Neue Katastrophen im Hause Kaiba von Tea_Kaiba (Fortsetzung zu "Die Familie Kaiba und andere Katastrophen") ================================================================================ Kapitel 3: Dissonanz -------------------- Tea hatte sich in ihrem „Tanzstudio“ eingeschlossen und war nun schon seit Stunden ununterbrochen wie besessen in Bewegung. Ganz davon abgesehen, dass ihr Schweigen für Seto schlimmer war als jeder Vorwurf, machte er sich auch erhebliche Sorgen um das Projekt, um das sie sich kümmern hatte wollen. Nachdem sie die Schule – samt ihrer Tanzausbildung – abgeschlossen hatte, hatte Tea schnell gemerkt, dass nur Herumzusitzen nicht ihrer Natur entsprach, obwohl sie sich das zweifellos hätte leisten können – die Wahrheit war, selbst wenn Seto aufhören würde zu arbeiten, könnten sie alle zusammen problemlos ein luxuriöses Leben führen, ohne jemals alle Rücklagen der Familie aufzubrauchen. Aber wie es nun einmal aussah, würden sie das beide nicht aushalten. Also führte Tea inzwischen nicht nur den nicht gerade kleinen Haushalt der Kaibas, sondern hatte zusätzlich auch fünf Stiftungen gegründet, um die sie sich persönlich kümmerte, organisierte regelmäßig Wohltätigkeitsveranstaltungen und sorgte dafür, dass großzügige Spenden dem Waisenhaus von Domino zuflossen – dem selben Waisenhaus, in dem vor zwei Jahrzehnten der damalige Schachweltmeister in „seinem“ Spiel gegen einen kleinen Jungen verloren hatte und vielleicht zu ahnen begann, dass dieser Junge sein Schicksal werden würde. Seto zog Tea gern damit auf, dass sie es eines Tages noch schaffen würde, das Geld schneller auszugeben, als er es verdienen konnte, aber natürlich wusste er, dass das Gegenteil der Fall war. Seit „seine beiden Frauen“ - seine Schwester und seine Frau – sich um die Angelegenheiten der Firma kümmerten, lief das Geschäft besser als je zuvor. Während Tea ihm eine gesamte Abteilung ersetzte, die früher dafür zuständig gewesen war, das Image der Firma zu erhalten und so neue Investitoren und Kunden zu gewinnen, verstand es Sabrina mit einer geschickten Mischung aus Charme und Intelligenz, diese Partner auch zu halten. Umgekehrt wären die Beiden nie auf die Idee gekommen, sie könnten die ganze Arbeit ohne Seto schaffen, denn natürlich war er immer noch die Kraft im Hintergrund, der kreative Kopf, der neue Ideen ausbaldowerte und den Überblick in Sabrinas manchmal überschäumendem Chaos von Projekten und Entwürfen behielt, die Spinne, die die Kontrolle über jeden einzelnen Faden in ihrem Netz hatte. Seufzend erhob sich diese „Spinne“ jetzt von ihrem Schreibtisch und ging hinüber ins Schlafzimmer. Das Gemälde, das er nach vielen Diskussionen mit Tea über ihrem gemeinsamen Bett aufgehängt hatte – Dalís „Der Traum“, selbstverständlich im Original – starrte ihn an wie eine stumme Anklage. War das etwas, das er hätte anders machen sollen? Tea hatte ihm oft genug vorgeworfen, mit seinem Reichtum nur zu protzen und Dinge wie solche Kunstwerke zu horten, wozu er eigentlich kein Recht hatte, wo sie doch der Allgemeinheit erhalten bleiben sollten... Er hatte ihr nur dickköpfig geantwortet, dass er sogar die Mittel hätte, die Mona Lisa zu kaufen und deshalb keinen Grund sah, sich dieses verhältnismäßig „unbedeutende“ Gemälde nicht zu leisten. Woraufhin sie ihm vorgeworfen hatte, „schlimmer als Hitler und Göring zusammen“ zu sein. Als ob deren groß angelegter Kunstraub mit seinen ehrlichen Geschäften zu vergleichen gewesen wäre! Aber der Streit war genauso überflüssig gewesen wie der von heute morgen. Müde seufzend ließ er sich in seine Kissen sinken. Plötzlich hatte er schreckliches Kopfweh. Kam an so einem Tag eigentlich alles zusammen? Am besten, er nahm eine Schlaftablette, dann war er das alles erst mal los. „Dad?“ Rowena klopfte vorsichtig an die Schlafzimmertür. Es konnte sein, dass ihr Vater immer noch gereizt war, es war sogar ziemlich wahrscheinlich, und dann war es besser, ihm nicht in die Quere zu kommen. Aber sie musste jetzt wissen, was passiert war – was konnte schlimm genug sein, um ihre Eltern dazu zu bringen, sich so – verhältnismäßig – lange in den Haaren zu liegen? Es war nicht das ERSTE Mal, dass sie so etwas erlebte – aber das erste Mal, dass sie nicht wusste, worum es ging. Von drinnen hörte sie ein müdes Stöhnen, als hätte Seto seit Tagen nicht geschlafen und sei nun beim Versuch dabei gestört worden. Heuchler. „Was ist denn?“ Sie verstand seine Frage als Einladung, ins Zimmer zu kommen, und stieß die Tür auf. „Was ist passiert? Was zum Henker hast du angestellt, dass Mum immer noch nicht mit dir redet?“ Unter normalen Umständen hätte sie wahrscheinlich nicht so mit Seto gesprochen, obwohl sie als seine Tochter natürlich ungern ein Blatt vor den Mund nahm, wenn ihr etwas nicht passte – aber heute hatte er es offensichtlich verdient. „Nichts ist passiert. Deine Mutter hat einen ihrer Anfälle, sonst gar nichts.“ kam die schroffe Antwort. Dann, etwas versöhnlicher und nachdem er sich aufgesetzt hatte: „Wie war dein Tag?“ Sie wusste, dass es ihn nicht interessierte, wie der Tag bei Teas Freunden verlaufen war – das tat es nie. Schließlich ging Seto ihnen geflissentlich aus dem Weg. Aber es war vermutlich die friedlichste Geste, zu der er sich heute Abend herablassen würde, also setzte sie sich neben ihn – auf das Bett, indem, wie ihr schlagartig klar wurde, vermutlich ihr ungeborenes Geschwisterchen gezeugt worden war, ein Gedanke, der nicht gerade zur Beruhigung ihres Gemüts beitrug – und begann zu erzählen. Ohne es wirklich zu wollen, klang sie dabei nach und nach immer begeisterter, vor allem, als sie von Ray berichtete. „Er ist Joeys und Serenetys Bruder... naja, eigentlich Halbbruder. Er wohnt im Moment bei den Wheelers, weil seine Eltern auf irgendeiner Auslandsreise sind. Ihre Mutter hat seinen Vater bei der Arbeit kennen gelernt und kurz darauf haben sie geheiratet... naja, jedenfalls ist er nur zwei Jahre älter als ich. Und dabei ist er sowas wie Yurikas und Atemus Onkel!“ Bei dem Gedanken grinste sie, vor allem, weil sie am Nachmittag mehrfach Zeuge geworden war, wie Ray seine Nichte arg zusammenstauchte – was Rowena nach der unerfreulichen Szene zu Anfang ihres Besuches umso größere Genugtuung verschafft hatte. Seto schien das alles aber nicht gerade zu besänftigen, also brach sie ihre Erzählung bald wieder ab und schlüpfte unter einem Vorwand aus dem Zimmer. Wäre sie auf dem Gang draußen nur einen Moment stehen geblieben, hätte sie gehört, wie Seto, kaum war sie aus dem Zimmer, den Hörer seines Telefons von der Gabel riss und hastig eine Nummer wählte. Ungeduldig ging er auf und ab, während auf der anderen Seite nur regelmäßiges Klingel zu hören war. Dann, endlich, nahm jemand ab und diese furchtbare, ewig fröhliche Stimme, deren Klang allein ihn schon zur Weißglut brachte, meldete sich: „Ja?“ Nicht mal seinen Namen konnte dieser nutzlose Köter nennen, aber gut, den kannte er sowieso viel zu gut. „Wheeler.“ knurrte er in seinem besten, bedrohlichsten ´Entweder du spurst oder du bekommst es mit mir zu tun´-Tonfall. „Ich warne dich. Halte deinen Bruder oder was auch immer von meiner Tochter fern, oder ich kann für nichts garantieren.“ Für zwei Sekunden blieb es still in der Leitung und man hörte nur ein unbestimmtes Knacken, dann - „Keine Sorge, Kaiba. Er wird deinem kostbaren Töchterchen schon nicht weh tun. Das einzige, was mich davon abhält, den beiden wirklich den Umgang zu verbieten, ist, dass Rowena auch noch Teas Tochter ist und Gott sei dank einige entscheidende Anlagen von ihr mitbekommen hat anstatt von dir. Ich sehe auch nicht gern, wie meine Familie mit deiner Umgang pflegt, glaub mir das.“ Joeys Stimme hatte scharf geklungen, ganz untypisch für ihn, und ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf. Nachdem er den Hörer eine Sekunde lang perplex angeschaut hatte, warf Seto das Gerät wütend wieder zurück auf die Station, machte auf dem Absatz kehrt und wollte eben aus dem Zimmer stürmen, als er seine Frau bemerkte, die im Türrahmen stand. „Das reicht.“ erklärte Tea gefährlich ruhig, aber mit einer Stimme, der die mitschwingende Wut nur zu gut anzuhören war. „Ich ziehe bis auf Weiteres zu meinen Eltern.“ Fassungslos starrte Seto sie an. So sehr er den ganzen Tag darauf gewartet hatte, dass sie endlich wieder auftauchte, so sehr wünschte er sich jetzt, sie sei immer noch da, wo sie bis vor zehn Minuten gewesen war. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ Brachte er heraus. „Was ist mit dem Ball morgen? Den können wir nicht einfach abblasen!“ Tea marschierte an ihm vorbei ins Zimmer, zerrte eine Reisetasche aus dem obersten Fach des Kleiderschranks und begann, Kleider hineinzuwerfen. „Wenn das ALLES ist, worüber du dir Sorgen machst, kannst du beruhigt sein. Ich werde da sein – aber nicht mit DIR!“ Sie stürmte an ihm vorbei aus dem Zimmer. Seto hätte sich die Zunge abbeißen können, als er ihre eiligen Schritte auf der Treppe nach unten und schließlich die Räder ihres Wagens draußen auf dem Kies der Auffahrt hörte. Warum hatte er das nur gesagt? Die letzte Chance, sie vom Gehen abzubringen, zu Nichte gemacht? Aber verdammt – sie kannte ihn doch gut genug, um zu wissen, dass das eben seine Art war, ihr zu zeigen, dass er nicht wollte, dass sie ging. Sie hatte GEWUSST, dass er kein großes Talent darin war, seine Gefühle mit Worten auszudrücken – und hatte es in Kauf genommen. Er machte seiner Enttäuschung und Verzweiflung in einem langen, wortlosen Schrei Luft und hieb seine rechte Faust gegen die Wand, was ihm allerdings nichts anderes einbrachte als höllische Schmerzen in den Fingerknöcheln. ~ 1 Tag später ~ Leicht zögernd betrat Tea den Ballsaal. Sie wollte nicht schon wieder auf Seto treffen, aber ihr war klar, dass es sich nicht vermeiden ließe. Sie war immer noch für die Veranstaltung verantwortlich, die sie schließlich selbst angezettelt hatte. Und da die Kaiba Corp der offizielle Veranstalter war, hatte auch Seto an Ort und Stelle zu sein. Sie sah sich um. Die meisten der allesamt bekannten und vor allem wohlhabenden Gäste waren noch im Foyer beim Sektempfang, wie es aussah – gut so. So hatte sie wenigstens ein bisschen Zeit, sich wieder zu beruhigen und ihre Notizen für die Empfangsrede zu ordnen. Langsam ging sie nach vorn zum Podium, stieg die wenigen Stufen hinauf und deponierte ihre Papiere auf dem Rednerpult. „Du bist ja doch gekommen.“ Tea zuckte zusammen und wirbelte herum. „Sabrina! Musst du mich immer so erschrecken?“ Die Angesprochene grinste. „Ja, muss ich. Mal wieder Stress mit Seto, hm?“ Sabrina raffte den Rock ihres dunkelroten Kleides und stieg behände zu ihrer Schwägerin nach oben. Sie hasste es eigentlich noch immer, Kleider zu tragen, aber bei solchen Gelegenheiten ließ es sich kaum vermeiden. Und als stellvertretende Leiterin der KC konnte sie nicht jedem von dieser ausgerichteten Ball fernbleiben. Tea nickte auf ihre Frage hin, schien aber nicht bereit, nähere Auskunft zu geben, also wechselte Sabrina das Thema: „Wie geht’s Rowena?“ Sie hatte sich immer gut mit ihrer Nichte verstanden, auch wenn sich die beiden in letzter Zeit eher selten sahen. „Ihr geht’s gut. Sie ist nur etwas geschockt, dass ich wieder schwanger bin, aber ansonsten ist alles wie immer.“ Entgegnete Tea abwesend. Sabrina runzelte die Stirn. „Du bist schwanger? Nicht gerade ein toller Zeitpunkt, sich dann mit Seto zu streiten, oder? Oder war es etwa...“ Sie brach ab. Eigentlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass Tea Seto betrogen haben sollte, andererseits hatten die Beiden schon ganz andere Katastrophen verursacht, also konnte man sich da nicht so ganz sicher sein. Tea riss entsetzt die Augen auf. „Was denkst du eigentlich von mir? Nein, es ging um das Übliche: darum, ob es nun Rechtens ist, dass ich mich mit den Anderen treffe, oder nicht. Außerdem hat er Rowena verboten, sich mit Joeys und Serenetys Bruder zu treffen, also soll er jetzt mal sehen, was er davon hat.“ Sabrina sah irritiert aus. „Wie bitte? Die Beiden haben einen Bruder?“ „Halbbruder.“ Verbessertes sich Tea und erklärte kurz, was sie selbst erst vor kurzem erfahren hatte. Die Schwarzhaarige nickte abwesend. „Vielleicht ist Seto ja eifersüchtig.“ Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Tea machte ein abfälliges Geräusch. „Eifersüchtig? Auf wen denn bitte und warum?“ Sabrinas Augen blitzten. „Auf deine Freunde natürlich. Immerhin ist ein großer Teil davon männlich. Und wer weiß... Männer wurden schon auf ganz andere Weise betrogen.“ Diesmal war Tea nicht mehr nur geschockt, sondern auch wütend. „Ich weiß ja nicht, was DEINE schmutzige Phantasie dir so alles eingibt, aber ICH würde daran nicht mal denken, das weist du und das weiß auch Seto.“ „Ist ja schon gut.“ lenkte ihre Freundin beschwichtigend ein. „Keiner unterstellt dir etwas dergleichen. Aber es könnte doch sein, dass das irgendwie auch ein Grund dafür ist, dass er es nicht magst, wenn du sie so oft triffst. Diese kindische Sache mit seinem Meisterschaftstitel, den Yugi ihm abgenommen hat, wird er ihnen wohl nicht immer noch nachtragen.“ Was auch wieder irgendwie wahr war. Seto war zwar nachtragend, aber nicht so. Er wusste genauso gut wie alle anderen, dass diese Sache längst verjährt war. Und obwohl zumindest Yugi und Joey sich noch ab und zu zum Spaß und zur Abwechslung duellierten und Tea genau wusste, dass auch Seto sein altes Deck in einem Anfall von Sentimentalität nicht aufgelöst, sondern sorgfältig eingeschlossen hatte, war das doch eher etwas, dem jetzt ihre eigenen Kinder nachgingen. Seto war nicht so kindisch, immer noch alten Rivalitäten nachzuhängen. Was auch immer es war – sie konnte es jetzt nicht ändern. Die Türen zum Saal wurden in diesem Moment weit geöffnet und die Gäste strömten herein, teilweise noch mit Sektgläsern in der Hand und eifrig mit Smalltalk beschäftigt. Tea und Sabrina stiegen auf der Rückseite der Bühne hinab, um die wichtigsten Persönlichkeiten zu begrüßen und abzuwarten, bis Seto seine Begrüßungsrede gehalten hatte, dann wäre Tea an der Reihe – vorausgesetzt, sie wusste dann noch, was sie hatte sagen wollen. Ihre Notizblätter nämlich hatte sie auf dem Pult liegen gelassen und musste nun mit ansehen, wie Seto sie, wohl in der Annahme, es handle sich um Abfall, einem der herumstehenden Kellner übergab. Seine Handbewegung sagte unmissverständlich: „Schaffen sie das hier weg, aber schnell!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)