And you touched me... von Torao (Chap 49 on!) ================================================================================ Kapitel 30: Eyecatcher ---------------------- Ly: *reinkommt und Kai vor sich herschiebt* Kai: Was gibt das? -___- Ly: Reine Sicherheitsmaßnahme, falls hier gleich wer auf mich losstürmt und mich erschlagen will, weil ich so lange gebraucht habe. ^^' Kai: Pff... such dir einen anderen Doofen. *wieder geht* Ly: Aber ich will nicht, dass einer von den Anderen was abbekommt. *hinterherruft* Kai: *ignorier* Ly: Q___Q Ich will noch nicht sterben... Es tut mir doch so leid, dass ihr einen geschlagenen Monat warten musstet. v__v Beschwert euch bei meiner Schule, die ich so übermäßig beansprucht. >__< Ich komme hier zu nichts mehr. -__- Nya, I'm so sorry... Hoffe ihr verzeiht es mir. .____. _____________________________________________________________ Vor einer knappen halben Stunde war der junge Russe zur Wohnungstür hineingekommen, hatte die Tür hinter sich geschlossen und war reglos vor der kleinen Stufe im Flur, an der die beiden Paar Schuhe, die er nicht mitgenommen hatte, immer noch ordentlich nebeneinander standen, stehen geblieben. Minutenlang hatte er geradeaus in den anschließenden Wohnraum geblickt und die schemenhaften Konturen des Mobiliars, das er beim geringen Lichteinfall durch die kleinen, unscheinbaren Schlitze in den Jalousien des einzigen Fensters in der Wohnung, die wegen des aktiven Dämmerungssensors schon geschlossen waren, nur wage erkennen konnte, stumm beobachtet: Alles schien so leblos und tot. Und auch die Stille in der man eine Stecknadel hätte fallen hören können, kam ihm plötzlich ungewohnt fremd vor. In den vier vergangenen Wochen hatte er sich mal wieder zu sehr an den Lärm und das bunte Treiben um ihn herum gewöhnt, sodass er sich wie jedes Mal, wenn er nach so langer Zeit in seine kleine verlassene Behausung zurückkehrte, erst wieder daran gewöhnen musste, alleine zu sein. Doch dieses Mal würde es schwerer werden, dies wieder schätzen zu lernen, wo er es sonst schon tat, wenn er gerade erst die Wohnungstür geöffnet hatte. Nicht, dass er es vermisste, einen herumschreienden Tyson oder das Geräusch von Dizzys Tastatur, auf die Kenny wie wild einschlug, andauernd hören zu müssen – nein, beim besten Willen nicht, davon hatte er bis zur nächsten Reise genug – doch ihm fehlte nun etwas, was er sonst nicht herbeigesehnt hatte. Der Gedanke, wieder alles für sich alleine zu haben und morgens keine verschlafene Naomi, die sich in der Nacht eine Schlacht mit ihrer Bettdecke geliefert hatte, neben sich vorzufinden, ließ ihm merkwürdigerweise einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Das lag wohl auch daran, dass er nicht wusste, ob er dies noch ein einziges Mal erleben würde, nach dem Szenario bei ihr zu Hause. Er hätte am liebsten irgendetwas unternommen, um die Situation zu ändern, doch das konnte er nicht - er hatte keine Möglichkeit dazu, sich Naomis Vater zu widersetzen ohne seine Freundin damit noch mehr in Probleme zu verwickeln. Er würde es nur noch schlimmer machen, wenn er jetzt noch einmal bei den Tawakuyas vorbeikommen würde. Im Grunde blieb ihm vorerst nur der Kontakt übers Handy und Abwarten - Abwarten, wie Naomi sich entscheiden würde: Ob sie sich von ihrem Vater unter den Pantoffel stellen lassen und sich von ihm abwenden würde oder ob sie sich weiter gegen ihren Vater wenden und für ihn entscheiden würde. Auch wenn er sich Letzteres herbeisehnte, konnte Kai ihr die erste Option nicht verdenken oder übel nehmen. „Hoffentlich hat Ray sie wenigstens trösten können.“ Mit einem Seufzer hatte der Blauhaarige letztlich den Lichtschalter neben der Eingangstür betätigt und damit die zahlreichen, in der Raumdecke eingelassenen Halogenlampen eingeschaltet, bevor er seine Schuhe ausgezogen, sie ordentlich neben die anderen gestellt hatte und mit seiner Tasche weiter in die Wohnung hineingegangen war. Während er sich umgesehen hatte, hatte er seine Tasche hinter dem freistehenden weißen Sofa in der Raummitte abgestellt: Alles war noch so gewesen, wie er es vor vier Wochen zurückgelassen hatte. Nur die dünne Staubschicht auf den glatten Möbeln, die leichten Schmiere auf dem einzigen Fenster der Wohnung, die durch das Licht im Raum sichtbar wurden, und der etwas muffig Geruch, der in der Luft lag, waren neu. Allerdings auch ganz selbstverständlich, da der Putzdienst, der sonst einmal in der Woche vorbeikam, um gründlich sauberzumachen und einmal im Monat das große, mehrfach unterteilte Fenster beidseitig zu putzen, wie vereinbart während seiner Abwesendheit nicht gekommen war und natürlich in der Zwischenzeit auch niemand durchgelüftet hatte. Er konnte es einfach nicht ausstehen, wenn fremde Leute in seiner Wohnung waren, wenn er nicht da war. Eigentlich konnte er es generelle nicht leiden, wenn Fremde seine vier Wände betraten. Aber da er weder die Lust verspürte, noch die Zeit hatte, in Sachen Wohnungsreinigungen mehr zu machen als hin und wieder zu saugen und den gröbsten Schmutz sofort nach seiner Entstehung zu beseitigen, überließ er es lieber dem Reinigungsdienst, der ohnehin dafür zuständig war, die gigantischen Fenster aller Wohnungen der drei Häuser von außen zu reinigen. Doch er war dennoch froh, dass dieser schon morgen Nachmittag wieder kommen würde und er keine vierundzwanzig Stunden in diesem Schmutz ausharren musste. Er war zwar nicht überreinlich, aber das hier erschien ihm doch etwas zu unwohnlich, weshalb er auch umgehend die Lüftung und das in die Fußleisten integrierte Saugsystem für kurze Zeit eingeschaltet hatte. Nun hockte er schon eine ganze Weile vor seiner inzwischen geöffneten Tasche, packte sie aus und brachte die Utensilien wieder an ihren Platz. Allerdings fiel es ihm schwer sich darauf zu konzentrieren, weshalb er öfters innehielt und starr auf die Gegenstände in seiner Hand blickte als würde er überlegen, wo sie hingehörten. Aber in seinem Kopf hausten die ganze Zeit nur zwei Gedanken. Der Eine war eher nebensächlich und galt dem Staub um ihn herum, während der Andere für ihn wesentlich mehr von Bedeutung war: Naomi. Wie würde es mit ihnen weitergehen? Würde es überhaupt weitergehen oder würde hier plötzlich Ende sein? Er hatte sich doch gerade erst halbwegs daran gewöhnt in einer Beziehung zu sein und wollte eigentlich jetzt noch nicht wissen wie es war, wenn man eine solche wieder beendete. Er sah zur Decke auf: Das war der Grund, warum er sein Leben als Einzelgänger bisher so sehr geschätzt hatte – Es war einfach nicht von solchen Problemen geprägt gewesen. Doch ob er wirklich dahin zurück wollte? „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, war die weniger eindeutige Antwort, die durch seinen Kopf ging, ehe er diesen wieder senkte und nun ins Bad ging, wo Zahnbürste und Co wieder ihren Platz einnahmen. Er wollte gerade zu seinem Gepäck zurückkehren, als es an der Tür klingelte. Er wandte sich zu dieser, die gleich neben der Tür zum Badezimmer lag und blickte kurz durch den Spion, als er die Tür auch schon ein wenig hastig öffnete und etwas überrascht in Naomis Gesicht sah. „Weil du Max und Kai beneidest.“ Die Worte seines Großvaters hallten wie ein Echo in Tysons Kopf wieder, während er nun regungslos auf dem Rücken in seinem Bett lag, die Hände unter den Kopf gelegt hatte und stumm die Zimmerdecke über ihm mit Blicken traktierte. Der Mond schien durch die Papierflächen in der Schiebetür neben seinem Bett, soweit diese nicht vom Dach der Veranda überdeckt wurde, und erhellte das Zimmer, sodass man die Gegenstände im Raum immer noch gut erkennen konnte: Sie alle erschienen so klar und deutlich und trotzdem irgendwie auch verschwommen und in weite Ferne gerückt – ähnlich wie die Gedanken des jungen Japaners. Er hatte bisher nie darüber nachgedacht, dass er inzwischen siebzehn Jahre alt war und noch keine Freundin gehabt hatte. Den Anstoß dazu hatte ihm erst das Gespräch beim Abendessen gegeben - nun zerbrach er sich den Kopf darüber. Es war nicht nur, dass er bis heute keine Freundin gehabt hatte, er hatte bisher noch nicht mal ein Mädchen geküsst, geschweige denn, dass mehr passiert wäre. Das Einzige, woran er sich erinnern konnte, waren zwei Knutscher auf die Wange von Emily und Naomi, die er aber auch nur bekommen hatte, nachdem er im letzten Jahr den Endkampf in der Weltmeisterschaft erfolgreich bestritten hatte – mit Liebe hatte es nichts zu tun gehabt. Er drehte seinen Kopf nach rechts und sah hinüber zu dem Regalbrett über seinem Schreibtisch, wo das Foto stand, auf dem er nach der Siegerehrung triumphierend mit seinem Team und einigen Anderen posierte: Er selbst war vorne in der Mitte mit dem großen Pokal in der Hand zu sehen. Das Symbol ihres Sieges stand, genau wie alle anderen Originale, bei Mr. Dickenson im Büro, während die Teammitglieder nur ihre Medaillen und je eine Miniaturausgabe des Pokals mit nach Hause nahmen. Allerdings nahmen diese bei Tyson schon genügend Platz ein. So hing ein gutes Dutzend Medaillen hinter dem Fotorahmen und den Minipokalen daneben, denen bereits sein Locher und der Becher mit den Stiften hatten weichen müssen. Tyson war stolz auf seine Erfolge, nicht zuletzt, weil er dadurch unglaublich viele Fans hatte. Doch genau das war der springende Punkt: Wäre er nur ein einfacher Junge ohne diesen Berühmtheitsfaktor, hätte er diese nicht. Wie viele waren seine Anhänger, weil er Tyson Granger und nicht weil er amtierender Beybladechampion war? Wohl niemand. Und auch die Größe seiner weiblichen Fangemeinde: Sie erschien ihm wesentlich kleiner als die von Ray oder Max. Auch Kai hatte wohl mehr Verehrerinnen als er selbst. Und er konnte sich sogar daran erinnern, dass Kenny im Gegensatz zu ihm schon einige Male angeflirtet worden war. Nicht, dass er erpicht darauf war, eines dieser Fangirlies abzuschleppen, aber war das nicht schon Zeichen genug dafür, dass er irgendetwas falsch machte? Ja, war es. Aber was? Vielleicht war er zu langweilig - einfach so stinknormal japanisch. Er hatte weder blonde Haare und lustige Sommersprossen, noch war er Chinese mit außergewöhnlichem Styling und einem Talent fürs Kochen. Und er war auch kein kalter zurückgezogener Russe. Er konnte auch keinen Computer in seine kleinsten Einzelteile zerlegen und ihn dann wieder fehlerfrei zusammensetzen, um zumindest damit bei einer kleinen Gruppe von Mädchen zu punkten. Alles was er wirklich konnte, war Beybladen – und das konnten die Anderen auch. Eine Wolke verdeckte plötzlich draußen den Mond und warf kurze Zeit einen Schatten auf das Bild, bevor sie weiterzog. Tyson wandte seinen Kopf wieder in Richtung Decke: „Was mache ich nur? Es muss doch irgendetwas an mir geben, was mich besonders im Team macht.“ Doch so sehr er auch grübelte, ihm fiel nichts ein, was ihn von den Anderen unterschied, außer seinem großen Appetit. Aber mit dem konnte er erstens wohl kaum bei vielen Leuten landen und zweitens schaffte Max es, wenn er wirklich hungrig war, locker genauso viel in sich hinein zu schaufeln. Der Blauhaarige seufzte: Vielleicht sollte er einfach mal sein Äußeres ändern. Nur würde das wirklich helfen? Schließlich zeigte Kennys Look, der nicht selten aus langweiligen Hosen mit Bügelfalte, bis zum Kehlkopf zugeknöpften Hemden und im Winter aus Wollpullis mit eigenartigen Mustern bestand, die seine Mutter selber gestrickt hatte, ihm, dass man keine Modeikone sein musste, um zumindest etwas Erfolg in der Frauenwelt zu haben. Außerdem war sein Baseballcap seit Jahren sein Markenzeichen. Und auch am Rest seiner Optik fand er nichts, was ihm inzwischen nicht mehr gefiel. „Argh!“, war sein leiser knurrender Ausruf, bevor er sich auf die linke Seite drehte und nun die Wand anstarrte. Er hatte sich doch nie Gedanken über so etwas gemacht und nun tat er es, wegen einer kleinen Bemerkung seines Großvaters. Vielleicht lag es daran, weil dieser nicht immer, aber häufig Recht mit den Dingen hatte, die er sagte, auch wenn Tyson dies meistens vehement abstritt. Doch er war sich sicher, dass er nicht eifersüchtig auf seine Freunde war, also brauchte er sich auch nicht mit solchen Gedanken quälen, die ihn nur vom Schlaf abhielten. „Verdammt, ich muss um neun aufstehen, können diese dummen Viecher draußen mal still sein?!“, ging ihm durch den Kopf, als er sich im selben Moment die Bettdecke über den Kopf zog. Doch dass es weniger die Grillen im Garten waren, die ihn wach hielten, weil sie in der lauen Sommernacht vor sich hin zirpten, war ihm unweigerlich klar. Unter seiner Decke bemerkte er nicht, dass seine Zimmertür einen Spalt offen stand und sein Großvater hindurchspähte. „Ich war auch nicht jünger als du. Also gib dir deine Zeit, Küken.“ Seine Worte kaum hörbar geflüstert, zog er die Tür ebenso leise wieder zu. Keine zwei Sekunden vergingen da machte Naomi auch schon einen plötzlichen Schritt über die Türschwelle und klammerte sich ruckartig an ihr Gegenüber. Um dies zu realisieren, brauchte Kai einige Zeit, in der er wortlos und weiterhin mit verwundertem Blick auf das Mädchen an seiner Brust hinabsah, ehe er sanft lächelte und behutsam beide Arme um sie legte. „Ich wollte mich gegen meinen Vater durchsetzen, aber ich habe es nicht geschafft“, hörte er sie schluchzen, wobei er mit einer Hand die Wohnungstür hinter ihr wieder zustieß. „Hey, du warst großartig.“ Er drückte sie ein Stück von sich weg, um sie ansehen zu können, hielt sie mit einer Hand am Oberarm fest und strich ihr sanft mit der Anderen über die rechte Wange. „Tut es noch weh?“ „Nein“, sie sah zu Boden „aber ich schäme mich so für ihn. Er ist eigentlich nicht so. Er ist wirklich nett und ich liebe ihn. Und ich kann ihn auch verstehen, dass er seit dem Tod meines Bruders ständig Angst um mich hat. Nur dass er mich deswegen am liebsten einschließen möchte und so ausrastet, wenn er, seiner Meinung nach, auch nur die geringste Gefahr wittert... es tut mir...“ Ihre Entschuldigung konnte sie nicht vollenden, da Kai sie ruckartig am Kinn gefasst, ihren Kopf zu sich hoch geneigt und seine Lippen auf ihre gelegt hatte, um sie zum Schweigen zu bringen. Etwas überrascht sah sie dabei in seine Augen, bevor ihre eigenen wieder kleiner wurden und neue Tränenbäche ihren Weg fanden. Er löste sich wieder von ihr und sah sie durchdringend an: „Du hast selbst gesagt, wir konnten uns unsere Eltern nicht aussuchen. Also hör auf, dich für sie und ihre Fehler und für all die anderen Dinge, für die du nichts kannst, andauernd zu entschuldigen. Ich will das nicht hören!“ Sein leicht wütender Blick, ließ sie wieder nach unten schauen, da sie es immer noch nicht geschafft hatte, ihr dauerndes Entschuldigen ihm gegenüber zu unterlassen. Doch im nächsten Moment war die Stimme des Blauhaarigen wieder ruhig: „Schlägt er dich eigentlich öfters?“ „Nein... eigentlich nie.“ Sie sah traurig zur Seite. „Aber ich stelle mich ihm ja sonst auch nie so in den Weg. Ich glaube, er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.“ Ein leises, verächtliches Schnaufen war von Kai zu hören: „Dazu hat er nicht das Recht!“ Sie reagierte nicht darauf, woraufhin er sie fest an beiden Schultern fasste und ernst sagte: „Nao, wenn er das noch mal tut, sagst du es mir sofort!“ Sie sah ihn langsam wieder an. „Auch wenn er dein Vater ist, lasse ich das kein zweites Mal zu“, ergänzte er leise und sah ihr dabei so tief in die Augen, als wolle er seine Worte dadurch in ihr Gedächtnis einbrennen. Ein kurzer Augenblick verging, bevor sie wieder lächelte. Er erwiderte dies wenig später, nahm ihren Kopf sanft zwischen seine Hände und strich ihr mit den Daumen die Tränen aus dem Gesicht: „Und jetzt hör auf zu weinen! Das mag ich nämlich genauso wenig wie deine unnötigen Entschuldigungen.“ Sie holte kurz tief Luft, um sich wieder zu beruhigen und grinsten dann ein wenig unter den letzten Wasserperlen, die über ihre Wangen kullerten: „Geht klar, Boss!“ Kai verzog skeptisch die Mundwinkel, da er wusste, dass sie sich mal wieder etwas über ihn lustig machen wollte, bevor er sie kurz auf die Stirn küsste und dann ganz von ihr abließ. „Ich denke, wir sollten im Wohnzimmer weiterreden, hier rumzustehen ist mir auf die Dauer etwas zu dumm.“ Er wandte sich ein wenig von ihr ab. „Möchtest du etwas trinken?“ Sie nickte. „Dann geh ruhig schon mal durch und setz dich. Ich hole etwas.“ Und während er nun die kleine Stufe im Flur wieder hochging und nach rechts in Küche einbog, zog sie ihre Schuhe neben denen von Kai aus, stellte sie allerdings nicht so extrem symmetrisch zueinander ab, wie er es tat. Mit der Wohnungstür im Nacken sah Naomi nun erstmals in den kleinen Raum zu ihrer Rechten, wo immer noch das Licht brannte. Das kleine Bad hatte keine Wanne, noch nicht mal ein Fenster, nur eine Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette. Allerdings war es auffallend ordentlich: Keine Schmutzwäsche, die quer auf dem Boden verstreut lag, wie es sich ihrer Meinung nach für eine Junggesellenbude eigentlich gehörte, die Handtücher im Regal feinsäuberlich gestapelt – eines hing ganz adrett über dem ringförmigen Badetuchhalter neben der Dusche. Und nicht nur die Tatsache, dass die Dusche eine geschlossene Kabine umgab, wirkte auch der Rest des Bades äußerst modern und alles andere als so traditionell wie das im Haus ihrer Eltern, wo die Dusche noch offen war. Im Nebenraum zwei Schritte weiter hörte sie eine Getränkeflasche zischen, weshalb sie ihren Blick vom ersten Raum abwand und dem Geräusch folgte, wo Kai in der hellen, aber ebenfalls kleinen Küche stand und Cola in zwei große Gläser schenkte. Naomi musterte die einzelne Küchenzeile an der rechten Wand, mit dem großen Kochfeld, der glänzenden Edelstahlabzugshaube darüber, dem Kühlschrank ganz am Ende, der eckigen Spüle, der Spülmaschine und dem hilfreichen Gerätetrio aus Schnellwasserkocher, Espressomaschine und der Backoffen mit integrierter Mikrowelle auf Arbeitshöhe. Kai drehte die Flasche wieder zu und stellte sie zurück in den Kühlschrank. Obwohl er sie nicht angesehen hatte, hatte er bemerkt, das Naomi staunend in der Tür stand: „Das Wohnzimmer ist noch eins weiter.“ „Ich muss doch erst deine Wohnung inspizieren.“, sagte sie, als ihre Augen nun über den kleinen quadratischen Esstisch und die beiden rangeschobenen Stühle an der gegenüberliegenden Wand wanderten. Der Tisch war ebenso leer, wie die Arbeitsfläche. „Hast du schon jemals hier gekocht oder zumindest gegessen?“, fragte sie etwas spöttisch, weil das Inventar wie neu aussah. Kai nahm die Gläser auf und ging auf sie zu: „Wenn du die Mikrowelle einschalten als Kochen bezeichnest?! Und essen lässt es sich besser auf der Couch.“ Er drückte ihr ein Glas in die Hand, ging an ihr vorbei und bog in den Wohnraum. Sie folgte ihm nach einigen Sekunden. Doch kaum war sie den letzten halben Meter des Flures gegangen, der unmittelbar in das Wohnzimmer überging, blieb sie abrupt stehen und starrte fassungslos durch den Raum: Vor ihr erstreckte sich die eigentlich Wohnung. Kai hatte es sich soeben auf dem weißen Ledersofa, das geradeaus mittig im Raum stand, bequem gemacht und einen Arm über die Rückenlehne gelegt, während er sein Glas auf den schmalen rechteckigen Couchtisch vor sich gestellt hatte. An der linken Wand davor stand ein breiter Plasmabildschirm auf einer dazugehörigen Konsole. Sie ging vorbei an dem kniehohen Sideboard zu ihrer Rechten. Darauf standen lediglich ein paar Bambusstangen in einer kantigen Vase. Vom Wohnbereich konnte Naomi in den Arbeitsbereich sehen, der in gerader Linie folgte, etwas erhöht lag und über eine Stufe, welche die Breite des Raumes übernahm, erreichbar war, die zu Kais Schreibtisch, auf dem sein Laptop stand, an der rechten und zu einem breiten, gut gefülltem Bücherregal an der linken Wand führte. Doch was ihr am meisten die Sprache verschlug, war die steil nach oben verlaufende Raumdecke, die über dem Arbeitsplatz eine weitere kleine Etage erlaubte, welche durch ein Edelstahlgeländer abgesichert war. Eine dazu passende schmale Leiter führte hinauf. Von unten konnte man an einigen Details, einem Nachttisch rechts und einem Kleiderschrank an der linken Wand erkennen, dass dort sein Schlafraum war. Die Mauer an der Stirnseite des Zimmers fehlte. Dafür schloss hier ein riesiges Fenster, das über beide Etagen reichte, den Raum ab. „Noch nie eine Empore gesehen?“, fragte Kai, während Naomi nun weiter in den Raum hineinging und sich weiter fasziniert umsah. „Doch, aber“, sie richtet ihren Blick nun auf ihn, „ich wusste nicht, dass die Wohnungen hier welche haben.“ Ihr waren die riesigen Fenster an den beiden zur Straße senkrecht stehenden Gebäuden nie aufgefallen. Und auch über die Pultdächer hatte sie sich keine großen Gedanken gemacht. Daher war sie nun völlig beeindruckt von der Architektur, auch wenn Kais Wohnung zwar modern, aber sehr kalt und schlicht eingerichtet war – irgendwie passte es ja auch ausgesprochen gut zu ihm. Allerdings hätte sie ein oder zwei Bilder an den nackten weißen Wänden befürwortete. „Dann setz dich jetzt zu mir und hör auf alles so genau anzuschauen, hier ist nämlich seit vier Wochen keiner mehr mit dem Staubwedel durchgegangen“, äußerte er, nachdem er sich wieder seinem Glas zugewendete hatte. Sie tat wie ihr geheißen, ließ sich neben ihm nieder und stellte ihre Cola auf dem Tisch ab: „Du und der Staubwedel – das will ich sehen. Du putzt doch sicher nicht selber - vor allem nicht das riesige Fenster.“ Er lachte kurz spöttisch auf: „Nein, da habe ich besseres zu tun. Morgen kommt wieder die Putzkolonne.“ „Und die nimmt dem Kai dann wieder die Drecksarbeit ab“, grinste sie. Der Russe wurde wieder seriös: „Na, wenn sie schon mal hier sind um alle Fenster zu putzen, dann können sie zu ja auch jede Woche zu mir kommen. Außerdem nutze ich den Service nicht als einziger. Die meisten Wohnungen hier bewohnen Alleinstehende, die entweder keine Lust haben selber sauber zu machen oder denen die Zeit fehlt, so wie mir.“ „Dir fehlt die Zeit?“, fragte Naomi etwas bissig. „Nicht eher die Lust?“ „Nein. Stell dir doch mal vor, ich würde das hier alles alleine in Ordnung halten: Ich käme ja gar nicht mehr so oft dazu euch beim Training leiden zu sehen.“ Sein leicht sadistischer Blick erntete einen vorwurfsvollen von Naomi. Kurz darauf begann sie sich erneut suchend umzusehen. „Was ist nun schon wieder? Zählst du die Staubkörner?“, fragte er trocken. „Nein, nur“, sie drehte sich forschend zur anderen Seite, „ich sehe keine Heizung.“ „Sag doch, dass dir kalt ist.“ Kai stellte sein Glas ebenfalls ab, griff nach einer der beiden Fernbedienungen auf dem Tisch und lehnte sich wieder entspannt zurück. Sie blickte ihren Freund wirsch an: „Mir ist nicht kalt und ich will auch nicht fernsehen.“ „Die ist nicht für den Fernseher“, entgegnete er gelassen und richtete das kleine Gerät auf den Thermostat über dem Sideboard, ohne hinzusehen, bevor er einen der Knöpfe drückte. Naomi sah zu dem kleinen Kasten an der Wand, wo plötzlich ein kleines Lämpchen aufleuchtete, während Kai die Fernbedienung wieder sinken ließ. Keine Minute verging, als das Mädchen spürte, wie ihre Füße leicht warm wurden. Ungläubig zog sie diese auf die Couch hoch: „Ich habe es mir gedacht: Du Bonze hast eine Fußbodenheizung.“ Er sagte nichts dazu, sondern schaltete die Heizung wieder ab und betätigte eine weitere Taste, woraufhin das Licht der Lampen an der Decke allmählich gedämpft wurde und, nachdem es kurz ganz erloschen war, wieder langsam heller wurde. Naomi sah verblüfft zur Decke. „Ich kann es auch ganz ausmachen.“ Und schon folgte ein weiterer Tastendruck von Kai und die Lampen gingen ganz aus, sodass die Beiden nun im Dunkeln saßen. Nur durch die feinen, schwachen Lichtstrahlen die durch die Spalten in den Rollläden fielen, konnte Naomi die Umrisse ihres Freundes noch erkennen. Ihr wurde etwas mulmig bei dem Gedanken, dass sie mit ihm alleine im Dunkeln in seiner Wohnung hockte. „Kannst du es auch wieder anmachen?“, fragte sie unauffällig. „Ich kann schon“, kam es von ihm. „Ich will nur nicht.“ Da war auch schon erneut das Tastengeräusch der Fernbedienung zu hören und die Blonde traute ihren Augen nun wirklich nicht mehr: Die indirekte blaue Beleuchtung hinter den beiden Stufensockeln aus weißem Plexiglas tauchte die glänzenden schwarzen Granitbodenfliesen in ein sanft glitzerndes blau. Je nachdem wie sie ihren Kopf bewegte, erschien der Fußboden plötzlich, wie eine glänzende Wasseroberfläche – wie ein See im Mondlicht, der sich von der Stufe des Arbeitsbereiches unter dem Couchtisch hindurch und vorbei am Sideboard bis zur Eingangstür ausbreitete. Naomi drehte sich um, kniete sich auf die Sitzfläche und sah fasziniert über die Rückenlehne: „Wahnsinn. Du hast echt zu viel Geld.“ „Ach, alles Schnickschnack, den keiner braucht, der aber nun mal schon von vornherein hier in den Wohnungen so war.“ Erneut betätigte Kai die Fernbedienung in seiner Hand, als sich langsam, mit einem leisen, surrenden Ton die Jalousien vor dem Fenster öffneten und die Sicht auf einige Bäume hinter dem Haus und einen Teil des Tokioter Nachthimmels preisgaben. Wie ein Wahnsinniger schlug Max mehrfach auf die Entertaste seiner Tastatur ein, während Kyko etwas gelangweilt hinter ihm auf dem unteren Bett saß und von der Zimmerecke links neben der Tür, wo sich nun ihr Koffer wiederfand, vorbei am Kleiderschrank daneben hin zum Schreibtisch, der zwischen Schrank und Fenster stand, sah. Ihr Freund hatte sich kurz nach dem Essen dort niedergelassen und saß dort nun schon gute zwanzig Minuten beim Versuch zwischen CD-Brenner und überlastetem Arbeitsspeicher mehr oder weniger ruhig zu vermitteln. Doch alles was er bisher erreicht hatte waren zwei verschossene CD-Rohlinge und einen Komplettabsturz des Computers. Und nun wollte seine Tastatur nicht mehr so wie er, weshalb seine Hand notgedrungen den weiten Weg einer Lineallänge zur Maus tätigte. „Ich bekomme die Krise, das Ding macht mich wahnsinnig. Der wird immer langsamer.“ Verzweifelnd schlug der Blonde die Hände über dem Kopf zusammen und lehnte sich seufzend zurück, während der Prozessor im Inneren des Gerätegehäuses unter dem Tisch merkwürdige Geräusche von sich gab. Die Rothaarige jammerte einwenig: „Musst du das denn unbedingt jetzt noch machen?“ Max drehte sich zu ihr um: „Ja, weil ich Hilary versprochen habe, ihr meine mitzubringen. Ich glaube, die von den Anderen wollte sie auch haben.“ „Und du glaubst, die Anderen haben die morgen alle mit?“, fragte sie skeptisch. „Da Tyson nie Fotos macht und somit aus der Frage rausfällt – ja!“ Er grinste breit und wendete sich wieder dem Bildschirm zu, als der PC noch ein etwas lauteres Surren von sich gab, als wolle er auf sich aufmerksam machen. Kyko legte den Kopf schief: „Mail sie ihr doch einfach, wenn das mit dem Brennen nicht klappt.“ Max musste auflachen: „Dazu müsste ich den Ordner mit den Fotos komprimieren und Hilary wäre hoffnungslos damit überfordert, die Dateien wieder zu entpacken.“ Seine Freundin seufzte: „Dann mach’ mal weiter da! Ich gehe schon mal ins Bad.“ Damit stand sie auf, schnappte sich ihr Nachthemd und ihren Kosmetikkoffer und verließ den Raum. Max sah ihr etwas wehleidig nach, weil er sich eigentlich lieber mit ihr beschäftigte, als mit diesem Problemkind vor ihm. Wütend sah er den Computer an: „Du machst mir hier noch alles kaputt.“ Er trat kurz aber kräftig gegen eben jenen - ein schwerer Fehler, wie er merkte. Denn alles was er damit bezweckt hatte, war, dass sein Fuß nun ziemlich schmerzte und er ihn deswegen mit schmerzverzogenem Gesicht zu sich hoch auf die Sitzfläche des Stuhles zog und mit beiden Händen fest die Zehenspitzen umschloss, um den Schmerz zu lindern. Aber auch sein Gegenüber reagierte: Der Bildschirm wurde erneut schwarz, der Computer gab wiederum einen ungesunden Ton von sich und auf dem Desktop erschien wenig später erneut das Startbild. „Nein.“ Jammernd ließ Max seinen Fuß wieder auf den Boden gleiten und seinen Kopf leicht auf die Tischplatte schlagen. Er sah wieder zum Bildschirm, wobei er sein Kinn auf den Tisch stütze und missmutig wartete bis das Betriebsprogramm wieder einsatzbereit war. Auch dies dauerte inzwischen geschlagene fünf Minuten. Ohne seine geknickte Haltung zu verlassen, ergriff er wieder die Maus: „Mir reicht es jetzt!“ Nun komprimierte er die Datei mit seinen Fotos doch, öffnete sein Programm für elektronische Post, lud dort den Ordner hoch und richtete sich wieder einwenig auf, um besser tippen zu können. „Hi, Chef! Mein PC macht alles nur nicht das was ich will. Brenn’ mir die Fotos bitte auf CD und bring’ sie morgen mit. Danke! Ein genervter Max“, war der Text, den er kurz in das Feld unter dem Betreff, den er mit „Ich hasse Computer!“ bezeichnete, eingab, ehe er die Nachricht an Kenny verschickte. „Ach“, Max schlug sich mit der offenen Handfläche gegen die Stirn, „der ist doch sicher noch on, nachdem er vier Wochen nicht an seinen Computern rumspielen konnte.“ Er öffnete die Kontaktliste seines Instantmessengers, stellte aber bald fest, dass Kenny laut dieser offline war. „Oder auch nicht.“ Er schloss das Programm wieder. Erschöpfte und weiterhin grummelnd, ließ er seinen Kopf zurück auf die Arbeitsfläche sinken, drehte ihn dieses Mal aber dabei zu Tür. Diese ging auch schon wenige Minuten später auf und Kyko kam herein. Max richtete sich wieder auf und gab einen leisen Pfiff von sich, als sie die Tür wieder schloss, das kleine Köfferchen wieder wegstellte und in ihrem kurzen aufreizenden Sommernachthemd auf ihn zuging. „Und? Problem gelöst?“, erkundigte sie sich. Ihr Freund seufzte erneut: „Jein. Ich habe die Fotos für Hilary jetzt Kenny geschickt. Der scheint zwar nicht mehr online zu sein, aber spätestens morgen früh wird er das sein.“ „Na also.“ Sie setzte sich auf seinen Schoss. „Aber die Fotos für Hilary? Klingt als würdest du ihr nicht alle schicken wollen.“ Während er einen Arm um ihre Hüfte gelegt hatte, sah er nun etwas schelmisch zur Seite: „Na ja, sagen wir so: Es gibt Bilder, die nicht für jedermanns Augen bestimmt sind.“ „Die will ich sehen.“ Ohne zu zögern griff Kyko nach der Maus und öffnete das erste Foto in der angezeigten Datei. „Ah, Nein!“ Doch Max Einwände kamen zu spät, denn das Mädchen hatte die erwähnten Bilder schon gefunden. Einwenig entsetzt sah sie darauf: „Du Ferkel hast mich beim Duschen fotografiert!“ _____________________________________________________________ Erst lässt die Alte einen ewig warten und dann kommt auch noch so ein ödes Kapitel... was fällt der bloß ein? >__< *sich schon schämt* Die Kapitellänge... Aber ich habe mit Kapitel 31 immerhin schon angefangen und werde auch versuchen, ganz schnell damit fertig zu werden. Ein verzweifeltes Ly... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)