Die andere Welt von Blonde_Hexe ================================================================================ Kapitel 6: Ein Berg schmilzt, ein Drache wir recht lästig und Skaras Schlüssel öffnet ein Tor. ---------------------------------------------------------------------------------------------- Hi Leute, endlich geht es weiter. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat^^ Hoffe euch gefällt es Es war unglaublich, wie schnell die Trolle sich bewegen konnten. Sie stürmten durch die dunklen Korridore so schnell voran, dass es uns schwer fiel, ihnen mit unseren Verwundeten zu folgen. Meine eigenen Kräfte kehrten sehr schnell zurück. Gegen sechs Millionen Grad Hitze, die ein Energiewerfer erzeugen konnte, war auch ich nicht gefeit. Aber normale Verletzungen, auch solche, die für Asen und Menschen, die Trolle nicht ausgenommen, tödlich endeten, konnten mir kaum etwas anhaben. Ich hatte also gute Hoffnung, dass unsere Verwundeten im Laufe der nächsten Stunden ihre alte Kraft zurück gewinnen würden. Ich war überrascht, wie groß mein Volk die gesamte Anlage vor Jahrtausenden angelegt hatte. Der Bürgerkrieg unter den Asen hatte damals seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Man hatte uns mit unseren Ansichten über fremde Völker und Rassen und unserer Vorstellung vom Bild eines vollwertigen Lebewesens immer stärker angefeindet, bis uns kein anderer Ausweg blieb, als unseren Lebensraum in dem immer mehr uns fremde Menschen mit Genehmigung der Zentralregierung eindrangen, mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Aber Asen, Menschen und auch die von ihnen als gleichwertige Lebewesen angesehenen Droohr waren uns weit überlegen gewesen. So blieb uns nichts anderes übrig als die Heimat, die die Erde für uns war, zu verlassen. Von dieser Festung aus hatten wir bis zur letzten Sekunde den Abzug unseres Volkes geschützt. Oh welche Narren waren die Asen gewesen, in ihrem Menschlichkeitswahn die Droohr als von der Natur geschaffene, gleichwertige Lebewesen anzusehen. Sie hatten ihnen in jeder Hinsicht bei ihrer Entwicklung Hilfestellung gegeben. Viel zu spät hatten sie ihren schrecklichen Irrtum bemerkt. Viel zu spät hatten sie auch begriffen, wie engstirnig die von ihnen ebenfalls in allen Punkten gestärkten Menschen waren. Erst als die Menschen die Asen mit ihren eigenen Waffen bedrohten, begriffen sie zumindest in Teilen ihr ungeheuerliches Tun. Aber was half uns das jetzt. Gewaltsam schob ich diese Gedanken beiseite. Hoch über uns tobten jetzt wahrscheinlich Urgewalten von den Droohr entfesselt. Was mochten die Menschen denken, wenn ein mächtiger Gebirgsstock buchstäblich verdampfte und Ströme flüssigen Gesteines wie Wasser in tiefere Lagen strömten. Hier tief unter mächtigen Schichten harten Urgesteines war im Moment wenig davon zu spüren. Die Beben, ausgelöst von den Waffen der Droohr hatten aufgehört. Es war uns gelungen, buchstäblich in letzter Sekunde aus den oberen Bereichen der Festung zu fliehen. Unvorstellbare Temperaturen hatten die Wände zum Glühen gebracht. Nur Minuten später mussten sie glutflüssig geworden, zusammengebrochen sein. Wie viele Opfer es unter den Trollen gegeben hatte, konnte ich nur abschätzen. Aber die Zahl derer, die mit uns durch die grob bearbeiteten Stollen flüchteten, war erschreckend gering. Die technischen Anlagen, die einst einen flüssigen Verkehr mit Spannungsfeldern betriebenen Fahrzeugen erlaubt hatten, waren längst ausgefallen. So blieb uns also nichts anderes übrig, als zu Fuß und so schnell es eben ging in die Tiefe zu flüchten. Dabei bewegten wir uns allerdings auch seitlich tief in das eigentliche Felsmassiv hinein. Ich hatte die stille Hoffnung, dort einigermaßen in Sicherheit zu sein. Ein mächtiges Tor versperrte uns schließlich den Weg. Diese Tor war aus einem Material gefertigt, das nur wir Askaren kannten. Es hätte auch den Waffen der Droohr standgehalten. Einmal gefertigt, vermochte kaum noch etwas diesen Stahl zu zerstören. Sein Schmelzpunkt lag dann so hoch, dads es selbst bei einem Sturz in die Sonne nicht vergehen würde. Und dieses Tor, in dem inneren Bereich der ehemaligen Kommandozentrale der Festung, war verschlossen. Wollte man an ihm vorbei, hätte man den Fels ringsum vernichten müssen und selbst ich wusste nicht, wie weit die Abschottungen in den Fels hinein reichten. Mit der Energie unserer Schwerter oder Pistolen war hier nichts mehr auszurichten. Dieses Tor gebot unserem Vormarsch Einhalt. Erschöpft ließen sich die Trolle und Asen in der weitläufigen Halle vor dem Tor nieder. Für das, was sich jetzt in mir abspielte, hatten die Menschen ein passendes Wort gefunden. Sie nannten es Extrasinn. Die Welt in der wir lebten, hatte uns gezwungen, weite Teile des Gehirnes zu aktivieren und gezielt zu benutzen, die bei anderen Lebewesen bestenfalls in ihren Träumen aktiv wurden. So war es möglich, dass gleichzeitig mit mehreren gedanklichen Abläufen eine Flut von Beobachtungen und Erinnerungen abgeglichen werden konnten. Für uns war es alltäglich, zwei Gedanken gleichzeitig zu denken. Ich verglich die Bilder und Pläne, die ich während meiner Ausbildung einmal gesehen hatte, mit der Struktur der Gänge, die ich eben durcheilt hatte. Ganz klar sagte mir die andere Stimme, dass es dieses Tor nicht geben durfte. Es hatte hier nichts zu suchen. Dieser Gang müsste in etwa achthundert Metern in einem weiten Felsendom enden, der einmal der letzte Zufluchtspunkt für die Soldaten gewesen war, die unseren Rückzug mit ihrem Leben deckten und bezahlten. Wie sollten wir hier weiter kommen? Hinter uns mussten alle Zugänge ans Tageslicht von Meter dicken geschmolzenen und wieder erstarrten Gesteinschichten verschlossen sein. Um uns mit unseren Waffen da hindurch zu arbeiten, würde viel zu lange dauern. Zudem war recht unklar, was uns dann oben erwarten würde. Mit absoluter Sicherheit waren ganze Schwärme von Wissenschaftlern und Militärs bereits auf dem Weg. Gut, wir hätten ihnen irgend eine phantasievolle Geschichte erzählen können, die sie mangels besseres Wissen wohl auch geglaubt hätten. Aber wie hätten wir das Vorhandensein der Trolle erklären können? Ich stand unmittelbar vor dem matt schimmerndem Tor, dessen spiegelglatter Oberfläche auch die vielen Jahre nichts hatten anhaben können und da geschah es. Etwa in Augenhöhe drang ein fluoreszierendes Licht aus dem Metall hervor. Der Strahl verbreitete sich so lange, bis er meine gesamte Gestalt umschloss. Mein Herzschlag wurde unwillkürlich stärker. Was auch immer hinter dieser Türe verborgen lag, es versuchte mich zu erkennen. Meine gesamte Körperstruktur wurde davon erfasst und mit wahrscheinlich vorhandenen Daten verglichen. Es war aber höchst zweifelhaft, dass diese sicher Jahrtausende alte Anlage meine persönlichen Daten zum Abgleichen besaß. Von der Decke herab ertönte eine Stimme die so mächtig und gewaltig war, dass die Trolle ängstlich aufschrieen und sich um das kleine Häufchen meiner Leute scharten. Nur ein übermächtiges Wesen konnte solche Laute von sich geben. „Was wagt ihr sterblichen Kreaturen euch in die Tiefen meines Reiches? Geht, oder mein Zorn wird euch vernichten.“ Nachhallend in den weiten Gängen verklang die Stimme und das grüne Licht weitete sich über die gesamte Halle aus. Ich stellte mich breitbeinig vor das Tor. Mit lauter kräftiger Stimme rief ich „Hier steht Thor von Orvig. Befehlsberechtigter Offizier der heiligen Wache. Kannst du mit meinen Angaben etwas anfangen?“ Was auch immer hinter dem Tor war, es benötigte nicht den Bruchteil einer Sekunde, um meine Worte zu verarbeiten. „Deine Angaben wurden verarbeitet. Ich bin derzeit nicht in der Lage, deine Aussage zu überprüfen.“ „Sind dir die vergangenen Zeitabläufe bekannt?“ Die Antwort kam sogleich. „Sie sind bekannt. Wünschen sie eine präzise Angabe?“ „Danke, verzichte. Kannst du das Tor für uns öffnen.“ „Das Tor kann geöffnet werden. Jedoch nur durch eine befehlsberechtigte Person die ich anerkennen darf.“ „Du bist also ein Roboter.“ „Ich bin das Zentralhirn der Festung von Gjörhamvarnok.“ „Dann öffne uns.“ „Dazu bin ich nicht berechtigt. Nur auf Weisung einer dafür ausgewiesenen Person darf ich meine Programmierung ändern.“ „Ich bin befehlsberechtigter Offizier.“ „Dazu muss die Leistung deines Gehirns gemessen werden. Du weißt, dass nur eine Leistung von mindestens 2.741 dafür notwendig ist. Ich bin nicht berechtigt, von mir aus diese Messung vorzunehmen.“ Langsam ging mir dieser Blechkasten auf die Nerven. Natürlich wusste ich genau, dass es kein Blechkasten, sondern ein etwa 100 Zentimeter großer künstlicher Kristall war, in dessen Inneren sich für menschliche Vorstellungen unwahrscheinliche Abläufe abspielten. Das modernste Elektronengehirn der Menschheit war dagegen ein Kinderspielzeug. „Ich gebe dir hiermit den Befehl, die Prüfung zu vollziehen. Nach der Notverordnung kann die Erlaubnis, bei sicherer Feststellung meiner Berechtigung, nachträglich gegeben werden.“ Die Stimme schwieg. Dafür aber spürte ich, dass ein für mich unsichtbares Feld auf mein Gehirn zugriff. Ich erstarrte augenblicklich und unterbrach jeden Gedanken, um die Erkennung nicht zu blockieren. Das hätte für mich recht fatale Folgen haben können. Wobei dauerhafte geistige Umnachtung eine der ganz nebensächlichen Auswirkungen hätte sein können. Es dauerte nicht lange, dann klang die Stimme erneut auf. Diesmal mit absolut menschlicher Tönung. „Herr Thor von Orvig, sie wurden als befehlsberechtigt in der höchsten Stufe erkannt. Die gesamte Anlage steht damit unter ihrem Kommando. Ich öffne jetzt das Tor.“ Meine Freunde und die Trolle hatten der Zwiesprache mit dem Tor stumm zugehört. Die Angehörigen meines Volkes kannten so eine Anlage. Für die Asen war sie noch verständlich, den Trollen jedoch musste all das recht gespenstisch erscheinen. Völlig geräuschlos hob sich ein Teil des mächtigen Tores und gewährte uns Einlass. Das zeigte das Alter dieser Anlage. Denn seid über dreitausend Jahren erlaubte uns unsere Technik, in diesem Falle einfach, durch das Material hindurch zu gehen. Platz war dafür im atomaren Universum in jedem Falle. Es gehörte nur ein kleiner technischer Trick dazu. Auf den man allerdings erst kommen musste. Bereits bei unserem Eintritt flammte die Beleuchtung im Inneren des Torbereiches auf. Zugleich strömte warme, relativ trockene Luft zu uns her. Noch während wir das Tor durchschritten, tauchten in weite, weiße Gewänder gehüllte Gestalten auf, die sich ohne zu fragen, um uns kümmerten. Ihre fein geformten Gesichter ließen erst bei genauem hinsehen erkennen, dass es sich um künstlich erschaffene Wesen handelte. Es waren keine Maschinenmenschen im eigentlichen Sinn. Ihre Gehirne waren so weit entwickelt, dass sie zu eigenen Entschlüssen kommen konnten und auch Gefühle richtig zuordnen konnten. Die Entwicklung dieser Diener war von uns jedoch später abgebrochen worden. Sie vereinbarte sich weder mit unserer Lebens-, noch Wertvorstellung. Im Augenblick jedoch war ich mehr als froh darüber, dass es sie gab. Von jetzt an mussten wir nicht mehr laufen. Fahrzeuge brachten uns in den für menschliche Lebewesen vorgesehenen Teil der Anlage. * * * * * * * Das Zentralgehirn der Anlage hatte unsere gesamte Gruppe über die reichlich vorhandenen Räume verteilt. Was einst für über zwanzigtausend Personen gedacht war, reichte für uns völlig aus. Allerdings waren die Trolle von uns etwas getrennt. Die Asen erachtete der Rechner als gleichwertig, aber nicht befehlsberechtigt. Belustigt hatte ich zur Kenntnis genommen, dass der Rechner Skara als meine Gefährtin eingestuft hatte und ihr den gleichen Wohnraum zugewiesen hatte wie mir. Eine Hochzeit im menschlichen Sinne gab es weder bei uns, noch bei den Asen. Wenn eine Frau sich zu einem Mann bekannte, dann galt sie als zu ihm gehörig. Allerdings war es üblich, dass er bei den jährlich statt findenden Volksversammlungen mit lauter, für alle hörbarer Stimme erklärte, dass diese hier für jetzt und immer seine Frau sein sollte. Die gleiche Erklärung gab sie ab und der Bund für ein ganzes Leben war damit geschlossen. Das Wort, das ein Mann gab, galt bis an sein Lebensende. Hätte er es nach unseren Begriffen gebrochen, so hätte er damit seine Ehre und sein Recht unter uns zu leben, verwirkt. Ich wusste, dass die Asen darin großzügiger dachten als wir. Für sie galten manche menschlichen Verhaltensweisen als verständlich und duldbar. Für uns war ein Mann der sein Wort brach nichts anderes, als ein ehrloses Objekt, dem alle Werte eines vollwertigen Mitgliedes der Gemeinschaft fehlten. Er wurde gnadenlos ausgewiesen. Es kam bei uns so gut wie niemals vor. Zumindest hatte ich es bisher nicht erlebt. Aber ein Ehrloser wurde auch von unserem Heimatplaneten verbannt. Mit ihm wollte keiner etwas zu tun haben. Aber wie gesagt, ich konnte mich nicht erinnern, dass es in den letzten Jahrhunderten so etwas gegeben hatte. Der Stern, auf dem wir lebten und mit dem wir lebten, ließ das gar nicht zu. Skara schien es ganz natürlich zu empfinden. Sie hatte sich für mich entschieden und gehörte damit zu mir. Für mich, der ich bis dahin an eine dauerhafte Verbindung mit etwas weiblichen in keinster Weise gedacht hatte, sah das etwas anders aus und Skara, die meine Hilflosigkeit in diesen Dingen bemerkte, nahm es mit sichtlichem Vergnügen zur Kenntnis. Ich möchte hier keine falschen Gedanken wecken. Eine Frau genoss bei uns eine sehr hohe Wertschätzung und vor der öffentlichen Bekanntgabe unserer Verbindung war nicht gerade ein wildes Treiben vorgesehen. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass ich nicht das Recht gehabt hätte, ihren hübschen, so verlockenden Mund zu küssen. Diese angenehme Sitte gab es auch bei uns bis auf den heutigen Tag. Gemeinsam mit ihr, ihrem Bruder, meiner Schwester und Südag durchstreiften wir das, was von der alten Anlage noch wirklich übrig war. Leider war der allergrößte Teil davon zerstört. Zum einen durch die Angriffe der damaligen Feinde und um ein vielfaches durch die langen Zeitläufe. Das Metall hatte unbeschadet überstanden und würde wohl bis an das Ende der Erde bestand haben. Aber die zahllosen empfindlichen technischen Feinheiten, die zwangsläufig nicht mehr gewartet worden waren, hatte die Zeit vernichtet. Gut, wir waren für das Erste gerettet, aber eine wirkliche Hilfe war uns das nicht. Skara trug jetzt eine Uniform unserer Truppen, die ihr wirklich gut stand. Ihre hübsche Figur kam dabei noch immer gut zur Geltung. Der Schlüssel, mit dem alles einmal begonnen hatte, hing an seiner Kette als Schmuckstück um ihren Hals. Hier unten hatte er wohl kaum eine Funktion. Auch alle anderen hatten sich neu eingekleidet. Nur für die Trolle war es etwas problematisch gewesen. Denn unsere Uniformen passten ihnen nicht. Aber die weißen Diener waren verlässliche Helfer auch darin. Ich sah mich in unserer kleinen Runde um. Ausgeruht und reichlich verköstigt machten sie wieder einen, mit neuer Hoffnung erfüllten Eindruck. „Ich habe mir die Pläne der alten Festungsanlage noch einmal gründlich angesehen und bin auch in einen Teil der verlassenen Anlage vorgestoßen,“ eröffnete ich unsere kleine Besprechung. „Der Weg zurück ist nach Aussage der Diener restlos versperrt. Die Hilfsmittel, uns dort nach oben zu kämpfen, sind leider nicht mehr verfügbar. Der einzige Ausweg ist über dem großen Dom und das daran anschließende, allerdings weitaus unbekannte Höhlensystem weiter zu kommen. Nach den Unterlagen gibt es einen anderen natürlichen Ausgang, über einen erloschenen Vulkan.“ „Dann sollten wir uns beeilen, diesen Weg zu nehmen,“ brummte Sürdag. „Dem stimme ich voll und ganz zu“ erwiderte Skörin. „Die Vorräte an edlen Getränken sind gleich Null und das Gebräu der Trolle zerfrisst selbst mir den Magen.“ „Eine tolle Begründung, Brüderchen, wirklich.“ „So ganz unrecht hat er nicht, Skara. Es gibt hier unten keine Lebensmittelvorräte mehr. Wir haben Konzentrate, die neu aufbereitet, einige Zeit reichen werden. Aber das ist auch alles. Das Gehirn hat auf meine Anweisung mit der Produktion begonnen. In etwa drei Tagen können wir abmarschieren. Wir werden etliche Tage brauchen um unser Ziel zu erreichen. Die Unterlagen sind alles andere als genau.“ Alle in der kleinen Runde waren sich schnell darin einig, dass es wenig Sinn machte, über mögliches und vielleicht mögliches zu reden. Es wäre pure Zeitverschwendung. So besprach ich mich noch mit Trüfflar, um ihm und seiner Horde unseren Entschluss mitzuteilen. So ruhten wir uns noch drei Tage aus und brachen dann zu unserem Weg ins Unbekannte auf, Jeder trug an Gepäck, was ihm nur zugemutet werden konnte. Eine vergnügliche Wanderung sah anders aus. Beladen wie sizilianische Mulis und im grellen Schein unserer Handlampen ging es durch zerfallene und zerstörte Bereiche der alten Festung. Schutt, Staub und Dreck erschwerten schon hier den Weg. Der Zahn der Zeit hatte nicht viel heil gelassen, in den vom Zentralgehirn nicht mehr gewarteten Bereichen. Das Zeitgefühl geht sehr schnell verloren, wenn man stur durch scheinbar endlose Gänge und Hallen trabt. Was zuerst noch die Neugierde oder das Interesse weckt, bleibt unbesehen zurück. Nach Stunden zeigte uns ein zerstörtes Tor, dass wir das Ende der Festungsanlage erreicht hatten. Wodurch auch immer die Höhlen und Gänge entstanden sein mochte, es erinnerte mich an Jules Vernes Roman seiner Reise zum Mittelpunkt der Erde. Kantig, rau und unwirtlich zeigten sich die Felsformationen, durch die unser Weg vorwärts ging. Ohne unsere nahezu unzerstörbaren Militärstiefel hätte hier der Weg wohl bald ein Ende gefunden. Es gab keinen ebenen Boden und keinen Weg, den das Wasser flach geschliffen hätte. Alles was der Strahl unserer Lampen nicht erfasste, lag in tiefster Dunkelheit. Stumm setzten wir uns gegen acht Uhr unserer Zeitrechnung an einer einigermaßen geeigneten Stelle nieder, um zu Essen, zu Trinken und zu Ruhen. Es war ein trauriges Mal, das aus Tabletten und Mineralwasser bestand. Aber was half es, so widerlich es auch anmutete, es musste nun einmal sein. Seltsamerweise hatten unsere Damen weniger Probleme damit. Ein Mann der Schiffsbesatzung übernahm die erste Wache. Mit diesem Befehl stieß ich bei den Asen etwas auf Unverständnis, aber ich gab nicht nach. Der Strahl einer unser Lichtquellen wurde zur Decke gerichtet, um das Umfeld etwas zu erleuchten. Der Posten bezog in einer geschützten Nische seine Stellung. Bald verkündeten ruhige Atemzüge, dass die Anstrengung des Tages ihre Recht verlangte. Ich drehte den Stellring meines Schwertes auf Bereitschaft, schob es seitlich halb unter mich und schloss die Augen. Aber Ruhe fand ich nicht. Meine Sinne registrierten irgend etwas mir Unbekanntes. Warnten mich ohne Unterlass. So lauschte ich die klanglose Stille hinein ohne etwas zu bemerken. Nicht weit von mir regte sich etwas. Jaskja kam zu mir herüber. Sie ging an meiner Seite in die Hocke. „Spürst du es auch, großer Bruder?“ Ich richtete mich halbwegs auf. „Du also auch.“ „Nicht nur ich, flüsterte sie, um die Asen nicht zu wecken. „Alle unsere Leute sind wach. Etwas ist da und beobachtet uns, davon bin ich überzeugt.“ Eine Weile schwiegen wir. Skara, die dicht neben mir lag, drehte sich unruhig auf die andere Seite. Ich lauschte mit allen Sinnen, in die uns umgebende Dunkelheit hinein. Etwas lebendiges war in unserer Nähe. So gut es sich auch verbarg , ich konnte seine unmittelbare Nähe spüren. „Es kommt immer näher,“ raunte Jaskja mir zu. Noch ehe ich etwas erwidern konnte, kam die Wache zu uns. Natürlich spürte auch er die Anwesenheit von etwas Fremdem, Unheimlichem. Er ließ sich neben uns nieder und starte uns schweigend an. „Ich denke, wir sollten jetzt besser die anderen wecken,“ sagte ich und erhob mich. Mein Schwert kampfbereit in der Hand. Was auch immer da langsam auf uns zu kam, es war nichts Gutes. Jede Information, die meine veränderten Sinne erfassten zeigten dies an. Es war durch und durch böse und gefährlich und es kam nicht allein. Der Wächter und Jaskja huschten flink von einem zum anderen und verständigten sie. Unseren Leuten brauchte ich nichts zu sagen. Keiner hatte seine Waffe gesichert während er schlief. Stumm suchten sie sich eine Stelle, von der aus sie einen Angriff abwehren konnten. Skara und Skörin lauschten ebenso, wie Sürdag in die vor uns liegende Dunkelheit hinein. Aber für ihre Augen und Ohren blieb alles still, bis auf unsere Atemzüge und das Rascheln der Uniformen, wenn sich jemand bewegte. „Was ist?“ wollte Skara wissen. „Wir sind nicht mehr allein,“ gab ihr Jaskja zu verstehen. Noch ehe Skara etwas sagen konnte, klang ein dumpfer Ton zu uns her. So, als ob jemand eine Kesselpauke angeschlagen hätte. Dann blieb es wieder still. Wir lauschten gespannt in die Dunkelheit. Zwei, dann drei weitere Lampen richten sich nach vorne in das undurchdringliche Dunkel. Dann wieder das dumpfe, nachhallende Dröhnen. Es kam ohne Zweifel näher. Skara sog plötzlich heftig die Luft ein. „Riecht ihr das auch?“ „Es riecht wie die Hölle,“ raunte Skörin, der dicht an meiner Seite war. Sein mächtiger Körper war angespannt. Das große Schwert wirkte in seiner Faust beinahe wie ein Spielzeug. Erneut dröhnte es auf. Dumpf und weithin hallend. Es war uns nun sehr nahe. Der Boden hatte leicht vibriert unter der Wucht dessen, was da auch immer kommen mochte. Wir lauschten gespannt. Aber alles war ruhig. Kein weiteres Dröhnen, Stille ringsum. Nur unsere eigenen Geräusche waren zu hören. Der Geruch war nun mehr als deutlich zu spüren. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Wie ein Trommelwirbel und so laut, dass es das Gehör betäubte, dröhnte es auf. Ohne Warnung war es plötzlich mitten unter uns. Grauschwarze, mächtige Flügel, an deren Ende messerscharfe Dornen saßen, fegten Staub und Dreck empor. Mächtige Klauen mit klingenartigen Enden schlugen nach uns und ein widerlicher Drachenkopf schnappte aufbrüllend nach uns. Der Atem dieser Bestie war heiß und ätzend. Aber der Angriff traf uns nicht unvorbereitet. Die Asen allein wären verloren gewesen. Viel zu spät hätten sie die tödliche Gefahr bemerkt. Was jetzt kam, war ein gnadenloser, wilder Kampf. Unsere Schwerter glühten auf. Ihr magisches Leuchten machte alles noch unwirklicher, als es ohnehin war. Die reine Energie blendete die Augen. Krachend brachen sich die Lichtblitze ihre Bahn und das Echo hallte tausendfach in dem Gewirr aus Höhlen und Gängen wider. Aber die Bestie brüllte noch lauter. Sie tobte zwischen uns wie eine Furie. Ihre Klauen und Schwingen versuchten, die sich so heftig wehrende Beute, zu schlagen. Doch es war vergebens, wo immer ihr Körper mit den flammenden Klingen in Berührung kam, fraß sich eine sprühende Feuerlohe tief in sein Fleisch. Aber auch wir bekamen die Wut der Bestie zu spüren. Zwar konnten ihre Klauen und Dornen unsere Uniformen nicht durchdringen. Aber die ungeheure Kraft, die hinter jeder Bewegung steckte, warf einen, wie ein welkes Blatt zu Boden. Platzwunden und böse Quetschungen waren die unausweichliche Folge. Nur einer stand wie ein Fels, Skörin. Seine mächtige Faust wirbelte das, eigens für ihn gefertigte Schwert, mit artistischer Leichtigkeit in rasender Folge auf und nieder. Jeder seiner Schläge traf und fügte dem Untier tiefe Wunden zu. Er war wohl der Einzige, der ihren Angriffen ungerührt standhielt. Ich war bestimmt nicht der Schwächlichste. Aber zweimal hatte mich das drachenähnliche Tier getroffen und beide Male war ich etliche Meter weit geflogen. Ich spürte sämtliche Knochen. Aber es half nichts, Skörin sollte nicht allein stehen. Mit wilder Wut sprang ich vor. Zum ersten Male prallte ich direkt mit dem Biest zusammen. Mein Kampfschrei hallte von den Wänden wider und diesmal warf mich die Klaue nicht zurück. Tief und mit aller Macht drang mein Schwert in die Bestie ein. Brennend wie flüssiges Eisen zerteilte die flammende Klinge den zappelnden Leib. Dann Stille. Erschöpft und langsam begreifend, was da vor uns reglos am Boden lag, starrten wir den übel zugerichteten Körper an. Im Tod sah es noch schrecklicher aus als im Leben. Die klaffenden, verbrannten Wunden und das daraus sickernde, grünliche Blut waren bestimmt kein schöner Anblick. Was da vor uns lag, war ohne Zweifel, das, was die Menschen einmal einen Drachen genannt hatten. Aber das war es nicht, was uns so in Erregung versetzte. Um den Hals des Tieres war ein stählernes Band gelegt und eine große Öse bewies, dass es irgendwo angekettet wurde. Diese Bestie hatte uns nicht aus freien Stücken angegriffen. Man hatte sie ganz bewusst auf uns gehetzt. Ganz gleich, ob Asen oder Menschen, sie wären verloren gewesen. Nur mit uns, den Askaren hatte wohl keiner gerechnet. Jetzt tauchten auch einige Trolle, geführt von Trüfflar auf. Die etwa einhundert Überlebenden seines Volkes, folgten uns langsamer, da sie viele Kinder in ihren Reihen hatten. Mit tiefem Erschrecken starrten sie auf den übel zugerichteten Körper, der auch jetzt im Tode noch zeigte, welch mächtiger, tödlicher Gegner er gewesen war. Mit normalem Schwert oder einer Schusswaffe wäre diesem Ungetüm nicht beizukommen gewesen. Etwas anderes aber, als Hieb und Stichwaffen besaßen die Trolle nicht. An Ruhe war nicht mehr zu denken. Zudem war der Gestank, der von dem toten Körper ausging, ausgesprochen ekelhaft. So packten wir unsere Sachen zusammen. Das heißt, was davon noch zu gebrauchen war. Der Angriff des Untieres hatte manches in den Boden gestampft. Wir übernahmen wieder die Spitze. Die Trolle folgten uns. Sich dabei scheu an den Überresten vorbei drückend. * * * * * * Je tiefer wir in das Höhlensystem eindrangen, umso beschwerlicher wurde auch unser vorwärts kommen. Während meine Stiefel immer wieder versuchten, festen Halt in dem Gewirr aus Steinen und scharfkantigen Felsformatierungen zu bekommen, verfluchte ich im Stillen den Umstand, nicht mehr der liebenswerte Mitarbeiter einer großen Werbeagentur zu sein, der seine knappe Freizeit mit hübschen Mädchen verbringen durfte und seinen Kummer mit einem gleichfarbigem Freund aus dem schottischen Hochland bekämpfen konnte. Na ja und Kummer hatte man ja mit dem schönen Geschlecht nicht zu knapp. Zudem braucht man ja auch einen schwerwiegenden Grund, sich sein Glas ein zweites Mal zu füllen. An Bord unseres Schiffes hatte es einen ausreichenden großen Vorrat für durstige Männerkehlen gegeben. Aber entweder war er beim Absturz restlos vernichtet worden, oder Skara und der Rest der Besatzung hatte vergessen, diesen köstlichen Schatz zu bergen. Halt suchend, um zwischen zwei aufgetürmten Steinhaufen hindurch zu kommen, stemmte ich mein rechtes Bein fest in den Boden und zog mich mit der linken Hand etwas hoch. Es gab einen dumpfen Laut und unter mir brach ein gutes Stück des Bodens weg. Polternd brachen weitere Teile ab und fielen in die Tiefe. Skörin, der dicht hinter mir ging, ergriff instinktiv meinen Gürtel und riss mich zurück. Damit ersparte er mir einen Fall in etliche Meter Tiefe, denn nun sackte ein mehrere Quadratmeter großes Stück nach unten. Der breit gefächerte Strahl unserer Handlampen tastete sich in den breiten Schlund, der sich unter uns geöffnet hatte. Schon der erste Blick zeigte uns, dass es sich keinesfalls um eine natürliche Höhlung handeln konnte. Eine Mauer aus armlangen Granitblöcken, die sorgfältig bearbeitet war, war das Erste, was wir zu sehen bekamen. Auch der kaum verschmutzte Boden bestand aus Granit. Vorsichtig tastete ich mich an den Rand der Einbruchsstelle heran. Neben mir ließ sich Skörin auf seine Arme gestützt nieder. Am ausgestreckten Arm hielt er seine Lampe in die breite Öffnung. Der unter uns liegende Raum hatte saalartige Ausmaße. Die Höhe zum Boden mochte knapp acht bis zehn Meter betragen. Mächtige, viereckige Säulen trugen die Last der gewölbten Decke. Doch an einigen Stellen waren diese Träger durch Gewalteinwirkung zerstört worden. In der Mitte des Raumes erhob sich ein wuchtiger Sockel und auf diesem ruhte ohne Zweifel ein steinerner Sarg. Das alles hätte uns nicht besonders beeindruckt und Zeit um archäologische Ausgrabungen durchzuführen, hatten wir ja wohl kaum. Aber es gab einen Ausgang, der von diesem Grab ja irgendwohin führen musste. Skörin sah mich fragend an. „Was meinst du? Immer noch besser als hier über endlose Geröllhalden zu hopsen.“ „Wahr gesprochen, mein alter Freund und Kupferstecher:“ „Bitte was?“ „Bei den ewigen Göttern, bist du Ungebildet,“ feixte ich. Ehe ich antworten konnte, hörte ich Skaras Stimme. „Es handelt sich um einen unmodern gewordenen Beruf aus dem Druckergewerbe. Das solltest du eigentlich wissen!“ „Du hast ja in den letzten zwei Jahren nichts anderes gemacht, als dich mit Druckerfahnen und einem gewissen männlichen Angestellten aus der Messeabteilung zu beschäftigen,“ gab Skörin spöttisch zurück und Skara sah ihn giftig an, zumal sie bemerkte, dass es hinter meiner Stirn zu arbeiten begann. „Das hätte ich wissen müssen,“ grinste ich und Skörin lachte gemütlich zurück. „Sie hat sich einmal ganz grässlich darüber aufgeregt, dass da einer ist, der hinter jedem Weiberrock, der ein hübsches Mädchen umhüllt her ist. Seit kurzem weiß ich ja, wer das gewesen ist.“ Sprachs und sprang auf den Boden hinunter. Skara reichte mir stumm ein Seil und ihre Augen lachten mich vergnügt an. Das kleine Geplänkel tat uns allen gut. „Bilde dir nur nichts darauf ein. Es gab ja noch andere Männer in unserer Firma. So und nun halte das Seil, damit ich zu meinem Brüderchen hinunter kann, damit ich ihm mal wieder den Kopf zurecht setze.“ Inzwischen war auch Sürdag hinzu gekommen. Stumm nahm er mir das Seil aus der Hand und schlang es um einen recht massiv aussehenden Felsen. Geschickt kletterte Skara zu ihrem Bruder hinab. Wenig später stand ich ebenfalls unten. Die Anderen unserer kleinen Gruppe folgten nach und nach. Skara trat nahe an den Sarg heran und versuchte die Inschrift zu lesen. Dazu musste sie allerdings einmal um den ganzen mächtigen Block herum. Mit halblauter Stimme las sie Zeichen für Zeichen. „Hier liegt Griöll, welcher dem Tor der Hölle am nächsten ist. Mit Surtur ein Leben lang verbunden.“ „Kannst du damit etwas anfangen?“ wollte Skörin wissen. Seine Schwester schüttelte stumm den Kopf. Beide sahen dann fragend auf mich. „Es gibt eine Sage, von der Erschaffung der Welt. Von einem Brunnen namens Hwergelmir, aus dem verschiedene Flüsse ihren Ursprung haben. Einer dieser Flüsse trug den Namen Griöll und von ihm erzählt man, dass er der Hölle ganz nahe sei. Von Surtur aber erzählt man sich, dass er es sein wird, der am Ende der Welt die Götter mit seinem flammendem Schwert besiegen wird.“ Skörin blickte nachdenklich auf den blank polierten Steinsarg. „Es ist seltsam, dass bei unserem Volk so vieles in Vergessenheit geraten konnte und bei Euch ist es so lebendig,als hätte es erst gestern in einer der irdischen Zeitungen gestanden. Uns ist eigentlich nur die Schrift geblieben und die könnten kaum noch viele lesen, wenn nicht unsere geschichtlichen Überlieferungen über Jahrtausende mit ihr weiter gegeben worden wären.“ „Auch das ist ein Teil unserer gemeinsamen Geschichte,“ sagte ich. „Nur, ein Fluss lässt sich nicht beerdigen oder in einen Steinsarg legen. Es gibt aber noch eine zweite Legende. Sie erzählt davon, dass von den zehn Stämmen, die einst unser Volk bildeten, einer aus Habsucht einen gemeinen Verrat begingen. Es waren die Loki, die das Fremde in unsere Reihen brachten und unseren Feinden unsere Schwächen verrieten. Neben ihrem Anführer sollen diese beiden die größte Schuld an dem, was später geschah, getragen haben.“ „Aber Loki war doch einer der Söhne unseres Gottes Odin.“ „Er war einer der Söhne unseres Volkes, der Verrat beging.“ Hier steht es in der zweiten Reihe des umlaufenden Textes. „Und für immer verdammt sollen sie sein unter dem, der sie einst führte. Weder die Hölle, noch die Erde sollen ihnen mehr geöffnet werden, bis Er sie am jüngsten Tag befreien wird.“ „Das ergibt doch keinen Sinn.“ „Das muss es auch nicht,“ knurrte ich etwas gereizt. „Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen. Die ewigen Götter haben uns den Weg gewiesen und wir sollten ihm so schnell als möglich folgen. Ich möchte nicht, dass meine Knochen genauso herum liegen, wie die der dort liegenden. Alle, die bereits zu uns herunter gekommen waren, folgten meinem ausgestreckten Arm mit ihren Blicken. Erst jetzt bemerkten sie den schmalen Seitengang, der beinahe verdeckt von einer mächtigen Säule, seitlich der Kammer einmündete. In ihm waren gut einen Meter hoch, die Gebeine uns unbekannter Menschen oder Asen aufgeschichtet. Neugierig trat Skörin näher. Fast ruckartig verhielt er im Schritt. Dann ging er die letzten Schritte weiter, beugte sich hinab, um etwas aufzuheben. Eine Weile blieb er ruhig stehen und sein breiter Rücken nahm uns die Sicht auf das, was er tat. Dann kam er zu uns zurück. In der Hand hielt er einen mächtigen Schädel. Das Erschreckende aber daran waren die beiden gebogenen Hörner, die vorne aus der breiten Stirn wuchsen und die mächtigen Fangzähne, die von oben aus dem Kiefer ragten. „Diese Schädel liegen dort drüben wohl zu Hunderten. Was für Wesen mögen das Gewesen sein? Sie wurden mit allem was sie bei sich trugen, in dem Gang aufeinander geschichtet. Ihre Waffen sind recht grob gearbeitet und bestehen wohl aus Bronze.“ „Weißt du etwas damit anzufangen?“ wollte Skara wissen. Ich konnte nur stumm den Kopf schütteln. „Ich war schon vielen fremdartigen Lebewesen begegnet, aber solche Geschöpfe gab es in keiner Überlieferung oder andersartigen Beschreibungen. Doch bei den Menschen gab es die Teufel. Aber die tauchten erst im sechsten und siebten Jahrhundert ihrer modernen Zeitrechnung auf. Ihre Beschreibung beruhte nicht auf tatsächlichen Vorbildern, sondern waren eine Abänderung der griechischen Faune. Ob darin die Lösung lag? Wohl kaum, oder doch?“ Skörin legte den Schädel auf den Sarg und ergriff seine Waffen und Gepäck. „Ich denke Thor hat recht. Dieses Rätsel werden wir wohl kaum lösen. Wir sollten unseren Weg fortsetzen. Langsam habe ich von Höhlen und Felsgängen die Nase voll. Wenn das so weitergeht, verwandle ich mich noch in einen Maulwurf. Stumm nahmen wir alle unsere Last auf und marschierten in den größten, der hier abgehenden Gänge hinein. Die Luft war zwar kalt und muffig, aber keineswegs abgestanden. Es musste hier unten nicht anders als in den Höhlen darüber, eine Verbindung zu frischer Luft geben. Das aber konnte doch nur die Oberfläche der Erde sein. Der Gang war breit genug, um Skara und ihren Bruder neben mir gehen zu lassen. Hinter uns folgten Sürdag und Trüfflar. Sie schienen sich beide recht gut zu verstehen, obwohl ich heimlich schmunzeln musste. Es war einfach ein Bild für Götter, wie der beliebte menschliche Ausspruch lautete. Obwohl ich nicht unbedingt davon überzeugt war, ob sich die ewigen Götter darüber erfreuen würden. Sürdag war etwa einen Meter und neunzig groß und von kräftiger Statur. Trüfflar dagegen nur gut die Hälfte so hoch, aber um einiges breiter. Der Eine musste beständig den Kopf hoch recken und der Andere ihn recht tief beugen. Dazu neigten beide zu recht lebhaften Gesten. Aber das tat ihrer beginnenden Freundschaft keinen Abbruch. Eine Beziehung zwischen verschiedenen Lebewesen sollte nicht davon geprägt sein, wie gut der eine in das unmittelbar lieb gewonnene Bild des anderen passte. Wir Askarer zogen darin allerdings straffer gefügte Grenzen als die Asen. Ich überlegte, wofür wohl vor unendlich langer Zeit, diese unterirdische Anlage geschaffen worden war. In den uns überlieferten Unterlagen wurde nichts davon berichtet. Die Erbauer unserer Festung jedenfalls hatten keine Ahnung davon gehabt, dass sich in ihrer unmittelbaren Nähe ein solches geheimnisvolles Bauwerk befand. Je weiter wir dem Hauptgang folgten, von dem immer wieder Seitenwege abzweigten, um so lauer wurde die uns umgebende Luft. Auch hatte ich den Eindruck, dass sie frischer und viel würziger zu riechen begann. Skörin blieb unvermittelt stehen. Auch er hatte die langsame Veränderung um uns her bemerkt. Aber ihm war etwas anderes aufgefallen, das nicht so recht zu unserer direkten Beobachtung passen wollte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns beständig nach unten bewegen. Das Gefälle ist so gering, dass wir dem bisher nur wenig Beachtung geschenkt haben. Aber die letzten hundert Meter hat sich das erheblich geändert. Der Weg führt immer steiler nach unten.“ Skara sah sich fragend um. „Er hat recht, Thor. Wenn du nach rückwärts siehst, befinden wir uns um einige Meter tiefer und vor uns fällt der Weg weiter ab.“ Es war unschwer festzustellen, dass beide recht hatten. Fast unmerklich war der Weg immer abfälliger geworden. „Wenn ich den Weg, den wir bisher zurückgelegt haben, mit dem Winkel der bisherigen Neigung vergleiche, dann sind wir zwar nicht mehr als einhundert Meter hinab gestiegen,“ sagte Skörin recht nachdenklich. „Aber mit der jetzigen Neigung kommen wir recht schnell tiefer.“ Sürdag und Trüfflar, die neugierig geworden inzwischen an uns vorbei gegangen waren, kamen sehr bald zurück. Trüfflars tiefe Stimme hallte zwischen den Mauern recht eigenartig wider. „Es wird bald noch tiefer nach unten gehen. Kaum zweihundert Meter vor uns endet der Gang und geht in eine Treppe über. Das Licht unserer Lampen konnte jedoch das Ende der Stufen nicht erleuchten.“ „Die Luft, die von unten her heraufzieht, riecht frisch und sauber und sie ist eindeutig wärmer als hier.“ vollendete Sürdag den kurzen Bericht. „Dann stellt sich jetzt wohl die Frage, gehen wir diesen Weg weiter oder kehren wir um.“ Skörin hatte wohl recht. Trüfflar entschied das Gespräch darüber, noch ehe es recht begonnen hatte. „Das, was sich von meinem Volk retten konnte, wird den Weg nach unten nehmen. Es wäre für uns nicht gut, an das Tageslicht zu kommen. Die Menschen würden uns fangen und einsperren. Sie würden unsere alte Siedlung ausgraben, die Toten schänden und alles was sie finden, uns stehlen. Wir haben oft genug erleben müssen, wie die Eskimos die ganz in unserer Nähe lebten, behandelt wurden. Wenn unsere Götter es wollen, so führt uns dieser Weg in eine neue Heimat.“ Ein dumpfes, schweres Grollen und ein deutlich spürbares Erzittern der Erde rings um uns her, ersparte uns jegliche weitere Überlegung. Was wir hier erlebten, war kein Erdbeben oder ein Ausbruch eines entfernten Vulkans. Die Droohr hatten wohl keine rechte Lust, mit ihren schweren Bordwaffen so lange das Felsmassiv zu beschießen, bis sie sicher sein konnten, uns restlos ausgelöscht zu haben. Diese dumpfe Grollen bewies den Einsatz einer thermonuklearen Waffe. Einige hundert Meter über uns würde jetzt wohl das gewaltige Felsmassiv unter Sonnentemperaturen verdampfen und verkochen. Ein Überzug aus flüssigem, langsam erkaltendem Gestein würde zurückbleiben. Ein neuerliches Rätsel für die damit befassten Forscher. Aber ich war mir sicher, dass sie eine alle befriedigende Erklärung finden würden. Auch unsere Nahrungsmittel würden nicht ewig reichen und auch Wasser hatten wir bisher nicht gefunden. Uns blieb nur die stille Hoffnung, dass der Weg nach unten, in verborgene Regionen der Erde, nicht unser Todesweg wurde. Die Treppe war bald erreicht. Tatsächlich wehte von unten ein ganz sachte spürbarer Luftzug zu uns herauf. In einem weit gezogenem Kreis führte die Treppe uns tiefer. Es gab keine seitlichen Abzweigungen und keine Möglichkeit, Rast zu machen. Nach zwei Stunden dieses mühevollen Abstieges, ordnete ich eine Rast an. Unser Trupp hatte sich immer weiter auseinander gezogen. Um die Trolle nicht in völliger Dunkelheit zu lassen, bekleideten sie unsere Leute mit den starken Handlampen, deren kernchemische Ladung für Monate Licht spenden würde. Länger jedenfalls, als wir ohne neue Lebensmittelvorräte noch zu leben hatten. Es ist doch ein wunderbarer und tröstlicher Gedanke, zwar ohne einen letzten guten Schluck, dafür aber in hellem Lichtschein verhungern und verdursten zu dürfen. Die Beine schmerzten von der ungewohnten Anstrengung und irgendwie verloren wir jede Orientierung. Auch das Zeitgefühl geriet uns langsam aber sicher abhanden. Wir waren nicht ganz vierundzwanzig Stunden unterwegs, aber es kam mir wie ein Marsch durch die Ewigkeit vor. Doch die ewigen Götter waren mit uns. Noch bevor es laut unseren Uhren ein zweites Mal Nacht sein müsste, hoch über uns, endeten die Stufen in einer weiten runden Halle. Schmucklos und aus den selben armlangen Steinquadern erbaut, wie die gesamte Anlage, umgaben uns die festen Mauern. Aber einen ersten Trost gab es für uns. In der Mitte der Halle befand sich ein recht kunstvoll gestalteter Brunnen mit uns völlig fremden Verzierungen und Figuren. Beinahe kochendes Wasser sprudelte aus der Tiefe empor und lief durch dazu vorgesehene Abläufe irgendwohin ab. Aber es enthielt weder Schwefel, noch sonstige Verbindungen, die unserer Verdauung nicht entsprochen hätten. Wir füllten unsere Wasservorräte auf und geduldeten uns, bis sie für unsere Kehlen trinkbar waren. Es gab neun Ausgänge aus dieser Halle. Aber alle waren durch schwere Tore verschlossen. Mit teuflischen Fratzen und recht ineinander verwobene Verzierungen hatten ihre, uns unbekannte Erbauer, dieses verziert. Damit standen wir vor einer neuerlichen recht unangenehmen Lage. Die Tore waren verschlossen. Ich schätzte, dass sie mindestens einen Meter stark und aus einem uns unbekanntem Material gefertigt waren. Wenn wir hier heraus wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als eines dieser Tore mit der Macht unserer Waffen aufzubrechen. Aber auch die Energie unserer Schwerter war nicht unbegrenzt und schon bei unserem ersten Versuch zeigte es sich, dass die Erbauer dieser Tore, technisch mindestens auf unserer Höhe gewesen waren. Was wie reine Bronze schimmerte, zeigte vor dem Energiestrahl unser Waffe nicht die geringste Achtung. Kein Kratzer, keine Verfärbung, nichts deutete auch nur die geringste Einwirkung an. Mit Sürdag und Skörin machte ich mich so notgedrungen daran, eine Möglichkeit auszutüfteln, um vielleicht durch den gewachsenen Fels die Tore seitlich umgehen zu können. Denn eines stand unumstößlich fest, aufbrechen konnten wir diese Tore nicht. Was dann geschah, verschlug uns allerdings fast den Atem. Von uns nicht sehr beachtet, hatte Skara sich ebenfalls einer der Tore genähert und stand nun etwas hilflos vor der gut zehn Meter hohen und breiten Metallwand. Ein merkwürdig schwingender Ton klang auf, der in den Ohren schmerzte, Steigerte sich aber sehr schnell zu einem tiefen Brummen. Das Tor vor dem Skara stand, begann sich langsam zu heben. Als sie erschrocken zurück sprang, senkte sich das Tor wieder herab. So schnell wir konnten, eilten wir zu ihr hinüber. Skara stand regungslos da. Dann machte sie wieder einige Schritte auf das Tor zu. Wieder vernahmen wir die noch nicht erklärbaren Geräusche und erneut hob sich das mächtige Tor an. Skara trat zurück und wartete bis sich das Tor erneut gesenkt hatte. Ihr war anzumerken, dass sie angestrengt überlegte. Skörin und ich standen nahe bei ihr, sagten jedoch kein Wort. Uns war längst klar geworden, dass das Tor auf Skara oder irgend etwas, das sie bei sich hatte, reagierte. Und Skara fand auch die Lösung. Mit einer langsamen Bewegung nahm sie den Schlüssel, den sie um den Hals trug, ab und hielt ihn in der offenen Hand gegen das Tor. Der Schlüssel gab ein leicht scharrendes Geräusch von sich und die Ornamente auf seiner Oberfläche verschoben sich zu einer neuen Zusammenstellung. Das für uns so unüberwindliche Tor stieg ein drittes Mal in die Höhe, bis es beinahe ganz in der Decke verschwunden war. Dann kam es zum Stillstand. Keiner von uns wollte so recht glauben was er sah. Aber das Ergebnis sprach für sich. Der Schlüssel, der bei den Asen nahezu alle Bereiche wie eine Art Fernbedienung öffnete oder bediente, hatte mit dem Mechanismus einer viele Tausend Jahre alten und immer noch voll funktionsfähigen Technik, eine Verbindung aufgenommen und den Arbeitsvorgang ausgelöst. Der weitere Weg, der uns in unbekannte Bereiche führte, war geöffnet. Die Erleichterung darüber, dass uns diese schimmernden Kolosse nicht zum Verhängnis wurden, war allen deutlich anzumerken. Uns Gegenüber gab es ein ebenso großes Tor wie das, das wir eben durchschritten. An der linken Seitenwand des rechteckigen weiten Raumes befand sich so etwas wie ein übergroßes Gegenstück zu Skaras Schlüssel. Nur war es nicht so verschnörkelt und in sich verschlungen gearbeitet. Hier herrschte strenge, mathematische Formgebung. Alle, auch die Trolle drängten sich in den recht großen, rechteckigen Raum. Ihre Stimmen schwirrten aufgeregt durcheinander. Skara trat vor das nächste Tor und hob ihm ihren Schlüssel entgegen. Zunächst ereignete sich nichts. Was mir jedoch sofort aufgefallen war, war die Tatsache, dass sich die Zusammenstellung, der in sich verwobenen Teile des großen Schlüssels an der Wand, beständig zu verändern begannen. Es sah aus, als ob sie sich völlig ungehindert durch sich selbst, bewegen könnten, als ob das Material aus dem sie bestanden, durchlässig wäre. Die Symbole seitlich und auf dem Schlüssel waren streng nach sachlichen Gesichtspunkten zugeordnet und so begann ich automatisch zu rechnen. Das, worin wir uns befanden, war alles andere als ein Aufzug. Glühend heiß durchfuhr mich die Erkenntnis, was das gesamte Gebilde darstellte, in dem wir uns befanden. Ich schnellte herum und brüllte so laut ich konnte. „Alles raus hier, oder wir sind für immer verloren!“ Ich sah nur in erschreckte Gesichter und mit deutlichem Dröhnen sank das geöffnete Tor wieder zu Boden. Noch ehe auch nur einer den Raum wieder verlassen konnte, waren wir in ihm eingeschlossen. Wir sind in keinem Aufzug und die ist auch keine Schleuse oder ein versperrter Weg.“ sagte ich müde und lehnte mich gegen die Wand. Über mir veränderte sich der Mechanismus noch immer mit leisem surren. „Was ist es dann?“ wollte Skörin wissen. „Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das hier eine gigantische Zeitmaschine. Wohin sie uns bringen mag, wissen nur die ewigen Götter. Mögen sie uns gnädig sein.“ * * * * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)