Till death do us part von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- „0 und -3 sind Nullstellen, E(3/-6) ist relativer Tiefpunkt. Das heißt f(0)=0 und f(-3)=0.Dann ist f(3)=-6 und f '(3)=0.“ Kratzen eines Bleistiftes über Papier. Konzentriertes Murmeln mathematischer Formeln. Blasses Licht einer alten Lampe. Leises Prasseln des Regens an der Fensterscheibe. GRAU. Seufzend ließ ich mich fallen, beide Arme ausgestreckt und starrte an die Decke. Seit fünf Tagen regnete es schon in Strömen,aus Besorgnis errichtete man schon kleine Dämme an sämtlichen Flüssen in der Umgebung. Fünf Tage... Morgen würde Kai wieder von seiner Fahrt aus England da sein. Und in drei Wochen würde er nach Russland fliegen. Genauso, wie er neulich in Alaska war. Ich starrte weiterhin an die Decke, direkt in den dreckig gelben Schein der Lampe. Die Lampe hatte er mir aus Italien mitgebracht, allerdings hatte eine explodierte Glühbirne sie ruiniert. Aber das war nicht weiter schlimm, ich würde sie trotzdem behalten. Draußen regnete es immer noch, wie es halt im Oktober so war. Wenn er morgen vorbeikäme,würde es kurz so sein,als wäre er nie fort gewesen. Er würde mich in den Arm nehmen, mich grüßen und küssen, als käme er bloß von der Arbeit nach Hause. Doch im Grunde war es ja auch so, als Geschichtsforscher für Architektur kam er viel herum,obwohl er erst 24 war. Meistens brachte er mir was typisches aus dem Land mit, etwas ausgefallenes, etwas, mit dem ich nie rechnen würde. Als er letztens aus Alaska kam,hatte er einen tragbaren Kühlschrank unter seinem Arm und darin ein kleiner Schneemann. Ich würde ihm glatt zutrauen, das er eine Teetasse der Queen klauen würde, um sie mir als exklusives, besonderes Geschenk zu überreichen. Ein wissendes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, ehe ich mich umdrehte und aus dem Fenster sah. Die Wolken waren noch immer genauso trüb und grau wie gestern und vorgestern. Vielleicht sogar noch grauer. Ab und zu sah man ein kurzes Blitzen in der Wolkendecke und hörte wenig später ein leises Grollen. Langsam richtete ich mich wieder auf und starrte auf mein Blatt. „f(x)=ax³+bx²+cx+d“ stand rot umkreist ganz oben auf dem Blatt. Ich musterte es eine Weile,ehe ich es einheftete und mich ins Sofa legte. Ich sollte zwar in meinen Semesterferien den Unterrichtsstoff durcharbeiten, aber dazu fehlte mir im Moment die Konzentration. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie der Tag morgen ablaufen würde: Pünktlich um 10 Uhr würde er von zuhause aufbrechen. Jetzt müsste er seit etwa einer Stunde zuhause angekommen sein. Er würde kommen, in seiner braunen Lederjacke mit dem schwarz-grün melierten Schal um den Hals und seinem Geschenk unterm Arm. Er würde gemächlich durch die Stadt wandern bis hier. Er würde eine Weile vor der Türe stehen, sie mustern, als könne er durch sie hindurch mich beobachten. Und dann würde er anklopfen. KLOPF,KLOPF,KLOPF Verschreckt sprang ich auf, zu Tode erschrocken durch das Klopfen an der Türe. Eine Türklingel hatte ich nicht, ich war es gewohnt, aber ich hatte in keinster Weise mit Besuch gerechnet. „Moment,ich komme!“ rief ich hastig und öffnete die vielen Schlösser, die mir zumindest etwas Sicherheit garantieren sollten. Ich öffnete die Tür ein Stück und spähte durch den Spalt. Wenig später riss ich die Türe verschreckt auf und starrte den Besucher fassungslos an. TROPF Kai, von oben bis unten völlig durchnässt, stand vor mir. Er trug seine Jecke, seinen Schal, allerdings kein Geschenk, was mich jedoch nicht im geringsten interessierte. Er war furchtbar blass, sein Gesicht hatte eine weiß-blaue Färbung, in der man nur ansatzweise das eigentliche Rosa seiner Haut erkennen konnte. Stumm erwiederte er meinen Blick, während von seinen Ärmeln das Wasser herunterlief. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, er käme vom Eisfischen in der Arktis und wäre dabei ins Wasser gefallen. Ich weiß nicht,wie lange wir uns so anstarrten, doch irgendwann öffnete er den Mund. „Ich bin so froh,das es dich gibt...“ sagte er und seine schwache Stimme jagte mir eine Gänsehaut durch den Körper. „Ohne dich wüsste ich nicht, wo ich hinsollte.“ Langsam ging er auf mich zu, dabei Pfützen von Wasser hinterlassend. Wie in Zeitlupe streckte er den Arm aus, meinem Gesicht entgegen und strich mir sanft über die Wange. Dennoch zuckte ich zusammen. Seine Hand war eiskalt. Langsam ging er weiter, bis er schließlich vor mir stand und mich ganz in den Arm nahm. „Ich schwöre dir, dich niemals zu verlassen. Ich werde nicht wieder weggehen, nie wieder.“ Ich war wie gelähmt, konnte nicht glauben, was geschah. Langsam und zärtlich umarmte er mich und gab mir den traditionellen, aber kalten Kuss. Dann lächelte er leicht, was allerdings auch schnell wieder verschwand. Ich starrte ihn dabei ungläubig an, ehe ich begriff und Tränen über meine Wangen liefen. Besorgt rieb er sie mit seinen Eishänden weg, doch ich sah weg und tat es selber, dann sah ich ihn mitleidig und hilflos an. „Was ist passiert?Warum bist du schon so früh hier, was...?“ Weiter kam ich nicht, denn er drückte mir einen Finger auf den Mund und lächelte wieder. „Hier ist mein einzig wahres Heim, hier bei dir. Nirgends bin ich vor Leid und Tod sicher außer bei dir.“ sagte er leise und fast schon melodisch und ich begann zu spüren, das ich schwach wurde in seiner Anwesenheit. Doch meine Angst um ihn war stärker. Ich zog ihm Jacke und Schal aus, wollte die kalten, nassen Sachen entfernen und er ließ mich, sprach aber weiter. „Es gab ein Problem mit dem Flugzeug. Doch jetzt bin ich hier. Meine Sachen müssten bald auch zuhause sein.“ Ich hörte ihm nur halbwegs zu, war viel zu erschüttert von der bleichen, kalten Haut, bis er mich wieder sanft in den Arm nahm und alle meine Kräfte wieder schwanden. „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, ohne dich würde ich sterben, ebenso wie für dich. Mein Leben gehört dir, wie ich es dir vor vier Jahren geschworen habe.“ sagte er leise, aber voller Liebe, die mich schon fast um den Verstand brachte. Und wäre mir nicht so furchtbar kalt gewesen, wäre ich jetzt vielleicht auch nicht mehr vernünftig. „Du brauchst einen Arzt, du siehst krank aus! Vielleicht hast du eine Lungenentzündung oder sowas!“ Er sah mich jedoch nur lächelnd an und sagte leise, das er niemand anderen brauchte als mich. Wieder schlug mein Herz schneller und als er begann, zärtlich in meinen Hals zu beißen, ließen meine Beine nach. Er fing mich jedoch auf und trug mich direkt zum Bett, wo er sich über mich lehnte und mit einem seltsamen Blick ansah. Schon allein die Situation erregte mich ungemein, so das ich mich unruhig wälzte, auf eine Reaktion seinerseits hoffend, die ich auch bekam. Langsam wanderte seine Hand unter mein Hemd und hinterließ ein eisiges Gefühl, was mich nun allerdings nur noch mehr anmachte. Ein leises Seufzen entwich mir,ehe ich ihn an mich zog und in einen tiefen Kuss zwang. Plötzlich stöhnte ich kurz auf, als er mir mit einer Hand in den Schritt griff. RING,RING,RING Ich hätte am liebsten das Kabel rausgerissen, als das Telefon zu schellen begann. Ich sah ihn entschuldigend an und stand auf, ging zum Ladegerät. „Du verlässt mich doch nicht, egal, was passiert, nicht wahr?“ fragte er mit einer tonlosen Stimme, die mir schon fast Angst machte. Er sah mich ernst an und ich lächelte bloß und versprach, bei ihm zu bleiben, bevor ich den Telefonhörer aufnahm. „Keichi...“ kam es schwach und verzweifelt von der anderen Seite und ich erkannte sofort, das es Kais Mutter war. Vermutlich hat Kai nicht Bescheid gesagt und sie macht sich wieder Sorgen, dachte ich kurz, ehe ich sie freundlich grüßte und sie damit in einen Heulanfall riss. Verwirrt sah ich kurz den Telefonhörer an und wenig später konnte sie sich auch wieder fangen. „Es tut mir so furchtbar leid... Es muss furchtbar für dich sein...“ nuschelte sie, vermutlich mit tränenverschmiertem Gesicht. „Es tut mir so leid, Kai er...“ „Ich weiß es schon, das Flugzeug hatte Probleme.“ sagte ich ruhig und wieder brach sie in hemmungsloses Schluchzen aus. Langsam kam mir das seltsam vor, so aufgeregt war sie bisher noch nie gewesen. Ich warf einen kurzen Blick zu Kai, doch der saß friedlich auf dem Bett und musterte mich, anscheinend neugierig und auch erwartend. „Du weißt es schon? Hast... Hast du ihn denn auch schon gesehen?“ fragte sie und sie klang auch endlich ein wenig beruhigter. „Ja, habe ich.“ sagte ich und sie seufzte kurz ein wenig erleichtert. „Ein Glück...Immerhin etwas... So konntest du dich wenigstens verabschieden... Ich hatte schon befürchtet...Nachdem seine Leiche verschwand...“ Ich erstarrte. Hatte sie da wircklich Leiche gesagt? „Wieso ausgerechnet er? Wieso musste ausgerechnet sein Flugzug im Meer abstürzen? Warum ausgerechnet er ertrinken, ehe die Rettungskräfte eintrafen?“ Stumm und starr stand ich mit dem Hörer in der Hand neben dem Bett, nicht wirklich glauben wollend, was ich gerade erfuhr. Langsam drehte ich mich um, sah Kai an oder wer bzw was das auch immer war, das mich vom Bett aus anstarrte. Ein Blitz und ein Donnerschlag standen zwische uns und unserem Schweigen, ein leichter Luftzug fuhr durch das gekippte Fenster...und ich konnte nicht glauben, was ich sah. Ich hätte am liebsten aufgeschrien, doch stattdessen sah ich ihn gebannt an. In der einen Sekunde, in dem der Blitz das Zimmer erhellt hatte, war er anders gewesen. GANZ anders. Seine Haut war faltig und ausgetrocknet, glänzte aber zugleich feucht. Seine Augen waren tief eingesunken und seine Zähne drückten sich durch die Lippen. Seine Haare hingen ihm nass und schlammverschmiert ins Gesicht. Sein gesamter Körper war dürr, man konnte die Umrisse der Knochen leicht erkennen, dabei war sein Brust- und Bauchbereich regelrecht aufgedunsen. Angstvoll sah ihn an, bemerkte nicht mal, wie mir der Telefonhörer entglitt und am Boden aufprallte. „Du verlässt mich doch nicht, stimmts? Egal, was passiert, wir bleiben zusammen, richtig?“ sagte er mit dem Gesicht des Kais, den ich kannte, nur mit schrecklich blasser Haut. „Wir bleiben zusammen auf ewig, nicht wahr?“ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- „Machen sie sich keine Sorge, er hat bloß einen Schock, er wird sich bestimmt bald wieder erholen.“ Stumm starrte ich an die Decke, bis zum Hals in eine Decke gewickelt und hörte stumm dem Arzt und Kais Mutter im Nebenraum zu. Sie war sofort gekommen, als sie erst hörte, wie mir der Hörer runterfiel und ich wenig später ohnmächtig zusammenbrach. Dann hatte sie den Arzt gerufen, der einen Schock feststellte und mir Ruhe verordnet hatte. Aber die würde ich nicht bekommen. Mit angstvollem Blick sah ich zum Wandschrank. Dort drin, zwischen meinen Jacken und Hosen, dort irgendwo war er, darauf wartend, das ich alleine war. „Geht es dir schon etwas besser?“ Verwirrt sah ich den Arzt an, der mich aus meinen Gedanken riss, nickte dann aber zögernd. Ich konnte ihm schließlich kaum sagen, das ich Kais Leiche im Schrank hatte und dazu noch mehr oder weniger lebend. Ich starrte wieder an die Decke, konnte aus dem Augenwinkel Kais Mutter erkennen, die besorgt zu mir sah. Sie gab sich die Schuld an meinem Schock, sie wäre nicht gut genug auf mich eingegangen, um mir die Nachricht schonend beizubringen. Sie konnte ja nicht ahnen, das ihr Sohn selbst daran Schuld war. Wer konnte das? Schließlich gingen sie wieder nach nebenan, vielleicht sogar ganz, sie schlossen meine Türe und ich hörte sie nicht mehr. Nur noch, wie langsam die Schranktür aufging. Ich starrte weiterhin an die Decke. Ich hatte schon rausgefunden, das sein Körper immer dann wircklich eine Leiche war, wenn er in irgendeiner Weise von Licht stand. Und jetzt, um 15 Uhr, sah man vermutlich jede Falte des eingesunkenen Gesichts und seine nassen Haare glänzend bläulich. Ich starrte weiter vor mich hin, hörte sein Schlurfen und das Tropfen seiner Kleidung, das vermutlich wieder kleine Pfützen hinterlassen würde. „Keichi... bist du krank? Keichi...“ Er klang ernsthaft besorgt, aber ich konnte ihn dennoch nicht ansehen. Er musste mitterweile vor meinem Bett stehen und mich ansehen, doch ich rührte mich nicht. „Keichi... Willst du nicht... das ich da bin?“ Ich dachte über seine Frage nach. Wir hatten uns geschworen, auf ewig zusammenzusein, aber ich hätte nie gedacht, das es anscheinend auch funktionieren könnte. Auf ewig... mit der Leiche meines geliebten Keis... mit seiner Leiche... Eine Schauer lief mir über den Rücken, doch ich schwieg weiter. Doch dann schrie ich auf, mehr vor Schreck als vor Ekel, als sich Kei auf mich warf und mich fest umklammerte und ich wusste nicht, ob es Tränen oder Wasser war, was seine Wangen runterlief. Sofort standen der Arzt und Keis Mutter in der Tür und sahen mich verschreckt an. Ich saß aufrecht im Bett, die nasse Decke an mich klammernd und sah panisch zum Schrank, in den Kei sofort geflohen war. Einige Minuten versuchte der Arzt rauszukriegen, wie ich die Decke nassgemacht hätte und ich sagte immer wieder leicht geschockt, das Kei nass wäre, schließlich war er ertrunken. Keis Mutter begann aufzuheulen und der Arzt sah mich ratlos an. Er ließ alle Blumenvasen entfernen, stellte das Aquarium auf den kleinen Balkon und schloss die Tür zum Badezimmer ab. Er meinte, ich würde versuchen, durch Wiederholung von Keis Tod diesen zu verarbeiten. Doch das entfernen dieser Dinge nütze natürlich nichts. Jede Nacht kam Kei, in der Gestalt, wie ich in gekannt und geliebt hatte, zu mir, wisperte mir Liebesschwüre ins Ohr, die mich immer wieder schmelzen ließen und jeden Morgen daruf lag ich in einem völlig durchnässten Bett in völlig durchnässter Kleidung, vollgesaugt mit Meerwasser. Der Arzt ließ mein Zimmer nach weiteren Wasserquellen durchsuchen, sogar im Schrank, allerdings fanden sie weder Wasser, noch Kei, der anscheinend ein gutes Versteck hatte. Nach und nach verlor ich meine Angst vor dem toten Körper meines Geliebten, dafür zog er mich mit seiner Anwesenheit und Zärtlichkeit zu sehr in seinen Bann. Ohne mich zu wehren, ließ ich mich umarmen, erwiederte seine immer noch kalten Küsse und ertrug das kalte Nass seiner Kleider. Ich merkte schnell, wie die Sorge des Arztes und nun nicht nur Keis, sondern auch meiner Mutter stieg. Ich war mittlerweile erkältet und litt an Unterkühlung, hatte hohes Fieber und ab und zu Krämpfe. Doch natürlich blieb das Wasser nicht weg. Selbst, als meine Mutter am Bett sitzen blieb, kam Kei, sobald sie doch einschlief und wenn sie drohte, aufzuwachen, ging er wieder zurück in den Schrank. Mir war alles egal geworden, ich wollte bloß Kei an meiner Seite haben, ihn hören und spüren. Doch dieser kam immer seltener und immer kürzer und wenn, dann sagte er imer als erstes „Du bist kalt.“ Ich dachte nicht darüber nach, ich konnte durch das Fieber sowieso kaum denken. Ich drückte mich nur immer an ihn und lauschte seiner Stimme, seiner leisen, aber melodischen Stimme. Doch dann, mittlerweile war er bereits eine Woche tot und das Wasser seiner Kleider roch bereits sehr modrig, kam er gar nicht. Ich wartete lange, schwer atmend und mit fieberndem Blick zur Schranktüre, doch sie ging nicht auf. „Kei...“ rief ich heiser, doch er kam nicht. Ich rief immer wieder, immer verzweifelter, immer heiserer. Es musste mittlerweile etwa eine Stunde des Rufens sein, da öffnete sie sich schließlich. Langsam und mit gesenktem Kopf kam er heraus, mein kei, wie er schon immer war. Sein leicht muskolöser Körper sah träge und müde aus und er sah nur ansatzweise zu mir. „Keichi...“ sagte er leise, doch es klang unendlich traurig. Beunruhigt setzte ich mich auf, erntete dafür einen kurzen Schwindelanfall, doch schließlich sah ich ihn panisch an. „Keichi, ich... Ich mache dich krank, ich...“ Starr sah ich ihn an, er blickte mir immer noch nicht in die Augen,sondern stand beim Fenster, seine umrisse zeichneten sich deutlich im durchscheinenden Licht der Straßenlaternen ab. „Ich will dir nichts antun... Ich will, das du glücklich bist... Ich will, das es dir gut geht... Aber ich mache dich krank...“ Ich merkte, worauf er hinaus wollte und Panik schoss in mir hoch. „Nein...Kei!“ schrie ich heiser, versuchte aufzustehen, doch brach zusammen. Mein Körper war zu schwach, als das er mich halten konnte. Mit Tränen in den Augen sah ich ihn an, der sich immer noch abgewendet hielt. „Ich brauche dich, Kei!“ schrie ich erneut, allerdings war der größte Teil nur ein heiserer Hauch. Kei schüttelte bloß den Kopf, hob eine Hand. „Nein... Etwas, wie mich brauchst du nicht.“ sagte er tonlos und zog die Gardine weg. Augenblicklich schien er gealtert zu sein. Seine Haut war noch eingefallener, grauer, und sein Bauch hatte sich aufgebläht. Starr sah ich ihn an, hin und her gerissen zwischen Ignoranz und Entsetzten. „Du brauchst... jemanden, der Wärme und Kraft hat... Jemanden der lebt... Und das bin ich nicht mehr.“ Panisch kroch ich auf ihn zu. Auch, wenn er fast schon abscheulich aussah und furchtbar modrig stank, so war er doch der Mensch, den ich am meisten liebte. „Ich werde im Jenseits nach jemandem suchen, der dich glücklich machen kann... Auf bald...Keichi.“ WOMM Innerhalb eines Augenblickes brach er zusammen,klappte zusammen wie eine Faltpuppe und blieb reglos auf dem Boden liegen. Eine Weile saß ich nur da, starrte den nun endgültig toten Körper Keis an und konnte es nicht fassen. Schließlich kroch ich langsam auf Kei zu, rief immer wieder leise seinen Namen, in der Hoffnung, er würde wieder aufstehen, würde mir antworten, doch er tat es nicht. Selbst, als ich direkt vor ihm saß, als ich über die lederne Haut strich, rührte er sich nicht und ich begriff. Er war tot. Endgültig. Ich nahm ihn in meinen Arm, so wie jede Nacht zuvor und rief ihn immer noch. So fanden mich am nächsten Morgen auch der Arzt und unsere Mütter. Bis heute, nach 17 Jahren, weiß niemand, wie ich an die Leiche kam. Keis Mutter ging in psychatrische Behandlung, meine Mutter wies mich ein. Ich verdrängte einfach alles, beendete die Schule und wurde Buchhalter in einer Kanzlei. Ich lebte eigendlich nur in den Tag, war selbst das, was man wohl einen Zombie nennen könnte. Bis heute morgen auf dem Weg zur Arbeit, als mich ein Jugendlicher antippte und mir mit sanfter Stimme ein „Keichi“ ins Ohr wisperte. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Stumm starrte ich meinen Gegenüber an. Trotz den 17 Jahren des Verdrängens fiel mir sofort die Ähnlichkeit zwischen Kei und diesem Jugendlichen auf. Er hatte den selben Haarschnitt, die gleiche Statur, sogar die Stimme war identisch. Es war einfach nur unheimlich. Diesen schien das allerdings nicht zu stören. Er nuckelte gelassen lächelnd an seinem Eiskaffee und beobachtete mich. „Ich heiße Samuel Peterson, aber du darfst mich Kei nennen.“ hatte er gesagt... „Ich wurde leider in ein Kind aus Amerika geboren, aber ich wusste noch genau, wo du wohnst.“ hatte er gesagt. Ich hatte ihn bloß sprachlos angesehen, seiner Geschichte der Wiedergeburt gelauscht und kam mir wieder so überrumpelt vor wie da, wo ich erfuhr, das mein toter Geliebter bei mir auf dem Bett saß. Ein gestorbener Embryo in einer schwangeren Frau, die vor meinem Haus gewesen war. Durch Erzwingung des Herzens, wieder zu Schlagen zu neuem Leben erweckt und dann den Platz der Seele eingenommen. Noch im Bauch der Frau nach Amerika geflogen und dort aufgewachsen. Und doch die ganze Zeit wissend vom vorherigen Leben und unserem Versprechen. Hätte er mir nicht alles über Kei erzählt, hätte ich wohl gelacht. Aber ich hatte nicht gelacht. Dafür kicherte jetzt er. „Du siehst sehr verwirrt aus... Habe ich dich so überrascht?“ Ich sah ihn nur stumm an und das reichte schon als Antwort. „Ich bin wirklich froh, das ich wieder bei dir bin. Meine ganze Kindheit über konnte ich an nichts anderes denken als an dich. Und nun sind wir endlich wieder vereint.“ Er nahm meine Hand in die seine und sah mich warm, ja fast verliebt an. „Samuel...“ fing ich an, doch er verwies mich sofort auf ein „Kei“. Ich zögerte kurz, tat ihm aber den Gefallen. „Kei... Es...freut mich, das du meinetwegen wiedergeboren und hierher gekommen bist, aber... Sieh mich an.“ Er musterte mich und das Lächeln verschwand. Er sah mich bedächtig an,die bereits angegrauten Haare, die alternde Haut, den geschmacklosen Anzug meiner Arbeit und meine zitternden Hände, welche ich habe, seit ich... seine Leiche festgehalten hatte. Er beobachtete meinen unruhigen Blick und konnte vermutlich auch mein schnelles Atmen registrieren. „Was meinst du?“ fragte er ruhig, allerdings konnte ich die Provokation raushören, ich schien ihn verärgert zu haben, vielleicht, weil ich ihn für das, was er getan hatte, unterschwellig kritisierte. „Ich bin nun 34 Jahre alt, Kei... Das doppelte von dir. Ich könnte dein Vater sein.“ Er lehnte sich zurück und musterte mich weiterhin ruhig mit einem „Und?“. Ich holte tief Luft. Wenn er wirklich Kei war, dann wusste ich, das es verdammt schwer werden würde, ihn von etwas anderem zu überzeugen, als das, was er glaubte. „Ich habe einen Job, ich habe eine eigene Wohnung, ich...“ „Bist du verheiratet?“ Verdutzt sah ich ihn an. Er hatte es völlig gelassen gefragt, doch ich wusste, worauf er hinaus wollte. “Nein...“ sagte ich unsicher. „Hast du Kinder?“ fragte er weiter und wieder verneinte ich. „Wo ist dann das Problem? Ich war auch älter als du.“ Langsam stieg wieder Angst hoch. Er wollte mich wieder für sich einnehmen, genau wie früher. Genauso wie da, als er lebte. Genauso wie da, als er tot war. „Aber nicht 17 Jahre!“ Sein Blick wurde ernster und ich sank automatisch zusammen. Selbst jetzt, wo ich viel älter war als er, strahlte er eine unglaubliche Autorität aus. „Du hattest mich lebend geliebt. Du hast mich sogar tot geliebt, obwohl ich dir schadete. Und immer hast du dich vorher mit Händen und Füßen gewehrt. Begreifst du irgendwann, das du mir nicht entkommen kannst?“ Touché. Erstarrt saß ich in meinem Stuhl, während er aufstand und langsam zu mir kam. Er hob mein Gesicht an, so das ich ihn ansehen musste. „Ich werde dich niemals verlassen... Und ich werde auch nicht zulassen, das du es tust.“ flüsterte er leise und geradezu zärtlich, obwohl er mich klar bedrohte. Dann küsste er mich und mein gesamter Körper sank zusammen, reagierte wie immer auf ihn. Die Leute, die uns anstarrten, waren mir egal. Unser Altersunterschied war mir egal. Selbst das er wieder aus dem Tod zu mir kam, war mir egal. Ich wollte jetzt einfach nur seinen Kuss spüren. Doch dann lösten sich unsere Lippen und sofort wehrte sich wieder alles in mir. Ich sah weg, peinlich errötet und konnte ihn überlegen schmunzeln hören. Er schlang seine Arme um mich und flüsterte mir leise ins Ohr. „Du kannst mir nicht entkommen... Du gehörst mir.“ Er behielt Recht. Er sorgte noch am gleichen Tag dafür, das er bei mir einzog, einen eigenen Schlüssel bekam. Er genoß meine Angst vor ihm und seiner Macht über mich und spielte mit mir, bis ich mich ihm wieder hingab und ihn tun ließ, was er tun wollte. Ich war hin und her gerissen und hatte letztendlich doch eh nie die Wahl, mich zu entscheiden. Doch dann geschah, womit ich nicht gerechnet hätte... Es war an einem Sonntag, etwa zwei Wochen, nachdem er wieder aufgetaucht war und er hatte mich wieder völlig unter Kontrolle, konnte mit mir tun und lassen, was er wollte. Doch mitten im Ausziehen erstarrte er plötzlich und musterte mich. Ich hatte nur einen vor Lust vernebelten Blick für ihn übrig, völlig von ihm berauscht. Doch ihm schien etwas nicht zu gefallen. Er setzte sich auf und starrte mich weiter eindringlich an, strich mir über das Gesicht. „Ich bin 17... und du 34, nicht wahr?“ fragte er völlig ruhig, beinah schon nachdenklich. Innerhalb von Sekunden fand ich wieder zu mir selbst, wendete mich beschämt ab. Er seufzte kurz kaum hörbar und ging zur Balkontüre. „Du willst es wirklich nicht... Selbst als Leiche hast du mich akzeptiert, aber wegen einem größeren Altersunterschied verweigerst du dich.“ „Ich war erkältet...“ erwiederte ich, wenig später krachte eine Vase von mir zu Boden. „Ach... Ist das so?“ fragte er und ich merkte, das er wütend war. „Heißt das, solange ich dich krank mache oder genauso alt bin wie du, darf ich bleiben?!“ Er wirbelte herum und jagte mir eine Schauer über den Rücken. Er weinte. Ich hatte ihn noch nie weinen gesehen, außer vielleicht damals, als er sich an mich geworfen hatte, weil ich ihn ignoriert hatte. Doch nun weinte er wirklich. Seine Stimme zitterte und er schien sich stark zurückzuhalten, nicht endgültig in Tränen auszubrechen. „Ist es das, was du willst?“ Plötzlich hatte ich wieder dasselbe Gefühl wie damals, als er feststellte, das ich jemanden bräuchte, der lebt. Er will mich wieder verlassen, schoss es mir durch den Kopf. Ich saß still im Bett, sah zu ihm und dieser erwiederte meinen Blick. „Aber ich will dich nicht krank machen... Niemals wieder...“ sagte er und klang dabei, als wenn er eine folgenschwere Entscheidung treffen würde. Er wird sich umbringen!, dachte ich bloß und wollte mich aufrichten, zu ihm gehen. Doch ehe ich überhaupt das Bett verlassen konnte, nagelte er mich auf dem Bett fest, sah mich verzweifelt und doch fest entschlossen an. „Also bleibt nur die Option offen, das wir beide gleich alt sein müssen...“ flüsterte er. Anfangs verstand ich nicht, was er meinte, doch dann begriff ich. Er wollte nicht sterben... Nicht alleine. Geschockt sah ich ihn an, doch dann entspannte ich mich. Er schien es zu bemerken und musterte mich verwirrt. „Was ist, wieso versuchst du nicht, mich aufzuhalten? Oder zu fliehen?!“ Ich überlegte über eine Antwort, doch mir fiel nichts ein. Aus einem Grund, den ich selbst nicht verstand, sagte mir der Gedanke, gleichzeitig zu sterben und gleichzeitig wiedergeboren zu werden, sehr zu. Nervös beobachtete er mich, ich sah ihn nur stumm an. „Würdest du mich lassen?“ fragte er unsicher. Ich überlegte wieder, ich wusste, sollte ich ja sagen, würde er es tun und dann gäbe es kein zurück. Doch ich vertraute ihm, er hatte bereits zweimal den Weg aus dem Reich der Toten geschafft, er könnte es auch ein drittes Mal tun. Ich lächelte leicht und nickte. Er lächelte auch und sah dabei dennoch unendlich traurig aus. „Warte auf mich, wenn du dort bist, ich werde dich führen.“ flüsterte er, ehe sich seine Hände um meinen Hals schlossen. Er sah mich ein letztes Mal nervös an, doch ich schloss nur die Augen und irgendwann spürte ich den starken Druck, der mir die Luft nahm. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, doch irgendwann sah ich ein Glitzern. Ich kam mir vor, wie in einem Planetarium, nur das ich keine Sterne, sondern bläuliche und violettes Glitzern sah. Weit, weit weg sah ich eine Art Sonne, vermutlich das ominöse Licht, das man sehen kann, wenn man stirbt. Allerdings hatte es nichts anziehendes, wie es immer in Erzählungen hieß. Plötzlich sah ich neben mir ein Aufblitzen und eine kleine bunt-leuchtende Lichtkugel erschien neben mir. Sie verharrte kurz und flog dann los. Instinktiv folgte ich ihr, vorbei an weißen und schwarzen Kugeln, wobei die bunte vor mir bei jeder schwarzen kurz anhielt. Und irgendwann schien sie gefunden zu haben, was sie suchte. Eine große weiße und zwei schwarze Kugeln waren da, aus den schwarzen waren, kurz bevor wir angekommen waren, zwei kleine weiße Kügelchen Richtung Licht geflogen. Die bunte Kugel wartete kurz ab und verschwand dann in einer der beiden schwarzen Kugeln, die kurz darauf wieder weiß wurde. Ich tat es ihr nach, anfangs war es dunkel, doch dann nahm alles eine rötliche Farbe an und es wurde warm. Sehr, sehr warm... Und ich war nicht alleine. Epilog: Kapitel 4 ----------------- „Was?“ Ungläubig sah sie den Arzt an, als sie es erfuhr. Sie hob die Hand zu einer sprachlosen Geste, während er sie überglücklich in den Arm nahm und lachte. „Sie werden zweifache Eltern“ wiederholte der Arzt und nahm den Aktenordner von seinem Tisch. Er öffnete ihn und nahm ein Röntgenbild heraus, wo man ihre Gebärmutter sehen konnte. Sie hatte immer noch eine Hand zitternd vor ihrer Brust, während sie mit der anderen das Foto annahm. Es war ein graues Bild, aber man sah deutlich zwei kleine Wesen darauf. Sie waren zusammengekrümmt und noch recht unförmig, doch beide waren drauf, schienen sich an ihren winzigen Händchen festzuhalten. „Aber sie sagten, es wäre bloß eines...“ sagte sie leise, immer noch überwältigt von der Nachricht. „Nun ja.. Um ehrlich zu sein, es waren von Beginn zwei, aber eines schien kurz vorm absterben zu sein... ich wollte vorsichtig sein, denn das Andere war zwar auch sehr schwach, aber hatte bessere Voraussetzungen, wenn ich dafür das Tote entfernt hätte. Aber es geht beiden absolut gut und, wie es aussieht, verstehen sie sich jetzt schon.“ Er lachte und sie brach in Tränen aus, zur Hälfte vor verspäteter Angst, zur Anderen vor Erleichterung. Auch er sah kurz geschockt aus, sah dafür aber noch liebevoller auf das Röntgenbild.„Was werden sie, wissen sie das schon?“ fragte er, ohne den Blick von den kleinen Wesen zu nehmen. „Jungen. Zwei kleine, prächtige Jungen.“ Ich weiß es noch, als wäre es heute, als unsere Mutter uns davon erzählt hatte. Wir waren... drei? Sie hatte jedenfalls sehr verniedlichend zu uns geredet und wir kamen uns ziemlich dumm vor. Aber man kann es ihr auch nicht verübeln. Woher sollte sie es auch wissen? Unsere Eltern sahen uns ja schon seltsam an, als unsere ersten Worte nicht Mama, Papa oder etwas ähnliches waren und das wir in unglaublicher Geschwindigkeit das Sprechen lernten. Und auch, das wir unsere Namen absolut nicht akzeptieren, das sie uns nachträglich umtaufen ließen, hat sie sehr verunsichert. Doch nun ist alles in Ordnung, sie haben sich an uns gewöhnt und wir an sie. Was sonst noch passiert ist...? Wir haben uns mal heimlich an den Computer unseres Vaters gesetzt und versucht, herauszufinden, was mit uns geschehen war. Ich wurde erwürgt im Bett mit geöffneter Kleidung gefunden, Kei hatte sich von meinem Balkon gestürzt. Die Polizei dachte, ein Jugendlicher hätte sich unter einem Vorwand Zugang zu meiner Wohnung verschafft, mich versucht, zum Sex zu bewegen und mich, als ich mich wehrte, getötet. Entsetzt über seine Tat hätte er sich danach von meinem Balkon gestürzt. Wir konnten uns ein Grinsen nicht verkneifen, es kam uns einfach zu witzig vor, was die Polizei in einer Tat von Liebe alles hineininterpretieren konnte. Naja, dann war da noch Kei. Er hat starke Probleme, sich wenigstens ein wenig wie ein Kind zu verhalten und unauffällig zu sein. Aber ich kann ihn verstehen. Spätestens mit 12, wenn wir offiziell unsere Pubertät haben, können wir endlich wieder wir sein. Ich freu mich jetzt schon drauf... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)