The quest for the mandrake von myrys84 ================================================================================ Kapitel 17: Kapitel 16 - Das dritte Rätsel ------------------------------------------ Hallo, ihr Lieben. An dieser Stelle möchte ich mal danke sagen. 1. @Dorei-chan: Ich liebe deine Kommis. Die sind ja fast noch unterhaltsamer als mein Geschreibsel. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen. (Gott, klingt das geschwollen. Ist aber ehrlich gemeint. ^^) 2. @Hetana: Danke auch dir dafür, dass du mich so fleißig mit Kommis fütterst. Euch beiden widme ich dieses Kapitel. Aus diesem Anlass habe ich mir erlaubt, wieder ein bisschen mehr Romantik einzubauen und zur Abwechslung mal nicht an einer fiesen Stelle aufzuhören. ^^ Ich hoffe, es gefällt euch. An euch und alle anderen, die das hier lesen: Viel Spaß. Kapitel 16 Das dritte Rätsel Der König erwartete ihn im Gewächshaus, vor dem Beet mit der letzten Mandragora auf der ganzen Welt. Als Atan eintraf, schien der Herrscher in Gedanken versunken, doch sobald er die Anwesenheit seines Beraters bemerkt hatte, wandte er sich mit ernster Miene zu ihm um. "Als du mir dargelegt hast", sagte er ruhig, "dass wir es uns eigentlich nicht leisten können, die Mandragora herzugeben, da gab ich dir zuerst Recht. Ich fand es klug, dass die beiden sich beweisen mussten. Doch was du jetzt tust ist absolut willkürlich." "Er hat das Rätsel angenommen. Sein Problem“, erwiderte Atan kalt. "Was soll es bringen, wenn er dir seine Unschuld gibt?", wollte der König zornig wissen. "Ich will sehen, wie weit er bereit ist, zu gehen für das, was ihm wirklich wichtig ist“, gab der Berater zurück. "Ist dir eigentlich klar, was du da tust? Du treibst einen Keil zwischen zwei Liebende“, sagte Oberon. "Liebende?", fragte Atan mit keinerlei Emotionsregung in der Stimme und zog eine Augenbraue leicht nach oben. "Das wäre mir neu…" "Tu nicht so!", fuhr Oberon auf. "Jeder Elf hat die Fähigkeit, die Aura eines Menschen oder anderen Elfen zu sehen und bei niemandem ist diese Fähigkeit so ausgeprägt wie bei dir! Wenn sogar meine Frau sieht, dass die beiden von einer Aura der Liebe umgeben sind, was siehst dann du?" "Ich sehe zwei Narren, die glauben, einander zu lieben. Mindestens einer von ihnen ist schon rein genetisch nicht zur Liebe fähig“, antwortete Atan. "Ist es vielleicht gar nicht wegen dem Jungen? Das ist es, nicht wahr? Du willst nicht ihm wehtun, sondern Narmonehtar. Atan, es war nicht er, der deine Frau getötet hat. Es war sein Vater und wie es scheint, wurde dieser geläutert. Warum lässt du die Vergangenheit nicht einfach ruhen?" Oberons Stimme hatte sich verändert. Sie klang ein wenig mitleidig. "Das kann ich nicht. Er hat mir alles genommen, was mir jemals wichtig war. Doch auch dir, mein lieber "Freund" kann ich nicht vergeben. Es war deine Aufgabe, meine Geliebte und unser ungeborenes Kind zu beschützen. Du sagtest, sie wäre in Sicherheit. Du hast es mir versprochen!" "Ich hatte keine Ahnung, dass er sich mit Drachen verbündet hatte. Sie haben das Haus, in dem ich sie und so viele andere untergebracht habe, einfach ausgeräuchert. Aber das brauche ich dir ja nicht zu erklären. Du weißt es selbst." Fast sanft fügte er hinzu: "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass es mir Leid tut? Aber nur, weil ich einen Fehler gemacht habe, darfst du es doch nicht diese beiden Unschuldigen spüren lassen. Bitte, Atan, zieh das Rätsel zurück. Damit machst du es allen leichter." "Das werde ich nicht tun“, sagte Atan störrisch. Der König seufzte. "Hör zu“, sagte er drohend, "Wenn Tinwen morgen immer noch bereit ist, mit dir zu schlafen, dann werde ich persönlich eingreifen und das Rätsel für gelöst ansehen. Ich lasse nicht zu, dass er sich dir hingibt. Hast du verstanden?" Als Atan nicht reagierte, fragte er noch einmal: "Atan, hast du mich verstanden?" "Ja, Majestät, das habe ich“, erklärte der Berater. "Gut. Das war alles. Du darfst dich zurückziehen." Er wandte sich wieder ab und Atan zog sich zurück. In ihren Gemächern angekommen konnte Rean sich nicht mehr zurückhalten. Er begann, bitterlich zu weinen und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Die Nacht brach an und im Zimmer wurde es dunkel. Tharas nahm den weinenden Jungen in die Arme und zog ihn fest an sich. Der schlanke Körper zitterte heftig und immer neue Tränen kamen hervor, bis sie alle verbraucht waren und nur noch ein trockenes Schluchzen zu hören war. "Ich hab Angst“, sagte Rean leise. "Ich lasse das nicht zu“, murmelte Tharas und fuhr sanft über Reans Haar. "Ich halte dich solange fest, bis die Frist verstrichen ist. Er soll es nicht wagen, Hand an dich zu legen." "Das bringt nichts, Tharas“, schluchzte Rean. "Wenn es doch unsere einzige Chance ist, unser Ziel zu erreichen. Ich muss es tun." Wieder quollen ein paar Tränen hervor. "Ich mach es für dich“, sagte Tharas mit fester Stimme. "Wie jetzt?", fragte Rean und blickte ihn überrascht an. "Willst du einfach zu ihm hingehen und sagen: Nimm mich anstatt seiner?" "Nicht ganz“, erklärte der Krieger, löste sich von Rean und sprach in Gedanken einen Zauber. Vor Reans Augen schien er zu schrumpfen, schmäler zu werden und sein Haar verkürzte sich. Es wurde heller und sein Gesicht feiner. Seine Kleider wurden ihm zu groß. In wenigen Augenblicken hatte er sich in Reans Ebenbild verwandelt. "Das ist nicht dein Ernst?", fragte Rean rhetorisch. "Doch. Du bleibst hier und ich gehe in deiner Gestalt zu ihm“, erklärte Tharas. Seine Stimme war zwar tiefer als Reans, doch er imitierte so geschickt den Tonfall des Jungen, dass man das als Aufregung durchgehen lassen konnte. "Das ist Unsinn“, sagte Rean bestimmt. "Du weißt doch, dass du keine Berührungen von Elfen verträgst. Selbst wenn du aussiehst wie ich, bleibst du doch immer noch du. Es würde dich vor Schmerz umbringen. Und jetzt verwandle dich zurück. Ich hab nämlich das Gefühl, ich rede mit mir selbst." Der falsche Rean zuckte die Schultern und wurde wieder zu Tharas. "Dann muss ich dich eben doch festhalten“, sagte er nüchtern. "Ist gut“, flüsterte Rean und schmiegte sich wieder in seine Arme. "Halt mich die ganze Nacht fest und lass mich nicht los." Tharas begann, gedankenverloren über Reans Rücken zu streicheln. "Du, Tharas…", sagte der Junge plötzlich. "Was denn?", fragte Angesprochener zurück. "Weißt du, ich bin ein Junge und wenn, na ja, wenn vorher schon mal jemand mit mir… Du weißt schon, was… Dann würde das doch keiner merken, oder?" "Was willst du damit sagen?", fragte Tharas und in seiner Stimme klang ein gefährlicher Unterton mit. "Ich will sagen, dass wir beide vielleicht…" Tharas löste sich schlagartig von ihm. "Niemals“, sagte er. "Nicht so." "Warum nicht?", fragte Rean verzweifelt. Sein großer Freund wandte sich von ihm ab und ging zum Fenster hinüber. Dort stützte er sich mit einer Hand gegen den Rahmen und sah hinaus. "Erstens wäre das Betrug. Und zweitens – und viel wichtiger - ich will nicht, dass du mit meinen Gefühlen spielst, Rean." Seine andere Hand ballte sich zur Faust und seine Stimme zitterte vor Zorn. "Und ich will nicht, dass du mich ausnutzt. Ich will nicht dein erster sein, nur damit er es nicht ist." "So war es nicht gemeint“, versuchte Rean zu erklären und legte eine Hand auf Tharas Schulter, doch er schüttelte sie ab und fuhr zu dem Jungen herum, sodass Rean erschrocken einen Schritt zurückwich. "Oh doch“, sagte er und sah Rean tief in die Augen. "Genau so war es gemeint. Du willst nicht mit ihm als erstes schlafen, also suchst du dir jemand anderen. Also nehmen wir gleich den blöden Tharas. Der Idiot hält schon hin! Nicht mit mir, Rean. Wenn du mit mir schlafen willst, dann nur, weil du mich liebst und nicht, weil es dir gerade so in den Kram passt." Er stürmte an ihm vorbei in sein Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. "Aber das tue ich doch…", wisperte Rean. Er hatte alles falsch gemacht. Verzweiflung machte sich in ihm breit. Er ging zu seiner Tasche und holte Meleans Flöte heraus. Dann ging er hinüber ans Fenster und setzte sich aufs Fensterbrett. Ein Bein zog er an, das andere ließ er lässig baumeln. Er setzte die Flöte an und begann, zu spielen. Er spielte die halbe Nacht und es waren ausschließlich traurige, melancholische Weisen. Tharas hörte ihn. Lauschend lag er auf seinem Bett mit unter dem Kopf verschränkten Armen. Er hatte Rean wehgetan. Doch Tharas war kein übler Kerl, der die Notlage des Kleinen ausgenutzt hätte. Sicher hätte Rean es irgendwann bereut. Immerhin war ihm ja schon ein Kuss so unangenehm, dass er ihn vergessen wollte. Rean grübelte. Der König selbst hatte doch gesagt, es gebe nicht immer nur eine Lösung. Was, wenn es hier genauso war. Doch was könnte er Atan stattdessen anbieten? Verträumt starrte er in die Dunkelheit. Hinten im Garten lag ein kleiner See, umgeben von Trauerweiden, der langsam von Nebelschwaden überzogen wurde. Ihm fiel auf, dass die Elfen heute Nacht nicht sangen. Fast so, als wären auch sie angespannt. Sein Blick fiel auf die Flöte und er erinnerte sich an Melean. Was hatte er gesagt? Diese Flöte war nach seinen eigenen Vorstellungen von seinem Vater geschnitzt worden und es gab sie so nur einmal auf der ganzen Welt. Und sie gehörte Rean, der wirklich kein sehr guter Spieler war. Dennoch entlockte er dem Instrument die schönsten Klänge. Der Junge hütete sie wie… Einen Schatz! Das war doch die Lösung! Er würde ihm die Flöte schenken. Er konnte sie nur einmal an einen Mann verschenken, da er sie nur einmal hatte und wenn er sie verschenkt hätte, dann wäre sie ja nicht mehr die seine. Einmalig war sie auch und wenn sogar ein Laie wie er darauf spielen konnte, dann würde sie garantiert Freude bereiten. Schnell sprang er von Fensterbrett und lief zu Tharas Tür. Dort zögerte er kurz. Sein Freund war immer noch wütend auf ihn. Sollte er ihn stören? Letztendlich fasste er sich ein Herz und klopfte an. Auf sein Klopfen folgte keine Reaktion. Er trat trotzdem ein. Wenn Tharas schlief, würde er ihn einfach wecken. Immerhin hatte er eine Lösung und die musste er ihm unbedingt mitteilen. Tharas war leicht eingedöst. Als Rean eintrat, blickte er ihn erst einmal verwirrt an. "Was machst du denn hier?", fragte er und gähnte. "Ich wollte nur… Na ja, ich hab eine Lösung. Glaub ich jedenfalls“, erklärte Rean. "Wirklich?" Tharas war schlagartig hellwach und setzte sich auf. "Ja“, sagte Rean und setzte sich neben seinen Freund auf die Bettkante. Er erklärte ihm, was er herausgefunden hatte. Tharas war begeistert. "Du bist ein kleines Genie. Und mindestens genau so fies wie der alte Atan. Aber das ist gut. Dann schlagen wir ihn mit seinen eigenen Waffen“, freute er sich und zauste Reans Haar. "Findest du?", vergewisserte sich der Junge. "Absolut. Ich bin stolz auf dich“, erwiderte der Magier. "Wenn das so ist, " sagte Rean und wandte sich zum Gehen, "dann gehe ich jetzt ins Bett. Gute Nacht." "Gute Nacht, Rean“, antwortete Tharas. "Ach übrigens", fügte er noch ernst hinzu, als Rean schon in der Tür stand und sich nun wieder zu ihm umdrehte, "unter anderen Umständen wäre ich gerne dein erster gewesen." Rean wurde rot und huschte schnell in sein Zimmer. Der nächste Morgen brach strahlend schön an. Um halb acht klopfte es an Tharas Zimmertür. Brummelnd hievte er sich aus dem Bett und öffnete die Tür. Davor stand Miriel und lächelte ihn freundlich an. "Guten Morgen, Herr“, sagte sie. "Guten Morgen“, gähnte Tharas. "Was gibt es denn schon so früh?" "Verzeiht die Störung, Herr, doch es ist bereits halb acht. Da ich dachte, dass Ihr und der junge Herr Tinwen noch Zeit braucht, um euch noch einmal alleine zu unterhalten, beschloss ich, Euch zu wecken. Außerdem wollt Ihr doch nicht zu spät kommen, oder?" "Das ist nett von dir. Danke, Miriel“, antwortete Tharas und lächelte zurück. Plötzlich fiel ihm etwas auf: "Sagtest du, es ist schon halb acht?", rief er erschrocken. "Ja, Herr. Das ist es“, bestätigte die Dienerin. "Du meine Güte. Gut, dass du mich geweckt hast. Du bist ein Schatz. Würdest du bitte Tinwen wecken?", fragte der Magier und verschwand wieder in seinem Schlafzimmer, um sich frisch zu machen. "Sicher, Herr“, lächelte Miriel und ging hinüber zu Reans Tür. Dieser schlief allerdings so fest, dass es der Elfe unmöglich war, ihn nur durch ihr Klopfen zu wecken. "Es rührt sich nichts“, sagte sie unbehaglich zu Tharas, der hinter ihr auftauchte. "Kein Problem. Dann übernehme ich ab hier. Danke, Miriel“, antwortete er. Die Elfe nickte und verließ sie. Tharas versuchte es noch einmal mit anklopfen. Nachdem er immer noch keine Reaktion bekam, öffnete er die Tür und trat ein. Rean hatte sich zusammengerollt und schlief tief und fest. Seine Decke war herunter gerutscht und er hielt sie an einem kleinen Zipfel fest. Der Magier ging zu dem Bett hinüber und ließ sich dort in die Hocke sinken. Sanft schob er Reans Haar aus dem friedlich lächelnden Gesicht. "Rean", flüsterte er, "wach auf." Ein leises Brummen folgte, doch Rean drehte sich nur auf den Rücken und machte keine Anstalten, aufzuwachen. Tharas näherte sich vorsichtig dem Ohr des Jungen und blies sacht hinein. Dieser rollte den Kopf auf die Seite, um sein Ohr zu schützen, wobei sein Gesicht dem von Tharas fast unerträglich nahe kam. Seinen Gefühlen folgend gab Tharas nach und berührte sanft Reans Lippen mit den seinen. Anscheinend hatte diese Aktion Erfolg, denn als er sich nur Augenblicke später von dem Jungen löste, öffneten sich die großen blauen Augen und schauten ihn verträumt an. "Aufstehen, Schlafmütze“, sagte Tharas leise und lächelte. "Wir wollen doch einen Berater ärgern." Rean blickte ihn verständnislos an. Anscheinend schlief er immer noch halb. "Wie spät ist es?", murmelte er. "Kurz nach halb acht“, erklärte sein Freund. "Was? Schon so spät?", rief Rean und setzte sich hastig auf. "Warum hast du mich nicht früher geweckt?" "Hab ich doch versucht. Aber du hast geschlafen wie ein Murmeltier“, antwortete Tharas vorwurfsvoll. "Dann fällt das Frühstück heute wohl aus“, stellte der Kleine fest und reckte sich. Dann schwang er die Beine über den Bettrand und bat Tharas, ihm sein Gewand herüber zu reichen, welches er noch vor dem Schlafengehen abgelegt hatte. Sie mussten sich sputen, um den Thronsaal rechtzeitig zu erreichen. Rean hatte die Flöte sorgfältig in den Falten seines Gewandes verborgen, um sie nachher freudestrahlend zu präsentieren. Als sie den Saal betraten, verstummten alle Gespräche und sämtliche Blicke richteten sich auf Rean. Kurz nach den beiden Prinzen erscheinen Oberon, Titania und Atan, welcher ein fieses Grinsen zu unterdrücken versuchte. Als das Königspaar Platz genommen hatte, fragte der König: "Steht Ihr zu Euerer Entscheidung, Tinwen?" "Das tue ich“, antwortete Rean fest. "Doch ich bin nicht sicher", fügte er nachdenklich hinzu, "ob der Herr Atan auch bereit ist, anzunehmen, was ich ihm zu bieten habe." Nicht nur die Miene des Königs war verwirrt. Atan jedoch antwortete mit einem selbstsicheren Lächeln: "Natürlich bin ich bereit." "Na dann“, sagte Rean. Mit verführerischem Blick ging er auf Atan zu. Kurz vor dem Berater blieb er stehen. "So nehmt denn entgegen, was Ihr von mir verlangtet“, sagte er. Atans Gesicht kam näher, doch plötzlich war ihm der Weg zu Reans Lippen von einem länglichen, hölzernen Gegenstand versperrt. Der König war im Begriff, aufzustehen um einzuschreiten, doch jetzt setzte er sich wieder, überrascht von dem, was gerade passierte. "Was soll das, Junge?", fragte Atan. "Das ist Euere Gabe, verehrter Atan“, lächelte Rean. "Eine Flöte aus den Wäldern von Argaye. Ein Geschenk meines guten Freundes Melean, das ich hüte wie einen Schatz. Es ist eine Sonderanfertigung, von seinem Vater speziell für ihn geschnitzt und deshalb ein Einzelstück. Ich kann sie nur einem Manne schenken, da sie dann nicht mehr in meinem Besitz ist. Und selbst der laienhafteste Spieler kann ihr die schönsten Melodien entlocken, was dem, der sie empfängt, große Freude bereitet." Während er sprach war das Grinsen in Tharas Gesicht immer breiter geworden. Auch der König konnte jetzt nicht mehr an sich halten und lachte lauthals los. Die Adeligen starrten fassungslos den jungen Menschen an und Atans Blick war finster und eiskalt geworden. Seine Lippen waren fest zusammengepresst. Als der Herrscher sich wieder beruhigt hatte, sagte er: "Und da dachte ich, der junge Tinwen bräuchte meinen Schutz. Anscheinend habe ich Euch unterschätzt, junger Freund." An Atan gewandt meinte er grinsend: "Da hat dir jemand ein ganz schönes Schnippchen geschlagen, was?" "Es scheint so, Majestät“, presste der Berater hervor. Rean drückte ihm die Flöte in die Hand und nahm wieder seinen Platz vor dem Thron neben Tharas ein. Dieser raunte ihm zu: "Gut gemacht." "Ihr habt alle Rätsel gelöst, deshalb werden wir unser Versprechen halten und euch die Mandragora übergeben. Ihr könnt sie heute Abend hier in Empfang nehmen“, erklärte Oberon und strahlte sie an. "Hast du das gehört, Tharas? Wir haben's geschafft!", rief Rean, fiel seinem Freund um den Hals und drückte kurz aber kräftig seine Lippen auf Tharas. Dieser war so verblüfft, dass er gar nicht reagieren konnte, doch er verstand Reans Freude und wunderte sich nicht, dass sein Verhalten etwas überschwänglich war. "Wir sehen uns heute Abend“, sagte der König und erhob sich. Er und die Königin verließen den Saal, nicht jedoch Atan. Er stand da und starrte die beiden Prinzen, die sich vor Freude in den Armen lagen, mit Verachtung an. "Narren“, knurrte er und fuhr herum, wobei sich sein blutroter Umhang bauschte. Dann stürmte er davon. In der Stadt verbreitete sich die Nachricht von dem hübschen Menschenjungen, der den großen weisen Atan hereingelegt hatte wie ein Lauffeuer. Bis zum Nachmittag war sie schon bei der "Einhorn" angekommen und die Seeleute, ganz besonders jedoch Yaros und Soley, freuten sich wie (ein Schnitzel ;0)) die Kinder, dass Rean und Tharas erfolgreich gewesen waren. Die beiden Prinzen verbrachten den Tag im Garten des Palastes, wo sie die sommerliche Wärme genossen, auf einem Baumstamm im Schatten der Trauerweiden sitzend, die Füße im Wasser des Teiches baumelnd. Sie plauderten über Belanglosigkeiten oder mutmaßten, ob es Llandon mittlerweile gelungen war, wieder bei seiner Frau zu landen. Es war fast wie früher, bevor sie zu dieser verrückten Reise aufgebrochen waren. Gegen Mittag kam Miriel zu ihnen und brachte ihnen einen Korb, in dem sie zu essen und zu trinken fanden. Am Abend holte sie sie ab und brachte sie zurück in den Thronsaal. Der König erwartete sie bereits, allerdings war er diesmal allein. In seinen Händen hielt er ein mit einem Korken verschlossenes Glas. In diesem Glas befand sich eine große, braune Wurzel mit ein paar grünen Blättern und einer großen, weißen, noch geschlossenen Blüte am oberen Ende. "Hier ist sie", sagte er und reichte das Glas an Rean weiter, "die letzte Mandragora. In der Knospe befinden sich noch ein paar Samen. Übergebt sie unseren Verwandten. Möglicherweise gelingt es ihnen, damit neue Pflanzen zu züchten." "Das werden wir“, versicherte der Junge. "Ich hoffe, Ihr schafft es, Euer Volk zu retten." "Danke“, sagte Rean leise. "Eine Frage, Majestät“, sagte Tharas. "Die lautet…", erkundigte sich der König. "Ihr wisst nicht zufällig, wie man einen Basilisken beseitigt?", wollte der Magier wissen. "Ganz einfach: Abstechen, Kopf abhacken, was man eben so mit Monstern macht", lächelte Oberon. "Das ist alles?", fragte Tharas ungläubig nach. "Ja, das ist alles. Sobald man mal gegen seinen Blick resistent ist. Oder man kämpft so gut, dass man seinen Gegner auch blind trifft." "Tolle Aussichten“, murmelte Tharas. "Ihr findet einen Weg, da bin ich ganz sicher“, sagte der Herrscher der Elfen zuversichtlich. "Ach ja, ein Rat: Passt auf seine Giftzähne auf. Die sind sehr tückisch. Das Gift wirkt schneller als jede Selbstheilung." "Danke für den Rat, Majestät. Ich werde daran denken. Lebt wohl“, antwortete der Prinz von Arc und verbeugte sich. "Viel Erfolg euch beiden. Und einen sicheren Weg nach Hause. Möge der Segen des Elfenvolkes mit euch sein. Lebt wohl“, sagte der König. Rean war ein kleines bisschen traurig, denn er wusste, dass er sie alle nie wieder sehen würde. Den König, Miriel, die Kinder in der Stadt. Tharas und er hatten eine Ausnahmegenehmigung erhalten, doch es würde ihnen nie wieder gestattet sein, die westlichen Lande zu betreten. "Lebt wohl, Majestät“, sagte er schließlich und schluckte hart. Dann verbeugte auch er sich. Gemeinsam mit Tharas zog er sich zurück. Vor dem Tor zur Halle wartete bereits Miriel. Ein letztes Mal ging sie voran zu den Gemächern der beiden, wo sie sich umzogen und ihre Taschen packten. Dann führte die Zofe sie zum Tor des Schlosses, wo wieder die Kutsche auf sie wartete, um sie zum Hafen zu bringen. Atan stand in seiner Schreibstube am Fenster und blickte hinaus. Dort unten stiegen die beiden Menschen gerade in die Kutsche. "Ihr seid zwar beide Narren", murmelte er, "aber versucht ruhig euer Glück. Wenn die Götter es wollen, werdet ihr nicht scheitern…" Er betrachtete die hölzerne Flöte, die auf seinem Schreibtisch lag, schüttelte den Kopf und schmunzelte. Während der Fahrt fragte Rean plötzlich: "Was Melean wohl sagen wird, wenn er erfährt, dass ich seine Flöte weggegeben habe?" "Ich denke, er wird es verstehen“, antwortete Tharas. "Meinst du wirklich?", wollte der Junge zweifelnd wissen. "Aber sicher. Ich glaube kaum, dass er es gutgeheißen hätte, wenn du deine Unschuld verloren hättest. Er war doch immer so um dich besorgt. Da lieber die Flöte. Und wenn nicht, kriegt er es mit mir zu tun." "Hoffentlich hast du Recht“, flüsterte Rean unglücklich. Rean und Tharas betraten die "Einhorn" mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits waren sie froh, die Mandragora zu haben und nach Hause zu können, andererseits fiel ihnen beiden der Abschied von den unsterblichen Landen schwer. Von der Mannschaft wurden sie aufs Herzlichste willkommen geheißen. Soley war wieder auf Menschengröße angewachsen und fiel erst Rean und dann Tharas, der bei ihrer Berührung kurz zusammenzuckte, um den Hals. "Ihr habt's geschafft!", rief sie fröhlich. "Glückwunsch, ihr zwei“, sagte Yaros anerkennend. "War nicht schlecht, wie ihr den alten Atan aufs Kreuz gelegt habt." "Danke, Yaros“, antwortete Rean "Wann laufen wir aus?", erkundigte er sich. "Mit der nächsten Flut. Das heißt in etwa einer Stunde“, gab der Steuermann zurück. Er riet ihnen, sich hinzulegen und etwas auszuruhen. Doch noch bevor sie in ihre Kabine zurückgekehrt waren, rief einer der Elfen: "Da kommt ein Reiter. Sieht aus wie ein königlicher Bote." "Aber ob der zu uns will?", fragte sich Yaros. Tatsächlich hielt der Bote auf die "Einhorn" zu. Dort angekommen riss er sein Pferd herum und rief: "Bitte, an Bord kommen zu dürfen. Ich habe eine Nachricht für Herrn Tinwen!" Der Kapitän gab ihm die Erlaubnis und schon stand der Bote an Deck des Schiffes. Rean trat mit misstrauischem Blick auf ihn zu. Nicht nur er fürchtete, dass sie die Mandragora wieder hergeben mussten. Anscheinend sah der Bote es in seinem Gesicht stehen, denn er lächelte und sagte: "Keine Sorge. Ich werde Euch nichts wegnehmen. Eher bin ich gekommen, Euch etwas zu bringen." Er zog ein längliches, kleines, hölzernes Kästchen hervor. Dieses überreichte er Rean mit den Worten: "Der Herr Atan schickt Euch dies." "Atan? Das kann nichts Gutes bedeuten…", murmelte Yaros. "Ich danke Euch“, sagte Rean und starrte das Kästchen in seinen Händen an. "Meine Aufgabe ist erfüllt“, sagte der Bote, verabschiedete sich, verließ das Schiff und ritt davon. "Was mag da drin sein?", fragte Soley und kam nahe an ihn heran. Auch Tharas und Yaros kamen näher und beäugten misstrauisch das Kästchen. "Machen wir's auf, dann sehen wir schon…", meinte Rean und öffnete vorsichtig den Deckel. In dem Kästchen war… "Meine Flöte!", rief der Junge überrascht. "Die Flöte?!? Warum schickt er dir die denn zurück?", fragte Tharas irritiert. "Weiß nicht“, antwortete der Junge und holte das Instrument heraus. Dabei fiel ihm ein sauber gefaltetes Stück Papier auf, das unter der Flöte in dem Kästchen lag. "Was ist das?", fragte er und holte es heraus. Er faltete es auf und sah, dass es anscheinend etwas wie eine Nachricht war. Jedoch konnte er sie nicht lesen, denn sie war in Elfenschrift. "Lies mal vor“, forderte er Tharas auf. "Kann ich nicht“, antwortete dieser. "Warum nicht? Ich dachte, du kannst die elfische Sprache“, maulte Rean. "Ja. Sprechen, aber nicht lesen“, erklärte sein Freund. "Ich mach das“, bot sich Soley an. Sie nahm dem Jungen den Zettel ab und überflog ihn. Dann las sie vor: "Tinwen. Fürwahr habt Ihr mir einen Schatz anvertraut, der Euch sehr wichtig ist. Ich selbst habe keine Verwendung dafür, deshalb gebe ich ihn Euch zurück. Atan. PS: Euer größter Schatz war es nicht. Auf Euer eigentlich Wertvollstes solltet Ihr gut aufpassen." “Wie war das denn gemeint?", fragte sie irritiert. "Keine Ahnung“, sagte Rean. "Dein eigentlich Wertvollstes. Der meint doch wohl nicht deine…", meinte Tharas. "Vielleicht“, gab der Junge zurück und zuckte die Achseln. Doch insgeheim wusste er genau, was Atan meinte. Natürlich konnte es dem Berater des Königs nicht entgangen sein, was er für seinen Freund empfand. Hatte er Tharas doch vor allen Anwesenden geküsst, wenn auch nur kurz und im Überschwang der Gefühle. 'Ich werde auf ihn aufpassen, ganz sicher, Atan.', dachte er. Zu Tharas sagte er: "Ich glaube, ich hau mich jetzt aufs Ohr. Ich bin ziemlich abgekämpft." Er gähnte herzhaft. "Gute Idee“, stimmte dieser zu. "Ich glaube, das werde ich auch tun." "Na dann, gute Nacht, Freunde“, sagte Yaros. "Schlaft schön. Wenn ihr morgen aufwacht, sind wir bereits auf See." In der Kabine angekommen sagte Rean: "Es ist besser, dass ich gleich gegangen bin. Ich glaube, den Anblick des Landes, wie es im Westen verschwindet, hätte ich nicht ertragen. Komisch. Wir waren nur ein paar Tage hier und doch hängt mein Herz an diesem Land." "Ich verstehe, was du meinst“, erwiderte Tharas. "Es war wunderschön dort und auch die Elfen waren netter als ich dachte. Aber ganz ehrlich: Ich bin richtig froh, wenn ich wieder heimischen Boden unter den Füßen habe. Besonders den von Arc." Rean fiel wieder ein, was Tharas zu ihm gesagt hatte bezüglich der Tatsache, was sie tun würden, wenn sie wieder zu Hause waren. Schlagartig wurde er noch trauriger. Langsam tat ihm der Gedanke, ihn für lange Zeit nicht mehr zu sehen, richtig weh. Wann waren seine Gefühle für Tharas nur so stark geworden? Er warf sich auf seinen Schlafsack und schlief fast augenblicklich ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)