Aus allen Wolken von bebi (Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 1: Armes Bambi ---------------------- Wichtelgeschenk für Andromeda Aus allen Wolken Wie war ich bloß in diese Lage geraten? Wie konnte es nur soweit kommen? Wieder eine dieser Situationen in denen ich nicht umhin kam mir einfach selber Leid zu tun, obwohl Selbstmitleid eigentlich eine Eigenschaft ist, die ich versuchte weit möglichst von mir zu schieben. Und wahrscheinlich war ich auch noch der einzige Mensch auf diesem gottverdammten Planeten, der Mitleid mit mir hatte. Vermutlich aus dem ganz einfachem Grund, dass keiner außer mir sich meiner fürchterlichen Lage bewusst war. Ich. Hier, in diesem riesigen Gebäude. Mehr fehl am Platz, als eine Blutwurst auf dem Kongress des vegetarischen Tierschützerverbundes. Ich, Joey Wheeler, in dem wohl größten Wolkenkratzer in Domino-City oder auch sonst auf diesem Kontinent. Was ich hier mache? Was ich in der Kaiba Corporation zu suchen hatte? Nichts! Ganz klar. Aber ich war wohl der einzige der das einsehen wollte. Andere leichtgläubige Menschen behaupteten ich würde hier mein Berufspraktikum absolvieren. Aber dem muss ich hiermit vehement Widerspruch leisten. Ein Berufspraktikum war dazu da einem Schüler einen Einblick in das Berufsleben zu geben und nicht, ich wiederhole nicht! , dazu da jemandem, in diesem Falle meine bescheidene Person, Höllenqualen leiden zu lassen. Ja! Um wieder zum Punkto Selbstmitleid zurück zu kehren. Ich leide! Und zwar die besagten Höllenqualen! Ich hatte das doch nun wirklich nicht verdient. Okay, ich hatte vergessen mich selber um einen Praktikumsplatz zu bemühen und sollte deswegen in einen gesteckt werden, der von der Schule bereitgestellt wurde. Aber da sich dieses Jahr wohl nicht besonders viele die Mühe gemacht hatten, sich einen eigenen Praktikumsplatz zu suchen sondern einen bevorzugten, den die Schule ihnen Stellte, waren auch diese Stellen alle vergeben. Ungerecht! Na gut, die anderen hatten vielleicht eine Kleinigkeit eher bescheid gesagt, dass sie so einen Platz haben wollten, aber war konsequentes Desinteresse an seiner Schulischen und Beruflichen Laufbahn denn ein so schweres Verbrechen? Mein Gott ich bin Siebzehn! Wer weiß schon mit siebzehn was er mit seinem Leben anfangen soll? Naja außer vielleicht gewisse achtzehnjährige Firmeninhaber, die ihre berufliche Ausbildung unbedingt vor der schulischen abschließen mussten. Aber es kann ja nicht jeder einen Intelligenzquotienten von zweihundertdreißig besitzen. Und in Anbetracht dessen, ist es völlig inakzeptabel, dass meine Stufenleiterin Kaiba darum gebeten hat, dass ich mein Praktikum in seiner Firma absolvieren durfte. Da er ja selber keins machen muss, sei das doch die perfekte Lösung sich auch einzubringen. Unsinn!! Wieso konnte er nicht ablehnen? Genauso wie er alles, was mit mir zu tun hat, grundsätzlich ablehnt. Wieso ausgerechnet jetzt? Naja, dass seine Zustimmung kein Akt der Nächstenliebe war, konnte man seinem dämonischem Grinsen entnehmen, dass er bei seinem spontanem ‚Aber sicher doch.’ zur Schau stellte. Bei der Erinnerung bekomm ich immer noch Fracksausen. Ja, das war so ein Moment im Leben. Ein Moment, in dem man glaubte die Pforten zur Hölle würden sich unter einem öffnen und man würde Erbarmungslos hineingesaugt. Naja, Hölle…Kaiba Corporation…wo genau war da der Unterschied. Der Höllenfürst persönlich wohnte schließlich beiden inne. Und genau da! lag mein Problem. Es war noch nicht mal die Arbeit in einem Büro. Noch nicht mal die Arbeit in einem Büro mit mehr als zwanzig Stockwerken. Nicht das Kopieren, nicht die steife Umgebung, obwohl ich, um es noch mal zu erwähnen, wirklich nicht hier reinpasse, nicht die vielen Geschäftsleute mit den Stöcken in ihren Hintern, nein verdammt, es war Kaiba! Mein Problem hieß Seto Kaiba. Meine Freunde haben gesagt, ich soll mich nicht so anstellen. So schlimm sei er ja gar nicht. Ja, meine Freunde haben gesagt, viele an unserer Schule würden für eine solche Chance morden. Alles Kameradenschweine! Sogar wenn, wie sowohl Thea, Tristan als auch Yugi angenommen hatten, mein Problem gewesen wäre, dass Kaiba der wohl größte, gemeinste, niederträchtigste, halsstarrigste, streitsüchtigste Eisklumpen jenseits des Südpols ist, dann wäre das alles ja noch nicht einmal so schlimm. Denn wenn das das Problem wäre, würde ich mich jetzt freudestrahlend mit Kaiba fetzen. Aber leider und ich betone es gerne noch mal, leider war das nicht mein Problem. Naja und selbst wenn es mein Problem gewesen wäre, hätte ich ein bisschen mehr Anteilnahme von meinen Freunden erwartet, aber das nur am Rande. War ja nicht so, dass ich nachtragen bin. Ich hatte nur schlicht und einfach ein Problem. Ein Problem mit Kaiba. Und wie gesagt mein Problem mit ihm ist nicht, dass er so maßlos arrogant ist, dass er so unglaublich anmaßend ist, dass er so absolut unsympathisch ist. Nein! Das wäre alles kein Ding, wenn ich diesen dämlichen, idiotischen Eisbrocken nicht so unheimlich gern hätte. Ja Scheiße ich mag ihn. Und das ist noch untertrieben. Es ist mehr, es ist viel mehr als mögen. Ich, Joseph Jay Wheeler, bin verliebt in Seto Kaiba und zwar mehr als gesundheitlich vertretbar wäre. Ja ich bin in ihn verliebt und zwar auf heftigste Weise. Heftig, intensiv, unsterblich und ganz einfach und mehr als eindeutig hoffnungslos. Und bei einer einseitigen Liebe für Seto Kaiba bekam das Wort hoffnungslos noch mal eine ganz andere Bedeutung. Genauso gut könnte ich mit nach oben gestrecktem Arm hüpfen und versuchen eine Wolke zu berühren. So unendlich weit weg war Kaiba. Und da Selbstverleugnung genau wie Selbstmitleid nicht zu meinen bevorzugten Eigenschaften gehörte, machte ich das einzig richtige. Flüchten. Ich flüchtete ganz einfach. Nicht vor meinen Gefühlen, nein. Vor Kaiba. Vor ca. einem halben Jahr sickerte der Gedanke zu mir durch, dass da vielleicht noch etwas anderes in mir war, als Abneigung. Einen Monat lang hab ich ihn verworfen. Die nächsten zwei habe ich damit verbracht mir zu beweisen, dass das einfach nicht stimmen konnte, nicht möglich war, einfach ganz und absolut eine nicht lösbare Gleichung war, weil in ihr eindeutig zwei nicht miteinander vereinbare Variabeln auf so unschöne Weise zusammen geklatscht wurden, dass das Ergebnis nur Matsch sein konnte. Nachdem ich auch diese Phase abgeschlossen hatte, habe ich mich einen Monat mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass ich schwul war und mit der noch viel schlimmeren Tatsache, dass ich auf unterkühlte Mistkerle stand. Ersteres war eindeutig leichter zu verkraften. Dann aber hatte ich mich damit abgefunden. Ich bin schwul und verliebt in Seto Kaiba. Aber damit war mein Problem noch nicht gelöst, nein es ging erst richtig los. Ich begriff, wieso ich mich mit ihm stritt, jeden Tag, immer wenn sich nur eine Gelegenheit bot. Natürlich, er war ein Idiot. Grund Nummer eins. Aber leider war der eigentliche Grund etwas ganz banales. Sehnsucht. Ich wollte in seiner Nähe sein. Ich wollte, dass er mich beachtete und mich mit seinen wundervollen Augen ansah, selbst wenn sein Blick hasserfüllt war. Doch leider reichte mir das nach dieser Erkenntnis nicht mehr. Die Sehnsucht nahm überhand und zerriss mich innerlich. Der Wunsch ihn zu berühren brannte bei jeder Begegnung mehr in mir auf. Das kleine Strohfeuer, das in mir vor sich hinkokelte war zu einem Buschbrand geworden, der fünfzig Prozent der Regenwälder hätte niederstrecken können. Von Tag zu Tag war es schwerer für mich, mich zu beherrschen. Ich stritt mit ihm, ich schrie ihn an, ja ich warf sogar Dinge nach ihm um das irgendwie zu kompensieren und zu verhindern, dass ich mich irgendwann, am besten noch vor der ganzen Klasse, heulend in seine Arme stürzte und ihn anbettelte mich zu lieben. Ja, so war es in Seto Kaiba verliebt zu sein. Es war lächerlich, erbärmlich, hoffnungslos, endlos peinlich und vor allem, ja vor allem anderem tat es unbeschreiblich weh. Und da ich von der Selbstverleugnungsphase direkt in die hoffnungslose Verliebtheit geschlittert war, habe ich sehr schnell begriffen, dass es so nicht weiter gehen konnte. Nein es tat nur weh und meine Sehnsucht würde nicht weggehen. Nicht wenn ich mir Tag für Tag seine Aufmerksamkeit erkämpfte um meinem lächerlichem Verlangen nach Beachtung nachzukommen. Und wo tat es mehr weh auf verlorenem Posten zu kämpfen, als in der Liebe. Also habe ich das einzig richtige getan, was ich für mein kleines, schmerzendes Herz tun konnte. Ich gab ihm den Gnadenstoß und hielt mich von Kaiba fern, mit der Hoffnung der Schmerz, der damit in unmessbare Höhen stieg und die Selbstbeherrschung, die mir das abverlangte, würden eines Tage belohnt werden und dieser unbeschreiblich öden Leere weichen, die man verspürt, wenn ein so intensives Gefühl wie Liebe aus einem verschwindet. Aber leider war bis jetzt, nach fast zwei Monaten, keine Heilung in Sicht. Was auch daran lag, dass es nicht so einfach war sich von Kaiba fern zuhalten, da ja nicht nur ich es war, der ständig streiten musste. Aber im Gegensatz zu mir machte es ihm weiterhin Spaß mich runterzuputzen und er sah nicht ein, warum er dieses Ritual aus heiterem Himmel abbrechen sollte. Als ich anfing ihn mehr oder weniger zu ignorieren und nur noch einsilbige Antworten gab, beschränkte er sich auf bissige Kommentare. Doch alles war noch genau wie vorher. Meine Gefühle für Kaiba, meine Sehnsucht nach seiner Nähe, meine elenden Träume von einem Happy End, die sich mein Herz zur Qual meines Verstandes ausdachte, da dieser im Gegensatz zu meinen Herzen wusste, dass es keinen Sinn hatte zu hoffen. Wenn meine Freunde das wüssten, würden sie vielleicht mehr Mitleid mit mir haben, weil ich mein Praktikum in der Höllen Corporation abschließen musste und Kaibaqualen litt. Doch ich hatte dieses Geheimnis noch niemandem anvertraut, da ich mir fest vorgenommen hatte meine Gefühle für Kaiba wegzuradieren, wie meine ganzen falschen Antworten bei einer meiner Mathearbeiten. Und wenn sie nicht mehr da sind, habe ich kein Geheimnis mehr und kann wieder so weiterleben wie bisher. Naja und schwul war ich ja auch noch, aber das würde ich ihnen dann schon irgendwann noch sagen. Naja, und so kam das ganze. So kam es, dass ich jetzt hier stehe im Erdgeschoss der Kaiba Corporation und Verträge kopiere, von denen ich noch nicht mal die Überschrift verstehe und dreiundzwanzig Stockwerke über mir seelenruhig mein persönlicher Alptraum saß und auf seine Kopien wartete. Wo blieb nur dieser Nichtsnutz von einem verlausten Straßenköter mit seinen Kopien? Noch nicht mal so eine triviale Aufgabe konnte Joey erledigen, ohne ihn einfach wütend zu machen. Wahrscheinlich ist er wieder ganz urplötzlich irgendwo stehen geblieben, weil ihm einer seiner unlogischen Gedanken durch den Kopf schoss und sein Erdnussgehirn dermaßen überfordert war, dass es sich von alleine auf Standby geschaltet hatte und er jetzt debil lächelnd in einem seiner Flure stand und versuchte raus zu finden, wie man einen Fuß vor den anderen setzte. Ja, das wäre durchaus im Bereich des Möglichen. Aber leider auch alles andere. Er könnte auf dem Rückweg vergessen haben wo er eigentlich hinwollte, oder die Kopien unten liegen gelassen haben, oder sich entschlossen haben seine Mittagspause vorzuziehen oder aber es wäre auch im Bereich des Möglichen, dass er sich schlicht und einfach verlaufen hatte. Denn genau wie seine verqueren Gedanken, war alles an Joey Wheeler hochgradig unlogisch. Man konnte nie wissen, was er als nächstes tat oder wie er reagierte. Selbst wenn man ihn mehrfach mit genau der gleichen Situation konfrontiere, war seine Reaktion jedes Mal eine andere. Völlig unberechenbar und unverständlich. Seto konnte in letzter Zeit einfach nicht nachvollziehen, was in seinem Kopf vorging. Naja, ob er das jemals gekonnt hatte? Eigentlich, war Joeys Verhalten schon immer sehr abstrus. Aber früher wusste Seto wenigstens wie er damit umzugehen hatte. Ja früher. Es gab ein früher, eine Zeit in der das Leben noch einfach und unkompliziert war, eine Zeit in der er auf ein bestimmtes Verhalten seinerseits auch eine bestimmte Reaktion von Joey entgegen gebracht bekommen hatte. Das war doch nicht so schwer, oder? Reaktion – Gegenreaktion. Sogar der müsste das mit seinem Spatzenhirn verstehen können. Und bis vor ein paar Monaten hatte er sich auch daran gehalten. Doch dann fing alles an sich zu verändern. Er hätte niemals gedacht, dass das seltsame Verhalten eines dämlichen Straßenköters so sehr sein Leben beeinflussen könnte. Doch das tat es. Leider. Er hasste einfach unlogische Dinge. Und das Mysterium Joey Wheeler gehörter eindeutig dazu. Nicht, dass ihn das wirklich aus der Bahn werfen konnte. Das wäre ja noch schöner. Aber er konnte nicht leugnen, dass Joeys Verhalten ihn irritierte. Er war einfach unkontrollierbar und Seto hegte einen tief sitzenden Groll gegen Dinge, die er nicht kontrollieren konnte. Und noch einen größeren Groll hegte er gegen Menschen, die ihn ignorierten. Es ist nicht so, dass er viel Aufmerksamkeit brauchte. Die hatte er zu genüge. Und meist war er froh, wenn die Menschen ihn in Ruhe ließen. Doch was einfach nicht zu ertragen war, war wenn er sich dazu herabließ sein Wort an eine niedere Kreatur zu richten und dann einfach ignoriert wurde. Man konnte Seto Kaiba nicht einfach ignorieren. Und bis jetzt hatte es auch noch niemand gewagt, außer Joey. Aber wer denn auch sonst. Bis lang hatte auch keiner gewagt sich mit ihm anzulegen außer Joey. Da war es eigentlich logisch, dass gerade er sich so eine Ungeheuerlichkeit raus nahm. Aber im Gegensatz zu ihren Streitereien war Desinteresse etwas, was er nicht so einfach hinnehmen konnte. Wenn sie stritten zog Joey meist den Kürzeren. Bei einem Wortschatz in dem jedes zweite Wort ‚Alter’ war, war das auch nicht sonderlich verwunderlich. Doch wenn er ihn ignorierte, fühlte er sich nicht ernst genommen und das war eindeutig inakzeptabel. War es ihm jetzt etwa zu langweilig sich mit ihm zu streiten? Seto senkte den Blick auf seine Unterlagen und spielte mit dem Füllfederhalter in seiner rechten Hand. War er ihm wirklich zu langweilig geworden? Auch wenn er es niemals zugegeben, geschweige laut ausgesprochen hätte, der Gedanke tat weh. Joey war ein Hitzkopf und leicht auf die Palme zu bringen. Aber keiner konnte es so wie Seto Kaiba und Seto wusste das. Und irgendwie bildete er sich etwas darauf ein. Es machte ihn nicht stolz, wenn sein Fanclub, bestehend aus neunzig Prozent der weiblichen Schülerschaft ihrer Schule, ihm zujubelte oder er wieder erfolgreich einen Millionenschweren Gewinn errungen hatte. Nein, dass machte ihn nicht stolz. Das machte er nebenbei. Die Firma zu leiten war viel Arbeit, aber keine zu große Herausforderung für ihn. Und die Mädchenherzen, die ihm hinterher geschmissen wurden, hatte er sich weder verdient noch gewünscht. Nein, das alles war nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, wenn Joey Wheeler wutentbrannt aufsprang und ihn mit diesen Augen anfunkelte. Mit diesen hellbraunen Augen, die sich auf Kommando verdunkelten, wenn er nur die richtige Formel anwandte. Keiner konnte das so wie er und ja verdammt er war stolz darauf. Denn so einfach war es nicht Joey so zu reizen, dass die Luft um ihn förmlich brannte. Er war zwar leicht anzustacheln, schließlich war er ein Hitzkopf sonder gleichen. Aber keinem schenke er dieses Funkeln in seinen Augen. Für keinen ließ er alles stehen und liegen nur um sich mit einem zu streiten. Außer für ihn. Und verdammt noch mal, darauf durfte er sich was einbilden und Seto war nicht gewillt sich das wegnehmen zu lassen. Doch Joey machte es ihm in letzter Zeit nicht einfach. Und dabei war er in Höchstform. So gemein und anmaßend wie schon lange nicht mehr. Er wusste wirklich nicht was er noch machen sollte. Entweder er wurde komplett ignoriert oder bekam einsilbige Antworten, die er in letzter Zeit erbärmlicher Weise schon als kleinen Erfolg verbuchte. Und manchmal guckte ihn Joey mit einem undefinierbaren Blick an und bevor Seto sich überhaupt fragen konnte was das soll, sah Joey auch schon wieder weg und verließ meistens auch noch fluchtartig den Raum. Und wenn das gerade nicht ging sah er so aus als würde er am liebsten durch nächste Fenster verschwinden, Hauptsache raus. Und manchmal ignorierte er ihn den ganzen Tag und schrie ihn dann plötzlich, sogar für Seto völlig unerwartet, an und schmiss nach ihm was er gerade fand und rauschte davon. Seto ließ den Kopf auf seinen Schreibtisch sinken. „Man is das kompliziert…“, nuschelte er gedehnt in einen Stapel Verträge. Er wollte doch nur, dass alles war wie früher. Wieso konnte Joey ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Sogar das Praktikum hier hatte nichts geändert. Dabei lief es schon eine Woche. Und Seto war wirklich ätzend gewesen. Kommandierte ihn rum, ließ ihn die blödesten Aufgaben erledigen und drückte ihm einen Spruch nach dem anderen. Er schickte ihn sogar dauernd zum kopieren in den ersten Stock, dabei hatten sie allein in dieser Etage ein dutzend von den Dingern. Letztens hatte er ihn sogar gebeten ihm ein neues Glas Wasser zu holen und dabei mit einem mehr als gespieltem ‚Ups’ das Glas vor Joey Füßen falle lassen und sagte dann Joey solle doch gefälligst aufpassen. Noch vor ein paar Monaten wäre er ausgerastet. Doch zu seiner großen Verwunderung und wie er zugeben musste auch Enttäuschung, machte Joey alles was er ihm sagte, ohne murren, ohne Fragen zu stellen. Wahrscheinlich würde er sogar ohne eine weitere Gefühlsregung zu zeigen vom Dach springen, wenn Seto ihm das sagte. So kann doch kein Mensch arbeiten! Das Klicken der Türklinke riss ihn aus seinen Gedanken. Er erhob seinen Kopf ruckartig von der Tischplatte und ordnete die Papiere unter ihm zu einem rechteckigen Stapel. Dennoch blickte er nicht zu ihm hin, sondern hielt seinen Blick weiterhin auf seinen Schreibtisch gerichtet. Er wusste auch so wer es war. Aus unerfindlichen Gründen wusste er immer, wenn Joey im gleichen Raum war wie er. Der Raum wirkte dann immer viel voller als vorher, als würde Joeys Präsenz sich wie Licht ausbreiten und ihre penetrante Anwesenheit jedem Aufzwingen, der da war. Zumindest hatte er oft das Gefühl, dass die Luft knapper wurde, wenn Joey anwesend war. Irgendwie beunruhigend. Er hörte das leise schlurfende Geräusch Joeys ausgelatschter Turnschuhe auf seinem Mahagonifußboden. Ohne ein Wort zu verlieren legte Joey die Kopien rechts neben Seto auf den Schreibtisch. Er wartete noch ein paar Sekunden, aber als Seto nichts weiter sagte, machte er sich wieder daran zu gehen. Seto sah zu ihm auf. Er sagte nichts, blickte ihm hinterher bis er kurz vor der Tür zum stehen kam und seinen Arm hob um sie zu öffnen. „Wheeler?“ ‚Ich wusste es.’ Joey ließ den Arm wieder sinken. Er wusste ganz genau, dass er hier nicht einfach wieder raus kam, ohne einen blöden Spruch, einen bissigen Kommentar oder zumindest einer neuen Aufgabe, die darauf hinauslief, dass er im Endeffekt wieder in diesem Büro landete. Das ging schon die ganze Woche so. Und er tat auch diesmal wieder, was er schon die ganze Woche getan hatte. Er drehte sich um, ohne ein Wort zu sagen, und wartete. Er sah nicht zum Schreibtisch. Der Mahagoniboden war faszinierend genug um sich mit seiner ganzen Aufmerksamkeit auf die Stelle vor seinen Füßen zu stürzen. „Komm her!“, Na Super. Und was sollte jetzt der Boden von ihm denken, wenn er einfach aufhörte ihn anzustarren? Joey stöhnte ergeben auf und setzte sich mit langsamen schluffenden Schritten in Richtung Big Boss in Bewegung. Sein Blick war weiterhin auf den Boden gerichtet. Es reichte schon, dass er mit ihm in einem Raum war und sich in seine Richtung bewegen musste. Da konnte er ihn nicht auch noch ansehen, sein Herz schlug ihm jetzt schon bis zum Hals. Jedes Mal. Jedes verdammte mal, wenn er hier in seinem Büro war. Und wenn er ihm nur die Post rein brachte. Was und wie lange war egal. Seine bloße Anwesenheit ließ seinen Puls hochschnellen, seinen Mund trocken werden und sein Gehirn Funktionen vergessen, die man benötigte für manch eine Banalität…sprechen zum Beispiel. Er ging gerade so weit vor, dass es als näher kommen durch ging aber dennoch Platz im Ausmaß eines Kleinwagens zwischen ihnen war. „Mein Gott, Wheeler! Hast du Angst vor den Büchern auf meinem Schreibtisch? Meinst du die Bildung könnte dir ins Gesicht springen? Keine Sorge, die ist schlau genug um zu wissen, dass das bei dir eh keinen Zweck hat. Und sie mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“ Sein Ton war bissig wie eh und je und genervt schien er auch noch zu sein. Der Klang seiner kalten Stimme konnte jedem Klumpen Trockeneis Konkurrenz machen. Joey sah auf und er wusste einfach, dass es ein Fehler war. Er sah zu Kaiba hin. Und Kaiba starrte ihn an. Mit einem seiner Blicke, die durch Titan gehen konnten wie durch Butter. Und wie sollte er das dann erst überleben…er war ja sogar noch weicher als Butter. Doch seine masochistische Ader verbat es ihm wegzusehen. Sein Blick durchbohrte ihn und schaltete eine Funktion nach der anderen aus. Sprachzentrum…ausgeschaltet. Gesunde Herzrytmusfunktion…zerstört. Zeitgefühl…dahin. Bezug zur Realität…verschwunden. Selbsterhaltungstrieb…was ist das? Gedanken…low Level. Ohne den Blick von seinen Augen zu nehmen konnte Joey erkennen, dass Kaiba wieder etwas sagte. Was konnte er nicht ausmachen. Sein Gehör hatte wohl auch gelitten. Aber dann passierte etwas, was Joey aus seiner Starre befreien konnte. Kaiba bewegte sich. Der Schreibtischstuhl rollte etwas zurück, er stützte die Arme auf die Lehne und die Beine vor sich auf den Boden und drückte seinen Körper in eine aufrechte Position. Joey war sich nicht sicher, aber das Wort, was irgendwo tief in seinem Gehirn für diese Handlung verankert war, war glaubte er aufstehen. Aber das war jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger war es, dass Kaiba dabei ihren Augenkontakt unterbrach. Fehler! Das war seine Chance. Jetzt hieß es Beine in die Hand nehmen und bloß weg hier. Joey wirbelte herum. Seine Gehirnfunktionen waren immer noch nicht ganz hochgefahren. Wo war noch mal geradeaus?! Egal. Weg war auf jeden Fall eine gute Richtung! Er lief einfach ein paar Schritte. Nicht wirklich in Richtung Tür, aber weg von Kaiba. Das war doch schon mal gut. Jetzt nur noch die Tür finden. Da! Okay, alles klar. Einfach laufen. Rechter Fuß vor den Linken. Ganz regelmäßig, nicht zu schnell, damit er sich nicht verhedderte. Man, war das doch kompliziert. Doch hinter ihm Bewegte sich etwas. Kaiba! Er kam ihm hinterher. Verdammt. Er hörte außerdem noch irgendwelche Worte, deren Inhalt er gerade eh nicht verstand. Sein einziger klarer Gedanke war: Raus hier! Er beschleunigte seine Schritte noch ein wenig. Immer die Tür im Auge. Bloß nicht nach hintern sehen. Und da war sie endlich. Die Erfüllung all seiner Träume. Also die Tür, nicht Kaiba. Obwohl sich darüber streiten ließe. Er packte den Griff, drückte ihn runter und zog. Sein Herz setzte einen Moment aus. Nichts. Es passierte Nichts! Verdammt. Er zog noch um einiges fester und versuchte die Tür aufzuziehen. Aber immer noch Nichts. Sie ließ sich nicht öffnen. Er hielt einen Moment inne. Überlegte. Bemerkte beiläufig, dass Kaiba mit zwei Metern Abstand neben ihm zum stehen gekommen war und dann plötzlich machte sich Panik in ihm breit. Die Tür war verschlossen. Und er war gefangen. Gefangen in einem Raum mit Seto Kaiba. Seto saß an seinem Schreibtisch. Joey stand mit einem gewissen Abstand davor und starrte ihn an. Und er starrte zurück. Er versuchte in ihm zu lesen. Er suchte wenigstens einen kleinen funken Empörung über seine abfällige Äußerung über Joeys Bildung. Aber Nichts. Stattdessen Blickte er ihn nur blöde an. Er sagte nichts. Er bewegte sich nicht. Konnte man sich da schon Sorgen machen? Es gab doch bestimmt schon Fälle in denen Leute in eine plötzliche Demenz fielen und nie wieder normal wurden. Also ewig konnte Joey hier nicht stehen. Wie sähe das denn den aus? Was sollte er seinen Geschäftspartnern sagen? Beachten sie ihn nicht, der ist ausgestopft. Klasse! „Köter, ich finde du solltest vielleicht in Erwägung ziehen dein Gehirn anzuschalten, denn dafür wurde es gemacht.“ Okaay…er sah nicht so aus, als ob er seine Worte verstanden hätte. Das war sogar Seto zu blöd. Er hatte nichts dagegen Joey stundenlang anzustarren, wenn sie sich stritten, aber dieser plötzliche Stromausfall in seinem Kopf war doch schon irgendwie beunruhigend. Seto schob seinen Schreibtischstuhl zurück und stand auf. Er sah wieder zum Köter, doch anstatt in seine braunen Augen zu blicken, sah er nur noch seinen goldblonden Schopf von Hinten. Joey ging ein paar Schritte nach rechts. Seto verstand nicht warum. Rechts war nichts. Und dann sah er auch noch so aus, als ob er die Fähigkeit des Laufens noch nicht allzu lange beherrschen würde. Fast wie Bambi bei seinen ersten Gehversuchen. Verdammt. Er hatte doch verdrängt, dass er sich diesen Film mit Mokuba ansehen musste. Super Joey! „Du machst mich noch vollkommen bekloppt!“ Seto ging hinter Joey her. Dieser schlug urplötzlich einen Hacken und rannte fast schon Richtung Tür. Ach, hatte er das Bambi aufgeschreckt? Armes Bambi. Setos Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Lächeln und er trat mit ein wenig Abstand neben Joey und sah, dass er wie blöd am Türgriff zog. Seto rollte mit den Augen. ‚Wenn der Idiot, den Griff Kaputt macht, bezahlt er ihn auch!’ Seto blieb einfach stehen und beobachtete interessiert das Geschehen. Es war schon wirklich faszinierend. Bislang hatte er ihn jeden Tag als eine dumme Flohtüte beschimpft, war aber doch irgendwie überzeugt gewesen, dass Joey auf eine abstruse, anormale Art und Weise eine gewisse Alltagsintelligenz besitzt. Doch jetzt. Alle Tatsachen sprachen dagegen. Da stand Joey. In seinem Büro und zog verzweifelt an einer Tür, die sich ganz einfach durch drücken öffnen würde. Faszinierend. Ganz und gar faszinierend. Doch jetzt tat sich endlich was. Er ließ den Griff nicht los, hörte aber kurz auf daran zu ziehen. Dann sah man, wie es hinter seiner Stirn anfing zu arbeiten. Seto konnte deutlich sehen, wie der Groschen fiel und fiel und fiel. Doch Joeys vor entsetzten geweiteten Augen zeigten, dass der Groschen zwar fiel, aber leider in die falsche Richtung. Seto seufzte. Was war nur mit seinem Hündchen los? Er sollte ihn wohl wirklich besser an die Leine nehmen, bevor er noch vor ein Auto lief oder voller Elan eine Gabel in eine Steckdose steckte. Eingesperrt mit Seto Kaiba. Das durfte doch alles nicht war sein. So viel Pech konnte er gar nicht haben. Das würde er nie im Leben aushalten. Er war tot. Er war ja so was von Tod. „Wheeler!“ Shit. Sein Herz raste…mhh…es schlug noch. Ein komisches Gefühl zu leben, wo man doch eigentlich schon tot war. Egal. „Verdammt, Kaiba mach die verdammte Tür auf.“ Seine Stimme war ein wütendes, etwas verzweifeltes Knurren. Aber wenigstens war sein Sprachzentrum wieder betriebsfähig. „Warum machst du sie nicht auf, Köter? Ist das mit deinen Hundepatschepfötchen zu schwer?“ „Ich bin kein Hund!! Und tu nicht so. Du weißt genau, warum ich die Tür nicht aufmachen kann.“ „Ich weiß es, du weißt es. Jeder der dich sieht weiß, dass deine Intelligenz kaum mit der einer Stubenfliege konkurrieren könnte.“ „Kaiba!“, presste Joey zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Eine altbekannte Wut stieg in ihm hoch. Wie schaffte Kaiba es nur immer wieder ihn so wütend zu machen und dabei noch das Bedürfnis in ihm zu wecken ihm um den Hals zu fallen und bewusstlos zu küssen. „Was denn Hundchen? Willst du deinem Herrchen etwas sagen?“ Kaiba ging einen Schritt auf Joey zu. In seinen Augen funkelte es belustigt und angriffsfreudig, wie immer wenn sie sich stritten. Joey strauchelte ein paar Schritte zurück in den Raum. Er kam nicht darum rum bei dem Wort ‚Herrchen’ eine Gänsehaut zu bekommen. Er fühlte sich so hilflos in Kaibas Gegenwart. Um das zu überspielen half nur eins. Streiten. „Man Alter, du solltest dir vielleicht wirklich mal ein Haustier zulegen, ist ja schon erbärmlich wie du immer an mir klebst.“ Joey stand jetzt ungefähr in der Mitte zwischen Schreibtisch und Tür und Kaiba kam mit bedrohlich langsamen Schritten auf ihn zu. Doch Joey blieb nun stehen. Fest entschlossen ihm wenigstens einmal wieder Kontra zu bieten. „Tja Wheeler, deine außerordentlichen Fähigkeiten faszinieren mich einfach. Vielleicht sollte ich dich wirklich an die Leine nehmen, bevor dich mir noch jemand wegschnappt.“ Oh er hasste es, wenn Kaiba so sarkastisch war. Diesmal kam Joey Kaiba einen kleinen bedrohlichen Schritt entgegen. „Wenigstens hab ich Fähigkeiten. Du kannst dir ja noch nicht mal ein Butterbrot selber schmieren!“ „Hör mal Köter, das Argument kommt nicht gut, wenn wir in meinem Büro stehen. Alle Tatsachen sprechen dagegen.“ „Ach ja? Seit ich hier Praktikum mache, hab ich dich noch nie was machen sehen. Du scheuchst mich nur rum mit lächerlichen Botengängen und machst zwischenzeitlich gar nichts. Würde mich nicht wundern, wenn du nur zur Abschreckung der Medien fungieren würdest!“ „Was hätte ich denn sonst mit dir machen sollen? Du bist doch zu was anderem als Botengängen gar nicht fähig. Und irgendeiner muss ja auf dich aufpassen. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit zum arbeiten. Das ist auch für mich nicht prickelnd.“ „Ach ja? Sah aber so aus, als hättest du dich köstlich amüsiert.“ „Als würdest du Flohtüte, in mir auch nur ansatzweise positive Gefühle hervorrufen. Ich war eher genervt.“ „Gefühle? Das Wort kennst du?!“ Kaiba kam noch einen Schritt auf Joey zu. „Wheeler!“, zischte er. Joey sah ihn an. „Danke, ich weiß wie ich heiße!“ Kaibas erster Hemdknopf war auf. „Da bin ich mir manchmal nicht so sicher, Hundchen.“ Eine verirrte Haarsträhne hing in seiner Stirn. „Vielleicht würde es helfen, wenn du mir nicht dauernd neue Namen geben würdest!“ Sein Shampoo roch nach Limone. „Was? Gefällt dir das nicht, Hundi? Das tut mir aber leid.“ Seine schwarze Hose saß eng an seinem Körper. „Verdammt Kaiba, du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig. Ich bin kein Hund!“ Seine Lippen waren zu einem minimalem gemeinen Lächeln verzogen. „Tja Wheeler, aber du benimmst dich wie einer…“ Seine wundervollen Hände waren lässig neben seinem Körper niedergelassen. „…du hast Manieren wie einer…“ Der Gürtel mit dem Kaiba Corporation Logo war eng um seine Hüften geschlungen. „…du sieht aus wie einer…“ Seine Lippen waren die pure Sünde. „…du bist tollpatschig wie einer…“ Seine Lippen… „…und du rennst deinem Herrchen nach wie ein räudiger...ahhh“ Ja so musste das sein. Sie beide in seinem Büro und ein Streit, dass die Fetzten flogen. So kannte er Joey. Voller Feuer. Um keinen blöden Spruch verlegen. In seinen Augen konnte er sehen, wie wütend er war. Sie leuchteten. Sie strahlten. Sie waren einfach faszinierend. Er würde alles dafür tun, dass Joey ihn für immer so ansah. Er fühlte sich so lebendig, wie sonst nirgendwo. Er fragte sich wie viel er ihn reizen konnte. Ob es eine Grenze gab. Und wenn ja, was passierte, wenn er ihn darüber trieb. Sie beleidigten sich abwechselnd. Es tat so gut endlich mal wieder ganze Sätze von ihm zu hören. Und am besten Gefiel ihm immer noch der eine, den er wohl in zehn Jahren noch sagen würde. „Verdammt Kaiba, du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig. Ich bin kein Hund!“ Oh doch das war er, er war sein Hund. Sein Besitz. „Tja Wheeler, aber du benimmst dich wie einer…“ Seto konnte sehen wie das Feuer in Joeys Augen stärker wurde. „…du hast Manieren wie einer…“ Seine Augen wurden dunkler. „…du sieht aus wie einer…“ War hier die Grenze? „…du bist tollpatschig wie einer…“ Kaiba konnte sehen wie sich etwas in seinen Augen veränderte. Sie wurden noch dunkel. So dunkel hatte er sie noch nie gesehen. „…und du rennst deinem Herrchen nach wie ein räudiger...ahhh“ Die letzten Worte blieben ihm im Hals stecken, als Joey sich auf ihn stürzte. Völlig überrumpelt von dieser unvorhersehbaren Aktion konnte Seto sein Gleichgewicht nicht halten und viel einfach nach hinten. Er landete hart auf dem Boden. Joey auf ihm. Joey hielt ihn am Kragen und zog ihn zu sich rauf. Ihre Gesichter waren nur noch eine Handbreit von einander entfernt. Joey sah Seto direkt in die Augen und ihm lief einer kalter Schauer über den Rücken. Seine Augen waren fast schwarz, sein Körper auf ihm bis in jeden Muskel angespannt und sein Brustkorb hob und senkte sich schell. Sein Atem streifte Setos Gesicht. „Was soll das Köter?“, zischte er. Zu seinem Ärger ziemlich leise und bedächtig. Er wusste einfach nichts mit der Situation anzufangen. Joey kam seinem Gesicht noch ein wenig näher, wenn das überhaupt noch möglich war. Seine Stimme war ein Hauch. Ein Zischen. Ein Flüstern. Doch jedes Wort drang so deutlich an seine Ohren, als hätte er ihn angeschrieen. „Ich bin kein Hund, Seto.“ Und bevor er auch nur die Chance hatte zu antworten drückte Joey seine Lippen auf seine. Seto hatte das Gefühl vom Blitzt getroffen zu werden. Sein Körper war so gespannt und geladen, dass er sich augenblicklich verkrampfte. Er hielt die Luft an, die Augen weit aufgerissen und registrierte so noch, dass Joeys geschlossen waren, während er seine weichen Lippen hart auf seine presste. Es dauerte nicht lange. Nach ein paar Sekunden wurde der Druck auf seine Lippen weniger. Joeys Lippen berührten seine nur noch leicht. Ganz sanft und langsam entfernte er sich von seinem Gesicht und Seto musste entsetzt feststellen, dass er nicht wollte das Joey aufhörte. Joeys Augen öffneten sich nur langsam. Sein Blick war traurig und verklärt. Seto starrte ihn weiter nur an. Als Joey seine Augen vollständig geöffnet hatte spürte Seto wie Joey über ihm zusammenzuckte. Gerade so, als wäre ihm jetzt erst klar geworden, was er da überhaupt gemacht hatte. Joey starrte ihn an. Schockiert und irgendwie verzweifelt. Über seine Lippen kam nur eines leises: „...oh...Gott...“ Damit sprang er auf und taumelte ein paar Schritte zurück. Seto konnte nichts anderes tun als ihn anzustarren. Joey sah überall hin, nur nicht zu ihm. Er ging immer weiter rückwärts bis er schließlich an Setos Schreibtisch ankam und nicht mehr weiter konnte. Er fing an stotternd zu brabbeln. „Du…also…weißt du…ich…ich meine…ähm…“ Es sah nicht so aus, als ob er heute noch damit aufzuhören gedachte. Seto lag immer noch auf dem Boden. Er hatte sich auf seine Arme gestützt und schaute Joey einfach nur an. Und die Erkenntnis traf ihn schneller als es ihm lieb war. War das der Grund warum Joey ihm aus dem weg gegangen war? Wär das hier sonst schon früher passiert? Seto erinnerte sich an Joeys Blicke während des Unterrichts. Jetzt verstand er was sie bedeuteten. Wenn er mit seiner Schlussfolgerung wirklich richtig lag, dann musste das Praktikum die Hölle für Joey gewesen sein. Wenn ihm so ein Gefühl wie Mitleid bekannt wäre, dann hätte er jetzt fast welches für ihn gehabt und es täte ihm fast leid, wie er sich die letzte Woche benommen hatte. Aber eben nur wenn und dann auch nur fast. Der Idiot hätte doch auch mal was sagen können. Denn zu Setos eigener Überraschung war er…naja…nicht ganz abgeneigt. Der Kuss eben, wenn man das so nennen konnte, war nicht unangenehm gewesen. Und naja…vielleicht war das ja eine bessere Alternative ihn an sich zu binden, als weiter zu versuchen die Sache mit der Leine durch zusetzten. Aber was dachte er denn da. Das war doch alles…einfach seltsam. Es passte nicht in sein geordnetes Leben…aber dennoch. Um sich darüber klarer zu werden würde er bestimmt noch etwas Zeit brauchen…und etwas mehr Joey. Seto wurde gerade bewusst, dass er immer noch auf dem Boden lag und Joey immer noch brabbelte. Er blickte zu ihm auf. Oh Gott. Oh mein Gott. Was hatte er getan. Wie konnte er nur. Das war doch alles nicht auszuhalten. Kaiba würde ihn umbringen. Eiskalt abmurksen. Füße in Beton, Nacht, Dunkelheit, Fluss, fertig. Wie konnte er nur so die Beherrschung verlieren? Er konnte noch nicht mal weglaufen. Auf dem weg zur Tür lag Kaiba. Schon seit einer Minute. Er stand bestimmt unter Schock. Wenn Joey Glück hatte, würde Kaiba einfach umfallen und sich beim aufwachen an nichts mehr erinnern. Aber das sah im Moment nicht so aus. Oh nein. Jetzt bewegte er sich. Er steht auf. Oh Gott. Er geht auf Joey zu. ‚Oh Gott…ich glaube ich brauch einen anderen Spruch um meine Verzweiflung auszudrücken.’ Noch ein Schritt. Kann der nicht bleiben wo er ist? Joey kann ihm nicht in die Augen sehen. Das aufdringlichste seiner momentanen Gefühle war Angst. Reine Panik. Aber da waren noch ganz andere Gefühle die mitschwangen. Scham. Ihm war es unendlich peinlich was er getan hatte. Wenn er Pech hatte, würde Kaiba das später als Grund nehmen ihn aufzuziehen. Naja, falls er das hier tatsächlich überlebte versteht sich. Und da war noch etwas. Das Gefühl, was er sowieso schon hatte, was aber durch seine tolle Knutsch-den-Kaiba-Aktion nicht besser geworden war. Seine Sehnsucht. Er wollte mehr. Der Kuss war nicht sehr lange und alles andere als romantisch. Aber seine Lippen auf seinen zu fühlen war mehr Glücksgefühl, als sein Körper verarbeiten konnte. Die Hormone schossen nur so durch seine Blutbahnen und am liebsten hätte er nie wieder damit aufgehört. Er musste einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sie bringen, sonst konnte er für nichts garantieren. Er fühlte sich jetzt schon wie ein durch geknallter Irrer. Nur noch zwei Meter. Wann war der denn so nah gekommen? Shit. Er darf nicht näher kommen. Joey wollte nur noch raus. Zu viele Gefühle, zu viel Verwirrung. Er musste hier weg sonst würde er noch anfangen zu heulen. Joey sieht gerade wirklich aus wie ein auf geschrecktes Reh. Irgendwie…und er hasste sich für diesen Gedanken…süß. Er ging langsam auf Joey zu und dieser wirkte als würde er gleich eine Herzattacke bekommen und auf der Stelle tot umfallen. Das sollte er sich bloß nicht wagen, bevor Seto sich seinen seltsamen Gefühlen klarer war. Noch ein Meter zwischen ihnen…sollte er vielleicht etwas sagen? Er wollte gerade ansetzten, als Joey wieder anfing sein vorlautes Mundwerk zu öffnen. „Bleib wo du bist! Ich weiß, dass du mich umbringen willst, aber ich will nicht sterben!!“ „Sag mal spinnst du?!!“ Umbringen? Wie sah er aus? Wie ein Mafiosi? Toll Köter! Seto ging noch einen Schritt nach vorne. ‚Er kommt einfach immer näher! Ich bin zu jung zum sterben. Und außerdem will ich nach Hause. Scheiße, ich fang gleich echt an zu heulen.’ Joey fühlte sich elend, aufgeschreckt und arg in die Ecke gedrängt. Zu viele Gefühle, zu viel einfach. „Hau ab, verdammt!“ Seine Panik schlug um in Hysterie und griff sich den nächst Besten Gegenstand, den er fand und schmiss ihn nach Kaiba. Er hatte wohl einen Briefbeschwerer erwischt. Aber da er in seinem Zustand wohl auch nicht zielen konnte flog das Ding rechts von Kaiba mit einem lautem ‚Klong’ auf den Boden. „Sag mal drehst du jetzt völlig durch? Reg dich ab, verdammte Scheiße noch mal!“ Kaibas Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Sein unfreundlicher Ton traf ihn mitten ins Herz. Er war lange nicht mehr so verletzlich gewesen und diese unfreundlich Stimme war der eine kleine Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte und seine überschäumenden Gefühle strömten aus ihm heraus. Er merkte wie sich Tränen in seinen Augen bildeten und das machte ihn wütend. Das machte ihn so was von wütend. Er hatte Macht über rein gar nichts. Sein Leben glitt ihm aus den Händen, er war völlig hilflos. Und dann konnte er noch nicht einmal seine Tränen kontrollieren, die jetzt über seine Wangen liefen. „Ich soll mich abregen, ja??!!“ Er griff nach einem weiterem Gegenstand. Diesmal war es ein Adressbuch. Er schmiss es in Kaiba Richtung. Der wich mit einer minimalen Bewegung aus. Aber da lag ja noch mehr auf dem Tisch. „Weißt du was, du kannst mich mal!!“ Ein Fülleretui. „Scheiße, du hast doch keine Ahnung wie das ist!“ Ein Funktelefon. „Du hast doch keine Ahnung wie du bist! Du eiskalter Mistkerl!!“ Ein Eine kleine Tischlampe samt Kabel und rausgerissenem Stecker. „Wie scheiß weit weg du bist! Du ARSCHLOCH!!“ Das letzte was er erwischte war ein Stapel Dokumente die er einfach auf ihn zu schleuderte, Kaiba war allen Gegenständen mir Leichtigkeit ausgewichen und stand nun genau vor ihm. Die Blätter flogen wild um sie herum. Er war so furchtbar nah. Er konnte sein Gesicht nicht sehen zwischen all den wirbelnden Blättern, aber er wollte es auch gar nicht. Er griff nach hinten, aber er bekam nichts zu fassen. In völliger Panik über Kaibas Nähe ließ er seine rechte Hand nach vorne schnellen um ihn zu schlagen. Er wollte auf ihn einschlagen, weil er ihn so hasste und sich noch mehr dafür, dass er ihn liebte. Doch sein Hand kam nie an. Mit der einen Hand packte Kaiba den hervorschnellenden Arm am Handgelenk und hielt ihn fest. Mit der anderen Hand griff er sich das andere Handgelenk. Seto hatte Joey noch nie so aufgelöst gesehen. Das er sowieso immer alles runter schmiss war nicht neu, aber mutwillig hatte er bis noch keine ganzen Zimmer auseinander genommen. Ihn so am Boden zu sehen, war nicht so schön wie er immer gedacht hatte. Um ehrlich zu sein, war es ganz schon beschissen. So war Joey einfach nicht. Er war Optimist. Fröhlich. Begeistert. Halt das genaue Gegenteil von ihm. Es war nicht schön ihn so zu sehen. Und viel schlimmer fand er es, dass er der Grund dafür war. Er wollte der Grund dafür sein, dass seine Augen funkelten. Er wollte ihn wütend machen. Aber nie, nein niemals wollte er ihn zum weinen bringen. Er griff wieder hinter sich. Die Blätter von Joeys letzter Attacke flogen noch überall um sie rum. Anscheinend fand er nichts, denn seine rechte Hand schnellte nach vorne um mit roher Gewalt seine Verzweiflung auszudrücken. Seto fing seinen Arm auf und schnappte sich auch noch das andere Handgelenk. Joey fing an sich zu wehren. Er zappelte herum, aber Setos Griff war eisern. „Lass mich los verdammt!“ Seine Stimme war wütend und gleichzeitig hörte man, dass er weinte. Seto hielt ihn einfach fest. Bestimmt eine Minute verging bis Joey einsah, dass es keinen Sinn hatte und seine Hände sinken ließ. Seto ließ ihn dennoch nicht los. Joey sagte nichts mehr. Seto musste schlucken als er die stummen Tränen sah, die seine Wangen entlang liefen. Er beugte sich zu Joey runter. Er wusste nicht genau was ihn dazu trieb. Es war nicht seine Art. Aber er wollte nicht das Joey weinte. Nicht wegen ihm. Er küsste eine Träne weg. Dann noch eine. Und noch eine. Joeys Körper spannte sich in der Sekunde an, als Setos Lippen seine Wangen berührten. Joey hielt den Atem an. Was machte er da? War das sein ernst? Wieso tat er das? Tränenfetisch? Unwahrscheinlich. ‚Oh bitte Seto spiel nicht mit meinen Gefühlen’ war der einzige erstickte Gedanke, der durch den Nebel hindurch kam, der sich in seinem Kopf bildete. Seto legte seine Stirn auf Joey Schulter und murmelte ganz leise: „Verdammt Joey, ich bin doch da.“ Joey Herz fing wieder an zu schlagen und zwar mit einer unheimlichen Geschwindigkeit. Seine Worte waren nicht kalt wie sonst. Auch wenn das Wort in Verbindung mit Seto Kaiba lächerlich war…es klang schon fast…sanft. Joey bewegte sich nicht. Spürte nur Setos Griff um seine Handgelenke, der mittlerweile ganz schwach geworden war. In diesem Moment passierte etwas von dem er sich nie zu träumen gewagt hatte. Die unerreichbaren Wolken stürzten vom Himmel herab und landeten an der Zimmerdecke. Joey schluckte. Die Bewegung ließ Kaiba aufschrecken. Er hob seinen Kopf und sah Joey an. Nach Sekunden die er brauchte um alles zu verarbeiten wurde Seto rot. Er ließ Joey los. „Ähm, also“ Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich hin. „Das müsste noch kopiert werden.“ Mit diesem Satz legte er eine offensichtlich willkürliche Auswahl an Blätter vor sich. Joey starrte ihn unverwandt an. War das sein ernst? Naja, sah ihm ähnlich. Aber war das wirklich sein ernst?? Aber wenn er so darüber nachdachte. Was hatte er erwartet? Ein Happy End mit Musik und Rosenblüten? Nein, das war zu einfach für so einen Menschen wie Kaiba. Er hatte etwas ganz anderes bekommen. Etwas viel besseres. Nämlich Hoffnung. Die Hoffnung auf ein Happy End. Mehr brauchte er nicht. Damit konnte man arbeiten. Dann lächelte er. „Ja, kein Problem.“ Er wischte sich die Tränen ab und lächelte einfach nur. Diese Aktion, wie seltsam, unrealistisch und grotesk sie auch war. Sie Zeigte ganz deutlich, dass die Wolken nicht so hoch hingen wie er dachte. Würde er eine Leiter nehmen, noch einen Stuhl drauf stellen und sich auf die Zehenspitzen stellen…ja, dann käme er vielleicht an sie heran. Er nahm die Blätter in die Hand. Sah zu Seto, der sich damit beschäftige seine restlichen Sachen auf seinem Schreibtisch zu ordnen. Ein leichtes Rot zierte immer noch seine Wangen. Um Himmels Willen. Wenn er nicht gleich abhaut sterbe ich. Mein Gott, ich hätte nie gedacht, dass mir noch mal was peinlich sein würde. Aber als er so nah bei ihm war, hatte er ganz deutlich gemerkt, dass da mehr war. Keine Ahnung was, aber irgendwas war da. Aber das konnte er später herausfinden. Nicht mehr heute. Für heute hatte er genug. Er sah wie Joey sich umdrehte und ein paar Schritte zur Tür ging. Doch dann drehte er sich noch mal um. ‚Mist. Muss der mir jetzt so dreist in die Augen sehen?’ Joey lächelte. Naja…so war sein Anblick doch zu ertragen. „Danke, Seto.“ Sagte er leise und verschwand wieder Richtung Tür. Seto wurde wieder etwas mehr rot. Klasse! Aber naja, Joey war schließlich sein Hündchen. Da war das schon okay. „Du musst die Tür noch aufschließen.“ „Drücken.“ „Was??“ „Die Tür!“ „Oh.“ ~Ende~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)