The Saga of Myst von Midknight ================================================================================ Prolog: Die Spalte ------------------ In dem Moment, als ich in die Spalte stürzte, erkannte ich, dass das Buch nicht wie geplant zerstört werden würde. Es viel immer weiter in die Sternenklare Weite, von der ich nur einen flüchtigen Blick erhaschen konnte. Ich versuchte mir vorzustellen, wo mein Buch wohl landen würde, aber solche Mutmaßungen sind natürlich vergeblich. Dennoch ist der Gedanke, dass andere Hände eines Tages mein Myst-Buch halten könnten, äußerst beunruhigend. Meine Befürchtungen lassen sich vielleicht nie ganz verstreuen, und ich schließe mit der Erkenntnis, dass das Ende noch nicht geschrieben wurde.... Kapitel 1: Das Buch ------------------- Es war ein grauer Novembertag und Regen prasselte gegen die Scheiben des Busses. Wolfgang, der Busfahrer, ein älterer Herr mit schütterem Haar und Knopfaugen, steuerte sein Gefährt soeben zur Niersteiner Haltestelle, die sich direckt vor der örtlichen Realschule befand. Wolfgang war nun schon den ganzen Morgen entlang im Dienst gewesen und konnte es nun kaum noch erwarten, endlich Mittag zu haben. Der Wagen hielt und die Türen öffneten. Etwas abwesend beobachtete der alte Busfahrer, wie einige Fahrgäste schnatternd ausstiegen und eine kleine Traube an neuen Gästen an seinem Sitz vorbei in den Bus schlenderten. Darunter war zu seiner Überraschung auch ein junges Mädchen. Sie war ihm schon oft bei früheren Fahrten aufgefallen mit diesen traurigen, blauen Augen, die unter dem Pony ihres goldenen Haares hervorlugten, mit diesem fragenden Blick, der nicht von dieser Welt zu stammen schien. Wolfgangs Überraschung über ihre Anwesenheit war damit zu begründen, dass diese noch gar nicht dran war. Es dürfte nun gerade die 2. oder 3. Stunde in der Schule rum sein. Ein Zeitpunkt, zu dem dieses Mädchen eigentlich über ihren Schulbüchern brüten müsste. Auch das bisschen Rötung um ihre Augen und das leichte Zittern in ihrer nun erklingenden, tiefen Stimme bewieß ihm, dass etwas nicht stimmte. "Einmal-nach Oppenheim...bitte...", stammelte sie halblaut und legte einige Münzen auf das kleine Tischchen an Wolfgangs rechter Seite. "Spar dir das....", brummte er als Antwort und drückte ihr das Geld wieder in die Hand zurück, "Na los! Rein mit dir!" "Ich-danke..." Das Mädchen ging nun wie auch die anderern Gäste in den Passagierteil des Busses. Wolfgang beobachtete, wie sie sich auf den vordersten Platz des Busses setzte und einen scheuen Blick durch das Fenster zu ihrer Rechten warf. Die Türen schlossen sich und Wolfgang setzte die Fahrt fort. "Is etwas passiert?", erkundigte er sich nun und beobachtete das Mädchen durch den Rückspiegel, "Scheinst ja total durchn Wind" "Ich...." Sie zögerte kurz. Dann seuftzte sie schwer. "Ich habs einfach nich mehr ausgehalten. Dieses Getrietze, dieses Geläster...und so etwas habe ich einmal Freunde genannt...." Sie biss sich auf die Unterlippe. Offensichtlich eine Eigenart, denn die Lippe war bereits reichlich zerbissen. "Trietzen? Lästern? Du gehörst wohl zu dieser Sorte Menschen, die als Aussenseiter makiert werden, was?" "Ja...dabei läuft es im Moment so gut. Sie sondern sich zwar nach wie vor so gut sie können ab, aber sie haben aufgehört, mich zu mobben.....zumindest die in meiner Klasse...." Wolfgang runzelte die Stirn. "Und warum bläst du dann Trübsal?" "Ich habe Niemanden. Die, die sich einst meine Freunde schimpften, entpuppen sich nun als treulos." "Warum? Was tun sie denn?", fragte Wolfgang weiter. "Sie erzählen solche Dinge über mich, verbreiten überall Lügen über mich. Zerreißen sich das Maul vor Geläster. Ich habe kaum noch die Möglichkeit, Gleichaltrige zu finden, der mit mir eine Freundschaft schließt und mich versteht." "Kann ich mir nich vorstelln. Du wirst doch wohl noch irgendwelche Leute ham! Kumpels.....oder Familie....oder so." "Nein! Meine Familie hat ihre eigenen Sorgen und damit kaum Zeit für mich...hier und da habe ich zwar noch bekannte, doch mit denen verkehre ich haubtsächlich nur Schriftlich." Sie fuhr sich über die Augen. "Und jetzt haben sie mir noch die genommen, die mir am aller Wichtigsten war, diese...." Ihr versagte die Stimme und man konnte nur noch durch die durch ihre Verzweiflung verkrampften Hände erkennen, wie der Satz geendet hätte. "Das ist schlimm....", meinte Wolfgang mitfühlend. Dann schwieg er für eine ganze Weile, da ihm keine weiteren Worte einfielen, welche in diesem Moment gepasst hätten. Er lenkte den Bus durch einen Tunnel auf die Haubtstraße. "Bist du jetzt einfach abgehauen?", fragte er nach einer Weile und hob die Brauen. "Ja. Ich hab´s nicht mehr ausgehalten." Sie senkte betrübt den Kopf. "Ich kann....einfach nicht mehr..." "Hey! Das wird schon wieder! Die können doch unmöglich die gesamte Welt gegen dich aufgehetzt haben." Wolfgang versuchte verzweifelt sie irgendwie zu trösten, doch es half wenig. "Ich kann nich mehr.....", murmelte sie nur immer wieder, völlig verstört und enttäuscht von ihren vermeintlichen Freunden. Wolfgang seuftzte schwer. Er hätte dem Mädchen zu gerne irgendwie geholfen, doch er wusste nicht wie. Er konnte nur hoffen, dass sie bald wieder auf die Beine kommen würde. Der Bus hielt später am Oppenheimer Bahnhof und das Mädchen verließ mit einem leisen "Tschüs, Wolfgang." den Bus. Ihr Kopf war gesnkt, ihr Blick glücklos und leer, wie so oft damals, als sie noch das schüchterne, kleine Ding war. Diese Zeiten waren lange rum und sie nun von niemandem mehr abhängig, brauchte keinen mehr, der für sie bestimmte und sie dann doch nur verstieß, ausnutzte und betrog. Doch sie sehnte sich nun noch mehr als damals nach jemanden, der an ihrer Seite blieb, der ihr stets glaubte, ihr zur Seite stand und sie schützte. Aber eine solche Person hatte es nie in ihrem Leben gegeben. Der Wunsch nach jemandem, der sie akzeptierte, so wie sie war schnürte sich wie eine schwere Kette um ihr Herz. Sie schlürfte in Richtung Bahnsteig, da sie noch keine Lust dazu hatte, nach hause zu gehn, wo nun doch niemand auf sie wartete. Die Mutter war mit ihrem schwer kranken Bruder erneut in die Klinik gegangen und ihr älterer Bruder Jonny ebenso, da ihre Mutter sich genauso gut ausserhalb des Hauses zurechtfand, wie ein Kompass auf dem Norpol. Eilig hechtete sie nun über die Überführung, die die beiden Gleise miteinander verband, denn schon wurde der Zug nach Mainz angekündigt. Schnaufend kam das Mädchen gleichzeitig mit dem eintreffenden Zug an Gleis 3 an. Hastig stieg sie ein und setzte sich auf einen freien Platz. Ihr gegenüber und neben ihr saß niemand. Der Zug fuhr an und begann seinen Weg bis zu der Endhaltestelle Mainz Haubtbahnhof. Eine ganze Weile sah das Mädchen abwesend aus dem Fenster, bis sie plötzlich, der Zug hatten Nierstein und Nackenheim bereits hinter sich gelassen, ein Fiepen und Klopfen aus den Gedanken riss. Sie sah verblüfft zu dem kleinen geschlossenen Mülleimer vor ihr, der unter dem Fenster aufgehängt war. Das Geräusch schien von dort zu kommen. Es klang fast wie ein Hilferuf. Das Mädchen zögerte für einen Moment. Doch dann siegte ihre Neugierde über ihre Vorsicht. Langsam öffnete sie den Deckel des Eimers – und sie hätte nicht überraschter gucken können, denn sie war sich nicht sicher, ob sie ihren Augen trauen konnte, oder ob diese ihr einen Streich spielten. In dem Eimer saß ein kleines Männchen, das mit etwas Klebrigen rang, wohl einem Kaugummi, in dem es sich verfangen hatte. Sie zuckte zurück. Das Männchen ebenfalls, als es das Mädchen bemerkte. „Ein Homunkulus!“, stieß sie hervor, „Hätte nie…gedacht, dass ich je einen sehen würde!“ Und die Überraschung in ihrem Gesicht wandelte sich zu Begeisterung, während die des Homunkulus zu einem verängstigten Blick wurde. „Oh Graus! So ein Mist! Warum muss nur immer mir so etwas passiere?!“, jammerte der kleine und rang verzweifelt mit dem Kaugummi, um endlich frei zu kommen. Dann hielt er abrupt inne. „Sekunde! Wie kann ein Menschenkind wissen, was ich bin? Und wieso habe ich mich nicht aufgelöst?“, fragte er sich nun verdutzt. „Vielleicht weil ich an so etwas glaube?“, beantwortete das Mädchen seine Frage. Der Kleine zuckte bei ihrer Stimme verschreckt zusammen, als hätte er ihre Anwesenheit für einen Moment vergessen. „Aber wie – was? Wie kann das sein?“, stammelte er. „Das ist unmöglich! Die Menschen glauben doch seit über zwei Jahrhunderten nicht mehr an unser Eins.“ „Dann bin ich wohl der lebende Beweis für das Gegenteil.“, meinte das Mädchen und zum ersten Mal an diesem Tag huschte ein Lächeln über ihre Lippen. „So, und jetzt hol dich erstmal da raus.“ Vorsichtig zog das Mädchen den kleinen Mann aus dem Mülleimer und befreite ihn von dem klebrigen Ding. Nun hatte sie auch die Möglichkeit, ihn näher zu betrachten. Der Homunkulus war so klein, dass er in ihre hole Hand passte. Die spindeldürren Glieder steckten in einem schwarzen Frack und einer Nadelstreifenhose. Das Einzig farbige an ihm waren die roten Augen und die knallroten Haare, welche in alle Richtungen abstanden. „Dürfte ich nun erfahren, mit wem ich das Vergnügen habe?“, fragte der Kleine nun und sah neugierig zu ihr auf. Sie setzte ihn sich auf die Hand. „Klar darfst du! Mein Name ist Anna.“ Sie lächelte. „Und wie heißt du?“ „Fliegenbein. Steht`s zu euren Diensten.“, sagte der Homunkulus und machte eine keine Verbeugung. Anna kicherte. „Am Besten kommst du mit mir mit. Hier bleiben kannst du ja wohl kaum.“, meinte sie dann. „Gut.“ Fliegenbein kletterte leichtfüßig an ihrem Arm hoch und machte es sich auf ihrer Schulter bequem. Der Zug war nun fast an seinem Ziel. „Wohin wollen wir eigentlich?“, erkundigte sich Fliegenbein. „In die Bibliothek in Mainz.“, erklärte Anna. „Aha.“ Fliegenbein schien erfreut. Anna konnte es ihm nicht verübeln. Sie liebte Bücher über alles, denn sie bedeuteten für sie Fantasie; eine Welt, in die man sich in schlechten Tagen zurückziehen konnte. Eben das, was sie jetzt so sehr brauchte. Wenig später hielten sie am Mainzer Haubtbahnhof. Anna war seelig, dass während der Fahrt kein Schaffner erschienen war. Es hätte nur noch mehr Probleme gegeben. Sie erklomm nun die Stufen, die vom Bahnsteig zum Zentrum des für Annas Maßstab recht großen Bahnhofes führten. Von dort verließ sie ihn in Richtung Bonifaziusstraße. Fliegenbein hatte sich inzwischen im Kragen ihrer Jacke verschanzt, um nicht von vorbeigehenden Passanten entdeckt zu werden und lugte zwischen dem blonden Haarschleier hindurch. Nach einer kleinen Weile ereichten sie endlich die riesige Mainzer Stadtbibliothek. Für viele war es nur ein einfaches öffentliches Gebäude, für Anna jedoch ein Schloss, welches ihr, wie schon so oft, Schutz und Beistand gewähren würde. Langsam schritt sie durch die große Glastür des Gebäudes und schon stieg ihr jener vertraute Geruch in die Nase. Der Geruch von beschriebenen Seiten; von älteren und von frisch gedruckten Büchern. Sie liebte diesen Geruch. Er hatte etwas warmes und friedliches an sich. Anna schritt nun durch die wie Wände erscheinenden Regalreihen, welche bis zur letzten Lücke mit Büchern voll gestopft waren. Ein schöner Anblick. Eine ganze Weile schritt sie durch die Bücherwalle, hielt hier und da und überflog Bücher, die ihr Interesse erweckten. Manche klemmte sie sich unter den Arm, da sie diese ausleihen wollte. Schließlich blieb sie aprubt vor einem einzelnen Buch stehen, das geschlossen auf einer hüpsch verzierten Komode lag. Es schien ein bereits älteres Exemplar zu sein. Die Seiten waren vom Alter vergilbt und etwas zerflettert. Genauso wie der moosgrüne, etwas verbleichte Umschlag, der sie umhüllte. Myst stand in großen, goldenen Lettern darauf. Anna nahm das Buch hoch. ‚Nicht zum Verleih oder Verkauf gedacht ’, lautete es schwarz auf weiß auf einem kleinen Aufkleber, der auf den hinteren Deckel gepinnt worden war. Enttäuscht sah sie auf den Aufkleber. Dieses Buch war etwas besonderes. Das spürte sie, und während sie leicht abwesend das grüne Buch in ihren Händen wiegte, wurde ihr immer klarer, dass sie ohne dieses Buch unmöglich weg konnte. Das sie nur des Buches wegen hier war und dieses nur auf ihre Hände gewartet hatte – und ehe sie sich versah, war das Buch auch schon in ihrem Schulranzen verschwunden. Zum Glück hatte sie niemand gesehen. Nun tat sie so als wäre nichts geschehen, ging zu dem Tresen am Eingang, hinter dem ein junger Bibliothekar saß, um die anderen Bücher, für die sie sich entschieden hatte auszuleihen. Im Anschluss verließ sie die Bibliothek. Erst als sie draußen war, begann sie zu rennen. Ihr war klar, dass sie gestohlen hatte, doch sie konnte nicht zurück. Erst als sie wieder den Bahnhof erreichte, verlangsamten sich ihre Schritte, bis sie schließlich ganz stehen blieb. „Du meine Güte!“, rief Fliegenbein aus, „ich kann ehrlich gesagt nicht behaupten, dass das gut war.“ „Ich weiß“, seufzte Anna, „aber es ging einfach nicht anders.“ Sie ging gemächlich weiter in Richtung Bahnsteig. Dabei zog sie das Buch hervor und musterte es eingehend. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass von ihm ein magischer Sog ausging, der sie versuchte in die mit Geschichten beschriebenen Seiten hinein zu ziehen. Sie strich über die Buchstaben auf dem Deckel und seuftze. Als Anna etwa eine halbe Stunde später ihr Zuhause betrat, war noch immer niemand dort und es herrschte eine bedrückende Stille. Anna schloss die Haustür hinter sich und pfefferte geistesabwesend ihren Ranzen in die nächste Ecke nachdem sie ihre neu erworbenen Bücher daraus entnommen hatte. Dann ging sie die Treppe hoch ins Wohnzimmer und setzte sich auf eine Couch. Sogar die Schuhe hatte sie vergessen, aus zu ziehen, so vertieft war sie darin das Buch "Myst" zu bestrachten. Nun würde sie endlich die Mögllichkeit haben, es auf zu schlagen und zu lesen. Sie war nun sehr gespannt, was sie in diesem Buch erwartete. Fliegenbein schien diese Spannung mit ihr zu teilen. Nun überkam es Anna wie ein feierlicher Moment. Sie machte es sich auf der Couch bequem, strich langsam über den Buchrücken und schlug dann die erste Seite auf. Nun brauchte sie eine ganze Weile, um das zu verdauen, was sie da sah, denn es war einfach unglaublich. Auf der ersten Seite stand nichts, doch auf der zweiten war ein Bild zu sehen. Ein Bild, das eine sonderbare Instel zeigte, mit einem Laubwald umzogenen, tempelartigen Gebäude. Ein weiteres Bauwerk thronte auf einem Hügel und an einem Anlegesteg am südlichen Ufer der Insel lag in kleines Segelboot vor Anker. Das wäre ja nicht weiter seltsam gewesen. Ein Bild wie jedes andere auch. Doch dem war nicht so, denn dieses Bild bewegte sich. Es machte immer und immer wieder einen Schlenker um die Insel. Eine ganz Weile sagte Anna kein Wort. Sie starrte nur mit geweiteten Augen das sich bewegende Bild an. Dann, ganz langsam, streckte sie die Hand aus um es zu berühren, so, als wolle sie sich davon überzeugen, dass sie nicht träumte. Sachte legte sie die Hand auf die Seite und im selben Moment spürte sie plötzlich um sich herum eine Art starken Sog, welcher vom Buch auszugehen schien. Der Raum um sie wurde von einem schwarzen Nebel verschluckt. Da signalisierte sie erst, dass sie schwebte. Schon immer hatte sie Angst vorm fliegen gehabt. Allein schon wegen der Höhe. Doch nun, wo sie langsam rotierend im Bodenlosen schwebte und ein sanfter Windhauch durch ihr Haar strich, verspührte sie jenes nie gekannte Gefühl, nach welchem sie sich so gesehnt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich endlich Frei. All die Probleme, die Verzweiflung und Trauer, sie schienen wie weggeblasen, als hätte diese nun aufkommende, wohltuhend kühle Briese sie einfach davongeweht. Es war der glücklichste Moment, den sie jeh verspührt hatte. Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder, als wolle sie sich davon überzeugen, dass dies der Wirklichkeit entsprach. Das Gefühl verschwand nicht, wie all die Träume zuvor. Ein Lachen, wie man es noch nie von ihr gehört hatte, verließ nun ihren Mund. Ein Lachen voller Glück. Kapitel 2: Rote und Blaue Seiten -------------------------------- Später, viel später wachte Anna auf und wusste erst nicht, wo sie war. Erst nach einer Minute oder so fiel ihr alles wieder ein. Das Buch Myst, der Homunculus Fliegebein, ihr Flug durch die Finsternis, bei welchem sie wohl eingeschlafen war. Sie rappelte sich auf und sah sich um. Sie befand sich auf jenem Steg, den sie auf dem sich bewegenden Bild gesehen hatte und ihr wurde klar....Sie war nicht mehr in Oppenheim, auch nicht in Deutschland. Sie war auf im Buch! Etwas, was sie sich schon immer gewünscht hatte, in eine Geschichte einzutauchen, durch ihre Länder zu streifen und all ihre Bewohner und Wesen kennen zu lernen, geschah nun tatsächlich. Staunend sah sie sich um. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie bereits jenes tempelartige Gebäude sehen, welches sie bereits durch das Bild bestaunt hatte. Auch das auf dem kleinen Hügel befand sich in ihrem Blickwinkel, ebenso wie ein zahnradartiges Gebilde, zu dem eine kleine Treppe direkt vor ihr führte. Es war ihr zuvor noch gar nicht aufgefallen. Zu ihrer Rechten dümpelte auch das kleine Boot, allerdings war es halb im Wasser versunken, so ,dass nur noch Krähennest und Segel heraus ragten. Der restliche Teil der Insel war für sie durch den Laubwald, welcher sich vor dem Tempel ausbreitete nicht sichtbar. Anna beschloss, die Insel ein wenig zu erkunden und wollte gerade einen Schritt in Richtung des Zahnrad-Gebildes machen. "Vorsicht! Ihr zertretet mich noch, junge Herrin!", fiebte da eine helle Stimme vom Boden her. Erschrocken sah sie zu sich herunter. Zu ihren Füßen hockte Fliegenbein und sah mit großen Augen zu ihr hoch. Fast hätte sie auf ihn drauf getreten. "Verzeih!", entschuldigte sie sich, "Ich habe dich nicht bemerkt." Anna hob den kleinen Kerl vorsichtig hoch und setzte ihn sich auf die Schulter. Dann begann sie, die Insel zu erkunden und folgte einem kleinen Pfad. "Was ist das hier für ein Ort?", fragte Fliegenbein und sah sich neigierig um. "In einer anderen Welt. Sie heißt Myst. Genau wie das Buch!", sagte Anna bestimmt. Der Pfad schlängelte sich durch einen schenkelhohen, saftig grünen Rasen. Noch nie hatte Anna ein solch saftiges Grün gesehn. Es übertraf selbst das eines britischen Rasens. Die Luft war rein und frisch und einige fremde Gerüche stiegen Anna in die Nase. Wohl von einigen Blüten und Früchten entstammend, welche auf der Wiese wuchsen, welche sich über die halbe Insel zog und an den vereinzelten Büschen und Bäumen am Wegesrand, die den Anfang des Waldes darstellten. Anna war so sehr darin vertieft, dies alles zu bewundern, dass sie doch beinahe den kleinen Zettel am Boden übersehn hätte. Ohne Fliegenbein wäre sie doch glatt daran vorbei gegangen. Sie hob ihn hoch. Er war reichlich zerknittert und durch Alter vergilbt. Die Schrift jedoch, welche sich leicht und geschwungen über das Papier zog war noch klar und deutlich gelesen. Eines stand fest: Wer auch immer dies geschrieben hatte, er hatte es der Schrift nach zu urteilen in aller Eile getan. Intressiert überflog Anna die Nachricht, auch Fliegenbein las mit. Katherina Ich habe in unserem Vorzimmer neben dem Pier eine äußerst wichtige Nachricht für dich hinterlegt. Gib´ die Anzahl der Hebel auf dieser In den Bildgenerator ein, um die Nachricht lesen zu können. In Liebe Atrus "Atrus...", murmelte Anna nachdenklich während sie den Zettel in ihre Jackentasche steckte. "Mein ihr, wir sind nicht allein?", fragte Fliegenbein leicht ängstlich. "Keine Ahnung...aber wir werden es sicher schon bald herausfinden", meinte Anna. Vor ihr gabelte sich nun der Weg. Die eine Richtung führte zum Tempel, die andere zu dem Gebäude auf dem Hügel. "Und was nun?" Fliegenbein sah fragend zu Anna. Diese sah kurz abwechselnd zu den beiden Gebäuden, unschlüssig, welches sie zuerst erkunden sollte. Dann zuckte sie die Achseln. "Ich werfe ne Münze.", meinte sie schließlich und zog ein Geldstück hervor. Sie beschloss, bei Zahl zum Tempel und bei Kopf zum Hügel zu gehen. Nun warf sie die Münze in die Luft, um sie dann wieder aufzufangen. "Kopf!", rief sie aus und grinste, "In Ordnung! Dann gucken wir uns zuerst das Hügel-Gebäude an." Nach einem kleinen Fußmarsch stand Anna dann auch schon vor den weißen Mauern des Gebäudes. Das schwarze Dach hiervon war rund und erinnerte an eine Kuppel. Neben dem Gebäude stand ein Podest auf welchem ein kleiner, blauer Hebel trohnte.. Anna legte ihn um, allerdings war keinerlei Wirkung sichtbar. Von ihrem Standpunkt aus jedenfalls. Anscheinend war es einer der Hebel, von denen auf dem Zettel von Atrus die Rede war. Achselzuckend betrat Anna das Gebäude. Um die Hebel und die Nachricht an diese Katharina wollte sie sich erst später kümmern. Stattdessen mussterte sie nun den einzigen Raum, den das Bauwerk besaß. Er war nicht sonderlich groß, von einer runden Form mit weißen Wänden. An Möbiliar gab es jediglichen einen schwarzen Ledersessel in der Mitte des Raumes mit einer seltsamen Maschiene darüber, die an dem Sesse befestigt war. Allgemein erinnerte es Anna fast schon ein bisschen an den Behandlungsraum eines Zahnarztes. Die Decke schien auf den ersten Blick von einem einfachen, langweiligen Grau zu sein. Beim näheren Hinsehen wurde es Anna jedoch schon einigermaßen bewusst, wozu dieser Raum eigentlich gut war. "Sieh dir das an, Fliegenbein!", sagte sie und deutete an die Decke, "Es sind Sterne. Solche habe ich auch in meinem Zimmer, weißt du? Bei Licht schwer zu sehen, aber wenn sie von diesem diesem nur lange genug beleuchtet wurden, leuchten sie in der Dunkelheit." "Intressant", meinte Fliegenbein mit hochgezogenen Braunen, "Aber wozu soll das gut sein?" Anna schritt im Raum umher. "Vielleicht....so eine Art Planetarium.", vermutete sie dann, "Vielleicht sind die Sterne ka so wie die Sternbilder in Wirklichkeit aufgehängt worden....und auf dem Stuhl kann man sie besser betrachten. Fragt sich nur noch wo...." Sie sah sich suchend um, bis ihr Blick schließlich an einem kleinen Knopf unmittelbar neben der Tür hängen blieb, welchen sie zuvor übersehen hatte. "Das müsste es sein.....", murmelte sie und betätigte den Schalter. Jäh erlosch das Lich und Dunkelheit umhüllte die beiden. Die Sterne hingegen leuchteten nun, wie Anna es zuvor prophezeit hatte. "Bingo!", grinste Anna. Nun tastete sie sich vorsichtig bis zu dem Lederstuhl vor und setzte sich auf diesen. Jenes Gerät, dass über dem Sessel hang wurde nun direkt vor ihr Gesicht gefahren und gab durch eine Art Fernglöas einen vergrößerten Blick auf die Sterne frei. Allerdings nur eine bestimmte Stele des nachgestellten Himmels und das Ding ließ sich dummerweise auch nicht drehen. Anna musterte den Kasten genauer. Unter dem "Guckquader" waren noch ein paar Schieberegler und ein Anzeigefeld vorhanden. Auf der Anzeige stand: "1986.Feb.1 0:06" "Hmmm, sieht mir wie ein Datum aus. Datum und Uhrzeit um genau zu sein. Ich wette mit den Reglern lassen sie sich verstellen.", murmelte Anna und probierte eds auch prompt aus. Sie gab das momentane Datum als Probe ein und drückte dann auf einen kleinen Knopf etwas abseits von den Reglern. Das Gerät wurde nun in eine andere Position geschwenkt und stellte einen anderen Teil des Himmels zur Show. "Interessant. So sind die Sterne wohl zu diesem Zeitpunkt hier sichtbar. Oder besser gesagt das Sternbild....vielleicht ist uns das irgendwann noch mal von Nutzen.", schloss Anna, "Jedenfalls können wir nun 100%tig davon ausgehen, dass wir nicht mehr auf der Erde sind....ich kenne kein einziges dieser Sternbilder." Noch eine ganze Weile experimentierte sie mit den Daten herum. Doch dann wurde es ihr allmählich langweilig und sie setzte ihre Erkundungsreise fort. Sie hatte sich dazu entschlossen, als nächstes den Tempel zu untersuchen. Nach einem weiteren kleinen Fußmarsch stand sie auch schon vor diesem. Als sie den Raum betrat dessen Wände mit einer hüpschen Holzverkleidung und einigen merkwürdig wirkenden Bildern ausstraffiert war, stieg ihr prompt der Geruch von verbranntem Papier in die Nase. Sie schluckte schwer, denn direkt vor ihr stand ein riesiges Regal, vollgestopft mit Büchern. Der Geruch schien von dort zu kommen. Langsam schritt sie auf es zu und zog vorsichtig eines der Bücher heraus. Ein Bild des Grauens bot sich Anna nun, für die Bücher nun einmal ein Heiligtum waren. Der Deckel sowie sämtliche Seiten waren völlig verbrannt. Ein schrecklicher und betrübender Anblick. "Mein Gott!", stieß Fliegenbein hervor, ebenso entsetzt über die Schändung. Anna zog noch ein paar weitere Bücher hervor, doch auch in ihnen fand sich das gleiche Nichts. "Aber.....wer tut denn nur so etwas?", stammelte Anna, "Entsetzlich...." Sie zog noch eines hervor... ....und als sie dies tat, fiel aus ihm ein kleiner Stoffetzen. Etwas überrascht hob sie ihn auf und mussterte ihn. Er wirkte sehr alt und war doch weich und zart. Auf ihn war das Portrait eines Mannes kunstvoll gestickt - eines sehr hüpschen Mannes. Anna brauchte einen Moment, um es zu realisieren, doch dann wurde ihr klar, dass diese jadeblauen, ernsten Augen, die ihr da entgegen starrten - mit diesem fragenden seltsamen Blick - ihre eigenen waren. Diese Erkenntnis erschreckte sie, denn nie zuvor hatte sie ein fremdes Augenpaar gesehen, welches diesen Ausdruck besaß. Sie musterte ihn eingehend. Es war ein sehr junges Gesicht in welches Strähnen seiner hellbraunen, halblangen Haare fielen, welche den kleinen, silbernen Ohrring an seinem rechten Ohr zum Teil verbargen. Um seinen hübschen, schlanken Hals trug er eine Kette mit einem einem runden rötlichen Stein als Anhänger. Es verging eine ganze Weile in welchem Anna ihren Blick nicht von dem Bildnis abwenden konnte. Obwohl sie nur dieses Bild von ihm sah, wünschte sie sich, dass sie diesen jungen Mann kennen würde. Ihn an ihrer Seite hätte. Sie stellte sich hinter diesem feinen, fast schon femininen Gesicht ein sanftes und freundliches Gemüt vor; einen verständnisvollen, intelligenten Mann, der nicht wie so viele nach dem Äußeren ging und keine dümmlichen, voreiligen Schlüsse zog. Kurzum: Annas Idealbild einer Person, der Person die sie sich an ihrer Seite wünschen würde. Dieser Gedankengang entlockte ihr ein sanftes, wenn auch etwas schmerzliches Lächeln. Welch schöne Traumgestalt, welcher sie in der Realität wohl nie begegnen würde. "Kennt Ihr ihn?", fragte Fliegenbein und riss Anna dadurch aus ihren Gedanken. "Wie? Äh....nein, ich wüsste auch gern, wer er ist." Sie seuftzte, sah noch einmal leicht verträumt das Bildnis an und verstaute es dann sorgfältig in ihrer Jackentasche, nachdem sie es fein säuberlich aufgefalten hatte. Dann nahm sie das Buch, aus welchem das Bild gegallen war genauer unter die Lupe. Deckel und viele der Seiten waren ebenso verkohlt, wie bei den anderen Büchern, die sie gesehen hatte, doch auf dem Deckel war noch deutlich der Buchtitel lesbar, welcher in hüpschen, geschwungenen Lettern eingraviert war. Narayan Anna schlug das Buch auf und sah zu ihrer Freude, dass die ersten Seiten zwar recht verkokelt, aber noch lesbar. Intressiert begann sie, die Zeilen zu überfliegen. 81.2.16 Ich bin endlich mit der letzten Übungswelt fertig geworden. Dem Schöpfer sei dank, denn die Jungs waren schon ganz ungeduldig. "Narayan" habe ich sie getauft. Die Welt des Gleichgewichtes. Sie ist wirklich wunderschön geworden. Es ist doch wahrlich immer wieder faszinierend was die Kunst alles vollbringen kann. Ich bin mit einer Artschwebendem Schiff quer über den purpurnen Himmel gefahren, welcher mit Wolken in einem sanften rosa durchzogen ist - Ein Wolkenmeer, im warsten Sinne des Wortes. Schließlich hielt mein Gefährt auf einer der schwebenden Inseln, die es hier gibt. Sie scheint bewohnt zu sein, denn zwischen den vielen eigenartigen Bäumen die hier wachsen (Sie alle besitzen kugelförmige, große Blätter und versprühen kleine, seidige Pollen) standen einige in die Bäume eingearbeitete Hütten. Teilweise auch hoch oben in den Baumkronen. Ich muss ihre Baustruktur unbedingt näher untersuchen. Viele scheinen weder aus Holz noch aus Stein gebaut zu sein. Mehr aus einer Art seidegen und doch robusten Stoffes. ~ Soeben bin ich endlich auf einen ersten Eingeborenen gestoßen! Ich fand ihn auf einer Waldlichtung. Hätte ihn beinahe übersehen, obgleich sein hellblaues Gewand sich doch stark mit dem rötlichen Gras biss, das hier überall wächst. Der junge Mann lag dort in der Mitte der Lichtung und döste sorglos vor sich hin mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Anfangs bemerkte er mich überhaubt nicht. Erst nach einem vorsichtigen Räuspern meinerseits fuhr er aus seinen Tagträumen. Nach dem ersten Schreck stellte der Junge sich mir freundlich als Saavedro vor. "Saavedro.....", murmelte Anna, nachdem sie das lesen abgebrochen hatte und verzog die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln, "So heißt Du also....Saavedro...." "Junge Herrin?", meldete sich Fliegenbein zu Wort, der erneut über ihre Schultern mitgelesen hatte, "Meint Ihr, Dieser....Atrus hat das geschrieben?" "Hmm, kann gut sein.", erwiderte Anna, "Jedenfalls ähnelt die Schrift der auf dem Brief. Nur ein wenig ordentlicher." Behutsam steckte sie nun auch das Buch zu dem Bildnis in die Tasche. Fliegenbein mussterte unterdessen den Raum etwas eingehender. "Oh, Junge Herrin!", rief er auf einmal, "Seht doch! Da sind noch zwei unversehrte Bücher!" Er wies auf zwei kleine, gegenüberliegende Nieschen. Und tatsächlich! In jeder Niesche stand eine alte Komode mit jeweils einem Buch bestückt. Das eine hatte einen purpurnen Einband, das andere einen blauen. Interessiert ging Anna auf das blaue Buch zu. "Die beiden sehen irgendwie verlassen aus.", meinte sie, während sie das gute Stück behutsam aufnahm. "Vielleicht sind sie ja etwas besonderes, wenn sie hier so abgesondert liegen.", vermutete Fliegenbein. Anna sah kurz zu dem Kleinen und schmunzelte über die Ironie. "Gut möglich. Etwas besonderes hat man bekanntlich nicht gern in der Masse." Sie schlug das Buch auf - und prompt flatterte ihr eine lose, blaue entgegen. "Hoppla!" Anna hob die seite auf und musterte sie nachdenklich. Das Papier mit einer seltsamen Schrift beschrieben, an einigen Stellen etwas schnuddelig, als wären hier und da noch Dinge eingefügt. Es musste eine andere Sprache sein. Unmöglich, sie zu entziffern. Anna runzelte die Stirn und sah zum dem alten Buch. "So heile bist Du wohl auch nicht mehr, was?", meinte sie an Besagtes gerichtet. Vorsorglich legte sie Seite zurück an ihren Platz - und zu ihrem Erstaunen fügte sich diese mit einem kleinen blauen Lichtblitz in das Buch ein. Mit verdutztem Blick strich das Mädchen über die Seite, welche aussah, als wäre sie nie ausgerissen worden. "Das gibt´s doch nicht! Was zum - ?" Mit nachdenklichem Gesicht blätterte sie auf die erste Seite um. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)