Bis zum Tod von Ye_Tianyu (Caroline, Napoleon und Mephistophele) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vorwort Es gibt Menschen - mich - die nicht besonders viel über die Klassik wissen und denen es besonders schwer gemacht wird, mehr darüber herauszufinden. Aber trotz einigem Hin und Her entschied ich mich, diese Geschichte zu schreiben. Natürlich sind viele Hinweise zur Klassik versteckt, aber man bedenke, dass einige Dinge meiner eigenen Phantasie entspringen. Die ganze Geschichte basiert keinesfalls auf geschichtlichen Tatsachen, sie ist lediglich daran angelehnt. Kapitel 1 Korsika, 1788 Leise kroch Caroline über ihre älteren Geschwister hinweg bis sie bei ihrem zweitältesten Bruder ankam und ihm ins Ohr kniff. Er rührte sich nicht. Caroline stutzte, da er normalerweise immer laut aufschrie und zu schimpfen beginnen wollte, bis er sie erkannte und verwirrt fragte ob etwas nicht in Ordnung sei. Heute war es wieder soweit. Caroline wollte den Sonnenaufgang betrachten und mit Napoleon spielen, bis es so weit war. Sie war gerade sechs Jahre alt und bald würde Napoleon weggehen. Natürlich verstand sie es nicht wirklich. Niemand verstand in dem Alter, was Erwachsene taten und warum, doch Caroline hatte sich angewöhnt, einfach zu vertrauen. Aber wenn man ihr ihren liebsten Bruder wegnehmen wollte, dann wurde sie doch ein wenig misstrauisch. Erneut zwickte sie Napoleon ins Ohr und endlich rührte er sich. Er riss die Augen auf, setzte sich kerzengerade auf und starrte Caroline verschlafen an. "Was ist denn los? Es ist doch noch dunkel." Caroline hielt sich die Hand vor den Mund, um ihren Bruder Louis nicht zu wecken während sie kicherte. Unruhig bewegte sich Louis, weshalb Napoleon keine weitere Erklärung verlangte und schnell ihre Jacken schnappte, Caroline an der Hand nahm und mit ihr aus der kleinen Hütte schlich. Es dämmerte schon; wenigstens würde dieses morgendliche Spektakel nicht lange dauern. Napoleon hatte nicht besonders gut geschlafen in der Nacht. Als alle seine Familienmitglieder bereits leise vor sich herschnarchten starrte Napoleon noch immer an die Decke des Raumes und dachte nach. Er fuhr nach Auxonne. Frankreich. Er war erst 18, eigentlich hatte er vorgehabt länger bei seinen Eltern zu bleiben und sie zu unterstützen. Doch vielleicht konnte er mehr schaffen, als erwartet. Auxonne war schon ein weites Stück entfernt, warum sollten sie gerade einen Mann holen, der arm war und nicht lieber jemanden aus Paris oder einer anderen guten Stadt? Vermutlich bildete er sich zu viel darauf ein, dass man ihn holte. Es ging wahrscheinlich nur darum, so viele Soldaten wie möglich zu haben. Und dazu zählte Napoleon eben. Caroline drückte sich an seinen Arm und schloss die Augen. Die ersten Sonnenstrahlen fielen ihnen bereits ins Gesicht. In wenigen Stunden würde Napoleon mit einem Schiff ans Festland Frankreichs gebracht werden. Caroline schien endlich genug von der Sonne zu haben und sah auf zu ihrem Bruder. Einige Sekunden lang wirkte das dunkelbraune Mädchen so, als wollte sie etwas sagen, doch sie wandte sich ab und holte ihren Beutel mit Muscheln hervor. Mit den drei Muscheln die darin waren, begann Caroline zu spielen und abermals sah sie zu Napoleon auf. "Du gehst bald fort, stimmt's?", sagte Caroline leise und sah Napoleon mit ihren großen, schokoladenbraunen Augen an. Sie hing sehr an ihrem Bruder und wollte nicht, dass er verreiste. "Ja, ich werde gehen. Warum fragst du?" Napoleons sanfte Stimme ließ Caroline das Herz schwer werden. Sie wandte sich ab. Sie war wirklich zu klein, um sich zurück zu halten, weshalb ihr eine kleine Träne über die Wange lief. "Aber du holst uns bald, ja?" Napoleon nahm sie in die Arme und wischte ihr die Träne aus dem Gesicht. "Liebste Schwester, natürlich möchte ich meine Familie so schnell wie möglich wieder zusammen sehen. Bitte gedulde dich und bleib artig." Caroline gab sich dem Tätscheln ihres Bruders hin und schniefte leise. Sie wollte ihrem Bruder keine Erinnerung auf den Weg schicken, in der sie wie ein kleines Kind weinte. Caroline war erwachsener als einige andere Mädchen in ihrem Alter und deshalb hielt sie ihr Kinn hoch und setzte ihr stolzestes Lächeln auf. Das hatte sie bei den edlen Damen gelernt, die manchmal einen Fisch bei ihrem Vater kauften. "Natürlich bleibe ich artig. Und nun geh, Bruder, und mache deinen Weg. Ich erwarte Briefe von dir!" Napoleon lächelte gerührt. Sie war so jung und verstand es so gut, ihn zum Lachen zu bringen. Ohne ein weiteres Wort oder eine Berührung wanderte er zurück zur Hütte. Er hatte bereits gepackt und er war sich sicher, dass er Caroline ab jetzt nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, bis er sie zu sich holte oder er wieder zurückkam - sollte er je wieder kommen... ________ Kaum war Napoleon gegangen, zog Caroline ihre Beine an und schlang ihre Arme um die Knie. Es war so schwer, wenn man nicht wusste, was passierte. Warum Napoleon gerufen wurde wusste sie nicht, was er tun musste wusste sie nicht und ob sie jetzt noch mit jemandem Spaß haben konnte wusste sie erst recht nicht. Sie wollte mit Napoleon zusammen sein. Du würdest jetzt am liebsten sterben, habe ich Recht? Caroline schreckte hoch. Jemand sprach mit ihr, doch sie wusste nicht woher diese Stimme kam. Als sie sich zum dritten Mal herumdrehte um zu sehen, woher die Stimme kam, hörte sie ein spöttisches Lachen vor sich und sah einen Mann vor ihr erscheinen. Seltsam gekleidet, vollkommen in Schwarz aber mit goldblonden Haaren die in der Sonne glänzten, die inzwischen vollkommen aufgegangen war. Es war bewundernswert, wie blau die Augen des Mannes waren. Vollkommen kühl, aber ein Feuer flackerte hinter diesem ewigen Eis. "W-Wieso sterben?", fragte Caroline verwirrt und rutschte unbehaglich ein Stück zurück. Der Mann lächelte wissend und setzte sich neben sie auf den Boden, so als würde er nicht bemerken, dass sie Angst hatte. Du kannst es nicht verbergen. Ich bemerke alles. Aber nur ich kann dir helfen. Soll ich dir helfen? "Nein. Du bist böse. Das merke ich. Warum willst du mir böses tun?" Der Mann sah überrascht zu Caroline. Er hätte nicht damit gerechnet, dass sie dermaßen klug war. Er lächelte, stand elegant auf und beugte sich zu Caroline. Vorsichtig drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn und fuhr ihr durch die Haare. Du bist noch nicht so weit... Aber wenn du mich brauchst, rufe mich. Denk immer an mich. "Warte! Wie soll ich dich rufen?" Egal wie, ich werde es wissen. ________ Auxonne/Frankreich, 1788 Napoleon sah zufrieden aus dem Fenster. Er lebte nun schon fünf Jahre auf Frankreichs Festland und trotzdem fehlte ihm immer ein Teil. Die erste Zeit war schwer gewesen, Caroline hatte ihm gefehlt. Manchmal hatte er sich einfach nur gewünscht zu sterben. Und dann, eines Tages stand dieser Mann vor ihm. Blondes Haar, eisige Augen und die Ausstrahlung eines Teufels. Napoleon war zurückgewichen. Wie hatte dieser Mann in sein Zimmer eindringen können, ohne dass er, Napoleon Bonaparte, etwas bemerkt hatte? Der Mann legte seinen dunkelbraunen Umhang ab und setzte sich auf den erstbesten Stuhl der in dem kleinen Zimmer stand. Napoleon Buonaparte... Du fühlst dich einsam, nicht wahr? Willst du sterben? Napoleon sah den Mann misstrauisch an, der ihm gegenüber platz genommen hatte und ging einige Schritte auf ihn zu. Der Degen an seiner Seite wollte ihm förmlich in die Hand springen und diesen Menschen, den er so unheimlich fand, vernichten. Doch Napoleon fühlte auch, dass das Wesen ihm gegenüber vermutlich stärker war. Er wollte nichts unüberlegtes tun. Außerdem kannte der Mann seine Gedanken. Etwas, das ihn überraschte und das er unheimlich fand. Auf Korsika hatten sie ihn geärgert mit der Bezeichnung ,der, der seine Gedanken nicht teilt'. Napoleon wusste noch immer, wo sein Benehmen war, weshalb er sich widerspenstig verneigte, die Augen noch immer auf den Unbekannten gerichtet. Draußen donnerte es leise, so als würde der Himmel sich vorerst noch zurückhalten um später einen viel stärkeren Sturm loszulassen. "Guten Tag, kann ich Ihnen helfen? Darf ich fragen wer Sie sind?" Der Mann lachte. Er strich mit einer eleganten Bewegung seiner behandschuhten Hand eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Nenn mich wie du willst. Deine Schwester nennt mich liebevoll Mephistophele...Vielleicht nennst du mich auch so? Das kühle Lachen Mephistopheles ließ Napoleon schaudern. Er kannte also seine Schwester. Überraschenderweise wusste Napoleon sofort, dass es um Caroline ging. "Wie geht's es Caroline? Was willst du von mir? Willst du mich umbringen?" Mephistophele lachte erneut, diesmal jedoch beinahe erheitert. Ich töte nicht... Ich achte nur darauf, dass jeder zur richtigen Zeit mein Begleiter wird. Napoleon stutzte. Seine Gedanken drehten sich immer schneller und immer weiter im Kreis. Die Aussagen des Mannes, der sich anscheinend Mephistophele nannte, waren absolut undeutbar und sagten ihm nichts. Napoleon war noch immer dort, wo er gestartet hatte. "Also bist du der Tod?", fragte er, die Verwirrung, die in seinem Kopf herrschte, verbergend. Mephistophele lachte erheitert und schüttelte den Kopf. Er hatte die Füße auf den Tisch gelegt, die Hände vor der Brust verschränkt und sah so aus seiner Ecke zu Napoleon. Dann wirst du mich also so nennen? Wie verrückt... Napoleons Blick verdüsterte sich. Er griff nach seinem Degen und zog ihn mit einem Ruck heraus. "Kämpfe, wie ein Mann! Dann werden wir sehen, wer verrückter ist!" Und ohne zu warten stürmte Napoleon auf den Tod zu, mit der Absicht, ihm seinen Degen tief ins Herz zu rammen. Doch als Napoleon einen Widerstand fühlte, sah er nur noch den Stuhl. Als er langsam hochblickte, sah er, wie der Tod auf der Lehne stand und hämisch zu ihm herunter sah. Napoleon dachte, er wäre verrückt. Er ließ mit einem Mal die Klinge los und machte einige Schritte zurück zum Fenster. Er wollte nicht länger in der Nähe dieses Monsters bleiben. Es war mit Sicherheit kein Mensch. Vielleicht war es wirklich der Tod oder gar der Teufel persönlich. Als Napoleon an der Wand stand, stieg der Tod langsam herunter von der Lehne des Sessels und landete ohne viel Lärm sanft auf dem Boden. Er hatte weiterhin die Arme verschränkt und schritt langsam durch den Raum, begleitet von leisem knarren des Bodens. Ist dir gerade aufgefallen, dass du doch leben willst? Du vermisst nur deine Schwester, stimmt's? Ich kann sie dir bringen. Wenn du willst kann ich eure Verbindung verbessern, ich kann alles tun. "Was ist der Preis?", fragte Napoleon, dessen Herz raste. Er hatte ein ungutes Gefühl bei diesem Gespräch. Deine Seele... Aber, natürlich erst, wenn all deine Wünsche erfüllt sind. Napoleon dachte nach. Er grübelte lange vor sich hin, bis der Tod eine Bewegung machte und auf die Tür zuschritt. Du wirst es mir sagen, in drei Tagen... Napoleon sank auf die Knie. So saß er wieder alleine in seinem Zimmer - einsam - und lauschte den Regentropfen, die stetig an sein Fenster klopften... ____________ Napoleon hatte schlecht geschlafen, die letzten zwei Nächte. Er hatte sich ewig hin und her gewälzt, hatte sich gefragt, was er tun sollte und war zu keinem Entschluss gekommen. Bis er einen Traum hatte, der ihm Klarheit verschaffte. Er wollte seine Schwester bei sich hab, auch seine anderen Geschwister und seine Eltern. Es würde gut gehen, da war er sich sicher. Als er also am zweiten Tag aufstand und die Vorhänge zurückgezogen hatte, flüsterte er seinen Namen. Und Napoleon wusste, obwohl er Mephistophele weder gehört noch gesehen hatte, dass er da war. "Ich möchte sie bei mir haben. Sag mir, was ich tun muss..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)