gelehnt, seine Hand liebkoste führsorglich meine Schulter. `guter Kilian` dachte ich bitte `ja guter Kilian... wenn er nur wüsste... gut dass er es nicht weiß`

Ich durfte einfach nicht daran denken, denn nur was wir denken ist für uns Wirklichkeit. Wenn etwas Vergangenheit ist, und es vergessen wird, ist es dann je passiert?

Ich beschloss einfach noch einmal von vorne beginnen, weit weg von Paris, und dieses mal würde ich auf meine Gefühle besser Acht geben. Dennoch spukte es in meinem Hinterkopf, das Gefühl der Überlegenheit und niemand konnte es wegwischen. Nicht einmal Xavier, mit seiner Seidenen Marmor Haut welche meine Hielte, nicht seine Augen in denen ich mich, wie schon so oft verlor.

Abschied

Kapitel 14
 

Wir reisten wie geplant durch Preußen, ließen uns viel Zeit. Wir passierten Hamburg, Dresden und Bremen (Anmerkung des Autors: Ja damals war es eine große Stadt >>) bis nach Österreich. Die ganze Reise kostete uns glaub ich bald 3 Jahre. Da wir die Ewigkeit auf unserer Seite hatten bestand kein Grund zur Eile. Eine Zeit schien mein Plan zu funktionieren, ich tötete nicht mehr als unbedingt nötig, hielt mich stetig an Xavier, vergaß von meine Erfahrungen in Paris und lebte ein fröhliches Leben. Noch heute erinnere ich mich gerne an jene Zeit zurück... Doch je mehr Zeit verging um so mehr spürte ich, dass etwas fehlte.

Ich ignorierte dieses Gefühl viele Jahr, in Österreich blieben wir erneut 3 Jahre, drei Jahre nur ich und Xavier auf unserer nie enden wollenden Reise. Ich dachte Xavier alleine würde mir reichen, wenn ich wollte würde ich dieses Gefühl schon los werden. Doch es funktionierte nicht.

Es gab so viel was mich von Xavier weg zog.... das erste mal war es in London glaube ich. Wir reisten schon so lange gemeinsam, schon bald 10 Jahre. 10 Jahre die ich mich selbst verleugnet hatte. Und dennoch hatte ich mich schon geändert.

Trauer beim Morden war beinahe schon ein Fremdwort für mich. Ich hatte mich daran gewöhnt. Wenn man wollte konnte man sich an alles gewöhnen, auch an das Töten von Lebewesen. Das gilt nicht nur für Vampire, sondern auch für Menschen. Wie sonst würde ein Soldat den Krieg aushalten, wie sonst könnte er nach all dem was er getan wieder heimkehren und sein Leben weiter leben?

Entgegen meiner Entscheidung redete ich wieder mit Menschen. Auch daran gewöhnte ich mich, Gewöhnte mich daran, dass sie nur ein Zeitvertreib waren, dass ich sie letztlich doch in verderben stürzte, und nur Xavier war ein Rettungsring in meine Pool der Sünden. Andererseits wuchs in mir immer mehr die Erkenntnis, dass es egal war.

Die Welt drehte sich weiter, ob dieser Bettler nun lebte oder nicht, oder auch, ob dieses Mädchen Lebte oder nicht, ob sie trauerte oder fröhlich war. Es war egal. Und so wurde es auch mir mit der Zeit egal. All die Frauen die mich liebten, die ich liebte, ihrer Zuneigung mir gegenüber willen, ihrer Schönheit oder Sprachgewandtheit willen. All die Männer die mir Zuneigung entgegenbrachten, die aufgrund ihrer köstlichen Humors, oder Einstellungen an mich heran ließ. All sie wurden von mir letztlich enttäuscht, und keiner von ihnen konnte mich einfach vergessen. Warum? Es wäre doch so viel einfacher, ich vergaß sie doch auch immer.

Xavier beobachtete mich mit zunehmender Distanz. Ob er sich vor dem fürchtete was er erschaffen hatte?

Jedes Gefühl nahm ich in mir auf, jedes, und das Gefühl der Macht, der Lust und des Wohlseins war nun einmal stärker als dass des Zornes. Ich wollte es auch nicht mehr. Ich konnte doch nicht mit jedem Menschen leiden, wie sollte mein Leben dann aussehen? Sollte ich denn nie mehr lachen? Mich nie mehr über diese Welt freuen können?

Denn hätte ich für jede meiner Sünden buße getan, hätte ich jedes negative Gefühl mit all meiner Leidenschaft ausgelebt, so wäre nicht nur um mich herum, sondern auch in meinem Herzen Ewige Nacht eingekehrt, und das war ein Opfer, das ich nicht bringen wollte, nicht bringen konnte. Denn was mich ausmachte, und immer noch ausmacht, ist doch mein Sinn für das schöne im Leben, für die Freude die einem Geschenkt werden.

Tag für Tag sterben Millionen von Menschen, werden Millionen von ihnen auf irgendeine Art gedemütigt und verletzt. Ob ich dies nun tat oder ein anderer Sterblicher. Wo war der Unterschied?

Ja so begann ich zu denken. Und Xavier blieb bei mir. Er begleitete mich, redete weiter mit mir, und nur um seiner Zuneigung wegen, um ihn nicht zu enttäuschen hielt ich mich weiter zurück,tötete nicht ohne Grund und niemanden, der es nicht verdient hätte.

Irgendwann, nach 15 Jahren, kamen wir zurück nach Paris. Den Grund dafür habe ich schon wieder vergessen, ich glaube wir waren auf der durchreise, wollten einmal nach Spanien und der geliebten Heimat einmal noch ‚Hallo’ sagen.

Madelaine Faraux und ihren Vater hatte ich schon längst vergessen. Sie war nicht mehr als ein Gespenst, welches in meinem Kopf umher spukte, ein bloßer Schatten, doch nichts reales, nichts was mich berühren könnte oder greifbar wäre. Erst als ich Zufällig die Straßen entlang ging, Xavier an meiner Seite, kam die Erinnerung zurück. Wie zufällig bogen wir in die `Rue Catalaine` ein. Alles sah noch aus wie damals. Und wir passierten ihr Haus.

Ob Xavier mich damals diese Straße entlang geführt hatte? Ob er mich daran erinnern wollte wie ich früher war, wie ich damals gefühlt hatte?

„Lange ist’s her“ sagte ich, meine blauen Augen auf das weiße Gebäude geheftet. „Ich frage mich, was aus ihr geworden ist... ob sie einen Mann geheiratet hat? Sicher lebt sie heute in diesem Haus, mit 4 Kindern und hat mich schon lange vergessen....“ das war zumindest meine Hoffnung. Verträumt starrte ich das Haus weiter an... warf Xavier eine kurzen Blick zu. Diese sah sich nicht das haus des alten Freund an, sondern mich, lächelte mich sanft an. „Du erinnerst dich also doch noch an sie.“ Sagte er ruhig. „Wie könnte ich nicht?“ fragte ich halb, jedoch nicht ernsthaft verwundert über dieser Frage. „In den letzten 16 Jahren hast du dich verändert Kilian. Du bisst nicht mehr der Junge, den ich hier unter Tränen, im Regen, in einer Gasse in Paris zu einem Vampir gemacht habe.“

Ich schwieg, schaute wieder auf das Haus. Ja ich hatte mich verändert. Aber nur zum schlechten? Wollte er mir das damit sagen? „Und? Dann habe ich mich eben verändert. Sicher bist du auch nicht mehr der, der du vor 2000 Jahren warst“ gab ich zurück. Es war ein ungewollter Angriff, aber ich sah nicht ein, wieso ich mir das von ihm anhören sollte. „Nein. Es ist auch nicht schlimm. Du solltest nur aufpassen.. Erinnere dich wer du bist, und versuche das nicht aus den Augen zu verlieren. Kilian. Du warst auf dem besten Weg ein anderer zu werden. Jemand den nichts mehr berühren kann bis auf das eigene Selbst... Kilian....“ er verstummte „Erinnere dich, warum du damals aus Paris geflohen bist. Du hattest Angst vor deine eigenen, kalten Gefühlen. Doch statt es zu verhindern hast du dich ihnen weiter hingegeben. Erinnere dich an die Angst die du damals verspürt hast. Sie ist ein Teil von dir. Zum Leben gehören auch negative Gefühle, nicht nur glück und Freude sondern auch Trauer, Angst und Leid.

Ich ließ die Worte auf einwirken. Stimmte es was er sagte? Hatte ich tatsächlich vergessen, wie man mitfühlte? Lebte ich nur noch für mich?

Nein das stimmte nicht. Ich lebte auch für ihn. Ich lachte für ihn, liebte für ihn, blieb für ihn. Wie konnte er sagen ich hätte die Fähigkeit des Mitfühlens verloren, wie konnte er sagen, ich wäre Egoistisch geworden?

Hatte er das den gesagt? Damals dachte ich so, heute weiß ich es besser. Er hat mich davor gewarnt so zu werden. Noch war ich ich, noch fühlte ich, lachte ich ehrlich. Doch ein unwiderruflicher Prozess hatte sich schon eingestellt....
 

Nun ich will euch nicht mit jedem Tag meines Lebens, mit denn leichten, kaum merklichen Veränderungen meines Wesen in den nächsten 150 Jahren behelligen. Dafür würde ein Roman nicht reichen, für würde ein sterbliches Leben nicht reichen. Ich gebe euch nun also lediglich eine kurzen Einblick in diese 150 Jahre die vergingen, seid jenem Abend in Paris.

Von Paris ging es weiter nach Madrid von Madrid nach Lissabon, wir fuhren Mit dem Schiff nach Afrika nahmen den Küsten Weg weiter mit einem Schiff zurück in die Alte Welt. In der zwischen Zeit hatte Columbus schon die neue Welt entdeckt, Luther stellte den Glauben der bekannten Welt in Frage und die ersten Revolutionen brachen aus.

Das 15te Jahrhundert mit all seinen Veränderungen brach an, was vorher noch in den Herzen der Menschen geschlafen hatte erwachte nun allmählich. Die Wecker waren die Druckerpresse, waren Menschen wie Martin Luther und Columbus. Es waren neue Errungenschaften in Technik und Wissenschaft und das Hinterfragen der Lehren Gottes.

Stimmte es was dir Kirche sagte? Stand denn irgendwo geschrieben, dass man ein ewiger Sünder war? Stand irgendwo geschrieben, dass Freibriefe eine befreiten? Nein. Und was mit all den anderen Lügen? Wie konnte man der Kirche denn noch glauben?

Abgesehen davon, dass es vor allem für die Weltliche Macht wesentlich angenehmer war. Keine Steuern an die Kirche, keine Rechtfertigungen für das eigene Handeln dem Kreuze gegen über. Ja, schnell teilte sich die Welt in zwei Mächte auf, in zwei Religionen. Die Evangelien, wie sie sich nach einiger Zeit nannten, und die Katholiken. Diese Kampf dauerte natürlich sehr lange. Während wir noch durch Rom gingen fand in England schon die erste Revolution statt. Die Monarchie wurde verdrängt und durch ein Parlament ausgetauscht, die Amerikanischen Kolonien erhoben sich gegen ihre Unterdrücker. Ein Blutige Zeit begann.

Geprägt war diese Zeit auch durch ein starkes Bewusstsein, wer man war. Natürlich gab es schon vorher Franzosen und Engländer, doch gab es eine Monarchen, dort eine Fürsten und letztlich konnte man nicht im Ländern in dem Sinne reden. Langsam jedoch etablierte sich ein Nationsbewusstsein. Wir sind Franzosen und wir sind stolz darauf.

Und ich und Xavier erlebten diese Verwandlung welche gerade mal 200 Jahre dauerte. An dem Tag da sich meine und seine Wege trennten war dieser Prozess noch nicht zu ende, im Gegenteil, er war gerade in der Mitte, begann sich wie ein Lauffeuer auszubreiten.

In den Jahren veränderte ich mich zusehends. Zwar behielt ich Xaviers Worte in meinem Gedächtnis bewahrt, doch im Herzen empfand ich sie als ungerecht und beleidigend. Ich sah den Sinn dahinter einfach nicht. Und so lebte ich weiter. Ich tötete weiter, versuchte zu trauern, doch es war mir nicht möglich. Vielleicht nur, weil ich es eigentlich nicht wollte. Ich sah es nicht mehr ein warum ich trauern sollte. Ich war was ich war. Ein Vampir. Ich tötete um zu leben. Nein, nicht nur um zu leben. Weil es mich erfüllte. Jeder tot gab mir etwas, ein Gefühl der Befriedigung und des Glückes und ich badete mich in diesem Glück. Xavier gefiel es nicht wie ich mich entwickelte. Doch ich, ich liebte es. Das Leben hatte sich mir erschlossen. Ich konnte endlich Leben, frei, so wie ich es wollte und nichts konnte mich aufhalten! Ich war der wind in den Straßen, ich war das Dunkel, vor dem sich die Menschen Fürchteten. Ich war ein süßer, unberechenbarer Tot.

Sie können sich nicht vorstellen wie dieses Gefühl war. Frei. Nicht einmal ein Gewissen, dass mich an seine Ketten band. Einfach frei. Genau dass was ich immergewünscht hatte, frei wie die Vögel im Wind. Gehen wohin ich wollte, tun was mir beliebte.
 

Eines Nachts. Es war in einem Dorf unweit der Provence, nicht weit von der alten Grafschaft Xaviers entfernt. Das Dorf hieß St. Etienne les Ourges, machten wir eine Rast.

Kein Stern leuchtete am Himmel, kein wind vermochte die Frühlingsknospen der Bäume und Blumen zu berühren.

Ein Bach floss nicht weit von hier, einige Bauernhäuser standen etwas Abseits des eigentlichen Dorfkernes.... Ich sah mich um. Etwas schien mir vertraut an diesem Ort, als wäre ich in einem Traum schon einmal hier gewesen. Sinnend ging ich durch die Gassen, getrunken hatte ich schon, einen Streuner, ein Wegelagerer, der erst vor kurzem einen Kaufmann nicht nur um sein Geld, sondern auch sein Leben erleichtert hatte.

Xavier schritt neben mir. „Xavier wo sind wir?“ fragte ich schließlich. Er hatte beschlossen in diesem Dorf erst zu machen, er hatte die route bestimmt. Sicher hatte es eine Bewandtnis, dass er mich hier hergebracht hatte. „Erkennst du es?“ ertönte seine sanft, warme , ruhige Stimme. Immer noch dieselbe ruhige stimme wie vor 150 Jahren. Doch mein Blick auf ihm war nicht mehr so warm wie Damals. In letzter zeit war ich ihm oft aus dem Weg gegangen, wollte seinen klagenden Blick nicht spüren, wollte nicht hören was er zu sagen hatte. Heute würde ich nicht drum herum kommen.

Ich seufzte und schenkte ihm ein kaltes Lächeln 2Wird das wieder eine Lektion? Glaubst du nicht, nach 160 Jahren, dass ich alt genug bin? Dass du mich nicht mehr erziehen musst?“ fragte ich halb gelangweilt, halb anklagend.

Mir kam es so vor, als habe Xavier sich verändert, nicht ich. In meinen Augen war ich noch der selbe, doch er schien mich einfach nicht mehr so zu verstehen wie früher. Darauf schob ich es, dass wir uns verloren hatten. Freunde waren wir noch immer, ja. Von Zeit zu Zeit redeten wir, gingen gemeinsam in die Oper, doch war all die Tiefe, die uns verbunden verloren gegangen. „Ich muss mit dir reden Kilian“ sagte er in einer tief traurigen Stimme, die ich bei ihm schon lange nicht mehr vernommen hatte. Sie erschreckte mich. Immer wenn er mit mir zusammen gewesen war, war er frohen Mutes gewesen, seine Melancholie, die mir aus meinen Jugend Tagen, ehe ich zu dem wurde was ich nun war, war verschwunden doch in diesem Augenblick fühlte ich mich beinahe wieder wie damals. Machte mir sorgen, fragte mich mit klammen Herz was vorgefallen war, spürte einmal noch wie mein Herz in Liebe und sorge um ihn aufflammte. „Xavier. Du kannst mir alles erzählen was auf deinem Herzen liegt. Xavier das weißt du“ Er nickte. „Ich weiß. Und ich weiß, dass es dich auch kümmert. Für 5 Minuten, vielleicht sogar einen Tag, und dass es dann Vergangenheit ist....“ „Xavier was sagst du da? Als wärst du mir egal, du-„ Ich weiß“ unterbrach er mich „Ich weiß das ich dir ein teuerer Freund und Gefährte bin. Doch ich ertrage es nicht länger. Kilian ich ertrage nicht länger. Du weißt Gar nicht was du mir in den letzt Jahren angetan hast. Du hast meinen Rat nicht befolgt, du bist kalt geworden Kilian, so kalt, dass nicht einmal ich dich noch erreichen kann. Nicht dauerhaft zumindest. Du lebst für dich, du sammelst Erfahrungen, bewunderst die Welt, tötest, und genießt es, Glaubst du ich sehe nicht das Funkeln in deinen Augen nach einem Mord? Das erste mal als du töten musstest, das hast du Tränen vergossen. Echte Tränen, nichts von deinem Schauspiel, dass du jetzt ab und an für die Menschen, oder mich abziehst. Und damals dachte ich. Ja. Es war kein Fehler ihn jetzt schon zum Vampir zu machen. Er kann sich seine Menschlichkeit dennoch bewahren. Und jetzt muss ich mit meinem Irrtum leben. Ich gebe dir nicht die Schuld, sondern mir. Jeder braucht seine Zeit, auch du. Ich hätte noch warten Müssen, hätte dich noch Menschlicher werden lassen müssen, doch ich war dumm, und ich war Einsam. Endlich hatte ich meine Gefährten gefunden, un ich konnte ihn nicht so leiden sehen. Ich schenkte dir das Ewige Leben, und jetzt bist du das hier.“ Ich lauschte gebannt seinen Worten. Doch wie sehr berührten sie mich? Ein kleiner stich wenn er mich kritisierte, ein kleiner, wenn er von seinem Leid klagte. Ein wenig Wut, die ich jedoch nicht zeigte. Mehr nicht. Ja ich war kalt, und es machte mir nichts aus. Ich konnte immer noch Freude und Lust und Spaß empfinden. Ich sah nicht was Xavier daran auszusetzen hatte „Dies ist nicht irgendein Dorf. Ich musste dich hier her bringen und es dir hier sagen. Dies ist dein Heimat Dorf Hier war dein Leben, Jacques“ Mein Blick verdüsterte sich und ich sah mich noch einmal um. Tatsächlich mein Dorf“ Dort hinten stand unsere Farm, inzwischen neu aufgebaut, doch noch immer an seinem alten Fleck! Die alte Weide an der ich als Junge geklettert war und ein vielfaches größer, das Bächlein floss unbehelligt seinen Weg, als wäre nicht ein Tag vergangen seid ich in gespielt hatte. „Ich musste es dir hier sagen. Denn dort wo es angefangen hat wird es nun auch aufhören“

Ich konnte meine Ohren nicht trauen, wollte nicht wahrhaben, was mein Erschaffer das gerade gesagt hatte. „Xavier was...?“ „Genau was ich eben gesagt habe. Es ist an der Zeit dich gehen zu lassen. Du willst Freiheit, um jeden Preis. Nun gut die sollst du haben. Ich kann dich nicht für immer an mich binden. Außerdem ist von dem Kilian den ich einst von hier mitgenommen, den ich großgezogen habe und geliebt habe kaum mehr etwas übrig. Ich will nicht mit ansehen müssen wie auch der letzte Funken Licht in dir erlischt. Kilian. Es ist die zeit des Abschieds gekommen.“

Eine Flamme war in mir entwacht. Ein Flamme des Zorns, der Trauer, des Frusts und der Verständnislosigkeit „Was?“ fragte ich empört. „Ich bin noch immer ich! Bringe ich dich nicht mehr zum Lachen? Haben wir nicht noch immer fantastische Diskussionen über Gott und die welt? Teilen wir nicht die selben Interessen und leben das selbe Leben?“ „Oh und wie du mich zum Lachen bringst Kilian. Dein Humor ist sprühend und erquickend, das schätzen auch all die sterbliche an dir. Genauso deine Einstellungen, deine Wortgewandtheit und die Gespräche mit dir sind immer wieder eine Freude für Ohr und Gehirn.“ „Warum willst du dann gehen?“ unterbracht ich ihn aufgebracht, wütend. „Doch“ er sprachweiter als hätte er meine Satz nicht gehört „doch leben wir schon lange nicht mehr das selbe Leben. Es gibt viele Menschen mit Charme, auch viele Vampire. Diskussionen kann ich mit jedem haben, doch nur mit dir hatte ich mein Herz teilen können. Ich werde für immer mit Freude auf die vergangene Zeit zurück schauen, Kilian, doch aus den vorher genannten Gründen kann ich nicht mehr mit dir Reisen. Kilian ich hoffe, ich bete inständig, dass dir jemand dein Menschliches Herz zurück geben wird, und dass wir uns dann wieder sehen. Bis dahin hoffe ich, dass du noch viel über dich, die Menschen und die Welt in der wir leben lernst. Es ist nun Zeit zu gehen“

Mit diesen Worten drehte er sich um. Er wartete nicht einmal eine Antwort von mir ab, ließ mich einfach, mit dieser tiefen, klaffenden und in meinem Herzen stehen und verschwand in die Nacht.

Wie lang ich wohl so stand -10, 20 Minuten- bis ich auf die Knie Sank und zu schluchzen begann. Ich weinte, aus tiefster Seele heraus weinte ich, schrie ich, zerrissen zwischen dem Schmerz den der abschied meines Geliebten mit sich brachte, und der Wut seinen ungerechten Worten gegen über.

Rote Linien über zogen mein Gesicht, vielen auf den erdigen Boden, nur mein Schluchzen erfüllte sie Nacht. Träne um Träne, und nichts was sie hätte stoppen. Können. Sid über 100 Jahren hatte ich keine Träne Mehr vergossen, und von jenem Tage an habe ich auch hundert Jahre wieder keine Tränen gekannt.

Ich suchte mir, irgendwann, im letzten Moment, ein Quartier. Xavier war schon fort, wurde mir berichtet. Ein Kutsch stand bereit, mein Sarg war in einem schon bezahlten kaum. Ohne den Worten große Beachtung zu schenken ging ich, mit leerem Gesicht, mit leerem Kopf in diesen Zimmer, legte mich stumm in den Sarg.

Mit Xaviers verschwinden schien etwas in mir gestorben. Auch der letzt gute Wille war erloschen, auch der letzte Funken, der mich daran erinnerte hatte wie ich sein sollte war fort. Nun war ich frei. Ja. Doch hatte sich Xavier überlegt zu welchem Preis?

Eine Woche fast war nicht der Alte. Ich blieb in dem Dorf welches einst meine Heimat gewesen war. Keine Tropfen nahm ich zu mir. Wortlos streifte ich durch die alt vertraute Landschaft, wie durch einen Traum. Ich erkannte die Scheune in der ich damals die Schubkarre einfach hingeschmissen, ich erkannte den Baum, dann dem früher die Liesel immer Märchen vorgelesen hatte, und dort war die Mühle zu der mein großer Bruder immer das Korn gebracht hatte. Es schien als wäre hier die Zeit stehen geblieben.

Doch das war nicht das Ende von Kilian. Nein, sicher nicht wegen den dummen, selbst gerechten Worten Xaviers! Ich? Mich verändert? Vielleicht, aber die Welt doch genauso. Ich passte mich ihr doch nur an. Er mochte sagen was er wollte. Eigentlich war es doch auch ganz gut so. Ja je mehr Zeit verging um so überzeugter wurde ich davon. Kein Xavier mehr auf den ich Rücksicht nehmen musste, ich konnte nun wirklich tun und lassen, was ich wollte.

Ein neuer Lebensgeist war in mir geweckt als ich das Dorf und mit ihm meine Vergangenheit hinter mich ließ.

Ein weiteres Kapitel in meinem Leben war abgeschlossen und ein neues würde in nicht allzu ferner Zukunft beginnen....

Schicksal

Kapitel 15
 

Die Frau sah ihn, fasziniert von seinem Erscheinungsbild an. Sie konnte nicht definieren was es war, vielleicht diese funkelnden blauen Augen, vielleicht diese weiße glatte Haut, oder das blonde lockige Haar welches das licht auf diese seltsame Art und weise brach, aber sie konnte seinem Bann nicht widerstehen.

Gerade heute hatte sie sich doch verlobt, ihr Freund war so nett, so zärtlich aber er hier... nun jemanden kennen lernen war sicher nicht verboten.

Diese blaue Augen, sie schienen das Ganze Licht der Welt auf zu saugen, und nun sah er genau in die ihren, und es schien ihr, als hätte ihr Herz für diesen einen Augenblick, da sich ihre blicke getroffen hatten ausgesetzt. Was war das? Dieses Gefühl...? Halb verlangen, halb Angst, halb Leidenschaft, halb Panik,. Als ob etwas in ihr sich dagegen werte zu ihm zu gehen, und doch konnte sie dem Drang nicht wieder stehen. Schritt für schritt kam sie ihm näher, der weite rote Rock wehte sanft, berührten ihre Knöcheln kaum merklich, und schließlich stand sie vor ihm.

„Ich habe, auf euch gewartet“ sagte der Mann höflich und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, ohne jedoch seine Zähne zu entblößen. Sie errötete, schon bei ihrem Verlobten war sie immer errötet, doch bei diesem Fremden... die zarten behandschuhten Hände des Jünglings ergriffen ihre warmen, lebenden Finger, der Mund küsst sie, als er einer Verbeugung machte, direkt auf den goldenen Verlobungsring. Ein Schauer lief ihr bei dieser Berührung über den Rücke, und es gefiel ihr. Dieses Lächeln.... sie schwieg, unfähig etwas auf seine Begrüßung zu erwidern, und sie war ihm erlegen, konnte sich nicht mehr wehren. Wie leicht es doch war, wie einfach solch zarte Wesen zu bezaubern, ein Genuss.

„Kommt“ die stimme Klan in ihr, wie aus ferne, als sei all dies nicht Real, sondern ein Traum und sie folgte seinem Klang, so wohlig warm war er, fast wie eine Lied, nur für sie komponiert.

Nur einige Schritte Später fand sie sich in einer Gasse wieder, kein Menschliches Auge würde sie hier finden, auch nicht ihr verlobter, doch daran dachte sie nicht mehr, und hätten sie auf dem Marktplatz gestanden, es wäre ihr wahrscheinlich egal gewesen, alles außer ihm war aus ihrem Kopf verband. „Ruhig“ er strich ihr sanft über die warme Haut, so kalt die Finger und doch so betörend, Das blut pulsierte, floss durch ihre Ader, immer schneller wie das kühle Wasser in einem Bergbach, nur war es heiß..

Sein Gesicht war nahe dem ihrigen, so dass sie sich und seinen magischen Augen spiegeln konnte, sie spürte seinen Atem, sah die roten Lippen vor sich, immer heißer, unerträglich und doch so berauschen „Schließ die Augen Ma chére“ Dunkelheit als die Lider zu vielen. Seine Hand an ihrer Hüfte, wie ein elektrischer Schock durch fuhr es, sie stöhnte, halb aus furcht vor dem was kommen würde, halb aus Entzückung aus dieser Trance heraus. Ihre Beine drohten nachzugeben, doch er hielt sie, seine Starken Arme hielten sie umschlungen und seine Lippen flogen über ihren Handrücken hinauf, über die Arme, ihr Körper spannte sich an, Der wie Brüste hoben und senkten sich berührten seinen kalten starren Brustkorb, immer schneller, unregelmäßiger, er konnte sie Atmen hören,. Die Schulter hatte er erreicht „entspann dich, ma chére, es wird nicht weh tun“ er lächelte, und seine Zähne blitzen im Licht des Mondes magisch auf, doch sie sah es nicht, konnte sich nicht gegen ihr Schicksaal wehren. 8 Minuten bis zur Vorstellung...

Seine andere Hand wanderte beruhigen über ihre Wangenpartie, er konnte das Leben in ihr Förmlich spüren, sah durch seine unsterblichen Augen wie das Blut in ihren Adern pulsierte, roch das Laben, welches aus ihr heraus strömte, und welches seinen Hunger nur mehr entfachte. Diese rosigen Wangen, die vollen Lippen welche vor Entzückung bebten.

Und da war sie, am Schlanken Hals der Frau, sie pulsierte, mit jedem Schlag dieses kleinen sterblichen Herzens stieß es Blut durch die Adern in den Kopf, ins Gehirn. Er küsste sie erneut sanft auf die Schulter, knöpfte die Blue, den Kragen auf.

Seine spitzen weißen Zähne bohrten sich durch das rosige Fleisch, kochend heißes Blut beätzte seine Zunge, und sie merkte es nicht einmal, hielt das alles nur für den innigsten Kuss welche sie je hatte erfahren dürfen. Noch schneller pulsierte es, immer schneller der Herzschlag nahm immens zu, und zunächst schien es als wolle es nie aufhören zu schlagen. Doch schon nach wenigen Schlucken, ihr Herzen schlugen nun beinahe im Einklang, ließ es nach, wurde schwächer, die Lebenskraft verschwand, die Haut wurde Kalt. Es blieb nur einige leere Hülle, ein Leiche ohne Namen, eine von vielen.

Kilian legte sie sanft auf den Boden und strich ihr liebe voll eine Strähne welche sich aus der Frisur gelöst hatte aus dem Gesicht. Sie lag da, steif, kalt, wie ein gefrorener Engel. „Gute Nacht, ma chére“ flüsterte er, ihr ins Ohr, löste seine rote Rose aus dem Revers und legte sie auf den leblosen Körper, nachdem er ihr Ticket entwendete „Loge, Reihe 6. Merci Beaucoup. er lachte, sein Lieblings Platz.....
 

Anschließend fuhr ich mir durchs Haar, das schwarze Seidenband hatte sich gelöst so das meine Locken und in voller Pracht herab fielen, meine Haut hatte eine rosige Farbe angenommen, das Leben dieser Frau pulsierte nun in meinen Adern, und ich genoss es, und niemand bemerkte etwas, als ich ins Licht hinaus trat und die Treppen zur Oper hinauf stieg. Eine Karte in seiner Hand und ein Lächeln auf den nun rosigen Lippen.

Ich war wieder daheim, in Paris, dass was ich am ehesten meine Heimat nennen würde. Erneute 150 Jahre nach meinem letzten Treffen mit Xavier in St. Etienne les Ourges. Vielleicht aus einer Laune heraus, vielleicht um mich für immer an meine Heimat und mein letztes Gespräch mit meinem Erschaffer zu erinnern nannte ich mich fort an so mit Nachnahmen. Mein Vermögen hatte sich beträchtlich vermährt, mein wissen über die Welt, Literatur und Kunst eben so. Ja die Renaissance war ein vorzügliches Zeitalter gewesen, Kunst konnte sich entfalten, wurde nicht mehr von den Ketten der Kirche gehalten. Das selbe alt für Literatur und ähnliches. Und heute würde ich in eines meiner Lieblingsstücke, ‚Viel Lärm um nichts’ von Shakespeare gehen. Ein wirklich viel versprechender Abend hatte begonnen. Wie schon so oft mit einem Mord.
 

Ich stieg die Stufen der ‚Opéra populaire’ empor. Ein wunderbares Gebäude, ein Meister werk der Architektur. Namen berühmter Künstler und Komponisten, so wie deren Antlitz war in der großen weißen Wand eingearbeitet, die goldenen Statuen zweier Engel reflektierten das schwache Licht der Petroleum Lampen, welche dem nächtlichen Paris Licht spenden Sollte. Nur noch wenige Schritte trennten mich von den verheißungsvollen, fein gearbeiteten Holztüren als ich etwas spürte.

Mein Blick glitt über die Menschen Masse die sich, so kurz vor beginn der Oper versammelt hatten. Ich spürte eine Aura… es mussten sich zwei Außergewöhnliche Menschen in dieser Masse befinden. Eine, so tief schwarz wie die Nacht selbst, eine, die nur durch ein Licht sich vor diesem dunklen Meer retten konnte. Die andere war dieses Licht, und es schien sich auch in mein Herz einnisten zu wollen, obwohl ich es doch gar nicht kannte. Woher kamen diese Personen. Wer waren sie?

Und dann trafen sich unsere Blicke.

Meeres blaue Augen, das braune, je Zedern farbenes Haar in leichten Wellen, die Bewegung fließend wie der Wind. Sie hielt die Hand eine Jünglings, er hatte ebenso dunkles Haar jedoch waren seine, ebenso blauen Augen, finster sahen sie ernst an, während ihre zu strahlen schienen.

Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass ihre Schönheit durch die graue, triste Kluft der Mittelschicht getrübt wurde. Sie schien wie eine Rose in einem Verwilderten Garten zu sein, ihr Bruder, ich war mir sicher, dass der Junge Herr neben ihr, ihr Bruder war, waren die Dornen an ihrem Stiel…

Gerade hatte ich etwas getrunken, was bedeutete, dass meine Kräfte auf ihrem Höhepunkt waren. Ich hielt die beiden in meinem Blickfeld, Konzentrierte mich. Das Crescendo der Geräusche schien sich zu vermengen, schienen zu einem surren zu vermengen, nur doch sie und er waren vor meinen Augen . Ich hörte ihren Atem, ihren Puls, das Rauschen des Blutes in ihren Adern. „Was willst du? Es ist unmöglich ihn unter diesen Menschenmassen zu erkennen“ glasklar war ihre Stimme, übertönte die Geräusche um sich herum. Noch hatte sie mich nicht bemerkt… „Das denkst du. Eine Bestie kann sich nicht unter Menschen verstecken. Den werden wir schon erkennen“ Er dachte an einen Vampir.

Am liebsten wäre ich in Lachen ausgebrochen. Es war zu albern. Vampire lebten doch allesamt unter –Menschen und kaum einer erkannte sie. Sicher hatte selbst dieser Junge schon mehr Vampire getroffen als er glaubte und war von ihnen geblendet worden. Das interessante war jedoch, DASS die beiden anscheinend von der Existenz meiner Art wussten. Interessiert verfolgte ich nun mehr wie sich die Lage weiter entwickelte. Der Junge interessierte mich dabei recht wenig, nur, dass er von der Schönheit begleitet wurde machte ihn interessant.

„Christian" gab sie klagend zurück. "Christine. Du musst das verstehen. Vielleicht war er es der…na du weißt schon. "Verstehst du warum ich das tue. Ich will dich doch nur beschützen." Er umarmte sie brüderlich und sie ließ es geschehen. Genoss die starke Umarmung ihres Bruders.

Herzzerreißend diese Szene.

Ich musste Lächeln. Der groß verbitterte Bruder welcher seine Schwester vor dem bösen Ungeheuer beschützen musste. Sie, sein Licht in der Dunkelheit welches ihn aus seinem Hass den Wegleuchtete. Sein Juwel, welches er vor dem Schrecken der Welt beschützen wollte. Vor mir, Kilian.

Zu entzückend, wie sie sich umarmten, Geschwister Liebe, nichts was sie trennen konnte... Sterbliche, dabei gab es noch schlimmeres als Vampire auf dieser Welt. Schlimmeres, vor welchem er sie nicht beschützen konnte. Krieg, Krankheit, Armut. All das griff nach ihnen, mit seinen unwiderstehlichen Klauen, und wie gedachte dieser Junge sie davor zu bewahren? Er und sie, allein in dieser großen Stadt. Es gab nicht nur die unmenschlichen Wesen der Nacht, die sie fürchten mussten, nein, Sterbliche konnten tückischer und gefährlicher sein als jeder Vampir...

Ich trat einige Schritt auf sie zu, unauffällig, langsam, in der Manier der Menschen welche mich umgaben, sah dem Mädchen in die Augen, obwohl es nur Zufall sein konnte, oder auch nicht? Sie sah mich, für ihren Bruder jedoch blieb ich unsichtbar, und das war Absicht. Es war mein Wille, dass sie mich sehen sollte.

Es gab viel von Hass zerfressene Menschen auf der Welt, Menschen die Nur Rache kannte, doch wie viele Menschen hatten dieses Leuchten? Nein sie hatte erstmal nichts zu befürchten. Erstmal.

Sie sah ihn, ihr Augen schienen einen Moment zu leuchten und ein Lächeln schien ihre zarten Roten Lippen zu umspielen. Wie oft hatte ich dies schon erreicht, wie viele Frauen hatten mir schon nach einem Blick zu gelächelt.

Sie war verwirrt, ich spürte es, konnte es quasi in ihren Gedanken lesen. Sie war verwirrt, verzaubert von den blauen Augen die sie ihr Leid vergessen ließen.

Ja das Spiel hatte begonnen.

Auch ihr Bruder wandte sich nun um, warf mir einen kritischen Blick, der allein schon alles sagte, zu. Allein schon die Tatsache dass ein Mann seine Schwester an sah schien in seinen Augen ein Sakrilik und sein. „Gehen wir nach Hause“ sagte er zu seiner Schwester, nahm sie an den Arm und drehte sie von mir weg.

Es war egal, mein Bild hatte sich in ihrem Geist eingeprägt. Für einen Moment hatte sie ihren Bruder vergessen und nur Augen für ihn gehabt, und damit war der erste Zug in diesem Spiel getan.

„Christine... Ich hab noch etwas zu erledigen“ fiel es dem Bruder dann plötzlich ein, Er sah sich noch einmal um, doch für ihn war ich verschwunden, auch wenn ich weder ihn, noch seine Schwester je aus den Augen ließ „Kein Problem, wir haben doch Zeit“ erwiderte sein Schwester mit einem Lächeln auf den Lippen. Es wurde flüchtig erwidert. Nicht ehrlich, eher, weil erwartet wurde, dass sie es erwartete. Die Hand strich ihr über das Lockige Haar „Dass ist nichts für dich“ sagte er sanft. Einen Moment sahen sie sich in die Augen, als hielten sie ein stummes Gespräch, er ernst, sie gutmütig, etwas enttäuscht. Sie taten doch alles gemeinsam... sie gehörten doch zusammen, wenn sie etwas Gefährliches unternahm war er bei ihr, warum durfte sie nicht hierbei sein? Doch wie er sie so ansah „Es wird dich ohnehin nicht interessieren“ fuhr er schließlich fort „Nur Geschäftliches Ich komme auch bald wieder... Also tu mir den Gefallen und geh nach Hause ja?“ Mit einem Nicken signalisierte Christine ihr Verstehen und Einverständnis. Wenn ihr Bruder sie bat zu gehen so würde die ohne zu fragen folgen...

Ich schüttelte den Kopf... so ein Verschwendung. Sie war so schön, sie hatte soviel Potenzial, soviel zu bieten und hatte in den 17 Jahren diese auf der erde wandelte noch kein eigenes Leben führen dürfen. Was für eine Verschwendung... ob ihr Bruder auch nur ahnte was der diesem Geschöpf antat?

Sie war wie ein Kerze, eine Kerze die für ihren Bruder schien, versuchte ihm den Weg ins Licht zu zeigen, doch dieser nahm das Licht mit in die immer tiefer werdende Nacht seiner Seele welche aus seinem hass, seiner Wut und Trauer her rührte. Doch je weiter er sie mitnahm umso weniger Sauerstoff ließ er ihr, umso kleiner Wurde die Flamme, bis sie schließlich ganz erlöschen musste...

Es wäre so schade, ein so interessantes Forschungsobjekt würde ich sicher nicht so schnell wieder finden, Sie war etwas besonderes, eine Sterbliche mit Charakter, ein Diamant unter Kieselsteinen. Und für mich machte ihr Bruder und ihre Bindung zu ihm nur noch interessanter.

Wie weit würde sie gehen? Wie weit würde sie ihrem Bruder gegenüber gehen? Beide waren überzeugt, dass das Band was sie band für immer bleiben würde, dass das Schicksal einen Knoten gebunden hatte, den niemand zu lösen vermochte, gleich dem Gordischen Knoten. Doch auch dieser war nicht mehr, und Kilian war Alexander der Größe, er hatte ein Schwert und würde mit diesem diesen unlösbaren Gordischenknoten mit dem meinem, mit Worten und Gesten, lösen.

(Anmerkung der Autors: Für Die, die es nicht wissen: Die Geschichte des Gordischen Konten geht etwa wie folgt: In einem Land (Name weiß ich nicht mehr) wurde ein Gesetz auf gestellt. Derjenige, der den besagten Gordischen Knoten lösen kann würde König über das Land werden. Keiner war dieser Aufgabe gewachsen bis dann Alexander mit seinem Schwert kam und es einfach durchschnitt und somit König über dieses Land wurde)
 

Man drückte sich noch einmal Kurz, dann drehte sich der Junge um, ließ seine Schwester alleine zurück. Diese stand da, sah ihrem Herzblatt nach, bis er in den Menschenmassen verschwunden war.

Mit einem Seufzen, welches wie eine helles silberne Glocke übe das Crescendo oder Massen

An mein Ohr drang, drehte sich, versuchte sich in ihrem dreckigen Arbeitskleid an den Reichen vorbei zu drängen.

Lautes Geschnatter und Lachen, niemand der diesem Mädchen mehr als einen verächtlichen Blick schenkte, hier und da vielleicht ein kurzes Mitleid, dass jedoch schnell verdrängt wurde, die meisten sahen jedoch einfach nicht hin. Wenn man nichts in der perfekten Welt sah, nichts was einem Zeigte wie unvollkommen diese Traumwelt war, so blieb sie Perfekt. Ein Schandfleck wie dieses Waisenkind gab es in der Welt dieser Menschen nicht, und sie wollten ihn auch nicht auf ihrer weißen weste haben.

Zielstrebig steuerte sich auf sie zu, wie zufällig kreuzte ich ihren Weg, trat genau in dem Moment einen schritt nach vorne als sie stolperte und gegen mich viel „Oh verzeiht Monsieur“ beteuerte sie sofort bestürzt, schon damit rechnend gescholten zu werden. Ein sanftes, falsches Lächeln legte sich über meine rosigen Lippen „Nicht doch Mademoiselle, ich habe mich zu entschuldigen“ war meine, für sie unerwartete Antwort.

Verwirrt und erleichtert sah sie auf, strahlte von einem Ohr zum anderen „Zu Gütig...“ sie verstummte, sah mich halb verwundert an, ach ich sah sie stumm, mit einem freundlichen warmen Lächeln an. Sie erkannte die blauen Augen die sie eben schon gefesselt hatten. „Habe ich etwas im Gesicht?“ scherzte ich schließlich. Wie aus einer Versteinerung oder einem schönen Traum erwacht schüttelte sie ihr Haupt, so dass die langen braunen Locken sich sacht hin und her wogen „Mit Nichten Monsieur. Ich...“ sie errötete „Es ist nichts“

So schnell konnte man sie aus der Fassung bringen, zwei Nette Worte, ein Scherz, ein Lächeln. Sterbliche, in gewisser Weise ähnelte sie ihnen doch, aber in anderer...

Ich nahm ihre Hand, was sie Zusammenzucken ließ, küsste diese, wie ein Gentleman es zur Begrüßung der Damen zu tun pflegt, auf den Handrücken, behandelte sie, als wäre sie von selben Stande wie ich, als würde ich die abgetragenen Kleider nicht bemerken, als sähe ich nicht den Schmutz der sich im Laufe des Tages angesammelt hatte nicht, bemerkte ich nicht die Flicken auf ihrem Kleid.

Charmante Mädchenröte war in ihre Wangen geschossen, und ihre Augen schossen flüchtig wieder nach oben, scheu wie die eines Rehs, und richteten sich schnell wieder auf die Erde. „Darf ich euren Namen erfahren?“ sagte ich schließlich nach einer Weile. „Christine, Monsieur“ kam abrupt die antwort „Christine fils du dégel“

Ich streckte meine Rechte Hand aus, berührte sie am Kinn und zog es nach oben, so dass sie mich ansehen musste „Eis Gesicht wie das eure sollte nicht nur den Boden mit seiner Schönheit beglücken“ sagte ich lachend „Also, Christine, mein Name lautet Kilian du St. Etienne le Ourges.“ Die großen blauen Augen starrten mich zum Teil verlegen, zum Teil begeistert zum Teil neugierig an, wichen meinem Blick jedoch nicht mehr aus, schienen sich in meine Augen zu verlieren. „Hocherfreut Monsieur du St Etienne Les Ourges“ sie machte einen Knicks, eine Geste die aus den Kindertagen ohne dass sie es bewusst wahrgenommen hätte, hängen geblieben war. Ja, sie war adelig, das wer wusste man sofort, spätestens durch den Nachnamen. Fils du Dégel. Es war ein sehr berühmtes Adels Geschlecht gewesen, angeblich sogar über hundert Ecken mit dem Königshaus verwandt und mit diesem auf guten Fuß. Doch dann ereignete sich dieses Malheur... niemand, so hatte es geheißen, hätte überlebt. Nun so gut forschten die Leute nach, denn hier stand der lebende Beweis dieses Irrtums.

„Kilian, es ist auch kürzer“ antwortete ich scherzend „Denn nennt mich auch bitte Christine“ „Gerne, Christine.“

Einen Moment überlegte ich, sie einfach ziehen lassen war ausgeschlossen doch.. Meine Linke Hand ging in die Jackentasche in welcher noch immer zwei Karten für die Vorstellung waren... sicher wartete der Verlobte verzweifelt auf seine zukünftige Frau, doch diese hatte ein anderes Date, tanzte mit dem Tot ihren letzten Tanz und das nicht auf ihrer Hochzeit...

„Christine, ich würde mich gerne für meine Unvorsicht entschuldigen“ die Karte wurde gezückt „Würdet ihr mir die ehre erweisen mich zu Begleiten? Die Vorstellung beginnt in wenigen Minuten und mir fehlt noch eine Begleitung, und dieser Karte fehlt ein Besitzer“ Wieder errötete sie und schüttelte heftigst den Kopf, schob die Karte fort „N-nein“ begann sie stotternd, überwältigt von meiner Freundlichkeit, von der Offenheit und der unverhofften Einladung „Ich... ich will nicht unhöflich erscheinen doch...“ schon alleine ihr Kleid war kaum halb so viel wert wie diese Karte. Sie war aus der Gosse ich aus einer Villa, sie in Fetzen, ich in einem Anzug. Außerdem hatte sie es ihrem Bruder versprochen.

Ich behandelte sie wie er jede Dame behandelte, vielleicht war es das, was sie zögern ließ, was sie die Bitte nicht gleich und entschieden ablehnen ließ. Ja ich behandelte stets alle gleich, vor mir waren sie nicht unterschiedlich, zumindest nicht in ihren Herzen. Ob Bauer oder Bettler, ob Arm oder Adel ob heiliger oder Sünder, es war mir einerlei. Innen drin waren sich alle Menschen ähnlich, natürlich gab es unterschiede, verhalten Äußeres, Ansichten, Gedanken, dennoch blieben sie Menschen, und jeder Mensch hatte Geheimnisse. Jeder Mensch hatte eine dunkle Seite, oft versucht er sie zu verbergen, weil er Angst vor ihr hat, weil er sie hinter der Maske des Heiligen versteckt, weil er sie nicht kennt. Nur wenige tragen sie ganz offen, einfach so, ohne Rechtfertigungen anderen gegenüber, oder sich selbst gegenüber. Ja selbst diese zarte Rose die vor mir stand, Das Gesicht in Mädchen röte gehüllt, halb misstrauisch, halb neugierig, selbst sie hatte irgendwo diese dunkle Seite. Momentan hatte jedoch freilich das reine Herz der fürsorglichen, bescheidneen die Oberhand.

Doch da war auch etwas, das gegen diese Entscheidung kämpfte, eine innere Stimme in ihr, erst ein kaum hörbares flüstern, nun ein rufen. Wie sehr sie sich nach einem Besuch im Theater sehnte!

Wie sehr sie sich nach einem Leben sehnte…

„Ich habe zwei Karten, jedoch brauche ich nur eine. Was soll ich mit der anderen? Wenn es euch lieber ist werfe ich sie weg und ihr findet sie, so braucht ihr nicht zu glauben ihr wäret mir etwas schuldigen“ Ein Lachen entrann ihrer Kehle „So gesehen...“ sie räusperte sich sah zu mir empor, lächelte mich so fröhlich an, dass es einem das Herz erwärmen konnte.

„Lasst mich euch nur einmal in diese Welt entführen“ bat ich sie in ruhiger, nicht allzu aufdringlicher Stimmer „Theater ist eine art der Befreiung, zwei Stunden in welchen man in die Gedanken eines anderes schlüpfen kann und nicht über Gut und Böse nachdenken muss, denn im Theater wird es einem gesagt. Eine Welt in der Alles möglich ist, in der noch Wunder geschehen können und in die man einfach eintauchen kann. Besser als beim lesen noch, denn hier wurde einem diese Welt vorgegaukelt, und wenn das Theaterstück wobei ist, ist man wieder man selbst und die Welt mit all ihren Grautönen und Schattierungen hat einen wieder, so lasst mich euch doch aus diesem Grau nehmen und die Farbe der Bühne zeigen. Es mögen aufgemalte Farben sein, doch wirken sie mehr, also das weiß an diesen Wänden“ Sie lachte einmal kurz auf, der Gedanke, dass ich ernsthaft mit ihr ins Theater gehen wollte, sie mit diesen Worten, die sich doch in ihr Herz gebrannt und den Wunschentflammt hatten, hatte überzeugen wollen schien ihr zu absurd. Es konnte nicht sein dass einer dieser Adeligen, die sie lediglich für ein Stück Abschaum, nicht wird den Staub unter ihren Schuhen zu berühren Sie ins Theater ein Lied. Die mit ihrem dreckigen Haaren die Wild durcheinander hingen, dem verstaubten Kleid und zerschlissenen Schuhen. "Excusé, Monsieur,... aber ich bin mir sicher sie finden eine... nun ja... passendere Begleitung als mich für einen Theaterbesuch" war ihre Entschuldigung als ihr auffiel, mit wem sie redete, dass sie über einen Adeligen lachte.

„Wer sollte passender sein als sie?“ fragte ich leicht amüsiert „Die Frauen mit ihrem gepuderten Gesichter und Pudeln auf ihrem Schoß? Die, die über jeden Witz lachen, sei er noch so leer, genauso leer wie ihr Lachen, die über das Wetter reden? Die, die immer reden, doch nie etwas zu sagen haben? Die sehen, aber nicht hinsehen? Nein, für solche Menschen ist das Theater nicht gemacht. Es ist für sie ein Zeitvertreib. Nicht Mehr als Worte, nieder geschrieben von einem Dichter, gesprochen von Schauspielern, welche dafür bezahlt werden. Etwas, das ‚man’ tut, weil ‚man’ ja gebildet sein will, und Theater nun einmal zur Kultur gehört.“ Sagte ich und ließ meinen Blick durch die Menge schweifen, sah all jene aufgeblasenen Frauen, welche sich mit Samt und Seide schmückten, und nicht mehr als die Dekoration ihrer Männer waren. Führten ihre neun Diamanten Spazieren damit auch jeder sie bewundern kann. Unermesslich ihre Arroganz und Dummheit „Für mich jedoch ist Theater mehr als nur das, und ich bin sicher ihr versteht, wenn man euch die Chance bietet einmal diese Faszinierende Welt einzutauchen, doch wenn ihr es vorzieht und euch meine Anwesenheit unangenehm ist, was ich durchaus verstehen könnte, zumal ihr mich keines Wegs kennt, so, so sagt es nur.“ Fuhr ich höflich fort.

Ich wusste sie würden nicht nein sagen, vielleicht zu dem Theater, es war kostbar in ihren Augen und ein solch wertvolles Geschenk anzunehmen war gefährlich in jenen Zeiten. Man gab nichts ohne etwas dafür zu verlangen, erst recht nicht einer Wildfremden, aber sie würde mich weiter begleiten, mit mir reden, dass wusste ich gleich, schon nach dem Ersten Blick in ihre Augen.

"Oh nein, Monsieur!! An Ihnen liegt es ganz bestimmt nicht!" Ihr abrupter und erschrockener Ausruf blieb nicht ungehört, ein zwei Gesichter wandten sich um, sahen das es sich um eine dieser ‚niederen’ Menschen handelte und taten dann so als hätten sie es nicht gehört. Doch sie schien sich nicht daran zu stören. So wenig die sie reichen und Wohlhabenden ihr Beachtung schenkten, schenkte sie ihnen Beachtung. "Aber...“ ihr Stimme war nun leiser, zarter, und einen Moment sich sie meinem Blick aus „ich könnte Ihnen nichts dafür geben, Monsieur. Ich besitze nicht außer den Kleidern auf meinem Leib…"

Sie musste mir doch nichts dafür geben, noch nicht. Außerdem gab sie mir meiner Meinung nach allein durch ihre bloße Anwesenheit genug. Geld hatte ich in den 300 Jahren die ich nun schon lebte genug angehäuft. Kleider, Diamanten, Schmuck, all das hatte ich zu genüge. Doch angenehme Gesellschaft, ins besondere die eines Sterblichen, war ein Vergnügen welches ich sich in letzter Zeit hatte missen müssen. In all der zeit die ich nun schon auf Gottes weiten Fluren, wie die Sterblichen die Welt zuweilen nannten, wandelte hatte ich immer wieder Freundschaften mit Sterblichen geknüpft, mehrere ‚Leben gelebt’ wie Xavier es ausdrückte. Mal als Graf, dann als Dichte, ein anderes Mal war ich ein Musiker oder Maler. Mal in Rom dann in Wien oder auch in Madrid. So hatte ich die letzten 200 Jahre verbracht, mit reisen und ‚leben’ wenn man das was ich tat tatsächlich als wirkliches leben bezeichnen möchte.

Mein neues Leben jedenfalls, hatte ich noch nicht ganz festgelegt, aber dies schien schon mal ein Viel versprechender Anfang zu sein.

„Mais Contraire ma chère“ sagte ich, spielte dabei den Überraschten, wo ihre Aussage doch nun wirklich vorhersehbar gewesen war. „Alleine eure Begleitung ist mir Entlohnung genug“ Ich sah sie an und lächelte, wie eigentlich immer, um ihr zu zeigen das ich diese Aussage nicht vorgaukelte, um sie wissen zu lassen, dass ich nicht log „Was sollte ich mit Schmuck oder Juwelen, außerdem habe ich zwei Karten, jedoch keine Begleitung, wie ich schon zuvor sagte, wenn ihr wünscht schmeiße ich sie weg und ihr Wert verfällt. Und ihr solltet euch schnell entscheiden zu mal in wenigen Augenblicken die Chance vertan ist.“ Ein blick auf meine goldene Taschenuhr welche ich mir vor einigen Jahren in Preußen geleistet hatte verriet mir, dass die Vorstellung nun in kaum mehr als 3 Minuten beginnen würde.

Wieder schoss die schmeichelnde röte in ihre Wangen „Aber Monsieur, ich passe dort wahrlich nicht hinein. Ich meine“ sie hob die enden ihres Rockes, stellte das verstaubte und dreckige Kleid zur Schau „Außerdem werde ich sicher kein Wort verstehen, immer wen Adelige sprechen reden sie so hoch daher, dass ich kein Wort verstehe, ganz zu Schweigen von dem Sinn der Wörter. Monsieur es wäre Verschwendung dieser Karte mich statt eine andere mitzunehmen“ „Ihr versteht den Sinn nicht?“ lachte ich „Nun das mag daran liegen, das die wenigstens Sätze dieser Adeligen einen Sinn haben. Sie benutzen hohe Sprache und komplizierte ausdrücke die sie selber nicht einmal ansatzweise deuten können. Nein es wäre Verschwendung die Karte einer anderen als euch zu geben, das garantiere ich euch“

„Nun… wenn ihr es sagt… ein Jammer wär’ es ja wirklich endlich hatte sie auch den letzten Zweifel abgelegt, endlich war sie dem Wunsch in ihrem Herzen gefolgt. Mein erster kleiner Sieg in diesem Spiel, der erste Schachzug war getan. Ja sie war ein Spiel, eines von vielen, auch wenn sie etwas Besonderes unter den Sterblichen war, ein Diamant unter Millionen von Kristallen, sie war immer noch eine Sterbliche. Nicht mehr und nicht weniger in meinen Augen. Wie der Diamant war sie für eine Weile ganz nett anzuschauen.

Dann lächelte sie mich an… es ist schwer zu beschreiben aber dieses Lächeln.. ich weiß´ nicht wann ich das letzte mal so ein Lächeln gesehen habe. Nicht das Geschnatter der Frauen am Ball, dieses unechte, aufgesetzte Lachen, dass nicht von innen kam. Dass nicht von innen kommen konnte, das sie schon so Gefühlskalt geworden waren, dass sie diese Art des Fühlens, die sich für eine Dame von Stand nicht ziemte, verlernt hatten. Wenn diese Frauen sich amüsierten, oder auch traurig waren, so immer nur Verhalten, hier mal eine Träne, da man ein Kichern. Sie hatten es einfach verlernt und das schlimmste war, dass sie selbst es nicht wussten. Sie glaubten, dass was sie empfanden sein Freude, sei Trauer, doch dem war nicht so, und ich spürte es, sah es jedes Mal wieder. Und die Menschen die in Armut lebten? Sie empfanden selten richtiges Glück, oft sahen sie nur ihr Leid, und Leid war das einzige was sie wirklich fühlen konnten… doch für Christine schien noch immer die sonne zu scheinen. Ein Lächeln huschte auch über mein Gesicht. Ja es war nur ein lächeln, kein Lachen, und es kam nicht von Herzen. Auch ich hatte Lachen und leiden verlernt, auch mein Herz war in einer Truhe eingeschlossen gewesen, ohne das ich es gemerkt hatte. Ob Christine wohl den Schlüssel zu dieser Truhe hatte? Wer weiß, ihr werdet es ja noch lesen.

Sehnsucht

Kapitel 16
 

Sieben Torbögen, die einen empfingen, an den Seiten der äußeren Tore weiße Engel, in einem fröhlichen Spiel vereint, die einen durch weiße Auen an zu Lächeln schienen. Wie ich schon sagte, ein Vampir sieht das Welt mit anderen Augen, und das staunen über diese Welt habe ich doch nie wirklich verlernt, und so sah ich die Freude, so sah ich das spiel der Figuren, welche doch nur das Gefühl seines Erschaffers weiter spielten. Über den sieben Toren ragten weiße Säulen, wie die der Alten Athener, über den Köpfen der Menschen Empor, hielten goldene Büsten berühmter Künstler jener Zeit, die wir heute als vergangene Zeit kennen, Künstler wie Mozart oder Bach. Ja das war die die „Academie national de Music“.

Das Stück, welches heute hier aufgeführt wurde, eines meiner Lieblingswerke nebenbei gemerkt, war es Shakespeares ‚Viel lärm um nichts’ wie ein Schild am Eingang und verriet.

Die Augen leuchteten, wie die Kerzen der Kronleuchter, welche die große Halle erleuchtete. Die Halle, in zwei Komplexe eingeteilt, der Eingang mit der Kasse und die weißen Stufen der Treppe, welche wir nun gerade ansteuerten. Christines Augen waren weit geöffnet, schauten sich wild um. All die Verzierungen, Verschnörkelungen, die kunstvollen Figuren, welche die Kerzen hielten und so Licht spendeten. Am Ende des ersten Treppen Absatzes war eine Tür, zwei Frauen in Griechischer Kleidung, denn es waren die Griechen gewesen denen wir in unserer Renaissance, der Erneuerung der alten Werte, das Theater geklaut hatten. Sie schienen zu wachen zu warten und zu staunen. All die Gesichter, die sie Tag für Tag sehen durften, die Frauen in ihren Kleidern und die Männer in ihren Anzügen, war ihre steinernen Ohren hören konnten und noch hören würden. Es war ist schon erstaunlich. Auch Christine empfand all dies als erstaunlich. Schnellen Schrittes rannte sie die Stufen empor, bis sie auf dem ersten Absatz stand, den Kopf nach oben warf und sich die ganze Pracht des Treppenhauses ansah. All die Säulen, die Lichter, die Stockwerke und sie Statuen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen, und ich noch nie so etwas wie sie.

„Es ist...“ Sie schüttelte den Kopf, fand keine Worte „Atem beraubend.“, beendete ich ihren Satz. Sie wandte sich wieder mit zu, lächelte „Ja Atem beraubend.“ Doch das läuten der Glocke erinnerte und an den Zeitmangel. „Wir sollten gehen Mademoiselle.“ Ich hielt ihr auffordernd den Arm hin, welchen sie ohne großes Zögern packte. Jetzt schon war ihre Scheu der Freude, Zweifel der Begeisterung gewichen. Und auch ich war begeistert. So jung war sie, so voller Energie, voller Leidenschaft, nicht geprägt vom Leben im Korsett, das einem das Gefühl abschürte. Ich liebte das glänzen in ihren Augen, als wir den Saal betraten, wie ihre Hand über das rote Polster striche ehe sie sich setzte, ihr Mund die ganze Zeit geöffnet war, über das staunen der Feinheiten des Gebäudes. Theater sah ich fast jeden Abend, auch dieses Gebäude, obgleich eines meiner Lieblingsbauten in Paris. Aber, dass das Herz einer Person so von Freude erfüllt ist, so etwas sieht man selten. Niemand hatte Augen für ihre Schönheit, niemand sah, was ich sah. Alle die an uns vorbei gingen sahen nichts, als ein schmutziges Ding, dass sich offensichtlich verirrt haben musste. Ihre einzige Sorge war es, ob ihre Kleider dreckig werden könnten, wenn sie das Etwas berührten. Menschen sind nun einmal eine Klasse für sich, aber ganz im Ernst, ich hätte sie sicher nicht halb so interessant gefunden, wenn sie alle anders gewesen wären. So konnte ich immer wieder über ihre Dummheit lachen. Das Mädchen, dem ich jedoch nun diesen Traum ermöglichte kannte ganz andere Sorgen als ihr Aussehen, aber sie war genauso leicht herum zu kriegen. Die Anderen waren es wegen ihrer nicht existenten Gefühlswelt, sie jedoch gerade wegen dieser. Ich ermöglichte ihr einen Einblick in ihren eigenen Traum und band sie so an mich, denn nie würde sie dieses Gefühl vergessen, wie es war, auf dem weichen Polster zu sitzen, zu hören wie das Murmeln erstarb und zu sehen wie sich der rote Vorhang erhob und Platz für einen neue Welt machte.

Wie ihr das alles vorkommen musste, dieser große Raum angefüllt mit Menschen, alle stumm, gebannt auf die wenigen Schauspieler starrend. All diese Menschen die dieses Erlebnis als normal, als Alltag ansahen, und nur sie, die es als das das sah, was es war. Eine völlig neue Realität.

„Ah werte Frau Verachtung ihr lebt immer noch?“ „Wie sollte Verachtung sterben, wenn sie solche Nahrung vor sich hat wie Señor Benedikt? Ich schätze selbst die Höflichkeit würde zur Verachtung werden, würden sie sich ihr präsentieren“ Ein Lachen, das durchs Publikum ging, aber Christines war am lautesten. Sie schien die Menschen um sich herum zu vergessen, schien in dieser unbekannten Welt gefangen zu sein. Jeder Witz brachte sie zum Lachen, als Hero verleumdet wurde weinte sie mit ihr, als Beatrice Rache verlangte stockte ihr der Atem, bei der Herausforderung Benedikts gegen seinen Freund Claudio bangte sie mit („Aber sie sind doch wie Brüder!“) und schließlich schien sie mit zu feiern, als die Doppelhochzeit dann doch noch gefeiert wurde. Freilich erntete sie einige vorwerfende Blicke von den um uns herum sitzenden. Ich jedoch schmunzelte. Das Theater, das ich heute besuchte war ein anderes als sonst. Es spielte sich nicht auf der Bühne ab, sondern auf Christines Gesicht. Es war ja so erfrischend mit jemandem wie ihr ins Theater zu gehen. Schließlich viel der Vorhang und sofort sprang Christine auf, jubelte lautstark den Schauspielern zu. Man schüttelte nur den Kopf über sie, man klatschte, wie es sich gehörte. Diskutierte über die Kompetenz der Schauspieler, wie überzeugend sie ihre Rolle doch rübergebracht hatten, oder auch nicht. Es war doch nur Theater, und nun war es vorbei und das Leben hatte einen wieder.

Inzwischen waren alle aufgestanden, wie es üblich war erst bei den Hauptrollen und nicht den Nebencharakteren, und auch erst nach dem zweiten Vorhang. Ich war kurz nach Christine auf gestanden, lächelte ihr zu, was sie jedoch gar nicht registrierte, so eifrig applaudierte sie den Schauspielern zu. „Monsieur, das war wunderbar. Ich kann ihnen gar nicht sagen wie….Oh als alles dachte Hero wäre tot! Shakespeare verstand wahrlich etwas von seinem Handwerk, Monsieur, einfach großartig!“

"Es füllt mich mit Freude zu hören, dass Euch dieser Ausflug zu eurem Plesir war", erwiderte ich lächelnd.

Nach und nach begannen die Zuschauer den Saal zu verlassen, weiter über das Stück diskutierend, anscheinend um sich dabei besonders intelligent und gebildet vor zu kommen. Ein Theaterstück war ein Theaterstück. Es war Unterhaltung, es war dazu da die Menschen zu begeistern, sie zu erfreuen, aber die Menschen versuchten in jeden Satz etwas hinein zu interpretieren.... Ich setzte mich wieder, beobachtete wie die Besucher die Halle räumten, bis schließlich das Geplapper Geflüster verstarb. Nur noch wir zwei. Der Raum wirkte so ganz anders, ohne Schauspieler, ohne das Volk, welches die Sitzplätze besetzten, und irgendwie, war es angenehm, diese völlige Stille. Ich genoss es, tat solcherlei oft nach einem Theaterstück. Man hatte das Gefühl vollkommen allein auf dieser Welt zu sein. Diese Stille, wie man sie draußen, in ihrem Haus oder sonst wo nie hätte finden können, erfüllte den gesamten Raum. "Schön nicht?" Meine Stimme hallte durch den ganzen Kuppelförmigen Saal und verlor sich schließlich.

Ihre blauen Augen wanderte die samtroten Sesselreihen langsam nach vorne, bis ihre Augen auf der riesigen Bühne hängen blieben. „Monsieur....meinen Sie wir können....also ich meine, ist es verboten, wenn....“

Ich wusste sofort was sie meinte, auch wenn sie es nicht wagte die Worte auszusprechen. Unsicher wechselte sie ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, war sich um die Worte verlegen, um die Frage. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Zwar brauchte ich ihre Gedanken kaum zu lesen, um ihre Frage zu erahnen, doch die Frage an sich, ob wir nicht die Bühne aufsuchen könnten, wenn auch nicht ausgesprochen, war einigermaßen überraschend. Genau deshalb liebte ich es auch mich unter die Menschen zu mischen, nicht um ihre Gleichheit, ihre einmalige Dummheit, sondern weil sie sich doch alle unterschieden, und alle auf andere Gedanken kamen. Besonders sie schien sich von der breiten Masse abzuheben, wie sie dastand unter all dem Schmuck, dem Gold und der roten Seide um sie herum. Ja sie wirkte fehl am Platz, in ihrem braunen Gewandt, ohne Glanz, ein einfaches Bauernkleid. Natürlich, die richtigen Kleider, und alles wäre wie es sich gehörte, aber dennoch passte sie nicht in diese Welt, in die ich sie entführt hatte. Damit meine ich aber nicht das Theater, dies war eine Welt, in die jeder passen konnte. Nein ich meine die Welt der Adeligen, der Reichen, des Glanzes und der Hohnes. Sie könnte sich nicht so verhalten, würde nie hinein passen, und wollte es auch gar nicht. Da war ich mir sicher.

Aber ein kleiner Ausflug in dem Glanz, den konnte sie genießen. Ich konnte mir jetzt schon vorstellen, während ich sie hier mit all dem Gold und Reichtum um sie herum ansah, was mit ihr passieren würde... nein sie würde nie mit der Heuchelei und dem Lügen klar kommen, nicht auf diese Weise zumindest...

„Wenn Ihr wünscht, es ist schon viel zu lange her, das ich auf der Bühne stand“ Wahrlich, lang war es her, fast 100 Jahre waren seid der Zeit in Rom vergangen, doch durch... nennen wir es Komplikationen mit den Arbeitszeiten, hatte ich es schnell wieder aufgegeben den Don Juan zu spielen, obwohl die Vorstellung mit mir freilich immer die ausverkauften waren.

Nur einen Moment erinnerte ich mich an die alte, vergangene Zeit, den Applaus den ich geerntet hatte, die Jubelschreie der Frauen die mir zu Füßen gelegen hatten. Selbst die Schauspielerin, weswegen sie auch jedes Mal selbst übertraf zumal sie keine Gefühle vorgaukeln musste... außerdem gab es einen seltsamen Unfall kurz bevor ich beschloss das Theater zu verlassen. Auf `mysteriöse Weise war die Erstbesetzung der weibliche Hauptrolle, Julietta, spurlos verschwunden. man fand sie erst eine Woche später am Stadtrand in ihrem schönsten Kleid. Eiskalt war sie, lag das wie ein Engel da. Keine Verletzungen, die beiden Punkte auf ihrem Half wurden als Kussflecken abgetan und so vermutete man, dass ein unglücklicher Geliebter oder Verehrer sie ermordet hatte... So schnell wie ich mich an jene Zeit zurück erinnerte, so schnell kam ich auch wieder zurück, ohne dass Christine etwas von meiner Abwesenheit mitgekriegt hätte.

„Ich bin sicher, es wird keine Problem sein, die nächste Vorstellung ist erst in einigen Stunden, und die Schauspieler sind ohnehin alle fort.“

Augenblicklich, als hätte ich eine Kerze entflammt, erhellte sich ihr Gesicht, sie schnappte sich ohne auch nur an Bedenken zu denken nach dem Arm den ich ihr anbot und folgte mir hinunter zur Bühne. „Sie haben selbst einmal gespielt, Monsieur?“, fragte sie interessiert und sah mich aus den Augenwinkeln heraus an. Wenn sie nur gewusst hätte, dass ich die ganze Zeit nichts anderes tat, als spielen. Ich spielte ihr schließlich den liebenswürdigen Sterblichen vor... was sie wohl sagen würde, wenn sie erfuhr was ich war? Dass sie über Vampire bescheid wusste war mir klar. Man merkte es den Sterblichen an. Ihr Bruder kannte uns auch, hasste uns. Man kam nicht umhin es zu spüren, man sah es schon in den Augen, die selben blauen Augen wie Christines, nur dass ihre nicht mit Zorn und Hass erfüllt waren. Dennoch, die wenigstens Menschen glaubten an Vampire, nun das hat sich ja bis heute nicht verändert. Selbst wenn einer zufälligerweise einen beim Töten sah, so verdrängte er das schnell, oder erfand eine unsinnige Erklärung, aber die Wahrheit wollten nur die wenigsten sehen. Sie und ihr Bruder mussten also ein wichtiges Ereignis hatten, und ich war mir sicher, auch wenn ich die Geschichte nicht kannte, dass etwas mit ihren Eltern zu tun hatte. Ja das war das wahrscheinlichste.

„Ja, kurze Zeit und nicht nennenswert. Ein Steckenpferd von mir, weiter nichts“

Wir verließen die Loge durch die Tür durch welche wir sie auch betreten hatten, unterhielten und einwenig über die Zeit am Theater, gingen die Treppen hinunter und betraten die unteren Parkett, Plätze welche für die wohlhabendere Mittelschicht reserviert war.

Selbstverständlich hielt ich ihr die Tür auf. Sie, mit einer seltsamen, leichten beschwingten Eleganz, durch schritt die Tür, sah mit staunendendem Blick über die Sitze. „Wow“, war alles was sie herausbrachte, während sie den mittleren Gang entlang ging, sich um sich selbstdrehend, um auch ja alles zu sehen. Wie in einem Tagtraum ging sie durch die Halle. Erst, als sie gegen eine der Sitzreihen stieß schien sie zu erwachen, und sie sah zu mir, der ich ihr lächelnd, langsam, gefolgt war. „Ich nehme an, dies ist das erste Mal, dass ihr ein Theater von innen seht?“, fragte ich nun, da sie aus dem Himmel wieder zurück auf der Erde gelandet war. Sie nickte nur, ließ ihren Blick noch einmal über die Decke gleiten bis ich neben ihr stand

„Den höchsten Wesen ,wünschen wir Gedeih’n,

Auf dass der Rose Schönheit nie verdorrt,

Doch muss des Tods die reife Blüte sein,

So pflanz' ein Erbe ihr Gedächtnis fort.“

Ihre zarte Stimme hallte bei diesen Worten durch die gesamte Halle, wurde von einer Seite zur nächsten geworfen bis sie sich langsam verloren. Überrascht lauschte ich den mir so bekannten Worten, bis sie verstummten.

„Du lebst nur dir, der Schönheit Selbstgenuss,

Schürst eignen Glanz, der dich verzehrend scheint,

Schaffst Hungersnot statt reichen Überfluss,

Grausam dir selbst gesinnt, dein eigner Feind.

Heut bist du noch der frische Schmuck der Welt,

Der einz'ge Herold für des Frühlings Reiz,

Doch wenn dein Schatz in einer Blüte fällt,

Wird zur Verschwendung, süßer Filz, dein Geiz.

Hab' Mitleid, birg nicht überreiche Gabe,

Der Welt Anrecht, in dir und in dem Grabe.“

Beendete ich schließlich dieses Gedicht Shakespeares.

Ich liebe es diese Sonett, wie alles von Shakespeare, und während ich es vortrug, betont, jedoch nicht übertrieben, dachte ich, wie schon so oft über die Bedeutung dieser Worte nach, welche doch so treffen zu sein schienen. ’Grausam, dir selbst gesinnt dein eigner Feind.’ Ja wie wahr. Wer sonst konnte es sein wenn nicht ich selbst? Ich war grausam, doch zu welchem Preis? Selten kam mir diese Frage in den Kopf, welche mein Erschaffer mir vor langer Zeit einmal gestellt hatte. Zu welchem Preis....

’Heut bist du noch der frische Schmuck der Welt, der einz’ge Herold Frühlingsreiz.' Das traf auf viele Sterbliche zu, doch auch Vampire, natürlich. Sie lebten, gaben der Zeit ihr Gesicht, waren schön, wurden geliebt und verschmolzen mit dem Geist der Zeit, doch ‚wenn dein Schatz in einer Blüte fällt, wird zur Verschwendung, süßer Filz, dein Geiz.’ Irgendwann verging die Zeit, das Wesen, der Geist und so musste auch der Vampir, die Menschen, welche die Zeit prägten rücken und der neuen Zeit platz machen. So kann man sagen, das auch diese Zeilen zutrafen. Die Welt war nun mal ein stetiger Wandel, und immer, wenn man gerade dachte, sie hätte ihr ‚Blüte’ erreicht so verdorrte sie und lebte dennoch in der nächsten Generation weiter ‚Doch muss des Tods die reife Blüte sein, so pflanz' ein Erbe ihr Gedächtnis fort’ und so erschaffen alte Vampir Neue. Entweder, weil sie die stetige Veränderung nicht aushalten und ihr Blut weitergeben, um einen Nachfolger zu haben, welcher seine Platz einnimmt, oder um den Geist der neunen Zeit zu begreifen und somit zu einem ‚neuen Vampir’ zu werden.

Dieses Sonette war gerade in diesem Moment so treffend, auch wenn Christine sich dessen freilich nicht bewusst war. Die alte Zeit fand ein Ende, eine neue brach an. England war schon mitten drin, Amerika war der Auftakt gewesen und nun war Frankreich im Wandel begriffen, und somit würden viele Blumen verblühen, um einen neuen Garten zu erschaffen, einen noch prachtvolleren Garten, als er es zuvor gewesen war, doch zuvor musste der alte zerstört werden...

Dieselbe berauschende Stille wie sie vor dem Gedicht vorherrscht hatte kehrte wieder ein. Ich blickte zu Christine welche mich mit offenem Mund und leuchtenden Augen anstarrte. Die Gedanken mochte sie nicht begriffen haben, aber den Sinn, sie erfasste die Aussage die weit über das bloße denken hinaus ging, sie verstand wirklich. Schließlich klatschte sie in die Hände „Man merkt das Sie einmal gespielt haben, Monsieur. Das war wirklich wunderschön. Ich bedaure es wirklich zutiefst nicht mehr von Shakespeare gelesen zu haben. Doch hab ich weder die nötige Zeit noch das nötige Geld um mir die Seiten zu bezahlen“ noch während sie sprach schritten wir zum ende des Raues. Mit einem Galanten Sprung landete ich auf der Bühne, reichte ihr die Hand um ihr hoch zu helfen, welche sie dankend annahm. So leicht war sie...

„Es ist wirklich erstaunlich...“ Gemeint waren all die Requisiten, mit einem Blick nach oben konnte man Hunderte von Kulissen und Kostümen schweben sehen, die nur dann wenn sie gebrauch werden einfach heruntergelassen werden konnten. Die letzten Kulissen von der Letzten Szene standen noch immer dort, wo sie Schauspieler sie zurückgelassen hatten.

Leichten Schrittes, meine Augen ihr folgend, schritt sie einmal Quer über die Bühne, und ließ sich plötzlich einfach fallen. „Schauspieler müssen sicher einiges aushalten“ ließ sie sich von unten vernehmen und rieb ich den Kopf. So kindlich war sie, trotz des Schmerzes, was auch immer ihn ausgelöst haben mag. Nur dann und wann sah man den Hauch der Trauer auf ihrem Gesicht der erahnen ließ was sie hatte erleben müssen.

Kein Wunder, dass ihr Bruder so in sie vernarrt war...

Ich schüttelte in Menschlicher Manier den Kopf und schmunzelte ob ihrer Kindlichen Art, ihrer obskuren Ideen und ging auf sie zu, ließ mich neben ihr nieder „Ihr Mögt recht haben“ stimmte ich schließlich zu. „Doch ist Theater nicht nur Shakespeare, oder Rousseau, oder was auch immer. Wenn ihr wollt können wir es einmal ausprobieren, das freie Theater, welches sich nicht an Schriften hält, nur an Ideen“ Aus den Augenwinkeln heraus sah ich zu ihr, und sie erwiderte den Blick „Es wäre fantastisch!“ einen Moment hellte sich ihr Gesicht von neuem auf, dann warf sie es wieder in Falten 2Aber... ich habe keinerlei Erfahrungen...“ Wieder überlegte seinen Moment, zuckte schließlich mit den Schultern, als habe sie es sich doch anders belegt und setzte sich entschlossen auf 2Aber irgendwann ist schließlich immer das erste mal nicht wahr?“

„D’accord“ ich tat es ihr gleich und erhob mich, strich mit den Staub von den Kleidern und überlegte einen Moment. Schließlich entschied ich mich für das allseits beliebte und einfache Pattern der Liebesgeschichte.

„ihr, die holde Marielle, Prinzessin, sollt gegen euren willen zur Heirat gezwungen werden, ich, Lelio, bin ein Bauer, wir lieben wir uns, doch dein Vater verbietet, dass wir uns sehen, und so treffen wir uns heimlich, ich denke die Geschichte sollte soweit bekannt sein“ Ich lachte, hatte es doch etwas von Romeo und Julia. Außerdem waren es vertauschte rollen. Ihr Vater war in diesem Fall ihr Bruder, denn ich war sicher, auch ohne das wissen was ich war würde er unser beisammen sein nicht billigen, würde, schon alleine, weil seine Schwester sich einem anderen als ihm anvertraut hatte Kilian hassen. Sie, die holde Marielle, nicht in einem goldenem Käfig, sondern in einem mindestens genauso grausamen, nämlich dem Der Armut, und ich, der unbekannte Verehrer, der sie rettete aus der Einsamkeit in diese verbannt war.

„Gut“ stimmte sie zu, begann wieder zu überlegen. Und selbst das wirkte auf seine Art faszinieren, wie sie sich an die Lippen Tippte, eine dieser Menschlichen Eigenschaften die die Menschen voneinander unterschieden. „Bon, wir können beginnen“ „Es ist Nacht“ sagte ich Laut, Zog die Attrappe eines Baumes zu mir her „Im Garten in welchen ich mich unerlaubter Weise einschleiche um euch zu sehen“ sagte sie schließlich.

Noch über meine eigene rolle Nachdenkend suchte ich nach einem geeignetem Ort um die Darbietung zu beginnen.

Lelio. Lelio, ein Junger Tollpatsch, frisch verliebt unachtsam jedoch gewandt mit Worten, dass war es was ich gleich verkörpern würde.

Einmal strich ich mir durch das Haar, löste das Band welche die Locken zusammen hielt und drehte mich schließlich um, versteckt hinter einem Baum, nicht fern meiner geliebten Marielle „Welch Maid, mein Aug. nie zu sehen vermag, nicht abzuwenden von solch Antlitz, heller als die hellste Sonn und selbst jetzt, wo Mond und Stern nur erleuchten die Nacht, sie strahlt und übertrifft bei weitem sie“ dem unsichtbarem Publikum zu gewandt sprach er diese Worte, drehte sich dann ruckartig in Marielles Richtung um „Nur ein Blick, und ich kann nicht weg sehen, doch soll es nicht sein, und doch... Oh Marielle, wie wünscht ich doch dich herbei, herbei zu mir, in die Arme mein, auf das für immer wir vereint“ sehend die Worte zu ihr gerichtet, verlangend, doch wissend, dass dieses Verlangen, dieses Wünschen doch sinnlos war. Entschlossen trat ich einpaar Schritte nach vorne, zögerte, ging wieder zurück. Es konnte, es durfte nicht sein...

„Warum, warum bin ich Marielle? - - Verleugnen will ich meinen Vater und entsagen meinem Namen, meinem Stand - - oder zumindest will ich dir schwören, Lelio, ewig Liebe nur das kann ich dir versichern“ Als ich mich umdrehte sah ich sie, wie sah auf einer Bank saß, alleine in diesem Garteneden in welchem sie eingesperrt war. Ihr Leid klagte sie dem Himmel, hatte Lelio noch nicht bemerkt. Langsam und in einer fließenden Bewegung, wahrscheinlich war sie sich selbst gar nicht darüber bewusst wie elegant ihre Bewegungen in diesem Moment wirkten, erhob sie sich von der Bank und drehte den Kopf verzweifelt suchend umher.

„Was ist das? Wer bist du, der hier, in Nacht gehüllt, mein einsames Selbstgespräche belauscht?“ Ich trat aus dem Schatten hervor stand ihr nun genau gegenüber „Meine Marielle, ich bin es, Lelio“ noch einen Schritt kam ihr ihr näher, ein wenig zögernd. „Meine Marielle, lass uns gehen, weg, hinfort zu einem Ort weit fort, dort wo weder Mauer, noch Kluft oder gar Name uns vermag zu trennen.“ Klagend, flehend entrannen mir diese Worte. Hoffnungsvolle lag mein Blick auf dem bezauberndem Gesicht , die Verkörperung der Schönheit selber wie es schien. Endlich entschlossen tat ich auch die letzten Schritte, stand direkt bei ihr, ergriff ihre Hand, setzte mich neben sie auf die Wand. „Marielle, Marielle“ alleine der Name schien ihr sagen zu wollen was ich für sie empfand, „ich ertrage diese Heimlichtuerei nicht länger“ ich schloss meine Hände fester um die ihrigen, spürte die Wärme ihrer Hand welche er umschloss, so zart, wie eine Rose so zerbrechlich.

Hatte ich eben noch neben ihr gesessen stand ich nun auch schon wieder, zog mit meiner Hand ene Linie, deutete in die Ferne „Dorthin wo keiner sich für Stand und Name interessiert, wo keiner und kennt und wir Frei sein können, ohne Schranken, so wie wir sind“ Langsam glitt die Hand herunter, genauso der kopf, wieder, nur einen Moment vor Hoffnungslosigkeit erfasst. Dann von neuen Lebensgeistern erfasst drehte ich mich wieder um, kniete mich vor ihr nieder „Sag das wir gehen, meine Marielle, sag es und nichts kann mich halten.“

Was für ein Gefühl, endlich wieder auf der Bühne zu stehen, was für ein Gefühl wieder Lelio zu sein, fast wie Don Juan, allerdings auch etwas anders, aber das machte ja den Reiz aus, immer neues zu spielen.

Und Christine, welche sich tatsächlich in eine Prinzessin verwandelt hatte, alleine schon ihre Bewegungen, natürliche Eleganz, nicht so wie zuvor, als sie versuchte elegant zu wirken, mehr wie ein Katze, welche immer wie auf samtenen Pfoten durch die Welt schlich. Was für ein Gefühl, endlich wieder auf der Bühne zu stehen, was für ein Gefühl wieder Lelio zu sein, fast wie Don Juan, allerdings auch etwas anders, aber das machte ja den Reiz aus, immer neues zu spielen.

Und Christine, welche sich tatsächlich in eine Prinzessin verwandelt hatte, alleine schon ihre Bewegungen, natürliche Eleganz, nicht so wie zuvor, als sie versuchte elegant zu wirken, mehr wie ein Katze, welche immer wie auf samtenen Pfoten durch die Welt schlich. Ich war nicht mehr Kilian, und sie war nicht Mehr Christine, und dennoch war sie in ihrem Spiel fast noch mehr sie selber als jemals zuvor in ihrem Leben. Doch werde sie noch ich dachten in diesem Moment darüber nach was wir waren oder wie wir es waren, wir spielten einfach mit all unsere Leidenschaft, mit all unserem Sein selber.
 

Gequält verzog sie ihr Gesicht bei den letzten Worten, wandte sich ab „Lelio. Du weißt es ist gefährlich hier. Und trotzdem kamst du her zu mir?“ gequält um Sorge über ihren Geliebten, der sich nur für sie in diese Gefahr begeben hatte.

„Weg von hier, meinst du? Zu einem Ort, da wir nie mehr getrennt sein müssen? Oh wie wundervoll das wäre. Lelio, wie wundervoll. Weit weg, du hast recht. Dort wo der Horizont beginnt werden wir zusammen sein können, meinst du? Welch wunderbare Vorstellung.“ Für einen Moment wollte sich das Gesicht erhellen, wollte sie die Idee annehmen, wollte sie daran glauben, dass sie die Fäden die sie hielten zerschnitten werden konnten, dass Lelio ihre schere sein konnte. Doch im nächsten Moment holte sie doch wieder die Realität mit ihrer ganzen traurigen Wahrheit und Hoffnungslosigkeit ein.

„Aber wohin, Lelio mein Geliebter, wohin? Wie willst du fort? Wohin willst du gehen?“

„Wie sollt ich nicht kommen, jede Sekunde ohne dich ist ein kleiner stich i meinem kalten Herzen, und jede Sekunde welche du bei mir sein kannst lässt es wieder tauen. Wohin fragst du mich, und was soll ich sagen?“ Ich sah sie an, hoffnungsvoll, Abenteuerlustig, verliebt „Wohin wollt ihr wissen, und ich weiß es nicht Ist es denn so wichtig wohin? In die Nächste Stadt, oder Land, Rom, London, die Ganze Welt steht uns offen, dir und mir.“ Hoffnung steckte in jedem der Worte, die Hoffnung auf ein Happy end,, die Hoffnung, die sie entflammte und ihm somit doch einen Funken Licht zu schenken vermochte.

Ich war auf gestanden, hatte sie hoch gezogen und nun standen wir uns gegenüber. Ich war nur ein Stück größer als sie es. Sanft strich ich mit meinen Fingern durch ihr seidenes Haar. Weich war es, so weich, ich spürte die Wellen in ihrem Haar, wie die starken sich aufbäumenden Wellen des Meeres dessen tiefe sich in ihren Augen wieder spiegelte.

„Sag ja, und ich werde unseren Traum verwirklichen, um jeden Preis, sag nein, und ich werde dennoch weiter kommen, weiter träumen, es akzeptieren“ ich küsste sanft ihre Hand, ähnlich wie Kilian Christines Hand geküsst hatte als sie sich getroffen hatte. Sie ließ sich von mir Hochziehen, sah mich schweigend an. Schließlich unterbrach sie selbst die Stille durch einen Seufzer.

„Irgendwohin? Uns steht alles offen, meinst du?“ Die Augen hatte sie geschlossen lehnten ihr lockiges Haupt über welches ich mit meiner Hand strich gegen diese, genoss s geradezu. War es wirklich nur Marielle die diese Berührung ersehnte?

„So sag ich ja! Lass uns gehen, fort von diesem bösen Ort, an dem man uns entzweien will. An dem wir nicht zusammen sind. In ein fremdes Land, ich habe Geld genug. Wir können überall hin. Mit dir könnt ich bis zum Zelt der Sterne geh’n und wär’. Dort oben angekommen, noch nicht einmal müde.“

Gemeinsam, als hätten wir es vorher abgesprochen Knieten wir uns runter, flüsterten nur noch, in der Befürchtung man könnte uns hören und so unsere Pläne ein für alle mal vernichten. Ihr Gesicht näherte sich dem Meinem, so nah waren wir uns nun, so nah waren sich Marielle und Lelio „So sag mir, wann werden wir gehen, mein Lelio? Bald? Sag, wirst du mich bald wegholen von hier? Je ehe desto besser, Gelibeter. Mein Herz hat schon so lange darauf geartet ohne Schranke, ohne Mauer mit dem deinen vereint zu sein. So lass es nicht länger warten, mein Lelio.“ Ein sanftes Flüstern in meinem Ohren. Und nur ich und der wind konnten dieses Geheimnis hören und wir beide würden es für uns behalten.

„Jetzt“ war meine bestimmende Antwort. Sofort war ich aufgesprungen, strahlte sie an, mit Begeisterung und Entschlossenheit, dem Wissen dass es funktionieren würde, das alles was uns trennte nichts als Schein war. Ich sprang auf und zog sie mit, nahm sie auf meine Arme.

Wie leicht sie war, für mich. Eine Feder, ein Engel, kaum schwerer als die Luft selber so er schien es mir. Ihr Haar wallte über ihre Schulter, angezogen vom Boden, ebenso der Rock welcher nun fast bis zum Boden Reichte. Ein oder zwei Schrotte ging ich auf das Ende der Bühne zu, legte sie dort nieder, kniete neben ihr, mein Gesicht so nahe an dem Ihren, das ich ihren warmen, stetigen Atem auf meiner Haut zu fühlen vermochte. „So werden wir denn vereint sein, mein Herz, mein Sternenlicht, mein Leben, meine Marielle“ Noch dichter schien ich ihr zu kommen, meine blonden Locken berührten ihr braunes Haar, lagen nun ebenfalls beinahe auf dem Boden „Denn Frei sind wir, so frei wie wir können. Doch wie frei können wir sein, ob Marielle, wie frei? Kannst du wirklich mit mir gehen? Kannst du dass Wort deines Vaters wirklich vergessen?“

Die eigentliche Frage war eine andere. Konnte sie ihren Brudervergessen? Konnte sie für Ihr Glück das eines anderen zerstören? Ob nun Christine oder Marielle, waren sie denn so unterschiedlich? Beide steckten sie in derselben Zwickmühle, und zu mal Christine sich zum ersten mal auf der Bühne befand und kaum diese und die wahre Realität auseinander halten konnte, wer wusste schon wer von beiden das nun antworten würde. Armen „Kannst du das, ohne die Stimme deines Gewissens als Wehklagen, ohne immerzu daran zu denken was du zurückliest? Ich kann, doch kannst auch du, Marielle? Ich frage dich kannst du?“ ich legte ein Pause ein, ließ die Worte verhallen, doch ihre Bedeutung blieb in dem erschrockenem Gesicht Christines, nein Marielles erhalten. „So rein ist dein Herz, so unschuldig dein Wesen, nie könntest du verletzen, nicht mich, nicht deine Vater noch sonst ein Geschöpf, darum liebe ich dich, doch wollen wir eine Zukunft zu zweit muss einer Leiden, es geht nicht anders. Kannst du das? Kannst du unbeschwert mit diesem Wissen mit mir gehen?“

„Du weißt wie sehr ich ihn liebe, meinen Vater. Du weißt das ich es nicht ertragen könnte ihn unglücklich zu sehen, genauso wenig wie ich es ertragen könnte ohne dich zu leben, oder in deinem Gesicht den Schmerz des Verlustes zu sehen“

Doch das war keine Antwort, es waren lediglich meine Gedanken, ausgesprochen. „Sag mir was ich tun soll, Geliebter, mein Lelio! Sag es mir, denn ich weiß es nicht! Mein Herz sehnt sich nach dir, doch liebt es meinen Vater ebenso. Ist es das? Sind wir verdammt? Verdammt auf ewig im Zwiespalt zu leben? Sind wir verdammt unglücklich zu sein? Oh Lelio, kann das unser Schicksal sein?

Ich will mit dir sein, ich könnte ein Leben ohne dich nicht ertragen....nicht länger“ Es war ein stiller Schrei in ihrem zarten Gesicht, in ihrem Blick, der sich nicht von ihm abzuwenden vermochte, ein Schrei nach der Erlösung aus diesem zerrissenem Leben. Doch ich konnte keine Erlösung geben, noch nicht, und nicht die, die sie meinte.

„Es ist deine Entscheidung“ sagte ich sanft“ Auch wenn du hier sein willst, bei ihm ,ich werde bei dir sein“ Meine Arme schlossen sich um die ihre zarte Figur, als wäre sie ein gläserner Engel, so zart war sie... „Aber vor allem..“ ich strich ihr über den Rücken, Wirbel für Wirbel, spürte das Blut in den Adern Pulsieren, hörte ihr Herz in Aufregung schlagen, als sich mein Gesicht dem Ihren näherte und ich diese Wort in ihr Ohr flüsterte. „Vor allem bewahre dein Lächeln. Ich könnte es nicht ertragen mit an zusehen wie es dir verloren geht, es ist dein Wichtigstes Gut“ nun sah sich wieder an, unser Gesicht kaum einen Zentimeter von einander enternt, so dass sich unsere Lippen fast berührten. Ihr Augen Leuchteten, gerötet waren ihr Wangen, Sehnsucht sprach aus ihr Heraus, und es war nicht Marielles, da war ich mir sicher. Ich hatte sie dazu gebracht Marielle zu vergessen. Es war Christine, und nur sie, die mich begehrte.

Plötzlich drehte sie ihren Kopf weg. Der Grund dafür war das Klacken von Schritten „Hey ihr zwei“ eine raue, unfreundliche Herren Stimme, rau, Kratzig, hatte die Stelle durchbrochen.

Es mochte so aussehen als wäre aussehen, als wäre das gerade der unpassendste Moment, den man sich für eine Unterbrechung denken könnte. Aber aus meiner Sicht war es ein unvorhergesehenes Glück, dass diese Reinigungskraft, oder was auch immer, gerade in diesem Moment aufgetaucht war. Wäre es noch weiter gegangen, nun wahrscheinlich wäre es einfach zu früh gewesen, zumindest für sie,. Außerdem wurde so ihr Gefühl nur, langfristig gesehen, vermehrt.

Aber dennoch war dieser Sterblicher immer noch da und schaute und unter strengen braunen Augen anschaute „Die Vorstellung ist zuende, und dieser Bereich ist für Zuschauer gesperrt.

Grinsend stand ich auf, band meinen Haar wieder zurück, und da stand ich. Kilian du St. Etienne les Ourges, ein Adeliger Herr. Kalt, unberechenbar, nicht aufgeregt wie Lelio „Das ist uns durchaus bewusst Monsieur. Ich und meine Kollegin haben lediglich geübt“ Ich reichte meiner ‚Kollegin’ die and und Half ihr auf die Beine. Verwirrt schaute er von mir zu ihr und wieder zurück. „Geübt“ wiederholte, als wolle er sicher gehen, dass er sich nicht verhört hatte „Geübt, genau das“ bestätigte ich beflissen ohne auch nur den Hauch eines Zweifels zu zulassen. „Wie auch immer, jetzt muss ich jedenfalls klar Schiff machen“ „Natürlich Monsieur, wir wollen euch schließlich nicht bi der Arbeit behindern, nicht wahr Christine?“ Das Mädchen schien genauso verwirrt wie der Mann vor uns, nickte jedoch „J-ja,...“

Wir verließen Die Bühne auf dem weg wie wir sie betreten hatte. Ich nun wieder festen Schrittes, nichts von Lelio war geblieben. Christine jedoch warf mir immer wieder Blicke zu. Ich hatte mein Ziel erreicht. Sie begann nach zu denken, über sich, über ihre Gefühle. Ich hatte sie aus einem Langen Schlaf geweckt, ein Schlaf der sie hatte vergessen lassen was sie für Wünsche hatte. Doch nun waren Wünsche in ihr geweckt, Wünsche die sie verdrängt hatte und die Wünsche ihres Bruders erfüllen zu können.

Puppenhaus

Kapitel 17
 

„Madame, es war mir eine Ehre, wirklich, ich hatte schon lange nicht solch eine Spaß“

Gemächlich,, ohne eile gingen wir die Treppenstufen hinab. Christine sah gerade aus, ihr Gesicht noch immer gerötet, sie selbst noch tief in Gedanken vertieft in die ich nicht einzudringen wagte. Wo blieben die Überraschungen wenn man einfach alles in den Köpfen der Menschen las? Es hätte dem Ganzen Spiel doch den Spaß genommen. Nein. Außerdem schien dies ein etwas längeres Spiel zu werden, und daher sah ich es als meine Pflicht als Gentillehome, meine Fähigleiten in dieser Hinsicht nicht zu gebrauchen.

Es war eine Art eiserne Regel von mir: Wenn ich mich mit einem Sterblichen auf irgendeine Art und Weise auf längere Zeit befreundete, so hörte ich auf meine Fähigkeiten auf ihn zu verwenden. Soviel stolz war mir doch noch geblieben, denn was brachte einem eine Freundschaft, die auf so etwas basierte? Und wo blieb der Spaß des unbekannten?

Nein, und das halte ich auch heute noch so, so etwas bringe nicht einmal ich fertig 8und das will schon etwas heißen).

„Es wäre mir mehr als nur eine ehre euch ein weiteres Mal begleiten zu dürfen, vielleicht in ein kleineres Theater.“ Erst jetzt schien sie ihn zu bemerken und sah auf, schaute mir direkt in die Augen.

Ich fragte mich was sie wohl gerade dachte. Ob sich ihre Gedanken um ihren Bruder drehten, ob sie trotz diesem einwilligen konnte, den Gefühlen und wünschen nachgeben konnte.

Wenn ich wollte konnte ich sie haben. Ich wusste es. Unzählige Male hatte ich meinen Zauber auf Sterbliche wirken lassen, tausende von Sterblichen die mit folgten, wie die Ratten dem Flötenspiel (auch wenn diese Geschichte recht frag würdig ist. Anscheinend waren die Gebrüdergrimm nicht darüber informiert, dass Ratten schwimmen konnten).

Doch das war es nicht was ich wollte, das war nicht wonach ich bei dieser Frage strebte. Es lag mir fern sie einfach besitzen zu wollen, schließlich war sie ein Mensch, und zwar ein außergewöhnlicher. Ihr Freierwille, ihre eigenen Gedanken und Gefühle machten sie zu etwas besonderem. Sicher wäre es mir nur um ihr aussehen und ihre Schönheit wie Jugend gegangen, dann hätte die Sache sicher anders ausgesehen. Um genau zu sein hätte sie dann diesen Abend nicht überlebt, aber dazu will ich hier nichts mehr sagen. Fakt ist, das ich alle Trickserein unterließ, dass nur diese Frage im Raum hängen blieb. Nur diese Worte, und sie, und ihre Gedanken, und ihre Antwort.

„Ich.....oh.....also, na ja....“ sie drückte sich, wie nicht anders erwartet, um die Antwort…

Sie drückte die große Tür auf, ließ die warme Abendbrise über ihr Gesicht streichen. Ich beobachtete sie, beobachtete jeder Regung in ihrem Gesicht. Ob sie wohl noch antworten würde? Ein zucken glitt über ihre Feinenzüge, ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Oh Monsieur, seht nur“ sie deutete in die Menge.

Ich sah sofort was, oder vielmehr wen sie meinte. Blaue Augen so tief wie der Ozean, braunes Haar, blass die Haut zumindest für Sterbliche. „Mein Bruder, Christian. Wir sind Zwillinge müsst ihr wissen. Ich bin ja so froh das ich ihn kennen lernen könnt.

Ein Nicken, doch meine Augen lagen immer noch auf Christian. Er war nicht alleine, nein, ein Mann war bei ihm. Hoch gewachsen, schwarzes langes Haar, einen eleganten schwarzen Anzug tragend. Die Zähne blitzten einen Moment weiß auf, das Haar schien im matten Schein der Laternen zu leuchten, die Haut wie das Mondlicht selber. Ein Vampir.

Ja, sie waren Zwillinge, eindeutig.

Nicht nur das sie sich so ähnelten, nicht nur das der eine am anderen hing wie nichts gutes, nein auch ihr Schicksal schien verknüpft, waren doch beide mit einem Kind der Nacht, einem jener Wesen die sie nun schon so lange suchen, so lange jagen unterwegs gewesen. Nun so konnte es kommen.

Der jung blickte auf. Grimmig war sein Blick. Obwohl er dieselben Augen wie seine Schwester hatte, das selbem, mystische Blau, waren sie doch ganz anders als die ihren. Kein Funken der Güte, der Freundlichkeit oder der Trauer. Nein nur Verachtung, nicht nur Vampiren gegenüber sondern allem, außer Christine. Das ist es was ich in diesem Blick lesen konnte, auch ohne meine Fähigkeiten.

Ohne zögern Schritt er auf uns zu, rannte fast, während sein Begleiter ruhig weiter ging, das Szenario beobachtate. Einen Moment trafen sich unsere Blicke. Er lächelte.

„Zweifellos euer Bruder“ sagte ich ruhig während dieser auf uns zuschritt. . „Wenn ihr mich ein weiteres Mal begleiten wollt such t mich auf, ich wohne in der Avenue Phosphoyer haus Nummer 13“

Ein weiteres Kind der Nacht diese Worte waren an jenen Vampir gerichtet der Christian begleitet hatte. Ich mochte ‚erst’ vierhundert Jahre alt sein, was jedoch für viele schon das Ende bedeutet hätte, zumal nur wenige mit der Gabe des Blutes auskamen, doch ich was von Xavier, einem der ältesten und mächtigsten Vampire der Welt erschaffen worden. Natürlich hängt die Stärke eine Neugeborenem von der Stärke seines Erschaffers ab, wenn jemand also Mächtiger ist, so wird sein Nachkomme ebenfalls Mächtig, und ich habe mehr als einmal von dem kostbaren, 2000 Jahre altem Blut getrunken. Schon zu jenem Zeitpunkt kam meine Macht dem eines tausend jährigem gleich. Warum ich euch das erzähle? Aus Angeberei? Nein nichts liegt mir ferner. Ich möchte nur, dass ihr euch über die telepatischen Fähigkeiten nicht allzu sehr wundert. Das können allerdings so ziemlich alle Vampire, wenn sie erst herausgefunden haben wie. Wer hätte das gedacht. Mir scheint die Welt ist doch kleiner als man glaubt, mein Name lautet Kilian, aber ich glaube ihr habt von mir gehört.

Inzwischen war Christian die weißen Treppen empor gestiegen, packte Christine unsanft am Arm „Ja durchaus ich bin ihr Bruder. es ist ja unheimlich… nett das sie sich um Christine ‚gekümmert’ haben, aber ich würde es doch begrüßen, wenn meine Schwester nicht mit fremden herumschleicht!“

Ich dachte ich könnte meinen Ohren nicht trauen. Da kam ein Sterblicher an und wagte es so mit mir zureden. Ich meine mit MIR! Nicht nur das ich ein Kinde der Nacht war und ihn mit einem Fingerschnipsen hätte erledigen können, was dieser junge Bursche freilich nicht wusste, NEIN, ich war auch vom Stand her weit über ihm.

Am liebsten hätte ich zu Lachen begonnen. Wirklich zu amüsant, doch sicher hätte es nur Christine verunsichert. Allein für sie hielt ich mich zurück

„Ich denke eure Schwester hat dies selbst zu entscheiden, zumal sie ebenso alt ist wie ihr. Sollte sie nicht wünschen mich wieder zusehen respektiere ich und genauso solltet ihr respektieren falls sie es doch wünscht“ war meine ruhige beflissende Antwort.

Ja ich habe von euch gehört. Mein Name ist Marek, aber dem Sterblichen da er nickte kaum merklich in die Richtung, wo sich Christian befand, habe ich erzählt, ich heiße Laurent.

Gut das ich ein Vampir war, zwei Gespräche auf einmal wären sonst sicher kaum zu bewältigen gewesen…

Die Vorstellung ist schon längst zu ende und doch ist sie noch nicht gebissen. Wann wolltet Ihr ihr denn Euer Geheimnis verraten? Oder besser gesagt, ihr Blut vorkosten? Aber vor ihrem Bruder solltet ihr euch in Acht nehmen. Er sieht noch so aus, aber er weiß viel zu viel über unsereins. Wisst Ihr vielleicht, woher er dieses wissen hat?

Ich lächelte ob dieser Sätze. Also einer jener Vampire, die dachten Sterbliche seien nur dazu da um ihr Blut zu trinken, nur um mit ihnen zuspielen, während für mich allen auf dieser Welt vielmehr Kunst war, Jeder Baum, jeder Wesen, jeder Mensch ein lebendes Kunstwerk. Sehr erfreut 'Laurent', und wann ich meine Opfer aussauge ist meine Sache, falls ich dieses Mädchenhaupt aussage, dann nicht an diesem Abend. Ich könnte euch natürlich auch nach Christian fragen, warum er noch lebt. Tu ich das? Nein, weil ich weiß was sich gehört. War die knappe Antwort zumal mich noch mehr als jener Vampir dieser beiden Sterblichen interessierten. Christan hatte in den wenigen Sekunden die mein Gespräch mit seinem Begleiter in Anspruch genommen hatte Christine an sich heran gezogen „Wir gehen Christine“ zischte er während er mir einen finsteren Blick zu warf. Er antwortete nicht auf meine Aussage. „Monsieur, des weiteren wollte ich noch anmerken, dass ich und eure Schwester nicht herumschleichen, wie ihr es so Charmant ausdrücktet. Wir sind normal gegangen, wie jeder Mensch auch.“

Hätten Blicke töten können , und wäre ich nicht schon tot, nun so wäre ich es jetzt gewesen. Reinster Hass ob meiner Arroganz, ob meines Standes.

Er sagte jedoch nichts zu mir, als wäre es unter seiner Würde mit jemandem wie mir zu reden.

„Christine sag mal was denkst du dir eigentlich. Du hurst hier in der Gegend herum. Lügst mich an. Ich hab keine Ahnung wo du bist, sterbe fast vor sorge um dich!“ die Angesprochene war kreide blich geworden, sah Christian ängstlich an. Mit so einer Reaktion hätte sie wahrlich nicht gerechnet…

„Das hätte ich nie von dir gedacht“ voller Enttäuschung die Stimme die bis eben noch Zorn ausdrückte. Diese Enttäuschung, das spürte ich, das konnte er nicht verbergen, nicht vor mir, galt nicht nur ihr, sie galt vor allem ihm selbst. Er gab sich sie Schuld an ihrem vermeintlichem Fehltritt. Lächerlich, aber wieder so lächerlich das es ernst war. Wie er es wagen konnte so mit seiner über alles geliebten Schwester zu reden war mir ein Rätsel. Wie konnte er sie nur so verletzen, dafür, dass sie einen Abend Spaß hatte? Wieso war es ihm nicht möglich sich für sie zu freuen?

Nein, für ihn war Christine wohl sein Püppchen. Er baute für sein ein kleines Puppenhaus, spielte mit ihr wenn es ihm beliebte, aber ließ sonst niemanden an sie heran. Wie ein Kleinkind verteidigte er dann sein Spielzeug… Darauf beharrend, dass er seins war und nicht realisierend, das diese Puppe lebendig war. Für seinen Spaß sperrte er Chirsiten ein, verwehrte ihr ein eigenes Leben und schloss sie in dem Puppenhaus welches er für sie gebaut hatte ein. Dass sie rumhurte, ha, er hatte keine Ahnung, er wusste nichts, aber war überzeugt alles zu wissen. er zerstörte ihr Träume, wollte sie in seiner kleinen engstirnigen Welt gefangen halten und warum? Damit er eine Aufgabe hatte, damit er sich um sie kümmerte, damit sie ihr Puppenhaus nicht verlassen konnte.

Des weiteren: Für was hielt sich dieser Bengel eigentlich so, mit ihr und mir zu reden? Anscheinend hielt er sich für eine Art Gottheit. Eine Gottheit der es zustand über alles zu richten und zu urteilen was sie sah. Über mich, über Vampire, über Adelige, über Arme über Christine. Als wäre er die Wahrheit persönlich und nur was er sprach wäre wirklich.

Wo nach verurteilte er sie denn? Nach seine kleinsichtigen Kriterien. Er brachte sie zum weinen, während Kilian ihr ein Lächeln auf ihre Lippengezaubert. Das wusste Christian, das war der einzige Grund seine Schwester so fertig zu machen. Ja sie würde weinen, aber nicht jetzt, nicht laut und vor ihrem Bruder, sie würde schweigen und ‚Ja’ sagen. Jedes seiner Worte traf sie, und wie, schlimmer als ein Dolch. Wie konnten Menschen so etwas tun? Er sagte er liebe sie, doch was heißt lieben? Heißt liebe sie an sich ketten? Heißt lieben denn nicht sie sich entfalten zu lassen? Sie war ein Vogel, ein Schwalbe welche durch die Lüfte fliegen sollte, doch Christian stutze ihr die Flügel, brach mit seinen Worten die Hauch dünnen Knochen, um sie hinterher zu pflegen und zu heilen und sagen zu können er habe sie gerettet, nachdem Kilian ein mal ihren Käfig geöffnet hatte, nach dem sie einmal den duft der frischen Luft gespürte hatte sah Christian keinen anderen Weg, als ihr diese Luft wieder zu entreißen und alles zu zerstören und sie wieder in den Käfig zu sperren.

Wie ich ihn für die letzten Sätze verachte lässt sich nicht in Worte fassen, jedoch besaß ich etwas das er nicht besaß. Selbstkontrolle und ein Gehirn. Aber nun genug von den Metaphern und meinem Ärger üb seine Worte und zurück zur eigentlichen Geschichte.

Christian hatte Christine davon gezerrt ließ mich und ‚Laurent’ ohne ein weiteres Wort stehen.

Hasserfüllt sah ich in die Gasse. Allein Christines letzter Blick hielt mich davon ab ihnen zufolgen Dieser Blick des tiefen Bedauerns, wo es doch nichts zu bedauern hab. Der Blick des Vertrauens in ihren Bruder, der Blick der mir sagte ‚alles wird wieder gut’ auch wenn dem offensichtlich nicht so war.

Marek hatte ich beinahe vergessen, über den Zorn und den Abscheu den mein ganzes Wesen in diesem Moment gefangen hielt. Nichts schien mehr auf dieser Welt zu existieren außer mir, Christine, Christian, dieser Gasse und meinem Hass.

„Sterbliche“ murmelte ich verächtlich vor mich hin. Eigentlich waren es nur Gedanken die ich ohne es zu bemerken laut aussprach, nicht für die Ohren anderer bestimmt. „Sie sehen, schauen nicht hin, reden ohne zu sprechen, hören ohne zu verstehen und zerstören so die, die sie lieben. Solange es ihnen gut geht.“

Einen Moment dachte ich an meinen Vater zurück. An die Zeit ehe ich etwas von der dunklen Gabe gewusst habe. Ich erinnerte mich daran, dass ich in einer Dunklen schneke gesessen habe, mit ihm neben mir, ein kleiner, verdreckter Junge, kaum kräftig genug die Arbeit auf dem Feld zu verrichten, mein Vater besoffen neben mir. Solange es ihnen nur gut geht…

Plötzlich sah ich wieder auf. Die Geräusche um mich herum, das Reden der Läute und Klappern der Kutschen bekam wieder Realität, genauso der Vampir der nun neben mir stand.

Ein Lächeln huschte wieder auf mein Gesicht, sofort war ich wieder der ‚Gentillehomme’ der ich vorgab zu sein.

Ein lautes Lachen war es, das mich zurück in die Realität geholt hatte. Das laute Lachen des Jungbluts neben mir. „Ihr seid zu Amüsant Monsieur du St. Etienne les Ourges“ ließ er sich vernehmen. Melodisch war die Stimme, ein wenig tiefer als meine eigene, ähnlich einer Klarinette möchte ich sagen. „Wie alt seid ihr? 500? 600? Und ihr lasst euch von so etwas so aus der Bahn werfen? Verzeiht Monsieur, aber ich hatte wahrlich etwas anderes von dem großen Kilian über den es schon so viele Geschichten gibt erwartet. Geschichten wie er kaltblütig den Frauen das Blut aussaugt, Geschichten wie er berühmten Jägern das Genick umdreht ohne auch nur die Spur eines Gefühls zu zeigen und was sehe ich nun?“ er deutete auf die Gasse und grinste mich frech an „Ich sehe einen Liebeskranken, eifersüchtigen Narren“

Gespannt wartete er auf meine Reaktion. Wie würde der ‚große Kilian’ handeln?

Zu seinem Überraschen erwiderte ich das Lächeln, war nicht etwa wütend oder aufgebracht, was ich zurecht hätte sein können. Dieses Jungblut wagte es schließlich so mit mir zu reden, als wäre ich irgend ein daher gelaufener Junger Vampir der von nichts eine Ahnung hatte. Nun vielleicht stimmt das auch, vielleicht weiß ich noch nichts. Vielleicht werde ich auch nie etwas wissen, aber eines stand fest: Er wusste nicht mehr als nicht über die Welt. Und vor allem wusste er nichts über mich. Vielleicht war das auch der rund für mein mildes Lächeln.

„Ihr habt recht, zum Lachen“ sagte ich anstelle von ‚Wie könnt ihr es wagen so mit mir zu reden, ihr seid nichts al eine niedere Kreatur die ich mit einem Wimpern Schlag dorthin schicken könnte wo ihr hingehört’ oder der gleichen. „Sicher, mein Verhalten erscheint euch mehr als nur seltsam, doch werdet erst so alt wie ich und lacht dann noch darüber. Hätte ich keine Empfindungen wie Liebe, oder Eifersucht, ich wäre schon von hunderten von Jahren verschwunden, irgendwo unter die Erde in einem tiefen Schlaf aus dem ich nicht mehr erwacht wäre. Würde ich keine Freude empfinden und nichts für die Sterbliche um mich herum übrig haben wäre ich heute nicht hier. Mein Gefühle sind mein schatz den ich mir bewahre, andere wiederum vergessen sie. Von daher Lacht ruhig mein Freund, lacht und hört am besten nie mehr auf“

Statt weiter zulachen verstummte es jedoch. Ob er verstand was ich meinte? Ich weiß es nicht, er verschloss seine Gedanken vor mir, so wie ich die Meinen vor ihm. „Ihr habt bestimmt recht, aber es war zu komisch. Ihr liebt sie wirklich, nicht wahr? Ihr Bruder macht sich nur schreckliche Sorgen, müsst ihr wissen. Nehmt es ihm nicht übel. Ich kenne ihn noch nicht lange, aber er hat das Herz am richtigen Fleck. Da bin ich mir sicher.“ Kaum zuglauben, dass dies der selber Vampir war, der eben noch über mich gelacht hatte. Mit einem mal so Verständnisvoll. Ja vielleicht hatte er wenigstens Ansatzweise verstanden was ich gesagt habe.

„Da mögt ihr Recht haben, aber so sehr ich einiges an Sterblichen liebe so sehr verachte ich sie für anderes. Gerade diese Art zu Beschuldigen ohne zu zuhören… nun sicher sind einige unserer Art darin auch geübt...“

Marek runzelte einen Moment die Stirn nickte dann jedoch schließlich „Sicher liet Wahrheit in euren Worten. Dennoch hoffe ich ihr könnte über diese Schwäche hinweg sehen. Christian ist Christian, und darum liebt ihn seine Schwester so sehr. Das ist alles was ich euch dazu sagen kann“ „Christian ist Christian, und darum hasse ich ihn sosehr“ antwortete ich ihm mit seinem Lächeln auf den Lippen. „Nun man wird sehen wie es sich entwickelt“ Marek nickte, erwiderte einem Lächeln.

Schön sah er aus, mit seinen roten Lippen und der blassen haut, und dem zuckersüßem Lächeln. Er war genauso alt wie ich, jedenfalls wenn man vom Sterblichen Alter ausgeht ehe er zu dem gemacht wurde was er war… ich fragte mich wer ihn wohl erschaffen hatte, wie alte er wohl wirklich war… nun vielleicht würde sich das auch noch ereben, vielleicht auch nicht.

„Die Sonne wird bald aufgehen“ ein wenig enttäuscht klangen die worte des Vampirs. Schon wieder war eine Nacht zu ende. Das war das schlimme am Sommer, die Nachte waren viel zu kurz. Und Im Winter waren sie so kalt, das kaum ein sterblicher hinaus kam…

„Ja es ist wohl an der Zeit abschied zu nehmen“ ich nickte ihm freundlich zu, genauso er mir. Eine Respektvolle Höflichkeit die man fremden Vampiren gegenüber zu haben pflegt. Etwas anderes wäre dumm, schließlich wusste man nie wie stark das Geenüber doch sein konnte. Außerdem ab es ein ungeschriebenes Gesetz: Kein Vampir tötete einen Anderen, zumindest nicht ohne Grund.

Diese Gesetze haben sich er mit der Zweit Christi etabliert, viele wurden mit der Reformation, die natürlich nicht nur die Menschen eine Reformation, sondern auch für die Vampire eine war, allmählich abgeschafft. Doch einige ergaben durchaus Sinn und wurden weiter gegeben, als hätte es sie schon immer gegeben. Man machte zum Beispiel keine Kinder zu Vampiren, sie konnten nicht für sich alleine Sorgen, konnten nicht einmal einen Gefährten Schaffen der sich ihrer annahm und derlei mehr, doch es würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen alle diese regeln zu erklären, und mich interessierten diese Regel ohnehin eher selten. Andererseits hätte ich mich kaum daran gemacht dieses Buch zu schreiben, denn damit verletze ich schon die wichtigste aller Regeln: Erzähle niemals einen Sterblichen was du bist, es sei denn du gedenkst ihn danach zu töten.

Meiner Meinung nach die dümmste dieser ganzen Regeln. Als würde es einem Sterblichen was bringen über uns bescheid zu wissen… außerdem gab ja immer noch die Jäger.

Ach ja, das hatte ich ja beinahe vergessen zu erzählen!

Im Zuger der Reformation sickerte allmählich das wissen über Vampire durch. Natürlich, Fabeln und Gruselschichten über Seelenlose Zombies die des Nats aus ihrer ruft kamen und Jungfrauen das Blut aussaugte, die gab es schon vorher. Doch einige Menschen fanden heraus, dass es sich hierbei nicht nur um Spuk und Erzählungen handelte, sondern eine Wahrheit dahinter steckte. Und einige machten es sich zur Aufgabe diesen Wesen hinterher zu Jagen. Diese Personen nennen wir nur Jäger. Sie wie auch die Kirche wissen mehr oder weniger über uns bescheit, halten es jedoch genauso geheim wie wir. Warum? Nun sagen wir mal so: Es wäre sicher nicht gut für die Kirche ein Solches Gerücht zu bewahrheiten…

Es ergab sich also das oftmals Kirche und Jäger zusammen arbeiteten, irgendwie mussten schließlich auch die Jäger ihren Lebensunterhalt verdienen.

Einige von ihnen sind ganz gut, schaffen es sogar Vampir unter die erde zu bringen, auf die eine oder andere Art. Nun ich persönlich genieße es immer wenn ich auf einen von ihnen stoße.

Normale Sterbliche sind keine Gegner, diese Jäger jedoch schon. Sie kämpfen und sie wehren sich und sie wissen wogegen sie Kämpfen, was das ganze interessanter machte.

So viel zum Thema ‚Geheimhaltung unserer Art’
 

Wo war ich noch gleich?

Ach ja, der abschied von Marek. Nun Abschied ist übertrieben, denn die Gewissheit diesen interessanten Vampir wieder zu treffen lag förmlich in der Luft.

Er wandte sich um, ging seines Weges, ich wandte mich um und ging den meinen.

Sanft war der Wind welcher durch die Straßen Parisens wehte. Still waren die Straßen der Stadt, selbst die Menschen einer solchen Metropole müssen einmal zu Bett gehen.

Ich genoss die Stunden vorm Sonnuntergang. Je älter man wurde, umso mehr konnte man sie genießen, umso resistenter wurde der Körper und mich reizte es von jeher meine Grenzen auszuprobieren, immer an sein Maximum zu gehen und so auch diese Nacht.

Ich hatte die Avenue Phosphoyer erreicht, eine Straße des Adels, reich verzierte Häuser im Barockstil, einige Historismus. Für die Menschen war kaum zu bemerken, dass die Sonne bald auf gehen würde, ein sanftes Glühen kaum am Horizont und in den Straßen und Gassen einer Stadt nicht zu bemerken. Doch für die Augen eines Vampirs blieb die Veränderung des Himmels, die kleinen Strahlen, welche die Wolken reflektierten, die Sterne, deren Glanz allmählich erlosch, nicht unbemerkt.

Ich sprang mit einem eleganten Satz auf die Dachgiebel einer kleineren, weiß angestrichenen Villa. Die Fenster mit weißem Spitzenvorhang versehen, Rokaden, welche als Verzierung an der Hauswand diente, die Giebel über den Fenstern ebenso pompös wie schlicht, bestechend durch einfache und doch auffällige Verschnörkelungen.

Diese Villa war mein Eigentum, ich kannte jeden Stein noch, konnte mich an meinen letzten Besucht hier erinnern, 100 Jahre zu vor, und nichts hatte sich geändert. Es wurde Zeit, dass sich etwas änderte. Doch nicht heute, und vielleicht auch erst in 100 Jahren, es kam ganz darauf an...

Nun saß ich da, sah über die Dächer der Stadt, sah den ersten, noch ungefährlichen, Schimmer des kommenden Morgens. Des Morgens der mir so unbedeutend vorkam, und doch wünschte ich mir nichts sehnlich als einmal noch dieses Farbspiel bewundern zu können. Wer weiß, vielleicht würde ich einst stark sein. So stark, so alt, das nicht einmal Sonnenlicht mir schadete. Doch davon war ich momentan noch weit entfernt und so blieb mir nichts als zu verharren bis es blendete, bis es brannte, bis es mich verscheuchte, das schöne, grässliche Licht der Sonne.

Während ich dort saß, auf dem schwarzen Dach, das Glimmen beobachtend dachte ich erneut an die Worte des jungen Vertreters meiner Gattung. „Du liebst sie wirklich“ hatte er gesagt.

Ich lachte innerlich laut auf. Dummer, kleiner Vampir, der nichts verstand. Sie lieben? Ich liebte jeden Menschen, ob gut oder böse, ob rein oder nicht und ich hasste jeden Menschen, weil ich nicht wie sie war, und ich war belustigt über jeden Menschen, weil ich anders war als sie. Aber sie, sie speziell lieben?

Nein, was ich ihr sagte war die Wahrheit, warum ich wütend gewesen war, war nicht ihretwillen sondern des Jungens willen, seiner Einstellung willen. Wegen Menschen wie ihm mussten Vampire sich verstecken, wegen Menschen wie ihm glauben manche Vampire die Ausgeburt der Hölle zu sein.

Dass er sie wirklich liebte... Wie konnte ich? Wie konnte ein Geschöpf der Finsternis jemanden mit solchem Licht lieben? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Würde ich sie zu einem der unsrigen machen, würde sie mich hassen, würde mich verfolgen, mich gar töten. Irgendwann. Oder sie würde Wahnsinnig, würde ihr Licht, welches mich so faszinierte verlieren. Und wenn ich sie nicht zu einer von uns machte so starb sie eines Tages. Es kam sich gleich, es war nun mal so das ein Vampir keinen Menschen lieben konnte, nur die Menschen als solche, konnten mich interessieren. Einen ihrer Art konnte ich verehren, beneiden, lieben aber nicht in diesem Sinne. Nein.

Ich lächelte. Was wohl dieser Vampir, Marek, dazu sagen würde, hätte er mich gehört? Sicher würde er entweder betroffen oder im höchsten Maße amüsiert sein, es schien ein... lustiger Zeitgenosse zu sein, sicher noch einen Besuch wert. Doch zunächst galt es ein Licht zum leuchten zu bringen...

Ein anderes Licht wurde nun zu hell. Ich kniff die Augen zusammen, die ersten Strahlen kamen hervor, reflektierten sich in meinem blonden Haar, spiegelten sich in meinen blauen Augen wieder, welche jenes unbeschreibliche Schauspiel ansahen wieder. Verbrannten sie.

Nun war es soweit, nun würde ich gehen müssen.

Mit einem leichten Seufzer richtete ich mich auf, sprang mit einem Satz hinunter auf die Straße, direkt vor die hölzerne Tür meines Hauses. Ein silberner Schlüssel in einem silbernen Schloss, ein Klicken und die Tür öffnete sich. Wie angeordnet war die Wohnung erneuert worden. Möbel waren an Ort und Stelle platziert, Gemälde aufgehängt, Teppich ausgelegt. Alles schick und Pompös. Vielleicht ein wenig Kitschig, doch gerade das gefiel mir. Alles war etwas Extravagant, eine Eigenschaft welche, meiner Meinung nach, meinen Charakter durchaus widerspiegelte.

Schnellen Schrittes durchquerte ich die Eingangshalle, mit seinem Kronleuchter und den Spiegeln, die das ohnehin imposante Zimmer noch größer wirken ließen, 5 Kilians schienen durch die Halle zu gehen, doch schenkte ich diesen Illusionen keine Beachtung. Dann ging es eine Treppe hinauf. Einmal rechts, einmal links, ich kannte den Weg noch in und auswendig, nach all der Zeit, als wäre ich erst gestern durch diese Gänge gewandelt... schließlich erreichte ich mein Ziel.

Ein kleines, geheimes Kämmerchen, alles wie damals. Einige Spinnenweben hingen herunter, ja niemand diesen Raum gefunden hatte... einmal schloss ich die Augen, Staub war nicht schwer... als habe ein Windstoß die Teilchen und Weben erfasst bewegten sie sich, verschwanden allmählich. Zufrieden lächelte ich, ging auf den schwarzen Sarg, den einzigen Einrichtungsgegenstand des Zimmers, welcher sich im Zentrum befand, zu. Einmal strich ich sanft über den schwarzen Lack, kalt, Maßarbeit, noch so gut wie vor 100 Jahren. Mit einer Hand öffnete ich den Sarg. Weicher roter Stoff kam zum Vorschein. Weich. Ja, samt weich. Beruhigt alles wie gehabt vor zu finden, und von der gewohnten Schläfrigkeit des Morgens übermannt legte ich mich ich in den Sarg, schloss den Deckel über meinem Haupt und viel in meine Alltägliche Starre, welche Menschen als Schlaf bezeichnen mochten.

Tränen

Kapitel 18
 

Ich war das, was Sterbliche einen Frühaufsteher nennen würden. So wie ich es morgens liebte die ersten Strahlen der Sonne zu zusehen so liebte ich die letzten Strahlen, welche meine weiße, kalte Haut noch ohne Schäden zu hinter lassen zu spüren durften.

Voller Tatendrang erhob ich mich aus meinem Sarg.

Ich wollte Spaß haben, irgendwie schien diese Nacht (wie auch alle andren Nächte) wie dazu geschaffen Spaß zu haben, zumindest versprach sie interessant zu werden.

Und in welcher Stadt konnte man sich wohl besser Amüsieren als in Paris?
 

Nun es ist sicher nicht sonderlich schwer zu erraten wo ich hinging nehme ich an. Natürlich ging ich zu meiner Christine. Einen Moment die Augen geschlossen, meinen Geist auf den Schwingen der Nacht durch Paris tragen lassend, um sie zu finden.

Meine Mächte sind einigermaßen groß, zumindest groß genug um Personen die ich kenne aufzuspüren, und genau das tat ich nun mit Christine. Sie war ziemlich weit von hier, zumindest für einen Sterblichen wäre es weit gewesen. Fast am anderen Ende der Stadt, im Viertel der armen Leute, wie ich es nicht anders erwartet hätte.

Ich sah sie förmlich, sie saß da, weinend auf ihrem Bett, ihr Bruder war gegangen ehe sie erwacht war, hatte sie eingesperrt und inzwischen war sie unter ihren Tränen wieder eingeschlafen.

Menschen schienen immer so berechenbar, und doch waren sie auch das Gegenteil… Man sollte doch annehmen, dass man jemanden, den man liebt Glücklich machen will, oder? Vielleicht ist dies auch nur meine dumme Meinung als Kind der Nacht, vielleicht verstehe ich von solcherlei einfach nichts, aber ich dachte immer dass er hieße den anderen Glücklich zu machen. Christian schien das anders zu sehen, doch davon habe ich euch schon genug erzählt.

Paris empfing mich mit meinen schwarzen Schwingen, wie ich über die Dächer der Häuser sprang, ungesehen. Wie ein Phantom der Nacht.

Ja ich genoss es. Wie jede Nacht genoss ich es. Der Wind in meinen Haaren, auf meiner Haut, der Himmel über mir, die Sterblichen und ihr Leben unter mir und ich zu keinem dazu gehörig.

Schon veränderte sich der Geruch, das Ambiente.

Die hell erleuchteten Avenues wichen dunkeln Gassen, die Prachtvollen Barockbauten zerstörten, oder notdürftig reparierten Bruchbuden, der Duft von Parfüm und Puder dem Gestank von Fäulnis und Abfall.

Eine Schande, dass dieser Engel, dem ich gestern begegnen durfte hier leben musste…

Ein Engel der nun seine Flügel ausbreiten wollte. Als ich endlich ihr Haus erreichte, sah ich sie schon am Fenster stehen, in die Nacht hinaus blickend. Erst melancholisch, als hätte sie selbst schon aufgegeben aus diesem Käfig zu fliehen. Dann plötzlich entschlossen. Sie öffnete das Fenster. „Avenue Phosphoyer“ bildeten ihre Lippen. Einen Moment zögerte sie, schaute noch einmal hinunter. Sicher, es war nur das zweite Stockwerk und nicht sehr hoch… dennoch… Sie schüttelte den Kopf, warf alle Zweifel von sich. Vorsichtig kletterte sie, auf die Fensterbank. Erst ein Fuß, dann der andere. Weiter auf den Giebel, die Angst runterschluckend. „Avenue Phosphoyer“ wiederholte sie, als wäre es ein Gebet.

Ich musste lächeln. Ihr Bruder hatte sie eingesperrt. Und was hatte er erreicht? Dass sie floh, dass sie Fliehen musste.

Mit eiserner Entschlossenheit und jedem Schritt bedacht, schließlich wollte sie nicht vom Dach fallen, versuchte sie auf den nächsten Giebel zu kommen. Suchend tasteten ihr Füße nach halt. Gerade als sie dachte sie hätte diesen gefunden, brach ein Ziegel ab. Nichts was ihre Hände fassen könnten, nichts was ihr Füße hätte stützen könnten. Sie fiel.

Doch kam sie nicht auf dem harten Boden auf. Sicher hatte ich sie aufgefangen.

Ihre Finger krallten sich unweigerlich an meinem Stoff fest, ihr Kopf lag in meinem Hemd, die Augen zugekniffen, als warte sie noch darauf, auf dem Boden aufzukommen.

Allmählich lockerte sich der Griff um meine Arme, aber sie sah nicht auf. Ein leises Schluchzen war zu hören. Tränen liefen über das Zauberhafte Gesicht. Was sie gesucht hatte hat nun sie gefunden. All die Furcht, all das Sehnen, all die Angst, all das Glück vereint in einem Geist. Sie musste weinen, sie sehnte sich nichts mehr als sich an meiner Schulter ausweinen zu können.

Und wie konnte ich ihr diesen Wunsch abschlagen. „Shhhh“ beruhigte ich sie, strich ihr über das seidene Haar hinunter über die Schultern „ruhig mon étoile. Ich bin ja hier.“

Sie schien mich nicht zu hören, unaufhörlich weinte sie, wie ein Wasserfall rannen die Tränen über ihr Gesicht. Aber allein schon der klang meiner Stimme schien sie zu beruhigen. „Mein Stern, ich nehme dich mit. Keine Angst“ kein Zeichen ob oder dass sie mich gehört hatte, nur ein leises Schluchzen, während ich sie in meine Arme nahm und los rannte. Natürlich schneller als ein Menschliches Auge hätte verfolgen können, doch dieses Kind bekam momentan ohnehin nichts von dieser Welt mit, war momentan gefangen in ihrer Welt der Traurigkeit und Glück.

Mein Ziel war mein Haus. Avenue Phosphoyer, zu der sie unbedingt hatte gehen wollen. Am ganzen Leib zitterte sie, schluchzte weinte sie. Wo war ihr Bruder jetzt, ihr Bruder, der sie doch über alles liebte? Interessierte es ihn? Interessierte ihn seine Schwester wirklich? Wäre er dann nicht bei ihr geblieben? Hätte er sie dann nicht am Abend zuvor wenigstens erklären lassen? Wenn er sich interessierte, wenn sie das wichtigste in seinem Leben war, wieso ließ er sie dann alleine in einem dunklen Zimmer?

Irgendwann, das hatte ich mir vorgenommen, irgendwann würde ich ihm genau diese Frage stellen, und ich war gespannt auf seine Antwort.

Endlich erreichten wir den hohen, von zwei Säulen eingerahmten Eingang meines Hauses. Ohne nach dem Schlüssel zu greifen, einfach mit der Kraft meines Willens ließ ich das Schloss aufspringen, die Tür aufschlagen.

Christine war viel zu verstört und aufgewühlt, um zu verstehen was gerade mit ihr geschah. Behutsam trug ich sie durch die Räumlichkeiten in den Salon, legte sie dort auf das Sofa nieder.

Erst jetzt blinzelte sie leicht, begann zu realisieren was geschehen war.

Meine Hand strich über das glatte, weiche, warme Gesicht „Schht mon étoile. Alles wir gut, ich bin ja hier, mein Stern“ benommen sah sie mich an, ließ mich über das Gesicht streichen, über ihr Haar, über ihre Schulter. Sie schmiegte sich an mich, suchte meine Nähe.

Christan hatte das selbst zu verantworten. Wenn er nicht wollte, dass ich sie tröstete, so hätte er da sein müssen, um sie selbst zu trösten. Er hatte sie nicht verdient. Er nahm sie als Selbstverständlichkeit, als Besitz und nicht als das Juwel, welches sie war.

„Nun, Prinzessin, warum weint ihr?“ ich strich ihr eine Strähne aus dem wildem Haar, welches nun zerzaust über ihr zarte Gesicht fiel. Trotz der rot unterlaufenden Augen sah sie aus wie ein sanfter Engel. Blass war ihre Haut, blasser als am Abend zu vor, schon jetzt hatte sie etwas von ihrem Strahlen verloren, ihrem Optimismus, ihrer Fröhlichkeit. Doch die Tränen, welche den Schein der Kerze reflektierten leuchteten noch.

„Es… es ist schon in Ordnung“ sie versuchte sich ein Lächeln abzuringen, wischte sich schnell die Tränen aus ihrem Gesicht. Ich schüttelte den Kopf. Es war in Ordnung. Oh ja, ich sah wie in Ordnung alles war.

Ohne Zögern nahm ich sie in den Arm. „Wenn du’s mir nichts ins Gesicht sagen kannst, dann sehe eben hin. Aber lüg mich nicht an“

Ausgerechnet ich musste das sagen. Ich der nichts anderes tat als sie anzulügen. Und doch war es mein Ernst. Meine Gefühle spielte ich ihr nicht vor, nicht meine Sorge, nicht meine Zuneigung, die mit jedem Moment zu wachsen schienen.

Ich spürte wie die Tränen wieder zu fließen begannen „Ich… Christian… ich … ich….“ Stammelte sie brachte jedoch keinen vernünftigen Satz heraus. „Oh man diese dummen Augen“ sie schluchzte leise „Ich bin so froh dass ich bei euch bin“ ihre Arme schlangen sich um meine Taille und sie vergrub ihr Gesicht in meine Schoß.

„Ich bin froh bei euch sein zu dürfen, mon étoile“ sagte ich ruhig schob sie nun weg von mir um ihr ins Gesicht sehen zu können „Danke“ brachte sie unter bebenden Lippen hervor „ich… wie… wie kann ich mich je bei revan-„ „Schhh“ meine Finger berührte ihre Lippen und brachte sie zum schweigen. Aus übernatürlich großen Augen, voller Glück, sich in den meinen verlierend sah sie mich an. Die Tränen versiegten „Du brauchst nichts zu sagen“ sagte ich lächelnd und strich ihr erneut übers Gesicht.

Ich stand auf, reichte ihr meine Hand „Beruhigt euch erst einmal. Ich werde euch heißes Wasser einlaufen lassen und dann könnt ihr euch im Bad sammeln.“ Sie nickte dankbar. Ja es war das Beste sie jetzt alleine ins Bad gehen zu lassen, ihr Zeit für sich selbst zu geben. Sie war ja noch ganz durcheinander, und diese kleine Annehmlichkeit, diese kleine Erfrischung würde ihr sicher gut tun.

Sie nahm meine Hand, versuchte Aufzustehen doch gaben ihr Beine nach, und sie fiel erneut in meinen Arm. Wie nicht anders zu erwarten errötete sie leicht „Verzeiht“ nuschelte sie verlegen.

Süß, wie sie so dastand, ich konnte mir ein Lächeln einfach nicht verkneifen als ich sie erneut hoch hob. Erst glaubte ich sie würde wieder protestieren. Doch sie tat es nicht, sie schmiegte lediglich ihren Kopf an meine Schulter und lächelte und schloss die Augen.

Ich wurde aus diesem Mädchen einfach nicht schlau… sie war so... anders. Sie akzeptierte Sachen die andere für undenkbar hielten und bedankte sich für Selbstverständlichkeiten… und jetzt lächelte sie. Einfach so…

Ich trug sie Treppenstufen hinauf. Wasser war schon vorgeheizt, zumal ich, auch wenn ich es als Vampir natürlich nicht nötig habe, auch gerne dann und wann ein Bad nehme. Ich setzte sie vorsichtig ab, legte ihr ein frisches, weißes Tuch raus und ein Kleid, welches ich schon zu Beginn des Abends heraus gesucht hatte hin.

Stumm saß sie auf dem Stuhl auf welchem ich sie abgesetzt hatte, beobachtete mich wie ich ihr die Sachen rauslegte und das warme Wasser in das Basin der Keramikwanne einlaufen ließ. Wartend, geduldig, und einwenig ängstlich.

Schließlich war alles bereit, das Wasser mit Rosenöl getränkt, sodass sie sich in einem Traum von einem Schaumbad säubern konnte. Ich drehte mich zu ihr um, sah in diese erwartungsvollen, schüchternen Augen die mich nicht einen Moment verlassen hatten. Meine Hand strich ihr übers Haar „Keine Angst. Ich verschwinde schon nicht“ lachte ich. Christine nickte, lächelte mich in stummen Verständnis und Erleichterung an.
 

Wie es sich für einen Gentillehomme gehört verließ ich anschließend das Badezimmer und ging wieder hinunter in den Salon, lauschte jedoch insgeheim ihren Geräuschen. Wie sie langsam aus dem Kleid schlüpfte, wie sie kurz über dem Wasser stehen blieb und den Duft einmal tief einatmete, wie sie dann schließlich erst mit dem einen, dann mit dem anderen Bein ins Wasser stieg und sich das Wasser ins Gesicht spritzte, sich dann zurücklehnte und die Augen schloss.

Doch ich ließ ihr diesen Moment allein, drang nicht in ihre Gedanken ein. Wie ich schon sagte, selbst ich habe meine Prinzipien.
 

Eine Stunde verstrich. Eine Stunde in der Christine ihrer Seele freien Raum lassen konnte, in der sie sich beruhigen und ihre Gedanken ordnen konnte. Sicher hatte sie vieles über das sie nachdenken musste. Vor allen ihr Bruder, der es ihr so schwer machte…

Ich unterdessen saß diese Stunde nicht etwa gelangweilt auf meinem Sofa und übte mich in Geduld (Ich gehörte noch nie zu der geduldigsten Sorte)

Nein, ich begab ich in die Küche. Sicher, ich benutzte sie nur dann und wann, bei den selten Gelegenheiten bei denen Gäste kamen, was nun lange her war. Aber ich hatte einem der Diener den Tag über den Auftrag gegeben etwas zu essen zu besorgen. Etwas Fleisch, zwiebeln, Kartoffeln des weiteren allerlei Gemüse wie auch Gewürze und natürlich Wein. Es musste Sterblichen sonst doch ziemlich seltsam erscheinen, eine Küche ohne jegliches Essen oder trinken vor zu finden.

Wie es schien hatte ich genau richtig gehandelt, denn ansonsten hätte ich meinem Engel nichts zu Essen anbieten können, was wahrlich eine Schande gewesen wäre. Und sicher hatte sie Hunger, nach diesem langen Tag, eingesperrt in ihrem Zimmer ohne einen Bissen zwischen die Zähne zu kriegen.

Es mag seltsam erscheinen zu hören, dass ein Vampir, der ja selber nichts isst (nur trinkt) kocht. Sicher, ich habe noch nie wirklich kochen gelernt, doch ich habe schon einige Male zu gesehen und ein Vampir hat ein sehrt gutes Gedächtnis. Des Weiteren hilft der verbesserte Geruchssinn ungemein. Was Sterbliche schmecken rieche ich, und so denke ich kann ich von mir durch aus behaupten ein… zumindest passabler Koch zu sein, wobei ich natürlich an die Ehrlichkeit meiner Koster appelliere, denn ich habe freilich nie eine Messerspitze meiner Speisen essen können.

Es war kein Pompöses Mahl, dazu fehlten einfach die Zutaten und Gewürze. Dennoch war der Duft der nun aus der Küche kam mehr als nur verführerisch.

Wie lange war es her dass ich eine Soße, oder auch nur eine Suppe gekostet hatte? Wie lange war es her, dass ich mich in Heißhunger über einen Braten hergemacht hatte?

Wie hat das überhaupt geschmeckt?

Ich schloss die Augen, versuchte mich daran zu erinnern, an die Speisen die ich bei Xavier gegessen hatte, an das Trinken, an die Desserts… doch es wollte nicht zurückkommen. Ich hatte solange nicht daran gedacht, dass die Erinnerung kaum mehr als ein Schatten war. Ich wusste, dass es da war, doch es war nichts Handfestes, nichts greifbares…

War es denn so wichtig dass ich mich erinnerte? Nein. Eigentlich nicht. Ich hatte mein unsterbliches Leben, ich hatte das Blut und im vergleich zu diesem war jeder Festschmaus eher so, als esse man Asche. Fad, völlig ohne Geschmack. Warum also sich versuchen daran zu erinnern, wo mir das Blut doch so ein großes Geschenk gemacht hat. Ich hatte soviel gewonnen durch mein Leben als Kind der Nacht. Nie könnte ein Mensch die Welt so sehen, nie so erleben wie ich es jede Nacht tat. Nie würde ein Mensch die ganze Sinnlosigkeit seines Daseins erfassen können. So wertvoll war das Leben in ihren Augen, dabei bedeutete es im Endeffekt nichts. Niemand der noch um die Opfer der Völkerwanderung im alten Griechenland weint, keine Träne die über die toten der Kriege der Römer vergossen wird. Menschen konnten so naiv sein, was das Leben und den Tod betraf. Aber waren Vampire nicht auf ihre Art genauso? Masten sich an zu sagen sie würden Ewigkeiten überdauern und bringen sich dann nach zwei-dreihundert Jahren um, weil ihr Leben keinen Sinn machte. Nur, dass Vampire die Zeit haben es einzusehen.

Hatte mein Leben einen Sinn?

Nun bessere Gegenfrage: Machte es Sinn sich darüber Gedanken zu machen?

Ich lebte jetzt. Ich dachte momentan eigentlich nicht daran mich doch einen Sonnenaufgang an zucken noch auf ein Grillfest zu gehen in dem ich die Hauptspeise darstellte.

Das Leben ist zu kurz um sich über so etwas Gedanken zu machen, und wenn ich das mit meinen inzwischen 500 Jahren sage, so glaubt mir, dass ihr Sterblichen die ihr diese Zeilen lest gar nicht erst Versuchen solltet hinter das Geheimnis dieser Frage zu kommen. 42. Nehmt diese Antwort und seid Glücklich damit. (Anm. d. Autors: 42 ist die antwort auf alles, nur die Frage ist unergründet. Siehe: „Per Anhalter durch die Galaxis“ + eine Auswahl anderer Bücher). Man lebt oder man lebt nicht und wenn man sein Leben damit verschwendet darin einen Sinn zu suchen, nun dann wird der Sinn sicherlich nicht erfüllt und man lebt niemals wirklich. Also meine lieben Leser: LEBT, das ist es was ich damit sagen wollte.

Doch zurück zu meinen fenomenalen Kochkünsten, die schließlich einwenig Braten zusammen mit Kartoffeln und eine Waldpilzsoße zustande brachten. Ein wunderbares, schlichtes Essen wie Christine es kannte. Nicht Kaviar oder Coque au vin oder derlei. Warum sollte ich ihr so etwas vorsetzen? Es hätte so aussehen müssen, als wolle ich ihr zeigen wie viel reicher und gehobener ich war. Nein, ich bevorzugte hier das schlichtere Essen, welches ihr wahrscheinlich ohnehin lieber war (ja, ja, es könnte auch daran liegen, dass ich nicht die nötigen Zutaten hatte. Vielleicht auch, dass ich nicht so viel Zeit hatte, und dass ich kein erfahrener 5 Sterne Koch bin)

Plätschern von oben verriet mir, dass sie nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Nach dem ich also den Tisch hergerichtet hatte -schlicht, wie das essen, einfach weiße Teller auf einer bordeauxroten Tischdecke, dazu schmale Kristallglasgläser und Silberbesteck, etwas anderes hatte nicht und ich bezweifelte, dass Christine lieber mit den Händen gegessen hätte- begab ich mich in die Halle welche alle Räumlichkeiten, wie auch das obere und untere Stockwerk miteinander verbunden, legte die Hände auf die Tasten des großen schwarzen Flügels, hielt einen Moment inne. Sicher er war beeindruckend, jedoch nicht sonderlich teuer. Die Ganztontasten waren aus Zedernholz und schwarz, lediglich die Halbtontasten weiß wie es bei alten Klavieren zu sein pflegte. Damals galt es noch als vornehme, wenn es andersherum war, zumal dann die weißen Tasten aus Elfenbein waren, was wiederum sehr teuer war. Dieses Prachtexemplar gehörte also unter den Flügeln zu der gewöhnlichen Sorte. Aber das änderte nichts an dem wunderbaren Klang. Ich verstand nie warum man denn nun unbedingt Elfenbein für die Tasten nehmen musste. Sicher, es sah nett aus, aber ich bevorzugte doch immer die schlichteren Modelle, das schwarz gefiel mir immer recht gut.

Langsam begann ich zu spielen, ein leiser Auftakt, zwei Takte nur eine Stimme, dann die zweite Hand hinzuführend, welche wiederum eine andere Melodie Spielte. Die Augen hatte ich wie meistens wenn ich spielte, geschlossen. Wie liebte ich es Piano zu spielen, als hätten meine Hände ein Eigenleben, ohne über die Bewegungen nachdenken zu müssen flogen die Finger über die Tasten, spielten eines von Mozarts Sonetten die ich so verehrte, und ich lauschte den Klängen. Musik hat für mich eine ganz spezielle Faszination, die sich schwer in Worte fassen lässt. Musik ist Kunst. Musik ist dazu da Gefühle auszudrücken, dazu da die Herzen zu bewegen. Es ist nichts über das man lange nachdenken sollte, man muss es fühlen, und ich fühlte es, wie es über meine Fingerspitzen durch meinen ganzen Körper floss. Musik hat nichts mit Mathematik, mit Wissenschaft oder der gleichen zu tun. Sicher, man musste den Takt zählen, man musste als Komponist abstände der Noten berücksichtigen, man musste berücksichtigen in welcher Tonart es gespielt wird, wie die obere und untere Stimme zusammen passten. Sicher. All dies war nötig um ein Stück zu schreiben. Aber die Musik entstand doch erst beim spielen.

Niemals wurde auf dieser Erde das gleiche Stück zweimal gehört. Ein anderer Musiker, eine andere Interpretation, ein anderes Gefühl, eine anderer Anschlag. Es mochten Kleinigkeiten sein, die ein Sterblicher nicht direkt wahrnahm, doch irgendwo merkte doch jeder den Unterschied, ob nun bewusst, oder unbewusst. Kein Mensch kann zweimal das gleiche Stück spielen, nur das Selbe.
 

Halb hüpfend, halb gehend und im Takt der Musik hin und herschwenkend kam sie an den Treppenabsatz. Ich öffnete die Augen, als ich ihre Füße auf dem Holzboden hörte.

Schön sah sie aus in dem Kleid, das ich für sie zurechtgelegt hatte. Kaum zu vergleichen mit dem schmutzigen und einfachen Gewand, welches sie zuvor, Tag ein Tag aus hatte tragen müssen. Erst jetzt konnte man wirklich sehen wie zart sie war, wie ein Engel der gerade weg vom Himmel herunter gefallen war.

„Das war wunderbar Monsieur! Ihr seid wirklich in vielerlei talentiert! Theater, Musik… Ich bin wirklich beeindruckt“ sie lächelte mir freudig entgegen, von den verflossenen Tränen war keine Spur mehr.

Dar Lied fand sein Ende, und mit der letzten Note erhob ich mich. „Erlaubt mir dies zu sagen: Ihr seht wunderschön aus, Mademoiselle“ Sie errötete wie schon so oft, hob das Kleid einwenig an und schaute an sich herunter “I-ich weiß nicht...es ist so ungewohnt… und ich bin mir nicht sicher ob ich es richtig zusammen gebunden haben, so viele Schnüre“ sie schaute wieder auf, drehte sich einmal um sich selber, so das der Rock von der Luft erfasst und einwenig hoch getragen wurde „Aber es gefällt mir sehr Monsieur, vielen Dank“ „Ihr braucht euch nicht zu bedanken, es ist schon lange her, dass ich solch bezaubernde Gesellschaft wie die eurige habe genießen dürfen. Außerdem hört doch bitte auf mich immer Monsieur zu nennen. Kilian reicht völlig. Wenn ich mich nicht irre habt ihr sicher Hunger, wenn ihr mit mir zu dinieren wünscht?“

Manch ein junger Vampir hätte dieses Angebot für fahrlässig gehalten, schließlich aßen Vampire nichts, im Gegensatz zu Sterblichen, doch würde es manch eine Vampir verwundern wie wenig Menschen bemerkten, ein nicht ausgetrunkenes Glas Wein, ein nicht angerührter Teller, wenn der Vampir sein Handwerk gut verstand so viel dies nicht weiter auf. Die Augen des Sterblichen sollten nicht auf den Speisen seines Gegenübers sondern in dessen Augen, auf dessen Lippen ruhen, nicht auf das Drumherum achtend, sondern auf ihn, und gleichzeitig durften sie nicht bemerken was ihnen dort den Abend versüßte. Es war kaum zu glauben, so schwierig hörte es sich an, und doch war es so einfach...

“Aber nur, wenn ihr mich nicht mehr ‚Mademoiselle’ nennt, sonder Christine“ erwiderte sie lachend, nahm den Arm den ich ihr angeboten hatte um sie in den Speisesaal zu begleiten und hüpfte kaum merklich bei jedem Schritt.

Was fällt einem dabei auf?

Nun Beim Theater, war sie glücklich, als sie bei mir war. Als dann ihr Bruder kam war sie eher geschockt und erschrocken, schließlich hatte sie sich bis eben die Augen ausgeheult, doch nun, bei mir zu Gast lachte sie wieder. Und es war kein aufgesetztes Lachen, das spürte ich. Nein sie fühlte sich einfach wohl und geborgen, ihr Lachen kam aus dem Herzen heraus. Wieder dieser Gedanke. Christian hatte sie nicht verdient. Er konnte ihr nicht geben was sie brauchte um ihr Licht zu behalten…

Der Speisesaal. Manch einer mag sich unter meinem Speisesaal nun einen pompösen langen Raum mit einer riesigen Tafel vorstellen, zwei Teller darauf, einen an dem einen, den anderen am andern Ende, soweit von einander entfernt, dass man ein Telefon bräuchte um mit einander zu reden.

Es tut mir leid diejenigen zu enttäuschen die davon ausgegangen waren, ich bevorzugte von jeher einfachere Speisesäle. Ein mittelgroßer runder Tisch, die Wände weiß mit einigen selbst gezeichneten Kohlebildern von verschiedensten Städten und Landschaften die ich besucht hatte, freilich bei Nacht wie sich von selbst versteht. Der Boden war Holz vertäfelt, jedoch mit einem dunkelblauen Teppich versehen, an einer Ecke ein Kamin, welcher jedoch momentan nicht brannte. Es war Sommer und auch so warm genug.

Wie es sich für eine Gentillehomme gehörte rückte ich den Stuhl für Christine zurecht, sodass sie sich einfach hinsetzen konnte. Fasziniert sah se sich in dem Raum um, fast wie beim Theater, die Augen weit geöffnet vor Begeisterung.

„Das sind schöne Bilder, habt ihr die gemalt? Sie sind alle bei Nacht, da sieht man die vielen Lichter der Städte viel schöner“ Ihr Blick glitt einmal durch den Raum von einem Bild zum nächsten und blieb schließlich auf dem Gedeckteten Tisch hängen. Fasziniert strich sie einmal über das geschliffene Glas, schnippt probeweise dagegen und hörte dem klaren reinen Klang zu. Offensichtlich war sie begeistert von dem was sie sah.

Milde lächelnd, mich an ihrer kindlichen Freunde labend setzte ich mich gegen über von ihr auf meinen Platz. „Bon apetite“

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. „Ja guten Appetit“, erwiderte sie Fröhlich und stach mit der Gabel ins Fleisch „Wow das Fleisch ist super…. Ich meine… es ist wirklich delikat“ verbesserte sie sich schnell. Ich lachte leise „Kein Grund gezwungen höflich zu sprechen. Ich muss gestehen, dass sich das bei mir vielleicht im laufe der Zeit so ergeben hat, aber ihr habt wirklich keinen Grund du all diesen unnötigen Höflichkeitsfloskeln“ Sie schüttelte sofort den Kopf „Nein Monsi… Kilian. Ihr begegnet mir mit soviel Respekt und Höflichkeit wie auch Freundlichkeit, wie ich sie kaum jemals erhalten habe. Es ist also das mindeste, dass ich mich euch gegenüber genauso verhalte.“ „Hauptsache, ihr verstellt euch nicht und seid ihr selbst“

Ein weiteres Lächeln huschte über das jugendliche Gesicht „Ja“ sie nickte leicht, so dass ihre Haare ein wenig nach vorne vielen und sie sie wieder nach hinten schieben musste. „Ihr habt meine Frage noch gar nicht beantwortet. Sind diese Bilder von euch?“ Sie stach erneut ins das Fleisch und begann zu schneiden, wobei sie mir jedoch vorher noch einen kurzen fragenden Blick zu warf.

„Einige sind tatsächlich von mir. Ich empfinde Nachtportraits ebenfalls als sehr passend, die Farben wirken ganz anders, es liegt ein gewisse ruhe in den Bildern, tagsüber hingegen Hektik, welche ich nur im geringem Maße schätze.“ Ganz abgesehen davon, dass ich diese Städte bei Tage nie hatte sehen dürfen und sie wohl auch nie sehen würde. Wozu auch? Waren die Lichter der Stadt nicht auch so bezaubernd? Musste man einen blauen Himmel haben um sich an den Gebäuden zu erfreuen? Nein, im Gegenteil, bei Nacht erst konnten sie ihre wahre mystische Pracht offenbaren. Die Sonne löscht doch alle Freuden der Nacht aus, wie die schönen Sterne, so die süßen Melodien und Harmonien der Fantasie, und die stärksten Gefühle der Vergangenheit und Zukunft. Die Nacht hatte etwas Zauberisches, was kein Tag hatte; so etwas grenzenloses, Inniges, Seliges. Das Mechanische der Zeitlichkeit, das einen spannt und festhält, weicht so sanft zurück, und man schwimmt und schwebt, ohne Anstoß, auf Momente im ewigen Leben, so zumindest sah ich meine Ewigkeit. Warum sollte ich dem Tage hinterher trauern wie es nicht wenige Vampire taten, war die Nacht doch von solch unendlicher Schönheit gezeichnet...

„Hektik wird auf Dauer zu anstrengend...Doch gibt es sie in der Nacht ebenso wie am Tage....wissen Sie, Monsieur, am liebsten habe ich die Zeit in der die Sonne unter- oder aufgeht und einen neuen Tag ankündigt. Zu diesen Zeiten scheint einem alles wunderbar friedlich und die Sorgen des Alltags erscheinen einem unwichtig und klein...“

offenbar etwas erschrocken darüber was sie sagte senkte sie den Kopf. Es hatte mich nur milde überrascht aus ihrem Munde solche Worte zu vernehmen. Irgendwie passten sie zu ihr, sie warme Sonne welche anfing ihr Licht zu verteilen um den Menschen einen neuen Tag ein zu läuten, und die Sonne welche sich hinterm Horizont verbarg, um den Menschen die Ruhe der Nacht zu geben. Doch was taten die Menschen? Sie missachteten diesen Trost, diesen Schutz und machten die Nacht zum Tage, mit all ihren Lampen und Lichtern, ihren Bällen und Theatern. Nun für Vampire war dies Freilich nur gut, nicht wie zu Zeiten des Mittelalters wo sich kaum ein Mensch nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Hause getraut hatte....

„Da habt ihr Recht“ stimmte ich zu, ermutigte sie einwenig nicht immer gleich wieder leiser zu werden. Sie hatte so viele spannende Gedanken, sie mochte keine gute Ausbildung genossen haben, doch das hieß beileibe nicht, dass sie Dumm war, im Gegenteil. Christine zeichnete sich durch eine sehr schnelle Auffassungsgabe aus, und viele ihrer Ideen und Gedanken, wie dieser, waren schön, waren es Wert laus ausgesprochen zu werden. zu „Kaum einer schenkt heute solcherlei noch Beachtung. Zeit ist ein kostbares Gut in dieser Welt und niemand will es verschwenden, da gehen die Schönheiten dieser Welt fast verloren“

Lächelnd beobachtete ich Christine, wie sie seine Essen genüsslich verzehrte. Mir freilich war es gleich, ob sie nun die Manieren einer Adeligen oder nicht an den Tisch legte, im Gegenteil, hätte sie sich dermaßen verstellt wäre sie nicht mehr sie selbst gewesen, doch gare dieses Mittelmass zwischen Mademoiselle und einfachem Straßenmädchen schien zu passen. In die Gosse gehörte sie nicht, so viel stand fest. Zu feingliedrig ihr Körper, zu schwach die kleinen zierlichen Finger, zu gutmütig das Gemüt, ohne ihren Bruder wäre sie sicher schon längst gestorben oder verrückt geworden. Menschen wie sie wurden von keiner Gesellschaftsgruppe wirklich anerkannt, Eigenwille, der Blick für Schönes, Freigebigkeit und Dankbarkeit war etwas, das nur all zu schnell ausgenutzt und zerstört wurde...

Christine war ein Mensch den ich noch nicht ganz hatte durchschauen können, ich war mir noch nicht einmal hundertprozentig sicher wie diese Nacht enden würde und gerade das machte ihren Reiz aus. Ob sie sich nun von mir abwenden würde oder bei mir bliebe, sie war eine Rarität in dieser Welt, ein Rarität, welche ich nicht allzu schnell zerstören wollte. Oder sollte er lieber warten bis sie von ihrem Umfeld zerstört wurde? Nein, das würde ich ebenso wenig zu lassen. Ich wollte sehen wie sich aus dem Käfig der Klassen befreite, die Flügel ausbreitete und schwebte, doch konnte ich dann noch neben ihr fliegen? Ich konnte sie beobachten, oder flog sie dann so hoch, dass kein Auge sie mehr erblicken konnte?

“Da habt ihr wohl recht. Dabei würde es so viele schöne Dinge geben...und die Leute regen sich auf wie schlecht die Welt doch ist.“, meinte sie schließlich nach dem sie einen weiteren Bissen hinuntergeschluckt hatte, sah kurz zu mir, ehe sie die Hand vorsichtig nach dem Glas Wein ausstreckte, es nahm und es etwas unsicher mit ihren zarten Finger schwenkte und genoss den fruchtig-herben Geruch der ihr in die Nase stieg.

Gerade als ich antworten wollte wurden wir unterbrochen. Ein Geräusch von draußen, der leichte unterdruckte Aufschrei eines Sterblichen und schließlich das fallen eines Körpers. Christine zuckte unwillkürlich zusammen, das Glas in ihrer Hand zersprang, Splitter schnitten in das zarte Fleisch und rot, rot wie der Wein der sich nun auf dem Teppich verteilte, rann das Blut über ihren Handrücken.

Ein beißender Geruch der in meine Nase stieg, der mich beflügelte, der mein Wesen offenbaren wollte, den ich jedoch unter Kontrolle hatte. „Ich… Es tut mir unglaublich leid“ sie wollte sich nach dem zu Bodengefallenen Scherben bücken, doch ich hielt sie fest, hatte eine weißes Taschentuch gezogen und band es um die blutende Hand „Ich braucht euch wirklich nicht zu entschuldigen“ „A-aber“ wollte sie entgegnen doch ich unterbrach sie „Lasst die Scherben nur liegen, man wird sich darum kümmern, und glaubt mir es ist nicht das erste Glas, welches in diesem Hause zu Bruch geht, macht euch deswegen nur kein Vorwürfe“ Schließlich gab sie nach und nickte, auch wenn sie immer noch ein Schuldbewussten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte

Ich seufzte leicht. Trotz allem konnte ich natürlich die Ursache dieses Malheurs einfach auf sich beruhen lassen, wenn ich nicht nach draußen ging und nach sah so würde Christine es tun. Ich erhob mich also „Ich werde eben nachsehen was draußen geschehen ist. Sicher wird es nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn ihr solange warten würdet.“ Sie nickte nur etwas verunsichert und spähte aus dem Fenster, was jedoch nicht viel helfen wollte.

Man konnte sich sicher über Schicksal streiten, aber das immer in solchen Situationen ein dritter Störenfried hinzukam grenzte an ein Wunder, es war wie ein ungeschriebenes gesetzt welcher die Natur des Menschen folgte und welche besagte: Du sollst stören die, die zu zweit sind, was natürlich Humbug war, jedoch zauberte dieser absurde, fast Menschliche Gedanke ein Lächeln auf mein blasses Gesicht.

Jäger

Kapitel 19
 

Ein kühlender Wind strich durch die vom Tage aufgeheizten Straßen von Paris. Die Avenue Phosphoyer war wie ausgestorben. Die Avenue war gesäumt von Linden, welche auch am Tage Schatten spendeten, einige verdorrte Blätter lagen auf dem Kopfsteinpflaster und wurden dann und wann von einem Windhauch aufgewirbelt. Viele Häuser, alle reich verziert, in einigen brannte noch Licht und drang Musik oder Gelächter auf die vom matten Licht der umstehenden Laternen erhellten Straße. So viele Häuser mit normalen Sterblichen, die sicher nichts lieber täten, als sich als großherziger Samariter vor Gottes richtendem Blick zu zeigen. Ich jedoch hatte keinen Grund mich vor Gott zu rechtfertigen. Zunächst einmal: Ich sterbe nicht, komme daher auch weder in den Himmel noch in die Hölle. Des Weiteren habe ich schon so viele Gräueltaten hinter mir, dass es auf eine mehr oder weniger auch nicht ankommt.

Warum sollte ich dem Sterblichen der da ausgerechnet vor meiner Tür umgeknickt ist helfen? Denn das war die Ursache der Störung gewesen. Ein Jüngling, etwas über 20. Blondes Haar, leuchtend blaue Augen, gut gewachsene Statur, ein Kreuz um seinen Hals tragend und ein Florett an seiner linken Hüfte. Das Gesicht war Schmerzverzerrt, die Hand ruhte auf dem geschwollenen Knöcheln

Ich hatte mit einem Mal eine sehr gute Idee, sozusagen die Antwort auf all mein Fragen. Zumindest auf die nicht Philosophischen, um genau zu sein denen die sich mit diesem Sterblichen beschäftigten. Ich musste mich seiner annehmen, was sollte Christine sonst von mir denken?

Und warum? Wie ich ausführlich erklärte hatte ich keinen überzeugenden Grund. Und doch war da einer, kein Nobler, das gebe ich zu. Es war der einfache Grund, dass ich so wie jetzt aussah, blass, wie eine Statue, nicht unter Christines Augen treten konnte, zumindest nicht längere Zeit ohne dass ihr etwas auffiel. Sie mochte naiv sein, sie mochte gutgläubig sein, sie mochte sich Ausreden ausdenken, aber sie war nicht blind und sie war ebenso wenig dumm. Irgendwann würde sie dahinter kommen, zumindest, wenn ich es ihr so einfach machte. Jetzt, alleine in dem Raum war ihr auch schon aufgefallen, dass mein Teller voll war, dass mein Glas unbenutzt war. Und die Tatsache, dass sie um die Existenz meiner Art wusste machte das Ganze auch nicht unbedingt einfacher. Wenn ich jedoch rosige Wangen und Warme Hände präsentieren konnte, würde ihre Zweifel, zumindest für heute, wie weggewischt sein. Und es war so einfach zumal dieser Fremde verletzt war und die Nacht durchaus schon fortgeschritten war würde es nicht weiter auffallen, wenn er in einem meiner Gemächer einschlief…

Der Junge war einer jener Jungspunde, voller Eifer, voller Lebensenergie, mit einem nie erlöschen wollendem Feuer in ihren Augen. Nun noch war es nicht erloschen, noch war er voller Optimismus, von seiner Meinung geprägt, doch wie lange noch? Wer würde altern, würde ins wanken geraden, sein Weltbild zerbrochen werden, wäre es da nicht fast ein Gefallen ihn vorher zu töten?

„Kann ich euch behilflich sein Monsieur“ fragte ich in einem höflichen, distanzierten Tonfall und streckte dem Fremden freundlich die Hand aus um ihm aufzuhelfen. „Entschuldigen Sie, wen ich Sie gestört habe. Danke für Ihre Hilfe, aber es geht schon wieder.“ Er zwang sich zu einem Lächeln, wollte sein Bein wieder aufstellen doch durchfuhr Schmerz seine Körper und er zuckte zusammen.

Ich atmete einmal tief durch. Wahrlich, nur Sterbliche sagten es ginge ihnen gut, obwohl eindeutig das Gegenteil der Fall war. Ich setzte einen sanften, besorgten Gesichtsausdruck auf, eine Maske, welche ich mehr als perfekt beherrschte.

Langsam kniete ich mich zu dem Jüngling herunter, schaute ihn einmal direkt in die Augen, nur einen Moment

Wieder sah der Jüngling auf, sein Blick blieb Bein meinem Gesicht hängen. Er sah das blonde Haar welches wie eine Löwenmähne über mein Schultern viel, er sah das Leuchten in meinen blauen Augen, er sah wie sich das Mondlicht auf meiner Haut reflektierte.

Na wunderbar, heute war sicher dass, was man meinem Glückstag nennen sollte, das waren in etwa meine Gedanken in jenem Augenblick. Zwei Sterbliche im Haus, die über Vampire bescheid wussten.

Nun Vorerst konnte ich daran nichts ändern, und somit versprach das Spiel doch nur interessanter zu werden… Seinem Aufzug und dem skeptischen Blick nach zu urteilen handelte es sich bei diesem Jungen, so wie bei Christian, um einen Jäger, was das alles nur noch spannender machte. Spannend. Für mich ist das eine Steigerungsform von interessant.

Noch war er nicht dahinter gekommen, es war eher eine Art Instinkt in seinem Inneren, welcher ihn zur Vorsicht mahnte, den er jedoch noch nicht genau zu deuten verstand. Es wäre eine Schande ihn zu töten, aus diesem Knaben konnte einst ein erfahrener und guter Jäger werden. Ja er war entschlossen genug, er hatte eine gute Intuition, wusste nur noch nicht sie zu gebrauchen. Das einzige was fehlte war Erfahrung. Insgeheim beschloss ich ihn zu verschonen… zumindest für die heutige Nacht.

„Das sieht aber gar nicht gut aus... ihr solltet den Knöchel umgehend kühlen, und, auch wenn ich kein Fachmann bin, würde ich sagen, dass ihr wenigstens eine Tag nicht vernünftig laufen könnt, wenn nicht gar länger“ ich hatte mich zu ihm herunter gebeugt, begutachtete den geschwollenen Knöchel. Dieser war tatsächlich wesentlich mehr als nur geschwollen. Im Gegenteil, sicher würde dieser Sterbliche die nächste Zeit nicht vernünftig laufen können. „Wenn ihr Wünscht kann ich euch hier liegen lassen, doch mir wäre es wohler euch in Sicherheit zu wissen, ich bin sicher ich habe noch etwas Eis daheim, und ein Gästezimmer ist auch frei“

Ich schaute wieder auf, dem Jäger ins Gesicht. Es schien zu funktionieren. Man musste Sterbliche immer im Gespräch halten, sonst stieg die Gefahr, dass er mehr als nur etwas zu ahnen begann. Dieser Sterbliche schien über meine Freundlichkeit dermaßen verwundert, dass er seine ersten Überlegungen gänzlich vergaß.

Der barmherzige Samariter. Wie ich diese Rolle liebte, vor allem die Reaktionen der Menschen darauf waren äußerst interessant. Die Armen, welche dankend Annahmen, die Schmarotzer, welche versuchten noch mehr herauszuschinden und was es nicht alles gab. Zu welcher Kategorie er wohl gehört?

Ich vermutete, dass dieser zur Stolzen Sorte gehörte. Stolz war etwas gutes, ich selber bin, denke ich, ein recht stolzer Charakter. Das dumme mit dem Stolz ist nur, dass man immer versucht alles alleine zu schaffen und sich nicht helfen lassen wollte. Ich nahm an, dass auch dieser Jäger nicht auf das Angebot eingehen würde, doch ich war fern davon mir sicher zu sein. Selbst nach nun 500 Jahren überraschen mich die Sterblichen immer wieder. Nie weiß man genau was für eine Dummheit sie als nächstes begehen würden. „Nein mein Fuß...es ist...es tut nicht weh...ich, ich...ich... nein...wieso? ...“ war seine erste Reaktion mit der ich auch so in etwa gerechnet hatte, dann jedoch schien er zu überlegen, sich zusammeln um eine vernünftige Antwort zu geben: „Danke, für Euer großzügiges Angebot. Wenn ich mir meinen Knöchel so ansehe, muss ich Euch wohl Recht geben... Habt Ihr eine kleine Kammer für mich? Nur für diese Nacht, denn in das nächste Wirtshaus schaffe ich es wirklich nicht mehr. Eines muss ich euch jedoch zuvor sage. Ich besitze kein Geld mit dem ich euch ausreichend entlohnen könnte“

Er starrte zu Boden, anscheinend beschämt über diese Bitte, beschämt über seine Hilflosigkeit. Er selbst schien nicht aus gehobenen Kreisen zu kommen, seine braunen, leicht verstaubten Kleider sahen nach gewöhnlicher Mittelschicht aus. Gerade für ihn musste es schwer sein die Hilfe eines Adeligen anzunehmen, dennoch hatte die Intelligenz über den Stolz gesiegt, etwas, das ich ihm hoch anrechnete. Nicht wenige hätten auf ihrem Dickkopf bestanden, wären zu stolz gewesen Hilfe eines Fremden anzunehmen?

“Es ist mir eine Ehre.“ Erwiderte ich lächelnd. Die erwartete Reaktion… Beide denn für dumm hatte ich diesen Sterblichen nicht gehalten. Nun immerhin musste er nicht ein weiteres Mal zu Boden sinken ehe er nachgab. Und noch etwas typisch Menschliches. Er bat um etwas, was ich ihm schon längst angeboten hatte und weshalb? Der Höflichkeit wegen. Dabei war die Form der Höflichkeit immer so variabel, im Mittelalter wäre ein Abgeschlagener Kopf als Präsent höflich gewesen, seid der Reformation ungefähr gilt es als Mord, zumindest wenn es ohne guten Grund geschieht, der Kopf den man abschlägt einem Adeligen gehört... oder es kein Adeliger war der den Kopf abschlug… Nun Sitten kamen, Sitten gingen, und ich muss sagen, dass mir die Modernen Sitten des 21sten Jahrhunderts immer besser gefallen.

Mit vorgespieltem Kraftaufwand, es wäre doch aufgefallen wenn ich ihn ohne jegliche Probleme auf die Beine gezogen hätte, auch wenn das natürlich von meine physischen Kapazitäten kein Problem dargestellt hätte, half ich dem Sterblichen auf die Beine „Kilian, meine Name, Kilian du St. Etienne les Ourges falls ihr es genau wissen wollt, und falls dem nicht so ist, ist es jetzt auch zu spät“ ich warf einen Blick hinüber in das Schmerz verzerrte Gesicht des Jünglings, während dieser seinen Arm über meine Schultern legte, um sich auf mir abzustützen. „Auf eine Sache, die ihr mir geben sollt muss ich jedoch bestehen“ fuhr ich in einem ernsten Ton fort. „Nämlich euren Namen, ich würde schon gerne wissen wem ich da ein Zimmer gebe“

Nein Geld verlangte ich nicht, dass hatte ich auch Christine bereits gesagt. Gold und Kleider hatte ich mehr als ich gebrauchen konnte, was sollte ich mit noch mehr? Was ich besaß würde noch ein halbes Jahrhundert reichen, nein ich verlangte keinen Tribut für meine ‚Gastfreundlichkeit. Er würde seinen Preis noch bezahlen, dieser heißblütige Jungspund.

„…Luc D’epée. Aber was wollt ihr mit meinem Namen schon groß anfangen? Morgen werden sich unsere Wege wieder trennen und in so eine reiche Gegend kommt einer aus meinem Stand nicht oft.“ War die mehr, oder besser gesagt weniger Freundlich Antwort.

Er misstraute mir. Kein Wunder er hatte gelernt dem Adel zu Misstrauen, und hinzukam sein Unterbewusstsein, welches ihn vor der Kreatur warnte die da vor ihm stand. Gleichzeitig schien der junge Jäger jedoch auch hingerissen und fasziniert von mir zu sein. Neugierde leuchtete in seinen Augen. Er wusste, dass da etwas war, auch wenn er diesen Gedanken nicht greifen konnte, als versuche er Wasser mit bloßen Händen zu fassen…

"Was ich mit diesem Namen anfange oder nicht isst meine Sache. Und ich bin sicher, das sich unsere Wege morgen wieder trennen, kein Zweifel." stimmte ich zu "aber manch einer hätte immerhin den Anstand dies nicht laut auszusprechen und wenigstens ein Danke über die Lippen zu kriegen" ich lachte, was bedeuten sollte, dass ich es ihm nicht übel nahm "Ich weiß die Obrigkeit steht in keinem günstigen Licht zur heutigen Zeit, aber nicht alles sind gierige Haie auf der suchen nach kleinen Fischen die sie verspeisen können, meint ihr nicht? Und ich zwinge euch nicht meine Hilfe in Anspruch zu nehmen." Fügte ich abschließend hinzu. Als Antwort erhielt ich nur Schweigen, bis wir durch die Eingangstür in die Halle gingen. Luc erging es ähnlich wie Christine, er war schlicht weg sprachlos. Die Tür fiel ins Schloss und wir betraten die Einganshalle, sehr geräumig, mit hohen alten Spiegeln, sodass sie fast wie ein Saal wirkte, über unseren Köpfen schwebte ein Prunkstück von einem Kronleuchter. Eine goldene Antiquität, eine Erinnerung aus Venedig aus dem... wann war ich noch dort gewesen? 16twen Jahrhundert, wenn ich mich nicht täuschte.

Ich geleitete meinen zweiten Gast durch die große zweiflüglige Tür in den Flur, an dem großen Schwarzen Flügel vorbei die Treppenstufen hinauf „Verzeiht, doch befinden sich die Gästezimmer im ersten Stock“ entschuldigte ich mich, zumal ich spürte wie sehr das verletzte Bein den Jungen mitnahm. Er schwieg, schluckte den Schmerz, der ihn mit jedem Schritt durchfuhr herunter.

In Jammer, dass er verletzt war… so machte es keinen Spaß, einfach einen Wehrlosen zu töten, nein das war nicht mein Stil. So mancher Leser mag jetzt verwundert aufgucken. Schließlich begann der zweite Teil dieses Romans damit, dass ich eine unschuldiger Frau verführt und ausgesaugt habe. Hatte die Frau etwa eine Waffe? Hatte sie sich wehren können? Die Antwort ist nein, aber das ist etwas gänzlich anderes als bei diesem Jäger.

Es gibt verschiedene Menschen, verschiedene alterklassen, Geschlechter, und auch Charaktere. Natürlich wäre ungerecht alle gleich zu behandeln und alle gleich zu töten, des Weiteren wäre es auf Dauer gesehen überaus langweilig. Jedem also das Seine. Frauen verführte ich, Kinder verhätschelte ich, armen schenkte ich einen schönen Tag und Reiche amüsierte ich. Für jede Gruppe ein eigenes Spiel dessen Regeln ich nach belieben änderte.

Eine besondere Freude waren Mörder und Jäger, insbesondere die erfahrenen. Es ging noch Gefahr von ihnen aus, sie wehrten sich, sie gaben nicht auf, sie kämpften um ihr Leben, manchmal sogar um mehr als nur das, und das machte den Reiz dieser Opfer aus. Ihre Unbeugsamkeit, so wie die seine. Er schien sich sogar zu weigern ein ‚Dankeschön’ über die Lippen zu bringen. Angesichts seiner Lage, aus meiner sicht, verständlich, aber zumal er nicht wusste was ihm bevorstand doch eher empörend. Wäre ich irgendein Sterblicher gewesen, so wäre ich im höchstem Maße pikiert gewesen, doch da ich Ich bin, Jacques, der Sohn eines Bauern, der selbst immer vorm Adel hatte Knien müssen ,gelernt hatte ihn zu fürchten, amüsierte mich dieser Trotz vielmehr. Doch auch ansonsten schwieg er, was eine Schande war. Wie oft hatte er die Gelegenheit zu reden, mit mir vor allem? Nun wenn er lieber schweigen und nicht auf meine Frage eingehen wollte, so musste ich wohl oder übel mit einer Unterhaltung beginnen. Die Frage war: Wollte ich die Vorurteile des Herrn ausmerzen, ihm die Augen öffnen, bevor er sein Licht des Lebens löschte, oder wollte er ihm seine kleinen unbekümmerten und eingeschränkten Glauben lassen? In welche Richtung sollte das Spiel gehen, sollte ich ihm die Chance geben seine aussichtslose Situation zu begreifen oder in falscher Gewissheit schwelgen lassen?

"Ihr scheint mir hungrig, glücklicherweise ist noch Suppe übrig, es sei denn ihr bevorzugt es mit leerem Magen zu Bett zu gehen" Das knurren seines leeren Magens war für meine Ohren kaum zu überhören gewesen. Ich wollte schließlich, dass er schnell wieder auf die Beine kam, wünschte mir in nicht all zu ferner Zukunft einen angenehmen und interessanten Kampf mit diesem jungen Jäger, welcher, wenn auch unbewusst, mein Interesse geweckt hatte. "Mit eurer Vermutung liegt ihr richtig, Monsieur du St. Etienne les Ourges. Mit leerem Magen zu Bett gehen ist nicht gerade sehr zu empfehlen, doch möchte ich Euch wirklich nicht zur Last fallen. Sicher habt Ihr Gäste und da wäre es etwas unpassend einfach hereinzuplatzen. Entschuldigt, aber ich muss Euer Angebot leider ausschlagen, Monsieur. Ich möchte jedoch keinesfalls undankbar eurer Einladung gegenüber erscheinen. Es ist nur…“ er machte eine kurze Pause, suchte nach den richtigen Worten „es wäre zu viel des Guten, Monsieur“ endete er schließlich. Nicht nur er schien mein Interesse geweckt zu haben, ich auch das seinige. Er schien verunsichert, was er von mir halten sollte. Ein Adeliger, der nicht auf eine Gegenleitung bestand? Ein Adeliger, der einen wildfremden, Mittelständigen in sein Haus einlud? Ihm sogar Essen und ein Gemach Anbot? Seine Welt war auf den Kopf gestellt, was immerhin dazu führte, dass er sich mir gegenüber etwas höflicher und respektvoller benahm, mochte es nun an seiner Verwirrtheit oder an dem steigendem Respekt mir gegenüber liegen. Aber den Stolz hatte er noch nicht vergessen. Den Stolz, dass er in seinem Stand genauso viel wert war wie der Adelige, der ihm da Gegenüberstand. Der Stolz, alleine klar zu kommen, und nicht auf Almosen der Reichen bauen zu müssen.

"Wie ihr meint, auch wenn ich nicht dafür bekannt bin etwas anzubieten obwohl es mir Umstände macht, machtet ihr mir diese, im unangenehmen Sinne, so hätte ich euch liegen gelassen, dessen seid gewiss" Die Worte als solche mögen unwirsch und herablassend wirken. Es ist ein Jammer, das ich dieses Buch nicht doch lieber als Film verkaufe, denn sonst würdet ihr, meine lieben Leser und nicht zu vergessen Leserinnen, sehen wie freundlich meine Worte waren. Ein Lächeln auf den Lippen, einen leicht ironischen Unterton, ein leuchten in den Augen, welche die ganze Schärfe der Worte nahm.

Mit einem elegantem Handgriff wurde die zweite Tür auf der rechten Seite geöffnet, ein schmuckes Zimmer eröffnete sich uns beiden, ein weicher, blauer Teppichboden, ein mit weißem Bezügen bestücktes Himmelbett, an der gegenüberliegenden Wand ein Fenster, welches in Richtung Garten führte und darunter ein kleiner, jedoch praktischer Schreibtisch, welcher jedoch sehr leer zu sein schien, lediglich eine weiße Feder und ein Tintenfass mit königsblauer Tinte waren darauf zu finden. „Eines meiner Gäste Zimmer, leider nicht sehr häufig benutzt, wie ich einräumen muss...“ tatsächlich war es eher kalt, der Ofen enthielt unbenutzte Holzscheite auf welchen sich schon eine kleine unscheinbare Staubschicht gelegt hatte, jedoch war es auf Grund der warmen Jahreszeit und der zur Sonnenseite gelegenen Lage nicht unbedingt, das was man kühl nannte. „Wenn ihr einen Augenblick Geduld habt so werde ich euch etwas zum kühlen eures verstauchten Knöchels geben“ ich ließ den Fremden auf das weiche Bett sinken und sah erneut auf den nicht unbedingt besser aussehenden Knöchel „und macht euch keine Gedanken über meinen Besuch, ich bin sicher, dass dieser nicht anders handeln würde“ fügte ich noch lächelnd hinzu.

Mit diesen Worten wandte ich mich von meinem Gast ab und wollte den Raum verlassen, um das Eis zu holen, als er mich noch einmal bei der Hand nahm und mich umdrehte "Ich danke für Eure Großzügigkeit aber lasst Euren Besuch nicht zu lange warten, ich laufe Euch schon nicht davon. Nicht mit dem verstauchten Fuß und kühlen kann ich ihn auch in zwei Stunden noch.“ Ernst war sein Gesicht bei diesen Worte. Zum ersten Mal hatte er sich bedankt, anscheinend hatte er schon begonnen über meine Worte, über seine Weltvorstellungen nachzudenken. Es war fast niedlich wie er mich mit seinen großen blauen Augen die aus der blassen Haut hervorstachen ansah. Wir sahen uns sehr ähnlich, nur dass in seine Augen noch ein leichter Graustich zu erkennen war, die Haare waren unwesentlich dunkler als meine, aber dennoch war die Ähnlichkeit verblüffend. Ich hätte es sein können, der dort auf dem Bett lag, ich hätte es sein können, der keine Ahnung von Vampiren hat, der altern und eines Tages mit der Erkenntnis, dass alles umsonst gewesen war sterben würde… Er hätte es vielleicht ich sein können, von einem Vampir aufgenommen und das Leben auf eine völlig andere Art kennen gelernt. Aber die Rollen waren so wie sie waren und nicht anders.

“Oh mein Gott...ein Gast! Ihr...ihr habt einen Gast erwartet... Aber ja natürlich, wie konnte ich so dumm sein. Das Badewasser, das Essen. Ihr hattet einen Gast erwartet. Ach ich bin so ein Trampel, es tut mir leid. Oh nein, das Kleid! Das... das Kleid war auch gar nicht für mich. Oh nein, Verzeihen sie bitte, natürlich haben sie es für Ihren Gast hingelegt, wieso hab ich nicht nachgedacht!?“ Es war Christine welche mich und meinen unerwarteten Gast gehört hatte, welche die Neugierde herauf getrieben hatte und welche nun an der Tür stand, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht rot und an den Schnüren ihre Kleider herumfummelnd.

Ein leises Lachen konnte ich mir nicht unterdrücken. Es war doch herrlich, zwei Sterbliche die beide nichts anderes im Kopf hatten als sich für ihre nicht vorhandene Aufdringlichkeit zu entschuldigen. Und alleine schon der Gedanke an Luc in dem Kleid… Luc war im ersten Moment zusammen gezuckt, lächelte nun aber auch bei Christines mühsamen versuchen aus dem Kleid zu schlüpfen.

Ich schüttelte den Kopf, schritt auf das Mädchen zu, legte meine Hand auf die Ihre, um das lösen der Knoten zu unterbinden.

“Nein, nein, das essen das Bad wie auch das Kleid waren für euch, es sei denn ihr glaubt diesem unvorhergesehenem Gast hier würde es stehen, auch wenn ich bezweifle, dass er es anziehen würde, selbst wenn ihr euch nun entkleidetet“ sagte ich sanft und trat zur Seite so dass Christine den Herrn D'epée sehen konnte „Also, keine Umstände. Was euch betrifft“ ich wandte sich wieder meinem nicht eingeplanten Gast zu „So bitte ich euch nicht immer um Entschuldigung zu bitten und euch zu bedanken, wenn mir etwas Umstände bereitet, dann euch immer wieder sagen zu müssen, dass es nicht notwendig ist, es sind meine Entscheidungen und meine Bleibe und mein Eis welches ich zur Verfügung stellen kann wann und wem ich möchte, also unterlasst dies bitte" freundlich und sanft wie zuvor waren meine Worte „Und nun, da sich die Gelegenheit ergibt, und es unhöflich wäre… Christine dies ist Luc D’epé, Luc dies ist Christine Fils du Dégel. Eines solltet ihr beide wissen, ihr stört nicht, sonst säßet ihr beide nicht hier, sondern auf der Straße“

„Bonsoir Mademoiselle“ mehr brachte der bleiche Junge nicht hervor. Sicher hielt er Christine für eine meines Standes, in diesen Kleidern. Jedoch spürte ich bei ihm ihr gegenüber keine Unsicherheit, im Gegenteil, er mochte ihre Nähe. Er mochte es wie ihre braunen Locken über die Schultern fielen und er mochte es wie die unschuldige Mädchen röte ihr ins Gesicht stieg, jetzt noch mehr als zuvor. Eine Moment schaute sie Luc halb verdattert an, dann huschte auch ihr ein Lächeln über die Lippen „Schönen Abend Monsieur D’epée“ brachte sie schließlich hervor und versuchte sich an einem nicht ganz gelungenem Knicks. Erst jetzt schien sie zu bemerken, dass sie sich beinahe vor zwei wildfremden Männern ausgezogen und einem dieser Männer ein Kleid angeboten hatte…

„I-ich werde das Eis holen“ stotterte sie schließlich und wandte sich um, nicht ohne noch einen prüfenden Blick ins Zimmer zu werfen. Kurz wanderten ihre Augen von mir zu Luc und wieder zurück „Ja… Eis“ wiederholte sie und drehte sich schließlich um. Es wurde eng. Der leere Teller war nicht unbemerkt geblieben. Und nun hatte sie den direkten Vergleich zwischen mir und einem Lebenden gesehen, hatte gesehen wie unnatürlich bleich ich war, wie mein Haut so eigentümlich im Schein der Kerzen schimmerte und mein Haar das Licht reflektierte… sie musste es gesehen haben und sie begann darüber nachzudenken, auch wenn sie sich beharrlich weigerte.

Sie wollte nicht sehen was so offensichtlich vor ihr Lag. Sie hatte Angst, was nur verständlich war. Es konnte nicht sein, das sie einem Trick unterlegen war, es konnte nicht sein, dass der einzige bei dem sie Unterschlupf und Trost finden konnte sie angelogen hatte, ja nicht einmal Menschlich war…„Es wäre sicher gut euren Knöchel umgehend zu kühlen, in zwei Stunden ist es dafür etwas zu spät, und da ich annehmen darf, dass ihr nicht allzu lange in dem Haus eines Fremden bleiben wollt, wäre es wohl angebracht sich best möglichst darum zu kümmern. Ich danke euch für das hilfsbereite Angebot, Christine. Und ehe ich es vergesse, bringt doch meinen Teller in die Küche, ich gedenke das Essen aufzuwärmen und unserem unerwarteten Gast zu geben. Über unser anregendes Gespräch hinweg habe ich glatt vergessen selber etwas zu essen“ gab ich ihr noch mit auf den Weg ehe sie hinterm Türrahmen verschwand und man nur noch ihr leichten Schritte die Treppe herunter eilen hörte.

Den Rest der Arbeit überließ ich Christines Geist. Ich war mir sicher für heute Abend außer Gefahr zu sein von ihr entdeckt zu werden. Menschen erfanden die skurrilsten Erklärungen nur um der Wahrheit zu entfliehen. Zudem war es zu jener Zeit Mode sich das Gesicht zu Pudern, das Haar… vielleicht lag es einfach den Shampoos des Adels, welche die Unterschicht ja nie zu Gesicht bekam. Sicher würde Christine genug Erklärungen für mein Verhalten und Aussehen finden, erst Recht nach diesem kleinen Anstoß

Ich spürte deutlich wie unangenehm Luc diese Situation war. Auch er hatte nun mich im Vergleich zu Christine gesehen, und langsam wurden eine Ahnungen Greifbar. Er wollte nicht alleine mit mir in einem Raum sein, das war es was ich in seinen Gedanken lesen konnte. „Ihr müsst in der Welt viel herumgekommen sein. Wie ist die Welt denn so? Ich hab bis jetzt leider nur unser kleines Dorf und Paris gesehen, aber von der Welt da draußen weiß ich fast nichts“

Zu meiner Überraschung war es Luc der die Stille als erster durchbrach. Vielleicht sah er jetzt einfach seine Möglichkeiten. Es konnte mit mir reden, etwas über die Welt erfahren. Vielleicht wollte er auch nur die unangenehme Stille überbrücken. Wer weiß?

Abwesend schaute er zu Boden, versunken in Gedanken über sein Vergangenheit, das was er gelernt hatte, und dann sah er mich wieder an. Direkt in Gesicht, ohne Scheu oder Verlegenheit.

„Über die Welt wollt ihr hören?“ ich setzte mich neben ihn auf das Bett, überlegte einen Moment, wobei ich die Weiße Decke über unseren Köpfen ansah. „Die Welt…“ murmelte ich noch einmal, sah schließlich wieder zu Luc ehe ich begann „Nun vor allem ist sie immer anders als man erwartet, immer wenn man denkt etwas zu kennen muss man feststellen dass es woanders wieder nicht stimmt. In Frankreich zum Beispiel verliert die Kirche an Macht, man hört die Bauern, die Arbeiter gegen die Obrigkeit wettern, Theater auf die Kosten der Reichen werden gemacht, in Italien sah alles anders aus, dort hat die Kirch ihren Status bewahrt, trotz der Veränderungen die sich dort vollziehen, und in England betreibt man schon Maschinen welche man hier bisher nur auf Papier gesehen hat.“ Für einen kurzen Moment träumte ich. Träumte von der Welt die mir offen stand, den Veränderungen die ich erleben würde doch schließlich riss ich mich von diesen Träumereien los, dafür war später noch Zeit… „aber davon will ich lieber Morgen erzählen, ihr seht erschöpft aus“ Mit sanfter Gewallt drückte ich den geschwächten Körper in die Kissen. Kaum Widerstand von Luc, welcher nicht genau wusste wie ihm geschah. Ich folgte seiner Bewegung, war nun über ihr Gebeugt, lächelte ihn freundlich an „Träumt etwas schönes“ der Schreck der Erkenntnis machte sich auf seinem entzückendem, rosigen Gesicht breit, doch schon war ich an seinem Hals. Ich brauchte nicht einmal nach der Plusschlagader zu suchen, instinktiv fand ich die richtige Stelle. Meine weißen Zähne durch drangen in das heiße Fleisch, salzig war die Haut, vom Schweiß des heißen Tages getränkt. Salzig war das herbe und heiße Blut welches nun wie ein roter Wasserfall durch meine Kehle ran. Wie ein Fluss des Lebens bahnte es sich durch meinen Körper, durch mein Gesicht, meinen Hals, meine Arme bis in die Fingerspitzen. So warm war es, so köstlich sein Geschmack. Ganz anders als der, der jungen Lady am Abend zu vor, wesentlich maskuliner und herber als das süße, unschuldige Blut der Frau. Ich genoss es, auch wenn es nur Sekunden anhielt, schließlich wollte ich diesen Jäger nicht umbringen. Noch nicht.

Nur eine Sekunde hörte ich seinen schneller werdenden Herzschlag. Nur einen Moment seine Hand sie nach meiner Hemd gegriffen und nun abschlaffte. Bilder die in meinem Bewusstsein aufleuchteten. Ein Junge in der Kirche. Betend. Ein Pfarrer ihm das Bild eines‚ Vampirs zeigend. Schwache Arme die ein viel zu großes Florett versuchten fest zu halten. Und schließlich braune Augen, blondes Haar. Falten im Gesicht, der Mund in verblasstem rot, matt lächelnd „Nicht alle Vampire sind Böse“

Ich schlug die Augen auf. Unbewusst hatte ich den Jungen in meine Arme geschlossen, und da lag er nun, schnell, unregelmäßig atmend, seine Arme um mich geschlungen, nicht mehr abwehrend, ja fast verlangend. Ich lächelte. Das hatte seine Mutter ihm also gesagt… Und der letzte Gedanke… ‚Kilian ist nicht böse’

Langsam ließ ich ihn in die Kissen gleiten, mein Haar berührte seine Wangen. So blass war er. Schweiß rann über sein Gesicht, er zitterte leicht, und doch, war sein Arm immer noch um mich geschlungen. Wie ein Kind so harmlos, so unschuldig lag er da. Ja ich lächelte, küsste ihr sanft auf die Stirn. Es war ein gute Entscheidung gewesen ihn am leben zu lassen. „Hoffentlich erholt ihr euch“ flüsterte ich, obgleich er es nicht hören konnte. Dann streifte ich seinen Arm von meiner Schulter und erhob mich.

Fast zeitgleich hörte ich Christine leichte Schritte die wieder die Treppe hinauf eilten, und kurze Zeit später schaute ihr lockiger Kopf durch die Tür „Ich hoffe diese sind in Ordnung“ sie hob ein Tuch hoch in welchem ein Stück eis eingewickelt war.

Noch immer war ich leicht über den letzten Gedanken Lucs amüsiert. Gut… er teilte die Welt so einfach ein.- Es gab tag, es gab Nacht, es gab Schwarz es gab Weiß.

Ich. Gut! Ha!

Ein guter Witz möchte man meinen. Nein wirklich ich bin recht stolz darauf gewesen Böse zu sein. Gut konnte ich nicht sein, dann sollte man mir wenigstens nicht absprechen können ein guter Bösewicht zu sein. Abgesehen davon schätze ich Begriffe wie ‚Gut’ oder ‚Böse’ allgemein nicht sehr hoch. Meiner Meinung nach gibt es nur ein ‚für’ oder ‚wider’ einen. Aus dieser Sicht war ich natürlich, für mich gesehen, natürlich gut. Wer konnte schließlich mehr auf meiner Seite stehen als ich selber?

Aber es dauerte bei den Menschen nun einmal bis sie das sahen, bis sie soweit dachten… es war doch so viel einfacher ein zweifarbige Welt zu zeichnen als die ganze Palette der Farben zu gebrauchen. Erst mit der Erfahrung lernte man diese zu benutzen und die meisten Menschen lernten auf die eine oder andere Weise das Rot des Hasses und der Liebe, das blaue der Güte und der Kälter und das Grün der Hoffnung und des Wahnsinns kennen.

Luc, wie auch Christine und Christian, hatten noch nicht die Erfahrung die ganze Palette zu erkennen. Zwar schon genug, um vielleicht etwas mehr als nur Schwarz und weiß zu sehen aber dennoch war ihr denken von dieser Vorstellung doch noch sehr stark geprägt und aus der Sicht eines Sterblichen musste ich doch nun wirklich alles andere als ‚Gut’ sein.

„Oh“ Christines Blick war auf Luc geglitten „Ist er eingeschlafen, Monsieur?“ Ihre Worte holten mich wieder auf die Erd, um genau zu sein den Raum zurück. Ich lächelte stumm und hob den Zeigefinger an meine Lippen, um ihr zu bedeuten leise zu sein. Geschwind und ohne viele Geräusche kam ich ihr entgegen, nahm den Eisbeutel aus der Hand und legte ich auf den geschwollenen Knöchel. So sollte dieser am nächsten Tag zumindest so weit verheilt sein, dass Luc alleine aufstehen und einwenig bewegen konnte, auch wenn er es sachte angehen lassen sollte, worauf ich jedoch nicht baute. Im Gegenteil ich erwartete, dass er in seiner ungestümen Art sofort Rache üben wollen würde… nun ich würde es ja in einer Nacht erleben.

Auf leisen Sohlen stahl ich mich durch den Raum, zurück zu Christine, verließ gemeinsam mit ihr den Raum und schloss die Tür so leise ich nur konnte.

„Mademoiselle Christine, der Abend ist noch jung. Und schon alleine um unseren neuen Freund zu schonen… Was haltet ihr von einem Spaziergang über Montmartre?“ Nicht lange überlegte das Mädchen, begeistert drehte sich zu mir „Das ist“ sie unter brach sich und sprach leiser weiter „Das ist eine fantastische Idee Kilian! Ihr könnt mir sagen wo ihr all die Bilder gezeichnet habt, oder wo so Klavier spielen gelernt habt! Ich möchte alles über euch erfahren“ Ein zauberhaftes Lächeln wurde mir geschenkt, ein warmes Lächeln des aufrichtigen Interesses und Glücks. Nein sie könnte es nicht ertragen zu erfahren was ich war. Doch etwas bewegte sie in mir… etwas das ich nicht ganz verstand… „Gut“ ich schüttelte den Gedanken ab „Ich werde nur eben zwei Mäntel holen.“ Waren meine Worte „Wartet ihr nur unten auf mich, oder…stellt unserem Freund doch etwas Brot und Käse in den Raum damit er, falls er erwacht, etwas zu sich nehmen kann. Ich bin sofort wieder da“ sie nickte „Es ist mir ein Vergnügen“ lachte sie und rannte die Treppen herunter, wobei sie ein fröhliches Lied vor sich hin summte.

So frei, so unbeschwert erschien sie einem. Einen Moment sah ich ihr hinter her… „Nur ein Spiel“ murmelte ich, schüttelte den Kopf und wandte mich um, die Mäntel aus meinem Gemach zu holen.

Träume

Kapitel 20
 

„Du schläfst – so will ich leise flehen, O schlafe sanft. Und leise will ich gehen, dass dich nicht störe meiner Tritte Gang, dass du nicht hörest meiner Stimme Klang.“ Sanft klang Christines Stimme durch die leere Straße. Ihre Augen waren Halb geschlossen, als träume sie während sie die Zeilen zitierte. Mit ihren zarten Fingern zwirbelte sie ihr Haar, und macht einen kleine Hopser, als sie von der Tür schwelle auf die Straße ging.

Ich selbst trug nun einen eleganten schwarzen Mantel und hatte einen weißen, leichten Damen Mantel um die Schulter geworfen. Mit dem klacken der Tür hinter uns verstummte ihre Stimme. Lächelnd hielt ich den Mantel bereit, sodass sie nur hineinschlüpfen konnte.

Sie lächelte, bei dem Anblick. Man merkte, dass sie es nicht gewohnt war so behandelt zu werden, aber sie erhob dieses Mal keine Einwände. „Es ist der Mantel meiner Mutter.“, log ich, irgendwie musste ich die Frauenkleider in meiner Wohnung schließlich erklären. Und die Wahrheit... die hätte sie sicher irritiert. Dieses Kleid war nur für sie. Ich hatte einem der Diener über Zettel Order gegeben diesen Mantel wie auch das Kleid anfertigen zulassen, die Größe Christines hatte recht genau schätzen können und so saß das Kleid wie angegossen, selbes galt für den Mantel. „Und es macht euch nichts aus, wenn ich ihn trage... ich meine... wird es denn Eurer Maman nichts ausmachen?“, fragte sie zurückhaltend während sie den weißen Stoff durch ihre Finger gleiten ließ „Gewiss nicht. Sie starb schon vor einiger Zeit und einige Habseligkeiten, wie zum Beispiel euer Kleid, waren noch im Haus. Und selbst wenn sie noch lebte, so hätte sich nichts dagegen, wenn ein bezauberndes Mädchen wie ihr sie trägt“ Ein wenig traurig, aber auch geschmeichelt sah sie auf „Und bitte sagt jetzt nicht, dass es euch leid tut“ sagte ich ehe diese typischen, bedeutungslosen Worte über ihre Lippen kommen konnten „C’èst la vie wie man so schön sagt.“ Das ausgerechnet ich das sagen musste. Ich musste schmunzeln, auch wenn sonst niemand dieses kleinen Witz verstand, gerade das machte ihn ja so lustig, zumindest für mich.

Christine nickte verwundert, beeindruckt, und sah mich schweigend an. Was sie in diesem Moment gedacht haben mochte? Ob sie mich für einen Wahrsager hielt der in die Zukunft blicken konnte, der ihre Gedankenlesen konnte?

„Nach Montmartre also?“, fragte sie „Ich war noch nie dort, auch wenn man den Berg von jedem Punkt in Paris sehen kann...“ „Es ist eine beeindruckende Aussicht, und einige schöne Kapellen liegen auf dem Weg dorthin“ Mit einem Nicken stimmte sie zu, nahm meinen Arm sogar noch ehe ich ihn ihr hatte anbieten können und wir machten uns auf den Weg nach Montmartre. Das Viertel der Kunst, der Maler wie auch Dichter und Komponisten. Bei meinem ersten Aufenthalt in Paris hatte ich fast jede Nacht dort verbracht, hatte den Malern zugesehen, wie sie ihre Pinsel über das weiße Papier hatten fliegen lassen, meistens nur, um hinter her an Armut zu sterben, bis dann hundert Jahre später ihre Werke auf einmal als wahre Kunst galten und für hohe Preise verkauft wurden. Es war schon eigenartig wie die Menschen dachten. Erst wenn etwas Tot war, war es Wert darüber nachzudenken. Erst wenn es zu spät war, fragte man sich, ob man nicht etwas hätte tun können, gegen die Krankheit, gegen den Krieg, gegen das Leid, und dann ist es so schnell wieder vergessen, wie es gekommen war, und man lebte weiter fröhlich vor sich hin. Die Menschen, waren schon eigenartig…

„Nun, ihr sagtet, ihr wolltet etwas über meine Reisen hören, wo soll ich beginnen?“

„Oh, Monsieur Ihr müsst mir alles erzählen. Wart ihr in London? Wien? Rom? Oh, Monsieur sagt, wart ihr in Rom?“ voller Begeisterung sah sie mich an, als könne ich sie mit meinen Worten in sekundeschnelle aus Paris bringen. Sie wollte nicht die abgegriffenen Seiten der Bücher umblättern um zu erfahren, wem die Galleria Borghese gehörte, oder wann die St. Martin-in-the-Fields erbaut wurde. Sie wollte selbst sehen wie groß diese unfassbare Welt in der sie lebte war, wie viele Menschen sie umfasste. Sie wollte die Luft des ‚freien Amerikas’ einatmen und den Duft der italienischen Olivenbäumen genießen.

Doch...selbst wenn sie genug Geld hätten, Christian würde nie mit ihr aus Paris. Und das wusste sie selbst nur zu gut. Dennoch fragte, dennoch wollte sie etwas hören, obwohl sie genau wusste, dass meine Erzählungen ihr Fernweh nur noch verstärken würden. Aber war hören nicht besser als gar nichts?

Ich verkörperte all das was sie sich wünschte, ich war ein Reisender, ich hatte vieles Gesehen und würde noch vieles sehen. Frei wie ein Vogel....

Wie gerne hätte ich ihre Ketten zerschnitten. Wie gerne hätte ich sie mit genommen nach London, Rom, Amerika. Uns beiden stünde die Welt frei. Sie wusste es, sie kannte die Antwort, wenn sie Fragen würde und auch ich kannte sie und doch würde niemand fragen...

„In Rom war ich, um genau zu sein bin ich gerade aus Italien gekommen, mein letztes Ziel war Venedig gewesen.“ Und so ging das Gespräch weiter. Das, was man heute als ‚Smalltalk’ bezeichnen würde. Statt zu sagen was wir dachten, was sich unser Herz sich ersehnte, im selben Takt schlug es, dieselbe Glut flammte in uns, derselbe Wunsch und doch blieb er unausgesprochen, redeten wir über Essen und bräuchte anderer Länder.

Und so berichtete ich von den Kirchen Italien, welche sich nur all zu sehr von denen in Frankereich unterschieden. Ich erzählte von dem blauen Meer, welches im Süden die Küsten säumte, von den Kanälen, welche die Inseln Venedigs zusammenhielten, den Maskenbällen, für welche es berühmt war, die Kathedrale des St Marcus, die wundervolle Landschaft, welche sich zu verändern pflegte wohin man auch reiste, die anderen Sitten, und dass ich allein über Italien sein Lebenslang hätte erzählen können. „In Rom habe auch ein zwei Theaterstücke mitgespielt. Als Don Juan. Aber das Leben als Schauspieler ist nichts für mich, denke ich“ Christine erwies sich als wunderbare Zuhörerin, sie stellte ab und an interessiert Fragen über Sachverhalte, ihr Augen leuchteten, als könne sie das goldene Mosaik von St. Marcus geradezu selber sehen, als beobachte sie wie der Mond über den schwarzen Himmel Roms erstieg. Natürlich verschwieg ich, das es immer zu Nacht war, viele meiner Aktivitäten hätten ebenso gut bei Tage stattfinden können, sie würde sie Automatisch mit einem blauem Himmel über welchem weiße Wolken glitten vor Augen haben.

„Nicht doch, Monsieur. Ich finde ihr spielt wunderbar Theater“ Unbemerkt hatten wir das Ende der Straße erreicht, näherten uns unaufhaltsam dem Märtyrer Berg, der Heimat der Kunst, auf der einen Seite, die Heimat der Wein Bauern auf der anderen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht die beiden Seiten Montmartres.

„Aber...das Ihr in euren jungen Jahren schon so viel herumgekommen seid, Monsieur. Ich meine, Ihr seid doch bestimmt nicht älter als 22? Eure Eltern müssen Euch wohl schon von klein auf mitgenommen haben, ja? Ist euer Père ein Mann der viel reist? Da habt ihr wirklich Glück gehabt. Hat er euch zugesehen als ihr im Theater gespielt habt? Bestimmt war er begeistert von eurem Talent.“

„Ja mein Vater hat mich schon früh mit auf Reisen genommen. Besonders lieb war ihm Griechenland“ Was hätte Xavier wohl zu diesen Worten gesagt? Ihn, meinen unsterblichen Liebhaber, meine einzige Familie, mein Ein und Alles, der, der mich angenommen, der mich verstoßen, den ich geliebt, als Vater zu bezeichnen. . „Er hatte mir immer gesagt wie wundervoll die Welt sei, und dass es zu schade wäre sie sich nicht anzusehen. Wir reisten viel zusammen, irgendwann trennten sich dann jedoch unsere Wege“

Es stimmte nicht. Sicher Ist Xavier gerne gereist, doch sah er die Welt immer ganz anders als ich. Für mich schien alles um mich herum ein großes Kunstwerk, ein großes unbegreifbares Kunstwerk, welches niemals fertig gemalt war, welches sich unaufhörlich veränderte und immer übermalt wurde. Die Worte die ich vermeintlich zitiert hatte waren nie über Xaviers Lippen gekommen, ich selber benutzte sie des Öfteren, aber welchen Unterschied machte es? Welchen unterschied machte es, dass all mein Unternehmungen nachts stattgefunden hatten? Welchen unterschied machte es, dass ich 5 Jahre in Rom gewesen bin, nicht 5 Wochen, oder dass es schon 70 Jahre her war, dass ich unter den Säulen der Akropolis gestanden und die Tempel gezeichnet hatte?

Ich verbog die Zeit, schnitt sie zurecht wie sie mir passte, als handle es sich um ein Stück Stoff. Jahre wurden 5 Monate, 20 zu zwei Wochen und 6 Jahre zu einer Woche. Doch gleich was ich ihr erzählte von den Wundern der Welt ich verlor kein Wort mehr über meinen vermeintlichen Vater, wohl wissend, dass sie es auf eine tragische Geschichte schieben und auf Grund ihres Taktgefühls nicht weiter vertiefen würde. Und selbst wenn sie es getan hätte, so hätte ich sicher einen guten Ausweg gefunden, doch das sind ohnehin nur Spekulationen, sie fragte, wie erwartet, nicht nach.

Endlich hatten wir den Fuß von Montmartre erreicht, steil ging es nun bergauf, Treppen waren in den Stein gemeißelt, oder gepflastert. Eng waren die Straßen hier, die weißen Gemäuer, welche sich über uns türmten, und wenn man sich umdrehte… Ein Lichtermeer, die Fenster, die Laternen, welche unter ihnen leuchteten, und wie man sah, welch Ausmaße diese Stadt inzwischen hatte…

Dies war tatsächlich schon wieder eine ganz andere Stadt als mein altes Paris, von Glaube, Kirche und König kontrolliertes altes Paris.

„Oh ja...Griechenland muss auch sehr schön. Er scheint ein kluger Mann zu sein, Ihr Pére.“

Sie seufzte und sah etwas gedankenverloren in den Sternenhimmel. Sicher fragte sie sich was zwischen mir und meinem Vater vorgefallen war, sicher überlegte sie, ob sie mich nicht doch fragen sollte doch unterließ sie es. Wie erwartet.

Wir begannen den Aufstieg. Dann und wann Treppen hier und durch die kleinen Gassen in welchen Balkon gärten für Farbe sorgten, und Plätze auf Welchen die Künstler saßen und ihre Zeichnungen und Portraits anfertigten. Auf halber Höhe blieben wir stehen, Christine drehte sich. Ein atemberaubender Blick auf Paris, in Richtung Seine, genau dorthin wo man heutzutage den Eifelturm sehen würde. Der Mond stand genau über uns, und sie Lichter der Stadt funkelten und entgegen, als wäre nicht im Himmel, sondern direkt unter uns die Milchstraße.

„Oh, Kilian.“ Ihre Augen leuchteten bei dem Anblick, ihr Mund war im ersten Moment aufgerissen vor Erstaunen und entzücken „Da meint man wenn man in Paris wohnt sieht man so etwas jeden Tag, aber ich war tatsächlich noch fast nie hier oben...zumindest noch nie bei Nacht. Ihr wisst ja wie Christian sein kann. Er will mich beschützen und hält es für zu Gefährlich mich nachts, wenn er… nun ja, wenn er seine Arbeit verrichtet mich mitzunehmen“

„Ich komme in jedem Besuch einmal hier hinauf“ begann ich ruhig und besah mir ebenfalls das funkelnde Meer. „Erst hier oben sieht man wie groß und schön Paris sein kann, ich bin fast ausschließlich Nachts hier, nun ja euch wird nicht entgangen sein das ich ein Nachtvogel bin. Aber den Zauber dieses Berges kann man wirklich nur Nachts erfassen, wenn alles tief unter ihm von dem dunkeln Mantel der Nacht eingehüllt wurde, wenn die Lichter der Laternen wie Sterne auf erden Glitzern und sich so über das Land erstrecken“ Noch nie hatte ich diese Aussicht so gesehen wie damals, noch nie waren es so viele Lichter, welche mir entgegenfunkeln. Überall schien hier noch etwas los zu sein, aus den Häusern war Geigenmusik zu hören, aus einem anderen Klavier und Gesang, all das mischte sich mit dem Geschwätz der Künstler und nicht wenige hatten es sich auf den Plätzen welche auch hier einstweilen zu finden waren gemütlich gemacht. Es war einfach eine ausgelassene Stimmung welche einem das Gefühl der Behaglichkeit gab. Ich liebte Montmartre, ich liebe ihn noch heute auch wenn er sich sehr gewandelt hat in den letzten 300 Jahren.

Immer weiter ging unsere Unterhaltung, und immer mehr ließ ich sie an meinem Leben teilhaben. Das es ihr nicht auffielt, dass ich für mein Alter etwas zuviel erlebt hatte… nun für sie war ich 22 und somit 6 Jahre älter als sie selbst… für jemanden der erwachsen ist mag es wenig klingen, jemand der Erwachsen ist mag wissen, dass 22 Jahre nicht sie viel zeit sind, aber mit 16 liegt 22 noch eine Ewigkeit weg und somit kann in dieser Ewigkeit auch ewig viel passieren.

Ich erzählte ihr von meinem Besuch in Edingborough, Schotland und amüsierte mich über die seltsamen Sitten der Engländer und insbesondere die der Schotten, deren Männer rote Röcke trugen. „Zwar bezeichnen sie selbst diese Dinger als Kilt, ich jedoch sehe keinen unterschied zu einem Rock“, witzelte ich und zauberte so ein Lächeln auf das zarte Gesicht. „Röcke? Fragte sie ungläubig „Jetzt sagt mir nur noch die Frauen tragen dort Hosen.“ Allein schon der Gedanke schien schrecklich. Frauen in Hosen… nein damals war das undenkbar gewesen. Auch ich musste bei dieser Vorstellung von einer verdrehten Welt herzhaft lachen.

Es war ein freies, offenes Lachen. Sicher, ich habe in den letzten 19 Kapiteln öfters gelächelt, geschmunzelt oder mich über etwas amüsiert doch gelacht? Nein, es ist sehr lange her, dass ich gelacht habe, so wirklich frei. Nicht um mich über etwas lustig zumachen, kein gehässiges Lächeln über die Dummheit der Menschen, kein bemitleidendes schmunzeln, nein einfach weil ich glücklich war. So warm war mir schon lange nicht mehr gewesen, und ich rede nicht von der Wärme er Luft die uns umgab, nein ich rede von einer Wärme in meinem Herzen. Einfach zu sehen wie Christine glücklich sein konnte, unbeschwert von allem was auf ihrer Seele lag… Das leuchten in ihren Augen, ihre glockenklare Stimme welche die einem Engel glich der direkt vom Himmel gekommen war um mir ihr Lachen zu schenken und mir das meinige zurück zu geben…

„Nun, man versicherte mir, das diese so genannten Kilts nur zu Festen getragen würden, ansonsten passt sich Schottland anscheinend durchaus den Europäischen Sitten an“ Wir hatten uns langsam wieder eingekriegt und setzten unseren Weg fort. „Na endlich haben sie einmal gelacht, Monsieur“ meinte Christine lächelnd und schnippte mir spielerisch auf die Schulter, als wäre dort ein Staubkrümel den es zu eliminieren galt. „Sie könnten das wirklich öfter machen, es steht ihnen“

„Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben Mademoiselle Christine. Wenn ihr lacht scheint die sonne, selbst in dieser finstren Nacht, aufzugehen“ Sie errötete und ‚Schlug’ mich leicht an die Schulter „Ihr übertreibt! Sagt, macht ihr allen hübschen Mädchen Komplimente?“ „Oh nein Mademoiselle, nur ihr verdient die Komplimente“ sie lachte verlegen „Monsieur, ihr müsst ein grandioser DonJuan gewesen sein, ihr seid ja in der Realität noch wesentlich beeindruckender als der wahre DonJuan.“ „Nun übertreibt ihr aber, Christine“ Bald erreichten wir den Gipfel des Berges am Rande der Stadt. Einst, ist einem halben Jahrhundert würde die Kathedrale Sacrecoers hier ausgebaut werden, doch auch damals stand eine kleine, unscheinbare Holzkirche auf dem Kipfel. Sicher, nicht halb so beeindruckend wie Sacrecoer, mit ihren vier Engeln welche auf die Besucher herunter sahen, mit ihrer weißen Wand und dem hohen Glockenturm, den weißen Stufen vor den Toren auf welchem sich all die Pärchen trafen. Nun das hatte sich nicht verändert, auch in jener Nacht vor 300 Jahren hatten sich nicht wenige Pärchen dort versammelt um die romantische Aussicht zu genießen. Auch wenn es zu jener Zeit, im Gegensatz zu heute, keine Beleuchtung gab, keine steinernen Stufen mehr, nur Rasen und Blumen, sogar eine Rosen Hecke an der kleinen hölzernen Kirche in welcher di Weinbauern zu beten pflegten. „Was meint ihr?“ wir hatten und auf den Rasen gesetzte, sahen uns still schweigend die Aussicht an bis Christine diese trausame Stille unterbrach „Ob man uns ebenfalls für ein Paar Hält?“ sie lehnte ihre Kopf an meine Schulter und schaute fand hinauf. Es gefiel mir, die Stimmung das ambiente… ihr Art wie sie mit mir Sprach. Sie redete mit mir nicht mehr, als wäre ich ein Fremder, ein Adeliger eines anderen Standes, sondern als wäre ich ein ganz normaler Mensch. Ich mochte das Gewicht ihres Kopfes auf meiner Schulter. Sie sprang mit einem Mal auf und zog mich mit hoch „Lasst uns einen Blick in die Kirche werfen“ Sie wartete nicht auf die Antwort ihrer Frage, diese war ja auch eher rhetorischer Natur gewesen.

Damals war es nicht wie heute, dass Kirchen nur zu bestimmten Zeiten besucht werden konnten. Sie galten als Unterschlupf, immer und nicht nur in den paar Stunden die sie geöffnet hatte. Also war sie auch jetzt geöffnet. Wie es sich für einen Gentillehomme gehörte hielt ich Christine die schwere Holztür auf und wir betraten die kleine Kapelle. Sie war dreischiffig, jedoch waren die Seiten schiffe nur sehr klein. Auch gab es nicht viel Platz, nur einen kleinen Alter auf welchem eine alte Bibel lag, dahinter ein Großes schweres Holzkreuz. Viele Kerzen erhellten den Raum, kleine Kerzen, Totenlichter welche von den Familien Mitgliedern der im Krieg gefallenen Soldaten aufgestellt worden waren, ihnen den Weg nach Hause und in Gottes ewige Hallen zeigend.

Christine sah sich um, drehte sich einmal um sich selbst wobei der Rock ihres Gewandes ihre baren Beine umspielte und streichelte. Schließlich blieb sie wo einer hölzernen Statue stehen. Ein Engel, jede Feder war fein heraus geschnitzt, ein ruhender, bewachender Gesichtsausdruck ruhte auf dem gütigen Gesicht. „Man könnte meinen sie passt auf einen auf, nicht?“ ihr zarten Finger strichen einmal über das geschnitzte Gesicht und sie schien dem Engel in die Augen zusehen. „Man möchte am liebsten zu ihnen....“ sie flüsterte so leise, ein normaler Mensch hätte sie wahrscheinlich nicht gehört. Vielleicht waren die Worte auch gar nicht für ihre Umwelt bestimmt. Es war fast eine Bitte, das Flehen eines kleinen Mädchens.

Sie sah das Selbe sie Kilian jedoch nicht das gleiche. Sie sah diesen Engel, welcher alle Menschen bewachte die seinen Schutz brauchten. Ein Engel für sich, ihren Bruder, ja sogar für mich. Ich jedoch sah diesen Engel, welcher nur Christine anzulächeln schien, welcher sie als einen der ihren zu akzeptieren schien und mich aus dieser Verbindung ausblendete. Nur diesen Moment das Christine über die Skulptur strich, nur diesen Moment, da sie der hölzernen Figur in die Augen sah.

Ich beobachtete dies von einer Bank aus, hatte mich von Christine entfernt und beobachtete sie aus der Ferne. Ich konnte nicht anders… ich dachte nach, über sie, über mich, über das Spiel welches ohne mein zu tun, ja ohne das ich es realisiert hatte viel ernster geworden war als ich es ja geplant hatte. Es schien aus der Kontrolle zu geraten, zumindest aus meiner.

Sicher ich liebte sie wie jeden Sterblichen doch… nein es war nicht das selbe wie bei meinen anderen Liebschaften. Ohne dass ich es gemerkt hatte war sie mehr geworden. Ein Stern der mein Dunkelheit erhellte, das dunkel aus meinem Herzen verdrängte… wie sage ich es am besten…?

Ich weiß. So wie ich mal, und musiziere so schreibe ich auch, dichte um genau zu sein und ein Gedicht von mir beschreibt meine Gefühle in jenem Augenblick nur zu gut.

Das Gedicht geht so:
 

Dein Licht erleuchtet meine Welt

Verdrängt das Dunkel in mei’m Herze,

Löscht aus ihm den ganzen Schmerze,

Der nun solange mich schon quält.
 

Du strahlst von innen strahlst ganz hell,

Lässt keinen Platz für Schatten hier,

Schenkst dein Licht und Feuer mir,

Ganz wie ein Stern am Himmelszelt.
 

Die Sonn’ bist du, ich bin der Mond.

Deshalb kannst du niemals zu mir,

Gehörst doch einfach nicht hier her,

Auch wenn in meinem Herz zu wohnst.
 

Ich leucht durch dich, bin bei dir gern,

Doch du darfst erlöschen nicht,

Niemals verlier’n dein Wunderlicht,

Kannst nicht hier bleiben, du, mein Stern
 

Ich hatte nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich ließ sie fallen, schickte sie zu ihrem Bruder zurück und riskierte, dass r ihr Licht endgültig, nach und nach erlöschen ließ, oder ich machte sie zu meiner Gefährtin. Doch würde ich es nicht ertragen sie sterben zu sehen, folglich müsste ich sie zu einem Kind der Nacht machen und das würde ebenfalls ihren Tot bedeuten. Sicher ihr Körper würde unsterblich werden, doch all das was sie ausmachte würde nach und nach sterben, bis sie nichts als ein Blut saugendes Monster war, denn sie war nicht für ein leben des Blutes geschaffen. Jedes Opfer würde einen Teil ihres Selbst und unwiderruflich auslöschen bis nichts mehr von meiner strahlenden Christine übrig war.

Sie drehte sich wiederum, sah mich an. Lächelte… aber es war nicht dasselbe Lächeln. Nein es war kein glückliches, befreites aufleuchten, und mit diesem Lächeln wusste ich genau worüber sie nachgedacht hatte. Ihren Bruder. Wie ich ihn verabscheute, dafür, dass er ihr ein eigenes Leben verbot, sie sogar selber glauben ließ kein recht zu haben glücklich zu sein. Schließlich war es ihre Aufgabe ihn glücklich zu machen. Und trotzdem lächelte sie mich mit ihrem scheinheiligen Lächeln an und stieß mir so einen kalten Dolch mitten ins Herz. Hätte sie ernst geguckt, traurige, wütend, egal was, ich wäre nicht so verletzt gewesen wie von diesem falschen Lächeln. Ich war ja so egoistisch von ihr totale Wahrheit und Aufrichtigkeit zu verlangen und ihr selber nicht einmal zu erzählen was ich war, aber so war ich nun einmal. Und wieder dachte ich nicht gründlich nach. Was interessierte mich der Grund für das aufgesetzte Lächeln? Was interessierte es mich, dass sie es nicht anders gelernt hatte, dass sie dieses falsche Lächeln schon 10 Jahre aufgesetzt hatte? Was interessierte es mich, dass wir uns erst eine Tag kannten? Ich sah nur ihre Maske die ihr wahres Wesen versteckte und ich mochte die Maske nicht, denn sie konnte nie so schön sein wie ihr wahres Gesicht.

„Schön nicht?“ Ihre Worte waren bedeutungslos. Es war nicht Christine die da sprach, es war ein Puppe, gespielt von Christian.

Und ich war nicht in der Lage ihr ein freundliches Gesicht zu machen, ihr etwas, was meine Gefühle ihr gegenüber betraf vor zu lügen. „Ja schön“ war mein barsche antwort. Ich wusste wie sehr es sie verletzte, ich wusste dass ich es ihr mit mehr als gleicher Münze heimzahlte, dass mein Verhalten ihr gegenüber ungerecht war… aber wie schon so oft handelte ich voreilig und unbedacht. Ich hatte nicht nachgedacht und unbedacht meine Gefühle ausgelebt, egal was es die Menschen um mich herum kostete. Aber ich konnte ihr nichts vorspielen… nicht auf diese Weise. Es war leicht fremde zu belügen und ihnen etwas vorzuspielen was man nicht war, doch Menschen die einem am Herzen lagen, denen wollte man schlicht nichts vorspielen denn es war einem wichtig, dass sie die Wahrheit wussten.

Ich war aufgestanden, hatte mich von ihr abgewandt und schritt auf die Tür zu. Nur kurz hatte ich ihre großen blauen Augen gesehen, ihre erblasste Haut, ihren offenen Mund der leicht zitterte. Und genau aus diesem Grund hatte ich mich sofort weg gedreht. Ich wollte sie so nicht sehen, ich wollte mein eigenes werk nicht ansehen, denn ich war es, der ihr diesen Dolch ins Herz gerammt hatte. Aber war es nicht besser so? Besser als ihr ebenfalls ein Lächeln vor zu spielen und ihr nicht zu zeigen wie sie mir wehgetan hatte? Wäre es wirklich besser gewesen es bei den Lügen zu belassen? Hätte sie das glücklicher gemacht?

Nur meine Schritte waren in der kleine Kapelle zu hören, Christine hatte sich nicht vom Platz beweg Ich wusste es, spürte ihren Blick auf mir und dennoch drehte ich mich nicht um. Bis sie sich doch bewegte, erst einen zaghaften Schritt, dann rannte sie, packte mich am Arm was mich überraschte (am meisten überraschte mich wohl die Tatsache, dass es mich überraschte). Ich hatte nicht erwartet so schnell ihre zarten warmen Hände wieder auf meiner Haut zu spüren, hatte nicht erwartet, dass sie mich aufhalten würde. Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht was sie wohl tun würde nachdem ich sie so behandelt hatte.

„Darf ich euch von meinem Traum erzählen?“ fragte ihre erstickte leise Stimme. Ich war stehen geblieben, sah sich nicht an sondern die Decke über meinem Kopf. „Welch dumme Frage“ erwiderte ich schließlich nach längerer Pause. Ich spürte wie ihr Griff um meine Hand fester wurde, wie sie zitterte „Ich liebe es doch euch zu lauschen“

Wie dumm ich doch in jenem Moment gewesen war. Ich hatte nicht einmal gemerkt wie Menschlich mein Verhalten gewesen war. Getrübt von Liebe und Eifersucht mein denken. Ich, der ich mich mein untotes Leben lang über die Menschen gestellt hatte. Ich war doch der Tot, ich war es vor dem die Menschen Angst hatten. Immer hatte ich das geglaubt und immer habe ich mich auf Basis dieses Glaubens über sie gestellt. Doch jetzt stellte ich mich auf eine Stufe mit Christine, war nicht mehr oder weniger als sie, sondern genauso. Nur Jacques hatte dieses Gefühl einmal spüren dürfen, damals in jener Nacht neben Xavier. Damals hatte ich dasselbe gespürt…

Erleichtert atmete sie auf, lehnte ihren Kopf an meine Schulter und begann leise, flüsternd wie der Wind, zu erzählen.
 

„Es war eine frische Sommernacht, genau wie diese. Ich war erst 7. Meine Mutter, eine wunderschöne Frau wenn ich mich recht erinnere, braune lockiges Haar, meinem nicht unähnlich und sanfte braune Augen, und mein Vater, ein Herr von Statur, mit Schnurrbart und aufgeweckten blauen Augen, machten sich zurecht. Ich stand neben meiner Mutter am Spiegel, und sah zu wie sie sich die Ohrringe aus den Ohren holte und begann ihr Gesicht abzuschminken. Ich bewunderte meine Mutter, und wollte so werden wie sie, und sie lächelte und fuhr mir durchs Haar. Ich lachte, ja ich war glücklich. Mein Vater kam um die Ecke, gefolgte Von Christian. Süß war er gewesen mit 7. Pausbäckchen, ganz rot vom vielen Spielen in der sonne mit mir, und ein Lächeln auf den Lippen welches selbst das dickte Eis zum Schmelzen gebracht hätte. Meine Mutter ging auf ihn zu, gab ihm einen Kuss auf die Stirn ‚es ist Zeit schlafen zu gehen’ sagte sie. Mein Vater beugte sich zu mir herunter, nahm mich auf seine Schultern, und auch er lachte dabei. Er lachte, und meine Mutter lachte, und Christian lachte und ich lachte. Wir alle lachten und waren glücklich. Ich wurde in mein Bett gelegt. Es war so weich und warm du behaglich. Ich lag da, die Augen offen und sie Schatten an der Decke beobachtend, doch ich hatte keine angst vor ihnen.

Und dann hörte ich einen Schrei, lang und spitz. Und dann hörte ich nichts. Ein Lange Stille. Ich krabbelte aus meinem Bett, ich weiß nicht einmal ob ich Angst hatte, oder ob ich nur neugierig war. Ich rannte die Treppen hinunter zur Küchentür von wo der schrei gekommen war. Und da… da… im Salon lag sie. Rot ihr kleid, genauso rot wie das Blut um sie herum. Mein Vater lag neben ihr, seine bleich Hand ausgestreckt, nach ihr greifend, sie jedoch nicht erreichend. Und immer weiter breitete sich die rote Flüssigkeit aus. Doch ich sah nur in die aufgerissenen, starren Augen meiner Mutter welche in den Armen eines fremden lag. Und dann stand er vor mir… so kalt dieser Blick… so durchbohrend. Er legte seine Finger auf meinen Lippen. So kalt. ‚Gute Nacht Mademoiselle. Träumt was Schönes’ sagte er und lächelte hämisch, so dass ich das blitzen seiner weißen Fangzähne sehen konnte. Dann waren sie weg. Alle, bis auf die leblosen Körper meiner Eltern. Ich wollte zu ihnen, doch mein Bruder nahm mich bei der Hand. Die ganze zeit war er unterm Tisch versteckt gewesen und kam. Und wir rannten. Und seid dem rennen wir“
 

Stumpf war ihre Stimme gewesen, als träume sie diesen Traum gerade noch einmal. Stumpf, lautlos und doch spürte ich ihre Traurigkeit. Ich konnte jenes kleine Mädchen vor mir sehen… ihr Griff um seine Hand war fester geworden, Tränen rannen über ihr Gesicht. Stumme Tränen über das lang vergessene Leid welches sie durch ihr Erzählen wieder hatte ausgraben müssen, wieder neu hatte erleben müssen.

Ich sagte nichts, musste das mir erzählte noch verarbeiten. Das schlimmste war, dass ich dieser Vampir hätte sein können. Ich hätte es gewesen sein können der ihre Familie so kaltblütig umgebracht, der sie alleine gelassen… machte es einen unterschied, dass ich es bei ihr nicht gewesen war? Nun ich hatte noch nie vor den Augen von Kindern deren Eltern getötet. Nein so grausam hatte ich nicht sein können. Wenigstens die Kinder hätte man hinterher noch töten müssen, schon alleine um ihnen diese Qual zu ersparen…

Ich drehte mich um, nahm sie fest in meine Arme, ließ sie in meine Weste weinen. Ich sagte nicht es täte mir leid. Nein das wäre gelogen gewesen denn wie konnte es mir leid tun? Viele Kinder verloren ihre Eltern früh, wuchsen in Armut und alleine auf. Viele Menschen wurden von Vampiren umgebracht, viele waren von mir umgebracht worden. Ich konnte es diesem Vampir nicht verübeln dass er diese beiden Menschen umgebracht und die Kinder zurückgelassen hatte. Was hätte ich wohl getan in seinem Fall?

Nein ich konnte nicht mein Beileid beteuern, ich konnte nur für sie Dasein und zeigen, das ich verstanden hatte, dass ich er honorierte, ihr Opfer für mich und dass sie nicht alleine mir ihrer Qual war.

Ich strich durch ihr seidenes Haar, über ihren Rücken. Doch konnten meine Kalten Finger ihr keiner Wärme schenken. „Ich verstehe“ wisperte ich. Es war fast mehr en lauter Gedanke „Das verbindet euch also…“ dies war das Schicksal, welches Christine und Christian auf immer und Ewig aneinander Kettete, Die Kette, die er versuchte zu trennen.

„Christine, Engel…“ sanft waren meine Worte, leise, wie das flüstern des Windes wenn er an den Bäumen vorbei strich „ich liebe dich“

So gern hätte ich diese Worte ausgesprochen, doch ich tat es nicht. Es wäre für sie mehr Last als Erlösung gewesen, sie hätte sich einem der beiden verpflichtet Gefühlt, ihm wie auch ihrem Bruder, und es war noch zu früh. So blieb der Satz unbeendet, einer vieler Sätze, deren Ende man kannte, und doch nicht kannte und deren Lied weiter flog. Sie allein konnte das Lied seines Lebens singen, seine Melodie der Nacht „Schließ die Augen“ mit einem mal schien meine Stimme wesentlich aufgeweckter, ein Idee war in meinen Kopf gekommen, es war eben einer jener Gedanken, welche einfach kamen und welche Perfekt zu sein schienen.

Christine schien verwirrt, tat jedoch wie ihr befohlen. ‚Ich ließ sie los, betrachte sich nur einmal das junge Gesicht, noch sah man das Glitzern der Tränen, welche herunter gelaufen waren, ein feiner Streifen durch das Gesicht, über die rosigen Wangenknochen hinweg.

Ich musste einfach etwas tun um ihren Schmerz zu lindern. Einfach nur dastehen und ihr zu zuhören schien nicht ausreichend, nein es gehörte mehr dazu. Ich drehte mich um, verließ die Kirche und sah mich einen Moment um ehe ich das fand was ich gesucht hatte. Nur einen Augenblick später stand ich wieder vor Christine. „Ihr könnt die Augen wieder öffnen“

Eine Rote Rose hielt ich ihr vors Gesicht. Sprachlos betrachtete sie das Gewächs. „Die Rose ist ein Zeichen der Liebe, welche du in deinem Herzen trägst, für jeden, vor allem deinem Bruder, wie ich befürchte“ während ich sprach strich ich ihr Haar zurück und die Rose hinein zu stecken, dann sah ich Christine tief in die Augen, ein Lächeln auf meine Lippen. lächelte „Sie passt du dir, da sie stolz ist, und schön, da sie stark und Kraftvoll ist. Es mag Tagegeben, da diese Blume den Kopf hingen ließ, und dennoch, sieh wie sie erblüht ist. Jeden Sturm, hat sie überstanden und gerade das machte sie so schön“ ungeschickter Weise stach ich mich an einem der Dornen während ich versucht die Blume zu richten „Und sie hat Dornen mit denen sie sich wehren kann“ fügte ich noch hinzu. Mit derselben Hand mit der ich die Blume befestigt hatte strich ich nun über das unscheinbare Gesicht und wischte die letzten Tränen ab „Was ich sagen will ist, dass ihr niemals verblühen dürft, was auch kommt, denn dies würde nicht nur euren Bruder in Trauerstimmung versetzen…“ Christine hatte die Augen geschlossen, hatte selber ihre Hand ausgesteckte, meiner ergriffen und führte sie über ihr Gesicht, ein seliges Lächeln auf den Lippen, als sei all der Schmerz vergessen.

„Ihr seid ein wunderbarer Poet“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste mich sacht auf die Wange „Doch gefiel es mir am besten, wie ihr meinen Namen ausgesprochen habt“

All dies schien eine Ewigkeit an zu dauern. Man sagte immer, die Zeit verginge wie im Fluge wenn man glücklich war, doch wieso schien dieser Augenblick welcher doch kaum 5 Minuten andauerte, wieso erschien mir dieser Augenblick so lange anzudauern? In fünf Minuten konnte so viel erschaffen werden, konnte ein Leben gerettet oder zerstört werden, konnte ein Kind geboren, konnte der letzte Stein eines Gemäuers gelegt, konnte die Welt untergehen oder das Universum erschaffen werden. In diesem Moment wurde für mich eine neue Welt erschaffen… obwohl… neu entdeckt trifft es wohl eher. War ich wirklich noch derselbe Vampir der am Abend zuvor einer Ahnungslosen Frau nach dem r sie ausgesaugt hatte noch die Theater karten gestohlen hatte?

Ich wusste es nicht, und solange ich in diese großen blauen Augen Christines sehen konnte war es mir auch egal. Nur sie und ich schienen zu existieren und Paris war vergessen. Und Christian war vergessen. Und meine traurige Wahrheit war vergessen. schlagen „Christine“ wiederholte ich „Wenn es euch hilft die Trauer die ihr in euch tragt nur einen Moment aus eurem Herzen zu verbannen, so werde ich nie aufhören diesen Namen zu sagen“

Zu kostbar war der Moment ihn einfach verstreichen zulassen… Ich strich ihr noch einmal durch das seidige Haar, strich ihr über den Rücken, drückte sie an mich, als fürchte ich, dass sie, wenn ich sie losließ plötzlich verschwinden könnte. Ich wusste es war falsch sich so hinzugeben… Je höher wir schwebten und je länger wir flogen umso tiefer würden wir fallen und umso schmerzvoller würde der Aufprall werden.

Aber ich konnte nicht anders als diesen Himmel auszukosten, wer weiß wann man wieder so hoch fliegen konnte?

Ich erwiderte ihren Kuss, jedoch nicht auf die Wange, nein. Ich spürte ihr Lippen auf den meinen, küsste sie, ja schien einen Moment eins mit ihr zu sein. Nur noch sie, die einzige Realität war Christine welche in meine Armen lag, meine Kuss leidenschaftlich erwiderte. Nur ihr duft, eine Mischung aus dem Rosenwasser in dem sie sich heute badete und ihrem eigenen Göttlichen Duft. Nur ihre warmen Lippen, ihre Dünnen Finger ihre zarte Haut, ihr warmer Atem auf meiner Haut.

Doch dann öffnete sie ihre Augen, drückte mich mit sanfter Gewallt von sich weg. „Ich... Monsieur, Ihr solltet Euer Herz nicht an eines verschenken, das schon jemandem gehört“ Sie sah mir nicht in die Augen, schaute zu Boden, auf ihre Füße. Ihre Stimme war dünn, leise... zitterte leicht. Sie bewegte sich kein Stück, blieb wie erstarrt so wie sie war. „Ihr habt recht... Die Nacht neigt sich bald dem Ende... mein Bruder wird sich um mich sorgen“

Dieses Mal war ich nicht überrascht. Nein sie konnte ihren Bruder nicht ganz vergessen, nicht in diesem Leben. Doch sie enttäuschte mich durchaus nicht. Im Gegenteil, auf eine gewisse Art war ich erleichtert. Immerhin war ihre antwort ehrlich, nicht länger dieses scheinheilige Lächeln, diese Maske die sie aufgesetzt hatte. Und ich hatte es doch gewusst, dass sie ihren Bruder nicht so einfach ausblenden konnte. „Ich weiß“ antwortete ich mit einem milden Lächeln auf den Lippen, ihr mit meiner kalten Hand über das warme Gesicht streichen, ihren Kopf hochziehend, sodass sie mich angucken musste „Ich weiß auch wenn…“ ich brach ab. Wie gerne hätte ich es ihr ins Gesicht gesagt, alles was ich über ihren ach so feinen Bruder dachte. Christian zerbrach sie, zog sie in seine Dunkelheit Doch das wusste sie selber, vielleicht nicht als festen Gedanken, nur als Gefühl, und dennoch hatte sie sich für diesen Weg entschieden. Der Abend würde für sie hinein brechen, und das bevor die Sonne ihres Lebens hatte aufgehen können.

„Aber ich darf doch dennoch auf ein Widersehen hoffen, oder Madame reißt mir euer Bruder dann den Kopf ab“ Ich schmunzelte leicht. Der Moment war vergangen, nur eine Ahnung davon hing noch in der Luft, ein sanfter Duft, eine frische, beruhigende Stille durch welche allmählich das Lachen von draußen drang. Die Welt hatte uns zurück. Wir flogen nicht mehr im Himmel und ließen alles andere unter uns, all das grausame dieser Welt, all die dummen Menschen und das Leid. Nein wir standen wieder hier in Paris auf dem Größten Berg der Stadt in einer kleinen Kapelle. Dennoch würde weder sie noch ich diesen Moment je vergessen, und so würde er Ewigkeiten andauern, oder zumindest solange ich lebe, und seid heute, solange dieses Buch

Voruteil

Kapitel 21
 

„Oh, Monsieur, selbst wenn er es täte, so wäre es doch ein sehr schöner Kopf den er da abrisse. Und ich denke, schön genug um zu riskieren ihn abgerissen zu bekommen, meint ihr nicht?“

Sie lächelte leicht gedrückt. Meine etwas kühlere Art musste sie erschrocken haben. Nun ja ich war 300 Jahre alt, hatte Erfahrungen gesammelt während sie ein 16 Jähriges Mädchen war welches wahrscheinlich gerade ihren ersten Kuss hinter sich hatte. Natürlich musste ihr das ganze etwas seltsam vorkommen… Ich seufzte... Es war schon nicht leicht, aber ich wollte nicht, dass sie mich missverstand, vielleicht gar glaubt ich wolle gar nicht richtig mit ihr reden, als wären mit dem Moment den wir beide geteilt hatten meine Gefühle für sie verschwunden. Mein Griff um ihre Hand wurde fester, als wolle ich sie nie wieder loslassen, ich blieb stehen drehte sie um, sodass sie mir ins Gesicht sehen musste. „Schaut mich an und sagt mir ehrlich was ihr seht“ sagte ich. Verwundert schwieg sie. Betrachtete mich eine Weile, sah mir tief in die Augen. „Ich … ich weiß nicht. Ich sehe so vieles, dass ich nicht weiß wo ich anfangen soll“ antwortete sie schließlich, wollte sich wider wegdrehen, doch ich hielt sie fest. „Soll ich euch sagen was ihr seht? Ihr seht einen Adeligen, jemanden der vieles erlebt hat, der lesen und schreiben kann und den ihr für etwas besseres haltet, zumindest in diesem Moment“, sie schwieg, schaute betroffen zu Boden. „Ihr seht mich hinter einer Mauer der Klassen welche euch unüberwindbar erscheint, nicht zuletzt dank eures Bruders. Sicher liegt es auch an mir…“, ich verstummte einen Moment. Sie sah wieder auf, sah mich halb fragend halb verstehend an, sagte jedoch nichts.

„Ihr dürft meine Art nicht missverstehen“, sagte ich schließlich „Es liegt nicht an euch, es ist nur… es ist mein Wesen, ich habe keine Geschwister die mir sosehr am Herzen liegen wie euch Christian. Noch ich hatte eine Familie, welche mir so am Herzen lag. Meinen Vater von dem ich mich trennte ausgenommen. Ich reiste viel allein durch die Welt. Und wie ihr schon sagtet gehört euer Herz bereits einem anderen von daher…“, ich verstummte, als wolle ich ihr die Gelegenheit geben doch noch ‚nein’ zu sagen. ‚Nein’ zu allem was ich sagte. ‚Nein’ dazu, dass ihr, ihr Bruder soviel wichtiger, so viel näher war als ich, dem sie ihre Gedanken offenbart hatte.

„Ihr seid in meinem Herzen, für alle Zeit“, diese Worte waren mehr als ernst, selbst wenn sie nun ging, selbst wenn sie einst als alte, gebrochene Frau sterben sollte, ich würde sie nie vergessen können, würde immer jenen Funken den sie entfacht hatte in meinem Herzen tragen, und nicht eine Nacht würde vergehen, da ich nicht wenigstens sein Moment an jenen bezaubernden Augenblick denken würde.

„Für alle Zeit?“ fragte sie zögernd „Das ist sehr lange, Monsieur....Die Leute sagen „ewig“ und haben alle keine Ahnung was das Wort überhaupt bedeutet“ sie musste lächeln „Aber ich will es trotzdem versuchen, euch für immer in meine Gedächtnis zu bewahren, Monsieur....“, sie schmiegte sich wieder an mich, hatte ihren Kopf gegen meine Brust gedrückt und sah nun wieder auf, hob die Hand und strich mir durch das lockige Haar. „Aber es dürfte sowieso schwer sein, solch schmucke Locken wie die euren so schnell zu vergessen, Monsieur“

Sie lachte, und auch ich musste lächeln. Immerhin hatte sie ihr Lachen wieder gefunden, und das war schon Lohn genug für mich.
 

Das Ende einer Nacht, wie man sie sonst nur in Märchen fand war gekommen. Bis zu jenem Augenblick war es mir nicht aufgefallen, doch näherte sich die Sonne schon dem Horizont, ein erstes Glimmen was am Himmel zu sehen und meine Glieder wurden langsam schwerer. Doch ich ließ es mir nicht anmerken, begleitete Christine weiter bis zu ihrem Haus. So viel Zeit musste einfach noch sein, und so schnell starb nun ich auch wieder nicht. Den gesamten restlichen Weg schwiegen wir, jedoch war es nicht dieses beklemmende Schweigen, wenn keiner wusste was er sagen sollte. Nein, es war eine wunderbare, angenehme Stille, die wir beide genossen.

Wir erreichten ihre Straße, nur noch wenige Meter trennten uns von ihrer Wohnung. Die Zeit des Abschieds war gekommen, auch wenn dieser noch so schwer fiel.

„Um unnötigen Ärger, für euch wie für mich, zu vermeiden schlage ich vor mich bereits hier von euch zu trennen, Christine. Es sind nur noch wenige Schritte bis zu eurer Behausung und ich habe noch etwas Dringendes zu erledigen ehe der Morgen graut“

Ein letztes Mal strich ich ihr durchs Haar „Nun seht mich doch nicht so an, es ist ein Aurevoir kein Adieu“, auch wenn ich es sagte, ganz konnte nicht an meine eigenen Worte glauben, hielt ich doch noch immer ihre Hand in der meinen. Doch ich konnte weder sie, noch diesen Abend ewig wären lassen, das war mir klar, so schmerzhaft diese Erkenntnis auch sein mochte. Nein ich musste zurück in meinen Sarg… ich musste sie zurück zu ihrem Bruder schicken, auch wenn ich genau wusste, dass er das Missen seiner Schwester nicht ungesühnt lassen würde. Auch wenn ich wusste, dass er die Flamme die ich mühevoll entzündet hatte wieder auf einen Funken zusammen sinken lassen würde.

Sicher. Jeder Schlag, ob verbal oder nicht, den ihr Bruder gegen sie führte trieb sie näher an mich. Doch für was für einen Preis? Sicher. Es war einfacher jemanden rumzukriegen, der schon am Boden war, doch war es richtig? Brachte es wirklich etwas?

„Aurevoir, mon étoile“, ich überwand mich, ließ ihre Hand los. Nur noch ein flüchtiger Kuss auf ihre Wangen „Aurevoir“ flüsterte sie mir ins Ohr, als ich mich zu ihr beugte. Dann drehte ich mich um. Dann war es vorbei, ein für alle mal….

In Gedanken war ich immer noch bei ihr. Doch was halfen ihr meine Gedanken? Und vor allem: Was halfen sie mir? Ich musste mich beeilen in die Avenue Phosphoyer zu kommen wollte ich sie noch einmal wieder sehen und zwar als Kilian und nicht als komisches Häufchen Asche.

Wie so oft wenn ich es eilig hatte wanderte ich nicht durch die Straßen von Paris, sondern über ihnen. Schnell und elegant wie ein Pfeil sprang ich von Dach zu Dach, den Weg den ich schon gegangen war, als ich Christine zu Beginn dieser Nacht auf meinen Schultern getragen hatte. An den Baracken vorbei über die Plätze bis die Avenues mit ihren Bäumen und Barockhäusern kamen. Und da war es auch schon. Genauso weiß die Mauern. Genauso schwarz das Dach. Genauso verziert die Giebel und der Porticus, vor welchem ich nun stehen Blieb. Erleichterung machte sich in mir breit. Ja der Morgen, so schön er auch war, war nicht unbemerkt geblieben, meine Glieder waren schwer, mein Augen brannten von dem hellen Schein der sich langsam über die Dächer von Paris schieben wollte. Endlich schritt ich durch die Tür, verschloss sie hinter mir, ging ohne noch einmal nach meinem zweiten Gast zusehen durch den Flur, in den Geheimgang und dorthin wo mein Sarg versteckt lag.

Kaum war der Deckel über mir geschlossen versank ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
 

Meine dritte Nacht in Paris begann. Kaum zu glauben, dass es erst die dritte war, es erschien mir als seien schon drei Jahre vergangen… Doch sei es drum. Pünktlich mit den letzten Strahlen der Sonne erhob ich mich aus meinem Sarg. Heute würde ich anscheinend wohl oder übel auf meinen Engel verzichten müssen. Nicht nur das ich ihr Zeit geben musste, dass Christian sie ohnehin nicht gehen lassen würde und dass sie ihn auch so wahrscheinlich nicht die dritte Nacht in Folge alleine lassen würde. Nein ich selbst hatte ja auch einiges zu tun. Nicht zuletzt geschäftliches. Das Haus wollte neu möbliert werde, ich sollte einmal die Verwaltung meines Geldes begutachten, es auf neue ‚Konten’ übertragen damit kein Verdacht über sein langlebiges Leben… außerdem war da noch der kleine Jäger vom vorigen Abend. Und er war schon erwacht wie ich feststellen musste.

Ja er war mehr als wach, er wusste genau was Sache war. Er war eingesperrt in einem Zimmer in dem Haus eines Vampirs, und diesen verfluchte er. Es war geradezu unmöglich für mich seine Verwünschungen nicht zu hören, und ich musste lächeln. Anscheinend ärgerte er sich am meisten über seinen letzten Gedanken vom vorigen Abend. ‚Kilian ist nicht Böse’…

Ja es würde lustig werden. Dieser Jäger mit all seinen Vorurteilen. Er erwartete einen kaltblütigen Killer. Sein Bild eines Vampirs war recht simpel gestrickt. Ein bleicher Blutsauger der seine Opfer ohne erbarmen tötete. Ein Graf Dracula, der sich hinter der Maske eines Edelmannes verbarg, der in seinem schwarzen Mantel durch die Nacht flog, um neues Unheil zu stiften. Ein seelenloser Zombie. Ich musste bei dieser Beschreibung eines Vampirs schmunzeln. Gut. Er sollte kriegen wofür er gekommen war.

Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich den geheimen Raum und eilte geräuschlos in mein anderes Gemach wo ich in einen schwarzen Anzug und schwarzen Umhang schlüpfte. Sollte ich wirklich einfach durch die Tür kommen wie er es erwartete? Nein. Wie unromantisch und unkreativ. So einfach würde ich meinen Auftritt garantiert nicht gestalten.

Gänzlich in schwarz gekleidet, wunderbar blass, meine Haare offen ging ich durch den Vordereingang hinaus auf die Straße. Niemand war dort zu sehen, wahrscheinlich hatte sich die gesamte Bevölkerung dieser Straße bereits auf die Bälle der Stadt verteilt. Umso besser für mich. Mit einem Satz erreichte ich das Fenster, öffnete es und ehe Luc mich hätte sehen können war ich verschwunden, als habe sich das Fenster von alleine geöffnet.

Ich empfand es als überaus amüsant diese Spielchen mit Menschen zu spielen, sie ließen sich nur allzu leicht beeindrucken, eine schnelle Bewegung, das Öffnen eines Fensters und sie hielten es für Magie, dabei hatte ich es genauso getan wie jeder Mensch. Ich hatte ebenso die Hände benutzt und ebenso es aufgeschoben, nur durch Kraft meiner Muskeln. Der einzige Unterschied war, das ich es schneller konnte als jeder Sterblicher.

Wie würde wohl dieses Exemplar reagieren?

Sicher, sicher, nach dem Treffen mit Christine hätte ich Besserung loben sollen. Nun was soll ich sagen? Ich tat ja auch nichts schlimmes, ein wenig Spaß. Mehr war es nicht, aber Christine hätte es sicher nicht gut geheißen… und ich wollte mich doch ändern… aber so schnell änderte man sich nicht wenn man schon 200 Jahre alleine durch die Welt gestreift war. Nicht von einen Tag auf den anderen und in jenem Moment dachte ich nicht einmal an Christine oder was sie davon halten würde. Ich wollte nur mein Amüsement.

Ich sprang danach auf das gegenüberliegende Dach und schaute durch das Fenster. Was er dort sah war zu komisch. Luc war aufgesprungen, hatte sich nun hinter einem Sessel versteckt und stierte das Fenster an.

Es war einfach zu goldig, wie ein Mann, der rein Körperlich sicher drei Jahre älter als ich war, hinter einem Sessel versteckte, nur weil ein Fenster aufgegangen war. Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, doch verkniff ich es mir. An sich war die Reaktion ja nicht dumm, nur reichlich überraschend. Wer hätte gedacht, dass der mutige Vampirjäger, der sich allen Gefahren in den Weg stellte, der gewillt war den Dämon dieser Welt zu besiegen sich schon bei einem offenen Fenster verkroch. Einfach herrlich.

Im Schatten der Nacht sprang ich mit einem galanten Satz auf die Straße zurück und betrat mein Haus. Nun wenn die Sache mit dem armen, verängstigten Möchtegern-Held so aussah…

Lautlos stieg ich die Treppe empor und öffnete ohne langes Fackeln die Tür „Verzeiht die Störung Monsieur D’epée“, eine gewisse Ironie konnte ich aus meinen Worten nicht ganz verbannen, zumal der Anblick den dieser Jäger mir bot zu amüsant war.

Mit einem Satz war der Jäger sauf gesprungen, strauchelte jedoch aufgrund seines verletzten Fußes leicht. Seine Hand har unter sein Hemd gewandert und zog jetzt ein Kreuz hervor, welches er wie einen Schutzschild vor sich hielt.

„Nettes Spielzeug hast du da“, war mein einziger Kommentar „Also, nur um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, mit einem Kreuz erreichst du gar nichts, Vampire gibt es länger als das Kreuz. Ist übrigens nicht der einzige Irrglaube dem du unterliegst“ Sicher, meine Worte waren nicht sonderlich sorgsam gewählt, sie waren nicht nett oder höflich und sie waren fast nicht mehr als bloß Ironisch, ja beinahe sarkastisch. Aber das erwartete er doch von mir. Ein skrupelloses und überhebliches Monster. Wenigstens einmal sollte er es sehen, nur um hinter fest zu stellen, dass er im unrecht war.

Zornig starrte er mich, den Mann in dem er seine zukünftigen Mörder sah, an. Seine Gedanken waren ein offenes Buch und so wusste ich auch schnell, dass sein Kreuz nicht nur ein Kreuz, sondern auch ein Dolch war. Die Frage die ihn momentan beschäftigte war, ob er gleich zu stechen und versuchen sollte zu fliehen, oder ob er lieber warten und versuchen sollte meine Schwachstelle zu finden. Nun ich war mir sicher, dass er weder das eine noch das andere schaffen würde

„Und wie ich sehe habt ihr den Kamin entzündet fuhr ich fort. In Sekunden schnelle war ich vor seine Augen verschwunden und saß in einem Lehnstuhl direkt neben dem brennenden Kaminfeuer. Ja, Feuer war der ewige Feind der Vampire, gerade deshalb setzte ich mich ja daneben. Ich durfte keinerlei Schwäche zeigen, nicht einmal vor dem, was mir den Tod bringen konnte.

„Weiß Eure...deine 'Kleine' davon hielte!! Kennt sie dein dunkles Geheimnis? Oder belügst du auch jene die du liebst!!“

Ich fragte mich was er mit dieser Anspielung bezweckte? Wollte er, dass ich in Rage geriet weil er mich duzte? Wollte er, dass ich in Rage geriet weil er so über Christine redete? Oder wollte er einfach erreichen, dass ich mich tot lachte? Eine sehr ernsthafte Frage.

Nun ja, zumindest war dieser Weg der falsche um hinter meine ‚Schwachstelle’ zu kommen, falls ich so etwas überhaupt besaß.

Dennoch überraschte mich dieser Jäger aufs äußerste. Ich hatte nicht erwartet, dass er ein Mann der vielen Worte und Überlegungen war. Anscheinend hatte er immerhin eines im Leben gelernt ‚Eile mit Weile’, auch wenn seine Überlegungen vielleicht einwenig absurd waren.

Er stand vor mir, breitbeinig seinem als Kreuz getarnten Dolch in der Hand, als wolle er jeden Moment zustechen. „Nein, sie ist nicht was ich meine Schwachstelle bezeichnen würde, und selbst wenn, es würde euch doch nichts helfen. Sie ist nicht hier, wenn sie denn überhaupt noch lebt, was ihr ebenso wenig wissen könnt. Glaubt ihr wirklich ich lasse mich mit einer Sterblichen ein?“

Ich log. Nur um das noch einmal klar zu stellen, mein letzter Satz war ein glatte Lüge, schließlich habe ich mich, wie euch Lesern und Leserinnen hoffentlich aufgefallen ist, mich Hals über Kopf in Christine verliebt. Als meine Schwachstelle hätte ich sie trotzdem nicht bezeichnet…. Wie dem auch sei, Luc musste das ja nicht unbedingt wissen. Schließlich wollte ich doch nicht mein Image ruinieren.

Aber nur den Erwartungen zu entsprechen war natürlich auch nicht mein Image, nein ich war eher ein Mischung, und der Spaß würde auch schnell verloren gehen, wenn man immer dieselbe Rolle beibehielt. „Außerdem könnt ihr euch entspannen, wenn ihr mich angreifen wollt tut es doch wisset eines. Hätte ich euch etwas antun wollen so hätte ich es schon getan, als ihr vor meinem Hause gelegen habt. In meinem Bett, gestern Abend. Hätte ich euch schlicht töten wollen, so hätte ich euch keinen Wein und kein Essen gegeben, noch ein Bett zum ruhen, oder Eis zum kühlen. Aber ihr werdet mich wohl kaum glauben, wenn ich auch sage, dass ich einfach mit euch reden will“ Ich erhob mich, schritt nun langsam, so dass er mir folgen konnte durch den Raum auf ihn zu. Es kam nur darauf an, wie man sich präsentierte. Wie sagte Shakespeare so passend: Und wenn die Welt eine Bühne und das Leben ein Theaterstück, dann spiel einfach die Rolle, die dir am meisten Spaß macht’. Eines meiner Mottos.

„Ihr versteht sicher was ich euch zu sagen versuche“ sagte ich nun mit dem mir eigenen süffisanten Lächeln, wobei ich geschickte meine Fangzähne entblößte, welche im Schein des aufsteigenden Mondes einen seltsamen kalten Schimmer annahmen.

Anstatt sich zu entspannen verkrampfte er sich nur noch mehr. Selbstverständlich glaubte er nicht ein Wort von dem was ich sagte. Ich, ein Vampir, der mit seinem ‚Gast’ ‚nur’ reden wollte. Sicher musste es ihm absurd vorkommen ganz nach dem Motto: ‚Luc, ich möchte dich nur vorwarnen. Ich werde dich aussaugen und dir dein Leben nehmen, aber jetzt will ich mit dir reden. Magst du irgendetwas trinken? Wein, Bier,…ich hab alles da. Du musst wissen, dass ich immer mit meinen Opfern rede, bevor sie sterben.’

„Red, ich hab nicht die ganze Nacht Zeit“ Nun ja, wenn man es genau nahm hatte er wohl die ganze Nacht Zeit… aber es war egal und ihnen hin nur ein Redensart der Menschen, die immer zu nichts als Zeit im Kopf hatten. Stur schaute er mich an. Natürlich hatte ihn meine Vorstellung erschreckt, das einfache Verschwinden, dass ich keine Angst vorm Feuer hatte, mein ganzes Auftreten, und das sah man ihm auch an. Aber dennoch wich er nicht zurück, dennoch zitterte er nicht und schaute mich weiter zornig an.

„Ich hoffte auf ein Gespräch, keinen Monolog meinerseits, aber wenn ihr nicht reden wollt…“, ich war aufrichtig enttäuscht, ein gutes Gespräch schätzte ich doch noch immer sehr hoch.

Ja das war wieder ich. Nicht der Kavalier, der Edelmann der mit einer bezaubernden Frau rumturtelte und ihr sein Herz und ein Blume schenkte. Nein. Zumindest wollte ich das nicht. Es konnte ohnehin nichts werden mit ihr, egal wie man es drehte ihre Seele war verloren, aber wenn sie mir nicht wichtig war so würde es nicht halb so sehr schmerzen. Nun leichter gesagt als getan, aber in jenem Moment konnte ich es auch einfach so sagen ohne es zu meinen. Ich konnte es sagen, und es mir für den Moment auch vorspielen, auch wenn es sicht der Wahrheit entsprach. Ich konnte mir sagen dass dieses Ich, der verschlagene Vampir, keine Maske war, sondern der Edelmann von gestern Nacht. Denn was war ich schon? Ich war, und bin, ein Vampir. Ein Killer der Nacht. Ein Monster welches Angst und Schrecken verbreitete. Ein Wesen, das nichts erschaffen sondern nur zerstören konnte. Ein Kind der Nacht.

„Nun gut“ nach längerer Stille hatte ich beschlossen diese einfach zu durchbrechen. Wenn dieser Luc es nicht tat so musste ich es wohl tun. Was hatte ich auch erwartet? Dieser Luc war mindestens ebenso eigensinnig und beharrlich wie ich es war. Das machte es ja so interessant. „Ihr seid Jäger, wenn ich mich nicht irre. Euer Auftrag, ob nun von euch auferlegt, oder als Beruf ausgeübt, ist es mich umzubringen, aber wenn sie mich nur böse aus ihren bezaubernden blauen Augen ansehen wird das nichts. Außerdem“, ich legte eine kleine Atempause ein ehe ich fortfuhr „Außerdem bin ich gespannt wieso ihr Jäger seid, ich hatte noch nie die Gelegenheit mit einem euers Gleichen in Ruhe zu reden, die meisten haben einfach versucht mich zu töten… ein bedauerlicher Umstand… Wenn ihr mit mir redet, einfach so, ohne die ganze Zeit krampfhaft an meinen Tot zu denken, dann garantiere ich euch, dass ihr dieses Haus lebend verlassen werdet“

„Das mit den bezaubernden Augen will ich überhört haben. Ich bin nicht…“, mitten im Satz brach er ab, dachte noch einmal nach ehe er fort fuhr. „Fragt mich was Ihr wissen wollt oder sagt mir über was Ihr reden wollt.“

Er fühlte sich eingeengt, sah sich als bedrohten der keine Forderungen stellen konnte und würde. Nein er schmiedete keine Pläne mich zu ermorden sondern nur heil wieder saus diesem Haus des Schreckens, welches ihm gestern noch wie ein Traumschloss vorgekommen war, zu entkommen. Ihm war sein Leben wichtiger als sein Ruhm oder seine Mission, eine sehr weise Entscheidung.

„Nun gut, wiederhole ich meine Frage noch einmal als solche: Wieso wurdet ihr zu dem was ihr heute seid?“ „Soll ich jetzt sagen ich tu’s aus tiefstem religiösem Glauben heraus? Ich bin Jäger weil die Kirche das Böse vertreiben will und mich für diese Aufgabe bestimmt hat? Oder ich könnte natürlich auch deshalb ein Jäger sein, weil ich die Menschheit vor allen Dämonen aus der Unterwelt schützen will. Sozusagen, dass ich ein Held sein will.“ Eine recht freche und unüberlegte Antwort, als wolle er mir mit meinem eigenem Sarkasmus bei kommen. „Ich habe euch gefragt wieso IHR Jäger wurdet“ antwortete ich „Nicht was ihr glaubt was ich hören will warum ihr Jäger wurdet“, er überlegte einen Moment. Er hatte nie darüber nachgedacht, darum ja meine Frage. Warum war er Jäger? Er wusste es selbst nicht so genau…

„Wenn ich so darüber nachdenke….Ich glaub ich bin einer wegen dem Glauben und dem Held sein, aber wieso wollt ihr das wissen? Reicht es nicht sein Opfer seit einem Tag, nur mit dem Wissen das bald das Ende da ist, zu quälen? Beendet es oder lasst mich gehen! Was nutzt Euch unser Gespräch? Ich werde die Nacht so oder so nicht überleben!“, wieder versank er in Gedanken. Ich spürte die tiefe Hoffnungslosigkeit in ihm aufkeimen, er verlor den glauben überhaupt jemals aus diesem Haus zu kommen. Er begann sich zu fragen was das ganze überhaupt sollte. Der Griff um seinen kleinen getarnten Dolch lockerte sich kaum merklich, fiel schließlich zu Boden. Erst beim Aufprall des Metalls schreckte er zurück und realisierte wieder ganz wo er war, fixierte mich mit seinen unendlich blauen Augen, die so undurchdringlich wie Eis sein wollten, jedoch flüssig wie Wasser waren. Man konnte hindurch sehen und hindurch greifen wenn man wollte. Er hatte noch keiner Erfahrung darin seinen Geist zu verschließen. „Ich schätze“, fuhr er schließlich fort als wäre er mit seiner Antwort nicht ganz zufrieden „Ich schätze ich mache es des Ruhmes wegen. Meine Familie hat mich ausgelacht, als ich ihr von meinem Vorhaben erzählt hatte. Der Pfarrer unseres Dorfes erzählte mir von Deinesgleichen. Ich will, dass er stolz sein kann, und dass meine Familie mich ernst nimmt.“

Er schaute mich an, errötete und sah wieder weg, dann sah er wieder auf als habe er es sich anders überlegt

Auch ich überlegte. Es war erbärmlich was er da lieferte. Es sagte er kämpfte für den Heldentum, für den Ruhm, für den Glauben ... Aber er war nicht Held genug den Tot zu riskieren, nicht ruhmreich genug, um Selbstbewusst mir gegenüber zu sein und sein Glaube nicht stark genug ihn nichts fürchten zu lassen. Menschen, was sie auch sagten, empfanden doch alle anders als sie sprachen.

„Wie hält man es aus? Ich meine jede Nacht einen Menschen zu ermorden“, fragte er in gehässigem Tonfall. Also Hinterfragen, um mich daran zu hindern ihn weiter zu Löchern. Wirklich unglaublich geschickt und einfallsreich von ihm. Aber.. nein es war nicht nur Gehässigkeit. Ich konzentrierte mich ein wenig, um seine Gedanken lesen zu können. Das Bild eines Vampirs kam mir in den Sinn, einen der in de hellen Flammen eines Feuers starb. Er hatte ihn getötet… Dieser hatte nur in Erleichterung gelacht… und was hatte Luc gefühlt? Schmerz, Trauer, Schuld… Er konnte Vampir wirklich nicht verstehen, wo es ihm doch sogar leid tat einen hundertfachen Mörder zu töteten, wie konnten sie, wie konnte ich Nacht für Nacht unschuldige ermorden?

Aber dieses Empfinden bewies mir noch einmal sein Wanken. Wäre er überzeugt, dass sein Handeln, sein Ausmerzen der Vampire richtig war, wäre er überzeugt, das diese Dämonen der Nacht nur böse waren, keine Seele hatte und nichts, als wandelnde Leichen waren, dann würde er nichts bereuen können. Er konnte davon nicht überzeugt sein sonst würde er nicht Zweifeln. Es fehlte ihm also schon alleine der Glaube in seine Handeln, wie sollte dieser Glaube dann auch stark genug sein ihm die Angst vor dem Tot zu nehmen?

„Wie halte ich es nur aus“, antwortete ich in einem gespielt theatralischem Ausdruck „Nacht für Nacht Morden, eine Seele nach der anderen in... die Hölle, - so pflegt ihr es doch zu nennen? Schließlich ist es nach eurer Interpretation unmöglich in den Himmel zu gelangen- schicken. Ach Gottchen.“, ich fasste mir in Bestürzung an die Wange und wurde jedoch sofort wieder ernst „Ihr tut so, als würdet ihr nicht anders handeln. Ich bin was ich bin, ob ihr mich Dämon nennt, Vampir oder sonst was, ich kann nur so existieren. Eine Frage: Wie viele Leben habt ihr schon ausgelöscht? Nicht Menschen, nein, wie viele Tiere? Hasen, Kühe, Rehe, Schweine. Wie viele Pflanzen, Weizen, Gemüse Obst? Ist das alles kein Leben in euren Augen? Ist der Wolf böse nur weil er zum Überleben Jagd? Die Katze, welche sogar aus spaß einer Maus hinter her Jagd, der Mensch, welcher den Fuchs aussetzt nur um ihm hinterher zu jagen, ihn zu erschießen und sich dann mit der Trophäe schmückt?“

Ich wandte mich von ihm ab und schritt zum Fenster, ließ den kühlenden Wind durch mein Haar streichen. Ich atmete einmal tief durch. Die Abendluft, welche all die Düfte der Nacht mir sich trug. Angenehm warm war sie und spielte mit einem Haar. „Verdammt ihr uns für unsere Existenz?“ fragte ich schließlich in die Nacht hinein. Wie würde sich dieser Sterbliche wohl fühlen, wenn auf einmal ein Kaninchen durch die Tür käme und dem Menschen vor sich sagte, es müsse ihn nun umbringen, da er und seines Gleichen Jahr für Jahr Millionen seiner Artgenossen auf dem Gewissen hatte. Er hätte das kleine pelzige Etwas sicher auch nicht ernst genommen, im Verhältnis nahm Kilian sein Gegenüber sogar sehr ernst…

„Und weiterhin, nach 300 Jahren gewöhnt man sich an so manches“

Luc sank auf das Himmelbett, stützte seine Arme auf die Knie und verbarg in ihnen sein Gesicht. Tränen rannen über das Gesicht, fielen auf das am Boden liegende Kreuz. „Macht es überhaupt nicht Sinn, dass ich rede?“, fragte er halb schluchzend den Boden. „Ich kann nicht mehr“ er musste es tatsächlich nicht sagen es war unmöglich es nicht zu spüren, diese totale Resignation mit gegen über. Alles war ihm gleich, ob er versuchte zu fliehen oder anzugreifen oder einfachgleich aufgab, es war doch alles sasselbe.

Und in diesem Moment tat er mir tatsächlich leid. Es war mein Werk, diese Aufgabe, und ich sollte mich darüber freuen. War es nicht mein Ziel gewesen ihn so zu sehen? War es nicht mein Ziel gewesen ihn zu zerstören, seinen Willen zu brechen? Und jetzt so ich so dicht am Ziel war, ganz gebrochen war er noch nicht, irgendwo in ihm war noch ein Funken den ich nicht gelöscht hatte, jetzt tat es mir leid…

„Sprecht oder lasst es sein“, antwortete ich und drehte mich wieder um. „Ich wollte euch im Übrigen nicht zum Mörder abstempeln, ich wollte nur, dass ihr seht, dass ich ebenso wenig einer bin wie ihr es seid. Und wie ich gesagt habe: wenn ihr mit mir redet so verschone ich euer Leben, für heute.“ Was erhoffte ich von diesen Worten? Was erhoffte ich von dieser Lüge? Ich war ein gefühlsloser Killer. Er hatte doch Recht und ich wusste es. Ich hatte so oft nur aus Spaß getötet, und doch machte ich ihn dermaßen fertig… Xavier. Er Hätte das Recht gehabt ihm so etwas zusagen, ihm diese Antwort zu geben. Sein ganzes Leben hatte er nur die Mörder getötet, nur jene die es verdient hatten, oder er hatte die Leidenden erlöst. Niemals Kinder da diese ein Leben vor sich hatten. Niemals unschuldige… doch ich… ich war ganz anders. Ich hatte nicht das Recht so über ihn zu richten. Und doch tat ich es ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

„Vielleicht“, fuhr ich ruhig, ja beinahe freundlich Wort, jedoch ohne eine Funken der Ironie oder Gehässigkeit während ich auf ihn zuschritt und schließlich neben ihm auf dem Himmelbett angekommen war „Vielleicht überdenken wir beide unsere Einstellung noch einmal ehe wir uns das nächste mal treffen Und wenn wir uns dann gegenüberstehen, als Jäger und Gejagter, werden wir weiter sehen“

Plötzlich, ohne dass ich hatte merken können wie und weshalb entflammte der kleine Funke den ich noch nicht ausgetreten hatte erneut. Ein Feuer brannte in dem Jäger, wie ich es zuvor nicht für Möglich gehalten habe „Vielleicht überdenkt Ihr ERUE Meinung“, sagte er, sprang, ob des verletzten Fußen auf, rollte zu Kamin hinüber, griff in die Flammen und zog einen Holzscheit heraus, welchen her mir vor die Füße warf. Ein Schmerzensschrei erfüllte den gesamten Raum, das gesamte Haus. Genauso der Gestank von Qualm der sich wie ein Lauffeuer ausbreitete. Ich saß seelenruhig da und beobachtete ihn. Unter Schmerzen rannte er, so schnell ihn seine Beine eben tragen konnten, hinaus aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, aus meinem Haus. Und ich saß einfach nur da. Schaute zu wie sich die Flammen langsam ausbreiteten, wie zu erst der Teppich und der hölzerne Boden Feuer fingen.
 

Qualm drang durch die Luft, machte sie Zäh und Hart. Ruß der die weißen wände verschmutze, sich an ihnen festhielt, rote Flammen die sich wie Zungen die alles verzehren wollten was sich ihnen in den Weg stellte. Es züngelte und zischte, doch ansonsten Stille die mich umfing. Und dann wurde diese seltsame Stille durchbrochen. Ein Lachen durchdrang sie wie ein scharfes Messer schien es sie zu durchbohren. Mein Lachen durchdrang das Zimmer.

In all dem Qualm und Rauch stand ich, umgeben von Flammen, denen es nur danach dürstete mich mit Haut uns Haaren zu verspeisen, mich aus dieser Welt zu tilgen, einen Fehler der Natur auszulöschen. Ja einen Fehler der Natur, denn der Tot war das einzige bestimmte. Jeder musste sterben doch ich und meines Gleichen betrogen ihn wieder und wieder.

Warum ich lachte? Nun können sie sich nicht diese Frage selber beantworten? Nun gut ich gebe ihnen einen Tipp. 300 Jahre.

Ich hielt mich für übermächtig. Da kam ein 26 Jähriger Jüngling, den ich sogar hätte laufen lassen und maßte es sich an mich mit so einem läppischen Trick vernichten zu wollen. Wirklich, was hätte ich tun sollen als lachen, über diese Naivität die Luc an den Tag gelegt hatte, über dessen Stolz und dessen Dummheit? Ja ich war zu alt, um Angst zu haben und zu Jung um es dabei bewenden zulassen. Ich musste meinen Hohn und meine Überlegenheit zeigen. Durch Lachen und verharren.

Ich würde aus diesem Haus verschwunden sein ehe er meinen Namen auch nur Gedacht hatte. Und das Haus... nun sicher es war Schade drum... vor allem das Piano, ich habe es wirklich sehr gemocht. Ja um das Piano tut es mir heute noch leid, solch wunderbare Handarbeit findet man heutzutage gar nicht mehr, die schwarzen Tasten, der Lack... Doch das Haus an sich und die Besitztümer darin? Was sollte ich noch großartig damit? Ich kann schließlich ohnehin nicht alles behalten was sich im laufe der Jahrhundert angesammelt und meine größten Schätze hatte ich damals noch an einem anderen Ort verwahrt. Ich hatte dieses Haus ohnehin umdekorieren wollen, nun musste ich mir halt ein ganz neues Haus suchen. Es war mir Jacke wie Hose.

„Feuer!! Feuer!!!“ „Schnell holt die Feuerwache!“ „Bildet eine Kette!“ „Der Wind dreht sich, Beeilung oder es geht auf die andere Häuser über!“

Mein Lachen war verstummt, nur noch ein amüsiertes Lächeln während ich den Mantel abstreifte. Schon machten sich die Flammen über ihn her, verzehrten ihn bis nur noch ein Häufchen Asche übrig war. Doch mich tangierte es nicht. Genauso wenig wie mich die Rufe von Draußen interessierten. Noch einen Moment hing ich mit den Gedanken bei Luc während ich bedächtig durch den Raum schritt und schließlich an Fenster stehen blieb, hinaus auf die Straße schaute wo er stand. Das Feuer leuchtete in seinen verängstigten Augen, welche einen Moment auf mir lagen. Fast erleichtert wandte er sich ab. Nun vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, oder meine Erinnerung spielte mir einen Streich, doch ich meine eine Funken Reue in seinem Blick erkannt zuhaben... Dabei war es so unnötig gewesen. Er hatte nicht einmal etwas zu befürchten gehabt. Nur einen Satz und er hätte mein Haus verlassen können. Und nun zerstörte er ein prächtiges Werk Architektur, nicht zu vergessen einen wunderbaren Flügel, für etwas von dem er sich einmal wünschte, dass es geschah. Menschen waren wirklich seltsame Lebewesen.

Mit diesen Gedanken drehte ich mich um, ging ganz gemächlich, ganz so als wären keine Flammen die nach meinen Kleider lechzten um mich, verließ den Raum, durchquerte den Flur und sprang schließlich durch ein Fenster hinaus in den Garten.

Kühle umfing mich als wäre ich gerade in kaltes Wasser gesprungen. Welch eine Befreiung nicht mehr den beißenden Rauch atmen zu müssen. Welch Erleichterung der Hitze entgangen zu sein.

Eine Weile saß ich auf einem der Dächer nicht weit von meinem Haus. Wie prophezeit drehte sich der Wind, blies mir das Haar ins Gesicht und ließ die Flammen tanzen.

Ich atmete tief ein. An mir haftete der Geruch von Flammen, von Rauch, von Tot... mein Geruch. Ja diese Flammen ähnelten mir. Sie waren von grausamer Schönheit, doch nur solange sie zerstörten und wenn nichts mehr zum zerstören da war verloren sie an Glanz bis sie schließlich ganz erloschen.

Ich saß lächelnd da. Ja genau so wie die Flammen über ihren Triumph zu lachen schienen. Doch sie würden erlöschen, das wusste ich.

Lust

Kapitel 22
 

Ich lief eine Weile durch die Straßen.

Warum wusste ich selbst nicht. Eigentlich, ja eigentlich hätte ich mich wohl lieber um einen neuen Sarg kümmern sollen. Oder eine Wohnung. Oder irgendwas, aber irgendwie hatte ich schlicht und einfach keine Lust. Es war diese Typische Einstellung die Jugendliche hatten, wenn es darum ging ihren Eltern bei etwas zu helfen dieses „Ja Mutter, ich mach es nachher“ und es wurde solange vor einem her geschoben bis es zu spät war… Genau dieses Gefühl von Unlust machte sich gerade in mir breit. Ich sollte mich um Papierkram kümmern, schon seid drei Tagen. Ich sollte, ich sollte, ich sollte… aber ich tat es nicht. Warum auch? Was konnte schon geschehen?

Sobald man ungestraft ungehorsam sein kann, kann man es auch Rechtmäßigerweise sein. So sagte es zumindest Galimathias und ich denke dass es damit durchaus Recht hat.

Im Notfall konnte ich mich immer noch einbuddeln oder schnell ein Sarg klauen… wär’ auch kein wirkliches Problem. Also warum die Eile?

Meine Füße in den angesenkten Schuhen, mit dem verkohlten Kleidern, welche mich gar nicht interessierten, trugen mich quer durch Paris, ohne dass eich wirklich darüber nachdachte, wo ich eigentlich hin ging. Ich lief einfach. Lief und genoss es, wie selten zuvor.

All die Leute, die mich seltsam ansahen aufgrund meiner Kleidung, die augenscheinlich eigentlich die eines besser betuchten war, doch nun so alt und zerschlissen wirkten.. und dennoch ging ich an ihnen vorbei, erhobenen Hauptes, als wäre ich in den schönsten Gewändern gekleidet, und ehrfürchtig sahen sie mir schließlich hinterher. Nicht wissend woher diese Ehrfurcht kam, nur, um mich schließlich in ihrem Alltag wieder zu vergessen, als wäre ich nie da gewesen.

Ohne es bemerkt zu haben, ganz in Gedanken versunken, Gedanken über alles Mögliche was ich jedoch sofort wieder vergaß, hatten mich diese verkohlten Schuhe in eines der ärmeren Viertel der gebracht. Lautes Lachen aus den Häuser, Leben wie es die Oberschicht nicht kannte. Wie lange war es schon her dass ich hier gewesen war? Natürlich, erst gestern hatte ich Christine geholt, doch das war nicht ein wirkliches dort gewesen sein. Es war ein Umweg. Jetzt jedoch schenkte ich meiner Umgebung die Aufmerksamkeit die sie verdiente. All die roten Gesichter, hier konnte man sich noch wirklich freuen, über die kleinen Freuden des Lebens, denn nur wer arm war konnte es würdigen etwas zu besitzen. Und irgendwie bewunderte ich dies in jenem Moment an den ärmeren Schichten, welche ich sonst genauso vergaß wie die Menschen um mich herum. Eine Taverne viel in mein Blickfeld. Warum ausgerechnet diese?

Erst nachdem ich mich einpaar Schritte genährt hatte wusste ich es genau. Zwei meiner Art befanden sich dort drin. Es war einfach ihre Geister von den der Angetrunkenen und belustigten Sterblichen zu unterscheiden.

Mit einem Lächeln, dass es nicht nur mich in diese Gegend verschlagen hatte trat ich an die vergilbten Fensterscheiben, um einen Blick hinein zu werfen. Sofort vielen mir die zwei Vampire ins Auge, ein junger Mann an der Theke, mittelanges braunes Haar, stattliche Figur, doch sein Gesicht blieb mir für den Moment verborgen. Und dann einpaar Augen welche ich nie vergessen würde. blau funkelten sie zu ihm herüber, nicht zu mir, nein für mich hatte er keine Augen, nur für jenen Vampir der dort an der Tresen saß. Marek hatte sich also in der vergangenen Nacht einen Schützling zugelegt, wahrlich dem Temperament, den noch nicht ganz strukturierten Gedankenwellen und vergleichsweise niedrigen Energie zu schließen konnte dieser Vampir nicht keine 3 Tage alt sein Wahrscheinlich lernte er gerade seine erste Lektion: Wie man seine Beute anlockt....

Ich sah noch eine Weile durch das Fenster. Der Junge Vampir hatte sich abgewandt, Marek warf mir einen raschen, unmissverständlichen Blick zu. Ich lächelte nur und nickte. Ich wollte nicht stören. Normalerweise wäre dieser Blick wahrscheinlich noch Ansporn gewesen hinein zu gehen und die beiden frisch vertrauten etwas aufzumischen, doch an jenem Tag war ich wohl einfach nicht in der Stimmung für derlei. Alles was ich wollte war etwas Blut und dann, ausnahmsweise, meine Ruhe und etwas Zeit zum nachdenken. Ich wandte mich wieder von der Schenke ab, auch wenn sie eigentlich genau das war, was ich gesucht hatte... Endlich mal wieder richtiges Blut, nicht das ‚blaue’ Blut der Adeligen, welche so einfach zu verführen waren, welche einem doch alles glaubten. Nein ich wollte wieder das rote Blut von jemanden der das Leben kannte und darin bestehen musste und das taten nur die wenigsten Adeligen in ihrer rosaroten Welt, welche aus Festen, Essen und Wein bestand.

Hier waren die Straßen leer und still, anders als im Zentrum wo sich die Oberschicht erst zur Nacht richtig amüsierte und das wahre Leben erst nach Einbruch der Nacht begann. Hier war es auf den Straßen gefährlich, niemand wagte es hinaus zu gehen, sich in die bedrohlichen Schatten welche alles zu verschlingen schienen, als hätten die Bewohner der Häuser Angst die Schatten könnten sie ebenfalls verschlucken wenn sie jetzt heraus kämen.

So war nichts zu vernehmen, außer den Geräuschen der Nacht, welche mich wie ein sanftes Tuch umhüllten, wie sie es schon so oft getan hatten. Langsam und gleichmäßig schritt ich über das Kopfsteinpflaster, gab den Takt für diese mir so vertraute Symphonie an. Das Orchester war der Wind, war das Atmen der schlafenden, war die Katze die auf samtenen Pfoten der Ratte hinterher jagte, war das Bellen eine Hundes in der Ferne und der Hauch von Musik auf einem der Theater und schließlich...

„Ganz schön mutig“ ertönte eine tiefe rauchige Stimme hinter mir. Ich drehte mich nicht um, ging einfach weitert „hast du nicht gehört?“ ein Klinge an meinem Rücken. Zu dumm das ich nicht einfach irgendein Adeliger war der gerade sein Heim verloren hatte, sonst wäre dieser kleine Ganove wahrscheinlich um einiges reicher geworden. Doch mich kümmerte es nicht. Ich ignorierte den Mann hinter mir noch immer. Und was mir gefiel, ich spürte den Zorn und die Verwirrung in diesem Sterblichen wachsen „Geld oder Leben du...“ Keine Reaktion und dann ein Stich. Ich rollte mit den Augen und drehte mich um „Ich bin gespannt, nach dem du mich umgebracht hast, was tust du wohl als nächstes“

Erst jetzt sah ich mein Gegenüber an. Ein nicht unbedingt Muskulöser Mann Mitte 40, einige Narben die sein Gesicht, welches wohl recht ansehnlich gewesen wäre, entstellten. Die Nussbraunen Augen waren in entsetzen auf gerissen, das Messer an welchem mein Blut klebte fiel klirrend zu Boden. „W-was … bist du?“ stotterte er und wich einen Schritt zu rück „Ich? Ich bin der Tot, und ich bin gekommen um dich zu holen“ erwiderte ich ruhig und schritt auf den Dieb zu „Nein“ brachte dieser nach einer längeren Stille heraus und zog ein weiteres Messer aus dem alten, vergilbten Gürtel. „Keine Angst, es tut nicht weh“ Das blonde Haar wehte sanft nach rechts, als der Wind sich erneut drehte und gerade jetzt, mit den verkohlten schwarzen Kleidern, mit den angerissenen Hosenbeinen und der Blut getränktem Hemd schien es dem Dieb tatsächlich so, als wäre die einzige Erklärung tatsächlich, dass es der Tot persönlich war, der kam um ihn zuholen. Wer sonst konnte so kalt, so grausam und zu gleich so schön sein?

Doch würde er sich ihm nicht ohne Kampf ergeben, schließlich wartete eine Verlobte daheim auf ihn, er musste zu ihr zurück. „Wenn du wünscht wird sie dir folgen“ Seine Stimme hatte den kleinen Ganoven schon längst verlassen und so schüttelte er den Kopf. Nie, nicht sie. Vorher würde er dieses Etwas dieses Monster, das da vor ihm stand umbringen. Mit verbissenem Gesicht, Zorn und Angst in den braunen Augen funkelnd setzte er zur Attacke an. Genau was ich hatte sehen wollen, und genau was ich erwartet hatte. Ich ergriff den Arm des Mannes und drückte zu. Ein Knacken war zu Hören, dann der Aufschrei des Schmerzes. Doch trotz alle dem stach er erneut zu „Mich kannst du nicht töten“ flüsterte ich ihm ins Ohr. „Denn ich bin die letzte Instanz. Ich kann nicht sterben, im Gegensatz zu dir. Und jetzt ist deine Zeit gekommen, du weißt es. Warum das unvermeidbare hinaus zögern? Was hast du schon zu verlieren? Deine Verlobte, welche dich doch hinter deinem Rücken betrügt? Deine Arbeit, welche dir diese Narben verschafft hat?“ meine kalten, weißen Finger strichen über das Gesicht des Mannes, dieser schwieg.

Es mochte ja stimmen, er hatte nichts, aber er hatte noch sein Leben, und die Hoffnung, dass es besser würde! Er würde nicht einfach aufgeben, so viel stand fest. „Gut, ich hatte nichts anderes erwartet“

Das letzte was er sah waren leuchtend blaue Augen. Das letzte was er roch war der stechende Geruch von verbranntem, das letzte was er spürte waren zwei Stiche in seinem Hals und dann war da etwas… ein Trommeln das letzte was er hörte, „nein“ keuchte er, obwohl er noch nie so glücklich gewesen war. Ein himmlisches Gefühl, das Gefühl einfach frei zu sein, sich um nichts kümmern zu müssen und Wollust, welche durch seine Venen floss „NEIN“ schrie er, obwohl im sein Körper immer wieder Ja sagte.

Eine Leiche mehr in Paris. Noch ein armer Penner mehr der es nicht geschafft hatte. Niemand würde um ihn trauern, eine verlorene, Namenlose Seele. Einer von vielen die heute ihr Leben hatten geben müssen. Die einen aus Krankheit, andere aus Hunger und wieder andere durch Mörder. Er hatte immerhin einen schönen Tot gehabt.

Ich sah auf die Leiche hinab... und irgendwie durchfloss mich nicht die gewohnte Genugtuung die ich sonst nach meinen Streifzügen verspürte. Es war nicht etwa so als habe ich mit diesem Mann Mitleid gehabt. Im Gegenteil ich hatte ihm noch einen Gefallen getan. In seiner Körperlichen Verfassung wäre er früher oder später selber Opfer eines Räubers geworden, oder an einer Krankheit verreckt. Der Tot hätte ihn zu sich genommen ich schenkte ihm noch einen letzten Moment des Lebens... dennoch... auch wenn ich das dachte, auch wenn ich dieses Wissen, diese Gewissheit in mir trug war etwas anders als sonst.

Was sollte ich mir darum Gedanken machen? Ich seufzte einmal auf und wandte mich ab, verließ langsamen Schrittes die Gassen, die Straße, das Viertel und diese mir fremd gewordene Welt.

Wirklich was sollte ich über diesen Toten mehr nachdenken als über all die Hunderten zuvor? Ich hatte wirklich andere Sorgen. Zum Beispielt hatte ich kein Zuhause, keine Sarg und am wichtigsten: Mein wunderbarer Flügel war hinüber! Des Weiteren würde bald schon der Tag anbrechen und so würde ich als Häufchen Asche zwar meinem Piano Gesellschaft leisten, doch war dies wirklich nicht was ich vorhatte. Nein noch gab es zuviel zu erleben und zu sehen bevor ich dem Piano Gesellschaft leisten wollte.

Nun wo ich darüber nachdachte... wofür brauchte ich eigentlich ein Haus in Paris?

Es machte nur Scherereien, man musste es einrichten, sich um Papierkram kümmern... die eigene Freiheit litt sehr unter einem solchen Besitz. Ich beschloss also vorerst ein Hotel zu beziehen, schließlich wusste ich ohnehin nicht genau wie lange es mich in Paris noch halten würde. Wie lange ich Christines Licht und Christian Dunkelheit ertragen würde. Wie lange ich meine Maskerade tragen konnte. Und wäre es nicht sogar besser es bei dieser Romanze zu belassen, so dass sie auf ewig den Funken den ich ihr schenkte mit sich tragen konnte?

Und ich konnte mich ohne Probleme durch Hilfe meines Reichtums für die nächsten hundert Jahre im teuersten Hotel der Stadt einquartieren, sogar die Zimmer nach meinem Geschmack einrichten, wenn es mir beliebte. Zufrieden mit dieser plötzlichen Idee lächelte ich wieder wie gewohnt. „Fehlt nur noch die passende Garderobe“ summte ich leise während ich die Hauptstraßen wieder zufinden versuchte, um von dort einen Schneider ausfindig zumachen.
 

„Was kann ich für sie tun… Oh, Monsieur, das werden wie sofort haben.“

Ich stand in einer Schneiderei knappe 2 Kilometer von meinem vorigen Standort in den Slums von Paris entfernt. Ja, der dickliche Mann mit dem fettigen schwarzen Haar und den gierigen grauen Augen hatte vollkommen Recht. Der in angekokelten Kleidern gekleidete Mann vor ihm war ein Adeliger und er hatte Geld was zu dem Schluss führte dass man ihn gut behandeln sollte.

„Was kann ich ihnen bringen?“ „Etwas elegantes, blau oder rot, mir egal, Hauptsache schnell, dann möchte ich noch drei weitere Anzüge bestellen“ Sofort Monsieur“ der Mann verbeugte sich und verschwand durch eine Tür „Babette“ hörte man nur noch und dann schlug die Tür zu.

Alleine stand ich für einen etwas längeren Augenblick in dem Raum. Viele Tücher, Mäntel, Kleider, Röcke und Hosen hangen aus. Einige einfache, einige mit wunderbaren Goldstickereien, manche bemalt und andere noch nicht ganz fertig genäht.

Mir viel auf wie zauberhaft es aussah, wenn man den Stoff berührte und er sich zu bewegen begann, als handele es sich um festes Wasser... Ich erinnerte mich solche Gedanken schon einmal gehabt zu haben, vorlanger, langer Zeit...

Ich muss sehr in Gedanken gewesen sein, zumal mich das plötzliche, entschuldigende Räuspern der Schneiderin mich aufschrecken ließ.

Schnell wandte ich mich um und sah eine junge Frau, ja fast noch ein Kind, sogar jünger noch als Christine, wenn auch nicht viel. Sie war robust gebaut, man sah, dass sie hart zuarbeiten hatte. Ihr Gesicht war ein wenig kantig, und trotz des jungen Alters zeichneten sich schon die ersten Falten der Sorge in ihrem Gesicht ab. Sie war nicht zart wie eine Blume, eher solide wie ein Pilz, jedoch nicht unschön anzusehen. Rotblondes Haar war hinten zu einem Dutt gebunden, grüne Augen mit einem leichten Braunstich begutachteten mich mit scheuer Zurückhaltung. Sicher hatte der Herr des Hauses ihr eingebläut nichts Falsches zu tun oder zu sagen. Kaum bemerkte sie meinen Blick schaute sie betroffen zu Boden, als fürchte sich mich mit ihrem Blick zu verscheuchen.

„Excusé moi Monsieur“ stammelte sie ohne mich dabei anzusehen „aber.. wir können mit dem Maßnehmen beginnen“ Ich nickte, lächelte sie dabei freundlich an und ging auf sie zu „Dann sollten wir beginnen Babette“ sie errötete, ich musste nicht einmal hinsehen um es zu wissen. Ich hörte ihren Herzschlag. „Merci Monsieur“ erwiderte sie kleinlaut „Wenn sie mir folgen würden...“ „Nichts täte ich lieber als das, Madame... oder habe ich es gar noch mit einer Mademoiselle zu tun?“

Im ersten Moment blieb das Mädchen vor Schreck über meine Frage stehen „Oh verzeiht... ich ... ich bin noch unverheiratet Monsieur“ ohne mich anzusehen, ganz im Gegenteil, mit jedem Wort das ich sprach beharrlicher zu Boden starrend setzte sie ihren Weg fort, bis wir in einem andere kleinen Stübchen ankamen „Dabei seid ihr von solch holden Liebreiz, dass es mich wundert, das sich noch nicht ganz Paris um euch zerstritten hat“ ein Lächeln überflog ihr junges Gesicht „W-wenn ihr bitte hierauf steigen würden Monsieur“ „Wenn ihr es mit befielt princesse so werde ich es tun“

Ich stieg auf den kleinen Schemel, während sie ihr Band aus rollte und begann Maße zu nehmen. Ihre Hände zitterten dabei leicht, mochte es ob der Angst sein einen Fehler zu begehen, oder der Aufregung mit einem Mann wie mir alleine in einem Raum zu sein...

Ich ergriff ihre Hand, unweigerlich sah sie auf, blickte direkt in meine Augen, welche sie zuvor immer vermieden hatte, und nun wusste sie auch warum.

Ihr Blick wurde glasig, sie ließ das Messband fall, sah mich nur noch an, als wäre ich ein Traum den sie festzuhalten wünschte. Ihr Herschlug, ließ das schmackhafte Blut in ihren Adern Pulsieren. Sie spürte meine kalten, weichen Finger auf ihrer erröteten Wange, sah meinte blauen Augen und sonst gab es keine Welt mehr für sie. Ich jedoch sah sie nicht, spürte sie nicht. Sie war irgendwer. Nichts Besonderes war an ihr, nichts Außergewöhnliches. Sicher, sie arbeitete hart, vielleicht hatte sie eine kranke Großmutter die sie durch füttern musste, vielleicht waren ihre Eltern gar gestorben und sie musste für sich und ihre Geschwister Sorgen, wer wusste es schon? Möglicherweise war sie von –Zuhause davon gelaufen, oder ihr Vater trank und verschleuderte so das hart verdiente Geld. Mir war es gleich. Es waren doch immer dieselben Geschichten. Nein das einzige was ich in jenem Moment sah war die Pulsschlagader an ihre Hals, welche mit jedem Herzschlag pulsierte.

„Monsieur“ murmelte sie. So dicht war ich dran. Ich wusste, dass die Maße schon genommen waren. Ich wusste dass ich es tun konnte und unbehelligt gehen konnte, als wäre nichts gewesen... ich wusste es und doch „Ich werde Morgen meine Garderobe abholen kommen“

Mit diesen Worten Stieg ich vom Schemel ab, bezahlte einen Anzug, eine wunderbaren Roten Satinanzug, ein goldenes Muster war auf dem feingearbeiteten Stoffgestickt, goldene Manschetten Knöpfe welche in der Mitte mit Feueronyxen bestückt waren glänzten prachtvoll hervor, und ging. Ja, dies war meine Kleidung meine Welt…

Grünbraune Augen folgten mir während ich die Straße hinunter ging. Warum hatte ich sie nicht getötet... diese Frage stellte ich mir nur einmal, danach nie wieder. Bis heute.

Ich sagte mir damals, dass ich einfach satt war, dass ich nicht unnötig Probleme haben wollte, dass ich einfach ein Hotelzimmer aufsuchen und schlafen wollte. Nicht mehr und nicht weniger. Doch heute... heute glaube ich beinahe, dass etwas mehr dahinter gesteckt haben könnte...
 

„La soleil“ das damals größte Hotel von ganz Paris, und vor allem das Luxuriöseste. Das Beste erschien mir in jenen Tagen gerade gut genug für mich, und selbst zur heutigen Zeit muss ich beteuern, dass ich wohl einen Hang zur Extravaganz pflege.

Eine strahlende Sonne war Symbol des Hotels. Sein Leiter war Marc du Campsillette. Es gab einige Gerüchte über ihn und gewisse Vergangenheiten mit gewissen Damen, welche angeblich nicht wenig zur Anhäufung seines Vermögens und Besitzes beigetragen haben sollen. Auf diese werde ich jedoch leider nicht mehr eingehen können, obgleich einige höchst delikate und amüsante Geschichten dabei waren.

Doch nun zurück zu meinem neuen Heim dessen Beschreibung ich hier kurz halten wollte.

Gold war freilich die Leitfarbe des ganzen. Die Geländer der Treppen waren vergoldet, ebenso die Absetzte. In der halle an der Ostseite war ein großes Goldnes Mosaik, in jedem Raum war ein goldenes Kreuz zufinden, und nicht zu vergessen die goldenen Türknäufe. Die Zweite Titelfarbe war ohne Frage rot. Ein auffälliger roter Teppich, welcher sich über Flure und Halle, wie auch Esssaal erstreckte. Rot die Vorhänge, weiß jedoch die Tischdecken. Die Wände oft in einem samten Gelb gehalten. Die Räume an sich waren freilich unterschiedlich gehalten, so dass ein jeder Fürst sich seinen persönlichen Favoriten aussuchen konnte.

Ich bevorzugte etwas weniger pompöses, schlichtes Blau und weiß, mit einigen Versilberungen. Schlichte Eleganz war schon immer eher mein Stil als dieses dermaßen pompös und aufgeplusterte.

Ohne Probleme kriegte ich was ich verlangte und stand bald in meinem eigenen Zimmer. Wie befohlen wurden sämtliche Fenster verriegelt und Vorhänge zugezogen. Ich hatte einen Raum an der Nordseite verlangt und gekriegt, die dicksten Vorhänge wurden noch an diesem Abend angebracht und die Order an alle Bediensteten nicht hinein zu kommen und auch niemanden bei Tage hinein gehen zu lassen, egal was auch der Grund sein mochte. Nun wurde mir nur noch ein kleiner vergoldeter Schlüssel, mit dem Symbol einer Sonne darauf zu erkennen, ausgehändigt und man ließ mich in meinem Zimmer zu Ruhe kommen, gerade rechtzeitig, um die ersten Strahlen der Sonne auszusperren.

Für diesen Tag legte ich mich auf das weiche Himmelbett. Wie angenehm weich es doch war, und diese Beinfreiheit. Im Übrigen schlafe ich auch heutzutage eher in einem abgedunkelten Raum auf einem Bett statt in den engen Särgen. Auch wenn diese sicher alles andere als unkomfortabel und wahrscheinlich 100-mal so Stil voll sind.

Die Wahrheit

Kapitel 23
 

Ein ruhiger Tag verstrich, nichts was mich behelligt hätte, keine Träumer oder Sonnenstrahlen, genauso wenig unliebsame Besucher.

Als ich aufstand fand der sein Raum genau so wie ich ihn am Morgen zuvor vorgefunden hatte. Man hatte also meine Wünsche respektiert. Das Fenster wurde geöffnet, um eine frische Abendbrise in das Zimmer zu lassen. Ein herrlicher Abend. Ja, ich freute sich geradezu darauf diesen Abend auszukosten... doch sicher würde es aufsehen um mein ehemaliges Haus geben... vor allem bei denjenigen die mich besuchen wollten. An wen ich dabei dachte sollte jedem Leser inzwischen klar sein. Es kannten nur zwei Menschen meinen Wohnort.

Der eine war Luc, welcher nach dem gestrigen Vorfall sich sicher erstmal nicht blicken lassen würde und die andere war natürlich Christine, welche nun einen Tag mit ihren Bruder hatte verbringen dürfen und sicher kommen würde, um mir die geliehenen Kleidungsstücke zurück zugeben.
 

Und tatsächlich, kaum war ich in die Avenue-Phosphoyer eingebogen sah ich sie auch schon. Sie stand da, in ihrem weißen Kleid, die Hände in Bestürzung von dem Mund, die blauen Augen weit aufgerissen und mit einem Ausdruck der Ungläubigkeit und Verzweiflung auf die Trümmer starrend.

Einen kurzen Moment hielt ich inne. Xavier hatte mir einst von unwiderruflichen Bildern erzählt, Szenen, die er nie vergessen würde. Dieses war sicher eine aus meinem Leben. Vor allem wie sie sich umdrehte, als ich sanft ihren Namen aussprach. Wie sie mich, die unterdrückten Tränen ausbrechend ansah und ohne darüber nachzudenken, um den Hals fiel. Einfach aus der Erleichterung heraus, mich lebendig zu wissen.

Schließlich sah sie wieder auf und lächelte mich an „Sie haben wirklich ein Talent für unerwartete Überraschungen, Monsieur“

Noch begriff sie nicht ganz was sie eigentlich getan hatte, mir einfach um den Hals zufallen schien gar nicht ihre Art. Erst jetzt errötete sie und ging einen Schritt nach hinten „Verzeiht meine…“ „Ihr müsst euch für nichts entschuldigen“, unterbrach ich sie „Ich habe mich zu entschuldigen euch Sorgen bereitet und zum weinen gebracht zu haben“ vorsichtig streckte ich den Arm aus, fing mit meinem Finger eine der salzigen Tränen auf, gab ihr danach galant einen Handkuss, wie es sich für eine formelle Begrüßung geziemte.

„Nicht doch, ihr hattet den letzten Tag bestimmt genug zu tun auch ohne eine Nachricht an mich zu schicken... immerhin... na ja, immerhin ist euer Haus... abgebrannt. Ein Glück das ihr nicht im Haus gewesen, als es passierte.“

Plötzlich machte sie eine Pause, sah mich fast bestürzt an während sie ihren Gedanken nach ging und je weiter sie diesen verfolgte umso betroffener schaute sie. Ich ahnte worum sich ihre Gedanken drehten, welcher Natur ihre Befürchtungen waren...

„Monsieur...

was habt ihr denn vor jetzt zu tun? Also... jetzt wo Euer Haus... nicht mehr wirklich bewohnbar ist?“ „Ich bin sicher nach all der Zeit nicht nach Paris gekommen, um es nach nicht einmal einer Woche zu verlassen“, antwortete ich ruhig „Momentan residiere ich in einem Hotel, bis ich ein Haus finde und es eingerichtet habe, was sicher einen Monat in Anspruch nehmen wird“

Bei diesen Worten verschwand die Sorgen aus ihrem Gesicht wurde durch ein erleichtertes Strahlen ersetzt. Und ich war erleichtert dieses unbekümmerte Lächeln auf ihrem Gesicht wieder sehen zu können, denn für mich war dieses Lächeln von ihr etwas ganz besonderes.

Sie sollte sich nicht sorgen. Freude war das Gefühl, welches zu ihr gehören sollte, denn ihre Freude war ein so unbändiges Leuchtfeuer, so wie ihre Trauer ein tiefes schwarzes Meer war. Sie allein vermochte, schließlich nur durch ihre Anwesenheit, die Stimmung der Menschen zu beeinflussen, ob bewusst oder unbewusst. War sie traurig so herrschte eine seltsame bedrückte Stimmung, doch lachte sie, freute sie sich ihres Lebens so schien die ganze Welt ein freundlicherer Platz zu sein. Diese Eigenschaft liebte ich an ihr, sie erhellte meine Nacht mit ihrem Lachen, gleich einer Kerze in einem Raum, doch hauchte der Wind, stürmte der Regen um sie herum. Ich wollte das Glas sein, das sie vor den Gefahren zu schützen vermochte, wollte das Streichholz sein, das sie wieder anzündete, wenn sie erlosch…

Keinen Gedanken an mein Geheimnis, oder was passieren würde wenn sie es erfuhr. Ich war ein Vampir. Daran gab es keinen Zweifel, genauso wenig daran, dass ein ebensolcher ihre Familie ausgelöscht hatte. Ich hätte es sein können, ja ich hätte es gewesen sein können. Ein kaltherziger Vampir, der die Eltern zweier Kinder umbringt, nur, um vielleicht zu sehen, was diese Kinder taten, wie sie empfanden und sie schließlich alleine zu lassen.

Es hätte zu mir gepasst, auf eine gewisse Art. Änderte es etwas, dass ich es nicht gewesen war?

Zum ersten Mal dachte ich ernsthaft daran es ihr zusagen. Zum ersten Mal erwog ich ernsthaft ihr alles zu sagen, über mich, über das was ich jede Nacht tat... über alles eben. Ich wollte, dass sie mich liebte. Mich. Kilian den Vampiren, nicht irgendeinen Sterblichen Gentillehomme der zufällig nett zu ihr war, sondern als das was ich war.

Und doch sagte ich es nicht. Nicht für mich, nicht weil sie mich dann verachten könnte. Nein für sie. Aus Sorge sie, nach diesem kurzen Moment des Glückes, wieder so zu enttäuschen.

„Doch jetzt dachte ich erst daran die Sorgen der letzten Nacht hinter mir zu lassen und Paris zu genießen“, ich sagte es halb ihr, halb mir selber, als wolle ich mich, nach diesem traurigen Gedanken wieder an einem Seil der Zuversicht festhalten. „und in Gesellschaft wird dies sicher umso einfacher, vor allem in solch angenehmer wie der Euren, Mademoiselle“

Ich nahm sie bei der Hand, legte ihr zärtlich meinen Arm um ihr feingliedrigen Schultern. „Ich bin wirklich froh euch heute hier zu treffen“

Sie nickte. „Das freut mich Monsieur. Ich wollte Euch ja nicht stören, oder so. Und eigentlich kam ich ja auch nur, um euch den Mantel...den Mantel Eurer Mutter wieder zu bringen“

Ich spürte das Gewicht ihres Kopfes an meiner Schulter, das wallende Haar an einem Rücken. Einer Katze gleich schmiegte sie sich an mich, genoss meine Nähe, so wie ich ihre Genoss.

Wir wussten beide, dass sie log, dass es nur ein Vorwand war, um mich zu besuchen, ohne ein schlechtes Gewissen vor Christian haben zumüssen. Doch was machte es schon, solange wir nur zusammen sein konnten? Sollte Christine doch an ihre kleine Lüge an die sie sich klammerte glauben, ich klammerte mich doch genauso an die meine.

Hatte es wirklich gestimmt was Xavier mir mit auf den Weg gegeben hatte? War ich kalt geworden im laufe der Zeit? Hatte ich es verlernt mich wirklich zu freuen und wirklich zu ärgern?

Ach was. Absurd. Und selbst wenn brachte Grübeln momentan auch nichts. Das Leben, ihr Leben war zu kurz, um es mit solchen Gedanken zu vergeuden. Ich lebte Ewig, ich hatte auch später Zeit über mein eigenes rätselhaftes Wesen und dessen Veränderung zu philosophieren. Ich lebte nun einmal in den Tag, oder in meinem Fall wohl eher in die Nacht hinein. Jede Nacht, ja jede Stunde und Sekunde versuchte ich in vollen Zügen auszukosten, und der Wein des Lebens würde niemals zu sprudeln aufhören. Nicht für mich jedenfalls, denn ich bin ein Kind der Nacht.

„Nur wegen diesem Mantel einen solchen Weg auf euch zu nehmen.“, ich lächelte „Was soll ich schon mit ihm? Er hängt doch nur im Schrank und wird von Motten zerfressen. Behaltet ihn ruhig, so weiß ich wenigstens, dass er in guten Händen ist. Doch nun zu anderen Dingen. Was wünscht ihr diese Nacht zu unternehmen. Ihr scheint ja, obwohl ihr Einheimisch seid, recht wenig dieser atemberaubenden Stadt zu kennen. Zumindest der schönsten Plätze dieser Stadt… scheint ihr noch bewundert zu haben.“

„Hm... na ja ich dachte ihr wolltet ihn gerne wieder haben. Immerhin gehörte er Eurer Mutter und...“ einen Augenblick hing sie mir unbekannten Gedanken hinter her, sah auf den weißen Stoff zu ihren Füßen, dann zu mir. Einen Moment war ich besorgt etwas gesagt zu haben was sie beunruhigt, oder gar an etwas Schreckliches erinnert haben konnte. Doch mit dem plötzlichen Lächeln, welches sich nun wieder auf ihrem Antlitz spiegelte, waren diese Gedanken wie weggewischt. Sie bückte sich, hob den Mantel auf und warf ihn sich um die Schultern. Anscheinend hatte sie es endlich verstanden, dass sie sich nicht für jede Gefälligkeit meinerseits zu schämen und die erst einmal abzuweisen brauchte, ehe sie, sie annahm. Endlich sah sie mich als Freund der ihr einfach eine Freude bereiten wollte, nicht als Adeligen der über ihr stand und Almosen verteilte.

„Nein, viel gesehen habe ich von Paris tatsächlich nicht. Auch weiß ich nicht viel über die Schönheit dieser Stadt. Doch der Friedhof von Montmatre soll besonders schön sein, nicht?“

Montmartre, einer der drei schönsten Friedhöfe in Paris, direkt nach Les innocents, welcher sich auf einem Marktplatz in der Innenstadt befand und Pére-lachaise etwas außerhalb von Paris.

Doch das ausgerechnet Christine einen Spaziergang, bei Nacht, auf einem Friedhof vorschlug… Ich mied diese meistens, da es immer nach Verwesung und Tod roch… es amüsierte mich jedoch zugleich, da mich dieses Schicksal niemals heimsuchen würde. Niemals würde mein Körper von Maden zerfressen werden, von Insekten vertilg und irgendwann zu Erde, zu Staub werden.

Einmal hatte ich es probiert und mich für eine Woche in einem Friedhof eingegraben, damals war ich noch recht jung. Es war nur kurz nachdem Xavier mich verlassen hatte. Nun nach der Woche hatte ich wirklich genug von der feuchten Grabes Erste und all dem Gewürm in dem ich lag und so hatte ich beschlossen diesem Job doch den Professionellen Toten zu überlassen.

„Montmartre also erneut… ich hatte erwartet ihr würdet etwas wie das Theater oder die Kirchen vorschlagen, doch sicher ist auch der Cimitér Montmartre einen Besuch wert.“

Zwei Vampire näherten sich unserem Aufenthalts ort. Marek und sein Schützling wie ich schnell merkte. Nein, nachdem ich die beiden am Abend zuvor nicht gestört hatte konnte ich gut auf eine Störung von ihnen verzichten. Ich drehte mich also gemeinsam mit Christine um und ging die Straße entlang, entfernte mich allmählich von den beiden Gestalten, die nun vor den Überresten meines Hauses standen und sich fragten, welchem armen Tropf dieses Wrack wohl gehört haben mochte.

Ich führte sie fort, drehte sie fort von Marek „Es gibt einige Legenden über den Friedhof“ begann ich während wir gemächlich durch die Straßen wanderten, welche, je weiter wir kamen weniger belebt waren. Der Friedhof war einpaar hundert Meter entfernt, gerade mal eine halbe Stunde zu Fuß.

„Legenden?“, fragte sie interessiert, lächelte dabei jedoch, als würde sie nach der Gutenachtgeschichte eines Kindes fragen.

Schließlich erreichten sie das schwere Eisentor… Dunkel war es, Nebel war aufgezogen, nach dem heißen Tag, welcher soviel Wasser hatte verdampfen lassen waren die Wolken auf die Erde gekommen. Ein unheimliches Ambiente für einen Spaziergang in Paris, auf dem Cimitére Montmartre…

„Geister, Rastlose Seelen sollen hier Hausen… jede Statue schützt sie oder kettet sie an sich…“ Das rostige Tor quietschte, als ich es öffnete. Kleine Totenlichter, welche den Seelen den Weg in ihre Heimat zeigen sollten waren aufgestellt, leuchteten wie Irrlichter aus dem Nebel hervor. Kaum ein Geräusch war zu vernehmen, sodass meine Stimme, abgedunkelt durch den dicken Nebel, fast das einzige war, was zu vernehmen war.

Das Gelände auf dem wir uns befanden war riesig, fast eine kleine Stadt für sich, gegliedert in Straßen und Gassen. Es gab normale Gräber, ohne oder mit Kreuzen, es gab Büsten für Dichter und Künstler, welche bevorzugt auf diesem Friedhof ruhten, und natürlich die Familiengruften, welche wie imposante Häuser aus dem Nebel hervorragten. Manche Toten hausten besser, als viele Sterbliche es je würden.

„Gefallene Generäle, verstorbene Kinder und Frauen… Millionen von Geschichten, jedes Grab hat seine eigene“, erzählte ich versonnen, während wir an den Gruften und Steinen vorbei gingen „Sagt, glaubt ihr an solch ruhelosen Seelen die auf Erden wandeln, Nacht für Nacht, die nicht Leben aber auch nicht sterben?“ Irgendwo schrie eine Eule, ließ Christine etwas zusammen zucken „Ob ich an sie glaube?“

Sie überlegte einen Moment, sah mich dann ernst an und nickte „Natürlich... ja, natürlich gibt es diese Seelen. Sie sind an diese Welt gefesselt und können nicht zur Ruhe kommen. Müssen umherwandern, ruhelos, für die Ewigkeit und ohne Ziel vor Augen.

Ich bin mir sicher das es sie gibt, zumal der Mörder meiner Eltern... nun ja...zumindest so was ähnliches gewesen ist.

Ich glaube an sie, und mein Gott... ich wünsche ihnen Ruhe. Sie tun mir Leid, ich finde es schrecklich was sie ertragen müssen. Ich wünschte ihnen nichts mehr, als dass sie in Frieden sterben können und ihre Ruhe finden...“ Nach dieser doch recht schnellen Antwort errötete sie, sah beschäm zu Boden „Tut mir Leid. Ihr haltet mich jetzt wohl für vollkommen verrückt“, nuschelte sie verlegen.

Mit so einer Antwort hatte ich halb gerechnet und halb überraschte sie mich. Hätte ich Christian dieselbe Frage gestellt, unter der Annahme, dass dieser mir nicht gleich an den Hals gefallen wäre und versucht hätte mich zu ermorden, so hätte seine Antwort sicher anders ausgesehen… ganz anders. Er hätte mit einem sicheren ‚Ja’ geantwortet, hätte mich finster und zornig angesehen ‚Und ich würde sagen es geschieht ihnen recht, wenn, doch noch rechter würde es ihnen geschehen landeten sie in der Hölle, würden dort ihr Leben fristen, als uns in dieser Welt zu belästigen’, oder etwas in der Art. Vielleicht hätte er auch der Vermutung widersprochen hätte gesagt ‚Nein, keine Rastlosen Wesen, das hört sich ja an, als müssten sie einem Leid tun. Mörder, solche die es eigentlich nicht verdient haben bemitleidet zu werden. Dämonen, die gibt es’

„Und was, wenn diese Wesen gar nicht ruhen wollen?“, fragte ich schließlich weiter, als wir unter einer der Laternen durch in die nächste kleine Straße vorbei an einer imposanten Gruft gingen „Was, wenn es ihnen gefällt weiter auf Erden zu wandeln, auch wenn sie hier nicht her gehören?“

Ich sah sie nicht an. Brachte es einfach nicht übers Herz, oder war es gar Furcht? Furcht, dass sie meine Maskerade durchschaute? Aber warum stellte ich ihr dann diese Fragen?

Mir selbst hatte ich diese Fragen doch auch nie gestellt, und auch damals begann ich nicht eine eigene Antwort zu ersinnen. Ich wollte nur ihre hören und sonst keine.

„Das versteh ich nicht. Wieso sollten sie das denn wollen?“ Offensichtlich schien ihr diese Vorstellung völlig neu und gleichzeitig unverständlich. Sie dachte eine Weile nach, als eine Eule erneut mit ihrem nächtlichen Ruf die Stille durchbrach. Unwillkürlich zuckte Christine zusammen, hielt meine Hand noch fester, wie eine Sterbliche eben.

Als die Eule erneut aufschrie, sie wieder zusammen zucken ließ musste ich lächeln. Zwar schien sie nicht wirklich Angst zu haben, in dieser Stadt der Toten, in der es nichts lebendes außer ihr selbst und dieser Eule gab, in der die Zeit stehen geblieben zu sein schien, doch schreckte sie zusammen, wie jeder Sterbliche. Das machte das ganze irgendwie erträglicher. Der Gestank von Fäule, von Tot und Moder lag in der Luft, vermischte sich mit dem nassen Hauch der Nebels und drang in meine Nase. Ekelig, allein schon der Gedanke, dass hier unter unseren Füßen Leichen lagen, Skelette und halb verweste in deren Gedärme Insekten liefen, Würmer und Maden sich an den Sterblichen Überresten zuschaffen machten und sie wanderten seelenruhig über diese Gebeine hinweg, unterhielten sich über Geister und Dämonen.

Manch einem Pfarrer hätte sich der Magen umgedreht, so respektlos über die Toten zu denken. Doch warum sollte ich zögern, ich der ich selbst zu ihnen gehören sollte. Ich, der unsterbliche Engel des Todes der zuwider Gottes handelte und den Tod betrogen hatte. Und der einzige Grund für diese Stadt der Toten war, dass Menschen sie brauchten. Die Toten scherten sich weder darum, dass ich diese Gedanken hatte, noch dass ein Pfarrer sie ehrte, oder ein Verwandter um sie trauerte. Tote waren tot. Ende der Geschichte.

Nein, Gräber waren nicht für die Verstorbenen, sie waren für die Lebenden. Die schwachen Lebenden, die sich verzweifelt an einen Stein mit einem Namen darauf klammerten, weil sie sonst nichts hatte, aber doch etwas brauchten.

„Wieso sollte es ihnen gefallen umringt von jenen zu sein die sie verlassen haben? Ich finde sie Vorstellung schrecklich... direkt neben den Menschen zu sein die ich geliebt habe... und sie doch nicht erreichen zu können. Wie schmerzhaft muss das sein? So sehr sie auch versuchen die Lebenden zu imitieren, sie werden nie wirklich zu uns gehören. Was also könnte solch arme Seelen noch in dieser Welt halten? Was...würde ein solches „Leben“ denn lebenswert machen?“

Ihre Stimme riss mich aus diesen unsinnigen Gedanken. Ja, unsinnig, denn die Toten interessierte es ja nicht. Sollten die Menschen doch weiter diesem Irrglauben nachhängen, wen interessierte es schon?

Ich konnte einfach nicht anders als zulachen.

"Nun, man gehört doch nicht mehr zu den Sterblichen. Ich meine, vielleicht hat man sich dann doch einfach von der Vorstellung gelöst zu ihnen zu gehören. Oder... oder man hat halt nie zu ihnen gehört. Wieso sollte es einem dann schwer fallen? Vielleicht beobachten sie ja auch, machen sich über die Menschen lustig, die immer weiter leben und dieselben Fehler begehen, die sie in ihrem Leben einst begangen hatten. Möglicherweise unterscheiden sie sich in ihrer Art einfach den Menschen, oder sie vergessen einfach wie es als Mensch war und vermissen es darum nicht. Vielleicht macht es ihnen einfach Spaß nicht mehr an die Regeln des Lebens gebunden zu sein, einfach Frei und unbeschwert tun und lassen zu können, was sie wollen.", ich hielt einen Moment inne und überlegte.

Ich hatte nie zu ihnen gehört, hatte nie einen der Sterblichen geliebt und war auch nie von einem ihres Gleichen geliebt worden. Meine ganze Welt hatte Xavier gehört und nur ihm alleine, und als Xavier weg war, war da nur noch eine Person in meinem Leben gewesen. Ich selbst. Warum also bedauern kein Sterblicher zu sein? Warum trauern, dass einer von diesen schwachen Menschen zu Grunde ging?

So verbittert klingen diese Worte, jetzt wo ich sie beim schreiben einmal lese, und doch glaube ich eigentlich nicht, mich als verbittert bezeichnen zu können. Es war ja nicht so, dass ich diesen Umstand betrauert hatte, dass ich es mir anders gewünscht hatte. Nein, ich war immer recht zufrieden mit meinem Leben gewesen. Glücklich vielleicht nicht, aber zufrieden, und das war doch immerhin etwas. Und eine Zeit hatte ich sogar geglaubt, dass diese Zufriedenheit Glück sein müsste.

„Vielleicht...“, fügte ich noch Lächelnd hinzu, wandte meinen Blick den Sternen zu, überlegte mir eine Antwort „Ihr fragt mich, was dieses Leben Lebenswert machen könnte. Ich weiß es nicht... aber ich stelle es mir... spannend vor, einfach frei sein zu können... die Welt zu sehen wie sie sich verändert. Allein die letzten 200 Jahre, was für eine Freude muss das Zusehen gemacht haben. Ich meine die Reformation, Luther, der als Erster erkannte, was die Kirche eigentlich war: Eine Organisation, die sich über die Menschen hob, die diese anlog, ihnen Befreiung für etwas versprach die es so nicht gab, der erkannte, das man das nur mich sich selbst aus machen konnte, die Veränderungen im Leben, die Rolle der Frau, der ehe, Die Teilung der Kirchen, all die Erfindungen wie die Buchpresse, die Entdeckung Amerikas... sicher wird es einem niemals langweilig...", einen Moment schwieg ich, zufrieden war ich mit dieser Antwort, denn das war es, was ich glaubte, von dem ich überzeugt war. Ich musste schließlich davon überzeugt sein, mit auch nur einem Zweifel wäre ich nicht soweit gekommen wie ich jetzt gekommen bin.

Ich blieb stehen. Ein graues Grab war vor unseren Füßen. Moos bedeckte den einst prachtvollen Stein, der Name war kaum noch zu erkennen. Kälte und Hitze hatten Risse in das Denkmal getrieben. „Für die Menschen ist es doch auch irgendwann egal, dass jemand gestorben ist. Für sie geht das Leben weiter, warum sollte das nicht für die Toten gelten?

Vielleicht ist dass ja ihre Form von Glück“

„Glück?“, fragte sie während sie auf den Grabstein zu ihren Füßen starrte. „Das nennt ihr Glück, alleine durch die Welt zu reisen? Ihr nennt es Glück sich anzusehen wie andere Leben und Freunde empfinden, Glück zu sehen wie andere Sterben? Ich nenne es Selbstbetrug.“

Sie sprach sie aus, die Worte vor denen ich mich so fürchtete, sprach sie, ganz klar und deutlich, so dass jede Silbe, jeder Buchstabe in mich eindringen konnte.

„Frei? Meint ihr wirklich...kann man diese Seelen wirklich ‚frei’ nennen? Ich meine... wie frei kann eine Kreatur sein die sich selbst nach ihrem Tod noch immer, mehr oder weniger zwanghaft, an diese Welt zu klammern versucht. In... diese Welt der Lebenden, in welche sie doch eigentlich gar nicht mehr gehört.“

Sie stand da, als wolle sie testen wie lange ich diese Stille nach diesen Worten ertragen konnte, starrte in stummer Beklommenheit den Grabstein an, als wolle sie eine Antwort auf meine Behauptung darauf lesen, ehe wie weiter sprach

„Aber immer nur zusehen?“, jetzt erst sah sie mich an, mit ihren traurigen blauen Augen, und jetzt erst wagte ich es sie wieder anzusehen. Diese Augen, vor denen ich gerade in jenem Moment am liebsten davon gelaufen wäre, und die mich doch nicht losließen, die mich fest in ihren Bann hielten, mich paralysierten. Alles schien vergessen, der Nebel der immer weiter aufstieg und uns mit seinen eisigen Klauen umhüllte, die Kälter, die durch die Kleider an unseren Leibern zerrte, die Dunkelheit, die uns umfing, als gäbe es kein Licht mehr auf dieser Welt. Nur ich und sie, und diese unvergesslichen, traurigen, gütigen, verstehenden blauen Augen Christines.

„Monsieur, kann es nicht sein, dass Jene die verdammt sind, jene ruhelosen Seelen sich nur einbilden glücklich zu sein? Sich...nur einbilden ‚frei’, oder mit ihrer Existenz zu Frieden zu sein? Sie alle sehen die Jahrhunderte an ihnen vorbeiziehen, reden sich ein die Zeit zu beobachten, weil sie es interessant finden, wo sie doch in Wahrheit nichts weiter tun als jenen vergangenen Zeiten nachzutrauern in denen sie selbst noch Teil von ihr waren. Bevor sie in die Ewigkeit gingen... bevor die starben“

„Ich glaube es kommt darauf an. Auf manche mag es zutreffen, aber nicht auf alle. Es kommt wahrscheinlich auf den Charakter an. Vielleicht gibt es ja auch welche, die nicht nur zusehen sondern mit mischen wer weiß. Sicher sind ihre Naturen genauso unterschiedlich wie die der Menschen. Einige sind traurig, gerade zu schwermütig, andere nehmen es mit Witz, machen das Beste daraus. Falls es sie geben sollte, so haben sie es sich sicher nicht ausgesucht, und wenn sie es sich ausgesucht haben, bereuen sie es nicht. Ihr glaubt, dass man für immer an das Leben gebunden ist. Für manche mag es zutreffen, aber nicht für alle. Was ist mit denen, die nie ein Leben hatten? Oder die den Freitod wählten? Was ist mit denen die das Leben einfach vergessen. Vielleicht ist der Tot dann auch mehr, als ein Ende, vielleicht ist es gleichzeitig der Anfang einer völlig neuen Existenz in einer völlig neuen Welt, die den Menschen verschlossen bleibt.“

Wieder eine Pause, wieder ließ ich die Worte einwirken doch nicht nur auf Christine, die mich noch immer mit diesem seltsamen Blick ansah. Ich ließ sie auf mich einwirken. Ich musste sie aussprechen, ich musste etwas gegen Christines Worte hervor bringen, ich konnte es nicht einfach akzeptieren, und doch hatte ein kleiner Zweifel in meinem Herzen Einzug gefunden. Diese Worte von mir sollten mir Zeigen wie unsinnig dieser Zweifel doch war, doch nichts schien sich zu ändern. Und das Loch wurde größer.

„Ich könnte mir vorstellen, dass sie ihr eigenes Leben führen. Untereinander erkennen sie sich, doch die Menschen erkennen sie nicht und so wissen sie wer und was sie sind, nutzen diese Kenntnis und ihr neues Leben. Ich weiß es nicht, es sind nur Mutmaßungen, aber so könnte ich es mir vorstellen, und mir gefällt diese Vorstellung besser, als die eines dahin Vegetierens, einer reinen, Sinnlosen Existenz, welche nicht endet, welche die Seele an einen Ort bindet, der nicht mehr ihr zu Hause ist. Es wäre doch schöner, wenn, wenn sie hier bleibt, dies auch weiter als ihre Heimat ansieht und weiter... lebt, oder wie auch immer man es nennen will. Es wäre doch traurig, wenn man stirbt, nur um dann hinterher an einem Ort gefangen zu sein an dem man nicht gehört, und sich an etwas zu erinnern, was man nicht mehr haben kann. Auch wenn manche Menschen dafür nicht tot sein müssen. Manche hängen auch so ewig der Vergangenheit hinterher und vergessen über diese ganz die Zukunft. Dabei ist sie es doch, die das Leben ausmacht, was bringt es sich über altes Unglück zugrämen und darüber das Zukünftige und momentane Glück zu vergessen?“

Das allerdings war die Wahrheit, und an die glaube ich noch bis Heute. Es mochte sein, das ich mir ein Glück vorspielte, dass es nie gegeben hatte, wer weiß, aber eines stand fest: Ich hatte eine Existenz, es war meine eigene, mein Leben. Man musste nicht tot sein um sich etwas einzubilden. Christine selber tat es doch schon seid 10 Jahren. Seid zehn Jahren hing sie an ihrem Bruder, redete sich ein, das es genügen würde, dass sie mit ihm glücklich war und nichts anderes brauchte.

Ein weiches, und zugleich trauriges Lächeln huschte über die Lippen Christines. Hatten sie meine Worte erinnert? An ihren Bruder, der sich auch etwas vorspielte? Der sich auch vorspielte, er sei der einzige für Christine? Er müsse Rache nehmen? Der sich für immer in die Vergangenheit seiner Kindheitstage eingegraben hatte und aus diesem Unglück nicht entfliehen konnte, nicht entfliehen wollte?

Dachte sie an jenen Junge, der sie zum verzweifeln brachte, in dem er nie lachte, sich nie freute? Der Junge, der sie in ihre eigene Illusion gesperrte hatte?

„Natürlich... ist es eine schöne Vorstellung, dass jene Seelen in ihrer Art Frieden gefunden haben. Aber trotz allem...Trotz der Tatsache das es vielleicht nie irgendjemand erfahren wird, so bleibt es trotzdem nichts weiter als eine Maskerade. Ein billiger Schwindel... eine Täuschung für die Welt und ebenso für jene Kreatur die versucht in ihr zu leben.“

Schwindel... das Wort traf mich hart, auch wenn sie recht hatte. „Warum auch nicht?“, fragte ich fast ein wenig wütend über ihre ewigen Widerreden. „Menschen machen es ihnen doch auch so leicht. Sie lassen sich doch beschwindeln wo es nur geht, suchen Ausreden. Ein nicht angerührter Teller: der Mann hatte keinen Hunger. Das Weinglas noch voll, er war einfach mit den Gedanken bei dem Gespräch. Haben es Menschen denn besser verdient?“

Ich wusste sie hatte Recht. Ich wusste es einfach, egal was ich tat, egal was ich sagte, was ich ihr gesagt hatte und sagen würde, es war alles Schwindel und nichts war real, bis sie die Wahrheit erfuhr. Und in diesem Augenblick fasste ich einen Beschluss.

Ernst sah ich sie an, sah wie ihre Augen erstarrt waren, wie ihr Gehirn die Sätze von mir zu verarbeiten versuchte. Es würde sie zerstören, vielleicht nicht sofort... aber... ich konnte nicht länger hinter einer Lüge leben. Ich stellte mich vor sie, beide Hände auf ihrer Schulter, ungewohnter Ernst in meinen kühlen blauen Augen.

Es war verboten, ich durfte nicht einmal sagen was ich solange schon verschwiegen hatte. Das Geheimnis der Kinder der Nacht musste gewahrt werden. Doch das war mir egal. Es war mir egal, ob ich für diese Wahrheit büßen müsste, ob andere mich verfolgen würde. Regeln waren dazu da um gebrochen zu werden. (ein weiteres meiner Mottos)

Und dann war da noch sie... eine zarte Rose der ich Licht gespendet hatte, ohne das sie wusste, dass dieses Licht doch nur Dunkelheit gewesen war. Sollte ich alles was ich ihr gegeben hatte wieder wegnehmen, sie mit einem Satz in diese Dunkelheit stoßen? Aber war es denn nicht besser, sie hasste mich für eine Wahrheit als mich für eine Lüge zu lieben?

Ein schon lang erloschen geglaubter Funke tief in meinem Herzen, der seid dem Abschied Xaviers verschlossen gewesen war schien wieder zu erleuchten. „Christine...“, ich zögerte. Reue lag in meiner Stimme, Reue und Zweifel, aber wenn ich es jetzt nicht sagte würde ich es nie mehr sagen. „Christine, ich hoffe du hasst mich nicht dafür, ich hoffe du kannst mir vergeben aber ich...“

Kalt.

Meine Augen weiteten sich, mein Blick wandte sich von Christine ab.

Kalt.

Nicht die Kälter der Nacht, nein etwas anderes. Etwas fremdes, nicht weit von hier. Etwas, dass mich Christine vergessen ließ und mich zu sich rief. „Bleib hier ich komme bald zurück“ wie in einem Traum sprach ich die Worte ohne das Mädchen anzusehen, dann rannte ich los.

Feind

Kapitel 24
 

Ich rannte die Straßen entlang, wusste nicht genau wohin es mich zog. Ich dachte auch nicht darüber nach, nein mein Gehirn hatte sich abgeschaltet nach dem es von diesem Meer des Eises überflutet worden war. Nur ein Gedanke trieb mich, nur eine Frage und die Gewissheit, dass ich die Antwort finden würde… nur ob sie mir gefiel, ob ich lange mit dem Wissen leben würde…

Mit jedem Schritt schien ich tiefer in das kalte Wasser dieses endlosen Meeres der Kälte zu gehen, mit jedem Schritt schien ich mich mehr von dem Licht zu entfernen, welches eben noch für mich gestrahlt hatte.

Schließlich, als die Kälte mich zu ersticken drohte erreichte ich den Mittelpunkt eine Ecke und da stand ich. Ich war nicht einmal außer Atem, weit war diese Gasse nicht vom Cimitére Montmartre, welcher nicht unbedingt im reichbetuchten Viertel Paris’ zu finden war, obgleich mehrere Berühmtheiten dort ihre letzte Ruhe gefunden hatten.

Ich stand an der Ecke, starrte in die kleine dunkle Gasse. Das Schauspiel, das sich mir bot ließ meinen Atem stocken.

Zuerst sah ich diese Augen, kalt und fast noch blauer als meine eigenen, emotionslos, schwarz die Kleidung, wie die Robe eines Richters, schwarz das Haar, wie die Nacht persönlich. Erst kurz danach erblickte ich die braunen kurzen Haare welche ich erst gestern nur von hinten hatte bewundern dürfen. Der neue Gefährte von Marek lag da, keuchend, versuchend sich aufzurichten doch, vergebens. Er sackte wieder in sich zusammen. Marek war auf der anderen Seite gegen die Wand gelehnt, die Hände an die Ohren gedrückt, das Gesicht vor Schmerz verzerrt.

„Wer bist du?“ einige Sekunden hatte es gedauert bis mich mein verstand wieder eingeholt hatte und sich nun an die Arbeit machen konnte die Situation zu erfassen.

Da war ein Wesen, mächtiger als zwei Vampire zusammen, mächtiger als ich, das spürte ich, und was tat ich? Ich fragte eine solch dumme, ja fast Menschliche Frage.

Doch was hätte ich tun sollen?

Einfach Angreifen, was hätte es ihm gebracht, außer, dass ich so endete wie die andern beiden? Gab es überhaupt ein entrinnen vor diesem Schicksal?

Erst jetzt bemerkte ich was die Schmerzen Mareks verursachten. In den Händen hielt der Mann, oder wie auch immer man jene Unheilvolle Gestallt die sich nun langsam mir zuwandte auch nennen wollte, denn Menschlich war sie eindeutig nicht - nein nichts Menschliches hätte Marek so zu richten können- ein Amulett dessen Leuchten langsam zu erlöschen begann… nun um genau zu sein handelte es sich bei dem Amulett gerade mal um eine hälfte und nur gerade so konnte man das Tier welches auf der runden Goldplatte abgebildet war erkennen, eine Gans… (Für all jene Leser die sich nun wundern was es mit der Gans auf sich hat eine kurze Erklärung: Die Gans ist im Indischen das Tier welches zu Brahms, dem Sonnen Gott, gehört, doch das sollte auch ich erst später erfahren und war in jenem Moment sicherlich genauso verwirrt wie ihr, meine Lieben Leser…)

Mareks Arme vielen Kraftlos zu Boden, nicht ein Zeichen das erlebte konnte ich spüren… doch… ein Zucken kaum spürbar aber etwas war dann doch zu erkennen. Ein Gefühl welches ich noch nie gekannt, noch nie gespürt hatte suchte mich Heim... ein Gefühl, dass sich um mich legte wie ein Tuch, dass nun all mein Denken verschleiern wollte, wogegen ich mich jedoch wehrte.

Angst. Nein… ich war doch das, vor dem sich andere Fürchteten! Ich hatte nie Angstgehabt, - nie! - hatte allem ins Gesicht geblickt, doch diesem starren Blick wich ich aus. „Ich“ erklag schließlich ein tiefe, melodische Stimme „bin Latichandra, Diener Shivas und“ er ging einen Schritt auf mich zu „Ich bin hier um eine Fehler aus zu radieren, Vampir“

Ich stand regungslos da. Diese Macht die das Wesen mit den azurnen Augen ausstrahlte fesselte mich, ließ mich weder vor noch zurückgehen, oder war es gar nicht die fremde macht? War es vielleicht doch meine Eigene Furcht die mich, ganz wie einen Sterblichen, fesselte?

Ja ich hatte Angst.

Ich konnte nicht sterben. Nicht hier! Nicht jetzt!

Nicht bevor SIE die Wahrheit kannte…

noch ehe ich meinen Verstand davon überzeugen konnte über das Gesagte nach zu denken glühte das Amulett wieder auf, ein seltsamer Gesang begann sich in meinem Geiste aufzubauen.

Erste nur ein Stimme, recht leise, doch immer lauter werdend, immer mehr stimmen die durch einander in einer fremd klingenden Sprach, falls es überhaupt eine irdische Sprache war, sangen.

Denken konnte ich nun gar nicht mehr, jeder Gedanke würde von den Stimmen übertönt. Und so kalt wurde mir, noch Kälter als das eisige Meer welches mich gerufen hatte. Es kam, es verschlang mich, nahm mich, ohne das ich mich hätte wehren können.

Ich weiß nichtgenau was ich tat, doch sicher sackte ich auf die Knie, so wie Marek schon vor mir, sicher schrie ich, doch genau kann ich es nicht sagen, denn nicht war für mich zu hören außer diesem grässlichen, schrillen Gesang in meinem Kopf.
 

Was dann passierte weiß ich nicht, ich kann nur sagen was ich später erfahren sollte.

Was war der Grund warum ich nicht starb? Warum wurde ich von diesem Gottes Ähnlichen Wesen nicht wie ein Wurm zertreten?

Der Antwort bedarf es nur ein Wort, nur ein Name.

Christine.

Doch ich greife vor.

Nun nach einiger Zeit, wie lange weiß ich nicht, doch sicher nur wenigen Minuten, auch wenn sie mir wie Jahre vorkamen, breitete sich ein Stille in mir aus. Ob es nur daran lag, dass ich durch diesen Gesang taub geworden war oder er einfach aufgehört hatte wusste noch nicht, und noch konnte ich auch nicht darüber nachdenken. Alles was zähle war die Dunkelheit, die schöne, kühle Dunkelheit.

Ob das mein Ende war? War das der Abgang von Kilian du St Etienne les Ourges?

„Kilian?“ was war das? Eine Stimme.. ein Engel? Nein das konnte nicht sein, nach allem was ich getan hatte würde ich sicher eher in die Hölle fahren. „Kilian!“ Ja… ich erkannte die Stimme, ich spürte etwas, Hände, an seinem Arm, Atem auf seiner Haut.

Mit einem Mal erwachte ich aus meinem Schlaf und di laute, schmerzende Realität hatte mich wieder. Meine Glieder fühlten sich schwer an, mein Kopf dröhnte, nur mühsam konnte ich mich dazu zwingen seine Augenlider zu öffnen. Ich sah ihren Rücken, das braune wellige Haar welche bis über ihre Hüften ging. Breitbeinig stand sie da, die Arme schützend vor mir ausgesteckt. „Ehe ich ihn hier allein lasse soll mein Körper zerschnitten werden wie das Fleisch einer schreienden Ziege beim Schlächter!!“ hörte ich sie sagen.

Ich versuchte mich auf zurichten, wollte sie Schützen doch ging es nicht, meine Muskeln wollten sich nicht überzeugen lassen ihre Kraft mir zur Verfügung zu stellen.

„Dein Wunsch soll dir erfüllt werden“, es war dieselbe Stimme die ich schon zuvor gehört hatte, es war Latichandra den ich da reden hörte und er sprach mit Christine.

Jetzt erst schien es mir wirklich bewusst zu werden was gerade passierte. Erst als die seltsame blau leuchtende sicher auf das Mädchen zu flog, als es schon fast zu spät war begriff ich, dass sie mich schützte, dass sie, wenn es so weiter ging, für meinen Fehler sterben würde und das, ohne, dass sie je die Wahrheit erfahren hatte.

Sicher dieser Gedanke mag egoistisch klingen. Schließlich wäre ich derjenige der bis zum ende seiner tag, und wen man die Situation bedachte mochte dieser Tag in nicht allzu weiter ferne liegen, damit leben musste hinter ein Lüge gelebt zu haben, doch denke ich, dass es auch meine Schuldigkeit ihr gegen über war. So vieles hatte sie mir gegeben, unwissend, nicht ahnend wem sie da so vertraut hatte. Sie verdiente die Wahrheit…

Und ehe ich mich versah war ich auf gesprungen.

Ein Wimpern Schlag. Ein Blitz. Eine Bewegung.

Blut spritzte über das graue Pflaster. Mein Blut welches aus einer klaffenden Wunde am Brustkorb floss. „So einfach“ keuchte ich mit mühe und Not „kriegst du sie nicht“

Die wunde begann schon sich zu heilen. Ich war ein Vampir, ich musste mein Leben nicht gleich opfern um sie zu schützen so wie sie es für mich getan hatte.

Doch Christine wusste das nicht.

Sich sackte gemeinsam mit mir zu Boden konnte ich doch mein eigenes Gewicht nicht mehr tragen und sie, geschockt von allem was in gerade Mal dem Bruchteil einer Sekunde Geschehen war wäre auch so zusammen gebrochen.

Sie saß da, meinen kalten, leblosen und Blut überströmen Körper in ihren Armen, ohne zu wissen, dass ich noch lebte.

Ich spürte wie ihr Körper zu zittern begann während sie langsam begriff was eigentlich geschehen war.

Ich spürte wie ihre Hände sich zu Fäusten ballten und wie einzelne Tropfen ihrer salzigen, warmen Tränen auf meine Wange fielen.

„Was hast du getan?“ fragte sie Latichandra, starrte zu Boden. Leise waren die Worte, leise und erstickt unter dem Mehr vor Tränen. Dann sah sie auf, ihrem Feind – nein eigentlich hatte sie nicht mit diesem Monstrum zu tun. Eigentlich war es mein Feind den sie so zornig anstarrte und nun lauter die Frage wiederholte „Was hast du getan?“ Und dann ein weiteres mal, dieses mal schreiend „WAS HAST DU GETAN?“

Und Plötzlich wurde alles in ein grelles, strahlendes Licht getaucht.

Ich versuchte die Augen offen zuhalten zu erkennen was passierte doch war das weiß, diese unglaubliche Helligkeit zu viel für meine, an Dunkelheit gewohnten Augen.

Ich hörte nur entfernt der Schmerzens Schrei eines Mannes, ja Latichandras.

Dann begann das Licht allmählich nachzulassen und offenbarte mir somit den Ursprung dieses Göttlichenscheines der mich wie auch Christine vor dem Untergang bewahrt hatte.

Christine Selbst hatte dieses unheilige Wesen der Finsternis vertrieben. Wie ein Engel sah sie aus, noch immer einen magischen Schein um sich herum, die braunen Locken um sich her wirbelnd und Tränen das Gesicht hinunter rennend.

Langsam bewegte ich meinen Arm, wollte ich auf ihn Stützen um nicht zu erheben doch reichten meine physischen Kräfte kaum dazu aus, obgleich die schnitt wunden schon längst verheilt waren machte mir doch der doch beträchtliche Blutverlust zu schaffen, doch das war nicht das wichtigste in diesem Moment.

Gerade konnte ich noch sehen wie das Wesen schwarzen Schwingen ausbreitete, weiße Flammen auf den schwarzen Stoff die sich in den muskulösen Körper brannten.

Er floh…

Ich versuchte mich wieder auf zurichten, doch sofort wandte sich Christine mir zu, voller Sorge in den Meeresblauen Augen. Ich konnte mich nicht wehren, konnte nicht verhindern, dass sie das unvermeidliche nun selbst sah. Die wunde war verschwunden. Ich lebte.

Doch statt Erleichterung zeichnete sich Entsetzen auf ihrem Gesicht ab.

„Nein“ stammelte sie, entfernte sich von mir und starrte mich geschockt und fast ein wenig verzweifelt an.

Sie wusste es gab nur eine Wahrheit und sie kannte diese, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte. Nur eine Art von Wesen auf Gottes weiten Fluren hatte diesen angriff überleben können.

Die Wärme ihre Körpers wich von mir, ließ mich allein mit meiner Kälte. Mit jedem vergehenden Moment spürte ich wie ich wieder He3rr über meinen Körper wurde. Mühe voll richtete ich mich auf, langsam, wackelig auf den Beinen und gegen die Steinmauer hinter mir gelehnt. Schwer ging mein Atem, meine Augen lagen auf ihr, die sie mich an sah als wäre ich ein Geist… nein ich war kein eist, ich war etwas viel schlimmeres, und zum ersten mal in meinem Leben wünschte ich mir, ich wäre nicht das ungeheuer das ich war. Zum ersten mal wünschte ich Sterblich zu sein, nur um diese Worte nicht sagen zu müssen, um dieses Gesicht nicht sehen zu müssen.

Zeit Verstrich, Sekunde für Sekunde in welcher wir uns stumm gegen überstanden, bis ich den Entschluss fasste.

Ich wollte und würde nichts bereuen. Nichts von dem was ich getan hatte und erst recht nie etwas das ich nicht tun würde. Also wusste ich es ihr sagen, die unwiderrufliche Wahrheit. Ganz gleich wie sehr es sie schmerzte, ganz gleich wie sehr ich sie enttäuschte, ich musste es ihr sagen. Jetzt oder nie.

Ein Lächeln, kalt und starr, stahl sich auf mein Gesicht während sich meinen Kopf langsam hob bis ich sie ansah, direkt in ihre weit aufgerissenen blauen Augen.

„Ich… ich kann nicht mehr hinter einer Maske leben“, endlich entrannen die Worte, genau diese Worte die ich ihr schon am Friedhof hatte sagen wollen meiner Kehle.

Sie schüttelte leicht den Kopf, wollte es nicht hören, wollte lieber weiter die Lüge leben. Ich musste sie verletzen, so sehr ich mich auch dafür hasste ….

„Ich bin ein Vampir. Ich kann es nicht verleugnen. Christine ich wollte es dir schon früher sagen, ich wollte euch nicht anlügen. Ich kann mir vorstellen was ihr jetzt denken müsst. Dass ich ein Mörder, ein kaltblütiger Killer bin, und wahrscheinlich habt ihr damit sogar recht. Ich habe viele Menschenleben auf dem Gewissen, habe sie ohne zu zögern getötet… ich bin was ich bin, und ich habe mich verändert. 300 Jahre, Christine, 300 Jahre in der nicht nur ich, sondern auch meine Gefühle gestorben sind, doch du hast sie wieder erweckt. Ich wollte euch nicht anlügen… aber... ich verstehe, wenn du mich jetzt hasst.“

Fest hatte ich mir vorgenommen sie an zusehen, ihr diese bittere Wahrheit ins Gesicht zu sagen, wie es sich gehörte, doch ich schaffte es nicht. Schon nach der hälfte wandte ich den Blick ab, sah zu Boden und hoffte nur das, wenn ich die Courage besaß wieder auf zu gucken ich weder Tränen noch Hass in ihrem Gesicht finden würde, denn keines von beidem wäre etwas gewesen, was ich mir hätte verzeihen können…

„Hör auf...“

ihre Stimme war leise... für menschliches Gehör wohl zu leise, aber ich konnte sie hören. Etwas kratzig, von erstickten Tränen und zittrig als drohte sie bei jeden Wort sich zu überschlagen.

„Hör auf, sag kein Wort mehr!!“

ihre Hände waren leblos an ihrer Seite herunter gehangen, doch jetzt waren sie angespannt zu einer Faust gepresst. Die Tränen liefen nun in Strömen über ihre Wange, sie hatte nicht mehr die Kraft sie zurück zu halten.

Schweigen sollte ich und doch tat ich es nicht. Nein, sie hatte die Wahrheit verdient! Egal wie sehr sie sich das leben in dieser Scheinwelt in der ich und sie ein normales Paar waren in sich verschließen wollte, es ging nicht. Ich wusste die Wahrheit und… nun vielleicht war ich auch einfach egoistisch genug sie nicht alleine Tragen zu wollen.

Jetzt gab es ohnehin keinen Weg mehr zurück…

„Was war ich denn für dich? Ein...ein Spielzeug das dir die Ewigkeit versüßt hat? War ich so ein... so ein Wesen das zu beobachten interessant war?“

Sie schrie ihn an, aber sie konnte ihn nicht hassen: Nein kein Hass war aus ihrer Stimme zu hören nur Enttäuschung. Enttäuschung über sich, über ihre Naivität und Dummheit und über mich der er sie doch so lange zum Narren gehalten hatte…

Dann durchzuckte mich ein Schmerz. Ich sah auf, sah Christine die ihre Ausgesteckte Hand mit der sie mir eine Ohrfeige geben hatte anstarrte an. Ich sah ihre von Tränen geröteten Augen, sah das kühle Nass ihre Wange hinunter rinnen, und doch konnte ich nichts tun, nichts sagen, stand einfach nur Regungslos da und starte sie an, bis sich unsere Blicke noch einmal trafen.

Ich rechnete damit, dass… ja, womit rechnete ich? Womit konnte ich in einem Augenblick wie diesem schon großartig rechnen?

Nun jedenfalls rechnete ich nicht mit der Reaktion die Christine mir zu teil werden ließ.

Sie ging einen Schritt nach vorne, streckte ihre Hand aus, leicht zitternd, hielt einen Moment inne während ich wieder zu Boden sah unfähig ihrem vorwurfsvollen Blick stand zu halten. Warm war ihre Hand die mir nun die Wange entlang strich und warm waren ihre Lippen die die Meinen zu einem Kusse berührten.

Ich schloss die Augen einen Moment, versuchte die Situation zu Begreifen.

Warum? Warum küsste sie mich? Warum lief sie nicht fort? Warum war ich für sie mehr als ein Betrüger?

Sie war eine Perle, sie war ein Stern am Himmel, nein ein sonne die die Nacht zum Tage werden ließ, selbst für mich, der ich doch die sonne schon wieder vergessen hatte. Ich hatte sie nicht verdient und sie verdiente etwas besseres… etwas lebendes…

Ihr Lippen lösten sich von den Meinen, sie sah mit direkt in die Augen, hielt ihre Hand noch immer an meiner Wange, sodass ich sie ansehen musste.

„Nein“, sagte sich schließlich „Nein… ich… ich würde lügen würde ich sagen, dass ich zu Beginn, als ich euch damals mit eurem Bruder sah, nicht mit euch spielen wollte, doch schon lange ist es mehr. Ich wollte euch nicht verletzen, aber anlügen noch weniger. Seid vergewissert, ich hegte die Intention es euch heute zu sagen, ich wollte verhindern dass ihr es… das ihr es so erfahrt… denn ich..“ doch weiter kam ich nicht. Zwei Finger versiegelten meine Lippen, ehe ihre Lippen diese Aufgabe übernahmen und dieses Mal erwiderte Ich den Kuss.

Sie akzeptierte es. Akzeptierte er und vor allem was ich war.

Ein Gefühl der Erleichterung wuchs in mir. Erleichterung hier seine zu können, sie in meinen Armen halten und spüren zu können. Sanft zog ich sie an mich, ganz als fürchte ich sie jeden Moment wieder verlieren zu können. Ich weiß nicht was sie dachte, jedoch rannen erneut heiße Tränen ihr zarten Wangen Hinunter mischten sich mit ihrem Salzigen Geschmack in unsere Küsse.

Ob sie nun begriff was es hieß einen Vampir zu lieben?

Ob sie verstand was sie gerade Tat?

Sie hatte Angst. Nicht nur das leichte, nicht enden wollende Zittern ihres Körpers verriet mir das. Ich spürte es. Auch wenn ich ihre Gedanken nicht lesen würde, so war ich doch was ich war, ich könnte mich der Angst, nicht angst vor mir, nein Angst vor dem was sie erwarten würde, vor der Zukunft die sie mit mir fristen wollte, nicht entziehen.

Doch wovor sich fürchten?

Vor der Zeit?

Ja, Menschen fürchten sich vor der Zeit, das haben sie schon immer. Auch ich habe mich einst vor der Zeit gefürchtet, ob es nun der Abend war vor dem ich Angst hatte, wenn mein Vater besoffen nach Hause kam oder jener Abend, als ich auf den Treppenstufen gesessen hatte und schon fürchtete Xavier würde nicht kommen. Und nun fürchtete auch Christine sich und wer konnte es ihr verübeln?

Ich war unsterblich, sie nicht. Mein Feind war die Zeit nicht mehr, mich konnte sie nicht mehr berühren, doch sie würde von ihr gezeichnet werden. Grau und matt würde das jetzt so volle braune Haar werden, falten würden das jetzt so glatte und zarte Gesicht entstellen. Ihr Kraft würde schwinden und sie würde nie mehr die alte sein… und doch… ihre Seele blieb doch immer die selbe, oder etwa nicht?

Dieses Gütige Herz welches mit seinem Licht sogar bis in meines, in ein und Kälte verschlossenes hatte vordringen können würde dasselbe bleiben. Was machte die Person die ich nun in meinen Händen hielt aus?

Nicht der weiche Busen der gegen meine Oberkörper gedrückt war, nicht die vollen Lippen welche meine mit sanften küssen befriedigten, nicht die zarte Taille die ich mit meinen Arme fest umschlungen hielt.

Sicher es waren einige Vorzüge, Vorzüge die, das will ich nicht Leugnen, mich durch aus erst auf sie aufmerksam gemacht hatten, doch jetzt sah ich erst wie viel mehr da noch war und das waren Attribute, welche ihr eigen waren egal was geschah…

Begegnungen

Kapitel 25 Begegnungen
 

Wie lange wir so dagestanden hatten, alles um uns herum vergessen, wer kann es schon sagen? Marek und sein neuer Schützling genauso wie die seltsamen Kräfte Christines oder der seltsame Feind der mich in die Knie gezwungen hatte.

Erst ein keuchendes „A...Andrew“ aus der Ecke in der Marek lag brachte uns in die Realität zurück. Hinzu kam ein leises Stöhnen und ich wusste, dass sich der andere Vampir langsam aufrichtete, obgleich mein Rücken ihm zugewandt war. Christine hingegen konnte das Schauspiel verfolgen… tief gruben sich ihre Finger in meinen Rücken, während sie über meine Schulter sah. „Keine Angst“, flüsterte ich ihr ins Ohr und drehte mich um.

Mühevoll richtete sich Marek auf, den langen schwarzen Haaren, welchen selbst nun mit Straßenstaub und Dreck verschmutzt, ein seltsamer blauer Schein inne wohnte. Die zarte weiße Hand versuchte nachdem, sich am Boden krümmenden… wie hatte er ihn noch gleich genannt? Andrew? Nun das musste dann wohl der Name der etwa 1.70m Großen Gestallt mit dem, wie ich nun feststellen musste nicht braunen sondern viel mehr dunkelblonden - oder wollte man es doch eher als ein sehr helles braun bezeichnen? – Haaren, der recht kräftigern Statur und den recht ärmlichen Kleidern sein.

„Kein Grund zur Sorge, Christine. Den hier kennt ihr auch schon. Vor zwei Tagen war er an der Seite eures Bruders, auch wenn er sich damals, vorm Theater, als Laurent ausgab.“

Noch schien Marek nicht wirklich mitzukriegen, was eigentlich geschah. Die Augen hatte er nur halb geöffnet und dennoch, obwohl er kaum wahrzunehmen schien, kaum sehen konnte was passiert war versuchte er nach seinem Schützling zu greifen, spürte dessen Nähe.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen während ich einen Schritt nach vorne tat und ihm schließlich meine Hand anbot.

Herzallerliebst, Meister und Schüler beide am Boden. Nun, mich hätte es sicher genauso hart treffen können, wenn ich ehrlich bin (aber wann bin ich das scvhon?). Allein die Tatsache, dass mein Erschaffer schon 2000 Jahre alt war, und ich selbst sicher schon weitaus mehr auf den Kerbholz hatte, als diese Beiden ließ mich noch so aufrechtstehen und selbstbewusst Lächeln, als wäre nichts weiter geschehen.

Ich beobachtete wie sein Blick allmählich klarer wurde, meiner ausgestreckten Hand, den Arm entlang folgte bis er mir ins Gesicht sah und ein erstauntes „Ihr?!“, hervor brachte.

„’Ihr'?!?“, fragte ich mit gespielter Empörung „So wurde ich wahrlich noch nie begrüßt.“

Ein wenig Missmutig sah er mich an, nahm jedoch meine Hand und ließ sich aufhelfen. „Ich darf sicher nicht annehmen, dass ihr wisst mit was für einem seltsamen Geschöpf wir es eben zu tun gehabt haben oder?“, fragte ich weiter, doch wurde die Frage zunächst ignoriert. Seine primäre Sorge schien, natürlich, seinem Schützling zu gelten „Andrew“ Er drehte sich in Richtung des Jungen, dieser jedoch schien nicht weiter schwere Schmerzen zu erleiden. Um genau zu sein lag der Verdacht, dass er seinen Meister zwar deutlich vernommen hatte und ihn lediglich ignorierte auch recht nahe.

Erleichtert atmete Marek auf und wandte sich wieder, mit ernster Miene, mir zu.

„Ich bedaure. Anscheinend ist mein Wissen nicht viel größer als das Eure.“ Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Irgendwie mochte ich dieses Lächeln nicht sonderlich es war als wolle er sagen: "Na und? Auch wenn du älter bist, bist du noch lange nicht schlauer" und diese Einstellung mir gegenüber schätzte ich nicht sonderlich… doch für den Moment hatte ich sicher noch ganz andere Probleme, als seine unangebrachte Überheblichkeit mir gegenüber und so ließ ich die Sache auf sich beruhen.

„Zumindest wissen wir endlich, warum Vampire einfach verschwinden und wer dafür verantwortlich ist. Wenn ich fragen darf, wieso hat dieser Lalitchandra sein Werk nicht beendet? Nicht, dass ich darüber nicht erleichtert wäre, aber ich nehme nun einmal nicht an dass Ihr ihn, es aufgehalten habt, denn auch ihr seit Vampir“ beiläufig strich er sich den Straßenstaub von seinem teuren dunkelvioletten Gehrock, welcher bei dem ‚Kampf’, oder wie auch immer man es bezeichnen wollte, gelitten hatte. Gerade so, als wäre nichts weiter geschehen.

Nun es liegt vielleicht ein wenig im Wesen der Vampire immer so zu tun, als wäre ‚nichts weiter geschehen’, schließlich sind wir magisch. Wir sind etwas mächtiges, Furcht einflößendes und dieser Gedanke blieb nun einmal was immer wir auch taten und da wir etwas Besonderes sind muss es ja ‚nichts weiter’ sein, denn wir sind nun einmal unfehlbar. Auch wenn dem offensichtlich nicht so war und auch ist, irgendwie hat man sich doch irgendwann im laufe der Jahrzehnte daran gewöhnt mächtiger als die Anderen zu sein…

Mit einem Schlag wurde mein Gesicht sehr ernst und ich schaute über die Schulter zu Christine „Das ist etwas, das ich auch gerne wissen würde…“

Ja, so gerne ich auch gesagt hätte ‚natürlich war ich es der diese Bestie vertrieben hat’ ich konnte es nicht. Ich habe mich genauso am Boden gewunden wie er und war diesem Wesen genauso hilflos ausgeliefert gewesen wie er. Ohne Christine wäre ich... wären wir... nein an so etwas wollte ich gar nicht denken. Wir lebten und das war das einzige was zählte!

Ganz andere Gedanken stellten sich mir, während ich das etwas verwirrt aussehende Mädchen, welches und mit ihrem Licht gerettet hatte betrachtete.

Hatte sie schon immer die Kraft besessen, ohne dass sie es gewusst hatte? Und hatte ich diese Kraft tatsächlich nicht gespürt? Selbst jetzt wo ich mich ihrer bewusst war spürte ich nichts Ungewöhnlich... was konnte das nur gewesen sein?

Ich konnte diese Fragen nicht beantworten. Damals wusste ich noch nichts über Magie, noch nichts über die Kräfte dieser Welt. Ich kannte doch nur mein kleines, unbedeutendes Vampirleben und hatte mir darauf eingebildet ich sei etwas Mächtiges und Menschen seien einfach nur mein Spielzeug. Nein, ich konnte diese Fragen nicht klären aber... „Vielleicht kenne ich jemanden, der Antworten kennt“, murmelte ich, mehr in Gedanken verloren, als zu jemanden bestimmten, sah dann jedoch wieder auf und wendete mich Marek zu.

„Marek, vielleicht könnt ihr mir helfen jemanden ausfindig zu machen… Xavier. Er könnte etwas wissen. Leider weiß ich weder wo er ist, noch wie ich ihn finden ka...“

Xavi... wie lange war es her, dass ich ihn sprach? Das ich ihn gesehen? Würde er auf meinen Ruf antworten?

Ich wusste es nicht, wusste ja nicht einmal ob ihn die Nachricht Mareks überhaupt erreichen würde, oder wie lange es dauern würde bis er käme. Vielleicht war Xavier ja nicht einmal in Paris, vielleicht schlief er irgendwo in einem Land, wo jetzt die Sonne vom Himmel schien und selbst wenn er uns hörte so konnte er doch nicht kommen.

Aber was für eine Wahl hatten wir schon? Ich kannte niemand anderen und mir war es nun einmal nicht vergönnt denjenigen zu rufen der mir die Ewigkeit geschenkt hatte. Es war nun einmal so, dass die die das Blut einmal geteilt haben nicht mehr in die Gedanken des anderen einblicken konnten, was Vor, wie auch Nachteile mit sich bringen konnte.

Marek schaute an mir vorbei, anscheinend bemerkte er Christine erst jetzt. "Ich wusste gar nicht, dass ihr in Begleitung seid. Noch dazu zu so gefährlicher Stund... Guten Abend, Mademoiselle." Marek machte eine Verbeugung, wie es sich gehörte, wandte sich dann jedoch wieder mir zu. . "Ich nehme an sie weiß bescheid, nach diesem...Zwischenfall. Bitte erzählt mir wieso dieses Wesen verschwunden ist. Ich erinnere mich nicht, da ich bewusstlos war, dann will ich nach Eurem Xavier suchen."

Ich rollte mit den Augen. Immer erst die Erklärungen, als hätten wir nicht noch genug Zeit wenn er nach Xavier suchte, NEIN er musste natürlich vorher alles erfahren. Warum auch einfach wenn es auch kompliziert ging...

"Ja und ihr kennt meine Begleiterin und nach dem Verlauf unseres letzten Treffens, bei dem Christine, zumindest Körperlich zum Teil der Zeit Anwesend war solltet ihr euch erinnern" Damals, als ich Christine vor dem Theater getroffen hatte... war es wirklich erst 2 Nächte her? Es war kaum zu glauben und doch Wahr, und nur eine Nacht hatte es gebraucht, um alles zu verändern...

"Aber ich glaube schon damals ist die Begrüßung zu kurz gekommen wenn ich mich recht entsinne... Christine, dies ist Marek, andere kennen ihn wohl auch als 'Laurent', vielleicht erinnert ihr euch nicht an die reizende Begleitung eures Bruders an dem Abend nach dem Theater... Nun er wie ihr habt den Abend mit einem Vampir verbracht." Irgendwie klang es seltsam... aber es musste einfach mal gesagt werden. Ihr Bruder hatte sich genauso hinters Licht führen lassen wie sie... ob er wohl schon hinter das Geheimnis des ehrenwerten ‚Laurent’ gekommen war?

"Diesen Jungspund kenne ich ebenso wenig wie ihr... er ist nicht sehr alt, keine Woche will ich meinen... aber das ist momentan ohnehin von geringem Interesse.“ So damit wären die ‚Formalitäten’ wohl geklärt und ich konnte zu der kurzen Erklärung für Marek kommen, damit wir endlich einen Schritt vorwärts kommen konnte.

„Zu eurer Frage... Ich bin mir selber nicht ganz sicher, was geschah, nur dass…“ ich sah ein wenig unsicher zu Christine „Da war so ein seltsames Licht, das ihn anscheinend vertrieben hat. Mehr kann ich euch leider auch nicht sagen... Christine?“

Ich drehte mich meiner Begleitung zu. Ich hatte kaum noch auf sie geachtet muss ich leider zu geben. Es war soviel geschehen und ich hatte nicht damit gerechnet dass sie Mareks Präsenz so… schockieren würde.

Sie war einpaar Schritte zurück gewichen und starrte Marek mit glasigen Augen an. Ihr Körper zitterte leicht, aber sie bewegte sich nicht. Auch war nicht wirklich Angst in ihrem Blick, nichts... sie schaute ihn einfach nur an. Auf meine Frage reagierte sie gar nicht, vielleicht hatte sie sie nicht einmal wirklich gehört.

Einen Moment schaute ich zu Marek... ob es sein konnte...?

Ich ging einpaar Schritte auf sie zu, nahm ihre warme Hand fest in die meinen „Ruhig mein Engel. Er tut nichts, so lange ich hier bin tut er nichts. Aber er ist der einzige außer mir der dieses Wesen gesehen, seine Macht gespürt hat. Und er ist der einzige der helfen kann dem Geheimnis, nicht nur dieses Wesens sondern auch deiner Macht auf die Spur zu kommen.“

Sie war eine Sterblich, wie sollte sie all das begreifen, wenn ich es nicht konnte? Wie sollte sie verstehen, was nicht zu verstehen war?

Ich küsste sie sanft auf die Wange und es durchfuhr mich wie ein Blitz.

Ein dunkler Raum. Ihre Hände auf ihrem Kopf gehalten. Heiße Tränen rannen über die Wangen. Dann ein Schrei. Das Geräusch eines Körpers er zu Boden fiel. Blaue Augen. Schwarzes Haar. Ein grausames Lächeln.

Ich kniff einen Moment die Augen zusammen. Es war Marek gewesen. Der Mord den sie hatte mit ansehen müssen.. Marek war es gewesen. Kein Wunder, dass sie so apathisch da stand. Alles schien vor ihrem Augen einweiteres Mal zu geschehen und er stand vor ihr, der Mann dem sie all ihr Leid zu verdanken hatte.

Tränen standen mir in den Augen, so plötzlich hatte mich ihre Gefühlswelle, ihre Erinnerung überrollt. Ich konnte nichz anders, als sie in meine Arme zu schließen. „Es ist vergangen. Er ist was er ist, genauso wie ich, ein Monster, ein Dämon der Nacht. Aber es ist der einzige Weg. Christine. Es ist deine Entscheidung. Ich richte mich nach dir. Verzeih meine Unbedachtheit. Christine.“

Ich flüsterte es in ihr Ohr, um mir nicht ansehen zu müssen. Wie konnte ich nur so grausam sein? Wie konnte ich ihr so etwas in dieser Situation sagen? Als hätte sie es nicht schon schwer genug...

Sie antwortete nicht. Stumm schritt sie an mir vorbei auf den Mörder ihrer Eltern zu, streckte ruhig, nicht mehr zitternd, nein erstaunlich ruhig, die Hand aus und strich ihm über die Wange, berührte das kalte, leblose Fleisch und sah in die kalten blauen Augen, in welchen sich noch immer die begangenen, kalten Morde die er verübt hatte widerspiegelten.

"Nein...das darf nicht Wahr sein......Ihr seid..." Marek wich einen Schritt zurück. Beinahe Entsetzen konnte man in seinen Augen erkennen, als ihm bewusst wurde wer da vor ihm stand. "Zwillinge......ja, das muss es sein..." eine Weile starrte er sie an, während ich das Szenario beobachtete. An sich ging es mich nichts an. Es war etwas, das die Beiden für sich klären mussten, doch als Marek sie dann bei der Schulter packte und sie fragte: „Hast du dieses Wesen vertrieben? Warst du das?"

Das ging zu weit. Was glaubte er war er war? Was glaubte er, wem er da gegenüberstand?

Er hatte es doch bemerkt, er wusste doch wie sie empfinden musste... Aber es interessierte ihn nicht. Konnte ich es ihm wirklich zum Vorwurfmachen? Hatte mich jemals das Schicksal anderer interessiert?

Und jetzt, jetzt wo es jemanden betraf der mir wichtig geworden war machte ich es ihm zum Vorwurf. Mit einem Schritt stand ich neben ihr, packte Mareks Hand und zog diese von Christine weg, wobei ich höflich lächelte "Ich glaube ihr könnte sie auch fragen ohne die dermaßen zu bedrängen, Monsieur. Und: Ja. Sie war es.", antwortete ich galant für sie, schaute Marek tief in dessen kristallene Augen und sagte ihm, ohne Worte zu benutzen, er solle vorsichtig mit meiner Begleiterin umgehen. Dann nahm Christine selber bei der Hand. Solange ich bei ihr war würde sie nichts fürchten müssen, würde nichts und niemand ihr etwas antun... Sicher, vorhin hatte sie mich retten müssen, doch soweit würde ich es nicht noch einmal kommen lassen. Ganz bestimmt nicht.

Ich wandte mich erneut ihr zu. Sie lächelte wieder, war wieder im Hier und Jetzt, was mich erleichterte. Sie hatte es nicht verloren, ihr unendlich kostbares Lächeln auch, wenn es ein wenig müde, ein wenig einsam wirkte.

"Christine, bald kommt, wie ich gestehen muss, ein weiterer Vampir, mein Erschaffer um genau zu sein. Nun zumindest hoffe ich, dass er kommt" ich atmete einmal tief aus "Vielleicht erhalten wir dann einpaar Antworten. Doch wenn du nicht willst, wenn du, was ich verstehen kann, nichts mit dieser Geschichte, mit diesem Wesen oder deiner seltsamen Kraft zu tun haben willst, dich nicht in diese Gefahr begeben willst kann ich das verstehen. Nur..."

ich machte eine Pause und sah sie ernst an "Könnte es sein, dass es schon zu spät ist. Ich glaube nicht dass dieser Lalitchandra dich so einfach vergessen wird, dich und deine Kraft, ob du sie nun weiter benutzen willst oder nicht. Dennoch, die Entscheidung liegt bei dir"

Sie lächelte mich an, ruhig, besonnen. Wie jemand der wusste was er tun musste... Sie hob die Hand, wie sie es bei Marek getan hatte, doch nun unendlich liebevoller, unendlich sanfter. Sie strich mir über die kalte Wange erwärmte sie nur ein wenig mit ihren warmen Fingern. „Was würde es denn nützen, wenn ich nicht wollte. Die Tatsache das ich es war die ihn vertreiben konnte hatte etwas zu bedeuten. Wie kann ich vor einer Geschichte fliehen... vor einer Gesichte deren Teil ich bin. Deren Teil wir alle sind...“ Ihr Blick huschte für einen Moment zu Marek.

Sie ließ ihre Hand von meiner Wange gleiten, hielt sich mit ihr an meiner Jacke fest und lehnte ihren Kopf gegen meine Brust, schloss für einen Moment die Augen.

„Ich bin froh das wir beide, zusammen, ein Teil davon sind.“

Ich nickte, küsste milde ihre Hand "Wir werden uns dieser eurer Geschichte gemeinsam stellen" Noch einmal sah ich ihr fest, liebevoll, beruhigend in die Augen. "Ich werde dich nicht alleine lassen, dass verspreche ich dir" Ein sanftes Lächeln das über mein Marmornes Antlitz huschte, dann wandte ich mich wieder Marek zu. Dieser schien verstanden zu haben, ließ von Christine hab.

Ein Stöhnen unterband das Gespräch schließlich und spätestens nach Mareks Reaktion nach zu schließen. Im ersten Moment schien er noch etwas zum Thema zu sagen zu haben, im Nächsten drehte er sich zu Andrew, der sich irgendwie aufgesetzt hatte und nun verschlafen in die Runde blickte und viel ihm um den Hals. Den Anblick den er bot hatte er sich sicher nicht ausmalen können, doch in meinen Augen wirkte das alles eher lächerlich... ein hundert Jahre alter Vampir der einfach so seinen Mann umarmte während dieser noch im Halbschlaf auf dem Boden saß. „Dir geht es gut?“

Er atmete erleichtert auf, grinste Andrew geradezu an, ließ dann aber, mehr oder weniger von Andrew gezwungen, von dem Jüngling ab. „Aber verrat mir eins. Wieso hast du dich am Boden gewälzt?“

Andrew wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, ich war ziemlich fest davon überzeugt dass diese nur eine Diskussion zwischen den beiden entfacht hätte und darauf hatte ich zumindest in diesem Moment wirklich keine Lust. Wir hatten bei weitem wichtigeres zu klären.

„Ihr erwähntet etwas von einer Legende?“, fragte ich höflich an Marek gewandt.

Christine, welche sich anscheinend von ihrem ersten Schock erholt hatte, trat neben mich, nahm wieder meine Hand und lächelte mir einmal wesentlich sicherer zu als zuvor.

„Eines nachdem anderen“, erwiderte der blauäugige Vampir gelassen, erhob sich zunächst wieder und half Andrew auf die Beine, wobei er ihm halb neckisch „Zu schade, dass es dir besser geht, ich hätte dich zu gerne getragen“, zuflüsterte. Auch Andrew erhob sich und rollte mit den Augen, als Marek diesen kleinen ‚Scherz’ machte. „Zunächst einmal, Andrew, will ich dir die Anderen vorstellen. Dieser… Herr“, sicher hätte er lieber ‚Schnösel’ gesagt aber seine Erziehung schien ihm das einfach zu verbieten und dennoch wurde schon alleine durch die Art und Weise wie er das Wort geradezu auszuspucken schien klar, was er meinte „Und diese Mademoiselle ist...“ er zögerte einen Moment, so dass Christine sanft lächelnd einen Schritt nach vorne tat und sich mit: „Christine, ich heiße Christine“, vorstellte. "Sehr erfreut Monsieur Johnson" Ich gab mir natürlich keinerlei Mühe den Namen auch nur im geringsten Englisch auszusprechen. Die Engländer, oder auch Iren zu denen dieser Geselle ja gehörte, waren ein lustiges Völkchen. Die hielten sich für die Könige der Welt, obwohl sie lediglich eine kleine Insel bevölkerten, nun gut sie hatten noch viele Kolonien in Afrika, die in Amerika gingen ihnen ja durch die Revolution und den Freiheitskampf verloren, aber dennoch war das noch kein Grund so vor Selbstüberzeugung zu strotzen. Nun, als wären die Franzosen besser. Es war wirklich kein Wunder, dass sich diese zwei Nationen schon von jeher in den Haaren lagen, so arrogant und Dickköpfig stolz sie auf ihr Land, ihre Sprache und Kultur waren.

Aber eigentlich sollte man sich momentan um wichtigeres, als die Streitereien zweier Länder Gedanken machen, nicht wahr?

Wesentlich wichtiger war doch die Frage über Xaviers verbleiben. Wurde er aufgehalten? Hatte er Marek nicht gehört? Wollte er einfach nicht kommen? Wenn die Anderen und ich Pech hatten war Xavier auf der anderen Seite der Welt und konnte gar nicht so schnell kommen. Doch irgendwie wurde ich dieses Gefühl nicht los, dass Xavier gar nicht so weit von ihnen entfernt war... es war nur so ein Gefühl, eher ein Intuition, zumal meine Kräfte bei meinem Erschaffer ja nicht funktionierten, aber dennoch hatte sich nach all der Zeit doch ein gewisse Verbundenheit aufgebaut, oder war es nur die törichte Hoffnung, dass er für mich, den er ja mehr oder weniger verbannt hatte, kommen würde? Mir der so egoistisch und kalt geworden war?

Doch ein sehr überhebliches „Nice to meet ya, how d’ya do?“ in einem absolut erschreckenden Irischen Akzent holte mich aus diesen Überlegungen zurück.

Andrew schien es nicht unbedingt gefallen zuhaben wie ich mich, ganz in Französischer gentilhomme Manier bei ihm vorgestellt hatte und er wagte es mich mit diesem sarkastischen Lächeln, diesen Hass erfüllten braunen Augen anzusehen? Und nur um auf seinen dummen nationalen Stolz herum zu reiten musste er jetzt auch noch englisch mit mir reden, wohl davon ausgehend ich würde ihn auf Grund seines Irischen Akzentes nicht verstehen. Dachte er wirklich ein bald 300 Jahre alter Vampir wäre nie in England gewesen und sei der Sprache nicht so ganz mächtig? Schade für ihn, dass ich fast ein dreiviertel Jahrhundert dort mit einem Studium über Esoterik verbracht habe, nun ja das eigentlich nur 25 Jahre, danach widmete ich mich dem Theater.

„socraigh Gael (beruhig dich Ire)" sprach ich galant im alten Gälisch.

„Du wirst dich wohl nie ändern, oder Kilian?“ die sanfte Stimme ließ mich kurz zusammen zucken, dann drehte ich mich jedoch umgehend um. Leer die Straße, dann ein Blick nach oben und...

Tatsächlich da saß er, wie immer in schwarz gekleidet. Die Nuss braunen Augen funkelten mir liebevoll zu. Ein freundlich, melancholisches Lächeln lag auf den dünnen roten Lippen des Jugendlichen, wenn auch blassen Gesichtes.

Elegant ließ er sich auf den Boden gleiten, nur das leichte Flattern seines schwarze Capes war zu hören, die Anderen sahen dem Schauspiel nur staunend zu. „Xavier“, rief ich erfreut aus und lief sofort auf meinen Erschaffer zu, umarmte ihn inniglich wie schon seid Jahren nicht mehr. Noch immer lagen alle Augen auf uns und sicher boten wir ein skurriles Bild, ich als ein stattlicher 24 Jähriger Mann und sicher bald einen Kopf größer, als der eher schmächtige 18 jährige Knabe in welchem der 2000 Jahre alte Geist Xaviers innewohnte. Ich spürte seine zarten Finger auf meiner Haut genauso wie seinen kühlen Atem, welcher sanft den Klang meines Namens mit sich trug „Kilian... lang ist’s her und vieles muss leider vorerst unausgesprochen bleiben. Die Zeit rennt uns davon...“ Ich nickte, wollte ihn gerade nach dem ominösen Angreifer fragen, als Andrew, welchen ich ja weiterhin ganz vergessen hatte, als Erster aus der Starre, welche sich ob des Auftauchen der doch sehr herrschaftlichen Gestallt des 2000 Jahre alten Vampirs ausgebreitet hatte befreit hatte „We’re not finished yet frenshman“, sagte er ein wenig sauer. "as seo amach éisteacht le Xavier cúramach, or an bhfuil fios or eolas an bhealaigh agat?" (From now on listen carefully to Xavier, or do you know the way?) War die knappe Antwort. "tá sin contáilte agat" (you are wrong about it), fügte ich noch mit einem Kurzen durchdringenden Blick direkt in die trotzigen braunen Augen hinzu. Was ich damit meinte sagte ich nicht, und niemand außer uns Beiden hatte die Unterhaltung verstanden, außer vielleicht Xavier, aber das war mir ziemlich egal. Dann sah ich wieder auf als bemerke ich jetzt erst, dass ja noch Andere zugegen waren.

"Ich schätze", sagte ich beflissen in Französisch "Damit hat die Lagebesprechung begonnen" Sofort stellte ich mich zu Christine, zwischen sie und Marek um genau zu sein, schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln und heftete dann meine Augen auf Xavier.

Erst jetzt bemerkte ich den Rotschopf hinter meinem Erschaffe, auch die grünen Augen, welche mich in stummer Zurückhaltung musterten. Sofort verdüsterte sich mein Blick ein wenig. Ein weiterer Vampir... Xavier war nicht alleine gekommen….

„Und wer ist das?“, fragte ich auf eine Art und weise die man wohl, als Scheinhöflich bezeichnen konnte. Sie war von eben jener Natur beseelt, welche auch Marek so vorzüglich anzuwenden vermochte, zum Beispiel, als er mich als ‚Monsieur’ bezeichnet hatte wo er doch ganz andere Namen im Kopf hatte.

"Kilian, bitte, ich glaube es wäre besser auf Französisch zu kommunizieren, damit alle Anwesenden es verstehen", auch Marek hatte seine Stimme anscheinend wieder gefunden und mischte sich in das Gespräch mit ein. "Und Andrew das Gleiche gilt auch für dich. Genauso sollten wir das Gedankenlesen unterlassen, das einige von uns es nicht beherrschen" bei diesen Worten sah er nicht zu Christine sondern wieder zu Andrew. Ja natürlich dachte er nicht an Christine, das Mädchen schien Marek fast schon beflissentlich zu ignorieren. Auch als er fortfuhr; "Außerdem wäre es auch ziemlich unfreundlich, denn Xavier kann nicht mit Kilian kommunizieren und ich nicht mit Andrew. Also wäre dies sowieso unsinnig. "An Xavier gewandt fragte er noch: "Xavier, dürfen wir erfahren, wer deine Begleitung ist?"

„Und nicht zu vergessen Christine“, sagte ich ein wenig gereizt in Richtung Marek, welcher sie bei seinen Ausführungen ja gänzlich außer Acht gelassen hatte „Welche ein Mensch ist, der die Gedanken von NIEMANDEM lesen kann.“ Marek zuckte nur unschuldig mit den Schultern grinste jedoch leicht.

„Also Junge wer bist du? Oder muss man ein viertes Mal fragen?“ Dieser fast zu übersehende Vampir war mir suspekt und er war auch Ursache für mein ein wenig ruppiges Betragen was bei allen herumstehenden anscheinend zu einem Schmunzeln führte. Nicht nur bei Marek von dem ich ja nichts anderes erwartet hatte, nein auch Xavier und selbst Christine konnten es sich nicht verkneifen. Der junge Vampir jedoch blieb bewegungslos, verzog nicht eine Miene, als sei das vollendet schöne, makellose weiße Gesicht nichts weiter als eine Venezianische Maske.

„Guillaume, es ist nicht höflich eine Frage unbeantwortet zu lassen."

Die Gestallt welche sich bisher im Schatten der Hauswand verborgen gehalten hatte, so dass man sie nur in Umrissen hatte erkennen konnten trat nun neben meinen und anscheinend auch seinen Erschaffer. Vom alter her konnte man ihn auf 25 Schätzen, das Haar war rot, die Augen stechend grün, vom Körperbau war er als Sterblicher sicher schlaksig gewesen doch der Zauber der Nacht ließ ihn nun hochgewachsen und schlank wirken, vor allem in dem Leinenhemd über welchem er eine dunkelgrüne Leder Weste trug, die Hose eine Sans-culotes aus braunem Stoff, feste ebenso braune Lederstiefel an den Füßen.

„Er wurde nicht von mir erschaffen“, sagte Xavier ruhig in meine Richtung, ganz so als habe er meine Gedanken lesen können, obgleich das unmöglich war, doch das war ich ja schon gewohnt. „Was macht er dann bei dir?“ das Grinsen welches zunahm ignorierte ich, ich sah nur in Xaviers unendlich braunen Augen. „Ich nahm mich seiner an, mehr brauchst du nicht wissen. Nun berichte mir lieber was sich zutrug, den Grund dafür, dass du mich nach all der Zeit wieder hier her gerufen hast.“

So wie er diese Frage, nein viel mehr Aufforderung stellte hörte es sich so an als wisse er schon von der Bedrohung, als warte er nur darauf uns alles erzählen zu können und müsse sich nur ein letztes mal vergewissern, das wir das Gleiche meinten.

Ob er Lalitchandra auch schon getroffen hatte? Oder hatte ihm viel mehr jemand vorher schon Bericht erstattet?

Nun vielleicht würde ich es irgendwann erfahren, oder auch nicht, das wusste man bei Xavier nie so wirklich. Mir blieb jedenfalls nichts anderes als zu erzählen. Von den kaltenblauen Augen, von dem Raben, welcher mit seinem Todesschrei auf dem Dach gesessen hat, über das Amulett und den Gesang der die Kraft entfachte und zuletzt über das weiße Licht Christines, welches uns vor dem ewigen Schlaf gerettet hatte.

Die Prophezeihung

Kapitel 26 Die Prophezeiung
 

5000 Jahre ist der älteste Vampir, auch bekannt unter dem Namen Shiva alt. Vor 5000 Jahren nahm die Geschichte seinen Anfang und die Lawine kam ins Rollen bis zu an diesem verherenden Tag alles zu überrollen drohte. Nicht alles, nur uns, uns Vampire denn wir waren das Ziel des Lalitchandras. Seid 5000 Jahren.

In Indien begann diese Geschichte. Zu einer Zeit vor Christientum noch ferne Zukunftsmusik war, wo in Europa die Menschen noch in Steinhöhlen wohnten, kaum der Sprach fähig. Doch in Indien baute sich eine Kultur auf. Hinduismus, eine der frühesten Religionen der Geschichte hatte wenig mit dem Hinduismus den wir heute kennen zu tun.

Noch gab es nicht die großen Tempel, noch gab es keine Statuen von Göttern mit Elefanten Köpfen und Acht armen, oder mit drei Gesichtern. Noch lebten die Menschen in kleinen Dörfern im Dschungel, kleine Stämme, bei weitem nicht mit unseren heutigen Ländern zu vergleichen, welche jeder ihren eigenen Gott verehrten und diesen meistens in Form ihrer Herrschers.

Der wohl berühmtest Herrscher war Shiva, welcher bis Heute eine Legendäre Gottheit wurde. alle anderen Götter behielten ihren Namen nie wurde der eines Königs genommen, nur Shiva sollte der unvergessliche Gott des Todes werden.

Shiva. Der Erste Vampir auf Gotte weiten Fluren dem über Jahrhunderte von seinem Stamm Opfer gebracht wurden. Shiva und seine Frau Pavarti welche gemeinsam über das Landregierten.

Früher war es anders gewesen. Früher hatte es keine Opfer gegeben, zumindest keine Menschenopfer, und der König hat auch dem normalen Vol besuche abgestattet. Doch das sollte sich ändern, als er von einer seltsamen allen Medizinmännern und Waisen unbekannten Krankheit heimgesucht wurde. Zu schwach sich zu bewegen, kaum fähig noch zu herrschen und ohne Thronnachfolger.

Nur ein Mediziner und Magier war der Auffassung er könne das tödliche Fieber bezwingen und zwar mit Hilfe eines Zaubers. Er wollte den bösen Geist welcher Augenscheinlich von seinem Meister Besitz ergriffen hatte in 3 Amulette verbannen.

So wurde denn die Exorzistische Zeremonie vorbereitet, die Amulette geweiht und der Magier und die Frau Shivas, welche über mystische Kräfte verfügen soll begannen die 7 Tägige Zeremonie.

7 Tage ohne essen, ohne schlaf, nur auf die Vertreibung des Dämons der den Herrscher befallen hatte zu vertreiben.

Doch etwas Ging schief. Es war die letzte Nacht, Neumond, kein Licht welches das Ritual unterbrochen oder gesegnet hätte. Dann ein greller Blitz und von jenem Tag an sollte alles anders werden.

Zwar wurde die Schwäche Shivas von ihm genommen, und alle glaubten an einen erfolg doch etwas anderes sollte sich herausstellen. Diener im Palast die Spurlos verschwunden, nie mehr verließ er sein Gemach bei Tageslicht, sperrte sich ein und ging seiner Geliebten aus dem Weg. Wer ihn sah erkannte ihn kaum wieder, die weiße Haut, die leuchtenden Augen. Es war als wäre ihr Meister gar nicht mehr da, als wäre er durch einen anderen Bösen Geist ersetzt worden? Er regierte, doch er verlangte Opfer, Menschen Opfer. Die Verbrecher sollten zu ihm geführt werden, doch was mit ihnen geschah wurde nicht bekannt.

Der erste Vampir und bei weitem nicht der letzte.

Wie eine Seuche breitete sich der Vampirismus aus.

Lange Zeit diente Lalitchandra treu seinem Herren, respektierte dessen wünschen, hinterfragte nicht, wollten ur für ihn da sein. Er belegte sogar sich selbst mit einem Zauber um so auf Ewig seinem Herrn dienen zu können, ohne, dass der Schatten der seltsamen Seuche ihn befallen konnte und um so irgendwie, irgendwann ein Gegenmittel zu finden. Doch es war vergebens. Die Jahrhunderte vergingen und nicht änderte sich außer dass die Zahl der Vampire mit jeder Nacht stieg und jede Nacht mehr Opfer forderten.

So beschloss der Magier irgendwann sich gegen seinen Herrn und Meister zu wenden und all dem eine Ende zu bereiten, seinen Fehler wieder gut zu machen und alle Vampire zu töten.
 

Die beiden ältesten, neben Shiva und dessen Frau, erzählten Xavier diese Legende. Mahara, die die Xerxes tötete und dafür Xavier erschuf und erst vor wenigen Stunden Kaguya, der schwarze Schatten Maharas.

Und so gab Xavier die Geschichte Lalitachandras an uns weiter und wir hörten gebannt dieser Sage zu. Jeder hatte sie einmal in abgewandelter Form vernommen. Marek starrte Xavier eine Weile an. „Diese Geschichte erinnert mich an eine Legende welche Cyrill, mein Erschaffer mir vor langer Zeit erzählte… doch ich tat diese nur als Mythos ab… es ist also war? Und Lalitchandra ist jener Magier der all dies hier zu verantworten hat ist-„ „Lalitchandra“ beendete ich den Satz.

Bedächtig, nachdenklich hatte ich zu Boden gestarrt, hatte mir diese Erzählung so leibhaftig ich konnte vorgestellt und über Xaviers Worte gesinnt. Nun sah ich auf, direkt in die braunen Augen des Knaben. „Und nun versucht er den Fehler den er vor fast 5000 Jahren beging zu sühnen. Das ist also die Lage" ich lachte einmal auf „Na wenn’s weiter nichts ist. Ist doch kein Problem, man geht einfach hin 'Excusé moi Monsieur Latichandra. Ich bin zwar 4000 Jahre Jünger als ihr, jedoch dachte ich sie könnten doch aufhören meine Art zu jagen oder ich muss sie vernichten! Ernsthaft Xavier.“ er sah seine Meister ernst an, „Wie sollen wir gegen ein solch altes Geschöpf ankommen. Selbst du bist kaum halb so alt wie er.“

Xavier lächelte, legte Kilian sie Hand auf die Schulter: „Übermütig wie eh und je. Und ich hatte befürchtet du könntest dein Feuer verlieren“, lächelte er, "Du bist also einer seiner Nachkomme“, sagte Xavier milde überrascht in Richtung Mareks, „Nun du hast jedoch den zweiten Teil der Legende Cyrills vergessen" Er sah erst zu Marek, dann zu Christine „Zwillinge sollen die einzige Macht sein welche über das Schicksal der Kinder der Nacht bestimmen können. Ob verderben oder Rettung, es liegt in ihrer Hand, denn sie besitzen eine Macht, welche größer ist als die von jedem von Uns nur um diese zu aktivieren bedarf es der beiden Amulette welche als Gefäß für den krankheitserregenden Dämon gegolten haben soll. Eines in Form einer Sonne das andere repräsentiert den Mond.“

„Du kennst also meinen Erschaffer. Und was hat er dir noch so erzählt bei Eurem 'Blutkränzchen'? Nicht das es mir sehr viel ausmacht, dass ich von einem mir unbekannten erfahren muss, dass ich noch andere 'Blutsverwandte' habe ... Kennst du den anderen vielleicht auch noch?“, Mareks Tonfall war nicht das, was man höflich oder neugierig nennen würde. Ich würde es eher unter der Rubrik Dreist verbuchen und… nun vielleicht war es auch verständlich weshalb er so gereizt reagierte, mir war es mit Guillaume, als ich dachte er sein möglicherweise ein weiterer Abkömmling Xaviers nicht anders ergangen, doch wie ich so nun einmal bin interessierte mich das in dem Moment herzlich wenig und darüber nachdenken kam gar nicht erst in Frage.

„Was glaubst du mit wem du redest?“, fragte ich mit einer Betonung, so scharf als wolle ich Mareks Worte damit in Fetzen schneiden. „Seid ihr so naiv und glaubt dem was eure Augen euch sagen? Oder seid ihr einfach so dumm und denkt nicht über das nach was ihr sagt? Vielleicht muss ich euch einwenig auf die Sprünge helfen?“ Am liebsten hätte ich Marek mitten ins Gesicht geschlagen -aber es waren schließlich Damen zu gegen- und wir würden in Zukunft zusammenarbeiten müssen. Dennoch konnte ich Mareks Art mit der er es gewagt hatte mit Xavier zu reden nicht einfach auf sich beruhen lassen. Sicher, Xavier würde nichts sagen, es störte ihn wahrscheinlich nicht einmal, aber es war nicht richtig. Außerdem hatte Marek damit auch bewiesen, dass er die Situation falsch einschätzte „Es mag sein dass euer Erschaffer euch nicht in alles was ihn betraf einweihte, es kann sein, das Xavier ihn schlicht länger kennt. 2. Hatte dein Erschaffer sogar seine Gründe aber vor allem hättest du es in einem angemessenem weg erfragen können“

Einen Moment folgte Stille. Andrew und Christine mussten sich ein wenig ausgeschlossen fühlen, schließlich waren da die drei Vampire, Andrew der vom Vampir Dasein kaum etwas wusste nehme ich vorerst auch außen vor, und wir stritten über etwas, dem sie sicher nur schwer folgen konnte und erst recht nicht sich einmische. Ach und dann gab es ja noch den verschwiegenen rot Schopf von dem ich noch immer nicht wusste was er eigentlich genau mit Xavier zu tun hatte, was mich inzwischen auch kaum noch interessierte.

Xavier jedoch sah mich nur aus seinen braunen Augen heraus an. Es war genug. Er musste nicht sagen ich wusste es einfach. Ich sollte aufhören, um des Friedens willen, um der anwesenden Willen, um Xaviers willen.

Mürrisch fügte ich noch: „Sei froh, dass du mit jemandem wie Xavier redest, der so ein gutes Gemüt und die geduld einer Steines hat. andere Vampire seines Standes und seiner Macht hätten dich mit einem Fingerschnipsen für dieses ungebührliche verhalten bestraft. Schließlich ist Xavier mehr als 2000 Jahre älter als du, er hat Dinge gesehen die du nicht einmal in deinen Künsten Träumen dir ausmalen kannst. Er hatte mit Personen geredet, die du aus Büchern und Mythen kennst, hat Städte gesehen, die schon Lage von Natur und Krieg ausgelöscht wurden. und du wagst es so mit ihm zureden?

Verzeih Xavier, aber das konnte ich einfach nicht mit anhören, ob ihr ihn nun gemaßregelt hättet oder nicht. Ich denke er sollte seine Rolle kennen“, hinzu. Noch einmal funkelte ich Marek zornig entgegen, lehnte mich dann jedoch wieder an die Wand neben Christine deren leuchtend blauen Augen mir folgten dann jedoch, ebenso wie meine, zu Xavier huschten als dieser einen Seufzer vernehmen ließ. seufzte „Er hat ein Recht auf eine Antwort Kilian“, sagte er ruhig.

Sicher hatte Marek Antworten verdient, aber warum denn gerade jetzt? Als hätten wir nichts Wichtigeres zu besprechen. „Ich finde ja nur, dass die Art und Weise WIE er fragte erniedrigend und unter deiner Würde ist. Als rede er mit irgendeinem dahergelaufenen Boten Jungen der nur als Informationsüberbringer fungiert, und davon bist nun einmal weit von entfernt und ich finde, dass er das wissen sollte.“, antwortete ich beinahe schon eingeschnappt und zugegebenermaßen kindisch.

Ein wenig überrascht hatte sich Marek mir zugewandt. Überrascht und auch ein wenig verstimmt was man seinen Worten auch entnehmen konnte. „Ich glaube nicht, dass du behaupten kannst, ebensoviel gesehen zu haben. Außerdem, was geht es dich an. Du solltest lieber Glücklich sein über deinen Erschaffer und ruhe geben. Anscheinend hatte Xavier dir viel über sich erzählt, wenn ich an eure Umarmung zurückdenke. Sei froh darüber! Es gibt ja vielleicht auch noch andere denen es nicht so ergangen ist. Du hast Cyrill nicht gekannt, also red nicht von dingen die du nicht verstehst!“

Xavier wandte sich um, schaute Marek, dann mir einmal tief in die Augen, dieses mal nicht lächelnd, nicht Zornig, nicht traurig. Es war schwer zu beschreiben, und dennoch sagte dieser Blick mehr als 1000 Worte. Es war Genug. Die Diskussion war beendet und so gerne ich auch noch einmal widersprochen hätte, Xavier hätte es nicht geduldet und unter allen Personen die ich kenne ist Xavier wohl die einzige der ich, fast, bedingungslos gehorche, oder viele mehr dessen Wünsche ich akzeptiere und wirklich berücksichtigte. Zumindest war er die einzige Person bis ich Christine getroffen hatte. “Cyrill“, begann er schließlich „war nicht unbedingt was ich einen Freund nennen würde... er war... ein Kumpane. Es war etwa im Jahre 800 an der Küste Italiens nicht fern von Rom. Damals hatte er schon seinen ersten Schützling. Leandre Demario, wenn ich mich nicht irre, war sein Name. Meine Geschichte mit Cyrill tut momentan nichts zur Sache, jedoch erfuhr ich durch ihn von einem Buch, welches er bewachte. Natürlich erfuhr ich nie wo es war, oder was genau darin stand, jedoch schien es ein Art Geschichte der Vampire zu enthalten. Des Weiteren soll das Buch einige Zauber und ähnliches enthalten... ich habe nie genaueres erfahren. Ich bin jedoch sicher, dass darin vermerkt ist, um was genau es sich bei diesem Lalitichandra handelt und wie man ihn vernichten kann" Xavier wandte sich kurz Christine zu „und sicher kann es uns auch verraten was es mit eurer Kraft auf sich hat, meine Liebe. Nun nach dem Cyrill verstarb wird Leandros sich der Aufgabe der Bewahrung des Buches angenommen haben...“ Die letzten Worte waren wieder an alle gerichtet und verhallten nun allmählich in der kleinen dunklen Gasse.

“Schön und gut, aber Heute können wir nicht mehr nach Italien aufbrechen. Dazu reicht die zeit nicht aus. In einer Stunde geht die Sonne auf und ich weiß ja nicht, wie schwer dieser Lalitichandra verletzt ist, aber was ist, wenn er auch am Tag Jagd auf uns macht? Wir hätten keine Chance und auch das hübsche Fräulein wird dich Tagsüber nicht schützen können“ Nun spätestens nach dem letzten Satz bei dem er mich auch noch so Eiskalt ansah war klar das Marek mich nicht wirklich schätzte. Nun das beruhte nur auf Gegenseitigkeit.

“Ich denke es wäre schlauer zusammen zu bleiben. Mein Haus ist an die Katakomben unter Paris angeschlossen. Das heißt, selbst wenn Lalitichandra uns aufspüren sollte kann uns dort unten kein Sonnenstrahl treffen. die Kellergewölbe sind weit verzweigt und wir hätten auch genug Fluchtwege.“

Andrew schien das alles weder zu verstehen noch zu interessieren, Xavier war mit dieser, doch recht sinnvollen Überlegung Mareks auch einverstanden und Guillaume? Nun Wer sollte aus dem stummen Vampir schon schlau werden? Blieb nur noch…

Ich spürte wie Christines hand welche ich all die Zeit gehalten hatte sich löste. Mein Blick la auf ihr, wie Gedanken los ich doch gewesen war. Die Ganze Zeit nur an Xavier zu denken und diese dumme kleine Streiterei mit Marek und sie… sie wusste doch gar nicht was mit ihr da geschah, was das alles bedeute. Wie sollte sie auch, nicht einmal ich hatte schon ganz das Ausmaß dieser Geschichte erfasst.

Wie sie in die Runde sah, eine Hand an der Brust, fast schon Hilfe suchend, den mund leicht geöffnet als wolle sie etwas sagen doch konnte es einfach nicht… Nein wirklich, wie Gedanken los von mir und auch von den anderen.

Entschlossen ergriff ich wieder ihre Hand, spürte wie sie bei dem Gefühl der Kälte welche ich nun einmal immer ausstrahlte leicht zusammen zuckte und ihre großen Hilfe suchenden Augen auf mir Lagen.

„Marek“, sagte ich leicht sauer, fing dann jedoch den Blick Xaviers auf. Ich musste aufpassen nicht wieder einen unnötigen Streit zu provozieren, also atmete ich einmal tief durch, schloss einen kurzen Moment die Augen und setzte en möglichst höfliches Lächeln auf ehe ich fortfuhr.

„Ich hoffe mit meinen Ohren ist etwas nicht in Ordnung“, sagte ich so höflich als eben in meiner Macht „Ich glaubte gehört zu haben wir sollten zu euch in die Katakomben von Paris kommen.“ Ich stand neben ihr, ich hatte ihren stummen Hilferuf vernommen und ob sie wollte oder nicht ich würde für sie da Sein. Sicher, ich konnte mir nicht vorstellen wie sie sich fühlen musste, ihr ganzes Leben innerhalb eines Tages, nein einer Stunde, über den Haufen geworfen. Alles was sie kannte, alles was ihr etwas bedeutete, die kleinen so unscheinbar wirkenden Dinge des Lebens wie der Flur durch den sie jeden Tag ging um in das zweite Zimmer zu gelangen, die alte abgebrochen Büste mit der sie ihr Haarkämmte, ihr ganzes Leben mit allem was sie bisher erkannt hatte wurde gerade zerstört, mit jedem Wort das wir sprachen wurde ein Weiteres Fragmet einfach ausgelöst…

Mein Griff um die zerbrechliche Hand Christines festigte sich. Noch ein Blick in diese wunderbaren blauen Augen dann fuhr ich: „Habt ihr schon einmal in Erwägung gezogen wie SIE fühlt? Ihr könnt sie nicht einfach mitnehmen. Die Reise, die Aufgabe, die Kraft, das alles ist eine Sache, aber sie braucht Zeit.“, fort. Ich seufzte, warf einen kurzen Blick auf sie „Sie… sollte heute nach Hause gehen, zu ihrem Bruder.“ Ja ich sprach diese Worte aus. Ich der ihren Bruder doch so verabscheute, von dem einen Treffen. Ich der mit aller Gewalt versuchte sie aus den Ketten zu lösen in die er sie band. Ich schickte sie genau dorthin zurück wo ich wusste, dass sie vielleicht von mir gelöst werden konnte… oder geheilt, wie man es nahm. „Alleine“, fügte ich hinzu und musterte Marek durchdringend.

„Das ist das mindeste. Ein Tag, ein Tag in dem sie sich entscheiden kann, mit ihm alles klären kann. Mehr verlange ich nicht“

Natürlich könnte ich jetzt die typischen Gedankengänge eine Vampirs erklären, weshalb ich sie zurück schickte. Wir Vampire sind Egoisten, mich natürlich eingeschlossen. Ich wollte Christine für mich, ich wollte sie um mich herum haben weil sie meiner Seele Balsam war, weil sie mir wieder das Empfinden gelehrt hatte. Nun in diesem Kontext wäre es natürlich sinnlos sie weg zu schicken doch aus anderer Perspektive kann man hier natürlich den Selbsterhaltungstrieb anführen: Wir waren bedroht, nicht sie. Wir brauchten sie, aber nicht sie alleine, es war von einer Zwillings legende die Rede, wir brauchten also auch Christian, ohne ihn waren wir, um es in heutiger Sprache zu sagen ‚genutst’. Aber auf Vampire würde der Junge doch eh nicht hören und zwingen konnten wir ihn nicht, die einzige Möglichkeit war Christine.

So gesehen handelte es sich bei meinem Vorschlag also freilich um puren Eigennutz doch, egal wie unglaubwürdig es klingen mag, ich dachte an all diese Sachen gar nicht mehr. Mir war es egal ob wir den jungen Fils de Dégel nun noch brachen würden oder nicht, ich wollte doch nur, dass sie es leichter hatte, dass wir sie in diese Sache nicht hineindrängte, dass sie auch ‚nein’ sagen konnte. Und wenn ich dafür gestorben wäre, für sie hätte ich den Tod in kauf genommen...

Freundlich lächelte ich sie nun an, strich mit meiner Hand über ihr makelloses Gesicht. an „Nicht wahr Princesse? Und wie ihr auch entscheidet“, sagte ich sanft und machte nut eine kurze pause ich fortfuhr, „Wir werden es akzeptieren. Nimm dir die Zeit die du brauchst“

Ein kurze stille Folgte, Xavier nickte nur wobei er dieses seltsame, für mich immer so schwer zu verstehende Lächeln aufgesetzt hatte. Andrew schien das alles noch immer nicht zu interessieren. Marek hüstelte schließlich leicht und setzt dann an. . „Es stimmt, ihr solltet zu Eurem Bruder zurück.“ er hatte sich gleich direkt an Christine gewandt. Nun blickte er einmal durch die Runde. Jeden Vampir sah er einzeln an: „ Mein Vorschlag galt eigentlich euch. (Nun ich war natürlich davon ausgegangen dass er alle Beteiligten angesprochen hatte, aber anscheinend hatte ich mich da geirrt und fast noch dreisterer Weise hatte Marek in seinem Vorschlag zuvor Christine also gänzlich außen vorgelassen. Nun mein Fehler) Wir müssen nicht gleich in den Katakomben den Tag verbringen. In meinem bescheidenen Heim gibt es genug Räume, die vor der schrecklichen Sonne Schutz bieten. Die Katakomben wären nur die Fluchtmöglichkeit. wir wissen nicht wie stark dieser Lalittichandra ist, oder ob er sich auch am Tag durch die Straßen bewegen kann. Wir sollten zumindest vorbereitet sein.“ Er legte kurz eine Pause ein, wohl damit alle über den Vorschlag Sinnen konnte, spezielle christine welche noch immer die allgemeine Situation erfassen musste.

„Ich weiß nicht, ob das der richtige Zeitpunkt ist es Euch jetzt zu geben, aber vielleicht hilft es Euch dies alles ein wenig besser zu verstehen.“ Mit diesen Worten zog er eine feines silbernes Kettchen, das um seinen Hals hing, heraus. Der Anhänger war eine kleine Sonne, die in der Mitte ein Loch in Form eines Halbmondes hatte. Er nahm die Kette ab und reichte sie ihr. „Diese Kette trug Euer Vater um den Hals als er…..verstarb. Einer seiner letzten Gedanken war ‚gib sie dem Lichtbringer’ diesen Satz hatte er genau in dem Moment gesagt, als ich die Kette unter seinem Hemd entdeckte. Damals dachte ich er meinte Jesus beim Jüngsten Gericht und tat dies als Irrglauben ab. Doch heute weiß ich wen er gemeint hatte. EUCH. Ihr strahlt wie die Sonne, auch wenn Ihr es vielleicht nicht glauben könnt. Doch wir, die Kinder der Finsternis, können dieses Licht sehen.“ „Seid...seid ihr denn sicher das es mir gehört?“ fragte sie etwas unsicher doch kaum übergab Marek ihr die Kett verstummten die Widerworte und… überhaupt schien sich etwas verändert zu haben, der eben noch unsichere, ja beinahe Ängstliche Ausdruck in ihren, jede lüge Strafenden blauen Augen war eine seltsamen Sicherheit gewichen. Als wisse sie nun das hier ihr Platz und dies ihr Schicksal ist... „Ich hatte sie all die Jahre nie abgenommen. Sie hat mir in so manch dunkler Stunde den Weg gezeigt. Ich hoffe sie zeigt Euch ebenso den richtigen Weg.“

Wie so oft, wenn keiner etwas sagte, was nach so einer Offenbarung meist der Fall war, legte sich diese so vertraute Stille sich über diese Gasse, während Christine, genauso wie ich selber, das Kettchen betrachtete.

Eine Weile Pendelte mein Blick zwischen ihr und dem Kettchen und auch Marek hin und her und ein Haufen von Fragen überflutete meinen Geist.

Kilian verstand das ganze Nicht. Nur weil irgendein sterblicher ihm ein Geschenk machte (wieso hatte er Vater überhaupt seinen Mörder so etwas gesagt und anvertraut?) behielt er es doch nicht gleich. Er hätte es als höchst amüsant abgetan und irgendwann nach 50 Jahren spätestens weg geschmissen…

Nun ja… es war wohl zu verzeihen bedachte man doch die Umstände und alles das zwischen Marek und Christines bestand… und außerdem schien dieses Present Christine zusätzlich die Sicherheit zu geben welche ich ihr nicht hatte eben können… es blieb also un Kommentiert, was jedoch nicht für den Blick Galt den Marek mir zu warf. Xavier lächelte, und hielt die Hand belustigt vor den Mund. „Was?“ fragte ich scharf. Xavier schüttelte den Kopf, lächelte mich nur freundlich an „Nichts. Ich dachte nur gerade, dass du mich nie so angesehen hast“

War beim Gesichtsaudruck denn so seltsam? Waren Meine Gedanken denn so offensichtlich, oder lag es nur an Xavier welcher auch ohne Magie meine Gedanken zu lesen verstand?

„So leid es mir tut euch hier zu unterbrechen, aber wir sollten nun schnell Marek in seine Unterkunft folgen. Die Sonne wartet nicht auf uns.“

Ich wusste das Xavier mit seinen Worten Recht hatte, die Ersten Strahlen der Sonne begannen schon sich über den Horizont zu schieben und nur die engen Gassen und hohen Mauern schützten uns noch. Aber Christine.. wie sie mich ansah, wie sie meine Hand hielt. Alleine sollte sie gehen, alleine in die Höhle des Löwen, sollte sich ihrem Bruder stellen... „Ich bedaure es euch nicht begleiten zu können, Christine.“ Meine Zweite Hand umschloss ihre nun auch noch und ich führte sie vorsichtig an meinen Mund. „Ich bedaure es euch nicht begleiten zu können, Christine.“

Sie schüttelte nur sacht den Kopf, so dass ihr wunderbares braunes Haar zur Seite schwang. „Vergesst es. Geht lieber, um mich müsst ihr euch wirklich keine Sorgen machen. Ich schaff das schon irgendwie“, sagte sie schließlich. Und wie erleichtert ich war ihre Stimme zu höhren, nach dem sie doch all die Zeit geschwiegen hatte. „Bon nuit Mademoiselle“ Ich lächelte, küsste ihre Hand und wandte mich wieder den anderen Vampiren zu.

Xavier nickte, ging einmal auf Christine zu. Ein 18 Jähriger Junge der ihr bis zum Kinn ging und sie nun anlächelte. „Danke Mademoiselle“ sagte er, fixierte sie einen Moment mit seinen braunen Augen. Ohne ein weiteres trat er wieder einen Schritt zurück, verbeugte sich und kehrte zu den anderen zurück.

Ein letztes Mal strich ihre wäremende Hand über meine Wange, ein letztes mal sagte ihre unvorstellbar schöne Stimme: „Ich...Wir werden dort sein, Kilian“ Und dann drehte sie sich auch schon um und verschwand, nur noch mein Blick ihr Folgend.

„Hey, lass uns endlich gehen“

Ja auch Andrew lebte noch, leider wie ich feststellen musste denn eine ungehobeltere Art, als dieses Kindische ‚lass uns gehen’ und dazu dieses rum Gezerre an Mareks Ärmeln gab es sicher nicht um die Stimmung zu ruinieren.

Sicher, er war der jüngste und die Sonnenstrahlen, welche ich kaum wahrnahm mussten auf ihn paralysierend wirken. Aber er war trotzdem ein ausgewachsener Mann und das gehörte sich für eine solchen einfach nicht. Punkt. End of story.

Oder auch nicht, denn um den ganzen die Krone aufzusetzen schaute er in besondere mich noch einmal grimmig an… na da war ich ja in eine nette Gesellschaft geraten in der mich scheinbar außer Xavier niemand zu schätzen wusste… wie sehr sehnte ich mich schon nach dem morgigen Abend… aber, da auch ich müde war, ich des Streitens leid war und auch sonst mich nicht für die Erziehung dieses Vampirs verantwortlich fühlte strafte ich Andrew nur mit einem wütenden Blick, dann seufzte ich und stimmte zu. „Lasst uns gehen“ Je eher wir bei Marek waren um so eher schliefen wir und umso eher würde die nächste Nacht hereinbrechen und ich könnte sie wieder sehen.

Und so machten wir uns auf den Weg in die Unterkunft unseres Gastgebers, welcher mit Andrew an seiner Seite voraus ging, Guillaume folgte und Stumm und Xavier und ich bildeten die Mitte.

„Sie wird wiederkommen“, sagte Xavier nach einer Weile. „Das weiß ich“, gab ich wieder, dann wanderten Meine Augen zur Seite, wobei ich direkt in das lächelte Gesicht Xaviers Blickte „Woher…“, setzte ich an doch wurde ich sofort unterbrochen „Einfach so“ erwiderte Xavier ernst. Er war immer so gewesen, er hatte immer diesen Teil besessen der es mir unmöglich machte ihn ganz zu verstehen. Mal lächelte er bei den Banalsten Dingen, dann war er bei seltsamsten Sätzen ernst…

„Xavier“ sagte ich schließlich „es…“ „ist wirklich lange her“ beendete der ältere den Satz, auch wenn er sicherlich wusste, dass es nicht das gewesen war, was ich hatte sagen wollen.

Ein dankbares Lächeln spiegelte mein Gesicht wieder „Wenn ich dich so ansehe kommt es mir wie gestern vor“ „Aber es ist nicht gestern, Kilian“, erwiderte Xavier und richtete seinen Blick wie schon so oft gen Himmel „Es war in einem anderen Leben, ein Leben, das nie wieder kommen wird“ Ein Hauch von Trauer der sich in meinem immer und ewig jugendlichen Gesicht widerspiegelte und Xavier mich anschauen ließ. Er streckte die Hand aus, strich mir einmal über die Wange. Und auch wenn es nicht Christines wärmende Hände waren, so genoss ich es doch, nach all den Jahren, ihn wieder um mich zu wissen.

Ich schloss die Augen. Wie damals… „Und es wird niemals mehr so sein“ die Hand wich wieder zurück. „Denn du hast einen neuen Pfad bestritten. Einen auf dem ich dir nicht folgen kann. Geh ihn mit jemand anderem…“ Geh ihn mit ihr. Ich seufzte. In Gedanken war ich schon längst wieder bei Christine… wenn ihr Bruder irgendetwas tun sollte.. oder dieser Lalitichandra es wagen sollte ihr auch nur zu Nahe zu kommen.

Sicher, die Gedanken waren törichter Natur. Was sollte ich dann schon tun? Christian war ihr Bruder und sie liebte ihn, egal was er tat. Ihn zu schlagen bedeutete sie zu schlagen. Und Lalitichandra… nun ich hatte ja selbst gesehen wie weit ich gegen ihn ankam…

Endlich erreichten wir unser Ziel, die Villa Marks, genau so Prunkvoll wie man sie sich vorstellen konnte. Ein recht altes Gebäude zwar, doch mit Verzierungen war nicht gegeizt worden. Wie die meisten Häuser der gut betuchten waren auch die Wände dieses Prunkstückes aus weißem Stein, die Fenster mit dünnen, ebenso weißen, Fensterläden versehen. Sogar einen kleine arten in welchem ein Rosen Busch wuchs war angelegt Worden.

Auch das innere war prunkvoll eingerichtet. Meiner ehemaligen Villa gar nicht so unähnlich. Weniger Bilder von berühmten Künstlern, anscheinend legte Marek auf solcherlei nicht allzu viel Wert, dafür jedoch alte und kostbare Möbel, die meisten jedoch aus Paris… anscheinend hatte er die meiste Zeit seiner hundert Jahre hier verbracht… nur einpaar Italienische stücke standen noch herum, und ein Bild von Rom, eine Kohle Zeichnung doch allzu viel bekam auch nicht zu sehen. Mir wurde ein Zimmer zugeteilt, Xavier teilte sich mit Guillaume, über den ich erfuhr, dass Xavier sich anscheinend seiner angenommen hatte da dessen Meister ihn verlassen hatte, und natürlich auch Marek und Andrew. Ein typisches Gästezimmer, Gott sei dank mit sehr dicken purpurnen Vorhängen, welche nicht einen Sonnenstrahl durch ließen versehen, so dass wir unbehelligt den Tag darin verbringen konnten.

Der aufbruch

Kapitel 27 Der Aufbruch
 

Unruhig verbrachte ich den Tag in dem mir zugewiesenen Bett. Zwar schlief ich, und wirklich sagen ich hätte einen Traum gehabt kann ich nicht, oder zumindest keinen an den ich mich noch erinnern könnte, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas geschehen war, auch wenn ich nicht sagen konnte was es war… Irgendetwas war geschehen und in schon wenigen Stunden sollte ich erfahren was.

Viel Zeit um mir Gedanken über irgendwelche komischen Gefühle zu machen hatte ich ohnehin nicht. Eile war geboten wollten wir das nächste Schiff in Richtung Dijon von wo aus wir weiter nach Lyon reisen wollten, dort wieder ein Schiff, die Rhône entlang bis nach Marseille wo wir einen letzten Zwischenstop ablegen mussten eher wir aufs Mittelmeer in Richtung Rom fahren konnten, noch erreichen.

Nun sicher, es dauerte eine Weile bis auch die Langschläfer unter uns, zu denen augenscheinlich Marek gehörte, für die Reise bereit waren. Auch der seltsame schweigsame Jüngling Xaviers hatte länger geschlafen, als ich oder Andrew, welcher zu meiner Überraschung ein Frühaufsteher zu sein schien. Schließlich wurden noch die letzten Dinge geklärt ehe wir in die Kutsch stiegen. Zu den letzten Dingen gehörte auch was weiter mit Guillaume passieren sollte. Ein Junger, unerfahrener und recht verschwiegener Gefährte… nein er wäre nur ein Klotz am Bein und es würde obendrein ein gefährliche Reise werden. Xavier beschloss er solle in Paris bleiben und sich hier um alles Wichtige kümmern. Nun mir war das natürlich mir recht. Ich hatte ihn ohnehin nur als störend empfunden, was sollte man schon mit einer laufenden Statue anfangen? Und mehr schien er nicht zu sein denn keinen Gesichtsmuskel bewegte, kein Wort sprach. Wie eine Statue starrte er immer nur gerade aus mit seinen Saphirgrünen Augen.

Nun mussten nur noch unsere Särge und einige Habseligkeiten auf die Kutsche gebracht werden, nun ich hatte weder Habseligkeiten noch einen Sarg den ich hätte einladen können. Beides war ja, wie ihr wisst, schon längst verbrannt und dazu gekommen mir einen neuen zu besorgen war ich auch noch nicht. So saß ich also im Inneren, mein Kinn auf die rechte Hand gestützt und Trübsinnig durch das kleine Fenster hinaus in das nächtliche Paris starrend.

Regentropfen peitschten gegen das Fenster, gerade so als wolle sich das Wetter meiner Gemütslage anpassen. In der Ferne ein Donner hallen, ein kurzer Blitz, der die Nacht erhellte, die Straßen Menschenleer. Alle verkrochen sich vor dem Zorn Gottes, welcher diese bedeutende Nacht zu einer grausigen werden ließ.

Nur ein Mädchen und eine Handvoll Vampire, welche sich auf den Straßen befanden, auf ihrem Weg zum Hafen.
 

Kurze Zeit später erreichten wir diesen auch endlich, die schwarzen Räder, der ebenso so schwarzen Kutsche kamen zum still stand und die schwarz lackierten Türen entließen uns hinaus in die finstere Nacht.

Es war eine erschreckende Dunkelheit, wie man sie von Paris gar nicht kannte, wie sie wohl kaum ein Mensch im 21 Jahrhundert kennen wird, denn selbst wenn die Straßen leer sind, so sind doch überall Lichter. Doch damals… die paar Straßen Laternen in welchen einsam und alleine je eine Kerze brannte vermochte kaum etwas gegen die Finsternis auszurichten, lediglich die Schiffe, welche an der Seine vor Anker lagen und bald auslaufen sollten waren besser beleuchtet um die Boote Abfahrtsbereit machen zu können.

Plätze auf dem Schiff waren uns von einem der Diener Mareks schon gesichert worden, es fehlten nur noch…

Meine Augen blieben bei einer Gestallt, welche unter einer der Laternen saß hängen. Eine Person. Eine Frau, deren langes, gelocktes Haar am Körper Klebte, deren Kleider sich mit dem Wasser des Regens voll gesaugt hatten und welche einfach nur dastand, den Kopf nach unten geneigt, als traure sie…

Sollte ich mich irren? Konnte sie das wirklich sein?

Erst zögernd, dann jedoch mit immer schnelleren und festeren Schritten und mit jedem sicherer, dass ich mich nicht irrte ging ich auf sie zu. Nein ich irrte mich nicht, dessen war ich mir sicher, als ich schließlich hinter ihr stand, meinen Mantel ablegte und über ihren Kopf hielt um sie vor dem kalten Regen zu schützen. „Wenn ihr zulange im Regen steht erkältet ihr euch noch“, sagte ich freundlich und lächelte Christine erleichtert zu.

„Wer hat mich denn so lange warten lassen?“, meinte sie neckisch, sichtlich bemüht in ihrer Stimme Fröhlichkeit mitschwingen zu lassen. Aber irgendwie kam nicht mehr als ein zittriges Unterdrücken der Tränen und Sorge aus ihrer Kehle.

Wo eben noch Freude über ihren Anblick gewesen war, war nun Sorge. Den Verdacht das etwas nicht stimmte hatte ich gehabt, seid ich sie dort alleine habe sitzen sehen.

Entweder Keiner, oder Beide. Das war es womit ich gerechnet hatte. Nicht sie alleine.

Nun, wo sie mich ansah und versuchte ihren Stimme einen fröhlichen Klang zu geben, wo doch das Leid und die Trauer aus ihren Augen sprach…

„Was ist geschehen?“, fragte ich sofort mit ernster Miene.

Hatte Christian etwas getan? War sie davon gerannt? Oder war womöglich ihm etwas zu gestoßen?

Wieso- egal was es gewesen sein mochte- wieso hatte ich nicht bei ihr sein können? Wieso hatte sie hier alleine warten müssen?

Die Antwort war leicht, zu leicht. Weil ich war was ich war. Zum ersten Mal nach 200 Jahren verfluchte ich den Tag da ich Xavier bat mir den Kuss der Unsterblichkeit und somit ein neues Leben zugeben. Zum ersten Mal seid ich denken konnte wünschte ich mir für einen Augenblick bei Tage wandern zu können, denn so hätte ich sie nicht alleine gehen lassen müssen, sie alleine leiden lassen müssen.

Ich ergriff ihre Hand „Christine, was ist geschehen? Was ist mit Christian?“ sie durfte nicht sagen das er tot war! Nein.

Sicher, er hätte den Tot verdient, aber sie nicht. Soviel hatte sie verloren, so viel gab sie mit dieser Reise auf, so viel, und das wäre zuviel.

Einen Moment sah sie mich an, mit den Tränen die versuchten sich durch zu drängen kämpfend, bis sie schließlich nicht mehr konnte. Die salzigen Tränen mischten sich mit dem klaren Regen, sie drehte sich um drückte ihren Kopf gegen meine Brust. „Er hat ihn“, schluchzte sie „Wieso, Kilian? Wieso muss das alles passieren? Ich kann nicht mehr? Ich will nicht mehr“

Ein wenig verwirrt stand ich da, legte behutsam meine Hand um ihre Schulter. „Ich schaff das nicht alleine“, wisperte sie leise, verzweifelte durch die Tränen, welche sie zu ersticken drohten hindurch.

Wut stieg in mir empor. Er würde dafür Büßen. Lalitchandra würde für jede dieser Tränen teuer bezahlen, das schwor ich mir, doch Wut würde ihre Qual nicht mindern. Ich musste jetzt für sie da sein… sie sollte wissen, dass sie nicht alleine war.

„Ich weiß es nicht“, flüsterte ich, „Aber es wird alles gut werden. Du bist nicht alleine. Ich werde dir helfen ihn wieder zu finden, und du wirst ihn wieder finden, da bin ich mir sicher.“

Ich wusste nicht so wirklich was ich sagen, wie ich mich verhalten sollte. Und das war etwas sehr ungewohntes für mich. Sonst hatte ich mir immer die richtigen Worte schon vorgelegt, wusste immer wie ich mich zu verhalten hatte, doch hatte ich nie mit so einer Wendung des Geschehens gerechnet… Christian….

Sicher war er noch nicht tot. Das Band was die Zwillinge verband war härter als Eisen. Blut ist Dicker als Wasser heißt es. Das Blut dieser Zwilling war Magisch, sie wüsste es, wenn er Christian nicht mehr leben würde, und sie würde es nicht nur ahnen…. Immerhin etwas. „Ich kann euch nicht sagen, dass es ihm gut geht, ich weiß nicht einmal was vorgefallen ist, Christine, ich kann euch nur sagen, dass ihr nicht alleine seid, und dass er noch lebt. Gebt die Hoffnung nicht auf. Ihr und euer Bruder, ihr seid wie Magneten, ihr seid wie zwei Seiten einer Medallie, unzertrennlich und keine Macht der Welt kann daran etwas ändern“ Diese Worte sollten ihr Trost spenden, ich hoffte sie würden ihre Wirkung nicht verfehlen. Mir selbst taten sie weh, doch meine Gefühle waren jetzt nicht das Wichtigste. Ich drückte sie fest an meinen Körper, wollte ihr Wärme und Geborgenheit schenken doch wie sollte ich ihr schon Wärme schenken? Ich entzog sie ihr doch höchstens. „Verzeiht… verzeiht, dass ich nicht bei euch war… was auch immer geschehen sein mag, ich war nicht da…. Es … tut mir leid“

Hatte ich jemals so ernste Worte an jemanden gerichtet?

Jede ihrer Tränen schmerzte mich, als wäre es eine eigene… Lalitichandra würde büßen. Oh ja, und ich würde Christian finden und wenn es das Letzte war was ich tat!

Eine Weile hielt ich sie so in meinen Armen, während sie ihre Tränen vergießen konnte, an das Schiff und die Anderen dachte ich gar nicht mehr, meine Welt bestand nur aus ihr, aus Christine. Sie, mein Paradies. Sie, meine Hölle.

Erst Xaviers höfliches Hüsteln brachte mich zurück. „Verzeiht meine unhöfliche Unterbrechung des Gespräches, jedoch hat uns der Kapitän des Schiffes darauf hingewiesen, dass das Bot nun ablegen wird, weshalb ich darum bitte, dass ihr mir folgt.“

Ich wandte meinen Kopf in seine Richtung und auch Christine sah auf und wischte sich schnell die Tränen vom Gesicht. „Er hat wohl Recht. Wir…sollten fahren“, brachte sie hervor, schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und nahm nun auch meine Hand um mit mir die Planke hinauf ins Trockene zu gehen.

Ich nickte Xavier zu „Ja wir kommen“

Ich sah Christine noch eine ganze Weile an. Zwar schien sie etwas erleichtert zu sein… doch wirklich Lächeln konnte sie nicht. Ich wusste nicht genau was vorgefallen war, hoffte es noch von ihr zu erfahren, aber sie so zu sehen konnte ich nicht ertragen.

Ich lächelte sanft und hob sie schließlich mit Leichtigkeit hoch, und trug sie nun. Prinzessinnen sollten auch nicht mit den eigenen Füßen gehen müssen.

Sie war so leicht… wie eine Feder, nein, wie ein Engel der direkt von Himmel gesandt worden war. Ein gefallener Engel, von Gott verstoßen, denn niemand hatte es verdient so viel durchzumachen wie sie.

Wie schaffte sie das nur? Sie hatte so viel erlebet, so viel durchlitten und doch sah sie so schön aus wie ein Juwel. Kaum eine Narbe hatten die Stiche der Zeit auf ihrem Antlitz hinterlassen… wie konnte sie obwohl sie soviel Leiden hat über sich ergehen lassen müssen, so schön und unschuldig sein?

„Ich bringe euch erst einmal ins Trockene, ihr könnt euch auch umziehen, und dann berichtet ihr was Vorgefallen und welche Bewandtnis es mit dem verschwinden eures Bruders auf sich hat.“

Marek und Andrew waren anscheinend schon vorgegangen und Xavier hatte sich auch schon von Guillaume verabschiedet, ich du Christine waren die Letzten, welche das Schiff betraten.

„Ach dann sind wir also endlich vollständig ja?“ Dass diese Bemerkung Mareks nicht im freundlichsten Tonfall war muss ich wohl nicht erwähnen, doch ich hatte nun wirklich anderes im Kopf als mich über ihn aufzuregen. All meine Gedanken waren noch bei ihr und kreisten sich um die Frage, was wohl vorgefallen war… was Christine zum weinen gebracht hatte…

„Nun wenn dann alles geklärt ist würde ich sagen wir ziehen uns zurück, die Reise wird noch lange genug dauern und wie es scheint haben einige noch Ausruh bedarf“ Er schaute zu Christine und tatsächlich war der Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen zu finden. Xavier nickte nur: „Ich denke auch dass wir noch genug Zeit haben alles zu besprechen, vor Übermorgen früh sollten wir nicht in Dijon ankommen, wir sollten die ganze Angelegenheit jeder für sich überdenken.“, sagte er ruhig und ernst.

Gesagt getan, Marek und Andrew zogen sich auf ihre Kabinen zurück, wohin es Xavier verschlug weiß ich nicht, ich jedenfalls brachte Christine in ihre Kajüte.

„Nun ich werde dir erst einmal etwas zum Anziehen bringen und dann erzählst du mir alles, ja?“, sagte ich ruhig während ich sie auf das Bett legte. Es war nicht sonderlich bequemes, keine Luxus-Suite, aber was sollte man so kurzfristig schon erwarten? Immerhin war es etwas.

Kein Lächeln auf ihrem Gesicht, doch war es fast schon beruhigend dies zusehen, zumindest für mich.

Ja, was hatte ich schon von einem falschen Lächeln? Ich wusste genau, dass ihr nicht danach war und sie sich gezwungen hätte. Man konnte nicht immer Lachen, und auch wenn es schmerzte diese Trauer und Verzweiflung in den dunklen Augen zu lesen, so sehr ehrte es mich. Es ehrte mich mehr als der Blick einer Königin, das Wohlwollen eines Kaisers oder sonst jemanden. Nichts schien mich je so bewegen zu können, denn dieses fehlende Lächeln sagte mir, dass sie mich akzeptiert hatte. Einfach so wie ich war. Als das was ich war. Sie musste sich nicht verstellen, bei mir konnte sie sie selbst sein, so wie ich, ich selbst sein konnte. Noch einen Moment lag mein Blick auf ihrem Makellosen Gesicht.

Gerade hatte ich mich umdrehen, ihr saubere und vor allem trockene Kleidung holen wollen, als sie ihre Hand ausstreckte mir eine Strähne hinters Ohr zu stecken, was jedoch nicht ganz gelingen wollte, denn sofort löste sich das blonde Haar wieder. Dann vernahm ich ihr Stimme, sanft, zitternd, bittend. „Bleibst du bei mir?“

Ein weiches, warmes Lächeln huschte über mein Gesicht und ich ließ mich auf das Polster nieder, meine starke Rechte strich ihr über das feine, nasse Gesicht. wie eine Porzelanpuppe... nein viel schöner.

“Natürlich bleibe ich“ ich führte ihre Hand an meinen Mund und küsste sie zärtlich „Euer Wunsch ist mir befehl“

„Das ist gut“, flüsterte sie, kaum hörbar doch selbst hätte sie es nicht gesagt, ich hätte es gespürt. Ich würde bei ihr bleiben, solange wie eben möglich. Soviel hatte sie über sich ergehen lassen müssen, jeden Moment des Friedens den ich ihr zu schenken im Stande war sollte ihr frei stehen. Jede Milderung ihres Schmerzes war ein Gefühl des Glückes in meinem Herzen.

Ich saß neben ihr, ihre zarten, gläsernen Hände in den meinen, sie sanft streichelnd. Meine blauen Augen ruhten voller Kummer und voller Wärme auf ihr. So schön war sie, wie sie da lag, das braune Haar, welches über das Kissen viel, die zarten roten Lippen die leicht geöffnet waren, die blassen Augenlider die nun den Schein ihrer blauen Augen verdeckten. Nichts an ihr schien unvollkommen, nichts schien Makel zu haben. Sie war ein Engel aus Kristall, so schön und so zerbrechlich... ihre Seele so zart und einfach nicht für diese grausame Welt geschaffen. Er verstand Christian warum dieser seine Schwester solange vor der schrecklichen Welt in der sie gefangen waren behüten wollte... Aber ich wollte nicht denselben Fehler wie ihr einfältiger Bruder begehen. Sicher, ich würde nicht zulassen dass man ihre zarte Seele verletzte, dass aus dem kleine Sprung nicht ein Meer aus Scherben wurde... ich würde sie begleiten, würde sie führen so gut es eben ging und sie ihre eigenen Schritte machen lassen.

Ein Lächeln lag auf meinem Gesicht. während ich ihren, sich gleichmäßig hebend und senkenden Brustkorb beobachtete, den kurzen Anflug eines Lächelns, das doch keines werden sollte auf ihrem Gesicht...

Einen Moment saß ich noch, beobachtete die schlafende Schönheit.

Doch... wo Schönheit ist, ist auch das Böse. Schönheit hat die Angewohnheit alle, die sie bezaubert in ein tragisches Schicksal zu stürzen...

Nehmen wir zum Beispiel einen Diamanten, je schöner ein Diamant ist, desto Abweisender ist die kalte Mauer seines Funkelns, das mit jeder neuen Bluttat seiner Geschichte weiter zunahm.

Genauso Christine... mit jedem Schrecken, der nur um ihrer Schönheit, und damit war nicht nur ihre Körperlichen Vorzüge, sondern gleichermaßen ihre Schöne Seele gemeint, willen begangen wurde, sein es die Eltern die vor ihren Augen vernichtet wurden, weil die Vampire von ihrem Schicksal gewusst hatten, sei es ihr Bruder der nun verschwunden war sei es... die Liebe eines Monsters... all das hatte sie noch schöner gemacht....

„Warte einen Moment, ich will dir nur ein Gewand holen, dann bin ich sofort wieder da“, sagte sich schließlich und wollte mich erheben, doch hielten mich ihre zarten Hände fest.

„Als ich..“ begann sie mit bebender Stimme „Als ich zu Hause ankam… da.. da war kein Zuhause mehr“ sagte sie. Ich spürte wie ihre Hände zu zittern begannen, dennoch konnte ich mich nicht bewegen, stand nur da und lauschte ihren Worten. „überall… überall war Feuer… nein nicht überall, nur unser Haus, sonst nichts, nur unsere Kleine Unterkunft verbrannte… alles… alles was wir uns erarbeitet hatten… alles… alles… weg“ einen Moment schien es als wollte ihr die Stimme, welche mit jedem Wort leider Wurde verzagen. Mein Griff um ihre Hand wurde fester. Es musste sie viel Überwindung kosten mir das zu erzählen und doch tat sie es und ich würde lügen würde ich behaupten es freue mich nicht. Es freute mich ebenso sehr wie mich ihre traurige Stimme schmerzte. „Es war kein normales Feuer“ sagte sie schließlich, ein wenig mehr Festigkeit in ihrer Stimme, ich drehte mich um und sah nun, dass sie mich die ganze Zeit aus ihren dunkelblauen Augen heraus angesehen hatte „Da war ein seltsames Zeichen auf den Boden gemalt, mit Roter Kreide und ein Mädchen mit ebenso rotem Haar… sie… sie sagte sie hätte n ihn… und dann verschwand sie einfach.“ Sie ließ den Kopf sinken, die Hand erschlaffte und wieder kullerte eine Träne über ihr Gesicht.

Das war also passierte… kein Wunder, dass sie solche Angst davor hatte alleine zu sein. Klein wunder dass sie mit den Nerven so am Ende war. Ich kniete noch einmal nieder und schloss sie in meine Arme, ohne etwas zu sagen, denn keine Worte der Welt hätten Ausdrücken können was ich ihr habe sagen wollen und keine Worte der Welt hätten ihr Helfen können den Schmerz in ihrer Brust zu vergessen.

Schließlich ließ ich sie doch wieder los, sah ihr fest in die augen. „Kleich mein engel, du musst wirklich aus den nassen Klamotten raus, du wirst sehen, dann geht es dir schon viel besser. Und dann will ich die ganze Nacht nicht von deiner Seite weichen, bis du mir sagst ich solle gehen.“ Sie nickte stumm, und doch schmerzte es mich aufzustehen, gefolgt von ihrem traurigen Blick zur Tür zu gehen, sie zu öffnen und sie dort alleine zu lassen, auch wenn es nur für kurze Zeit war.

Ich ging in meine Kajüte wo sich das bisschen meines Gepäckes, eigentlich nur Kleidung, vorrausichtlich hatte ich natürlich auch ein gewand für Christine eingekauft, befand. Auch mein roter Rock war völlig durchnäss und so zog ich mir schnell ein einfach weißes Hemd und eine blaue Stoff Hose an, ehe ich mit dem Kleid für Christine, es war dieses Mal ein einfaches Kleid welches man ohne größere Probleme anziehen konnte, wieder zurück in ihre Kajüte ging. Sie lag noch immer auf dem Bett, die Augen geschlossen, ruhig atmend, schlafend.

Ich lächelte ein wenig und legte ihr dann die Kleidung über den Stuhl, als ich plötzlich etwas spürte. Ich wollte nicht ihre Gedanken lesen, doch wie ein Blitz hatte mich diese Empfindung gepackt, mit einem Ruck drehte ich mich zu ihr.

Angst. Angst um ihn, Christian. Angst…

Mit zwei großen Schritten stand ich an ihrem Bett, kein Gesichts Muskel verriet wovon sie gerade träumte, aber ich spürte es. Ich ergriff ihre Hand, sie solle nicht alleine sein… ich wusste nicht ob…

Weiße Zähne… blaue Augen… Kälte.

Ich wich automatisch eine Schritt zurück und im Selben Moment schreckte sie hoch, schneller atmend, eine Hand an die Stirn gepresst, mich gar nicht bemerkend. Schnell war ich wider bei ihr „Schhhh ganz ruhig, es war nur ein Traum.. nur ein Traum“, flüsterte ich ihr beruhigend zu.

Kalte blaue Augen… sah sie mich wirklich so? Ich kannte den rest ihres Traumes nicht, vielleicht waren es auch Mareks Augen gewesen, er der doch ihr Leben zu dem gemacht hatte, was es nun war. Zu schnell das der Gedankenblitz wieder verschwunden und dennoch… Doch all meine sorgen wurden durch ihren Blick wieder weggewischt.. Ihre Gesichtsmuskeln entspannten sich, ein kurzes Lächeln huschte über ihre vollen Lippen doch das wichtigste waren ihre Augen welche mich in reiner Dankbarkeit ansahen. Sie nickte leicht „Nur ein Traum“ wiederholte sie „nichts weiter…“

Sie zitterte sich, Ihr Blick glitt hinüber zum Fenster, wo jedoch nichts als die schwarze Nacht zu sehen war.

Sicher wünschte sie sich nichts mehr als Sonne, als Licht. Christine war nun einmal nicht für ein Leben in Dunkelheit geschaffen, doch etwas anderes konnte ich ihr nicht bieten… ich bemerkte wie sie leicht zitterte, wie unaufmerksam von mir. Natürlich fror sie, schließlich war sie noch immer in den nassen Kleidern.

Ich griff zum Stuhl hinüber wo ich das Gewand welches ich für sie mitgenommen hatte abgelegt hatte und reichte es ihr „Zieht euch das erst einmal an.“

Wie es sich für eine Gentillehomme geziemte drehte ich mich natürlich weg während Christine sich ihrer nassen Kleider entledigte. Dass ich noch im Raum war schien sie nicht im Geringsten zu stören, ob dies nun daran lag, dass sie vor mir kein Schamgefühl zu haben brauchte, oder schlicht weg, weil sie es aus Waisenhaus und ihrem Leben mit Christian. Erst als sie ihn bat ihr zu helfen wagt ich es meine Augen wieder auf sie zurichten.

Wie schön sie aussah, das samtene, blasse Grün des Kleides schien ihre meerblauen Augen noch mehr zur Geltung zu bringen.

Der dünne Stoff passte sich ihren zarten, weiblichen Rundungen an, sodass man noch immer erahnen konnte wie ihr Körper aussah, ohne jedoch zuviel zu verraten. Wäre ich so alt, wie sein Gesicht vorgaukelte zu sein, ich wäre sicher Puterrot angelaufen bei dem Anblick dieser Schönheit. Doch auch so hatte sich ein seichter Hauch von Farbe auf den Wangen nieder gelegt, eher ich zu ihr Schritt und half so gut es ging.

„Ich muss die ganze Zeit an ihn denken. Ob es ihm gut geht und ob...ob er mir verzeihen wird. Aber dabei will ich gar nicht an ihn denken. Ich versuche es immer wieder und doch... beherrscht er beinah jede Sekunde meiner Gedanken“ Ihr dünne Stimme durchschnitt den Raum, drang an meine Ohre. Der Leser mag sich bei diesen Worten vielleicht denken ich solle antworten. Ich solle ihr sagen, dass es natürlich sei, dass der schließlich ihr Bruder war. Oder dass ich ihr helfen wolle nicht an ihn zu denken. Oder sie ermutigen, dass wir ihn wieder finden würden. Es gab so viele Möglichkeiten, doch ich hörte nur zu. Warum? Weil sie es so wollte. Es ging ihr nur darum zu reden, es jemandem zu sagen. Sie wollte keine Ratschläge, wollte keine antwort auf ihre Worte, sie wollte nur ein Ohr welches sie erhörte und ich lieh ihr gerne mein Ohr auch wenn ihre Worte sich wie Dolche in mein Herz bohrten. Sie und ihr Bruder waren unzertrennlich, auch wenn sich ihre Wege getrennt hatten, irgendwo war da doch diese unsichtbare Linie, die nicht einmal er durchtrennen konnte. Doch was sie mir sagte war mir schon lange klar gewesen und so behielt ich meine Fassung und lauschte stumm ihren Worten.

Ohne ein Wort, ohne eine Miene zu verziehen ließ sie sich vorsichtig auf die Kante des alten Bettes in welchem sie noch bis vor wenigen Minuten geschlafen hatte. Der Stoff des neuen Kleides raschelte angenehm. Die sah mich eine Zeit lang an...ohne ein Wort... sah mich einfach nur an...und dann, als hätte sie die Worte vorhin gar nicht ausgesprochen. Als hätten sie nie existiert, als wären die beiden mitten im Gespräch gewesen:

„Verlangt es dich danach mein Blut zu trinken, Kilian?“

Gefühle

Kapitel 28 Gefühle
 

Verwundert, ja beinahe versteinert waren meine Augen auf sie fixiert, so unerwartet waren die Worte gekommen.

Ob ich ihr Blut begehre… Unverwandt sahen mich ihre blauen Augen an, während sie auf eine Antwort wartete. Schließlich löste ich mich aus der Starre, tat einen Schritt nach Vorne, setzte mich neben sie, strich mit meiner blassen Hand über das noch immer feuchte Haar den feinen Rücken hinunter „Was für eine Frage“, antwortete ich behutsam während mein Körper sich immer weiter dem Ihrigen näherte. Mein Kopf wanderte an ihren Hals durch welchen ich das Rauschen ihres lieblichen Blutes hören konnte. Der süße Geruch ihres Blutes, das zarte Rosa ihrer Haut… vielleicht merkte sie es nicht doch fast von selbst neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite, schloss die Augen, geradezu als warte sie darauf dass ich diesen Schritt tat.

Ich konnte ihren Herzschlag hören, konnte ihren Atem der immer schneller ging spüren. Noch ein wenig näher, das starke Pulsieren der Pulsschlagader, immer im selben stetigen Tempo. Nur kurz hielt ich inne, dann jedoch wanderte mein Mund, mit den tödlichen, strahlend weißen Zähnen ein Stück nach oben bis an ihre Ohrmuschel.

„Ich würde lügen würde ich nicht sagen, dass dem so wäre. Meinen Körper dürstet es immer nach Blut, egal von wem, ob von dir oder sonst jemandem. Wäre ich ein von Trieben gesteuertes Monster, so wäret ihr schonlange nicht mehr auf dieser Welt, sondern unter all den anderen Engeln im Himmel.“ Vorsichtig, behutsam, langsam schloss ich sie in meine Arme und drückte sie an mich, sah ihr nun jedoch wieder in die Augen. „Aber ich habe einen Verstand, ich bin nicht nur ein Monster, das nur eines im Kopf hat, und wichtiger als meine Befriedigung ist dein Glück. Sicher, ich könnte trinken ohne dich zu töten, aber... nie gegen deinen Willen. Nie.“

„Es...es ist nicht fair“, sie drehte den Kopf zur Seite, wich meinem Blick aus. Ihre Hände ballte sie zu Fäusten „Es ist nicht fair“ Sie sah mich wieder an.

„Du...du entbehrst dich meinetwegen von so vielem. Du bringst so viele Opfer, du hilfst mir wo du nur kannst. Ich... ah, sie mich doch an, ich brauche bloß ein paar Tränen zu vergießen und schon bist du hier, mich zu stützen. Das ist einfach nicht fair. Du tust so viel für mich und in Wahrheit...in Wahrheit... du wirst nie wieder die Sonne sehen können. Du wirst nie wieder sehen können wie sich ihr Licht in den Wellen der frischen See bricht. Du wirst nie wieder essen, oder... oder trinken können. Eine Frau lieben, oder die Vögel der nachmittäglichen Frühlingsluft hören können. Du wirst nie wieder das Blau des Meeres sehen können. Oh, Kilian, weißt du noch wie schön das Meer aussieht?“ So Viel Trauer, ja beinahe schon Verzweiflung in ihrer Stimme und das meinetwegen. Sie sorgte sich um mich, war auf mein Wohlergehen fixiert… und das wo doch nichts mein Herz mehr bedrückte, als dieses Leid in ihren Augen zu sehen.

Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, ein verzweifeltes Flüstern, zittrig. Ihre Finger berührten vorsichtig meine Lippen.

„Ich will dir so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie.“

Sollte ich mich über ihre Sorge nun freuen, dass ich einen so großen Platz in ihren Herzen einnahm dass sie mit Leib und Seele mit mir fühlte (sogar Dinge die ich selbst so nicht fühlte, ganz als nehme sie mir den Schmerz von den Schultern), oder sollte mein Herz über ihr Leid in zausend Scherben zerbrechen?

Es war nicht fair? Ich hatte ewige Jugend, ich hatte ewiges Leben... Ich hatte...

"Bereue du nicht für mich“, sagte ich schließlich und wandte mich von ihr ab, ging einige Schritte durch den Raum zum Bullauge, gegen welches die Wasserwogen peitschten. „Goldene Sonne, blaues Meer...“ Was hatte ich schon? Nie hatte ich diesen Dingen Bedeutung zu gesprochen, auch als ich noch lebte waren sie bedeutungslos für mich gewesen, und eigentlich war das jetzt nicht anders. Ich konnte mich nicht wirklich an die Farbe des Himmel erinnern, nicht so wie sie, für mich waren es mehr Gemälde in meinem Kopf. Doch was scherte es mich? War die Welt bei Tage etwa anders als bei Nacht? Wohl kaum..

All das ging mir durch den Kopf während Gedanken verloren die hellblauen Augen meiner eigenen Reflektion anstarrte, bis ich den Kopf wieder zu ihr wandte.

„Ich habe dieses Leben gewählt, aus freien Stücken. Ich habe freiwillig auf all diese Dinge verzichtet, damals. Also bereue nicht meine Entscheidung, denn ich tue es nicht." Fest waren meine Worte, entschlossen.

Nein ich würde all die Jahre mit Xavier nicht bereuen, ich würde all die Dinge die ich gesehen und gelernt hatte nicht bereuen. "Hätte ich damals diese Entscheidung nicht getroffen, Christine, so hätte ich dich niemals treffen können. Schon alleine deshalb kann und werde ich es nie bereuen.

Du sagst es sei nicht fair. Du sagst ich müsste verzichten, wegen dir. Du sagst du könntest mir nichts geben, für all das, was ich dir gebe" Es hielt mich nichts mehr am Fenster. Schnellen festen Schrittes kam ich auf sie zu, stand nun wieder direkt vor ihr. „Doch, Christine, der größte Verzicht wäre es nicht bei dir sein zu können, dich nicht stützen zu dürfen und nie wieder in diese wunderbaren Augen blicken zu dürfen. Noch strahlender als die Sonne, und blauer als der Himmel und tiefer als das Meer, und mich mehr bewegend ist dein Lächeln, und mehr will ich auch nicht. Schenk mir dein Licht, nur einen Teil.

Ich weiß nicht mehr wie das blaue Meer aussieht, ich kann mich nicht an die roten Strahlen der Morgensonne erinnern, oder wie es ist wenn die Blumen in Frühling zu blühen beginnen. Dann erzähl es mir doch einfach, und jedes Wort welches deine Lippen verlässt wird ein Teil von mir, und wird mein Herz vielleicht wieder ein wenig Menschlicher werden lassen.“

Ich strich ihr über die Wange, beugte mich nach Vorne, langsam, jedoch ohne Widerstand zu zulassen und küsste sie sanft auf den Mund. Und sie erwiderte den Kuss, wie sie ihn noch nie zuvor erwidert hatte. Ein Kuss der eine Ewigkeit gleich kam. Ich schmeckte den süßen Tee, welchen sie irgendwann im laufe des Tages getrunken hatte, und ihre Wärme schien mich zu umfangen, schien bis in mein versteinertes Herz zu dringen und es zu erwärmen. Alles war vergessen. Vergessen dass wir nicht dazu gemacht waren glücklich zu werden. Vergessen die Aufgabe, welche und alles abverlangen würde. Vergessen der undurchdringbare Teufelkreis in dem wir gefangen waren, denn machte sie sie nicht zu einem Kind der Nacht würde sie altern und sterben, machte ich sie zu einem so würde Christine nicht mehr Christine sein. Ein undurchdringlicher Teufelskreis der alles zu zerstören drohte. Doch wen interessierte das schon?

Es war doch der Augenblick der zählte, und dieser Augenblick sollte ein unvergesslicher bleiben.

Schließlich lösten sich unsere Lippen und erneut sah sie mich an, doch dieses Mal war nichts von der Trauer in ihrem Blick. Nein alle Zweifel schienen fortgewischt, ein weiterer Entschluss schien gefasst zu sein. Sie war entschlossener, fester. Sie war wunderschön in diesem Moment „Kilian, schließ die Augen“, bat mich, nein befahl sie mir beinahe schon wenn auch mit sanfter, ruhiger wie auch entschlossener Stimme. Und dann nahm sie meine Hand. Und dann küsste sie diese. Und dann wiederholte sie die Bitte und ich folgte und schloss die Augen.

Ich vertraute ihr. Ich wusste nicht was sie vorhatte, was die Bitte sollte, aber ich folgte ihr, würde ihr immer folgen und keine Bitte ablehnen.

So stand ich da, mit geschlossenen Augen, hörte nichts außer dem Knarren des Schiffes, dem Peitschen der Wellen gegen den Rumpf, spürte das sanfte auf und ab durch die Wellen unter meinen Füßen, und ihren Atem der so dicht an mir dran war, roch ihre Haut, ihr süßes Blut...

Ein eine Weile geschah nichts, sie saß da auf dem Bett kannte, bewegt hatte sie sich jedenfalls nicht, das hätte ich gehört. Anscheinend sah sie mich einfach nur an, und warum auch nicht?

Zum ersten Mal konnte sie entscheiden, ich musste darauf warten, dass sie etwas tat… und das tat sie dann auch.

Vorsichtig hob sie ihren Arm, führte ihn an meinen Kragen und begann die knöpfe des weißen Seidenhemdes auf zu Knöpfen, jeden einzelnen, ganz langsam, behutsam, über an meinem Brustkorb angefangen hinunter bis zur Hose. Ich blieb stehen, ließ die Augen geschlossen und wartete… vorsichtig glitten ihre warmen Finger über meinen Hals, strichen das Hemd von meinen Schultern so dass es mit einem leisen Rascheln zu Boden fiel, dann strich sie mir, eben so fein, ebenso zart wieder über die baren Schulterblätter zurück zum Hals, von wo aus sie mich dann runter zu ihr ins Bett zog. Und ich ließ mich ziehen, ohne Widerstand zu leisten, ohne die Augen zu öffnen.

„Das ist der warme Wind, von der frischen Frühlingssonne sanft aufgeheizt. Hörst du die Vögel, Kilian? Eine Amsel sitzt auf dem Zaun und putzt ihr schwarzes Gefieder. Stell´s dir vor, Kilian.“ Ihre Lippen waren direkt neben meinem Ohr und ihr Atem so angenehm wie die Sommerbriese, die sie beschrieb, ihre Stimme so klar wie das Zwitschern der Amsel, welches ich schon beinahe vergessen hatte und ihr Körper so warm wie die Strahlen der Sonne, welche nie wieder meine eisige Haut berühren sollten. Ich wollte sie, jede ihrer Berührungen entfachten ein mir bisher unbekanntes Feuer, wie ich es noch nie bei einer Frau verspührt hatte. Es war nicht pure Lust nach Blut, nein es war mehr. Ich wollte sie einfach glücklich machen um mich glücklich zu machen… Noch stützte ich mich mit meiner Hand ab, der Zopf hing an einer Seite herab, doch ich spürte wie ihre Finger sich schon geschickt am Knoten des schwarzen Bandes zu schaffen machten, so dass bald das Blonde Haar über meine Schultern fiel „Ja“, murmelte ich. Langsam näherte ich mich ihr, ich wusste genau wo und wie sie lag, auch mit geschlossenen Augen „Ja, ich spüre die Sonne… du bist meine neue Sonne, der Frühling meines Lebens… und ich danke für jeden Strahl“ weiter kam ich nicht, denn schon berührten meine Lippen ihren Hals. Ich spürte wie sie bei der Berührung leicht zusammenzuckte, doch ich konnte einfach nicht anders, auf den ersten folgte der zweite und dann der dritte Kuss die Halspartie empor über ihr Wagen bis zu ihrem Mund welchem ich einen innigen Kuss schenkte, den sie zuließ, erwiderte, ihre Hand meinen Oberkörper an ihren heranziehend, mich zu sich holend.

Bald drehte sich, so dass ich unten lag und küsste mich nun so inniglich wie ich zuvor sie. Warm, und feucht und unbeschreiblich waren ihre Küsse. Ihr Hände, welche mein Fleisch massierten. Meine Hände, welche unter ihr leichtes Gewand glitten, mich ihren zarten weiblichen Konturen spüren ließen. Ihre Küsse auf meinen Wangen, meinem Hals, meiner Brust, ihre zarte rosige Haut, welche mit meiner zu verschmelzen suchte… doch es ging nicht. Ich war tot, mein Körper leblos und die Freuden des Fleisches würden mir versagt bleiben. Diese eine Sache die sie mir und mir hätte geben können wollen und die ich, selbst wenn, selbst wo ich wollte nicht annehmen konnte… doch es war nicht von Interesse, oder?

Ich liebte sie. Ich liebte sie mehr als irgendetwas, mehr als ich je Xavier hatte lieben können. Und sie… sie liebte mich, da war ich mir sicher.

„Du sagst ich sei deine Sonne“, flüstere sie sie, stützte sich an den Seiten ab, hob eine Hand und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Wenn du es sagst, dann will ich sein“

Sie strich mir mit der Hand sanft über seine Wange.

„Ich will dein Licht sein, ich will dich aus deiner Dunkelheit führen. So wie du mich aus meiner geführt hast.“

Jedes Wort, jede Berührung alles nahm ich in mir auf, vereinte es zu einer Ewigkeit, welche nur einen Moment andauern konnte und doch war dieser Moment wie ein Urknall, in welchem ein völlig neues Universum aus Gedanken, Gefühlen und Begriffen für mich entstand.

Ich, ein Vampir der sie, einen Engel liebte. Ein Monster.. die Schöne und das Biest, denn was konnte ich ihr schon geben? Nicht einmal das was sie sich wünschte, was sie verdient hätte.. und nun wollte sie mein Licht sein, so wie sie es zuvor für Christian gewesen war. Doch eines würde ich nicht zulassen, im Gegensatz zu ihrem Bruder. Ich würde sie nicht all die Bürde alleine tragen lassen. Ich würde sie unterstützen, ihre geben, ihr abnehmen was ich nur abnehmen konnte, selbst wenn uns keine glückliche Zukunft bestimmt war. Selbst wenn es eine Hoffnungslose Liebe war, ich würde sie solange halten wie ich nur konnte…

Sie sollte nicht mehr leiden, genug hatte sie erlebt und damit war nicht der frühe Verlust der Eltern gemeint, nicht nur. Nein es war das stumme Leiden, all die Jahre durch, das stumme, langsame erlöschen, in welches ihr Bruder sie gedrängt hatte.

Ich drückte sie an mich, strich mit meinen Fingern ihren Rücken entlang „Und so wie du mein Licht bist, so will ich das Deinige sein“, sprach ich leise „Und so wie du mich führst, so will ich dein Wegweiser sein.“ Meine Hand glitt, Wirbel über Wirbel den zarten, geschmeidigen Rücken entlang. Weich, zart, glatt. „Ich werde dich beschützen, ich verspreche es dir.“

Wir lagen nebeneinander auf dem schmalen Bette, ihr Körper dich an meinen geschmiegt, die Augen geschlossen, die Finger spielten mit meinem Haar und ein zufriedenes Lächeln lag auf den roten Lippen.

„Kilian.....“, sagte sie schließlich nach einigen Sekunden in denen wir einfach so dagelegen hatten, ich meine Arme um sie Geschlungen, die ihren Kopf an meine Brust gelegt, nun aus blauen Augen zu mir hoch schauend. „...ich bin glücklich“

Ja sie war glücklich so wie es war und auch ich war es… ach könnte man doch nur die Zeit anhalten… nun ich konnte es in gewisser Weise. Ich konnte ihre Biologischeuhr zum Stoppen bringen, ihr ewige Schönheit, ewiges Leben an meiner Seite schenken, doch was hätte ich damit schon gewonnen?

Sie würde sich durch den unsterblichen Kuss verändern, so wie ich mich verändert hatte seid ich ihn damals von Xavier erhalten hatte. Irgendwann in den 200 Jahren hatte ich mich verändert, verändern lassen du ihr würde es nicht anders ergehen.

Nein ich konnte sie nicht in die Dunkelheit ziehen, lieber würde ich dafür, dass ich sie verlieren würde ein Leben in Finsternis fristen, als ihr das anzutun.

Ich schwieg. Jetzt war sie glücklich… doch wie lang konnte ich ihr dieses Glück bewahren?

Dann geschah etwas, was ich nie erwartet hätte und im ersten Moment hätte ich geglaubt es wären meine Ohren die mir einen Streich spielten, wären es nicht meine Ohren gewesen.

„Kilian, ich liebe dich“

Hatte sie diese Worte tatsächlich gerade gesagt?

„Ich wünschte es könnte ewig so sein. Wir zusammen. So tut es nicht weh. Wäre es nicht schön so?“, nuschelte sie und schmiegte ihren Kopf an meine Schulter, die Augen wieder in friedlicher Wonne geschlossen. Doch ich war wie Vom Blitz getroffen, starrte eine Weile die Deck über unseren Köpfen an. „Hast du dir überlegt was du da gerade gesagt hast?“, fragte ich schließlich leise nach einer Weile.

Warum? Warum tat ich das? Es würde ihr wehtun, es tat mir weh und doch musste ich es sagen es sei denn ich wollte, dass sie später noch mehr litt, als sie es jemals in dem Augenblick hätte tun könnte.

Ich richtete mich auf, zog sie mit mich hoch und schaute ihr in ihre wunderschönen blauen Augen „Kannst du mir ins Gesicht sagen, dass du mich liebst? Egal was kommt, egal wen du triffst? Kannst du IHN einfach so vergessen?“

Ihre Augen weiteten sich ein wenig während die Worte in ihre Gedanken eindrangen. Ich kannte die Antwort. Nein. Nein sie konnte es nicht und würde es nie können.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Es ging einfach nicht

„Ich habe versprochen dich zu ihm zu bringen und ich werde mein Versprechen halten…“

Das Mädchen biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Sie zitterte, sah mich an, konnte mir jedoch nicht in die Augen blicken. Ich hatte Recht und das wusste sie und die Wahrheit gefiel ihr nicht, doch verdrängen konnte sie sie ebenso wenig. Ich wusste es schmerzte sie. Ich wusste, dass das ganze Glück welches ich ihr geschenkt hatte mit dieser einfachen Frage zunichte gemacht worden war und es tat mir weh, aber was hätte ich denn tun sollen?

Hätte ich sie solange weiter in ihrer Illusion leben lassen sollen bis es zu spät war?

„Du......du sagst du wärst mein Wegweiser aus der Dunkelheit... aber... in Wahrheit stößt du mich doch genau dorthin zurück“ Ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Tränen.

„Was hat das Licht denn auch für eine andere Wahl als in die Dunkelheit zu gehen. Sei es um sie zu erhellen oder ganz einfach nur, um darin zu erlöschen.....“

Einen kurzen Moment schwieg sie, starrte zu Boden, kämpfend mit den Tränen. Eigentlich hieß es doch die Hoffnung sterbe zuletzt… und wenn sie dann starb war alles verloren, irgendeinen Halm suchte sich jeder Mensch und natürlich auch Christine. Jetzt wo sie alles verloren hatte…

„Aber...aber so muss es doch nicht sein! Wenn wir ihn finden -wir finden ihn bestimmt- und wir werden ihm alles erklären. Er wird es verstehen. Wir werden euch helfen Lalitichandra zu vernichten. Er wird es verstehen!“ Sie sah wieder auf, voller Hoffnung, voller Träume. Glaubte sie ihre Worte wirklich? Glaubte sie tatsächlich Christian würde je akzeptieren, dass sie sich in einen Vampir verliebt hatte und er würde akzeptieren, dass sie für ihn jene Monster, die er schon solange versuchte zu eliminieren rettete?

Sie lächelte, nicht glücklich, nicht friedlich, nein aufmunternd… sicher war es dieses einstudierte Lächeln, welches sie immer Christian geschenkt hatte. Ja, mich schien sie dabei kaum anzusehen…

„Alles....Alles wird gut werden, ja?“

Ich sah sieh an, eine Weile zumindest doch lange hielt er es nicht aus, musste den Blick abwenden.

Wusste sie was sie da sagte?

wusste sie wie sie mich ansah?

Wusste sie wie sehr mich das schmerzte?

Aber lange genug hatte ich in einer Lüge gelebt und das würde ich nicht mehr! Nein ich konnte es nicht mehr, seid ich sie getroffen hatte war ich einfach nicht mehr dazu fähig.

„Du lügst“, sagte ich schloss die Augen, um den Schmerz darin vor ihr zu verbergen „du belügst dich selber und das ist beinahe schlimmer, als dass du mich belügst." Ich stand auf, nahm das Hemd und knüpfte es wieder zu, Knopf für Knopf, seine Augen auf die Finger gerichtet die galant seine Kleidung wieder richteten.

Ich konnte es nicht ertragen. Ich wusste wie diese Wahrheit auf sie wirken würde, ich wusste sie würde mich dafür... nun Hassen war vielleicht zu viel des Guten, aber sie würde Trauern. Etwas das ich nicht wollte, aber hätte ich sie solange in der Lüge leben lassen bis die Wahrheit sie überrannte? Hätte er das tun sollen?

Noch heute stelle ich mir diese Frage immer und immer wieder und bis heute habe ich keine Antwort darauf gefunden…

Ich nahm mich zusammen, drehte sich wieder ihr zu.

„Wir werden ihn finden. Das habe ich dir versprochen. Und bis dahin werde ich alles für dich tun, nur eines kannst du nicht mehr von mir verlangen: Dich zu belügen.

Christian wird mich nie akzeptieren, und du wirst nie ohne ihn leben können.

Der Tag wird kommen da du vor ihm stehst und du wirst eine Entscheidung fällen ich bin kein Wahrsager, ich weiß nicht wie es ausgeht... ich kann dir nicht sagen 'alles wird gut' so sehr du diese Worte auch hören willst, genauso wenig kann ich sagen, dass alles schlecht wird. Alles wird, irgendwann, irgendwie.

Aber Christine, ehe wir es nicht wissen kann ich nicht antworten..."

Einen Moment stand ich da, sie saß noch immer auf dem Bett, starrte ich mich aus ihren tief blauen Augen an.

„Begehe nicht den selben Fehler den ich beging. Warst du es denn nicht die mir sagte: ‚Aber trotz allem...Trotz der Tatsache das es vielleicht nie irgendjemand erfahren wird, so bleibt es trotzdem nichts weiter als eine Maskerade. Ein billiger Schwindel... eine Täuschung für die Welt und ebenso für jene Kreatur die versucht in ihr zu leben.’ Bitte Christine, werde nicht zu so jemandem... zu jemandem wie ich es bin“

„Es tut weh, Kilian. Es tut furchtbar weh.“ Ihre Hände spannten sich an, sie zog die Augenbrauen leicht zusammen. „Erzähl mir nichts von Lügen.“ Ihre Stimme klang so...so ernst. Viel ernster als die Stimme eines 16-jährigen Mädchens klingen sollte. Viel zu traurig der Gesichtsausdruck, viel zu dunkel die Worte. „Mein ganzes Leben bestand aus Lügen...genauso wie deins.“ Sie hob den Kopf. Langsam, aber doch bestimmt. Sie sah mich an, in ihrem Gesicht spiegelte sich der Schmerz. Und es war nicht nur ihr Schmerz. Es war Christians Schmerz. „Kann man denn vor einer Lüge fliehen?“ Sie schüttelte den Kopf, brauchte keine Antwort.

Christine sah ihn nicht mehr an. Den Kopf zur Seite gedreht.

„Ich denke die Sonne wird bald aufgehen, nicht wahr?“

Warum musste nur alles so schwer sein?

Warum musste ich ein Vampir und sie... sie die sein die sie nun einmal war?

Warum musste Christian der sein der er war?

Warum konnte nicht einfach alles passen? Warum?

War das meine Strafe?

Und sie? Was hatte sie getan um die Bürde zu verdienen?

Ich wollte sie wieder lächeln sehen. Ich wünschte mir doch nichts sehnlicher, als dass sie glücklich werden konnte. Doch es war unmöglich. Wenn sie mit mir zusammen war konnte sie nicht auf Dauer glücklich sein, irgendwann würde es sie zerreißen, das wusste ich...

„Nein“, sagte ich traurig, „Man kann nicht fliehen, man kann sich ihr nur stellen. Ich weiß ich tue dir weh. Ich weiß jedes Wort schmerzt dich. Aber ich will dich nicht mehr länger belügen, dafür respektiere ich dich zu sehr. Darum musste ich dir auch sagen was ich bin und darum sage ich dir auch jetzt die Wahrheit, ehe sie dich wie eine Lawine zerstört.“

Ich schloss einen Moment betrübt die Augen, sah sie dann wieder an. Irgendwann würde sie es verstehen.

Solange ich ihr es nicht sagte musste sie sich nicht schuldig fühlen. Solange diese drei Worte mein Geheimnis waren, solange sie nicht ausgesprochen waren, waren sie keine unmittelbare Wahrheit und es würde es ihr leichter machen.

Nicht jetzt. Nein, für den Moment war sie verstört, musste zunächst verdauen was gesagt worden war.

Heute bereue ich auch diese Entscheidung denn vielleicht… wenn ich es nur gesagt hatte diese drei Worte welche all meine Empfindungen beinhalteten… wenn ich es doch nur gesagt hätte…

„Ja, die Sonne wird aufgehen...“, sagte ich mit einem Blick zum Bullauge. „Ruh dich aus, genieß das Licht für uns beide zusammen und erzähl mir Morgen davon..." ein sanftes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. „Guten Morgen, Christine..." ich ging auf sie zu, setzte sich noch einmal neben sie „Ich kann die Realität nicht verändern egal wie sehr ich es mir wünsche... verzeih...“

„Niemand kann das...wie könnte ich es dann von die erwarten?“ Sie hob vorsichtig ihre Hand, berührte meine Wange. „Kilian....trotz....trotz allem.....trotz Christian zu dem ich gehöre....trotz der Tatsache das du ein Vampir bist und trotz dem ich weiß das das hier nicht sein dürfte......Ich bin gerne bei dir, das weißt du....“

Ja, wie sie's auf drehten es war einer lei...

Egal wie sie es drehte, sie konnte nicht beides haben... sie würde sich entscheiden müssen, aber sagte ich ihr jetzt was er empfand so würde ihr diese Entscheidung nur noch schwerer fallen...

Vielleicht... vielleicht gab es noch Hoffnung, vielleicht wurde tatsächlich alles Gut, vielleicht würde Christian verstehen lernen... aber darauf durfte man doch nicht alles bauen, denn je höher man baute um sie tiefer fiel man und um so mehr Geröll verbaute einem den Weg zurück ans Licht. Auch wenn ich beinahe an ein happy end glauben wollte wenn ich ihn ihre Sehnsüchtigen Augen sah.

„Ich weiß“, flüsterte ich, griff ihre warme Hand, führte sie an seinen Mund und küsste sie zärtlich. „Ich weiß...“

Genauso gerne war ich doch bei ihr, obgleich ich wusste was es bedeutete, obgleich ich mir der Hürden bewusst war, der Unmöglichkeit, der Grenzen. Ich wollte bei ihr bleiben, solange ich eben konnte.

„Morgen reden wir weiter.“, sagte ich schließlich und musste mich wieder erheben, hielt ihre warmen Hände jedoch noch ein wenig fest. „Ich werde morgen Nacht wieder kommen. Versprochen“

Mit diesen Worten wandte ich mich nun um, öffnete Die Tür und trat hinaus. Hinaus zurück in die kalte, bittere Morgenluft, das Rauschen des Wassers, alles hatte mich zurück.

Erschöpft fiel ich gegen die Wand, die Augen geschlossen. Es war schon fast wieder lustig. Ein seltsames Lächeln, welches meine weißen Fangzähne entblößte bildete sich auf den dünnen roten Lippen.

Es war doch zum Tod lachen. Ich hätte sie haben können. Ich hätte sie mir einfach nehmen können. Ich hatte doch mein Ziel erreicht, hatte es sogar geschafft dass sie für einen Moment ihren Bruder vergaß. Sie hätten einfach fliehen können! Vielleicht hätte sie sich sogar zu seiner Gefährtin machen lassen, wer konnte das schon sagen?

Und was tat ich?

Ich ließ sie gehen. Nein nicht nur das, ich stieß sie förmlich weg! Ich zerstörte alles und nun war die Chance vorbei!

Warum?

Ich wurde selber aus meinen Taten nicht schlau.

Warum?

Den ganzen Abend hatte ich noch nichts getrunken, mein Körper fühlte sich leer und ausgelaugt an, die Strahlen der Sonne die sich langsam im Osten über den Horizont zogen, auch wenn ich sie nicht sah spürte ich doch ihr bleiernes Gewicht auf meinen Schultern.

Ich schleppte mich in meine Kabine, schloss die Tür ab und fiel auf das Bett.

„Du wirst unvorsichtig“ Ein dunkle Gestallt löste sich aus den Schatten der Ecke meines Zimmers, ich musste nicht mal den Kopfheben, auch wenn ich es tat, um zu wissen um wen es sich handelte.

„Was willst du Xavier?“, brachte ich mit müder, lascher Stimmer hervor und ließ meinen Kopf wieder zurück ins Kissen sinken.

Das klacken der feinen Lackschuhe auf dem hölzernen Boden verriet mir, dass sich die Gestallt Xaviers auf mich zu bewegte, doch das animierte mich nicht dazu mich aufzurichten oder es irgendwie zu honorieren. Ich blieb so liegen wie ich war, bis schließlich die beiden braunen Augen meines Erschaffers mich ansahen. „Die Frage ist doch viel mehr, was du willst, oder?“, fragte die ruhige Knaben Stimme

„Nein, geht es nicht“, antwortete ich prompt und auch einwenig gereizt, was wohl kein wunder war, bei der Tages Zeit… warum hatte Xavier nur die angewohnheit wichtige Dinde immer zu den unmöglichsten Zeiten zu besprechen?

Nun wie dem auch war, es ging dieses Mal tatsächlich nicht um mich. Alles, jeder Schritt, jedes Wort, jeder Gedanke drehten sich einzig und alleine um Christine. Zum ersten Mal ging es in meinen Gedanken nicht um mich, nein, mein eigenes Unglück konnte ich ertragen, doch das ihrige bereitete mir Kopf zerbrechen.

Aus einem mir unerfindlichen rund lächelte Xavier wieder „Du hast dich verändert... oder sollte ich sagen: Du veränderst dich nie?“ Verwirrt runzelte ich die Stirn und sah ihn an „Wie meinst du das?“ Ein wenig schwangen die halblangen Haare Xaviers zur seine als er den Kopf schüttelte und mit der zierlichen, kleinen Hand über Kilians Gesicht strich. „Das was ich gesagt habe. Du bist nun einmal so dass du entweder ganz das Eine oder das Andere, entweder Engel oder Teufel und doch kannst du dich mit keinem vom beiden wirklich arrangieren und machst dich im Endeffekt damit unglücklich“

Ich schwieg einer Weile, versuchte über seine Worte nach zu denken. Ach, wäre der Morgen nur nicht so nah, fühlte ich mich doch nur nicht so ausgelaugt... aber wie konnte ich auch etwas trinken wenn Christine doch da war? Wie konnte ich töten unter ihren sanften, traurigen Augen?

„Kann sein“, murmelte ich im Halbschlaf.

Xavier beugte sich zu mir hinunter küsste mich väterlich auf die Wange. „Ich bin stolz auf dich“, sagte er sanft „du hast ein richtige Wahl getroffen.“

Er beugte sich noch ein Stück zu mir hinunter, sodass sein Hals mit der feinen, aber für mein hungriges Auge gut erkennbare Pulsader da lag „Trink, oder du brichst noch zusammen“

Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Fast ehe ich hatte darüber nachdenken können hatten sich schon die weißen Zähnte in das Fleisch Xaviers gebohrt und ein mir so vertrauter Geschmack drang in meine Kehle.

Ja, Xaviers Blut. Wie lange war es her, dass ich es hatte genießen dürfen?

Ich schloss die Augen, drückte meinen 'Vater' an mich und trank das mächtige Blut, spürte, wie schon damals, als ich zu seinem Kind gemacht worden war der Herzschlag. Neue Erinnerungen waren hinzugekommen, schöne und traurige und alles flog quer durch meinen Kopf, ohne dass ich den Zusammenhang erfassen konnte oder auch nur wollte.

Ich wollte nicht mehr nachdenken, wollte alle Sorgen hinter mich lassen, nur für diesen Moment, einmal wieder der kleine Junge sein für den es nur Xavier und sonst niemanden gab.

Ich spürte wie sich nun auch Xaviers Zähne sich in meinen Hals bohrten und somit den Zyklus perfekt machten, ein perfekte Verschmelzung zweier Wesen... mit Christine würde, konnte ich so etwas nie erleben, nicht im sexuellen nicht in diesem Sinne... sie war einfach unerreichbar.

Schließlich, nach nicht all zu langer Zeit, ließen wir von einander ab.

Ich spürte die neue Stärker die ich durch das mächtige und alte Blut Xaviers erlangt hatte durch meine Adern schießen, doch blieb ich genauso melancholisch, genauso müde und traurig liegen wie schon zuvor, die Augen noch immer geschlossen, als schlafe ich.

Xavier strich mir noch eine Strähne aus dem Gesicht, schenkte mir ein warmes Lächeln und wandte sich zum gehen.

„Danke“, murmelte ich noch ehe er die Tür zu schloss in wieder ein seine eigene Kajüte verschwand...

Bonus Chapter: Susi die Vampir Fliege

Die Vampir-Fliege Susi ^^

(note: Dies ist eine zufllige Bonus geschichte von mir und Marek ^^ ich fands zu süß um es nicht reinzunehmen. Es kommt regelmäßig was dazu ^^ Danke fürs lesen *wink*)
 

Es war einmal eine kleine Vampir-Fliege, namens Susi. Sie hieß Susi da sie unter allen Vampir fliegen am besten Summen konnte. Susi war schon eine sehr, sehr alte Vampirfliege. Daher beschloss sie eine neue Fliege der Nacht zu erschaffen, damit sie in Ruhe ins Feuer gehen kann.
 

Tim. Tim war eine Junge Fliege, kannte kaum die Welt und machte sich gerade über eine alte Bananenschale her. Plötzlich hörte Tim hinter sich das Summen einer zweiten Fliege. ER dachte: Das ist meine Bananenschale. Die lass ich mir nicht nehmen!

Er drehte sich um und wollte gerade die Andere Fliege mit wüsten Beschimpfungen in die Flucht schlagen, doch da war niemand. Was konnte das nur sein? Ob diese widerliche Schmeißfliege zurückgekommen war? Na die konnte was erleben!!! Doch halt, da war doch etwas, zwei leuchtende rote Facetten Augen hinter der Wasserflasche.

Was war das den für ein Mist? Wer zum Teufel hat rote Augen? oder seit wann gibt eis Kontaktlinsen für Fliegen?

Tim war, zugegebener Maßen einwenig verwirrt, doch nichts anderes hatte die andere Fliege erwartet. Die meisten waren verwirrt wenn sie SIE sahen. Manche werden es schon erraten haben, es war Susi die sich einen neuen Schützling suchte. Sie hatte sich den kleinen Tim ausgesucht, weil er selbst gegen einen übergroßen Gegner, wie ein Schmeißfliege, kämpft und gewinnt.

Susi setzte zur Landung an. Sie setzte so sanft auf der anderen Bananenschalenseite auf, dass Tim geschworen hätte, dass sie immer noch fliegt. Doch Susi putzte sich bereits die, vom Sarg, verstaubten Flügel.

Um genau zu sein konnte man sie kaum noch als fliege erkennen. Sie war so dünn, so graziel,m die Flügel schienen übernatürlich lang.

Im ersten Moment war Tim tatsächlich wie aus den 8paar Socken gehauen. Dann fing er sich jedoch wieder „Sssuuummmmm ssss ssss ssssiiiiisssss ssss“ (Anm, des Autors für all die die kein Fliegisch beherrschen: „Das ist meine Bananenschale“) sirrte er mit Hilfe seiner kräftigen Flügel. Susi war etwas überrasch, als sie diese Worte hörte. Bis jetzt war noch nie ein Opfer von ihr auf die Idee gekommen, das sie Essen stehlen wollte. Sah sie denn wirklich so abgemagert aus? Na ja, dreißig Tage ohne Blut zu trinken, sah man wohl jedem an. "SSSsississ ssuissss sssssu" ("Glaubst du ich will dieses etwas? Nein, ich will etwas anderes") Mit diesen Worten ging sie ein paar Schritte auf Tim zu.

Hätte Tim, wie Menschen, Auenbrauen gehabt, so hätte er sich die die nichtvorhandene Stirn gerunzelt oder die ebenso wenig vorhandenen Augenbrauen zusammengezogen. Doch das er weder das eine noch das andere konnte starrte er diese eigenartige Fliege nur an. „sss sssssisssss suuuusssssss“ (was willst du dann he?) antwortete er energisch, hob dabei immer wieder von der Bananenschale und setzt wieder auf



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (49)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Spirit-
2008-04-04T06:28:12+00:00 04.04.2008 08:28
sehr sehr geiles kappi...ich hoffe ja das er jetzt endlich den kuss geschenkt bekommt^^
zeit würd es werden
Von:  Spirit-
2008-04-01T05:26:32+00:00 01.04.2008 07:26
mir gefällt das 2e kappi wieder gut
hoffe es geht so toll weiter

ja du siehst richtig ich habe weiter gelesen^^

Von:  Spirit-
2008-03-26T17:55:54+00:00 26.03.2008 18:55
sehr schöner einstieg hoffe du behältst den schreibstiel bei

kommt auf meine fawo
Von:  Raviel
2007-10-23T17:27:56+00:00 23.10.2007 19:27
ich finds insgesamt ziemlich cool. ähnelt ein bisschen dem "gespräch mit einem vampir". ich mags. xavier ist mein liebling, irgendwie.
kurzer kommentar, ich weiß, aber ich hab eigentlich alles gesagt, was ich sagen wollt...
mfg
phoenix
Von:  kleinerHobbit
2007-08-08T14:51:41+00:00 08.08.2007 16:51
Also wow wow wow!
Das ist echt packend bis jetzt *-* wahnsinn.
und auch traurig...aber wirklich genial geschichte.
freue mich schon auf die nächsten kapitel ^^
Von:  lexi16
2007-05-17T18:14:03+00:00 17.05.2007 20:14
Ich hab alles gelsen.
Also ICH!! ICH!!!
Das muss man mal glauben.
Ich hab die ganze FF gelesen und..nun.....ich hab beim letzten kapi die ganze zeit geheult, weil ich daran denken muss...naja...ganz kann ichs nicht ausschalten. Ich muss die ganze zeit denken..wie ...nun..wie christian eben dasteht und das er nix machen kann........
Sorry, aber..ich kanns nciht wegmachen.....
Von:  lexi16
2007-05-08T19:59:04+00:00 08.05.2007 21:59
Mittendrin dachte ich schon, "hey kilian ist ja vielleicht doch ganz nett, aber was ist" Der EINFÄLLTIGE junge.
na danke...*sigh*
da denkt man er ist ganz nett und dann ist er wieder so ein aas.........
Kilian du schaffst es nicht.
*kopfschüttel*
Und bevor ichs vergess.
Christine NEIN!!! Komm gefälligst zurück. Das geht doch nicht. Wer kümmert sich den um Christian??
Der kann sich nciht mal seleber anziehen!!
Na..okay...er hat ja auch nciht so viel was er umziehen könnte...
*heul* NEIN......
Von:  lexi16
2007-05-08T19:24:15+00:00 08.05.2007 21:24
Oh mein gott.
Christian wäre mitgekomen. niht wiel er kilian so amg, aber...weil Christine ihn gebeten hätte.
er hätte es getan.
okay...das sit deprimierend, wenn man NOCH merh sieht, was man verbockt hat.
Er hätte sie ja suchen können, aber nein, er ist gleich mit Lalit mitgegangen. ><
Also...die nächsten Kapis nur mehr. ganz ruhig lexi.
Aber die schaff ich heut glaub ich nimma...
Von:  lexi16
2007-05-08T18:52:42+00:00 08.05.2007 20:52
Sorry. im kommi sollte man ÜBER die srory und nciht das rpg reden. ><
Gomen.
Aber..ich will auch mit....
Von:  lexi16
2007-05-08T18:52:15+00:00 08.05.2007 20:52
oh man ich willm mit. Ich will auch in die geschichte.
(Chris: man lasse mich da ja mal außer acht, bin ja nur die männliche schlüsselfigur *sigh)
ich will auch mit. Mann.
Jetzt will ich wirklich nen Chara.
braucht Xavi wen??
Oder ich könnt ja maren machen. Xavi könnt maren ja kennen??


Zurück