A different kind of Valentine von Autumn (JadenxChazz) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hier also mein One-Shot, den ich bereits auf yaoi.de veröffentlicht habe! Hoffentlich findet die FF auch hier ein paar Leser! Viel Spaß!^^ ~~~~ ** A different kind of Valentine ** ~~~~ Der Morgen des 14. Februars war angebrochen. Obgleich es draußen schneidend kalt war und die Welt in Weiß versank, war der Himmel strahlend blau und die Sonne ließ den Schnee hell glitzern, als wären die Wege, Wiesen, Bäume und Dächer der Gebäude mit unzähligen Diamanten übersät. Über allem lag die Stille eines klaren neuen Tages....die schließlich vom schrillen Klingeln eines Weckers unterbrochen wurde. Ein brauner Haarschopf lugte unter der Decke hervor, an die Syrus Truesdale herantrat. Wie immer war er bereits aufgestanden und hatte schon geduscht, auch wenn das an seiner Verspätung in der Regel kaum etwas änderte, denn es lag an seinen beiden Zimmergenossen, dass er nie rechtzeitig das Wohnhaus verließ und pünktlich zum Unterricht erschien. Er rüttelte denjenigen, der sich unter den Laken verbarg und ein Kopf schob sich aus den Tiefen der Decke nach oben. Das müde Gesicht von Jaden Yuki blinzelte ihm verschlafen entgegen. "Morgen, Sy", nuschelte er und gähnte herzhaft, als wolle er seinen Gegenüber mit einem Haps verschlucken. Chumley im Bett über ihm schnarchte vernehmlich und als Jaden mit dem Fuß gegen die Unterseite des Zwischenstücks trat, das die beiden Schlafstellen voneinander trennte, drehte er sich nur nach links und schlummerte selig weiter. "Du wirst deine ganze Kunstfertigkeit aufbringen müssen, um den Kerl aufzuwecken", murrte der Braunhaarige und brachte den Wecker zum Verstummen, der ihren Kommilitonen genauso wenig erschütterte wie es wohl die Trompeten von Jericho getan hätten. Syrus nickte und kletterte an der Leiter des Stockbettes hoch, während der andere seine Schuluniform aus dem Schrank holte und ins Bad schlurfte. Als das heiße Wasser über seinen Körper floss, breitete sich eine wunderbare Entspannung in ihm aus und seine Trägheit verschwand langsam. Vor einer ordentlichen Dusche war er morgens einfach nicht richtig ansprechbar! Er blieb zehn Minuten in der Kabine, rubbelte sich anschließend trocken und zog sich an, als plötzlich ein verdammt übles und grauenhaft lautes Heavy-Metal-Gitarrensolo die Umgebung erbeben ließ. Jaden, die rote Jacke in der Hand, die ihn als Slifer Red auszeichnete, rumpelte ins Zimmer zurück und starrte verdutzt auf seinen türkishaarigen Freund, der mit seinem Radio neben dem Bett stand und auf volle Lautstärke aufgedreht hatte. Chumley sass hochaufgerichtet in seinen Kissen und glotze einmal perplex von Syrus zu Jaden und umgekehrt, bis er sagte: "Ich bin wach, ich schwöre es! Stell diesen Krach ab!!" "Mit dem größten Vergnügen!" "Du hast schon seltsame Methoden....kannst du das nächste Mal nicht ein Mittel benutzen, das etwas weniger schädigend für meine Gehörnerven ist?" Der Angesprochene drehte sich um und wollte antworten, aber ihm gelang nur ein verlegenes Stottern, als sein Blick auf seinen Kameraden fiel. Er trug natürlich wie gewöhnlich seine Lieblingsjeans, die wirklich verflucht eng an seinen langen schlanken Beinen sass und das schwarze Tank Top darüber, in das er sich vermutlich jeden Morgen einschweißen ließ, betonte seine Brust- und Bauchmuskeln und setzte seine kräftigen, durchtrainierten Arme hervorragend in Szene. Endlich warf er sich die Jacke über, und die reizvolle Wirkung wurde ein bisschen gedämpft. "Was ist mit dir? Stimmt was nicht? Du bist ganz rot." Er kam besorgt näher und fühlte Syrus' Stirn, ob er denn vielleicht Fieber habe, aber außer seiner erhitzten Gesichtsfarbe konnte er nur ein wenig erhöhte Temperatur feststellen. "Mir geht's wunderbar", stieß der Jüngere hervor und lachte laut, um seine Nervosität zu überspielen. "Komm jetzt, wir müssen uns beeilen, sonst kriegen wir wieder Ärger!" "Wartet nicht auf mich!" gähnte Chumley ihnen hinterher. "Ich werde die Vorlesung heute sowieso schwänzen. He....seid ihr noch da?" Sie waren nicht mehr da. Die beiden Freunde rannten durch die ehrwürdigen Korridore der Duellakademie, rempelten mehrere Personen an und wurden jedesmal verärgert angeschnauft, ob sie denn nicht aufpassen könnten. "Entschuldigung!" brüllte Jaden in solchen Fällen, bevor er im nächsten Gang verschwand. "Nicht so schnell! Ich kann nicht so laufen wie du, du weißt genau, dass ich kürzere Beine habe!" Syrus hörte auf einmal ein "Vorsicht!" und dann ein schmerzhaftes Stöhnen. Als er um die Ecke bog, sah er die Bescherung: Der Brünette war direkt mit einem anderen Schüler zusammengestoßen und nach hinten gefallen, wo er unliebsame Bekanntschaft mit dem harten Fußboden gemacht hatte. Der besagte Schüler war - zu allem Unglück - auch noch Chazz Princeton, Jadens selbsternannter Erz-Rivale. "Ist es zu viel von dir verlangt, darauf zu achten, wo du hinläufst?!" zischte der junge Mann mit dem dunkelblauen Haar und klopfte sich einen imaginären Staubfleck vom Ärmel. "Und ist es zu viel von dir verlangt, ein einziges Mal in deinem Leben nett zu sein?!" "Das Wort ,nett' existiert nicht in meinem Vokabular, Yuki. Laut meiner Uhr hat eure Vorlesung übrigens schon längst begonnen. Seid ihr wirklich nicht in der Lage, irgendetwas richtig zu machen?" "Jetzt hör mal zu, du arroganter Mistkerl! Wir...." "....haben leider überhaupt keine Zeit, uns noch länger mit dir zu unterhalten, Princeton! Los, lass uns gehen!" "Hör auf den Zwerg, Yuki. Als Duellant ist er eine Niete, aber ansonsten redet er weniger Unsinn als du." Jaden befreite sich aus Syrus' Griff, der ihn am Arm gepackt hatte, um ihn weiterzuziehen und seine braunen Augen bohrten sich wie Pfeile in die seines Gegners. Er straffte die Schultern und sah dem Obelisk Blue herausfordernd und ohne eine Spur von Angst ins Gesicht. Chazz, der gegen das Feuer in diesen schokoladenfarbenen Tiefen nicht so immun war, wie man annehmen sollte, erwiderte den Blick, wobei er angespannter war als er sich selbst eingestand. "Nimm das zurück! Ich gebe zu, Sy ist noch keine Spitzenklasse, aber er hat es nicht verdient, dass so ein Idiot wie du über ihn herzieht! Nimm es zurück!" "Wie kann man bloß so lächerlich empfindlich sein? Verkraftest du die Wahrheit nicht?" "Musst du gerade sagen! Wer hat es denn immer noch nicht verwunden, dass ich ihn im Duell geschlagen habe?!" "Du hattest Glück, nichts weiter! Außerdem spielt diese Niederlage längst keine Rolle mehr für mich, das ist Monate her! Egal, wie du es drehst und wendest, du taugst als Duellant genauso wenig wie dein kleinwüchsiger Kumpel! Mit Können hat das bei dir nicht das geringste zu tun, bei dir ist es immer nur Glück! Aber wie heißt es doch so schön: Das Glück ist mit den Dummen, und zu denen gehörst du zweifellos!" "Was?!" Die Schulglocke schellte und der Brünette zuckte zusammen, ehe er Chazz seine Meinung geigen konnte. Er schnappte den Jüngeren am Kragen seiner Jacke und sauste wie der Blitz den Flur hinunter, als wäre ein Rudel Wölfe hinter ihm her. Der Obelisk-Student blickte ihm eine Weile nach und zeigte ein angedeutetes Lächeln, als er murmelte: "Hm....er hat sehr schöne Augen...." Kaum hatte er sich jedoch bei diesem Kompliment ertappt, verdüsterte sich seine Miene und sein Stolz rebellierte. Yuki war ein Slifer und noch dazu sein Rivale!! Wie konnte er bloß seine Augen schön finden?!?! Das war ja grotesk!! "Warum ziehst du so ein essigsaures Gesicht?" Er fuhr herum und vor ihm stand Alexis Rhodes, die blonde Schönheit, die von ihm, wenn er gerade schlechte Laune hatte, als "Slifer-Sympathisantin" bezeichnet wurde. Normalerweise mochte er sie, aber im Moment war seine Stimmung unter Halbmast gesunken. "Das geht dich nichts an!!" "Oho, der Herr ist miesepetrig, ja? Bestimmt bist du wieder mal mit Jaden aneinander geraten, was? Du scheinst ihn wirklich zu mögen!" "Ich würde meine Gefühle eher als das genaue Gegenteil beschreiben." erwiderte er höflich unterkühlt, als stiege er frisch aus dem Gefrierfach. Er wandte sich ab, um sich in die Bibliothek zurückzuziehen, denn er hatte heute eine Freistunde. Alexis lächelte rätselhaft und begleitete ihn, obwohl er die Nase rümpfte. "Das genaue Gegenteil? Tatsächlich? Zumindest habe ich festgestellt, dass du ihm bemerkenswert viel Beachtung schenkst für einen Slifer, die es ja ansonsten noch nicht einmal wert sind, dieselbe Luft zu atmen wie du." "Wenn du unsere Streitereien als Beachtung interpretieren möchtest, von mir aus...." meinte er in gelangweiltem Ton, konnte aber nicht verhindern, dass eine dezente Röte in seine blassen Wangen kroch. Das Mädchen schmunzelte bedeutungsvoll in sich hinein. "Heute ist Valentinstag", erwähnte sie fast wie beiläufig. "Hast du schon Schokolade bekommen?" "Mehr als mir lieb ist!" Er erinnerte sich mit geringer Begeisterung an die Ansammlung von Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die sich vor seinem Einzelzimmer aufgebaut hatte und ihn von allen Seiten mit ihren Pralinenschachteln bedrängte, kaum, dass er aus der Tür war. Mit dem traditionellen Zeigen der kalten Schulter war er die meisten seiner Anbeterinnen losgeworden, aber ein paar waren so hartnäckig, dass sie ihn durch das gesamte Obelisk-Blue-Gebäude verfolgten und er sich in der Herrentoilette verstecken musste. Grauenhaft! Warum konnten ihn diese lästigen Weiber nicht einfach in Frieden lassen?! Und warum bekam er nicht Schokolade von jemandem geschenkt, von dem er sie auch wollte?! Wie zum Beispiel....wie zum Beispiel von einem attraktiven Burschen mit wunderschönen Augen....HE?!?! >>Dieser Valentinstag ist nicht gut für mich<< dachte er verärgert. >>Unser ganzes Wohnhaus ist dekoriert, mit Girlanden und Herzen und ähnlichem Mist und die Schüler und Schülerinnen haben alle ihre Gehirne verlegt....blöd grinsende Gesichter bei den Kerlen und albernes Gekicher bei den Frauen....ätzend! Sogar Professor Crowler ist unausstehlich freundlich, bah! Das färbt allmählich auf mich ab, kein Wunder, dass ich so bescheuerte Ideen habe....!<< "Jaden kriegt sicher viele Präsente!" Alexis' Bemerkung hing eine Weile im Raum, ehe er sie begriffen hatte. Seine Mundwinkel verzogen sich verächtlich nach unten und etwas in ihm verkrampfte sich, ohne dass er klar hätte erklären können, weshalb das so war. "Dieser dämliche Trottel? Das ich nicht lache! Wer würde sich schon für diesen Slifer-Versager interessieren, außer vielleicht einer Selbsthilfegruppe für schlechte Duellanten?" "Du scheinst gerne zu ignorieren, dass er ein liebenswerter Junge ist. Ich gebe ja zu, er ist oft vorlaut und nicht sonderlich taktvoll, aber er besitzt viel Optimismus, einen starken Willen und eine Menge Charme, besonders, wenn er lächelt. Und er hat ein heiteres, unkompliziertes und ehrliches Wesen, dessen Ausstrahlung auch den größten Sauertopf für ihn einnehmen kann! Und er sieht sehr gut aus, das sollte man nicht unterschlagen." "Er sieht gut aus? Der?! WO!?!" "Das fragt mich einer, der seine Augen schön findet?" Damit hatte Alexis ihren Triumph und sie wusste es auch. Befriedigt warf sie ihr blondes Haar zurück und musterte Chazz aus den Augenwinkeln, der wie zur Salzsäule erstarrt war. "Du....hast es....gehört?!" Sie nickte lächelnd und ihr Kommilitone verspürte ein Gefühl des Unbehagens, das ihm über den Rücken rann. Er hätte ihr gern widersprochen, aber das konnte er nicht. Wie sollte er sich herausreden? Das war einfach furchtbar! Heute war definitiv nicht sein Tag! "Nun schau nicht so unglücklich, mein Freund. Jaden ist hübsch, das fällt nicht unbedingt immer nur Frauen auf. Deshalb glaube ich doch, dass er Schokolade bekommt. Bestimmt hat er auch einen Haufen Verehrerinnen, so wie du. Laut unserer Schülerzeitung wurde er zumindest auf den zweiten Platz der süßesten Jungs der Schule gewählt! Das ist Beweis genug, oder nicht? Gib zu, dass du ihn magst!" Seine dunklen Augen musterten sie durchdringend und dem Mädchen wurde etwas flau im Magen. Ihr Gegenüber war nun ernsthaft wütend und als die Bibliothek vor ihnen auftauchte, zückte er seinen Studentenausweis und verschwand mit einem spitzen "Ich würde es vorziehen, meine Lektüre alleine zu konsultieren!" im riesigen Bücherarchiv der Akademie. Professor Crowler war wahrhaftig gut gelaunt, was an der Schule vermutlich nur einmal im Jahr geschah, und zwar am 14. Februar. Seine Uniform hatte noch mehr Rüschen als sonst und seine Vorlesung drehte sich zur allgemeinen Überraschung nicht um die Geschichte der verschiedenen Duellsysteme, sondern um die des Valentinstages. Syrus kam das Thema sehr gelegen, denn er war seit Beginn des Unterrichts damit beschäftigt, auf einem kleinen Papier, auf das ein blassrosa Herz gedruckt war, eine Botschaft für seinen heimlichen Schwarm zu verfassen, der niemand anderes als Jaden war. >>Was soll ich schreiben? Ich liebe dich - nein, das ist viel zu direkt!! Ich meine, es trifft den Kern, aber....aber....aber das geht nicht! Was würde er sagen?! Er würde es nicht einmal glauben und denken, dass ich scherze! Ich brauche was weniger Eindeutiges, damit ich ihm später auf dem Ball meine Gefühle richtig beibringen kann....<< Bei dem Ball - einem Maskenball - handelte es sich um eine vom Direktor gewünschte Veranstaltung. Er war der Ansicht, nach den letzten anstrengenden Prüfungswochen sei der Schülerschaft sowie dem Lehrerkollegium ein Fest zu gönnen und der Valentinstag lieferte den dafür passenden Rahmen. Der fünfzehnjährige Slifer radierte zum wiederholten Mal seine Worte auf dem Kärtchen aus und grübelte weiter. >>'In ewiger Verbundenheit'....zu kitschig. ,Du bist die Sonne meines Daseins'....zu dick aufgetragen. ,Du bedeutest mir alles'....auch zu direkt. Und wenn ich es mit dem simplen ,Ich mag dich' versuche? Den Rest kann ich ihm heute Abend auseinander setzen....oh mein Gott, habe ich eigentlich die Schublade von meinem Nachtkästchen abgeschlossen?! Da sind die Pralinen drin und wenn Chumley sie findet, bringt er es fertig, sie alle aufzuessen!<< Während er diese und ähnliche Gedanken umher wälzte, kritzelte ein schwarzhaariger Ra Yellow, der schräg hinter Jaden sass, Rosen auf seinen Notizblock. Die Ergebnisse fielen nicht besonders überzeugend aus und Bastion stellte resigniert fest, dass ihm zum Zeichnen leider die Begabung fehlte. Zu dumm, dass er vergessen hatte, eine Karte zu kaufen, als er auf dem Festland war! Und bei seinem mangelnden Talent für eigene Verzierungen blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als irgendetwas Nettes auf die Schachtel zu schreiben. Er legte den Stift beiseite und sah zu dem Brünetten hinüber. Wie gerne würde er einmal durch dieses dichte Haar streicheln und überprüfen, ob es so weich war wie es zu sein schien. Oder ihn in den Armen halten....wie mochte das sein? Bisher hatte er sich dies nur in seinen Träumen ausmalen können und wenn er ehrlich war, hegte er keine allzu großen Hoffnungen, aber träumen war ja schließlich erlaubt. Er wollte ihm seine Gefühle gestehen, das war korrekt, aber er würde es akzeptieren, wenn er für Jaden nicht mehr sein sollte als ein guter Freund. Er konnte nichts erzwingen und würde glücklich sein, wenn sein Liebster es war, ob das mit ihm oder einem anderen Mann war. >>Aber du musst wissen, wie ich empfinde. Ich kann nicht länger schweigen - und einmal muss ich es sagen. Du wirst mir auf deine Art antworten....und ich werde diese Antwort annehmen, egal, wie sie ausfällt.<< Der Grund für all diese Emotionen war natürlich komplett ahnungslos. Ihm war zwar aufgefallen, dass Sy in seiner Gegenwart manchmal merkwürdig zappelig und beschämt war, aber er maß dem keine tragende Bedeutung bei. Vielmehr ärgerte er sich noch immer über seinen körperlichen wie verbalen Zusammenstoß mit Chazz und fragte sich, warum er diesem Schnösel nicht schon längst einen Kinnhaken verpasst hatte, der ihn von seinen ständigen Überspanntheiten kurierte. Er verschränkte die Arme und rief sich die edle und elegante Erscheinung seines Kontrahenten ins Gedächtnis. Sosehr er sich dazu zwang, er konnte es nicht verhindern, dieser Gestalt insgeheim Bewunderung zu zollen - großgewachsen, anmutig, mit herrlichen dunkelblauen Augen, deren Färbung so tief war, dass sie fast schwarz wirkten, makellos geschwungene Lippen und perlengleiche Haut....Eine eigentümliche Wärme durchflutete ihn, dieselbe Wärme, die er stets verspürte, wenn Princeton ihm begegnete und die er seit jeher ignoriert hatte, weil er sie nicht zuordnen konnte. Er hasste ihn nicht, oder so....er konnte ihn bloß nicht leiden, weil er sich von nichts beeindruckt zeigte und wie fanatisch daran arbeitete, in allem und jedem der Beste zu sein. So viel Ehrgeiz konnte gefährlich sein....anstatt ständig zu schuften, sich in seinen Büchern zu vergraben und die Hälfte seiner Jugend mit Lernen und Duelltraining zu verbringen, könnte er doch auch einfach mal nur Spaß haben, entspannen, lachen? Er tat es ohnehin so selten, sein schönes Gesicht war immer ernst und kühl....äh....SCHÖNES GESICHT?!?! Jaden runzelte die Stirn, als hinterfrage er seine eigenen Gedanken. Woher kam diese Überlegung?! Er konnte unmöglich das Antlitz eines Jungen schön finden, und schon gar nicht das von Chazz!! Dennoch....eigentlich....es stimmte. Seine Züge waren nobel und fein geschnitten, von beinahe aristokratischer Ausstrahlung....Und es wollte ihm scheinen, als verberge sich hinter dieser abweisenden Maske ein Charakter, der zu großen Gefühlen fähig war, gerade weil er seine Empfindungen zu verbergen bemüht war....Sein Herz begann plötzlich, wild zu pochen. Was war bloß los mit ihm?! Der Obelisk Blue war nichts weiter als ein Störfaktor in seinem Leben, derjenige, der ihn beleidigte, herausforderte, ihn reizte....der ihm an Willenskraft ebenbürtig war, sich trotz seiner Niederlagen seinen Stolz bewahrt hatte und....und was fiel ihm überhaupt ein?! Der Sechzehnjährige seufzte aus Gemütstiefen und bettete seinen erschöpften Kopf auf seinem Pult. Irgendwie war er mit einem Mal ziemlich verwirrt.... Bastion betrachtete ihn neugierig und mit leiser Besorgnis. Er sah durcheinander aus, als hätte ihn seine Sicherheit im Stich gelassen. Was mochte ihn beschäftigen? Als die Vorlesung vorüber war, schickte er sich an, seinem Schatz die Schokolade zu überreichen, die er in seiner Tasche bei sich trug und tatsächlich war der Brünette noch nicht unterwegs zu seiner Unterkunft, da Syrus ihn gebeten hatte, kurz auf ihn zu warten, weil er etwas holen müsse. "Jaden...." "Oh? Ach, du bist es, Bastion! Was gibt's?" "Hast du schon ein paar Geschenke bekommen?" "Ich hab welche in meinem Spind gefunden und dazu einige romantische Briefchen von ein paar Mädchen, die ich nicht einmal kenne. Keinen Schimmer, woher die alle meine Spindnummer haben, aber was soll's....hast du auch eine kleine Ausbeute gemacht?" "Ich habe noch nicht nachgesehen. Aber weißt du, eigentlich....wollte ich dir das hier geben." Der Ra Yellow griff in seine Tasche und angelte ein Päckchen daraus hervor. Es war neutral geformt, glänzte aber dafür in tiefem Rot und war mit einer Schleife verziert. Auf dem Deckel stand in Schönschrift: "Für den bezauberndsten Jungen der Schule". Jaden war total überrumpelt und wollte schon eine abwehrende Geste machen, als ihm Bastions gerötete Wangen auffielen. Kami-sama, das war sein Ernst....! Verlegen nahm er das Präsent entgegen und verstaute es vorsichtig in seinem Rucksack. Das war also sein erster Valentinstagsgruß von einem Mann....und er war bei weitem nicht so schockiert, wie er vielleicht hätte sein sollen. Die Sonne brach durch die Fenster und badete den Flur in goldenem Licht. Ihre Strahlen verfingen sich in dem nachtschwarzen Haar des Ra-Studenten und zauberten ein irisierendes Leuchten in seine blauen Augen. Jaden fand ihn höchst attraktiv, und erschrak noch nicht einmal über diese Erkenntnis, da sich nichts in ihm dagegen sträubte. War er etwa....? Er führte den Gedanken nicht zu Ende, sondern bedankte sich bei Bastion und dieser lächelte ihn an, halb erfreut, halb erleichtert, dass der andere ihm die Schachtel nicht um die Ohren geschleudert hatte. Endlich tauchte auch Syrus wieder auf; er keuchte, als hätte er einen Dauerlauf hinter sich. Rot bis an den Haaransatz streckte er die Hände aus und hielt seinem Freund ein Herz unter die Nase, auf dem ein Kärtchen klebte. Der Ältere trat vor und las: "Ich mag dich unheimlich gern. Alles Liebe zum Valentinstag. Dein schüchterner Verehrer Sy." Du meine Güte, wie....wie niedlich! "Das ist für mich?" Der Fünfzehnjährige nickte, traute sich aber immer noch nicht, seinen Gegenüber anzusehen. Bastion stand grinsend daneben. Er war nicht erstaunt, denn die Gefühle des Kleinen waren selbst für einen Blinden ersichtlich gewesen. "Das ist süß von dir. Vielen Dank." "Gern geschehen...." "Also, ihr zwei, wir sehen uns beim Ball, oder? Ich muss weg, ich hab jetzt mein Seminar. Bis dann!" Ihr Kommilitone verabschiedete sich und die Freunde traten den Rückweg zu ihrem Wohnhaus an, da nun ihre Freistunde anfing. Syrus war sehr schweigsam. "Bastion hat mir ebenfalls Schokolade gegeben", erzählte Jaden und beobachtete die Reaktion des Türkishaarigen. Dieser zeigte ein betrübtes Lächeln und erwiderte: "Das dachte ich mir. Er hat versucht, seine Empfindungen hinter der Fassade des guten Kumpels zu verstecken, aber ich habe ihn durchschaut. Er ist ein prima Kerl, ein super Duellant, sieht toll aus und ist hochintelligent. Ich war eine Zeit lang....eifersüchtig auf ihn." "Im Ernst?" "Na ja, im Vergleich zu ihm habe ich doch gar nichts zu bieten....ich bin kein Schönling, duellieren kann ich mich gerade mal auf dem Niveau eines Kleinkindes und meine Noten sind eine Katastrophe....Ich bin garantiert nicht dein Typ." "Um ehrlich zu sein....bis vorhin habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wer mein Typ ist - ich meine, bei Jungs. Ich räume ein, dass ich mich nie gewundert habe, warum ich noch nie romantisches Interesse für ein Mädchen entwickelt habe, aber ich dachte eben, ich wäre einfach noch nicht der Richtigen begegnet." "Und jetzt denkst du das nicht mehr?" "Ich....ich weiß es nicht. Ja, vielleicht. Sag mal....wie hast du gemerkt, dass du ,so' bist?" "Dass ich wie bin? Schwul?" Jaden war das Gesprächsthema peinlich und so nickte er nur. Sy schmunzelte und öffnete die Tür zu ihrem Quartier, an dem sie gerade angekommen waren. Chumley sägte ganze Regenwälder ab, während er schnarchte und seine Zimmergenossen marschierten rückwärts wieder nach draußen, nicht ohne sich ihre Schals und Wintermäntel zu holen. Das kurze Stück vom Slifer-Red-Gebäude zu den Unterrichtsräumen konnte man ohne Vermummung zurücklegen, aber wenn sie sich längerfristig in der Kälte aufhalten wollten, mussten sie sich dick einmummeln. Ihr Atem bildete Wölkchen vor ihren Gesichtern und sie setzten sich auf eine der Bänke, die in unregelmäßigen Abständen die Wege säumten. "Ich habe angefangen, es zu merken, als ich meine Gefühle für dich erkannte. Zu Beginn habe ich nicht groß darauf geachtet, ich dachte nur, na, er ist nun mal mein bester Freund und jemand, dem ich voll vertrauen kann, da ist es normal, wenn man diese Bindung etwas intensiver empfindet. Irgendwann ertappte ich mich aber dabei, wie ich dich beobachtete und deinen Körper musterte - während der Sportstunden zum Beispiel und in der Umkleidekabine. Zuerst war ich betroffen und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Eine Weile habe ich es einfach verdrängt....bis ich einsah, dass es nun einmal so war und mich die Natur offenbar so gemacht hatte. Als ich mir eingestand, was ich fühlte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich....ich liebe dich, Jaden, und wenn es Liebe ist, kann nichts verwerfliches daran sein." "Aber ich teile deine Gefühle nicht, Sy. Ich mag dich wie einen Freund und manchmal wie einen kleinen Bruder, der mir unersetzlich ist....doch Liebe in dem Sinn, wie du es meinst, ist es nicht." Der Braunhaarige blickte ihn verstohlen an, gerührt und beeindruckt von der schonungslosen Ehrlichkeit, mit der sein Kamerad ihm seine Frage beantwortet hatte. Er wollte ihn nicht verletzen, doch eine nachsichtige Lüge war kaum die bessere Lösung. "Das ist mir klar. Wäre es anders, hättest du mir deine Liebe gezeigt, denn du hasst es, um den heißen Brei herumzureden. Du wärest schnurstracks zu mir gelaufen und hättest die Sache geklärt. Nun, es ist nicht so. Dein Herz wird eine andere Person erwählen, mit der du glücklich sein kannst. Das Geschlecht spielt in meinen Augen keine Rolle." "Wir bleiben also Freunde? Ich danke dir. Was Bastion angeht....er....er liebt mich auch, nicht wahr?" Der Ton seiner Stimme war ein wenig furchtsam. "Genau. Du merkst es wahrscheinlich gar nicht, aber du hast etwas Strahlendes an dir, das die Menschen in deinen Bann schlägt. Du bist nie traurig, gewinnst allem etwas Positives ab und beißt dich durch, egal wie hoffnungslos die Lage sein mag. Ich bewundere das. Wenn es dich nicht gäbe, hätte ich meine Ausbildung hier an der Akademie schon längst abgebrochen. Du hast mir Mut gemacht." Stille senkte sich auf sie herab, aber es war keine unangenehme Stille. Jaden reichte dem Jüngeren die Hand und drückte sie in freundschaftlichem Einverständnis. "Wie rührend! In trauter Zweisamkeit, ihr beiden? Da wird einem ja schlecht!" Jäh wandten sie sich zu Chazz um, der, in einen Mantel mit Pelzkragen gehüllt, vor ihnen stand und sie mit einem geradezu abscheulich hochmütigen Lächeln bedachte. Er hatte seine Studien in der Bibliothek beendet und war spazieren gegangen, in seinem Inneren von einer seltsamen Unruhe erfüllt. "Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten, Princeton! Hat dir das niemand beigebracht?" "Ausgerechnet du willst mir was von guten Manieren erzählen, Yuki? Du hast doch keine Ahnung davon, wie man sich benimmt!" "Behauptet einer, dessen Vorstellungen von vernünftiger Konversation unter aller Kanone sind!" "Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen schmeißen, Slifer-Niete!" "Da, schon beleidigst du mich! Deine Höflichkeit tendiert gegen Null!" "Nur gegenüber denen, die es nicht anders verdienen!" Sie funkelten sich erbost an und Syrus meinte einlenkend: "Lass dich nicht provozieren. Darauf hat er es doch abgesehen. Komm, gehen wir in unser Zimmer zurück. Ich möchte, dass du meine Pralinen probierst, sie sind selbstgemacht." "Wie entzückend!" stichelte der Blauhaarige boshaft. "Der Schrumpfkaktus ist in dich verknallt, oder was? Gott, wie erbärmlich! Und pervers ist es auch!" "Sy", stieß Jaden hervor, zitternd vor Zorn, "Geh zu Chumley. Kümmere dich nicht um das, was dieser Mistkerl vor sich hin plappert! Ich werde ihn dazu bringen, dass er sich bei dir entschuldigt!" Der jüngere Slifer Red betrachtete ihn besorgt, gehorchte aber widerspruchslos, denn wenn sein Kamerad wirklich wütend war, empfahl es sich nicht, sich in sein Vorhaben einzumischen. "Warum hast du den Kurzen weggeschickt? Was hast du vor? Willst du mir eine reinhauen? Du erstaunst mich. So ein Aufwand, nur, um diese Schwuchtel zu verteidigen?" "Er ist tausend Mal so viel wert wie du, Princeton!! Er hat ein aufrichtiges und warmes Herz! Du hast gar keines!!" Chazz zuckte unmerklich zusammen. Der Pfeil, der mit diesen Worten bestückt war, traf ihn frontal und blieb mit hässlichen Widerhaken in der zuckenden Zielscheibe stecken - seinem Herzen. Er verbarg dieses Herz vor seinen Mitmenschen, aber er besass eines, obwohl er es verleugnete. Er war der festen Überzeugung gewesen, Yuki könne ihn durch nichts ernsthaft verletzen, doch offenbar hatte er sich getäuscht. Sein Rivale glaubte, was er sagte....und als ihm dies klar wurde, verspürte er einen stechenden Schmerz. Es tat weh. So weh wie noch nie etwas zuvor. "Das ist deine Meinung....? So also....siehst du mich?" "Was soll ich denn sonst denken? Du behandelst alle um dich herum mit Geringschätzung, hältst dich für etwas Besseres, benimmst dich, als ginge dir nichts nahe....Und du lachst kaum! Du arbeitest immer nur, hetzt von Test zu Test und von Duell zu Duell und vergisst dabei, dein Leben zu genießen!" "Es gibt nichts in diesem Leben, das ich genießen könnte!" In seiner Stimme lag Bitterkeit und Jaden wich bestürzt zurück. "Das kann nicht sein....Was ist mit Spaß haben? Mit Freunden? Mit gemeinsamen Unternehmungen? Mit Partys oder Freizeitvergnügen? Sich amüsieren, albern sein?" "Für solchen Unsinn habe ich nichts übrig." "Ach? Das wird sich zeigen!" Damit schaufelte der Brünette einen Haufen Schnee zusammen und knetete einen großen Schneeball daraus, den er mit einem gezielten Wurf auf Chazz' Brust feuerte. Das zerplatzende Geschoss bildete eine sternförmige Verzierung auf dem weichen Mantel und der Obelisk-Schüler war einen Moment sprachlos vor Entrüstung. "Das....das wirst du büßen!" zischte er und formte einen eigenen Schneeball, der mit voller Wucht über Jadens Kopf hinwegfegte, sodass es aussah, als trüge er eine Pudelmütze. Er ließ sich nicht lange bitten und erwiderte den Beschuss. Schließlich waren sie nicht mehr zu halten und es flog Schneeball auf Schneeball. Bald hatten sich die beiden heißgekämpft und wirkten, als hätte man sie von oben bis unten mit Puderzucker bestreut. Jaden, der sich kurz vor seinem Sieg sah, wagte einen Ausfall und stürzte sich mit einem Kampfschrei auf seinen überraschten Gegner. Sie kullerten durch die weiße Pracht, rollten über einen Abhang und landeten mit einem dumpfen Geräusch neben einer Tanne, deren Äste durch die kalte Last niedergedrückt wurden. Ihr Atem vermengte sich und ihre Gesichter waren sich ganz nah. Chazz spürte den geschmeidigen Körper seines Kontrahenten auf dem seinen und eine ungewohnte Hitze bemächtigte sich seiner. Eine schwere, eigentümliche Süße hinderte seinen Verstand daran, die Situation logisch zu zergliedern. Über sich registrierte er dieses Antlitz mit den schönen Augen, die das Feuer der Leidenschaft in sich bargen, fuhr mit seinen Blicken die Linie der kecken Nase und der vollen Lippen nach, betrachtete das feuchte Haar und sog seinen Duft ein, durchdringend und frisch, belebend, wie ein Schluck Wasser in der Wüste. Plötzlich löste sich aus seiner Kehle ein Glucksen, wurde lauter und entlud sich endlich in einem befreienden, heiteren Lachen. "Du hattest Spaß, hm?" erkundigte sich der andere in neckendem Tonfall, die Wangen sanft gerötet durch ihre Schlacht und die unmittelbare Nähe von Princeton, die ein seltsam berauschendes Gefühl in ihm wachrief. Die zart schimmernden Lippen übten eine Anziehungskraft auf ihn aus, die ihm fast unheimlich war. Sie schienen so weich und warm zu sein....Bezwungen von einer Empfindung, der er noch keinen Namen zu geben wagte, beugte er sich hinunter und küsste diesen verlockenden Mund. Chazz wehrte sich instinktiv und, nach dem ersten Schreck, mit der ihm eigenen Impulsivität. Er stieß Jaden von sich weg und richtete sich auf, zwischen Abscheu und Hingabe schwankend. "Wie....wie konntest du....?! Was denkst du dir eigentlich, du Schwein?!" "Ich....ich habe an gar nichts gedacht", bekannte er verlegen. "Ich stellte mir nur vor, wie schön es wohl wäre, dich zu küssen....Du hast so glücklich geklungen, als du gelacht hast. Es war wunderbar, dich so zu erleben. Warum kannst du nicht öfters so sein? Du bereitest dir doch nur selbst Kummer, wenn du weiterhin so verschlossen bleibst!" "Habe ich dich um deine Meinung gebeten?! Ein nichtswürdiger Slifer wie du weiß gar nichts von mir, also maße dir nicht an, über mich zu urteilen!!" Er wandte sich zum Gehen, als Jaden ihn am Arm packte, aber er riss sich zornig los. "Und fass mich nicht an, du widerliche Schwuchtel!!" Wie von Furien gehetzt, rannte er in Richtung der Obelisk-Blue-Unterkunft davon und ließ einen verwirrten jungen Mann zurück, der nicht wusste, wie ihm geschah. Lange verharrte er dort im Schnee und merkte nicht einmal, wie es nach und nach heftig zu schneien begann. Die wild wirbelnden Flocken nahmen ihm die Sicht, aber er sah ohnehin nichts durch den Schleier von Tränen, die über seine Wangen liefen. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, als wolle es ihn sprengen und er sank auf die Knie, schwach in den Beinen und innerlich von einem Schmerz gequält, der ihm unbegreiflich war. Er war bis auf die Haut durchnässt, als ihn endlich jemand aus seiner Lethargie riss. Syrus schüttelte ihn sanft und rief seinen Namen, aber er reagierte nicht. Bastion, der mit von der Partie war, hob ihn auf seine Arme und trug ihn in sein Zimmer, wo Chumley inzwischen aufgestanden war und Tee gekocht hatte. Der Türkishaarige zog Jaden die eisigen Klamotten vom Leib und deckte ihn mit allem zu, was er finden konnte. Der Ra Yellow hatte eine Wärmflasche gefüllt und schob sie unter die Laken. Danach fügte er dem Tee einen Schuss Rum hinzu und setzte sie dem Brünetten an die Lippen. Dieser blinzelte und trank gehorsam ein paar Schlucke, kräuselte aber die Nase. "Das ist die berühmte Medizin für schiffbrüchige Seeleute. Du kannst nicht erwarten, dass Medizin auch noch gut schmeckt!" Mit glühendem Gesicht ließ er sich ins Kissen zurückfallen und genoss still die Wärme und die Geborgenheit, die ihn umgab. Syrus und Bastion sassen neben seinem Bett und betrachteten ihn zärtlich, Chumley lächelte freundlich. Das Blut floss in seine kalten Glieder zurück und die Erinnerung folgte auf dem Fuße. "Ich....ich habe ihn geküsst." sagte er, als würde dies alles erklären. Der Schwarzhaarige strich behutsam über Jadens Hand und fragte: "Wen?" "Ich....ich habe Chazz geküsst....ich meine Princeton...." Seine beiden Verehrer wechselten einen bedeutsamen Blick. "Wie hat es sich angefühlt?" "Ich weiß nicht....es ist schwer zu beschreiben, Sy. Ich habe noch nie so empfunden, wenn ich ehrlich bin. Keine Ahnung, warum ich es überhaupt wollte. Da war irgendwie nur noch eine Art Sehnsucht in mir....seltsam neu und doch vertraut. Ich war überzeugt, ich täte das richtige." "Hat es sich ,falsch' angefühlt?" "Falsch? Wie, falsch? Du meinst, eklig oder grässlich, wie etwas, das man nicht will? Nein....nein, das hat es nicht. Es war....schön. Wie man sich einen Kuss wünscht. Ha...." Er warf in einer Geste der Resignation den Kopf zurück. "Scheint, ich bin schwul. Meine Eltern werden einen Anfall kriegen!" "Du musst dich noch nicht outen, wenn du es nichts willst", erläuterte Bastion, der die Sache mit dem familieninternen Coming Out bereits hinter sich hatte. Er wurde bald siebzehn und wollte vor diesem Geburtstag reinen Tisch haben. Um es seinen Eltern vernünftig beibringen zu können, hatte er sich Bücher gekauft, die sich mit den Ursachen von Homosexualität befassten und sich mit ihrer Hilfe erklärt. Seine Mutter hatte es schneller akzeptiert als sein Vater, hatte aber nach dem Zureden seiner Frau nachgegeben und gemeint, er solle "nach seiner Fasson selig werden". Er war froh und dankbar, dass es bei ihm so gut ausgegangen war. "Das wichtigste ist erst einmal, dass du dir über deine Gefühle klar wirst. Bei dem Hormonchaos in einem pubertierenden Körper ist es nicht unbedingt ungewöhnlich, mal eine Neigung zum eigenen Geschlecht zu verspüren. Das bedeutet nicht automatisch, dass man wirklich lesbisch oder schwul ist. Denk nach. Ist Chazz der einzige, der dir gefällt? Findest du nicht eventuell irgendein Mädchen süß oder sexy, zum Beispiel Alexis?" Jaden verschränkte die Arme im Nacken und dachte nach. "Also....Alexis ist sehr hübsch und nett, überaus hilfsbereit und hat eine klasse Figur. Aber das ist eine rein objektive Betrachtung, nicht im Sinne von romantischem Interesse. Das Kribbeln fehlt!" "Das Kribbeln?" "Na ja, du weißt schon, wenn man....wie soll ich das ausdrücken? Ich meine, wenn eine Frau sich einen gut gebauten Kerl ansieht, gefällt er ihr vermutlich auf sexuelle Weise. Sie achtet auf seine Schultern, seine Muskeln, die Augen, die Lippen, den Po, solche Sachen, die für das weibliche Geschlecht anziehend sind. Bei einer Frau mag sie auf dieselben Aspekte schauen, aber sie nimmt sie auf eine andere Art wahr. Die Anziehung ist nicht sexueller Natur." "Gut. Jetzt eine ganz einfache Frage. Schließ die Augen und stell dir einen herrlichen Sandstrand vor: Blaues Meer, Palmen, Sonne. Welchen Anblick würdest du bevorzugen: Den von Alexis im knappen Bikini oder....oder den von mir in einer engen Badehose?" fügte Bastion nach kurzem Zögern grinsend hinzu. "Hm....wenn ich mir die Szene so ausmale....würde ich wohl dich vorziehen. Ich hab dich mal im Sport gesehen, beim Fußball. Es war ein heißer Tag und du hast dein verschwitztes Hemd ausgezogen. Wenn ich es recht bedenke...." Er wurde ein bisschen rot. "....ich glaube, ich habe auf dein Sixpack gestarrt....und fand es toll." "Nicht gerade verwunderlich." kommentierte Syrus und der Ra-Schüler sah ihn überrascht an. Der Jüngere wich in ein Lachen aus und erklärte: "Äh....ich hab schließlich Augen im Kopf...." "Dann sollte ich mich geschmeichelt fühlen, oder? Aber zurück zu Chazz. Nimm ihm sein Verhalten nicht übel, es ist für einen Jungen ein ordentlicher Schock, wenn er von einem Kerl geküsst wird und sich seiner eigenen Gefühle nicht sicher ist. Du magst ihn, nicht wahr? Auf romantische Weise?" "Ich....ich glaube schon. Verrückt. Dabei war er heute Morgen noch mein Rivale." "Diese Gefühle waren bereits vorher in dir, aber du hast sie nicht erkannt. Es brauchte nur ein Ereignis, um sie hervorzubringen und nun haben sie sich dir offenbart. Übrigens....wirst du zu dem Maskenball kommen?" "Klar doch. Das lasse ich mir nicht entgehen!" Er stand auf und blickte aus dem Fenster. Das Schneetreiben draußen hatte ein wenig nachgelassen und die Sonne spitzte durch die Wolken. "Es gibt nichts in diesem Leben, das ich genießen könnte!" - das waren seine Worte. Woher nur so viel Ablehnung, so viel Härte? Er war anderer Emotionen fähig und besass ein so wundervolles Lachen....und wie seine Augen dabei geleuchtet hatten....tief und bestechend, wie Edelsteine....Er wollte sich entschuldigen. Aber ob Chazz ihm überhaupt zuhören würde? Ein Student, der zufällig an Princetons Zimmertür vorbeigekommen wäre, hätte sich über die befremdliche Lautstärke seines Bewohners gewundert. Der Sechzehnjährige entlud gerade seinen Frust oder seinen Zorn, was immer es war, im Schleudern seines Kissens, das er mal hier hin und mal dort hin beförderte, wobei ab und zu etwas zu Bruch ging. Nachdem er sich genug ausgepowert hatte, streckte er sich erschöpft auf seinem Bett aus und berührte seinen Mund. Zu seiner eigenen Bestürzung konnte er diesem verfluchten Kuss von diesem verdammten Slifer genau nachspüren, als würden diese sinnlichen Lippen noch immer gegen die seinen gepresst. >>Memo an mich selbst: Yuki hat keine sinnlichen Lippen!!!<< Dass dieser Bastard es wagte, ihn so zu behandeln!! Das war eine einzige Demütigung!! Sollte das etwa eine Form von Rache sein, weil er den Gartenzwerg pervers genannt hatte? Es war doch nichts als die Wahrheit! Und diese blöde Schneeballschlacht....er hätte bei diesem kindischen Schwachsinn gar nicht erst mitmachen dürfen! "Du hast so glücklich geklungen, als du gelacht hast. Es war wunderbar, dich so zu erleben. Warum kannst du nicht öfters so sein? Du bereitest dir doch nur selbst Kummer, wenn du weiterhin so verschlossen bleibst!" Das hatte Jaden gesagt. Woher nahm er die Stirn, so mit ihm zu sprechen?! Frech, ungehobelt, unverschämt, das war ja nichts neues, aber dass er....in sein Innerstes hatte blicken können.... und er? Er hatte ihn nicht davon abgehalten, ihn mit diesen seinen Augen einzusaugen und zu fesseln....seine Augen....frei, ungebunden, ohne die Schatten des Zwangs und der Verpflichtungen, lebenslustig, temperamentvoll und ungestüm. Er war bereit, sein Umfeld für sich zu erobern, Spaß zu haben, Freundschafen zu schließen und die Regeln und Konventionen zu brechen, die ihn einengten....Eigenschaften, über die er nie verfügen würde. Dinge, die man ihm verbot, um den ruhmreichen Namen der Familie nicht zu beschmutzen. Er wollte ein eigenes Leben....! Musste ihm dieser Trottel immer wieder demonstrieren, wie glücklich und unbeschwert er war, während er beinahe von der Verantwortung zerquetscht wurde, die man zu tragen hatte, wenn man Princeton hieß?! Yuki hatte alles, was er sich je wünschen konnte - er konnte ihn doch nur hassen, oder nicht!?! Chazz schmeckte das Prickeln der unerwarteten Liebkosung nach wie vor und in seinem Herzen herrschte ein einziges Chaos. Hatte er es tatsächlich als so widerlich empfunden, wie er vorgegeben hatte? Nein, im Grunde nicht. Und das war es, was ihn entsetzt hatte. Diese Erkenntnis war ihm gleich einer messerscharfen Klinge in die Eingeweide gedrungen und hatte eine rasche Reaktion von ihm gefordert. Das konnte nicht sein!! Es war unmöglich!! Aber dieses grauenhafte, glutvolle Brennen auf seinen Lippen schien kein Ende nehmen zu wollen....! Die vermaledeite Hitze in seinem Körper erschöpfte sich auch nicht....! >>Was ist in mich gefahren?! Was immer er mit mir angestellt hat, diese Slifer-Niete wird dafür bezahlen, das schwöre ich!!<< Da klopfte es. Aufseufzend zupfte er sein Kissen zurecht und bat die Person herein. Es war Alexis, die sich im Auftrag von Professor Crowler nach seinem Befinden erkundigen sollte, weil er die momentan laufende Stunde schwänzte. "Nanu? Du siehst nicht krank aus. Warum bist du dann nicht im Unterricht? Ich habe mir schon Sorgen gemacht, da ich dachte, dir wäre vielleicht schlecht geworden. Was ist los?" "Nichts. Es ist nichts...." "Du wirkst ein wenig....verstört." Er zuckte gleichgültig die Achseln und starrte ausdruckslos an die Decke. Das Mädchen musterte ihn irritiert, entschied sich aber, dass es besser sei, ihn in Ruhe zu lassen, wenn er von sich aus nichts erzählen wollte. Sie schickte sich an, wieder zu gehen. "Hast du....schon eine Begleitung für heute Abend?" "Nein, noch nicht. Die Jungs, die mich einladen wollten, haben vor lauter Nervosität nicht den Mund aufgekriegt und wenn, kamen bloß die üblichen Anmachsprüche raus. Da verzichte ich lieber! Warum fragst du?" "Würdest du mir die Ehre erweisen, dein Begleiter für das Fest zu sein?" Die perfekt gedrechselten Worte perlten wie Musik aus seinem Mund und Alexis war angenehm überrascht von so viel Höflichkeit. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, weshalb Chazz ihr dieses Angebot unterbreitete, aber da es nun einmal ihr galt, konnte sie ebenso gut zustimmen. "Gern. Hol mich bitte um acht Uhr ab." Es war Abend geworden. Der Ballsaal der Akademie war grandios geschmückt, ein köstliches Buffet lockte die Hungrigen, eine aromatische Bowle die Durstigen und das Orchester spielte eine beschwingte Begrüßungsmelodie. Lehrer und Schüler versammelten sich langsam in der Halle. Syrus stand frierend neben dem Eingang und fragte sich, wie lange Jaden noch fürs Anziehen brauchen würde. Er selbst steckte in einem dunkelgrünen Magierkostüm mit goldenen Applikationen und seine Augenpartie war hinter einer farblich passenden Maske verborgen, die mit Sternen verziert war. "Ist er endlich da?" ertönte hinter ihm die smarte Stimme von Bastion und er trat zu dem Jüngeren in die Kälte hinaus. Er war in ein goldgelbes Gewand gekleidet, wie man sie zur Zeit des Sonnenkönigs Louis XIV. in Frankreich getragen hatte (sofern man dem Adel entstammte) und das Ganze war prachtvoll anzusehen. Der Degen an seinem Gürtel verlieh dem Kostüm einen authentischen Schliff, die goldfarbene Maske, die er momentan in die Stirn zurückgeschoben hatte, würde sein Gesicht bis zur Nase bedecken. "Nein, ist er nicht. Ich habe keine Ahnung, warum das so lange dauert. He - sieh mal! Kommen dir die beiden da drüben nicht bekannt vor?" Sy deutete zu einem Paar hinüber, von dem der weibliche Part ein prinzessinnenähnliches Kleid in Hellblau trug, mit Puffärmeln und weißen Handschuhen. In ihrem blonden Haar war ein Diadem aus Straßsteinen befestigt und die Maske war wie Schmetterlingsflügel gestaltet. Der Herr erschien in einer Kombination aus Smoking und blauem Kummerbund, um den Hals war eine Fliege geschlungen, auf der ein dunkelblauer Stein prangte. Um seine Schultern flatterte ein elegantes schwarzes Cape, die Maske war schlicht und ohne Muster, in derselben Farbe wie das Cape. "Das sind Alexis und Chazz. Was heißt das? Ist er ihr Begleiter?" "Es sieht ganz danach aus. Ich hätte gewettet, er käme solo." "Ich hätte eher gewettet, er käme überhaupt nicht." erwiderte Bastion trocken und spähte in die Dunkelheit, ob denn Jaden nicht endlich auftauchen würde. Als er eine rotgewandete Person entdeckt hatte, begrüßte er sie herzlich, unterbrach sich aber gleich darauf. "Ach nein, das ist er nicht." "Von wem sprichst du denn?" Die beiden Kavaliere betrachteten den Fremdling und gewahrten, dass er diese Frage in einer ihnen sehr vertrauten Stimme gestellt hatte. Rote Lederstiefel an den Füßen, darüber eine schwarze Hose, die an den Beinseiten Muster in Form von Flammenzungen aufwies, rot, orange und gelb, mit Pailletten bestickt, sodass sie das Licht wirkungsvoll reflektierten. Die Schärpe war golden und das Oberteil bestand aus feuerartig zusammengefügten künstlichen Federn, die den sportlichen Torso bis hinauf zu den Schultern und über die volle Länge der Arme hinweg umschlossen. Im Rücken hatte er ein durchsichtig schimmerndes Paar Phönixflügel, die goldene Maske war so geschnitten, dass sie ihrem Träger einen raubvogelartigen Blick verlieh und besass an der Nase einen spitzzulaufenden Schnabel. Zusätzlich hatte sich Jaden mit rotem Haarmascara Strähnchen in seinen braunen Schopf gezogen. "Ich habe noch nie einen schöneren Phönix gesehen", flüsterte Syrus begeistert und zwinkerte seinem Freund zu. "Du siehst absolut fabelhaft aus. Lass uns reingehen." "Danke. Ihr seht auch super aus." "Mach mir lieber keine Komplimente, sonst werde ich noch richtig eingebildet!" Der Direktor hatte den Ball eröffnet und das traditionelle Fallenlassen der Masken für Mitternacht angekündigt. Musik erklang und mehrere Paare fanden sich auf der Tanzfläche ein. Chazz tanzte mit Alexis, aber sie merkte deutlich, dass er nicht bei der Sache war. Die dunklen Augen hinter der schwarzen Maske flirrten unruhig hin und her, quer durch den gesamten Raum, als suche er jemanden und könne ihn nicht entdecken. Plötzlich tippte ihr jemand auf die Schulter und sie sah sich einem Herrn in Rot gegenüber, dessen Mund zu einem charmanten Lächeln verbreitert war. "Darf man abklatschen?" Die Blonde nickte. Sie ahnte, wer sich ihnen in diesem Kostüm genähert hatte, doch sie hütete sich, es zu verraten. Sie brauchte auch gar nicht lange zu warten, bis ein anderer Kavalier sie aufforderte und ihr ehemaliger Tanzpartner musterte den Fremden mit Neugier. Das Kostüm gefiel ihm, es war schön und heischte Aufmerksamkeit. Er erkannte ihn nicht, spürte aber eine seltsame Anziehung, die er sich nicht erklären konnte. "Darf ich bitten?" Princeton zögerte einen Moment. Er konnte doch nicht mit einem Mann tanzen! Andererseits - Körper in bunten, glitzernden Stoffen wogten durch den Saal und die meisten verbargen ihr Geschlecht durch das Gewand. Niemand würde darauf achten....und sein Gegenüber schien einen Zauber zu verströmen, dem er sich nicht entziehen konnte. So legte er seine Hand in die des anderen und sie begannen, sich zu der Musik zu bewegen. Jaden nutzte den Vorteil, den seine Verkleidung ihm bot, und bemühte sich, seine Gefühle in jedem einzelnen seiner Schritte auszudrücken. Dem Obelisk Blue war es, als träume er. Die Leichtigkeit des Tanzes und die geheimnisvolle Aura seines Partners erinnerten ihn an manchen Roman, den er gelesen hatte und in denen es von blutvoll charakterisierten, mysteriös gezeichneten Figuren nur so wimmelte. Er fragte sich, wer er wohl war, dessen Ausstrahlung in dermaßen zu fesseln vermochte. "Wie ist dein Name?" "Ich möchte ihn noch für mich behalten. Aber du kannst mich ,Phönix' nennen. Und dich? Wie soll ich dich anreden?" "Man erkennt mich doch." "Nun, das stimmt. Dennoch. Ah, ich weiß. Ich werde einfach ,Prinz' zu dir sagen. Das passt gut zu deinem Nachnamen." "Mein Nachname!" spottete der Dunkelblauhaarige mit deutlicher Verachtung. "Wenn es möglich wäre, würde ich diesen verwünschten Namen sofort gegen einen anderen eintauschen!" Das Orchester verstummte und man applaudierte. Phönix geleitete Chazz nach draußen auf die Terrasse. Die Winterlandschaft präsentierte sich vor ihnen in majestätischer Stille, geschmückt mit den Lichtern der Sterne und der silbernen Scheibe des Mondes, eingehüllt in einen weißen Mantel, der die Natur zu friedlichem Schlaf bettete. "Warum sprichst du mit so viel Bitterkeit von deinem Namen?" "Weil....das ist unwichtig!" wehrte er ab und wandte sein Gesicht zur Seite, mit zusammengepressten Lippen auf das Bild starrend, das sich ihnen bot. Sein Begleiter legte einen Finger unter sein Kinn und drehte ihn wieder zu sich herum. "Solltest du nicht stolz sein auf deinen Namen? Du stammst doch aus einer reichen Familie." "Was bedeutet schon Reichtum, wenn man der Familie beraubt ist!" Jaden, erschrocken von dem durch aufsteigende Tränen beschwerten Ton dieser Worte, ergriff die Hände des jungen Mannes, die noch ein wenig Wärme in sich bargen und sah ihm offen in die von hübsch gebogenen Wimpern beschirmten Augen. "Was meinst du damit?" erkundigte er sich sanft. Chazz nahm die zärtliche Geste wahr und fühlte sich von diesem Blick wie hypnotisiert. Weshalb schien er ihm so bekannt? Seine Zunge löste sich, mit einem Mal sicher, in diesem Fremden Akzeptanz zu finden, obgleich er nicht genau wusste, wo diese Überzeugung und dieses Vertrauen herrührten. "Meinen Namen zu tragen, heißt, erfolgreich zu sein....und zwar um jeden Preis. Meine beiden älteren Brüder haben die Karriereleiter erklommen und sie und mein Vater erwarten von mir, dass ich genau das selbe tue. Ich muss siegen und der Beste sein, immer, und auf ganzer Linie....ein Versager passt nicht in die Familie Princeton! Wenn ich schlecht bin, ist es eine Schande für unseren großartigen Namen! Nicht einmal eine einzige Versäumnis in meinem Weg nach oben darf ich mir erlauben....ich muss perfekt sein, egal, wie mies ich mich selbst dabei fühle! Druck machen, mir Freunde und andere ,Ablenkungen' verbieten, das können sie! Aber wenn ich traurig bin, wenn ich heulen möchte, weil ihr verdammter Ehrgeiz mich ruiniert, bin ich nicht mehr interessant! Ein Princeton bewahrt stets seine Haltung! Er zeigt keine Gefühle! Pah! Manchmal möchte ich dieses eingepferchte Leben, das sie mir aufzwingen, in dem sie mich ersticken, einfach nur ausspeien! Ausspeien....!" Im nächsten Augenblick fand er sich in der Umklammerung zweier kraftvoller Arme wieder, die ihn gegen eine warme, muskulöse Brust pressten. Unwillkürlich schoss ihm das Blut in die Wangen und erneut befiel ihn starke Verwirrung. "Phönix....?" "Warum hast du mir das nicht schon viel früher erzählt, Prinz? Weshalb hast du dein Leid, deinen Kummer nicht mit jemandem geteilt, anstatt alles in dich hineinzufressen? War denn niemand für dich da?" "Nein. Wer auch? Ich habe keine Freunde, an die ich mich wenden könnte....! Alexis vielleicht, aber sie....sie hat es nie bemerkt. Sie hat mir meine unerschütterliche Fassade abgekauft, wie alle anderen....Nur einer hat mich bisher durchschaut. Und das ist ausgerechnet derjenige, der mich im Duell geschlagen hat! Für ihn war ich nie der unbesiegbare, harte, ach so kaltherzige Star der Schule, in seinen Augen war ich immer nur...." "....ein Mensch?" Chazz befreite sich aus der Umarmung und nickte stumm. "Ja. Mein Status, mein Ansehen, das kümmerte ihn nicht. Er hat meiner Arroganz Trotz geboten und jede meiner Herausforderungen mit einem Lächeln gemeistert. Sein Herz liebt das Duellieren. Meins nicht, denn mich hat man dazu gezwungen. Seine Augen sehen mich immer so durchdringend an, fröhlich, strahlend, als könne ihn nichts und niemand bezähmen...." Er unterbrach sich eine Weile, erstaunt und verblüfft, dass er solche Worte fand, um seinen Rivalen zu beschreiben. "....sie....sie sind schön....seine Augen...." murmelte er, mehr zu sich selbst denn zu seinem Zuhörer. "Dann hättest du dich doch ihm anvertrauen können, oder nicht?" "Ich mag ihn nicht." "Das hörte sich aber gerade anders an." Der Obelisk Blue errötete, wie ertappt bei einer Unflätigkeit und suchte sein pochendes Herz zu beruhigen, das ihm völlig entgegengesetzte Signale sandte, sofern es Yuki anging. "Ich....ich weiß auch nicht....An ihn zu denken, macht mich rasend....wirbelt meine Logik und meine Vernunft durcheinander und hinterlässt nur Chaos...." "Ich kenne den, von dem du sprichst. Er hat mir von eurem....Zusammentreffen erzählt. Er war zu mir gekommen, um getröstet zu werden. Ich glaube, er hat geweint." "Geweint? Weil ich ihn....weggestoßen habe? Was hat er denn erwartet?! Mich einfach so zu küssen, dieser....dieser...." Seine Entrüstung erschöpfte sich und hinterließ lastendes Schweigen. Geweint. Also Tränen in diesen Augen, deren Blicke ihn verglühen konnten? Er, unglücklich, betrübt? Das schien in keiner Weise zu seinem Wesen zu passen. Hatte ihm seine Zurückweisung so sehr zugesetzt? Wieso?! "Phönix....warum hat er geweint, was glaubst du?" "Weil er etwas erkannt hat und deshalb schmerzte es ihn. Er mag optimistisch und vergnügt sein, aber das heißt nicht, dass man ihn nicht auch verletzen kann." "Was hat er erkannt?" "...." "Sag es mir! Ich spüre, dass du es weißt!" "Seine Liebe zu dir. Das hat er erkannt." Chazz taumelte zurück, als hätte man ihm einen dumpfen Schlag verabreicht. Die unterschiedlichsten, wirrsten Gefühle stürzten auf ihn ein und überfluteten ihn. Seine widerstreitenden Empfindungen zeichneten sich in seinem Antlitz deutlich ab und trotz der Maske waren seine Züge beredt wie nie zuvor. "Lie....Liebe?! Er kann mich nicht lieben!" "Warum nicht?" "Er ist ein Junge, genau wie ich! Das ist doch...." "Was? Pervers, unsittlich, widerlich, eine Sünde? Oder verwerflich? Nein. Ich bin nicht der Ansicht, dass es das ist." Er griff nach seiner Maske und entfernte sie von seinem Gesicht, langsam, bedächtig, fast wie in Zeitlupe. "Warum verurteilt man Menschen, die anders sind? Ist das Geschlecht von Interesse, wenn man liebt? Warum nur all die Verachtung, die Anklagen, die Abscheu? Liebe ist Liebe....Chazz." Da stand er. Stolz, kühl, und doch von einer inneren Flamme erfüllt, die seinem Charakter eigen war. Dem Dunkelblauhaarigen misslang es, seine Fassung zu wahren. Mechanisch näherte er sich ihm und packte ihn am Kragen seines Kostüms, ungläubig, wütend, irritiert und von einer namenlosen Macht überwältigt. "Jaden....!" Der Name war nicht lauter als ein Flüstern. Die Hände, die sich in den Stoff des Gewands krampften, fingen an, zu zittern. "Du....du verdammter....!" "Du benutzt meinen Vornamen?" fragte er schelmisch, umklammerte die Oberarme seines Prinzen und küsste ihn voll auf die Lippen. Chazz wand sich, erlag aber nach und nach dem verführerischen Drängen dieses weichen, sinnlichen Mundes. Sein Verstand stemmte sich verzweifelt gegen die Erregung, die sich in ihm ausbreitete, aber sein Körper gehorchte ihm nicht und sein Herz schmolz unter dem Ansturm eines bislang ungekannten Gefühls, dem sich nichts in den Weg würde stellen können. Eine Weile kämpfte er noch, sich aufbäumend und unwillig, doch diese heißen Lippen, die ihn nur zu sehr an jenen berauschenden Augenblick erinnerten, da er sie zum ersten Mal gekostet hatte, verbrannten seine Angst, seine Abwehr zu Asche und er ergab sich. An dem lustvollen Schauer, der ihn jäh durchrann, sah er sich mit einer Niederlage konfrontiert, die ihn weit weniger schockierte als beglückte. Er öffnete sich dem anderen und ließ ihn in seiner Mundhöhle räubern, bis er sich selbst vorwagte, tastete, erprobte und genoss, was ihm Jaden zu bieten hatte. Sein Kopf schrie Zeter und Mordio, aber sein Herz verlangte nach mehr - und nachdem es so lange geschwiegen hatte, nutzte es diesen Moment der Schwäche in vollen Zügen aus. Als der Phönix den Prinzen endlich freigab, wirkte dieser wie betäubt. Mit bebender Hand nahm er die Maske herunter und rekapitulierte das Ereignis, das ihm widerfahren war. Es ekelte ihn nicht, was er getan hatte....vielmehr wuchs sein Glücksgefühl mit einer rapiden Heftigkeit an, die ihn beinahe erschreckte. "Das kann nicht sein....ich kann doch nicht....schwul sein...." sagte er, wie ein Kind, das einen Sachverhalt nicht genau zu begreifen vermag. "Was wird meine Familie denken? Sie werden mich verachten....wenn nicht gar ausstoßen...." "Hängst du wirklich an ihnen, die dich nur als Arbeitsmaschine sehen?" "Nein. Nein, eigentlich nicht. Aber trotzdem, ich....das....das gibt's nicht....ich meine...." Jaden trat an ihn heran, zog ihn fest an sich. Chazz spürte diesen warmen, athletischen Leib und schien sich kaum bewusst zu werden, dass auch der seine eine Hitze und einen Duft verströmte, die den Brünetten erregten. Das Verlangen in seinen Augen jagte dem Obelisk-Studenten ein süßes, verheißungsvolles Prickeln über den Rücken und teilte sich seinem gesamten Wesen mit. Er hielt ihn umschlungen, um ihm eine Stütze zu sein. Er würde für ihn da sein.... "Wir haben Zeit, Chazz. Wir müssen nichts übereilen. Versuchen wir, uns gemeinsam unserer Gefühle bewusst zu werden und sie als das anzunehmen, was sie sind. Sie sind da - und wir können sie verleugnen oder akzeptieren. Ich werde dich nicht allein lassen." Er küsste ihn noch einmal. "Das ist ein Versprechen." OWARI Ja, ich weiß, furchtbar kitschig...aber ich wollte es unbedingt schreiben! Über Kommis würde ich mich freuen!^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)