Nicht aus Stein von Vienne (Der Kardinal und das Mädchen) ================================================================================ Kapitel 10: Feiertage --------------------- Kapitel X: Feiertage In Paris sprach es sich schnell herum, dass der König und der Bischof Richelieu überfallen wurden. Der Bischof kam dabei mit einem blauen Auge davon, der König indes kehrte mit einer ausgekugelten Schulter, einer angeknacksten Rippe und einem gebrochenen Zeh zurück nach Paris. Die weite Pariser Bevölkerung hatte jedoch mehr Mitleid mit dem Bischof als mit dem König. In den Gassen raunte man sich Sätze zu, wie „Was mischt sich der König auch darin ein. Der Bischof hat die Lage doch viel besser im Griff.“ oder „ Das Weichei kehrt zurück zu seiner Frau. Die Politik hat der Bischof gefressen und nicht er.“ Als Marie von dem Vorfall hörte, war sie zunächst in Sorge geraten, hatte es ihrem geliebten Richelieu auch in einem Brief nach Bordeaux geschrieben. Mittlerweile wusste ganz Paris, ganz Frankreich wo sich der Schlachtzug gegen die Hugenotten aufhielt, so wusste Marie immer, wohin sie schreiben konnte. Gerüchte waren eine tolle Erfindung. Richelieu hatte sie jedoch in seinem Antwortbrief aus Nantes beruhigt. „ Sorge dich nicht, Mariechen. Es war Gevatter Zufall in Form von Rochefort der um die Ecke kam. Er hatte ein Teil des Gespräches mitbekommen und wollte mich verteidigen. Ich muss dazu sagen, dass der König mich provoziert hat. Er hat dich beleidigt. Damit du nicht in Skandal gerätst, gab ich dich als meine Schwester aus. Jedoch kam ein Satz Seiner Majestät mit dem Wortlaut ‚Soso, Eure Schwester. Sie gibt sich nicht zufällig jeden Abend Euch hin?’ Du verstehst, dass Rochefort dabei im Sinne seines Herrn gehandelt hat?“ Marie verstand es. Sie hätte es nicht anders getan. In jenem Brief aus Nantes war auch ein kleines Geschenk in Form einer goldenen Kette mit einem Anhänger in Form eines Kreuzes, auf welches ein roter Rubin strahlte. Marie legte es nicht einmal im Schlaf mehr ab. Als sie es das erste Mal in den Händen hielt, glänzten ihre Augen vor Freude und ebenso die Augen von Michelle und Madame Curée. Sofort schrieb sie Richelieu zurück. Brav bedankte sie sich bei ihm und gab auch weitere Dinge zu, wobei sie wusste, dass er vielleicht etwas böse sein würde. „ Liebster Richelieu, Ich danke dir mit übermäßiger Freude für dein Geschenk. Nie im Leben hätte ich mit so etwas schönem gerechnet. Ich lege das Kreuz nie wieder ab. Tag und Nacht begleitet es mich. Es ist so wunderschön. Und der Gedanke, dass du es für mich in Nantes hast anfertigen lassen, macht mich noch stolzer und glücklicher. Ich ahnte immer, dass ich dir viel bedeute, dass du mich liebst, aber das es so übermäßig ist, überwältigt mich. Natürlich verstehe ich den Grund für den Überfall. Doch bin ich heilfroh, dass du im Gerangel der Nacht nicht noch mehr abbekommen hast, als ein blaues Auge. Ganz Paris ist glücklich darüber, dass es dir gut geht und der König eins auf –verzeih mir meinen Ausdruck- die Mütze bekommen hat. Es gibt die köstlichsten Witze und Artikel darüber. Im Moment schmollt Seine Majestät im Louvre und lässt sich nicht blicken. Auch der Kardinal schmollt. Er sieht es als persönliche Angriffe gegen sich und weniger gegen den König. Ein eingebildeter Pfau ist das! Er gab laut zu verstehen, dass es nicht nennenswert ist von dir, den König nicht zu verteidigen. Sein Hass richtet sich gegen dich. Die Pariser Gesellschaft steht jedoch auf deiner Seite. Sei dessen unbesorgt. Da möchte ich dir noch etwas gestehen. Neulich empfing ich Michelle an der Eingangspforte. In ihrer Begleitung war eine sehr ansehnliche Frau. Ihr Name ist Angelique Nicoletta de Bergerac. Auf die Frage wer ich sei, antwortete ich, dass ich deine Cousine sei. Ich hoffe, dass ist in Ordnung? Sie ist überaus liebenswürdig. Auf die Frage warum sie Michelle begleitete, antwortete sie, dass sie schon länger das Palais im Auge hatte. Angelique ist neu in Paris, sie stammt aus Marseille. Sie dachte, das Palais stände leer, da sie nie einen Hausherrn oder eine Hausherrin sah. Ich gab ihr zu verstehen, dass ich das Haus so lange verwalte, wie du auf Reise bist und dann zurückgehen werde nach Indre-et-Loire. Sie nickte mir zu und verabschiedete sich dann. Ich hoffe, dass ich in deinem Sinne gehandelt habe? Madame Curée ließ erkennen, dass Angelique vielleicht eine nette Gesellschafterin für mich wäre. Sie kommt aus einer besseren Gesellschaft und ich könne indirekt etwas von ihr abschauen. Jedoch frage ich zunächst dich. Also was sind deine Gedanken dazu? Als Zeichen meiner Liebe habe ich dir ein Geschenk beigelegt. Damit ich wenigstens so immer bei dir sein kann. Der Kutscher Alexandre hat es angefertigt. Was hat es mich für Mühe gekostet, vier Stunden lang still zu sitzen. Und das für so ein kleines Bild. Nicht zu glauben, nicht wahr? Aber um dir eine Freude zu machen, hielt ich durch. Ich habe durch Zufall das Talent Alexandres entdeckt. Er zeichnete gerade ein Bild seiner jüngsten Tochter Caroline. Sie ist erst zwei Jahre alt, aber ein wahrer Schatz. Ich habe sie richtig lieb gewonnen. Ich sprach Alexandre auf seine Künste an und fragte ihn, ob er nicht auch so etwas von mir erstellen könnte. Er freute sich darüber. Und René schickte ich aus, um das Medaillon zu kaufen. Er hat ein Händchen für Schmuck, findest du nicht? Nun gut, ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen. Ich habe eine kleine Erkältung, aber kein Fieber. Nichts Ernstes also. Madame Curée macht mir Kräutertee und heiße Hühnersuppe. Sorge dich also nicht um mich. Ich erwarte sehnsuchtskrank deine Antwort. In vollster Liebe schicke ich dir erneut abertausende Küsse. Marie Valerie“ ************************************************ Richelieu empfing den Brief vier Tage nach dem Marie ihn geschrieben hatte. Kurz bevor er mit den Musketieren und der Garde des Kardinals Brest verlassen wollte, hetzte ein Reiter herbei und drückte ihm den Brief in die Hand. Richelieu nahm ihn mit einem amüsierten Grinsen entgegen, da der Reiter froh zu sein schien, nicht noch weiter bei dem Hundewetter nach Amiens reiten zu müssen. Kurz vor dem Ritt las Richelieu noch schnell den Brief durch, begriff so schnell den Inhalt aber nicht. Er schob das wertvolle Schriftstück tief in seinen Mantel hinein. Ganz in die Nähe seines Herzens. Das Medaillon band er sich indes gleich um den Hals. Er würde es später öffnen, Marie hatte ihm sowieso schon verraten, was sich darin befand. Sie konnte solche Überraschungen nicht lange für sich behalten. ************************************************** Es war nun Mitte Dezember in Paris. Marie hatte seit drei Wochen nichts mehr von ihrem Geliebten gehört und so wurde sie langsam unruhig. Ihre Unruhe sprang auf das Personal über. So gut sie es auch zu verbergen versuchte, sie machte alle verrückt. Madame Curée versuchte sie mit dem Schneidern neuer Kleider abzulenken. Es gelang jedoch nur Zeitweise. Drei tage vor Weihnachten war Marie so im Gedanken, dass sie die Ärmel für das Kleid zum Weihnachtsfest völlig falsch annähte. Selbst beim Auftrennen vertat sie sich, sodass es alles nur noch schlimmer wurde. Marie stand kurz vor einem Wutausbruch, als sie ihren Fehler bemerkte. Kurz bevor sie das komplette Kleid in die Ecke werfen wollte, hielt Madame Curée sie auf. „Beruhigt Euch, Madame!“ „Nichts ‚Beruhigt Euch, Madame.’!“ Da war er, der gefürchtete Wutausbruch, den sie zuletzt hatte, als sie danach weinend in Richelieus Armen zusammensank. „Aber Madame...“, versuchte es die Köchin erneut, wurde jedoch wieder unterbrochen. „Nichts da. Ich habe keine Lust mehr dazu, mich mit irgendwelchen Stickereien, Schneidereien oder mit sonst irgendwas abzulenken. Ich will wissen, wo sich der Herzog rumtreibt. Ich habe seid drei Wochen keine Antwort von ihm erhalten. Und dabei habe ich einen Eilboten schicken lassen. Ich nehme nicht an, dass man ihn gelyncht hat. So etwas würde ich selbst hinter diesen Mauern zu Ohren bekommen. Obwohl ich mir hier fast wie in der Bastille vorkomme. Und Gott weiß, dass ich weiß, wie es dort zugeht. Zwei Tage und Nächte da drin, und im Moment macht das keinen Unterschied zu dem hier. Außer das meine Kleidung jeden Morgen sauber ist. Ich will meine Freiheit wieder. Ich will meinen Mann wieder an meiner Seite haben. Ich will mit ihm zusammen zur Christmette gehen und mit ihm ins neue Jahr feiern. Aber wo ist er? In drei Tagen ist Heiligabend. In seinem letzten Brief hat er mir noch nicht einmal gesagt, ob er es schafft, am Heiligen Abend bei mir zu sein. Ich war Jahrelang an weihnachten alleine, ich will das er endlich hier bei mir auftaucht.“ Das letzte Wort schrie Marie fast. Kurz danach brach sie in Tränen aus. Madame Curée hatte ihre liebe Not zu beruhigen. Aber Gevatter Zufall schien eine Hand über der Beziehungskombination Duplessis- de- Richelieu- Dujacque zu halten. Just in jenem Moment kam Michelle um die Ecke gerannt und blieb wieder schlitternd vor Marie stehen. Völlig außer sich vor Freude vergaß das Mädchen völlig die Anstandsregeln: „Marie, Marie, ich habe einen Brief für dich. Er ist von deinem Verlobten.“ Perplex schauten Marie und die Köchin Michelle an. „Hast du keine Manieren?“, rügte die Köchin sofort. Doch Marie war schon aufgesprungen und nahm den Brief. „Ich danke dir Michelle. Das mit den Anstandsregeln ist in Ordnung. Ich weiß ja, dass du dich mit mir freust. Und jemanden, der so ehrlich ist wie du, ist mir lieber, als jemand der die Regeln gewahrt, aber verlogen ist. Geh zum Salontischchen und nimm dir eine der Pralinés.“ Michelle knickste dankend und nahm sich ein Stück aus der Schachtel. Es schmeckte köstlich. Mit Madame Curée im Schlepptau verließ sie den Salon und ließ Marie alleine. „Liebstes Mariechen, Verzeih, dass mein Brief länger gedauert hat. Aber statt den geplanten vier Tagen nach Amiens haben wir neun gebraucht. Das Wetter war grauenhaft. Ich danke dir für dein liebes Geschenk. Ich trage es, seitdem ich es besitze. Zudem muss ich gestehen, dass du mein Personal nun besser kennst als ich. Und ich habe drei Jahre länger zeit gehabt. Ich werde sehen, ob ich Alexandres Talent fördern kann. Denn dich hat er doch sehr gut getroffen. Was diese Frau betrifft. Ich bin mit mir selbst noch nicht im Klaren. Bevor ich das zulasse, möchte ich sie gerne kennen lernen. Ich hoffe, du verstehst mich dabei. Denn wenn diese Angelique eine Plaudertasche ist, kann dich das in Schwierigkeiten bringen. Und mich ja auch, was du nicht möchtest. So möchte ich sie selbst prüfen. Bitte verzeih, wenn du nun noch länger auf Gesellschaft warten musst. Bitte mein Engel, ich muss nun enden. Hier in den Dörfern rund um Amiens gibt es anscheinend mehr Hugenotten als in ganz Frankreich zusammen. Fünf Dörfer mit mehr als eintausendfünfhundert Rebellen. Und sechs liegen noch vor uns. Du siehst, dass ich leider zu Weihnachten nicht bei dir sein kann. Sei mir nicht böse. Nach Amiens kommen nur noch Reims und Nantes. Vor Ostern bin ich wieder bei dir. In Liebe und mit Sehnsüchten nach dir sehnend, A.J. Duplessis de Richelieu“ Der Brief war tatsächlich sehr kurz. Aber Marie war froh, dass sie überhaupt ein Lebenszeichen in den Händen hielt. Glücklich ließ sie sich in den roten Sessel fallen. Im Moment war sie einfach nur glücklich. *********************************************** „Rochefort beeilt Euch.“, raunte Richelieu seinem Diener zu, „Und seid verdammt noch mal leise. Ich sagte Euch bereits tausend Mal, dass ich meine Verlobte überraschen will. Doch wenn Ihr weiter so trampelt, wird das nichts.“ Die zwei Männer stahlen sich gen Küche. Es war neun Uhr morgens am Weihnachtstag und in der Küche roch es gut. So gut das Rocheforts Magen seinen innigsten Wunsch laut äußerte. Erschrocken darüber fuhr die Köchin herum und sah in das grimmige Gesicht Rocheforts. „Aah!“ „Beruhigt Euch, Madame. Er hat nur Hunger und seid zwei Tagen nichts im Magen gehabt.“ Erneut fuhr Madame Curée in die andere Richtung, um in das belustigte Gesicht ihres Herrn Richelieu zu blicken, der gerade in einen Apfel biss. „Monsieur, Ihr seid wieder da. Das wird Eure Verlobte freuen, ich gehe sie sofort wecken.“ „Nein, dass mache ich selber. Gebt dem armen Kerl lieber was zu essen. Lasst Ihn essen, was er will, solange nichts von Eurem guten Weihnachtsmenu verputzt wird. Denn das ist es, was mich neben Marie noch am meisten freut.“ Er warf Rochefort den angebissenen Apfel zu, in welchen seinen Diener sofort gierig biss. Jedoch aufhörte, als er den angewiderten Blick Madame Curées sah. Diese stellte ihm erst einmal einen Teller mit Baguette, Käse und Wurst vor die Nase sowie eine Flasche Rotwein. Halbwegs gesittet begann Rochefort mit dem Essen. Richelieu eilte indes im schnellen Laufschritt hinauf zu dem Schlafgemach, indem Marie schlief. Leise öffnete er die Tür. Marie lag nichtsahnend und im Tiefschlaf versunken auf dem Bett. Die braunen Locken hingen ihr wild ins Gesicht und die Decke lag unterhalb ihres Beckens. Das dünne Nachthemd hatte sich hochgeschoben bis beinahe zu ihrem Hinterteil. Kein Wunder das sie eine Erkältung bekommen hatte, wenn sie jede Nacht so schlief. Richelieu hörte sie im Schlaf seufzen und sah ein Lächeln auf ihren Lippen. „Wehe, du träumst nicht von mir, wenn du so lächelst, Mariechen.“, flüsterte er lächelnd. Marie drehte sich weiter von der Seite auf den Bauch. Nun hatte Richelieu Platz, um sich an den Bettrand zusetzen. Sanft strich er der schlafenden Liebsten über die Wange. Wie sehr er sie doch vermisst hatte. Vorsichtig und ohne sie zu berühren beugte er sich zu Marie hinunter und hauchte ihr sacht liebevolle Worte ins Ohr. „Aufwachen mein Engel!“ Marie blinzelte kurz. „Ich will noch nicht, lass mich noch ein wenig schlafen.“ „Auch, wenn ich dich jetzt küssen würde?“ Marie war schlagartig wach. Völlig überrascht und verwirrt starrte sie ihren Richelieu an. Sie fand gar keine Worte, sondern starrte ihn mit offenem Mund an. Erst nach ein paar Augenblicken löste sie sich aus ihrer Erstarrung und umarmte Richelieu. „Oh, ich habe dich so vermisst. Ich kann es nicht glauben, wieso bist du hier? Bist du etwa verletzt? Geht es dir gut? Ist etwas gebrochen? Ich lass dir neue Sachen bringen und ein Bad einlassen. Hast du schon etwas gegessen? Bist du alleine zurück oder hattest du Schutz? Weiß der König, dass du hier bist? Oh mein Liebster!“ Richelieu konnte erst einmal gar nichts antworten, so stürmisch wurde er begrüßt. Erst als sie sich nach Minuten wieder gefangen hatte, erklärte er ihr alles in Ruhe: Das er nicht verletzt ist und das er im Schutz von Rochefort nach Paris geritten sei. Das er kurz in der Küche gewesen ist und später mit ihr essen wolle. Das der König wisse, dass er in Paris sei und dies zudem auch ausdrücklich wünschte. Zudem hätte der König eine Einladung an ihn nach Brest geschickt und darum gebeten, dass der Bischof und seine Schwester zum Souper am letzten Jahrestage in den Louvre kommen werden. Letzteres versetzte Marie in leichte Panik. „Ich soll dich zum Souper begleiten? In den Louvre zum König. Oh Gott, dass ist ja nicht zu fassen. Ich konnte und kann deine Schwester noch nicht einmal leiden. Dann werde ich diese intriganten Hofdamen auch nicht leiden. Und mich kann man doch nicht in der Gesellschaft zeigen. Ich komme doch von ganz unten.“ „Aber ich werde an deiner Seite sein, du brauchst dich also nicht zu fürchten.“ Marie konnte das noch nicht ganz glauben, nickte aber tapfer. ****************************************** Am Abend saßen Marie und Richelieu vorm offenen Feuer des Kamins. Beide waren eingewickelt in eine warme Wolldecke. Richelieu umarmte seinen geliebten Engel von hinten und ließ sich von ihr mit Weintrauben füttern. Die Nähe zu ihr genoss er in vollen Zügen. Wie wunderschön ihre Haare im Kaminschein schimmerten. Wie sanft ihre Haut aussah. Vorsichtig strich er ihre locker zusammengesteckten Haare zur Seite und begann sanft ihren Nacken zu liebkosen. Marie kicherte leise. „Was wird das?“ „Mein Weihnachtsgeschenk für meinen Engeln.“ „Und was kann ich dir zum Geschenk machen?“ „Das weißt du doch selbst am Besten.“ Marie legte ihren Kopf auf seine Schultern und gab sich seinen forschenden Händen hin, die immer tiefer an ihrem Körper hinunter glitten. Diese Nacht gehörte nur ihnen alleine. *********************************************** Nur noch anderthalb Stunden hatte Marie, bis sie Richelieu begleiten würde zum Souper des Königs. Sie war ein nervliches Wrack und ließ es alle nur zu deutlich spüren. Es war das erste Mal seit ihrer Beziehung, dass Richelieu ihr freiwillig aus dem Weg ging. Sie war immer noch sein süßer Engel, aber ihre Hyperaktivität in den letzten Stunden raubten ihm die Nerven. Er saß in der Küche, wo er sich dem Talent der Künste von Alexandre widmete. Alexandre war anfangs überrascht gewesen, dass sein hoher Herr zu ihm kam, ihn auf einen guten Wein in die Küche lud und seine Zeichnungen sehen wollte. Alexandre wagte kaum den Blick zu heben geschweige denn das Wort an seinen Herrn zu richten. „Alexandre, Ihr habt wirklich Talent. Mademoiselle hatte Recht. Im Übrigen danke ich Euch für das hübsche Bild, was Ihr für das Medaillon angefertigt habt. Seht, ich trage es immer bei mir.“ Alexandre schaute auf. Etwas Stolz lag in seinen Augen. „Nun mein Lieber. Würdet Ihr Euch zutrauen, ein Gemälde meiner Liebsten zu malen?“ Dem angehenden Künstler klappte der Mund auf. Hatte er richtig gehört? Er, der Kutscher Alexandre, Vater dreier Töchter und Mann einer lieben Frau, sollte ein Gemälde von der Verlobten seines Herrn malen? Völlig weggetreten, nickte er nur. „Das finde ich gut. Ihr seid mir sympathisch, Alexandre. Nun, habt Ihr...“ Richelieu kam nicht weiter, da Michelle, das Küchenmädchen, gerade um die Ecke kam und auf ihn zusteuerte. Richelieu hatte sie hinauf zu Marie geschickt, um den Kammerfrauen mit beim Kleid zuhelfen und um über Maries Gemütslage Bescheid zu wissen. „Ich höre, Michelle!“ „Also, die Gemütslage Madams ist immer noch etwas schwierig. Ich bin auch daher hier, weil ich Euch Bericht erstatten wollte und es außerdem nicht mehr ertrage in der Gegenwart Madams.“ Amüsiert beobachtete Richelieu, wie sich Marie auf einen Stuhl fallen ließ. Sie war sichtlich genervt von Marie. „Michelle, du weißt, dass sie noch Mademoiselle genannt wird?“ Er schaute Michelle an. Sie war noch zu jung, als dass er sie Siezen würde. Sie war noch keine siebzehn. Er wusste, warum Marie ihre Gesellschaft mochte. Sie war verträumt und hatte stets den Wunsch, neue Abenteuer zu erleben. Sie war wirklich noch ein richtiges Kind. Michelle nannte Marie immer ‚Madame’. Für sie stand fest, dass Marie, ihre Freundin Marie, irgendwann ihren Herrn heiraten würde. Die Verlobung war für sie nur reine Formsache. Marie war bereits Madame Duplessis de Richelieu. Und das erklärte sie ihrem Herrn nun auch. „Hoffen wir, dass sie mir nicht noch im letzten Moment einen Korb gibt.“ „Oh Monsieur, dass würde sie nie tun. Sie liebt Euch so sehr, ohne Sie könnte sie nicht atmen.“ „Was macht dich da so sicher?“, er schaute das Mädchen neugierig an. „Sie sagte es immer und immer wieder, als Ihr weg ward. Sie vertraut Euch. Ihr habt sie gerettet. Also wird sie Euch heiraten. Es sei denn Ihr gebt ihr einen Korb.“ Richelieu schaute sie überrascht an. „Aber wenn Ihr das tut, Monsieur, dann Gnade Euch Gott. Egal ob Ihr Bischof seid oder was auch immer.“ „Michelle, beruhig dich. Ich liebe Marie. Ich werde sie nie verlassen. Im Tode nicht.“ Michelle schaute ihn an: „Na wenn das so ist. Dann...“ Sie kam nicht weit, da Richelieu ihr keinen Blick mehr schenkte, sondern sich sein Blick in Richtung Tür verlagerte. Automatisch glitten nun alle Augenpaare hinüber zur Küchentür und die vorherige Hektik erlahmte und die Geräuschkulisse verebbte schlagartig. Marie stand unsicher im Türrahmen der Küche und schaute sich um. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie bemerkte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. In dem ganzen Gewimmel der Küche musste sie erste einmal nach ihrem Liebsten suchen. Richelieu registrierte ihre suchenden Blicke und schritt eilends auf sie zu. Da war er ja. Sie spürte seine Arme um ihre Schultern. „Du siehst wunderschön aus, mein Engel. Damit wirst du die alten Hofschabracken in den Schatten stellen. Inklusive der dummen Nuss von Königin.“, Richelieu lächelte sie an. „Glaubst du?“ Richelieu stellte sich ein wenig von ihr weg und betrachtete sie genauer. Das Kleid war wunderschön. Blau war einfach ihre Farbe. Und diese ganzen Blaufacetten ließen sie noch mehr zu einem himmlischen Wesen werden. Das Korsett war eng geschnürt, sodass ihre weiblichen Reize hervortraten. Jedoch nicht auf diese aufdringliche Art und Weise wie bei den Damen am Hofe. Die Haare waren zu einer wunderbaren Frisur gesteckt, nur einzelne Locken vielen heraus, umrahmten ihr süßes Gesicht. Ein Rotschimmer legte sich über jenes. Die Aufregung. „Schade, dass du nur meine Schwester bist.“ „Ja, dass finde ich gerade auch.“, sie lächelte zurück. „Nun gut, ich werde mich anziehen. So lange wie du brauche ich sicher nicht. Ich werde dich hier abholen.“ Marie nickte nur, spürte seine Lippen auf ihren. ****************************************************** Das Souper langweilte alle Beteiligten außer dem Gastgeber, dem König selbst. Die Königin unterhielt sich angeregt mit der Comptesse de Suniére und deren Mann. Der Compte de la Gardè amüsierte sich mit seiner Mätresse Madame DuFour. Marie hatte ein interessantes Gespräch mit der Comptesse Sophie Christin du Marseillié begonnen. Die beiden Frauen mochten sich gegenseitig. Und auch Richelieu war in eine Unterhaltung mit dem Compte Sebastian Manuel du Marseillié vertieft. Der König riss zwar einige Zoten, aber sie brachten nicht den gewünschten Erfolg. Jediglich der Kardinal rechts neben dem König lachte lauthals. Was ihn jedes Mal Blicke der Negativität einbrachte. Die rechte Hand war nicht sehr beliebt. Weder am Hofe noch beim Volk. „Monsieur langweilt das alles sehr.“ Marie schaute Sophie Christin an, die auf ihren Mann deutete. „Und mich auch. Aber da seid ja noch Ihr.“ „So hat das Souper noch etwas gutes, wir durften einander kennen lernen. Doch wenigstens hat Euer Mann einen Gesprächspartner gefunden.“ Die zwei Frauen kicherten, was sofort den Kardinal auf den Plan rief. „Verzeiht Madams. Aber sollten Sie nicht schweigen, wenn Ihre Majestät spricht?“ Marie schaute ihn an, auch Sophie Christin verstummte. „Eminenz, ich bitte Sie meine Schwester mit mehr Respekt zu behandeln. Und außer Ihnen scheint sich hier ja auch jeder prächtig zu amüsieren. Seine Majestät anscheinend auch.“ Der König hatte nicht einmal zugehört. Er war mit einer Kammerzofe der Königin ins Gespräch gekommen. Der Kardinal schaute sich peinlich berührt um. Wieder einmal war dieser unverschämte Richelieu dabei, ihn in eine peinliche Lage zu bringen. Wie konnte er nur Bischof werden. Und wie in Gottes war er ins Gespräch als möglicher Nachfolger des Kardinalspostens am Hofe gekommen? Kalt wandte sich der Kardinal ab. Marie, Sophie Christin und Sebastian Manuel beobachteten das ganze mit einem Schmunzeln. „Euer Bruder ist wahrlich der Inbegriff eines Beschützers seiner kleinen Schwester.“ Sophie Christin lächelt Marie an. „Eure Schwester ist sehr höflich und sie versteht sich wunderbar mit Madame. Warum erfahren wir so spät von ihr? Immerhin kenne ich Seine Eminenz nun schon seid zwei Jahren.“, der Compte de Marseillié schaute Richelieu an. „Nun ja, sie lebte einige Zeit in Italien. Sie besuchte dort eine strenge Klosterschule. Mein Vater hatte früh die Hoffnung aufgegeben, sie jemals an einen Mann verheiraten zu können. Sie ist zu wild für jemanden aus dem Adel. Doch seid Vater tot ist, lebt sie auf meinem alten Landsitz. Ich dachte, es wäre nett, wenn sie etwas Abwechslung hätte. Und langweilig ist der französische Hof nun wahrlich nicht.“ Sebastian Manuel nickte wohlwissend. Er und Richelieu kannten sich seid dem ersten Tag, den der Compte du Marseillié am Hofe war. Marseillié war ein gern gesehener Jagdpartner für den König. Richelieu schätzte ihn, weil er den König ebenso geistreich in Messer laufen ließ, wie er selbst. „Richelieu, Ihr seid einfach zu gut für die Welt. Werdet Ihr einen Mann für Mademoiselle suchen?“ Richelieu vertraute Sebastian Manuel, dieser tat es nicht anders. Richelieu wusste alles aus dem Leben des Compte. Und bis auf die wahren Umstände des Todes des alten Duplessis, wusste der Compte alles aus Richelieus Leben. „Ich denke nicht daran, einen Mann zu suchen.“ Richelieu lächelte Sebastian Manuel vielsagend an. Sebastian Manuel wusste von dem kleinen ‚Unglück’, welches dem König zugestoßen war. Ihm ging ein Licht auf. „Aha,“ , er beugte sich zu seinem Freund hinüber, „Das ist also Euer Engel? Habt Ihr vor, Eure Schwester selbst zu ehelichen?“ Richelieu zuckte vielsagend die Schultern. Der Compte wusste nicht um Maries Herkunft. Er sollte es auch nicht wissen. „Nun Eminenz, dann darf man ja schon gratulieren. Der König lag also gar nicht so falsch. Sie weiß von ihrem Glück?“ „Ja, dass weiß sie. Von allen Schwestern ist sie mir die Liebste. Das war sie schon immer. Aber kein Wort. Zu niemandem. Auch nicht zu Madame. Wir wissen, wie schwatzhaft Frauen sind.“ Sebastian Manuel lächelte und nickte. ************************************************** Es war kurz vor Mitternacht. Alles hatte sich auf dem Balkon versammelt und wartete nun auf das Feuerwerk, welches in den Tuilerien stattfinden sollte. Lediglich Richelieu und Marie waren nicht mit dabei. Als alle hinausgegangen waren, blieben sie zurück Richelieu führte Marie zur privaten Kapelle des Königs. Marie war von dem ganzen Prunk überwältigt. Sie bekam kaum mehr den Mund zu. Richelieu stand schon genau vorm Altar, als Marie noch immer zur bemalten Decke hinauf starrte. „Engel, komm her.“ Marie sah zu Richelieu. Neben ihm stand ein Priester. Sie trat zu den beiden Männern heran und erkannt, dass die Augen des Priesters leer waren. Sie hatten keinen Glanz mehr. Die Art und Weise wie sich der Priester gab, ließ sie sich sicher werden, dass er ganz offensichtlich blind war. Aber warum sollte der König einen blinden Priester beschäftigen? Damit er die königlichen Sünden nur hören, aber nicht sehen konnte? „Marie, dass ist Priester Claude.“ Der Mann suchte nach Maries Hand. Sie gab sie ihm. Ein wenig unheimlich war der Mann schon. Aber bis jetzt kam nichts an die Männer heran, die sie immer vergewaltigt hatten. „Sie sind bereit, Monsieur?“ Der Priester richtete sein Wort an Richelieu. Er wusste nicht, dass dieser eigentlich viel weiter über ihm stand. Richelieu wollte es ihm aber auch nicht sagen. Zu groß war das Risiko, dass ein Dritter etwas erfahren würde. Er nickte. „Ja, ich bin bereit.“ „Mademoiselle, “, der Priester wandte sich zu Marie, „Seid Ihr bereit?“ Marie wusste nicht, was der Mann damit meinte, aber sie hauchte ein unsicheres ‚Ja’. Priester Claude nickte lächelnd und bedeutete Richelieu ihm zu folgen. Richelieu nahm Maries Hand und führte sie weiter vor zum Altar. „Was passiert jetzt?“, Maries Stimme schwankte voller Unsicherheit. „Keine Angst, vertrau mir.“ Marie schaute ihn lächelnd an. Doch was gleich passieren würde, ahnte sie noch immer nicht. Erst als der Priester die ersten Worte sprach, wurde ihr alles klar: Richelieu hatte sie hierher gebracht, um sich und sie von diesem Mann trauen zu lassen. Und weil er blind war, konnte er sicher gehen, dass nie einer von der Hochzeit des Bischofs und dem ehemaligen Straßenmädchen erfahren würde. Ihr Herz begann zu rasen, die Röte schoss ihr ins Gesicht, was Richelieu natürlich nicht verborgen blieb. Er sah das Leuchten in ihren Augen. Und in jenem Moment wurde auch er nervös. Beide hörten kaum auf die Worte, die der alte, blinde Priester sprach. Erst als Richelieu den Namen Armand Jean Duplessis hörte, erwachte er aus seiner Trance. Seine Worte hallten in der kleinen Kapelle wieder. „Ich, Armand Jean Duplessis, gelobe feierlich, Marie Valerie Dujacque zu meiner Frau zu nehmen, an ihrer Seite zu stehen in guten und in schlechten Zeiten und alles mit ihr zu teilen. Ich werde mich an dieses Schwur vor dem Schöpfer halten, bis der Tod uns scheidet.“ Marie standen Tränen in den Augen. Ihr fiel es schwerer, ihre Worte klar klingen zu lassen. Die Freudentränen waren zu mächtig. Aber sie hielt sich tapfer. „Ich, Marie Valerie Dujacque, gelobe feierlich, Armand Jean Duplessis zu meinem Mann zu nehmen, an seiner Seiten zu stehen in guten und in schlechten Zeiten und alles mit ihm zu teilen. Ich werde mich an diesen Schwur vor dem Schöpfer halten, bis der Tod uns scheidet.“ Bei den ihren letzten Worten rollten die Freudentränen ihre Wange hinab. Zärtlich wischte Richelieu sie weg. Priester Claude tastete nach zwei Ringen, die er Richelieu übergab. Dieser schob den kleineren über Maries linken Ringfinger. Sie tat es bei ihm nur Sekunden später. Noch bevor das Priesterband über ihren beiden Händen gelegt war, küsste Richelieu seine Marie. Niemand störte diesen Augenblick. Nur die Worte des Priesters hallten in der Kapelle wieder. „So seid Ihr vor dem heiligen Vater ab nun Mann und Frau!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)