Nicht aus Stein von Vienne (Der Kardinal und das Mädchen) ================================================================================ Kapitel 7: Kurzer Besuch bei der Schwester ------------------------------------------ Kapitel VII: Kurzer Besuch bei der Schwester Die folgenden vier Wochen vergingen wie im Fluge. Marie kam es wie ein Wimpernschlag vor. Richelieu war nun viel unterwegs beim König. Er ging kurz nach Sonnenaufgang aus dem Haus und kam manchmal erst weit nach Mitternacht wieder. Marie sehnte sich immer danach, wenn er endlich zu ihr kam. Den Tag über hielt sie sich in der Bibliothek auf, denn ihr Geliebter hatte ihr ein paar Romane herausgesucht, die sie nun las. Oft leistete ihr auch Madame Curée Gesellschaft. Denn meist aß Richelieu zusammen mit dem König. So brauchte Madame Curée nur wenig kochen. Marie war froh über diese Gesellschaft. Nie hätte sie sich das adlige Leben, denn so etwas in der Art führte sie nun einmal an Richelieus Seite, so langweilig vorgestellt. Einmal nahm sie die Köchin mit hinunter in die Küche. Es war niemand da und so hatten sie und Marie ein paar kleine Küchlein gebacken. Das Resultat verblüffte vor allem Richelieu, der an diesem Abend früher nach Hause kam und seine Marie in einem völlig mit Mehl überzogenen Kleid vorfand. Auf seine Frage, warum sie denn am späten Abend in der Küche ständen und backen, hielt Marie ihm nur einen von Schokolade überzogenen Kuchen unter die Nase und flüsterte ihm ins Ohr: „Frag mich nach Mitternacht noch einmal.“ Als er es dann auch eine Minute nach Mitternacht tat, gratulierte Marie ihrem Liebsten nur. In dem ganzen Tumult um die bevorstehende Reise hatte Richelieu seinen eigenen Geburtstag vergessen. Marie gratulierte ihm mit soviel Liebe, dass es ihn nicht länger hielt und er sich bei ihr sein persönliches Geschenk abholte. Die fünfte Woche brach an. Ihnen blieben nur noch sechs Tage bis zur Trennung. Marie stieg an jenem Tag völlig niedergeschlagen aus dem Bett, in dem Richelieu noch immer lag. Es war eigentlich schon weit nach neun Uhr morgens, aber Marie wollte ihn nicht wecken. In den letzten Nächten hatte er immer so wenig geschlafen. Wenn er heimkam, suchte er ihre Nähe und Marie ließ sich jedes Mal von ihm in einen Strudel der Leidenschaft ziehen. Danach saß er oftmals noch bis zu zwei Stunden in seinem Arbeitszimmer und brütete über irgendwelchen Akten und Schriften und Büchern. Somit schlief er jede Nacht weniger als drei Stunden. Und diese Nacht war er auch erst wieder nach Mitternacht zu Hause gewesen, Notre Dame hatte da bereits halb zwei geschlagen. Doch wie so oft ließ er es sich nicht nehmen, sie zu verführen. Doch dieses Mal war er so fertig hinterher, dass er auf der Stelle einschlief. „Soll der König doch warten!“, fluchte Marie halblaut als sie am Fenster stand und hinaus schaute. Ihr und Richelieu blieb nicht mehr viel Zeit und der König nahm ihn ständig in Beschlag. Selbstverständlich brachte das Richelieu beim König in gute Gunst. Aber Marie war das im Moment völlig egal. Wenn es in diesem Moment nach ihr gegangen wäre, hätte sie Richelieu in die Bastille gesteckt und erst wieder heraus gelassen, wenn der König für ihn Ersatz gefunden hatte. Hinter ihr auf dem Bett streckte sich Richelieu gerade und öffnete langsam die Augen. Ihm fiel sofort auf, dass die Sonne schon relativ weit oben am Himmel stand, aber in jenem Augenblick war es ihm egal. Denn Marie lag nicht mehr neben ihm und das bereitete ihm immer sofort Sorgen. Mit einem Ruck setzte er sich auf und sah sich um. „Marie? Marie wo bist du?“ „Hier drüben.“, kam die Antwort. Richelieu schwang sich aus dem Bett und wickelte sich dabei ein Laken um seine Hüfte. Er sah Marie am Fenster, eingehüllt in ihren Morgenrock, stehen. Ihre Haare glänzten in der Morgensonne und ihre Haut schimmerte unter den Lichtreflexen. „Mein Engel!“ Marie spürte wie er sie von hinten umarmte, wie sich seine Arme um ihre Hüften legten und er seinen Kopf auf ihre Schulter legte. „Verzeih, dass ich dich nicht geweckt habe. Aber ich dachte, nach all der Aufregung hättest du auch mal ein bisschen Schlaf verdient.“ „Ich danke dir dafür, Marie.“, er hauchte ihr einen Kuss auf ihre Schläfe. „Wirst du nachher zum...“ Ein Klopfen unterbrach sie in ihrem Satz. „Wer ist da?“, fragte Richelieu so kühl wie möglich um den Anschein bei einem der Diener oder einem Fremden zu waren, er sei alleine. „Mein Herr, ich bin es. Rochefort!“, erklang die Stimme von der anderen Seite der Tür. „Tretet ein.“ Als Rochefort eintrat, sah er seinen Herrn am Fenster stehen. Bekleidet mit einem Laken und in seinen Armen und vor ihm stehend seine Geliebte, deren Namen Rochefort immer noch nicht kannte. Weniger würdevoll verbeugte er sich. Richelieu würdigte ihn keines Blickes. Zusammen mit Marie schaute er stillschweigend aus dem Fenster. Rochefort würde schon sagen, warum er hier war. „Mein Herr“, begann Rochefort sofort, als er bemerkte, dass sein Herr auf seine Antwort wartete, „Ich war auf dem Weg zu einem Bekannten, als mir ein Bote begegnete, der eine Nachricht des Königs überbringen sollte. Sofort nahm ich die Botschaft an mich, um sie Euch zu bringen.“ Keine Rührung von Richelieu. Rochefort fuhr fort: „Seine Majestät ist zu tiefst verstimmt, weil man Euch bereits seit halb sieben Uhr erwartet.“ „Sagt dem König, dass ich heute nicht kommen werde. Sagt, ich sei etwas erkrankt und möchte es nicht riskieren, die Gesundheit Seiner Majestät zu gefährden. Da er diese doch bräuchte, um den Widerstand gegen dieser Hugenotten durchzustehen.“, antwortete Richelieu ohne eine Gefühlsregung in der Stimme. „Aber mein Herr, dass wird er nicht dulden.“ „Er hat es gefälligst zu dulden. Schmeichelt ihm und sagt ihm, dass ich in zwei Tagen wieder bei ihm sein werde. Holt Euch zur Not eine Bestätigung von meinem Arzt. Ihr müsstet ihn unten in der Küche beim zweiten Frühstück finden. Und gebt ihm das.“ Fast völlig lautlos und unbeweglich öffnete Richelieu eine Schublade von der Kommode neben sich und zog einen kleinen Batzen Geld in einem Lederbeutel heraus. Er warf es Rochefort zu. „Euer Geld kommt am Ende der Woche, Rochefort, also schaut nicht so.“ „Sehr Wohl, so wie immer mein Herr.“ Ein letzter Diener und Rochefort verschwand rückwärts gehend aus dem Gemach. „Ich danke dir.“ „Wofür?“ „Das du heute nicht zum König gehst.“ „Ich weiß doch, dass es dir viel bedeutet, mich hier zu haben. Vor allem, da wir in den letzten Tagen und Wochen außer nachts kaum Zeit miteinander verbrachten.“ Richelieu gab ihr erneut einen Kuss auf ihre Schläfe. „Du hast mir so unendlich gefehlt in der Zeit.“ Marie schmiegte sich noch näher an ihn heran. Bald würde sie ihm noch mehr fehlen. Und sie hätten nicht die Möglichkeit, sich so schnell wieder zu sehen. Sie musste zudem auch noch warten, bis er sich bei ihr meldete, damit sie wusste, wohin sie antworten konnte. Die Zeit bis dahin würde ihr unendlich lange vorkommen. Das wusste sie schon jetzt. „Marie, wo bist du schon wieder in Gedanken?“ Sie drehte sich leicht zu ihm um und sah sein Lächeln. „Ich dachte daran, wohin ich gehen werde, wenn du in ganz Frankreich herum reitest.“ „Wohin wohl? Du bleibst natürlich hier.“ „Du...du meinst, ich kann...ich kann hier bleiben?“ „Natürlich, was dachtest du denn? Das ich dich zurück schicke? Dafür liebe ich dich viel zu sehr.“ Richelieu zog sie an sich und drückte ihr seine Lippen auf ihre. Marie konnte nicht anders in diesem Moment als ihren Freudentränen freien Lauf zu lassen. „Hör bitte auf zu weinen. Ich möchte dir noch etwas zeigen und vor allem sagen, bevor ich abreise.“, sagte Richelieu leise. Marie schaute ihn an. Er bedeutet ihr, sich mit ihm auf das Bett zu setzen. In jenem Moment wusste er selbst nicht, was er tat. Aber er wollte, dass Marie sein Geheimnis um seine Vergangenheit kannte. Das Geheimnis um seine Herkunft und seine Familie. „Marie, du weißt, dass ich aus dem Adel stamme.“, begann er zögerlich. „Ja.“ „Das Schloss meiner Familie befindet sich im Département Indre-et-Loire. Das Schloss auf dem ich geboren wurde, heißt Richelieu. Mein Geburtsname ist eigentlich Armand Jean Duplessis. Ich nahm den Namen Richelieu an, damit ich nicht mit einem Verbrechen in Verbindung gebracht werde. Nur so konnte ich ein neues Leben anfangen.“ „Was für ein Verbrechen?“, Maries Stimme klang trocken und sachlich. „Ich ließ meinen Vater ermorden. Aber es musste sein. Ich fühlte mich eingeengt und wie ein Vogel im Käfig. Er ließ meine Post kontrollieren und ich konnte nicht meine Studien lesen, ohne dass er mir eine Frau anschleppte.“ Marie bemerkte, dass er verzweifelt klang, während er diese Worte sprach. Sicherlich dachte er nun, dass sie ihn dafür hassen würde und aufstand und ging. Doch sie konnte es nicht. Als sie das Wort ‚Verbrechen’ hörte, hatte sie es zunächst vorgehabt, aber nun hielt sie sein Bann wieder gefangen. Die Tatsache, dass er ihr sein womöglich schlimmstes Beichtgeheimnis anvertraute, erweichte ihr Herz. Niemand außer ihr und ihm wusste darum. Aber etwas sagte in ihrem Inneren, dass Richelieu nicht selbst Hand an seinen Vater gelegt hatte. „Wen hast du damit beauftragt?“, sie nahm sanft seinen Kopf, zog ihn näher an sich heran und bettete ihn auf ihre Brust. „Rochefort.“ Sie wusste es, noch bevor er den Namen aussprach. Aber die Bestätigung zeigte ihr nur noch mehr, dass ihr Liebster kein charakterloser Mörder war. „Ich will, dass du mit mir zu dem Sitz meiner Familie fährst. Keine Angst, keiner vermutet mich als Mörder. Jeder denkt, mein Vater starb bei einem tragischen Reitunfall. Und bei mir werden sie denken, ich sei in Amerika. Mein Schwager, der Mann meiner Schwester verwaltet das Anwesen jetzt. Ich schreibe ihm regelmäßig. Auch er und meine Schwester glauben, ich sei in Amerika.“ „Ich werde dich begleiten. Wann fahren wir?“ „Noch heute, ich lasse alles vorbereiten. Es ist bloß eine halbe Tagesreise mit der Kutsche.“ „Gut, ich werde mich ankleiden. Kannst du mir Madame Curée rufen lassen? Sie kann mir auch beim Packen helfen.“ Richelieu nickte, zog sich selbst schnell um und verschwand auch schon. ************************************** Marie war froh, als sie Paris endlich hinter sich gelassen hatten. Das Kopfsteinpflaster setzte ihrem Hintern doch arg zu. Aber nun waren sie umgeben von saftigen Wiesen und Wäldern die in allen möglichen Grüntönen strahlten. Man sah noch kein Anzeichen davon, dass der Herbst bald kommen würde. Kein einzigstes Blatt wechselte schon seine Farbe. Nur am Himmel kündeten erste Schwärme von Schwalben an, dass es nicht mehr lange dauern würde. Aber selbst das Wetter war noch wunderschön. Der Himmel strahlte in sattem Blau und die Sonne ließ sie und Richelieu in der Kutsche schwitzen. Es war immer noch außergewöhnlich warm. Richelieu wusste, dass Marie solche Landschaften mit großer Sicherheit noch nie gesehen hatte und musste lächeln, als er sah, wie ihre Augen sich weiteten und anfingen zu glänzen, als sie eine Herde von mindestens hundert Kühen passierten. Auch er hatte das Land vermisst. Und so zog er beinahe genüsslich die frische Landluft ein, obwohl es gerade fürchterlich nach Kuhmist stank. „Sag, was willst du deiner Familie erzählen?“, fragte Marie, während sie weiter die an ihr vorbei ziehende Landschaft beobachtete. „Hmm, das ich für eine kurze Weile aus Amerika zurück bin, um hier Geschäfte zu tätigen. Ich werde ihnen sagen, dass ich mit dir in New Amsterdam lebe. Das ich dich auf dem Schiff dorthin kennen gelernt habe und dass ich einen großen Handel mit Baumwolle betreibe.“, erklärte er ihr. „Woher komme ich? Ich nehme an, dass deine Familie Wert auf Herkunft legt.“ „Das stimmt. Ich denke, es wird reichen, wenn ich sage, dass du eine junge Witwe warst, dein Mann war kurze Zeit vorher verstorben. Du stammst aus dem einfachen Landadel unten aus der Provence. Da kennen wir keinen. Da interessiert sich keiner mehr für deinen Namen. Außerdem trägst du ja nun meinen.“ Richelieu grinste sie an. Marie tat das Gegenteil: Sie starrte in verblüfft an. „Wie, ich trage deinen Namen?“ Richelieu nahm ihre Hand und zog seinen Ring, den Siegelring der Familie Duplessis von seinem rechten Ringfinger, um ihn Marie an ihrem rechten Ringfinger wieder anzustecken. „Sie würden mich verachten, wenn ich mit dir zusammenleben würde, wir aber nicht Mann und Frau wären.“ „Ach...ach so.“, stotterte sie und betrachtete abwechselnd den Ring und Richelieu. „Und da ich ja eigentlich Bischof bin und kein Baumwollhändler, geht das ganze vor dem Herrn schon in Ordnung.“ Noch bevor Marie etwas antworten konnte, verschloss er ihren Mund mit einem inoffiziellen Hochzeitskuss. Als er sich von ihr löste, flüsterte er: „Wirst du dir das alles merken können und umsetzen?“ „Was denkst du von mir? Natürlich schaffe ich das, Monsieur.“, sie grinste frech und erntete dafür einen erneuten Kuss von ihm. Richelieu spürte, dass sein ‚Frau in Spe’ nervös war. Ihre Lippen zitterten ein wenig, als er sie berührte. Auch schien sie etwas blasser um die Nase. „Geht es dir ansonsten gut?“ „Ja, warum?“ „Du siehst so blass aus. Geht es dir wirklich gut?“ „Ja, ich bin nur nervös. Ich meine, vor einem Vierteljahr lebte ich noch im hintersten Loch von Paris, wurde ewig von Männern belagert und nun. Nun fahre ich mit dem schönsten Mann der Welt zu seinem ehemaligen Landsitz, bin von jetzt auf gleich seine Frau geworden und wohne eigentlich in New Amsterdam.“ „Ich weiß, dass ich dich überrumpelt habe, aber ich wollte dir unbedingt noch meine Vergangenheit zeigen. Und das wir plötzlich und quasi verheiratet sind, also, also ich verspreche dir, dass wir es wirklich umsetzen wenn ich von meiner Städtereise wieder da bin.“ „Aber was ist mit deinem Bischofsamt?“, hakte Marie nach. Ihr war immer noch nicht gut bei dem Gedanken dass er womöglich wegen einer Beziehung zu ihr, seine Karriere riskierte. „Ich hoffe doch, dass ich zum Kardinal erhoben werde, wenn ich wieder da bin. Du erinnerst dich doch noch an unser Gespräch von vor drei Jahren?“ „Ja natürlich. Dann wärst du der mächtigste Mann im Staat und kannst im Grunde das tun, was du willst.“ Richelieu nickt. Aber er gestand sich im Stillen auch ein, dass er sie ehelichen würde, selbst wenn er noch kein Kardinal werden würde. Immerhin hatte er ihr seinen Familienring angesteckt, sie waren also schon einmal verlobt. Und das nach einer so kurzen Zeit. Irgendwie war er erleichterter als jemals zu vor. Während sich beide still anblickten, zuckelte die Kutsche weiter durch die französische Landschaft. Der Kutscher pfiff ein Liedchen, was nicht gerade anständig war. Doch keiner der beiden wollte zugeben, dass er das Lied kannte. Richelieu hatte es einmal von einem Bauernmädchen gehört. Sie sang es ihm immer, wenn sie sich an einem See trafen und sie ihn in die Reigen des Liebesspiels einwies. Marie kannte es von ihrem Vater. Er sang es immer ihrer Mutter vor, wenn sie am Kochen war und er einmal mehr seine Lenden nicht im Zaum halten konnte. Da kam es auch schon vor, dass sie Klein-Marie in der Wohnstube sitzen ließen, um sich kurz zu vergnügen. Beide mussten bei ihren Erinnerungen lächeln. ****************************************** „Armand!“ Catherine schrie geradezu seinen Namen, als ihr Bruder mit einer Dame am Arm und in Begleitung ihres Mannes Emanuél durch die Tür des Anwesens trat. Nie hätte Catherine damit gerechnet, dass er noch einmal aus Amerika zurückkehren würde. In keinen seiner Briefe hatte er etwas von einem Besuch erwähnt. Und auch nicht, dass er verheiratet war. „Armand! Oh wie ich mich freue, dich wiederzusehen.“, sie umarmte ihren Bruder stürmisch, was Richelieu völlig überraschte, aber erwiderte die Umarmung. „Warum hast du nichts erwähnt, dass du kommst? Und wieso erfahre ich erst jetzt durch deinen Besuch, dass du verheiratet bist?“ sie schaute ihn beinahe beleidigt an. „Catherine, lockere deinen Griff, sonst erdrückst du mich.“ Catherine tat, wie es ihr Bruder verlangte. Von allen Brüdern hatte sie ihn am liebsten. Und deswegen erfüllte sie auch beinahe jede seiner Anweisungen. „Also, dass ich so überraschend wieder hier bin, kommt daher, weil ich etwas Geschäftliches in Paris zu tätigen habe. Ich schrieb dir doch, Emanuél, dass ich einen Baumwollhandel betreibe. Das ganze war so eilig, dass ich keine Zeit mehr fand, Euch zu schreiben.“ „Egal, ich bin nur froh, dich wiederzusehen.“, Catherine sprudelte nur so vor Freude. Doch dann fiel ihr Blick auf die Frau an der Seite ihres Bruders. Was diesem nicht unbemerkt blieb. Marie empfand die Blicke ihrer ‚Schwägerin’ als unangenehm. Sie starte sie unverholen an. Völlig verunsichert griff sie nach Richelieus Hand. Richelieu ahnte, was in diesem Moment in seiner süßen Marie vorging und erwiderte ihren Handdruck, wobei er sie liebevoll ansah. Dann wandte er sich wieder seiner Schwester und seinem Schwager zu: „Catherine. Emanuél. Darf ich Euch Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu vorstellen? Meine Frau.“ Catherine blieb der Mund offen stehen, was ihr Mann lächelnd registrierte. Auch er war verwundert darüber, dass es doch noch eine Frau geschafft hatte, das Herz seines Schwagers zu erobern. In den Briefen die er schrieb, erwähnte er nie ein Wort darüber. „Wie, wie ist das möglich Armand? Du sagtest früher immer, dass du nie heiraten würdest. Und deine Briefe..“ „Ich weiß, ich sprach nie über sie. Aber wie lange liegt mein letzter Brief zurück? Zwei Monate?“ Zielstrebig ging er in Richtung des Salons. Und ohne Widerworte folgten ihm alle. Während alle bei einem Tee zusammen saßen, forschte Catherine nach, wie ihr Bruder denn zu einem so bezauberten Wesen gekommen sei. „Nun, ich traf sie und ihren Mann, den Herzog Dujacque, auf dem Schiff nach New Amsterdam. Wir...“ „Ich und mein Mann verstanden uns sehr gut mit Ihrem Bruder, Madame.“ Richelieu schaute Marie an. Ohne ein Wort nahm sie plötzlich die Zügel in die Hand. Die anfängliche Schüchternheit war wie weggeblasen. Sanft nahm er ihre Hand. Er wusste, dass er ihr dadurch noch mehr Sicherheit geben konnte. Marie fuhr fort ohne rot zu werden: „Wir luden Ihren Bruder des Öfteren zum Tee ein. Aber dann, kaum waren wir ein Jahr in New Amsterdam, wurde mein Mann plötzlich krank. Seinen Geburtstag im Oktober erlebte er schon nicht mehr.“ Catherine schlug die Hände vor den Mund: „So jung und schon den Mann verlieren. Sie armes Ding.“ Marie spielte das Spiel weiter. Sie schaffte es tatsächlich Tränen in ihre Augen zu zaubern. Richelieu war selbst verblüfft von ihrem Schauspiel. Das Hoftheater des Königs hätte eine wahre Freude an ihr. Er reichte ihr ein Taschentuch. Immerhin sollte es ja glaubwürdig rüber kommen. „Ja, am Anfang war es schon sehr schwer für mich.“, Marie nahm Richelieus Taschentuch und betupfte sich damit die Augen. „Ich war weit weg von meiner Familie. Und außer Eurem Bruder kannten wir niemanden. Wäre er nicht gewesen, wäre ich wahrscheinlich zerbrochen. Er half mir, die Trauerfeier zu organisieren. In dem Trauerjahr kümmerte er sich aufopferungsvoll um mich.“ Völlig verträumt sah sie Richelieu an. Er wusste, dass es nun an ihm war, die Geschichte weiter zu spielen. „Ich half Marie bei täglichen Besorgungen und den Finanzen. Im Grunde dachte ich nicht im Traum daran, dass wir uns näher kommen würden. Aber als sie damals, am ersten Todestag ihres Mannes an dessen Grab stand, im Regen und weinend, musste ich sie einfach in den Arm nehmen. Und an Weihnachten gestand ich ihr dann meine Gefühle.“ „Erlaube mir, dich zu unterbrechen, Liebling. Aber meine Gefühle für dich, werde ich wohl selber beschreiben.“, Marie lächelte ihn so verführerisch an, dass Richelieu sie am liebsten in sein ehemaliges Gemach geführt hätte. Marie ahnte seine Gedanken, errötete kurz. Catherine und Emanuél deuteten es jedoch als Zeichen, dass es ihr peinlich war, ihrem Mann zu unterbrechen. „Ich war völlig erschrocken, als er mir seine Liebe gestand.“ ‚Wie wahr.’, dachte Richelieu. „Ich ließ ihn bestimmt ein halbes Jahr auf eine Antwort warten. Danach waren wir beide umso glücklicher.“ Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Beide wussten, dass ihnen die Geschichte abgekauft worden war. „Ich liebe dich dafür.“, hauchte Richelieu so leise, dass nur Marie es hören konnte. Catherine war noch immer verblüfft. Ihr Bruder war plötzlich wie verändert. War das durch die Liebe zu dieser Frau? Sie musste sich eingestehen, dass seine Frau wirklich ein bezauberndes Wesen war. Catherine ahnte, dass Marie aus dem niederen Landadel stammen musste. Sie war im Grunde viel zu schüchtern, um aus dem Hochadel zu kommen. Aber sie schloss sie sofort ins Herz. Wie alt mochte sie sein? Ob sie schon in anderen Umständen war? „Wie lange werdet ihr bleiben?“ Richelieu schaute auf. „Morgen werden wir wieder abreisen. Wir bleiben nur für einen Tag. Ich konnte den Besuch nur deshalb einrichten, weil mein Händler erkrankte. Ich zeigte Marie Paris und wir entschieden uns spontan, Euch hier zu besuchen.“ „Was schon?“, Catherine schrie wieder auf. „Aber das reicht doch gar nicht, um Marie kennen zu lernen. Sag doch auch mal was, Emanuél!“ Marie entschied in diesem Moment für sich, dass ihre ‚Schwägerin’ noch ein rechtes Kind war. Aber sie hatte auch Recht. Marie wollte sie auch besser kennen lernen. „Liebling, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne mit deiner Schwester ein wenig den Park erkunden. Du weißt, wie sehr ich die Natur in der Stadt vermisse und da wir nun einmal hier sind, würde ich das gerne nutzen.“, Marie drehte sich zu Catherine, „Was haltet Ihr davon, Madame?“ Catherine sprang auf, nahm Marie am Arm und zerrte sie gerade zu hinaus in den weitläufigen Park, während sie Richelieu und Emanuél im Salon zurückließen, die sich dem Thema Politik widmeten. Vornehmlich lenkte Richelieu die Themen auf die französische Politik. Denn Ahnung von der amerikanischen hatte er nicht sehr viel. *********************************************** Marie und Catherine spazierten mittlerweile schon eine gute Stunde durch den Park. Bis dahin hatten sie nur über Belanglosigkeiten geredete, doch nun konnte Catherine sich nicht mehr zurückhalten. „Wie alt seid Ihr? Ihr erscheint mir noch so jung.“ „Ähm, “, Marie war etwas überrumpelt, antwortete jedoch souverän, „Ich werde zwei Tage vor Weihnachten einundzwanzig.“ „Dann wurdet Ihr aber sehr früh verheiratet. Wie alt wart ihr denn und wie alt Euer Mann?“ „Ich war sechszehn. Mein Mann siebenundzwanzig. Wir heirateten nach einer kurzen Romanze. Er war sehr liebevoll.“ „Kinder?“ „Nein, dafür waren wir zu kurz verheiratet. Ich sagte bereits, dass er sehr liebevoll war. Er wollte mir nicht zu viel zu muten.“ Catherine hielt inne im Spaziergang und musterte Marie erneut. „Und nun? Immerhin sind Sie und mein Bruder nun auch schon mehr als ein Jahr verheiratet. Ihr hattet doch wohl...“ „Gelegenheiten gab es viele. Aber der Herr wollte wohl noch nicht.“ Catherine lachte herzlich auf, auch bei ihr und Emanuél wollte sich noch kein Nachwuchs einstellen. Und das nach nun vier Jahren Ehe. Aber nun waren für sie alle wichtigen Fragen erledigt und sie schlug Marie vor, zu persönlicheren Umgangsformen zu wechseln. Auf dem Weg zurück zum Schloss kamen ihnen die Männer entgegen. Kaum hatte Richelieu seine süße Marie erreicht, nahm er sie schon in seine Arme und zog sie so fest an sich, dass er ihren Herzschlag spüren konnte. Dann, und zu Verblüffung seiner Schwester und seines Schwagers, küsste er sie leidenschaftlich. Nur diese eine Stunde ließ ihn Marie schon vermissen. Catherine war etwas pikiert über den Tatendrang ihres sonst so schüchternen Bruders. „Schau nicht so, Liebes.“ Catherine schaute ihren Mann an. „Lass ihnen ihre Gefühle füreinander bevor sie alt und grau werden und sich Mätressen und Liebhaber suchen. Sie sind so ein schönes Paar.“ Catherine nickte. Sie hakte sich bei ihrem Mann unter und beide gingen an den zwei sich küssenden Liebenden vorbei, zurück zum Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)