Eine kleine Weihnachtsgeschichte... von Saoto (Eine vierteilige Weihnachtsgeschichte) ================================================================================ 1. Advent --------- ]b]Der 1. Teil zum 1. Advent Draußen war es kalt, doch mit Schneefall war nicht zu rechnen. Auf den Straßen der Stadt liefen hastig die Leute umher, manche gingen in Geschäfte und kamen wieder raus, anderen standen nur kurz vor den geschmückten Schaufenstern, bevor sie weitereilten. Es war Vorweihnachtszeit. Hektische Vorweihnachtszeit! Wie jedes Jahr! Und keiner der Menschen wusste mehr, worum es bei Weihnachten überhaupt ging. Jeder sah nur den dicken, lachenden Mann mit dem weißen Bart und dem roten Mantel, sowie der Zipfelmütze – den Weihnachtsmann. „Do they know it’s christmas time at all?“, kam es aus dem einen Geschäft, “Driving home for Christmas”, kam es aus dem anderen. Seufzend ging ein Mädchen, nur ein unscheinbarer Mensch unter vielen anderen, an den Geschäften vorbei. Sie wollte nur aus diesem furchtbaren Gedränge raus. Sie hasste Weihnachten! Sie hasste es wirklich! Diese Welt hatte das heilige Fest verhunzt, es zu einem Geschenke-Fest ohne Hintergrund gemacht. Stress und Hektik beherrschte diese Zeit. Lehrer stopften die letzten vier Wochen vor den Ferien mit Arbeiten und Tests voll, um nach den Ferien gleich weiterzukommen. Keine Rücksicht auf die Schüler, die immer müder wurden, nahen sie. Eltern waren ständig unterwegs, oder sie nervten die Kinder, weil sie unter Stress standen. Und von überall bekam man ätzende Weihnachtslieder – „Santa Clause is coming to town!“ – um die Ohren gehauen, dass einem die Ohren wegflogen. Das eisige Wetter machte das nicht gerade besser! „Uff!“ Das Mädchen konnte sich fast nicht mehr abfangen, als es von irgendeinem Menschen in seiner Hektik umgeworfen worden war. Doch weder diesen Menschen, noch einen anderen interessierte es. Keiner half dem gestürzten Mädchen, das da auf dem Boden saß. Auf dem eisig kalten Boden. Ihr Fuß tat weh, beim Stürzen hatte sie ihn sich wohl verknackst. Also blieb sie einfach sitzen, mitten im Weg. Fluchend wichen die kommenden Menschen ihr aus, warfen ihr Beleidigungen an den Kopf und traten sie, doch keiner war dem Mädchen hilfreich, keiner half dem frierenden Kind auf. Also blieb sie weiterhin sitzen. Die blonde 13-Jährige spürte, wie ihre Beine kalt wurden, und ihr Rücken von der drückenden Kälte zu schmerzen begannen. Doch sie rührte sich nicht. Sie würde nicht um Hilfe rufen. Es würde sie eh keiner hören! „Autsch!“ Jemand war über die Beine des Mädchens gestolpert und auf den Knien gelandet. „Verdammt, was...? Oh!“, kam es von dem verwunderten Jungen, der sich langsam wieder aufrichtete. „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, als das blonde Mädchen am Boden nichts sagte. Sie sah bloß zu ihm hoch. Und schwieg. „Komm, ich helf dir hoch!“, meinte er verlegen, weil er dachte, er habe sie umgeworfen. Er streckte ihr seine Hand entgegen, die in einem schwarzen Handschuh steckte. Er selbst war in einen warmen, nachtschwarzen Mantel gehüllt, dass es dem Mädchen bei dem Anblick warm wurde. Und dennoch merkte sie erst, wie dünn sie angezogen war, und ihr wurde plötzlich kalt. Schnell griff sie nach der Hand des Jungen, der schätzungsweise wohl zwei, drei Jahre älter sein musste als sie. Er zog sie hoch, bis sie neben ihm stand, doch sie zitterte am ganzen Leib. Als sie sich auf ihr rechtes Bein stellte, drohte es ihr wegzuknicken, und nur durch die beherzte Auffangaktion des Jungen landete sie nicht noch mal auf dem Boden. „Oh je, tut mir leid!“, meinte er und sah besorgt auf den Fuß des Mädchens. Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Nicht deine Schuld!“, meinte kurz und knapp, und der Junge schien sichtlich überrascht, dass das stille Mädchen doch noch reden konnte. „Nicht? Was ist denn passiert? Bis du hingefallen?“ – „Ich wurde geschubst!“, sagte sie beleidigt und sah in die Menge von Menschen, „Aber das ist denen ja egal!“ Der Junge verstand, was sie meinte und senkte den Kopf – er musterte wohl wieder das verletzte Bein des Mädchens. „Ja, leider!“ Dann sah er wieder auf. „Wohin willst du denn? Ich bring dich hin – so kannst du ja schlecht laufen!“ Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Ich will dich nicht vom Einkaufen abhalten!“, murmelte sie und sah mit zugekniffenen Augen zu den eilenden Menschen. Doch der Junge legte nur den Kopf schief. „Ich hab nicht vor, schon einzukaufen!“, meinte er und grinste breit, „Das erledige ich irgendwann in der Woche vor Weihnachten!“ „Aha...“, murmelte das Mädchen wieder, doch in Gedanken fügte sie hinzu: „Ich werde gar nichts kaufen! Ich hasse das Weihnachtsfest mit den Geschenken!“ „Ich war eigentlich auf dem Weg zu einer Theaterprobe. Wir wollen... sollen an Weihnachten das Krippenspiel aufführen. Oh je...“, seufzte er, als hätte er so gar keine Lust darauf. „Schon okay, ich kann alleine gehen!“, sagte sie und drehte sich weg. Als sie aber gleich beim nächsten Schritt wegknickte, lies der Junge ihr keine Ausreden mehr. „Du kannst ja daheim anrufen! Hast du ein Handy?“ Sie schüttelte daraufhin nur den Kopf. Der Junge seufzte. „Ich habe eins! Wenn du willst, kannst du deine Familie anrufen...“ Ganz wild schüttelte sie den Kopf. Bloß nicht! Nicht das! Sie war gerade erst von daheim weggerannt, als sie mal wieder Streit mit ihrer Familie gehabt hatte – weil sie dagegen gewesen war, dass am Weihnachtsbaum und im ganzen Haus diese elenden Weihnachtsmänner aufgehängt wurden. Sie war nun mal absolut christlicher Besinnung. Seit sie diesen Unfall gehabt hatte, bei dem sie fast ihr Leben gelassen hatte... doch sie hatte seltsamerweise, ganz entgegen aller Erwartungen überlebt. Sie hatte Gott um Hilfe gebeten – er hatte sie erhört. Seitdem hatte sie ihr Leben ihrem Gott verschrieben, ihrem Retter. Zu gerne also hätte auch bei einem Krippenstück mitgemacht, aber... sie würde sich das nie trauen! „Nicht? Willst du nicht heim?“ – „Bloß nicht!“, stieß sie hervor. „Äh... wieso nicht?“, fragte er verwirrt. „Geht dich nichts an!“, murrte sie, bereute ihren Ton aber sofort und lächelte das erste mal, wenn auch verlegen, „Ich komm lieber mit. Heut Abend geh ich VIELLEICHT wieder Heim zu meiner doofen Familie...“ Der Junge zuckte mit den Schultern, nahm dann ihren Arm und legte ihn um seine Schultern. „Halt dich fest, ich stütz dich!“ Das Mädchen nickte, auch wenn ihr plötzlich sehr heiß geworden war, als der fremde Junge ihren Arm genommen hatte. „Kannst du so gehen?“, fragte er, als er mit ihr einige Schritte gewagt hatte. Sie nickte, den Blick auf ihre Füße gerichtet. Nach einer Weile konnte sie mit seiner Hilfe auch schneller gehen. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Junge nach einer langen, peinlichen Schweigezeit. Sie drehte ihren Kopf zu ihm. „Ähm... ich heiße Sara...“, murmelte sie, „Du?“ „Ich heiße Patrik, aber du kannst mich Pat nennen... ich mag meinen Namen nicht sonderlich...“, sagte er lachend und wich Saras Blick aus. Und weiter gingen sie die Straßen entlang... Sara spürte ihre eiskalten Lippen nicht mehr. Auch ihre Hände waren abgefroren, als sie endlich an dem großen, freundlich aussehenden Gebäude – es war sanft beige und sehr schlicht – ankamen, in das Pat sie führte. „Hier sind wir!“, sagte er und wirkte leicht stolz – warum auch immer. Drinnen half Pat Sara die Treppen hinauf. Oben zog er erst mal seine Jacke aus und gab sie Sara, welche immer noch zitterte. Dann öffnete er die Tür und half ihr in den Saal, wo die beiden ihre Blicke sofort auf sich zogen. „Hast du noch einen Interessenten mitgebracht?“, fragte der älteste, wohl der Leiter, verwirrt und sah Sara an, wirkte dabei aber auch etwas erfreuter. „Nein, sie will nur zugucken, Thomas!“, meinte Patrik und klopfte Thomas auf die Schulter, „Oder?“ Sara zuckte mit den Schultern, was praktisch hieß: „Mal sehen.“ „Deine kleine Freundin ist aber nicht sehr gesprächig!“, flüsterte der Leiter Thomas dem Jungen zu, welcher resigniert nickte. Nach und nach trudelten noch ein paar andere Jugendliche ein. Alle waren unterschiedlich, keiner sah aus wieder der andere. Da war ein Mädchen mit grellen, pinken Haaren, ein Junge mit einer Jeansjacke, und einer mit einer braven Strickweste. Freundlich winkten sich die Menschen, keine Hektik war zu sehen. Sara war verzaubert von diesem Anblick. So etwas hatte sie noch nie in der Vorweihnachtszeit gesehen. Dass Menschen einfach so zusammenkamen, um unproblematisch und ohne Druck zu proben – fantastisch! Selbst in der Kirche ging das anders zu... Erst wurden die Rollen verlesen. Maria und Josef, Hirten, den Wirt, Bühnenbildner, auch Engel gab es da. Nach und nach wurden die Rollen vergeben. Das Mädchen mit den pinken Haaren bekam die Rolle eines Engels, Patrik wurde die Rolle des Josefs zugeschrieben (auch wenn Sara bei dem Gedanken, Pat in Josefs Klamotten zu sehen, lachen musste, und die anderen sie verwirrt ansahen). Schließlich war nur noch die Maria zu vergeben. „Sylvia würde sicher gerne die Maria spielen, Pat!“, grinste das Mädchen mit den pinken Haaren und stupste Pat den Ellebogen in die Seite. Der verzog das Gesicht. „Die ist nicht da!“, murrte er und drehte den Kopf weg. Das Mädchen mit den pinken Haaren lachte auf und meinte: „Sie würde sicher gerne deine Maria spielen! Wie wär’s?“ Pat sah sie böse an. „Katy! Das ist nicht lustig! Du weißt, dass ich diese Tusse nicht mag!“ – „Aber sie kommt doch nur wegen dir immer hierher, und nur wegen dir motzt sie sich immer so auf!“ – „Glaubst du ja wohl selbst nicht!“, murrte Pat und schlug Katy auf den Rücken, sodass sie husten musste. „Hey!“, schrie sie lachend und jagte Pat eine Runde um die lachende Menge. Als sie wieder zum Stehen gekommen waren, stellte Thomas erneut die Frage, was aus der wichtigsten Rolle werden sollte. Und ob er Sylvia für sie eintragen sollte. Doch Pat drohte damit, als Josef auszusteigen, wenn seine nervige Verehrerin die Hauptrolle an seiner Seite bekomme. Aus dem entstandenen Geplapper rief Pat plötzlich – ohne zu erwarten, dass es natürlich genau jetzt still werden würde – heraus: „Was wäre denn mit Sara?“ Alle Blicke fuhren zu Sara – die schließlich die einzige sein konnte, die „Sara“ hieß, weil alle anderen sich schon kannten. Das Mädchen wurde rot und sah verlegen auf den Schuldigen, Patrik. „Gute Idee!“, meinte Thomas und sah Sara lächelnd an, „Du kennst Pat ja schon, also könnt ihr doch Josef und Maria spielen! Pat hilft dir sicher beim Üben – er hat das ja schon oft gemacht!“ Patrik nickte, und das Mädchen mit den rosa Haaren kam auf Sara zu. Sie klopfte ihr auf die Schulter. „Also, wenn du nichts dagegen hast, bist du ab jetzt unsere Maria!“ Sara schaute verlegen in das grinsende Gesicht Katys – zumindest hatte Pat sie so genannt – und nickte schüchtern. „Wie süß, sie ist schüchtern!“, verkündete Katy grinsend, doch dann lächelte sie Sara lieb an. „Das ging jedem von uns so, als er in die Jugendgruppe gekommen ist! Aber inzwischen fühlt sich hier jeder wohl!“, flüsterte sie Sara zu, dann drehte sie sich den anderen zu. „Sie hat genickt! Sie nimmt das Amt an!“, sagte sie ironisch und lachend. Das zwang Sara ein kleines Lächeln herauf. Katy war lustig und nett. Sie wäre bestimmt eine tolle Freundin... War das von Gott so gefügt worden, dass sie zu dieser seltsamen Gruppe gefunden hatte, wo jeder mit jedem klarkam? War hier der Ort, wo sie hingehörte? „Okay, dann treffen wir uns morgen am Sonntag, erster Advent, wieder! 16 Uhr! Seid bitte pünktlich! Dann besprechen wir den Text, den ich euch mitgebe...“, verkündete Thomas und verteilte das Drehbuch des Stückes, „...und überlegen, was für Veränderungen wir diesmal machen!“ Dann verabschiedeten sich alle, und nach und nach gingen aus dem Raum. Pat und Katy gingen zu Sara. „Pat hat gesagt, du hast dich verletzt! Brauchst du Hilfe?“, fragte das Mädchen mit den schulterlangen grellpinken Haaren (verrückt!) und grinste breit. Patrik, der mit seinen strohblonden Haaren und den schwarzen Klamotten das krasse Gegenteil von Katy war, welche grell gekleidet war und auch dementsprechend aussah, zischte Katy zu, dass Sara natürlich Hilfe bräuchte. Und diese zwei stützten Sara, nachdem sie ihre Jacken angezogen hatten, und brachten sie nach Hause. Auf dem Weg fing Katy auf einmal an, von den vorherigen Jahren zu reden. Und dass Patrik eigentlich immer den Josef gespielt, und daher Übung hatte. Zwar waren sie, laut Katy, alle beide keine Kirchengänger, aber seltsamerweise doch christlich. Außerdem stellte Katy sich als Katrin Meier vor, Patriks Zwillingsschwester (Sara hätte niemals vermutet, dass die zwei Geschwister, geschweige denn Zwillinge, waren). „Gut, also wir holen dich morgen ab!“, sagte Katy und umarmte Sara zum Abschied. Patrik schaute verlegen aus der Wäsche, weil er sich sichtlicht nicht traute, es seiner Schwester gleichzutun. „Wir sehen uns... morgen!“, meinte er nur und winkte. Nachdem Sara aufgeschlossen, und in die Wohnung gegangen war, gingen auch die Zwillinge. Sara lehnte sich gegen die Tür und lies sich zu Boden sinken. Was war das bloß für ein Tag gewesen... Sie hatte neue Freunde gefunden und die Hauptrolle in einem Weihnachtsstück bekommen. An der Seite eines süßem Jungen und zugleich neuen Kumpels. Nur vor dem Wiedersehen mit ihrer Familie hatte Sara Angst. Doch sie hatte wohl keine andere Wahl. Sie stand auf, wobei ihr Fuß furchtbar schmerzte, ging in Richtung Wohnzimmer und machte die Zimmertür auf. „Sara!“ Ihre Mutter fiel ihr quietschend um den Hals, „Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)