Das Rad des Schicksals von Blacklady86 (Das letzte Gefecht) ================================================================================ Kapitel 15: Ansichtssache ------------------------- Mamoru hatte die Mitte der großen Halle fast erreicht, als ihn das Gefühl angestarrt zu werden innehalten ließ. Es war irritierend – und auch auf ungewohnte Weise beunruhigend. Er konnte die Nähe seiner Verlobten so deutlich spüren, als befände sie sich direkt neben ihm. Aber da war niemand. Trotzdem wurde das Gefühl immer intensiver und unerträglicher. Er wurde nicht einfach nur angestarrt. Er war Beute. Seine Hände ballten sich zur Fäusten, während er sich langsam um sich selbst drehte und seine Umgebung aufmerksam musterte. Nirgendwo rührte sich etwas. Er war vollkommen allein. Selbst die Kerzen an den Wänden schienen für einen Moment in vollkommender Regungslosigkeit erstarrte zu sein. Plötzlich nahm Mamoru aus den Augenwinkeln ein Bewegung war. Er fuhr herum. Sein Herz begann zu klopfen. Mit den Augen versuchter er die gegenüberliegende Wand zu fixieren, aber es wollte ihm nicht gelingen. Das unheimliche Zwielicht verwirrte seine Sinne immer mehr und schien ihm nun auch noch den Atem zu nehmen. Dennoch glaubte er, so etwas wie einen Schatten zu erkennen, der lautlos über die Wände glitt. Als Mamoru blinzelte, war der Schatten verschwunden. Er ging weiter. Doch nach wenigen Schritten nahm er erneut eine Bewegung war. Dieses Mal von der anderen Seite. Abermals drehte sich Mamoru um, konnte jedoch nichts entdecken. Entmutigt setzte er seinen Weg fort. Er hatte wahrlich besseres zu tun, als einem Phantom hinter zu jagen. „Bleibt bitte einen Moment wo ihr seid, Endymion.“ Mamoru war alles andere als schreckhaft. Er hatte in seinem Leben Dinge erlebt und gesehen, von denen seine Mitmenschen nicht einmal ahnten, dass sie existierten. Er hatte dunkle Geheimnisse kennen gelernt, an denen andere zerbrochen wären und Kreaturen überwunden, die direkt aus den tiefsten Tiefen der Hölle emporgestiegen zu sein schien. Und doch hatte er selten zuvor einen solch abgrundtiefen Schrecken verspürt. Die Stimme schien von allen Seiten gleichzeitig herzukommen. Langsam und mit zitternden Knien drehte sich Mamoru im Kreis und versuchte die rauchfarben Schatten mit seinem Blick zu durchdringen. Wie schon zuvor, gelang es ihm auch dieses Mal nicht. „Ich habe keine Lust auf irgendwelche Spielchen!“, rief er in die Stille. „Also zeig dich!“ Etwas fiel hinter ihm zu Boden. Mamoru zog eine Rose hervor und wirbelte herum. Vor sich konnte er eine dunkle Gestalt erkennen. Als er den Arm erhob, um zuzustechen, löste sie sich jedoch plötzlich in Luft auf. Eine Hand griff von hinten nach seinem Arm und verdrehte hin, bis die Rose zu Boden fiel. An seiner Wange konnte Mamoru, den warmen Atem seines Gegners spüren. „Bitte verzeiht“, erklang die lachende Stimme des Unbekannten nahe an seinem Ohr. „Ich weiß, es ist unhöflich von mir, aber ich wollte Euch einen kurzen Moment in Augenschein nehmen. Schließlich gehört Ihr ja schon fast zur Familie.“ Ein Lachen, das Mamorus Herz umschloss wie eine Kralle aus Eis und ihm den Atem nahm. Dann ließ der Unbekannte ihn plötzlich los und versetze ihm einen leichten Stoß der ihn nach vorne stolpern ließ. Noch aus der Bewegung heraus drehte sich Mamoru wieder um und stockte... „Fighter, unsere Aufgabe hier ist erfüllt. Wir sollten langsam in unsere Zeit zurück kehren!“ Fighter hörte Lead Crows Worte gar nicht. Sie blickte stumm auf Bunny herab. Ihr Atem hatte sich beruhigt und ihre Augen waren geschlossen. Sie schien zu schlafen. Als sie in sie hineinlauschte spürte sie weder Schmerz noch Todesangst. Ihre Lebensflamme brannte ruhig und gleichmäßig, so stark und jung, wie sie vorher gewesen war. „Warum hast du ihr das angetan?“ fragte sie leise ohne Serenity dabei anzusehen. Statt direkt zu antworten, stemmte sich die Königin mit unübersehbarer Mühe vom Boden hoch, wandte sich in Richtung des Fensters und bedeutete Fighter mit einer Geste, ihr zu folgen. Das Fenster lag nach Osten, und da sie sich im dritten Stock des Gebäudes befanden, konnten sie den Großteil der Stadt bis fast zum Osttor überblicken. In der Ferne glühte der Nachthimmel rot vom Wiederschein der zahllosen Feuer und obwohl es noch nicht sehr spät war, lag die Stadt wie ausgestorben da. Nur hinter sehr wenigen Fenster brannte Licht. „Ich habe es für Sie getan“, erklärte Serenity. „Für all diese Menschen. Sie sollten nicht länger für einen Fehler bezahlen, den ich begangen habe.“ „Was soll das heißen?“, schnappte Lead Crow und Fighter fragte: „Was ist passiert?“ Serenity sah aus dem Fenster, bevor sie antwortete. „Ich habe zu lange gezögert“, sagte sie leise. „Weil ich mich an ein Versprechen geklammert habe, das keines war. Egal was wir auch tun und wie sehr wir uns auch ansträngen, wir können die Dunkelheit nie wirklich besiegen. Früher oder später wird sie zurück kommen...“ ein bitteres lächeln huschte über ihre Lippen. „Und irgendwann wird sie uns besiegen... Das konnte und wollte ich einfach nicht akzeptieren. Deshalb habe ich nach einem Ausweg gesucht, um diesen sinnlosen Kampf für immer zu beenden.“ „Und da ist dir kein besser eingefallen, als gleich deine komplette Vergangenheit zu ändern?“ fragte Lead Crow trocken. Serenity hob die Schulter, ohne den Blick vom Fenster zu lösen. „Es gibt nun mal keinen anderen Weg“, sagte sie. „Zumindest keinen, der einen lang anhalten Frieden erzielen würde“, sie drehte sich zu den beiden Kriegerin um. „Ihr werft mir vor, ich hätte Bunny unrecht getan? Sei es so! Ich würde hundert Unschuldige opfern, wenn es sein müsste! Ich habe eine Reich zu retten!“ Das waren wenigstens klare Worte, dachte Fighter. Vielleicht war es sogar das erste Mal, dass Serenity ganz unumwunden die Wahrheit sagte. Sie konnte die Königin sogar verstehen, auch wenn sie ihre Vorgehensweise nicht billigte. „Willst du sie genauso opfern, wie die Mädchen?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr „Oder sollen sie lieber auf die gleiche Weise sterben, wie Mamoru?“ Er griff ohne jegliche Warnung an und seine ersten drei, vier Hiebe kamen so schnell, dass Galaxia sie nur mit Mühe parieren konnte. Doch mit jedem Schlag, den sie abwehrte oder dem sie auswich, erkannte sie das Muster in den Bewegungen ihres Gegners deutlicher. Zeros kämpfte gut, wirklich gut und sehr schnell. Doch Galaxia war um die entscheidende Winzigkeit schneller. Ihre Schläge und Paraden, Attacken und Konter erfolgten so schnell, dass es für einen normalen Menschen eher wie ein spielerischer, leichtfüßiger Tanz aussehen musste, als wie ein Kampf auf Leben und Tod. Ein Tanz in dem sich ihre Schwerter kaum zu berühren schien und nur dann und wann ein helles Klingen zu hören war oder ein flüchtiger Funke aufstob. Dann änderte sich der Rhythmus. Galaxia erkannte eine mögliche Lücke in der komplizierten, aber berechenbaren Abfolge blitzartiger Bewegungen, nutzte sie und stieß zu. Plötzlich riss der graue Ärmel auseinander und frisches Blut färbte ihn dunkel. Zeros schrie auf und taumelte zurück. Galaxia setzte ihm blitzschnell nach, um den Kampf zu entscheiden. Ein Schatten sprang sie an. Galaxia registrierte die Bewegung im letzten Moment, drehte sich hastig zur Seite und verletze den Dämon, als er an ihr vorbeitanzte, sah sich aber sofort von weiteren drei oder vier untoten Kriegern bedrängt. Ihr Schwert fand ein weiteres Ziel, doch sie musste auch weiter zurückweichen, um nicht von der schieren Übermacht der Ungeheuer von den Beinen gerissen zu werden. Als sich die Bestien wieder zurückzogen, hatte Zeros Wunde aufgehört zu bluten. Er starrte Galaxia mit einer Mischung aus blanken Hass und wiederwilliger Anerkennung an. „Ich hätte mir denken können, dass du mir keinen fairen Kampf liefern würdest“, sagte Galaxia. Zeros lachte leise. „Es tut mir Leid“, antwortet er, „aber dazu bist du zu gut. Und was erwartest du? Ich bin immer noch ein Dämon.“ Diesmal war es Galaxia, die ihn ohne Vorwarnung angriff. Sie sprang vor, holte zu einem Schwerthieb aus und wechselte die Waffe im letzten Moment und mitten in der Bewegung von der rechten in die linke Hand. Die Bewegung kam selbst für die übermenschlichen schnellen Reflexe ihres Gegners zu abrupt. Dennoch brachte er es fertig, sein Schwert herumzureißen und zwischen sich und Galaxia zu schieben. Die Klingen schlugen Funken sprühend und kreischend aneinander, dann bewegte sich Galaxias Schwert blitzschnell nach oben und durchbohrte die Brust des anderen. Zeros ließ seine Waffe fallen und taumelte zurück. Galaxia wusste, dass sie sein Herz verfehlt hatte, doch der Kampf war trotzdem vorbei. Selbst für seine dämonischen Heilkräfte war die Verletzung zu schwer, um sie binnen weniger Minuten zu schließen und mehr Zeit brauchte Galaxia nicht. „Noch ein Grund mehr, um dich zu vernichten“, sagte sie. Zeros brach vor ihr in die Knie und Galaxia hob das Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf, um ihn mit einem einzigen Schlag zu enthaupten. Das Gesicht unter der grauen Kapuze lag im Schatten, sodass nicht einmal Mamorus scharfe Augen es zu erkennen im Stande waren. Aber das war auch nicht nötig. Er wusste, wem er gegenüberstand. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. „Seren“, sagte er leise. „Ihr kennst also meinen Namen“, antworte sein Gegenüber spöttisch. „Ich fühle mich geschmeichelt.“ Jetzt – sonderbarerweise tatsächlich erst jetzt, als er ihn sehen konnte – spürte Mamoru auch deutlich seine Nähe. Auch wenn er sich nicht einmal vorzustellen vermochte, wie der andere es bewerkstelligte: Es war ihm möglich, seine Gegenwart zu verschleiern. „Um die Wahrheit zu sagen, ich glaubte, du wärst etwas größer“, gab Mamoru zurück. „Oder ´n bisschen kräftiger, mit ein paar mehr Muskeln.“ Metal klirrte, als ein Schwert aus seiner Umhüllung gezogen wurde, dann trat die schlanke Gestalt ein paar Schritte vor und schlug mit der freien Hand die Kapuze zurück. Das Gesicht, das darunter zum Vorschein kam, war das eines jungen Mannes, das von schulterlangen, glattem, blondem Haar eingerahmt und gutaussehend war. Es hätte sympathisch sein können, wäre da nicht ein grausamer Zug um seinen Mund gewesen. In seinen Augen loderte Hass. „Dann tut es mir Leid Euch enttäuschen zu müssen“, antworte Seren. Er kam langsam näher, schien aber keine Eile zu haben. „Von Euch kann ich das jedoch nicht behaupten. Ihr seid genauso wie ich mir den Prinzen der Erde immer vorgestellt habe.“ Er lachte leise. „Nun ja nicht ganz. Euer Frauengeschmack lässt etwas zu wünschen übrig.“ Obwohl er noch ein gutes Dutzend Schritte von Mamoru entfernt war, ließ er sein Schwert spielerisch in seine Richtung pfeifen. Schon diese kleine Bewegung machte Mamoru klar, dass er einem erfahrenden Kämpfer gegenüberstand. „Warum tust du das Seren?“, wollte Mamoru wissen. „Wieso quälst du deine eigene Schwester?“ „Weil sie es verdient“, zischte Seren. „Sie hat mein Leben zerstört.“ „Das ist nicht Wahr“, antworte Mamoru, ohne den ganz langsam näher kommenden Jungen auch nur für den Bruchteil eines Atemzuges aus den Augen zu lassen. „Sie hat dein Leben nicht zerstört, sondern gerettet. Ohne Serenity wärst du bereits bei deiner Geburt gestorben. Du solltest ihr dankbar sein.“ Seren blieb stehen, legte den Kopf auf die Seite und sah Mamoru aus seinen ebenso schönen wie gnadenlosen Augen an. „Dankbar?“, wiederholte er mit nahezu perfekt gespielter Überraschung. „Wofür? Das sie mir mein Leben gestohlen hat und mich zu einem Wanderer durch die Zeit hat werden lassen, einem Verfluchten, dazu verurteilt, ruhelos durch die Ewigkeit zu streifen und jedem, der das Pech hat, meinem Weg zu kreuzen, Unglück und schließlich den Tod bringt. Soll ich ihr dafür entwar dankbar sein?“ Mamoru war klar, dass das einzige Kluge gewesen wäre, gar nicht darauf zu antworten. Dennoch fragte er: „Warum bist du damals nicht auf den Mond zurückgekehrt? Ich bin mir sich deine Mutter hätte dir geholfen und Serenity auch.“ Der Ausdruck gespielter Verwirrung in dem noch beinahe knabenhaften Gesicht seines Gegenübers verstärkte sich. „Aber Prinz Endymion, so naiv könnt Ihr doch gar nicht sein“, sagte er. „Habt Ihr eigentlich eine Vorstellung davon, was für Kräfte meine dumme Schwester besitz? Mit ihnen kann man die Welt verändern. Man kann die Sterne neu ordnen. Wozu sollte ich also um gnade betteln, wenn ich doch mein Schicksal selbst bestimmen kann?“ Wieder vollführte sein Schwert eine Folge rasender Bewegungen, die so schnell waren, dass das Auge einen normalen Menschen sie wohl nur als flackerndes Aufblitzen von Lichtreflexen wahrgenommen hätte. Dennoch sah Mamoru, dass er sich noch immer zurückhielt. Was wie kindliche Angeberei aussah, diente in Wahrheit keinem anderen Zweck, ihn über die wahre Schnelligkeit und Stärke seines Gegners zu täuschen. „Ich verstehe nicht, wovon du redest“, behauptete Mamoru. Gleichzeitig bewegte er sich ganz sachte nach links, erstarrte aber sofort wieder, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Seren war nicht allein gekommen. Natürlich nicht. Fighter sah sie an, ohne zu blinzeln, ohne zu atmen, ja sogar ohne zu denken. Es war Bunny. Sie war wach. Hier bei ihr. Doch Bunny schien sie noch nicht einmal zu bemerken. Sie schien wie zum Schatten geworden zu sein, wie sie so dastand, hoch aufgerichtet und vollkommen reglos. Nur in ihren Augen war einen Ausdruck, den Fighter nicht zu deuten wusste. „Wie lange willst du noch so weiter machen, Serenity?“ fragte Bunny. „Wie viele Menschen sollen noch sterben, bevor du endlich einsiehst, das du so nicht gewinnen kannst?“ Fighter war sicher das Serenity gar nicht antworten würde, aber sie löste sich vom Fenster und trat einen Schritt auf Bunny zu. „Ich habe einen Fehler gemacht, das gebe ich zu“, sagte sie. „Aber ich hatte keine andere Wahl. Es war meine Pflicht es wenigstens zu versuchen. Das war ich den Mädchen einfach schuldig.“ Fighter war sich nicht sicher, doch einen Moment lang schien es, als würde Zorn in Bunnys Augen aufblitzen. Aber wenn dem so war, dann kämpfte sie das Gefühl nieder, bevor es Gewalt über sie erlangen konnte. Sie schwieg. „Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst“, fuhr Serenity fort. „Ich könnte es sogar verstehen, wenn du das Schwert nimmst und mich auf der Stelle erschlägst.“ Sie ging zu dem Platz neben der Tür, wo Fighter das Schwert fallen gelassen hatte, hob es auf und trug es zu ihr zurück. „Nimm es“, sagte sie und hielt Bunny die Waffe mit dem Griff voran hin. „Wenn das, was ich getan habe, in deinen Augen so schlimm ist, dann bring es zu Ende. Tu es, wenn du glaubst, dass ich es verdient habe.“ Bunny zögerte, doch Serenity machte nur eine heftige, auffordernde Bewegung mit dem Schwert und sah ihr fest in die Augen. „Ich bitte dich nur, dich nicht selbst zu verachten“, sagte sie leise. „Töte mich, wenn du willst, aber hasse dich nicht für etwas, was ich getan habe.“ Bunny starrte sie lange aus leeren Augen an. Schließlich griff sie nach dem Schwert. Fighter konnte hören, wie Lead Crow scharf die Luft zwischen den Zähne einsog und hob rasch die linke Hand. Mit einem Kopfschütteln bedeutete sie Lead Crow zurückzubleiben. Pluto spürte schon seit einer geraumen Weile, dass sie verfolgt wurden. Manchmal bewegte sich Schatten am Rande der unregelmäßigen zuckenden Insel aus rotem Licht, die durch ihr Granat Zepter verursacht wurde. Ab und an glaubte sie huschende Schritte zu hören oder einen sachten Luftzug im Gesicht zu spüren, wie von einer hastigen Bewegung, grade außerhalb ihres Sichtfeldes. Sie konnte nicht mehr sagen, auf wie viele Spuren von Dämonen sie schon gestoßen waren. Außerdem auf die zahlloser Ratten, Kakerlaken und anderen Getiers. Einmal war im Licht sogar ein Spinnennetz aufgetaucht, dessen schiere Größe allein schon reichte, ihr einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen, hatte es sie doch sofort, wieder an ihre unerfreuliche Begegnung mit eines dieser rissen Exemplare erinnert. Außerdem hatten sie sich hoffnungslos verirrt. Wie jedes Mal, wenn sie in diesen unterirdischen Teil des Schlosses vordrang, hatte sie schon nach wenigen Augenblicken jedes Zeitgefühl verloren und nicht allzu lange danach auch die Orientierung. Tin Nyanko, die ein Stück vorausgegangen war, ließ sich nun unauffällig zurückfallen, bis sie mit den gleichen kräftesparenden Schritten, in die auch Pluto unwillkürlich verfallen war, neben ihr hertrottete. Leise und in beiläufigen Ton sagte sie: „Du hast sie auch gehört, nicht wahr?“ „Überall rings um uns herum“, bestätigte Pluto. „Zeros?“ Genau über diese Frage dachte Pluto nach, seit sie die Schritte das erste Mal gehört hatte. Sie spürte nichts. Weder Zeros Präsenz, noch das faulige Gefühl, das sie in der Nähe der unheimlichen Kreaturen überkommen hatte mit denen sich Zeros umgab. Aber sie hatte schon einmal erlebt, wie perfekt er seine Gegenwart zu verbergen wusste und warum sollte das nicht auch für seine Arme aus Schatten Kriegern gelten? Pluto rief sich in Gedanken zu Ordnung. Sie war auf dem besten Weg, den zweitschlimmsten Fehler zu begehen, der einen Krieger unterlaufen konnte: Einen Gegner zu überschätzen konnte fast ebenso fatale Folgen haben wie das Gegenteil. „Haben wir uns verirrt?“ fragte Tin Nyanko. Pluto hob lediglich die Schultern. Tin Nyanko stellte die Frage ohnehin nur, um ihre eigene Unruhe zu überspielen; sie kannte die Antwort ebenso gut wie Pluto selbst. Der Teil der Katakomben, durch den sie sich seit einer Weile bewegten, hatte nicht einmal mehr Ähnlichkeit mit den Säulengängen und Stollen, durch die sie die unterirdische Welt beretten hatten. Pluto wusste nicht mehr, wie viele Treppenstufen sie in die Tiefe gestiegen waren, aber es waren viele gewesen. Die Gänge, durch die sie mittlerweile gingen, waren feucht und die Luft stank nach Verwesung. An einer Biegung hielten sie an und Pluto spähte vorsichtig um die Ecke. Dieser Durchgang schien ebenfalls verlassen zu sein und doch zögerte sie noch einen Moment länger und strengte ihre Ohren an, um in der unheimlichen Stille einen Laut auszumachen. „Hast du was entdeckt?“, flüsterte Tin Nyanko hinter ihr. Pluto ignorierte ihre Frage und bedeutete ihr nur mit einer hastigen Geste still zu sein. Irgendetwas war dort vorne. Etwas das definitiv nicht hier her gehörte. Sie hörte rasche Schritte, das Rascheln von Stoff und das Geräusch von trippelnden Füßen die über den Boden kratzten. Wer immer diese Geräusche verursachte, er hatte es verdammt eilig und er kam direkt auf sie zu. Bunny blickte auf das Schwert in ihrer Hand. Ihre Gedanken bewegten sich dabei so mühsam, wie ein erschöpfter Wanderer durch immer zäher werden Morast taumelt, sodass ihn jeder Schritt ein bisschen mehr an Kraft kostete als der vorherige. Sie empfand.... nichts. Sie sollte wütend sein. Erschrocken. Bestürzt oder Traurig, doch in diesem Moment schien sie nicht einmal mehr Leere zu empfinden. Sie konnte nur dastehen und starren. „Schätzchen“, flüsterte Fighter leise und endlich erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Mit einer Bewegung, die aussah, als kostete sie ihr unendliche Mühe, drehte Bunny den Kopf und sah sie an. Ein Ausdruck tiefer, aber verzeihender Trauer erschien auf ihrem Gesicht. „Es ist gut“, sagte sie. „Es ist vorbei.“ Sie ließ die Waffe auf dem Boden fallen und mit einem einzigen Schritt war Fighter bei ihr und schloss sie behutsam in die Arme. Diese unbedeutende Geste durchbrach Bunnys Lähmung endgültig. Es war, als bräche ein Damm. Tränen liefen ihre Wange hinunter und plötzlich hatte sie nicht mehr genügend Kraft, um zu stehen. Hätte Fighter sie nicht aufgefangen, sie wäre zusammengebrochen. „Es wird alles wieder gut, Schätzchen“, flüsterte Fighter beruhigend, während sie ihr immer wieder tröstend über den Rücken strich. „Ich bin ja bei dir.“ Minuten vergingen, in denen Bunny wie gelähmt dasaß und des Sturms von Gefühlen Herr zu werden versuchte, der hinter ihrer Stirn tobte. Es waren keine Erinnerungen. Keine Bilder. Nichts, was sie mit Worten hätte beschreiben können, sondern zusammenhangslose Formen des Grauens, an denen ihr Geist zu zerbrechen drohte. Sie hatte ein Blick in die Hölle getan, und die Erinnerung daran drohte alles Menschliche in ihr zu verzehren. Irgendwann verebbte der Schmerz. Er verging allerdings nicht ganz und würde sie womöglich niemals wieder verlassen. Sie hatte etwas berührt, das auf ewig unangetastet bleiben sollte. Allein das Wissen um seine Existenz hatte sich in ihre Seele gefressen und eine Wunde darauf hinterlassen, die nie wieder verheilen würde. Doch der mörderische Würgegriff des Entsetzens ließ allmählich nach und ihre Gedanken begannen sich zu klären. „Ihr solltet jetzt wirklich besser gehen!“ Sie sah zu Serenity auf. Der Ton ihrer Stimme hatte sich verändert. Sie klang noch immer traurig und distanziert, und doch war etwas darin, das sie bis jetzt sorgsam unterdrückt hatte. Doch noch während Bunny sich fragte, was es war, erscholl bereits weiter unten im Schloss ein laute Schrei. Saturn rannte so schnell sie nur konnte, aber sie wusste trotzdem, dass sie dieses Wettrennen früher oder später verlieren würde. Denn kein Mensch, noch nicht einmal eine Sailor Kriegerin wäre im Stande dieses Tempo auf Dauer durchzuhalten. Irgendwann würde sie einen Fehler machen, ein straucheln oder stolpern und dann... Tja, dann bin ich Hundefutter, dachte sie grimmig und zwang sich dazu noch schneller zu laufen. Steine und Erbrocken spritzen im Takt ihrer rasenden Schritte unter ihren Stiefeln hoch, als sie den gewunden Pfad entlang jagte. Hinter sich konnte sie die Hundewesen hören. Ihr heißer, röchelnder Atem, das Kratzen ihrer Klauen auf dem harten Boden, sie kamen immer näher und bald, sehr bald würden sie sie eingeholt haben. Plötzlich sah Saturn eine Bewegung aus den Augenwinkeln, aber nicht einmal ihre schnellen Reaktionen reichten aus, um den Angriff auszuweichen. Eine dunkle Gestalt, griff nach ihrem Arm und riss sie so heftig zur Seite, das Saturn für einen kurzen Moment den Boden unter den Füßen verlor. Sie würde hart gegen eine Wand gedrückt und eine Hand legte sich um ihren Mund. Unwillkürlich versuchte sie sich zu wehren, aber sie fand keinen festen Halt und die Hände, die sie gepackt hatten waren übermenschlich stark. Nur wie durch einen Schleier hindurch registrierte Saturn, wie die Hundwesen weiter rannten und die Geräusche die sie verursachten immer leiser wurden. Plötzlich lockerte sich der eiserne Griff und Saturn reagierte Instinktiv. Ihre Fußsohlen prallen auf Fleisch und Knochen, dann erklang ein schmerzhaftes Grunzen und sie war frei. Mit einer fließenden Bewegung ließ sich Saturn zur Seite fallen, griff nach ihrer Sense, die sie fallen gelassen hatte und kam mit einer raschen Rolle wieder auf die Beine. Sie wirbelte herum, riss die Sense in die Höhe - und hielt nur Zentimeter vor Plutos Hals inne. byby Blacklady Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)