Kurzgeschichten und Experimente von mizuchi_akkaku ================================================================================ Kapitel 5: Die mitternachtsblaue 'SternAdler' --------------------------------------------- Da stand sie nun auf der Brücke und konnte ihr Glück immer noch nicht wirklich fassen. Sie hatte es tatsächlich geschafft zur Mannschaft des berühmtesten Sternenkreuzers der Galaxien zu gehören; der stolzen 'SternAdler', die gemeinhin als mitternachtsblaue 'SternAdler' bekannt war. Aber nicht nur das tiefe Blau der Außenhülle war beeindruckend, sondern auch die Wendigkeit, die sie trotz ihrer Größe immernoch besaß, erstaunte Laura jedes mal von neuem. Ganze 500 Passagiere passten in die Unterkünfte in ihrem -bauch und darin waren die der Mannschaft noch nicht einmal mit eingerechnet. „Irgendetwas außergewöhnliches zu berichten?“, forderte der Kapitän die Verantwortlichen seiner Crew auf, die vor ihm aufgereiht auf der Brücke standen. Auch Laura war eine davon und sie machte sich vor Stolz noch ein bisschen größer, als sie eigentlich war, was ihr als erste Copilotin niemand wirklich übel nahm, da dies der dritt-höchste Rang auf der 'SternAdler' war. Über ihr standen nur noch der Pilot selbst und Kapitän Mirano. Kapitän Mirano sah Laura fragend an und als sie mit einem bestimmten, aber ruhigen „Nein, Kapitän.“ antwortete, nickte er zufrieden. „Schön, dass Sie sich schon so gut eingearbeitet haben.“, fügte er noch an und schritt ein Stück zur Tür. „Dieser Herr hier wird für diesen Flug unser Pilot sein.“, stellte er einen Mann vor, den Laura bis dahin noch gar nicht bemerkt hatte. Als sie ihn betrachtete, fragte sie sich unwillkürlich, wie dieser Mensch Pilot hatte werden können, da er mit seiner leicht gebeugten Haltung keinerlei Selbstbewusstsein ausstrahlte. Außerdem fielen ihm seine braunen, leicht gewellten Haare in dichten Strähnen über die Augen, sodass er sicher kaum etwas sehen konnte. Aber zur Frage um den Piloten hatte sie nichts zu sagen. Das war allein die Entscheidung des Kapitäns und der Flugverwaltung. Also hörte sie dem Kapitän weiter aufmerksam zu. „Er ist das erste mal auf der 'SternAdler', aber ich bin sicher, dass er sich schnell eingewöhnen wird, auch wenn dieses Schiff etwas besonderer ist, als alle anderen Sternenkreutzer.“ Bei diesen Worten musste Laura zustimmend lächeln, denn die 'SternAdler' hatte als einziges Passagierschiff eine eigene Intelligenz, die eigenhändig von Kapitän Mirano kalibriert worden war. Dadurch war die 'SternAdler' einem Menschen durchaus ebenbürtig(, was ihre Spannweite an emotionalem Verständnis anbelangte). Das alles war nur möglich, da der Kapitän eines Schiffes so gut wie nie ausgetauscht wurde und sein gesamtes Schiff in und auswendig kennen musste, im Gegensatz zur restlichen Crew. Insbesondere aber die Piloten waren selten zweimal hintereinander mit demselben Sternenschiff unterwegs, da sie flexibel bleiben mussten, was Laura nur hoffen ließ, dass dieser Flug wohl ihr einziger mit diesem Piloten blieb. Beschämt fiel ihr auf, dass sie seinen Namen verpasst hatte und stupste Manuela, die zweite Copilotin die neben ihr stand, leicht an. „Was?“, flüsterte sie ein wenig verärgert. „Wie hieß unser Pilot?“, flüsterte Laura schuldbewusst zurück, woraufhin ihr Manuela einen verärgerten Blick zuwarf. „Paul heißt er.“, antwortete sie sofort, da sie Lauras Schwäche, sich Namen merken zu können, schon kannte. Genauso wie Laura wusste, dass Manuela niemals 'Nein' zu Schokolade sagen konnte, was sich auch dezent an ihrer Figur äußerte. Aber hauptsächlich lag es daran, dass sie schon mehrere Male zusammen auf einem Schiff gearbeitet hatten. Manuela wandte ihren Blick wieder dem Kapitän zu. „Paul also.“, flüsterte Laura zu sich selbst und musste sich ein Lachen verkneifen, da sie so einen altertümlichen Namen schon lange nicht mehr gehört hatte. Aber als erste Copilotin grinste sie nur in sich hinein und lächelte Kapitän Mirano und den Piloten Paul freundlich an. „Da nun alle Formalitäten geklärt sind, können wir endlich ablegen und Kurs auf Tisiphonia nehmen. Sobald wir auf Kurs sind, sehe ich Sie alle bei der üblichen Passagieransprache der 'SternAdler'. Und nun auf Ihre Plätze, damit wir heute noch ankommen.“, endete er und lachte über seinen Witz, den alle mit einem Grinsen würdigten und sich dann an die Arbeit machten. Als das Schiff ruhig dahin glitt, wurden die Passagiere benachrichtigt, dass nun die Ansprache des Kapitäns statt finden würde und alle versammelten sich in der riesigen Haupthalle im Bug des Schiffes, über deren hinteren Teil sich die Brücke spannte. Durch ein deckenhohes Fenster konnte man entfernte Planeten und Sterne inmitten der unendlichen Finsternis erkennen und direkt davor befand sich im Boden eine Erhebung, zu der sich Laura und Manuela, Kapitän Mirano und Paul voran, zu bewegten. Rechts und links davon blieben sie stehen und der Kapitän stieg hinauf auf das Podest, wobei Paul zunächst unten stehen blieb. „Meine Damen und Herren. Es freut mich, dass Sie sich heute dazu entschlossen haben mit der mitternachtsblauen 'SternAdler' zu fliegen.“ Tosender Applaus brandete auf und Laura ließ ihren Blick über die Menge schweifen. Wie es aussah, waren tatsächlich sämtliche Passagiere anwesend, was sie nur zu gut nachvollziehen konnte, denn sie wartete auch schon aufgeregt auf den Höhepunkt der Rede. „Zunächst möchte ich Ihnen Ihren heutigen Piloten vorstellen; Paul Paulsen wird Sie heute nach Tisiphonia fliegen.“, verkündete der Kapitän und im allgemeinen Gemurmel musste Laura sich abermals ein Lachen verkneifen. Die Paulsens waren eine sehr einflussreiche Famile, das musste sie zugeben, aber sie hatte sie noch nie um ihren so altertümlichen Nachnamen beneidet. Dass sie ihr Kind dann auch noch Paul genannt hatten, war wirklich zu komisch und sie merkte, dass es Manuela da nicht anders ging, als sich ihre Blicke kurz trafen. Dann endlich war Kapitän Mirano beim Höhepunkt der Rede angelangt: „Und nun möchte ich Ihnen 'SternAdler' vorstellen, meine Damen und Herren.“, kündigte er an und hob theatralisch die Hände. Laura und Manuela hatten sich neugierig umgedreht, denn so ein Spektakel wollen sie nicht verpassen. Blaue Linien begannen sich durch das Fenster zu ziehen und ein paar Augen zu bilden. Sekunden später war ein hübsches Gesicht aus blauen Linien zu erkennen, das von langem welligen und ebenfalls blauem Haar umgeben war. „Sind sie das, Mirano?“, fragte eine helle und unverkennbar weibliche Stimme von überall her. Laura verstand die Frage nicht ganz, aber sie wunderte sich nicht darüber, da die blaue Erscheinung in diesem riesigen Fenster einfach unglaublich war. „Ja das sind sie.“, verkündete der Kapitän mit einem seltsamen Unterton in der Stimme und brach plötzlich in höhnisches Gelächter aus, wobei er dir Arme immernoch theatralisch in die Höhe hielt. Das Lachen des Kapitäns jagte Laura eine Gänsehaut über den Rücken und sie schaute verunsichert zu Manuela hinüber. „Gehört das mit dazu?“, fragte sie, aber Manuela war auch noch nie auf der 'SternAdler' gewesen und zuckte nur die Achseln. Dann begann der Boden zu Beben und allgemeine Unruhe machte sich breit. Hinter dem Kapitän loderten auf einmal Flammen aus dem Boden und Laura war sich mit einem Blick auf den völlig verstörten Piloten und den mittlerweile hysterisch lachenden Kapitän sicher, dass dies nicht mehr zur Demonstration dazu gehörte, sondern bitterer Ernst war. „Manuela!“, rief sie entsetzt. „Versuch die Passagiere in den hinteren Teil der Halle unter der Brücke zu bringen, bevor die Schutzbarriere aktiviert wird.“ Manuela nickte und rannte los, während Laura auf das Podest hastete und den Kapitän am Kragen ergriff. „Was tun Sie da?“, verlangte sie entrüstet von ihm zu erfahren, doch er kicherte nur und hauchte ihr mit einem fast irren Blitzen in den Augen zu: „Ich bringe alle Zeugen um und fliehe mit meiner Kleinen ans Ende der Galaxie. Dort wird sie mir keiner wegnehmen.“ Dann kicherte er noch einmal und wandte sich zur 'SternAdler'. Die Flammen loderten heller und breiteten sich langsam aus. Entsetzt stand Laura noch eine Weile neben ihm, unfähig sich zu bewegen, aber in ihrem Kopf arbeitete es bereits. Solange der Kapitän auf dem Schiff war, würde es das tun, was der Kapitän verlangte, es sei denn der Pilot äußerte Zweifel. Ruckartig drehte sie sich Paul zu. „Unternehmen Sie etwas.“, schrie sie ihn über die mittlerweile ausgebrochene Panik hinweg an, doch er sackte nur etwas weiter in sich zusammen. Mit einem ungläubigen Schnauben blickte sie diesen unfähigen Piloten noch einmal in die Augen und sprang dann abrupt vom Podest. Sollten die Zwei doch zusehen, wo sie blieben, denn so viel Güte für einen wahnsinnig gewordenen und einen Feigling hatte sie dann doch nicht mehr übrig. Sie fand Manuela, wie sie mit vier uniformierten Männern versuchte die Passagiere zum hinteren Teil der Halle zu bewegen. „Die Schutzbarriere ist schon oben.“, rief sie Laura zu und sie blickte erschrocken in die Richtung, in die Manuelas Arm wies. Laura hätte nie gedacht, dass sie die rötlich schimmernde Materialisierung der Barriere einmal so erschrecken würde, denn eigentlich war sie, wie der Name schon andeutete, zum Schutz der darin befindlichen gedacht. In ihrem Inneren konnte die künstliche Intelligenz jegliche Transformation vornehmen, solange es sich dabei um keinen lebenden Organismus handelte, was den vorderen Teil der Halle absolut sicher machte. Es sei denn die KI selbst wollte seine Passagiere liquidieren. Sie zwang sich wieder Problemorientiert zu denken. „Wie lange schon?“, fragte sie mit bebender Stimme. „Eine Minute vielleicht.“, antwortete Manuela gefasst und Laura wurde ein wenig ruhiger. „Gut, dann bleiben uns noch vier Minuten, um zu den Türen zu gelangen. Du nimmst die linke Tür und ihr zwei ...“ Damit wandte sie sich an zwei der vier Männer, die Manuela zu helfen versucht hatten. „... bahnt ihr so schnell wie möglich einen Weg dorthin.“, wies sie sie in Befehlston an, doch sie schienen widersprechen zu wollen. „Der Kapitän ist gerade unpässlich und unser Pilot leider ebenso.“, kam sie ihnen zuvor. „Dementsprechend habe ich momentan die Verantwortung für diese Passagiere, also geht endlich, bevor die Türen verschlossen sind.“, fügte sie ungeduldig hinzu und winkte die übrigen zwei Männer zu sich, die augenblicklich begannen ihr einen Weg zu der anderen Tür zu bahnen. Hastig sah sie auf ihre Armbanduhr und sie hoffte, dass die KI nicht zu schnell merkte, was sie vor hatten, denn die Schutzbarriere war nicht direkt bei ihrer Aktivierung komplett geschlossen. Am Boden waren zwei Schiebetüren eingerichtet, die sich automatisch innerhalb von fünf Minuten schlossen, damit die Barriere aktiviert und noch in den gesicherten Bereich geflohen werden konnte. Jemand im Rang eines Copiloten oder höher konnte den Mechanismus dazu veranlassen sich schneller oder langsamer zu schließen, was zum Glück manuell geschehen musste und im Notfall war es sowieso die Aufgabe der zwei Copiloten diese Türen zu überwachen. Allerdings wusste Laura nicht, ob die KI nicht doch direkten Zugriff darauf hatte. Nach einer schieren Endlosigkeit erreichten sie endlich die rechte Tür und Laura bemerkte erleichtert, dass sie noch nicht komplett geschlossen war. Allerdings war der Spalt gerade noch so breit wie ihr Handteller und panische Menschen pressten sich in purer Verzweiflung dagegen. Es kostete die zwei Männer sichtlich Kraft, Platz für sie zu schaffen und der Spalt war bereits zur Hälfte weg geschrumpft, bis sie endlich ihre Hand an die knisternde Materialisierung legen konnte. Zum Glück hatte die KI keinen direkten Zugriff auf die Türen, dachte sie und machte sich daran, selbige wieder zu öffnen, damit die Masse hinter ihr zu den vereinzelten Gestalten auf der anderen Seite gelangen konnten. „Tür öffnen.“, befahl sie. „Zugangscode“, knisterte es Sekundenbruchteile später neutral zurück. „Erste Copilotin, Laura Lyncis aus der Lynx-Galaxie.“, antwortete sie erstaunlich ruhig und sie vermutete, dass es daran lag, dass sie sich diesen Satz so oft selbst vorgesagt hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass sie hier erste Copilotin sein würde. Wie lange war das schon wieder her. Ein paar schreckliche Sekunden passierte nichts und der Spalt schrumpfte immer mehr zusammen. Als er schließlich nur noch Daumennagel groß war, knisterte die Stimme wieder. „Code angenommen. Tür wird geöffnet.“ Erleichtert sah sie, wie die Tür sich langsam auf schob und schaute über die Masse hinweg hastig in Manuelas Richtung. Sie schien die linke Tür schon eine Weile vor ihr erreicht zu haben, denn die Menschen begannen gerade durch diese hinaus zu strömen. Der Druck hinter Laura wurde beständig stärker, aber der Öffnungsprozess durfte nicht unterbrochen werden. „Sie müssen noch eine Weile zurück bleiben.“, schrie sie deshalb der schreienden Masse im umdrehen entgegen. Das, was sie dann erblickte, lies sie unwillkürlich schaudern und die Menschen direkt vor ihr wurden still, als sie sie sahen und drehten sich ebenfalls um. Wie eine Welle setzte sich dieses Phänomen fort und für Sekunden herrschte vollkommene Stille, wenn man vom Beben des Bodens und dem Rauschen der Flammen einmal absah. Der Boden hatte begonnen sich senkrecht in die Höhe zu rollen. Dass die Intelligenz der 'SternAdler' den Boden manipulieren würde, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Schon ein Viertel des blauen Gesichtes, das sich im Fenster materialisiert hatte, war von dem senkrecht stehenden Boden verdeckt, der beständig in die Höhe wuchs und damit immer näher kam. Er wollte sie sicher zwischen sich und der undurchdringlichen Schutzbarriere zerquetschen, fürchtete Laura. Sie, verbesserte sie sich in Gedanken, denn nicht der Boden wollte sie töten, sondern die KI der 'SternAdler'. Sie drehte sich um und sah mit Erleichterung, dass die Tür vollständig geöffnet war. „Tür offen halten.“, befahl sie deshalb und Sekunden später wurde sie von panischen Menschen hindurch geschoben. Sie hatte Glück, dass sie nicht stürzte und sich noch am Türrahmen festhalten konnte, sonst wäre sie sicherlich von den Massen nieder gerannt oder weit von der Tür weg geschoben worden. Sie überwachte im toten Winkel der Tür den Fluss der Menschen und versuchte beruhigend zu klingen, was ihr im allgemeinen Tumult nicht besonders gut gelang. Dafür schien Manuela die Geistesgegenwärtigkeit besessen zu haben, die Männer anzuweisen sich um die Passagiere zu kümmern und da sie mehr Stimmvolumen als Laura oder Manuela besaßen, wurde die Menge im hinteren Bereich der Halle langsam ruhiger. Für die Menschen, die noch im vorderen Teil waren, wurde es allerdings langsam brenzlig. Feuer und Holzboden walzten sich unaufhaltsam vorwärts, aber mehr Türen gab es in der Schutzbarriere nicht und würde es auch nie geben. Laura überlegte fieberhaft, was als nächstes zu tun war. Einer der Männer kam zu ihr und fragte nach neuen Anweisungen und sie blickte entschlossen auf. „Bleib du hier und überwache die Flucht der Menschen durch diese Tür.“, sagte sie und nachdem er genickt hatte, nahm er ihren Platz ein und sie machte sich auf den Weg zu Manuela. Davor rannte sie noch zu den restlichen drei Männern, die sich noch um die Passagiere kümmerten. „Ihr zwei macht hier weiter.“, rief sie und befahl dem dritten mit ihr mit zu kommen, der sie wortlos begleitete. „Manuela, du hast doch die Fortbildung zur 'Prävention der Übernahme einer KI durch Fremde' gemacht, oder?“, fragte Laura aufgeregt, nachdem sie den Mann angewiesen hatte, Manuelas Aufgabe weiter zu führen. Manuela nickte und Laura fragte sachlich weiter: „Weißt du, wie man eine KI übernehmen kann?“ In ihrem Kopf arbeitete es sichtlich und sie nickte vorsichtig. „Die Theorie dazu haben wir auf jeden Fall besprochen, damit wir wissen, auf was wir vorbereitet sein müssen.“, erklärte sie. „Das ist allerdings höchst riskant, da auch Mechanismen der KI selbst umgangen werden müssen und diese KI ist etwas besonderes, also müssen wir auf einiges gefasst sein.“ Sie unterbrach sich kurz und Laura merkte, dass da noch etwas war. „Was muss ich tun?“, fragte Laura ungeduldig, als Manuela nicht weiter sprach. „Wir haben nicht viel Zeit.“ Manuela biss sich auf die Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie unter Stress nachdachte. „Also gut.“, lenkte Manuela schließlich ein. „Auf der linken Seite des Schiffes, in der Nähe deiner Tür muss sich eine Treppe befinden. Sie führt auf Höhe der Brücke zu einer Nische, in der sich ein kleiner Bildschirm und ein Scangerät befinden müssten.“, erklärte sie und nachdem sie hastig zu ende erklärt hatte, was getan werden musste, trennten sie sich und Laura lief in Richtung der Treppe, die zu der Nische führte und Manuela in die entgegen gesetzte Richtung, hinauf zur Brücke. Sie würde alles in die Wege leiten, damit Laura die KI übernehmen konnte und sobald sie oben angelangt war, flogen ihre Finger nur so über die verschiedenen Tasten. Mit wachsender Besorgnis warf sie hin und wieder einen Blick auf das sich schnell ausbreitende Feuer und die wachsende Holzwand. Laura unterdessen erreichte leicht außer Atem den oberen Treppenabsatz. Manuelas Stimme ertönte aus der Nische. Genauer gesagt aus dem kleinen Monitor, der dort neben einer fast geschlossenen Röhre stand, die sich wiederum auf Schulterhöhe befand. „Laura? Ich bin soweit. Leg jetzt deinen Kopf in den Scanner und ich initialisiere die KIMI-Verschmelzung.“ KIMI, so hatte ihr es Manuela erklärt, stand für 'Künstliche Intelligenz Menschliche Intelligenz' und der Prozess selbst ermöglichte es einem seine eigenen Hirnwellen mit den Strömen der Intelligenz des Computers in Einklang zu bringen. Laura tat wie ihr geheißen und ein mulmiges Gefühl begann sich in ihr auszubreiten, denn die Übernahme einer KI wurde im Regelfall nur von Verbrechern ausgeübt und außerdem nur mit Intelligenzen, die noch nicht kalibriert worden waren und somit noch keine Individualität besaßen. Außerdem konnte der Scan nicht gestoppt oder angehalten werden, wenn er erfolgreich sein sollte, denn jede Pause führte zum Zurücksetzen des Scanners. Allerdings befanden sich die Daten eines misslungenen Scans immernoch im Speicher der KI, wodurch sie sofort erkennen würde, wenn es jemand zwei Mal versuchen würde. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden, dachte Laura bei sich und seufzte leise. „Konzentrier dich.“, rief Manuelas Stimme besorgt aus dem Monitor, der Lauras Hirnwellenscan anzeigte, und prompt zwang ein heftiger elektrischer Schlag sie dazu den Kopf abrupt aus dem Scanner zu ziehen. „Das war ein Abwehrmechanismus! Ich glaube er hat deine Körperstrukturen analysiert. Ist alles in Ordnung?“, hörte sie Manuelas besorgte Stimme. „Alles in Ordnung antwortete sie und spürte immer noch ein leises knistern in ihrem Kopf. „Zwei Drittel, Laura. Leg den Kopf sofort wieder rein, sonst verpasst du zu viel vom Scan.“, vernahm sie Manuelas angespannte Stimme aus dem Monitor und steckte den Kopf sofort wieder in den Scanner. „Konzentrier dich.“, wiederholte Manuela noch einmal eindringlich. „Ich versuch was gegen die Abwehrmechanismen zu tun, aber alle kann ich nicht erwischen.“, redete Manuela weiter, ohne Luft zu holen. Dann verschwand plötzlich alles um Laura herum. Erschrocken wollte sie sich aufrichten, aber Manuelas Stimme hielt sie davon ab. „Wir sind bei 99 Prozent stehen geblieben. So ein Mist.“, fluchte sie. „Irgendwo muss ich noch einen Abwehrmechanismus übersehen haben.“, hörte Laura sie noch sagen und dann war es still. Alles wurde mit einem Mal weiß um Laura herum und sie fühlte sich schwerelos, bis ein blaues Knistern von ihren Füßen sprang und sich unter ihr ausbreitete. Das sanfte Blau bildete ein Netz, das sie an feine Linien in Marmor erinnerte und ihre Füße hatten auf einmal wieder festen Untergrund. Ihr fiel auf, dass es dieselben blauen Linien waren, die sie auch im Fenster der Haupthalle gesehen hatte und prompt erschien das Gesicht vor ihr. Zuerst mit einem freundlichen Ausdruck, der sich immer mehr zu einer Fratze wandelte. Laura erinnerte sich erschrocken, was Manuela noch zu ihr gesagt hatte, bevor sie sich unten getrennt hatten. So eine Verschmelzung konnte fürchterlich schief gehen, wenn der Mensch der KI unterlegen war, weshalb auch hauptsächlich unkalibrierte KIs übernommen wurden. Das Gesicht lachte ihr höhnisch ins Gesicht und wurde noch ein wenig größer. „Du wolltest mich zurück setzen, aber das wird dir nicht gelingen, denn ich werde dich zurück setzen.“, lachte die Fratze ihr entgegen, aber Laura beeindruckte das nicht besonders. Hauptsächlich weil sie nicht verstand, wie die Intelligenz der 'SternAdler' auf die Idee kam, dass sie sie zurück setzen wolle. Eine KIMI-Verschmelzung beinhaltete ihres Wissens nach nur eine Anpassung der KI an die Intelligenz des jeweiligen Menschen. Zumindest im Idealfall. Es konnte auch genausogut umgekehrt sein, aber eine komplette Auslöschung des jeweils anderen Selbst passierte so gut wie nie. Das Gesicht sah für kurze Zeit verwirrt aus. „Du willst mich nicht auslöschen?“, fragte die helle Stimme und Laura war Überrascht, dass die KI ihre Gedanken wusste. Sofort breitete sich ein böses Grinsen in dem Gesicht aus. „Aber ich werde dich auslöschen. Stück für Stück für Stück, du Störenfried.“, kicherte die helle Stimme der 'SternAdler'. Da wurde Laura klar, dass das der letzte Abwehrmechanismus sein musste. Solange sie ihn nicht überwand, würde sie in dieser weißen Einöde mit diesem Gesicht gefangen sein, überlegte sie und wie aus dem Nichts formten sich Steinhaufen aus blauen Linien, die alles wie eine Einöde aussehen ließen. Laura stutzte. Hatte sie etwa Einfluss auf diese Umgebung? Sie runzelte die Stirn und überlegte fieberhaft, was ihr das nützen könnte. Da fiel ihr wieder ein, dass die Verschmelzung schon zu fast hundert Prozent abgeschlossen gewesen war, als dieser Abwehrmechanismus eintrat, was wiederum bedeutete, dass sie auf jeden Fall Kontrolle über die Intelligenz der 'SternAdler' besaß. Wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad. Das Wichtigste allerdings war, dass sie diese Intelligenz nicht durch Worte steuern konnte, sondern ihre Gedanken benutzen musste, denn schließlich waren ihre Gehirnwellen mit der Computerintelligenz verschmolzen worden und nicht ihr ganzer Körper. Sie stellte sich also vor, wie sie draußen in der Halle auf einem normalen geraden Parkettboden stand, der frei von Flammen war. Das Gesicht plusterte sich auf und bleckte spitze Zähne, aber Laura ließ sich davon nicht beeindrucken und schloss die Augen, damit sie sich die Haupthalle in ihrem normalen Zustand besser vorstellen konnte. Der hintere Bereich mit der Brücke darüber, auf der immer noch Manuela stand und emsig die Tasten malträtierte. Ein Keuchen erklang vor Laura und sie glaubte, dass es von dem Gesicht kam, aber sie durfte sich nicht ablenken lassen. Die Schutzbarriere mit den mittlerweile geschlossenen Türen. Die Türen, fuhr es ihr durch den Kopf, waren immer noch offen, da sie Befehl gegeben hatte, dass sie offen blieben und die Männer konnten sie nicht schließen, da sie nicht dazu autorisiert waren. Entsetzt öffnete sie die Augen und sah ein Gesicht vor sich, das halb menschlich, halb Tiergestalt war. Es bleckte die spitzen Zähne und fauchte wütend. „Ich habe keine Zeit mich mit dir zu beschäftigen.“, rief Laura den blauen Linien entgegen und rannte auf das seltsame Gesicht zu, das sich weiter veränderte, je näher sie ihm kam. Als sie es erreicht hatte, schwang sie sich in den Nacken des Luchses und die Haupthalle erschien wieder unter ihr. Auf dem kleinen Bildschirm blinkte ihr ein '100%' entgegen. Laura zog ihren Kopf aus dem Scanner, der daraufhin von blauen Blitzen durchzogen wurde und auseinander sprang. Manuela, die ihr bis dahin vor Erleichterung zugejubelt hatte schrie kurz erschrocken auf. Laura wurde von den blauen Blitzen ergriffen und bevor sie merkte was geschah, hatte sich die Intelligenz der 'SternAdler' materialisiert und sie auf ihren breiten Rücken gehoben. Ein Zittern ging durch die blauen Linien und wurden abrupt mitternachtsblau. Die aufgeregten und teils verängstigten Rufe der Menschen unter Laura holten sie zurück aus ihren Beobachtungen und sie wandte sich dem vorderen Teil der Haupthalle zu. Er war mittlerweile vollkommen in Flammen aufgegangen und der Boden war nicht mehr weit von der Schutzbarriere entfernt. Immerhin war es allen Passagieren gelungen sich in den hinteren Teil der Halle zu retten und Laura beschloss sich zunächst dem Boden zu widmen. Sie überlegte, dass der Boden so viel schöner war, wenn er flach auf dem Boden lag und matt im Sternenlicht schimmerte und der mitternachtsblaue Luchs unter ihr sprang in einem eleganten Bogen in den vorderen Teil der Halle und drückte den Boden dabei wieder gerade. Als sie so mitten im Raum standen, dachte sie sich, dass Löschschaum wohl ganz praktisch wäre, um Feuer zu löschen, auch, wenn danach alles in schaumigem Weiß ertrank und der mitternachtsblaue Luchs öffnete sein Maul und spie weißen Schaum, mit dem er das Feuer löschte. Nach einer Weile rutschte sie von dem Luchs herunter und realisierte, dass alle gerettet waren und brach in plötzliche Euphorie aus. Übermütig drehte sie sich einmal im Kreis und küsste den übergroßen Luchs dann auf die Nase, der es lächelnd mit sich geschehen ließ. Doch dann hob er misstrauisch den Blick. „Ist das da hinten der Pilot?“, fragte seine tiefe Stimme knisternd und Laura blickte fröhlich in dieselbe Richtung. Ein Nasser Mann mit braunem Haar, das ihm über die Augen hing kam langsam in unsere Richtung und als er nahe genug war, zog ihn Laura ganz nah zu sich heran, um ihn besser erkennen zu können. Mit einem Lachen fiel ihr ein, dass sie nur einen Menschen kannte, der sich so hinter seinen Haaren versteckte und das war Paul Paulsen der Pilot. Sie hielt kurz inne, denn über altehrwürdige Familien lachte man nicht, aber dann brach es wieder aus ihr heraus und indem sie den Piloten wieder etwas von sich weg schubste, bestätigte sie seine Vermutung. Überraschenderweise hatte der Pilot den bewusstlosen Kapitän auf seinem Rücken und wahrscheinlich auch die ganze Zeit auf ihn Acht gegeben, denn Kapitän Mirano war nicht verletzt. Laura war erleichtert, aber den ganzen Löschschaum wollte sie dann doch gerne wieder von dem schönen Parkett entfernen. Also drehte sie sich übermütig zu ihrem Luchs zurück und stellte sich vor, dass aus dem Löschschaum leckere Pizza mit Schinken und Käse wurde. „Molekulare Umwandlung ist zwar möglich, aber Temperaturunterschiede kann ich leider nicht erwirken.“, knisterte 'SternAdlers' Intelligenz in ihrer tiefen Stimme, aber Laura reichte auch kalte Pizza, solange sie etwas essen konnte, nach der ganzen Aufregung. Den Passagieren schien es ganz genauso zu gehen, denn sie strömten langsam wieder in den vorderen Bereich und fingen an zu essen. Gerade, als sie herzhaft in ihr erstes Stück biss, erkannte sie Manuela, die sich durch das Gewühl von Menschen zu ihr durch kämpfte. Fröhlich winkte sie ihr zu und las noch ein paar kalte Pizzastücke auf, die sie Manuela in die Hände drückte, als sie bei ihr anlangte. „Laura ...“, begann sie besorgt, aber Laura lächelte sie nur überglücklich an. Mit deutlicher Erleichterung lächelte sie zurück und biss zurückhaltend in ihr kaltes Stück Pizza. Selbst Paul legte den Kapitän vorsichtig zu Boden und begann zu essen. Während alle so friedlich beieinander saßen, dachte Laura ernsthaft nach, warum sie bei dem Sprung in den vorderen Teil der Halle ohne Probleme die Barriere hatte durchdringen können und kam zu dem Ergebnis, dass die KI bei dem Stromschlag gewisse Freiheiten über den Aufbau ihres Körpers erlangt haben musste, die es ihr ermöglichten sie durch die Barriere zu transportieren. Hoffentlich brachte ihr das nicht noch irgendwelche Schwierigkeiten ein, denn mit der Verschmelzung stand fest, dass sie nie wieder allzu weit weg vom Schiff gehen konnte. Die Intelligenz war ans Schiff gebunden und sie damit von jetzt an auch. Allerdings war es schon spannend zu sehen, welche Materialisierungen sich durch Kalibrierung oder Verschmelzung einer künstlichen Intelligenz zeigten und Laura war der Meinung, dass der mitternachtsblaue Luchs wesentlich besser zur 'SternAdler' passte als das blaue Frauengesicht. Sie zuckte mit den Schultern. Darüber würde sie nachdenken, wenn sie im Hafen von Tisiphonia lagen, und in ihren Gedanken hörte sie ein leises knistern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)