The quest for the mandrake von myrys84 ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 6 - Eine kurze Zeit der Ruhe ----------------------------------------------- Kapitel 6 Eine kurze Zeit der Ruhe Nach einer Weile erreichten sie einen kleinen Fluss und Rean überkam das dringende Bedürfnis, sich das getrocknete Blut abzuwaschen. Auch Tharas war nicht gerade sauber und so banden sie die Pferde an einen Baum, dessen Krone von einem Meer schneeweißer Blüten verziert war und wateten in das eiskalte Wasser. Ihre schmutzigen Oberkleider ließen sie einfach am Ufer liegen. Das Wasser stach wie tausend Nadeln auf der Haut, doch für Rean war es eine Erleichterung, den Schmutz in roten Linien im Wasser davon treiben zu sehen. Doch irgendwie fühlte er sich immer noch schmutzig. "Es geht nicht ab…", murmelte er. Tharas horchte auf. "Was meinst du?", fragte er. "Das Blut, der Schmutz. Es geht einfach nicht ab." Selbstvorwürfe überkamen den Prinzen von Arc. Er näherte sich seinem Freund und legte von hinten seine Arme um ihn. "Es tut mir Leid, Rean. Ich hätte da sein müssen. Warum bin ich nur eingeschlafen? Es tut mir so Leid." "Es ist nicht deine Schuld.", sagte Rean und lehnte seinen Kopf an Tharas Schulter. "Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich glaube, ich bin der mieseste Wachposten aller Zeiten." Er schloss die Augen und genoss das Gefühl des Geborgenseins, das von seinem Freund ausging. Plötzlich waren sich ihre Lippen sehr nahe. Tharas wusste, es war nur ein ganz kurzes Stück, nur ein ganz kurzes… Langsam senkte er seinen Kopf. Da zuckte Rean zusammen und stöhnte leise auf. Tharas hatte ihn ein wenig zu fest an sich gedrückt und ihm seine Wunden und Prellungen wieder schmerzhaft ins Gedächtnis gerufen. "Oh, tut mir Leid…", stammelte er. "Ich hatte ganz vergessen, dass du verletzt bist." "Schon gut.", sagte Rean mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich werd's überleben." "Bist du dir sauber genug?", fragte Tharas. "Ja, ich denke schon." "Gut, dann komm raus aus dem Wasser. Es wird Zeit, dass ich den Schaden begutachte." "Was soll das denn heißen?", fragte Rean entsetzt. "Ich will sehen, was du für Verletzungen hast. Nachdem ich genug Heilkräuter und dergleichen dabei habe, dürfte es kein Problem sein, sie zu versorgen. Allerdings muss ich erst wissen, wie schlimm es ist." Rean schluckte hart. "Wenn's sein muss.", räumte er schließlich ein. "Muss es.", antwortete Tharas knapp und sie verließen das Wasser. In der Sonne trockneten sie rasch. Tharas schlüpfte in frische Kleider und besah sich dann Reans Verletzungen. Die schlimmsten waren die Striemen der Fesseln und die Platzwunde im Gesicht. Die Prellungen waren nicht sehr schlimm, würden aber größtenteils von selbst heilen müssen. Den Rest desinfizierte er und rieb die betreffenden Stellen mit Salbe ein. Seine Berührungen verursachten ein merkwürdiges Kribbeln auf Reans Haut. "Gut", meinte er. "Und jetzt da unten" und deutete auf Reans Unterleib. "Was? Nie im Leben, oh nein!", protestierte der Junge, doch ehe er sich versah, hatte Tharas ihn auf eine Decke komplimentiert und beugte sich über ihn. "Du brauchst keine Angst zu haben.", beruhigte er ihn. "Aber ich muss wissen, was er mit dir angestellt hat." "Nichts.", sagte Rean und wandte verschämt seinen Blick ab. "Davon will ich mir lieber selbst ein Bild machen.", bestimmte sein Freund. "Also gut. Aber wehe, du bist nicht sanft." "Bin ich doch immer.", lächelte Tharas und Rean öffnete widerstrebend die Beine. An den Innenseiten seiner Oberschenkel waren die schlimmsten Hämatome. Anscheinend war er wirklich im allerletzten Moment gekommen. Tharas holte einen Salbetiegel heraus und rieb vorsichtig die Stellen ein. Rean wurde plötzlich ganz schwindlig und er stöhnte leise. Dann realisierte er, was er gerade getan hatte und schlug sich die Hände vor den Mund. "Entschuldige bitte, wenn es wehtut. Es ist gleich vorbei.", beruhigte ihn sein großer Freund, welcher das Stöhnen völlig falsch aufgefasst hatte. Nein, weh tat es nicht. Es war irgendwie angenehm. Tharas Hände waren sanft und warm und Rean war an diesen Stellen so unheimlich empfindlich. Und dann passierte es. Ruckartig rollte er sich auf den Bauch, um das Ergebnis seiner Empfindlichkeit zu verbergen. "Was ist denn plötzlich in dich gefahren?", fragte Tharas irritiert. "Geh weg, lass mich in Ruhe.", giftete Rean. "Das ist alles deine Schuld." "Ich verstehe nicht, was du…" Doch dann fiel ihm das rote Gesicht unter den hellbraunen Ponyfransen auf. Schlagartig begriff er, was mit dem Kleinen los war. "Äähm, tja… Also, keine Angst, das ist in deinem Alter ganz normal, weißt du. Und wenn es dann auch noch so empfindliche Stellen sind, an denen du berührt wirst… Aber du brauchst dich deswegen doch nicht zu schämen." "Tu ich aber!" Tharas räusperte sich. "Gut. Ich dreh mich um, und du gehst dich im Wasser abkühlen, einverstanden?" "Und du schaust wirklich nicht hin?", fragte Rean misstrauisch. "Ehrenwort. Obwohl ich dir bestimmt nichts wegkucken würde." Damit drehte er sich um und Rean marschierte eiligst zum Fluss zurück, um sein Problem verschwinden zu lassen. Nachdem er sich abgekühlt hatte, kam Rean zurück und holte sich frische Kleider aus seiner Tasche. Allerdings hatte er nur noch ziemlich warme Kleidung einstecken und die Sonne wurde von Tag zu Tag stärker. Missmutig betrachtete er seine dreckigen Klamotten. "Die werden wir wohl nicht mehr sauber kriegen.", meinte er. Tharas verschränkte die Arme vor der Brust und grübelte. "Es gibt da vielleicht einen Zauber, mit dem es funktionieren könnte…", sagte er schließlich. "Echt? Das wäre der perfekte Haushaltszauber. Was ist das? Ein magisches Stück Seife oder so?", fragte Rean scherzhaft. "Nein, nichts so banales. Ich weiß nur nicht, ob es bei totem Material funktioniert.", sinnierte Tharas. "Totes Material? Jetzt versteh ich gar nichts mehr.", sagte Rean verwirrt. "Na ja, es ist eigentlich ein Spruch der verbotenen schwarzen Magie weil er, richtig angewendet, sehr grausam ist. Man kann damit seinem Gegner das Blut entziehen und gegebenenfalls in sich selbst aufnehmen. Äußerst effektiv, sieht aber nicht sehr schön aus. Ich hab's bisher nur mit Ratten versucht. Allerdings ist Rattenblut ziemlich eklig und ich hab's nie aufgenommen. Vielleicht ist das Blut zu trocken oder die Fasern des Hemds geben es nicht her, aber einen Versuch wäre es wert." Rean kicherte. "Wenn das funktioniert, dann will ich der König der Elfen sein. Aber versuch's ruhig." Tharas konzentrierte sich auf die blutgetränkten Klamotten und sprach in Gedanken die Formel. Zuerst sah es aus, als würde sich nichts tun, doch dann plötzlich… "Es klappt!", rief Rean. "Tharas, das Blut ist weg!" Tharas war total fassungslos. "Ich glaub, mich knutscht ein Drache! Es hat echt geklappt? So was Dämliches. Wenn das der Alte mitkriegt, werd' ich gelyncht." "Meine Mutter wäre bestimmt froh, diesen Zauber zu haben. Du bist ein Genie, Tharas" strahlte Rean. "Den Rest kriegen wir mit Wasser raus." "Alles klar, Euere Majestät, König Oberon, Herr der Elfen. Dann viel Spaß dabei." Er ließ sich völlig geschockt auf seine Decke plumpsen und starrte fassungslos sein Werk an. "Du, Tharas?", fragte Rean neugierig. "Ja?" "Wo ist das Blut hin?" "Oh, warte. Ich zeig's dir." Er stand auf und ging zu dem Baum, an den sie die Pferde gebunden hatten. Er blickte hinauf zu den weißen Blüten und umrundete ihn langsam. Schließlich hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte und fischte einen der unteren Äste herunter. Von dem riss er einen kleinen Zweig ab und zeigte ihn Rean. Dieser erkannte sofort, dass eine einzige Blüte rosa geworden war. "Wie ist das möglich?", fragte er staunend. "Ich hab das Blut an das nächste Lebewesen weitergegeben, das mir in den Sinn gekommen ist. Im Hinblick auf deinen Schimmel und meinen Rappen habe ich mir gedacht, es sieht ziemlich doof aus, wenn die Pferde plötzlich rosa Flecken haben, deshalb hab ich den Baum genommen." "Ach so. Aber müsste es dann nicht mehr rosa Blüten geben?" "Nein. Die Menge war sehr gering. Es war nur genug für eine einzige Blüte am ganzen Baum." "Sie ist schön. Kannst du sie irgendwie haltbar machen? Ich würde den Zweig gerne als Andenken mitnehmen." "Kein Problem." Er sprach einen kurzen Zauber. "Dieser Zweig wird jetzt niemals mehr welken. Ich glaube, das müsste derselbe Zauber sein, den mein Vater auf meine Mutter anwendet" meinte er nachdenklich. "Wirklich? Dann macht er ihn echt gut. Deine Mutter sieht für ihr Alter nämlich noch verdammt gut aus." Tharas grinste. "Ich würde zu gerne wissen, wer von den beiden sich mehr freut, das zu hören." Sie mussten beide bei der Vorstellung lachen. In Anbetracht der Tatsache, dass Rean nicht wirklich in der Lage war, längere Strecken zu reiten und ihm auch so jeder Schritt wehtat, entschieden sie sich, erst einmal an dem Fluss zu bleiben, auch wenn sie das in ihrem Zeitplan um einiges zurückwarf. Als die Nacht anbrach, entfachten sie ein kleines Feuer und verzehrten in dessen Schein eine kleine Mahlzeit. Sie plauderten dabei über ganz belanglose Dinge und Rean erweckte äußerlich den Anschein, als wäre nie etwas geschehen, doch Tharas war klar, dass er innerlich aufgewühlt war und dass ihn die vergangenen Ereignisse nicht so schnell loslassen würden. Schließlich legten sie sich zum Schlafen hin. Tharas war noch nicht müde, wollte Rean aber nicht um seine Ruhe bringen. So beobachtete er ihn einfach ein wenig. Der Junge hatte sich so fest in eine Decke gewickelt, dass nur noch ein kleiner Schopf brauner Haare herausschaute und kehrte ihm den Rücken zu. Plötzlich fiel ihm auf, dass die Decke heftig zitterte. "Rean?", fragte er leise. "Was ist?", kam es aus dem Deckenhaufen zurück. "Ist dir kalt? Du zitterst wie Espenlaub." "Nein, alles in Ordnung." /Schon klar, und morgen ist Neujahr/, dachte Tharas, also sagte er: "Sag mal, vertraust du mir eigentlich?" Rean drehte sich zu ihm um und sah ihn mit seinen dunkelblauen Augen verwundert an. "Natürlich vertraue ich dir. Wieso fragst du?" Zur Antwort hob Tharas seine eigene Decke ein Stück an. "Wenn du willst, " sagte er, "dann kannst du bei mir schlafen." "Und das würde dich nicht stören?", fragte Rean unsicher. "Sonst würde ich es dir nicht anbieten, oder?" Der Junge sah ihn noch einen Moment lang unsicher an, kam aber dann langsam zu ihm herüber. Dann kroch er zu ihm unter die Decke und kuschelte sich an ihn. "Du darfst ruhig den Arm um mich legen, wenn du nicht weißt, wohin damit.", sagte er. Als er Tharas Zögern bemerkte, nahm er behutsam dessen Arm und legte ihn um sich. Die Wärme, die von seinem Freund ausging und das Klopfen seines Herzens, das Rean schwach wahrnahm, gaben ihm das Gefühl, vollkommen geborgen zu sein. Augenblicklich war er eingeschlafen. Tharas wünschte, das auch von sich behaupten zu können. Unbewusst zog er seinen kleinen Freund fester an sich. Sein Haar duftete so gut. Irgendwie süß und frisch. Nach Rean eben. Nach schier endlosem Grübeln überkam auch ihn die Müdigkeit und er schlief ein. Als er am nächsten Morgen erwachte, lag Rean immer noch eng an ihn geschmiegt und friedlich schlafend an seiner Seite. Die Morgensonne brachte sein Gesicht sanft zum Leuchten. Für Tharas war das einer der schönsten Momente seit langem. Eine Weile lag er reglos da und genoss die Vertrautheit zwischen ihnen. Plötzlich regte sich der Junge sacht und öffnete langsam die Augen. Zuerst blickte er etwas verwirrt drein, doch dann lächelte er. "Guten Morgen.", sagte er leise. "Guten Morgen, Schlafmütze.", antwortete Tharas. "Gut geschlafen?" "Ja. So gut wie schon lange nicht mehr.", antwortete Rean und setzte sich mit einem Ruck auf. "Wird ein schöner Tag heute.", stellte er fest. "Du hattest gar keine Alpträume heute Nacht.", bemerkte Tharas. "Stimmt. Ich könnte mich zumindest nicht daran erinnern. Muss an deiner Gegenwart gelegen haben.", überlegte der Junge und legte den Kopf schief. "Verrätst du mir jetzt, wovon du immer geträumt hast?" Rean wurde rot. "Ich sag's dir. Aber du darfst es nicht irgendwie falsch verstehen…" "So schlimm?", fragte Tharas und seine Neugier stieg. Endlich würde er den Grund für seine ganzen Sorgen der letzten Zeit erfahren. "Ja. Also, ich habe geträumt, dass wir beide und dein Vater bei mir zu Hause sind, um den Basilisken zu bekämpfen. Wir stehen alle drei um das Loch im Marktplatz herum und warten, dass das Vieh rauskommt. Dann sagt dein Vater: "Achtung, es ist soweit." Dann kommt der Basilisk raus und, na ja, ich weiß ja nicht einmal, wie so ein Basilisk aussieht, aber…" Er zögerte. "Aber?" "Na ja, er sieht einfach grässlich aus. So richtig zum Fürchten. Der erste, den er angreift, bist du. Ich will dir helfen, aber ich komme zu spät." Er schniefte. "Weißt du, ich träume jede Nacht davon, dass der Basilisk dich tötet." Er schaute Tharas schüchtern an. Dieser überlegte einen Augenblick, doch dann lächelte er und wuschelte Rean durchs Haar. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. So einfach lass' ich mich nicht töten, schon gar nicht von so einer blöden Schlange. Aber es wundert mich schon etwas, dass du so besorgt um mich bist. Anscheinend vertraust du mir doch nicht so ganz, was?" "Aber du bist mir doch der liebste Mensch auf der Welt und dich zu verlieren wäre das Schlimmste, das mir passieren könnte.", gestand Rean und wurde sofort wieder rot. Tharas stutzte. Dann berührte er sanft Reans Wange. "Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Mir wird nichts passieren. Ich würde dich doch niemals allein lassen." In Gedanken fügte er hinzu: /Dazu liebe ich dich zu sehr./ Ihre Blicke trafen sich und Tharas bemerkte, wie sich sein Gesicht schon wieder Reans näherte. Doch noch bevor er ihm zu nahe kommen konnte, hatte Rean sich aufgerappelt und verkündete: "So, nachdem das geklärt ist, mach ich jetzt Frühstück." (Haha, habt wohl gedacht, jetzt passiert's, was? Pustekuchen! *ätsch* d. Aut.) Nachdem sie gefrühstückt und sich gewaschen hatten, untersuchte Tharas erneut Reans Verletzungen, stellte aber fest, dass sie noch nicht wirklich besser waren. Am Abend hörte er zum ersten Mal wieder etwas von seinem Vater. "Na, alles in Ordnung mit euch beiden?", meldete sich die vertraute Stimme in seinem Kopf. "Geht so.", meinte Tharas und erzählte Llandon von den Ereignissen der letzten Tage. "Aha" meinte dieser, nachdem sein Sohn geendet hatte. "Also bist du gerade rechtzeitig gekommen. Und wie geht es ihm jetzt?" "Prima. Er erfreut sich bester Gesundheit, natürlich den Umständen entsprechend." "Gut. Was zum Teufel war eigentlich in letzter Zeit los mit dir?", fragte er seinen Sohn. "Eigentlich nichts weiter Schlimmes. Ich hab mir nur Sorgen gemacht, weil Rean so schlecht geschlafen hat." "Und was noch?" "Wie, was noch?" "Na das war doch noch lange nicht alles. Nur Sorgen sind kein Grund, darüber nachzudenken, ob man je wieder nach Hause kommt oder nicht." "Dir kann man nichts vormachen, oder?" "Schwierig. Also?" "Du weißt doch, was ich für ihn empfinde, oder?" "Sicher, es ist kaum zu übersehen. Du bist bis über beide Ohren in ihn verliebt." "Ja. Und diese Tatsache hat mich, während ich oft wach gelegen habe zu der Überzeugung gebracht, dass ich ohne zu zögern mein Leben für ihn geben würde." "Ich glaube, das ist ganz normal wenn man verliebt ist. Ich würde das gleiche für deine Mutter tun." "Apropos. Wie steht's eigentlich mit dir und Mutter?", wechselte Tharas das Thema. "Oh, gut. Ich darf wieder im Ehebett schlafen. Allerdings hat sie seit neuestem immer Kopfschmerzen, wenn ich etwas näher komme, dabei war sie früher nie krank. Versteh einer die Frauen. Da hast du's gut. Du bist in einen Mann… Hoppla. Entschuldige. Das war sehr unsensibel." "Schon gut. Es ist immerhin ein Anfang, dass du wieder bei ihr schlafen darfst, nicht wahr? Ich meld' mich bei Gelegenheit wieder bei dir. Gute Nacht, Vater." "Gute Nacht, Junge. Drück mir die Daumen." Und dann wurde Rean krank. Tharas hatte es schon befürchtet, und er hatte Recht behalten. Der Junge hatte sich dank des kalten Höhlenbodens erkältet. Zwar waren seine Prellungen wieder einigermaßen verheilt und sie hätten weiterreisen können, doch die Erkältung machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Der Prinz von Arc pflegte seinen kleinen Patienten liebevoll und machte sich keine weiteren Sorgen, denn ein Schnupfen ging schnell vorbei. Doch dann kam das Fieber. Rean träumte. In seinem Traum war er wieder dreizehn Jahre alt. Er hatte Geburtstag und war schon ganz aufgeregt, denn sein bester Freund wollte kommen und mit ihm feiern. Vergnügt hüpfte er über den Hof und hinüber zu den Ställen. Dort hörte er die Stimmen seiner Brüder, die miteinander diskutierten. "Schon wieder einer, der es auf Rean abgesehen hatte. Ich hab diese Perversen, vor denen wir ihn ständig beschützen müssen langsam satt. Außerdem sollte er sich mittlerweile selbst schützen können.", sagte Feorin. "Aber Feorin, er ist noch ein Kind. Außerdem: Schau ihn dir an. Er ist klein und schmächtig. Sogar ein ganz leichtes Schwert ist ihm zu schwer. Er kann sich nicht selbst verteidigen.", antwortete Fegowan. "Du hast ja Recht. Aber irgendwann wird er es schaffen müssen. Wir können nicht ewig für ihn da sein. Ach, wenn er doch nur ein Mädchen geworden wäre, dann wäre es mir eine Ehre, seine Tugend zu verteidigen. So ist es einfach nur eine Schande." "Du wirst es nicht glauben, aber wenn ich ihn ansehe, dann denke ich oft, dass er eines ist, nur in Jungenkleidern. Das macht es mir leichter, mir vorzustellen, dass wir unsere "Schwester" verteidigen." Rean stand ganz still. Für seine Brüder war er also eine Schande. Ein Mädchen in Jungenkleidern. Das war einfach ungerecht. Er konnte doch nichts dafür, dass er so war, wie er war. Tränen stiegen in seine Augen, doch er schluckte sie hinunter. So schnell wie er konnte lief er in den kleinen Garten hinter dem Festsaal, dort, wo er und Tharas Freundschaft geschlossen hatten. Wenn er doch nur schon hier wäre. Für Tharas war er keine Schande. Er mochte ihn so, wie er war. Atemlos kam er in dem Garten an und lehnte sich an den Stamm des Kirschbaums, der jetzt rote Früchte trug. So, ein Mädchen war er also. In einem Anflug von Zorn zog er das kleine Messer, das er immer bei sich trug aus der Schneide und begann, sich die langen Haare abzuschneiden. Erst als er die letzte lange Strähne zu Boden fallen sah, erkannte er, was er da gemacht hatte. Aber jetzt würde er wenigstens nicht mehr wie ein Mädchen aussehen. Nun konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten und er begann, zu weinen. "Komisch.", sagte eine Stimme hinter ihm. "Immer, wenn ich dich an diesem Baum sehe, weinst du." Rean fuhr herum. "Tharas!", rief er. Dieser breitete seine Arme aus und der junge Prinz flog förmlich hinein. Er schluchzte hemmungslos. "Wieder deine Brüder?", mutmaßte der junge Mann. Rean nickte. "Sie sagen, " flüsterte er, "dass ich eine Schande bin und dass sie mich nicht mehr beschützen wollen." "Hör mal, Rean…", sagte Tharas und legte die Hand unter Reans Kinn, damit der Junge ihm in die Augen sehen musste, "wir sehen uns zwar nur selten, aber wenn ich bei dir bin, dann wäre es mir eine Ehre, wenn ich dich beschützen dürfte." "Ehrlich?", fragte Rean. "Ganz ehrlich. Ich schwöre dir, dass ich dich, komme, was da wolle, beschützen werde. Wir sind doch Freunde, oder?" Rean nickte. Dann fiel er Tharas um den Hals und drückte ihn fest an sich. "Ich liebe dich.", sagte er leise. "Ich dich auch.", antwortete Tharas und erwiderte die Umarmung. "Was hast du eigentlich mit deinen Haaren gemacht?", fragte er plötzlich. Der Traum entglitt Rean und er wachte auf. Über ihm stand der Mond inmitten unzähliger Sterne. "Oh, entschuldige. Hab ich dich geweckt?", fragte Tharas leise. In der Hand hielt er ein sauberes, mit kaltem Wasser getränktes Tuch, um Reans Stirn zu kühlen. Rean schüttelte den Kopf. "Nein" sagte er. "Ich wäre auch so aufgewacht." "Gut.", meinte Tharas und fühlte Reans Temperatur. "Sieht so aus, als würde das Fieber langsam fallen.", stellte er fest. "Tharas?" "Was denn?" "Ich hab von dem Tag geträumt, als du mir geschworen hast, dass du mich beschützen willst." "Tatsächlich? Daran kann ich mich gar nicht erinnern.", überlegte Tharas und legte die Stirn in Falten. "Ich hab dir damals gesagt, dass ich dich liebe…" "Ach ja, richtig. Von was man nicht alles träumt, was?" "Ich hab das damals ernst gemeint." In Tharas keimte Hoffnung auf. Wenn er ihn damals geliebt hatte, dann könnte er das doch heute immer noch tun. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, welches Rean nicht entging. "Warum lächelst du?", fragte er mit skeptischem Blick. "Ach, wegen gar nichts. Schlaf noch ein wenig. Wenn deine Heilung weiter so gut voranschreitet, können wir in ein paar Tagen aufbrechen." Und so war es dann auch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)