Himmel aus Blut von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Himmel aus Blut Prolog 1990, Japan Ritzuko lief lachend durch das glitzernde Weiß der verschneiten Winterlandschaft. Ihre Mutter winkte ihr zu, während die hellen Locken des kleinen Mädchens wie eine Flagge im Wind wehten. Übermütig drehte sich das Kind im Kreis und fiel dann jauchzend in den weichen Schnee. Breitete die Arme aus und sah in den grauen Dezemberhimmel, an dem helle und dunkle Wolken entlang zogen, auf einem Weg ins Nirgendwo. Dann ertönte ein Schuss, ein zweiter und Ritzuko sprang auf. Zwei dunkle Augen starrten sie für einen Moment an, dann verschwand eine Gestalt. Ein Kind, ein Junge, der sich auflöste. Mit Tränen im siegessicher grinsenden Gesicht. "Wir sind quitt", flüsterte er. Ritzuko rannte los. "Mama!" vor dem leblosen Körper fiel sie auf die Knie und rüttelte ihre Mutter am Arm. "Mama, steh doch auf! Es ist kalt!" Sie merkte gar nicht, wie ihr Tränen übers Gesicht liefen. Kalte Tränen, die sofort gefroren. Schnee knirschte und Ritzuko horchte auf. Langsam drehte sie sich um. "Papa!" Sie wollte zu ihm laufen, doch er hielt sie zurück. "Bleib stehen." Seine Stimme war wie Eis und seine Augen wirkten leer. Kaltes Metall glänzte in seiner Hand, die Wolken und den Himmel widerspiegelnd, und selbst das Kind von 5 Jahren merkte, was nun kommen würde. "Ich gebe dir ein Rätsel auf..." "Papa, was soll das?!" schrie sie ängstlich. Er schien sie gar nicht zu hören. "...und wenn du es löst, lasse ich dich gehen." Nicht einmal ihr eifriges Nicken registrierte er. Sein ausgestreckter Arm senkte sich zu ihrem Kopf herab. "Was ist weicher als Daunen?" Der Abzug der Waffe in seiner Hand klickte unheimlich laut. "Was ist süßer als Honig?" Sein Finger krümmte sich unaufhaltsam. "Was ist härter als Stein?" Eine Explosion. Rauch stieg in die Luft. Vögel flüchteten mit lautem Kreischen in alle Richtungen. Lärm wie tausend Schlachten. Dann Stille. Im Schnee, wie ein Engel, mit ausgestreckten Armen, lag Ritzuko, das Haar wirr um den Kopf. Die dunklen Augen anklagend gen Himmel gerichtet. "Warum... Papa?" fragte sie mit brüchiger Stimme. Dann zuckten ihre Wimpern und verschlossen den Blick auf ersterbendes Leben. Kapitel 1.1 - Annäherung 1999, England Zaghaftes Klopfen ließ einige Schüler von ihren Heften aufsehen. Die, die weiter schrieben, hörten nur das auffordernde "Herein!" der Lehrerin und das leise Öffnen und Schließen der Tür, bevor durch leises Raunen in der Klasse schließlich alle aufsahen. Mit halb gesenktem Kopf und wippenden weißblonden Locken, hüftlang und gehalten von einer Schleife, trat ein Mädchen neben den Lehrertisch und gab einen Brief ab. Ein Mädchen, das wie sie vierzehn war. Merkwürdigerweise wirkte sie gleichzeitig älter und jünger als jeder im Raum. Einschließlich der Lehrerin. Das Mädchen war sehr hübsch, um nicht zu sagen schön. Ihr Haar war so hell, das es fast durchsichtig schien. Weißblond, manchmal golden, und hob die Schleife - ein dunkles Purpurrot - deutlich hervor. Das Rot strahlte auch von der sehr viel dünneren Schleife an ihrer weißen Bluse, als Streifen auf ihren ansonsten weißen Kniestrümpfen, und als Schriftzug auf der Brusttasche ihrer dunkelgrauen Jacke. Der Rock, den sie trug, war schwarz, genau wie die Schuhe mit den kurzen Absätzen. Das letzte bemerkenswerte war die schwarze Ledertasche, die an einen Bankier oder Geschäftsmann erinnerte. und bis auf ihren leichten Anschein von Alter, von...Weisheit wirkte sie durch und durch wie ein ganz normales Schulmädchen. Ihr Blick schweifte durch die Klasse und schien jeden in Flammen zu hüllen. Ihre Augen waren braun, aber dahinter schien ein Feuer zu brennen, ungebändigt, als würde sie jeden Moment wie ein Vulkan ausbrechen. "Guten Tag", sagte sie mit weichem, exotischem Akzent, der verriet, dass sie weder aus England, noch überhaupt aus Europa war. Vielleicht aus Russland...? "Mein Name ist Ritzuko Kusanagi", sagte sie, nachdem sie es an die Tafel geschrieben hatte. Das Raunen wurde lauter, was sie aber unbeteiligt registrierte. "Ich komme aus Japan", fuhrs sie ruhig fort. Als ob das jetzt nicht schon klar wäre. Einen Moment lang war Stille, dann erinnerte sich die Lehrerin daran, wo sie war, sagte mit einem leisen Anflug von Hektik: "Setzt dich doch bitte dort hin", und wies auf einen freien Platz. Ritzuko nickte nicht einmal. Sie ging einfach durch die Reihen und setzte sich. Dann stellte sie die Tasche neben sich ab und sah zur Tafel. Die Ruhe selbst. Eine Ruhe, von der selbst ein Stein noch hätte etwas lernen können. "Ein japanisches Mädchen mit weißblonden Haaren?" Lance Ashton, der Klassensprecher, schüttelte grinsend den Kopf. "Da müsst ihr euch aber was Besseres einfallen lassen. Die kommt niemals aus Japan. Warum sollte sie ausgerechnet von Japan hier her kommen?" und wieder lachte er. "Warum denn nicht?" Alicia Malloy, seine Stellvertreterin, verschränkte die Arme und versuchte zaghaft, etwas mehr Selbstbewusstsein vorzutäuschen, als sie besaß. "Du hast sie ja nicht gesehen." "Wie denn auch?" fragte er, und es ärgerte sie maßlos, dass er noch immer grinste. Was er auch viel zu oft tat. "Kann ich was dafür, das gestern..." "Oh verschone uns!" fauchte ein anderes Mädchen. "Glaub es, oder glaub es nicht. Sie ist nun mal..." "und was will sie dann hier?" unterbrach er sie. "Was will sie in England? Warum ist sie nicht auf ihrer Insel geblieben?" Er wandte sich zu Alicia. "und was zum Teufel findest du so toll an ihr?!" Alicia schmollte. Das tat sie immer, wenn jemand in ihrer Nähe mit voller Absicht im Namen Gottes oder dem des Teufels fluchte. und Lance tat das absichtlich. "Woher soll ich das denn wissen?" sagte sie jetzt. "und überhaupt finde ich sie nicht toll, sondern..." Sie fuhr eigentlich nur fort, um ihn am Sprechen zu hindern: "Sondern merkwürdig. Sie ist ganz einfach komisch. Egal, was sie tut. Ich glaube, sie wäre sogar merkwürdig, wenn sie tot ist." Ritzuko saß einsam auf einer niedrigen Mauer, umgeben von dem Lärm der Pause, was ihr aber nichts auszumachen schien. In ihren Hände hielt sie ein dünnes, schwarzes Buch, dessen Seiten in der Sonne glänzten, obwohl sie so dünn waren, dass man fast hindurch sehen konnte. Wind säuselte in den Blättern und schien ihren Kopf anzuheben, als sie zum Himmel aufsah. Ihr Haar gleißte im Licht wie weißer Schnee, aber ein goldener Schimmer lag darauf, der es wirklicher erscheinen ließ, als das Mädchen selbst. Ihre Augen schienen zu brennen, während sie unablässig die ziehenden Wolken verfolgten, unergründlich wie der Himmel, unergründlich für jeden. Es frischte auf. Kälte zog heran. Erst langsam, dann immer schneller. Die Wolken wechselten von weiß zu grau und dann wurde der Himmel schwarz. Wie auf ein Zeichen hoben alle die Köpfe und Besorgnis in Erwartung eines plötzlichen Regenschauers spiegelte sich in ihren Augen. Aber noch bewegte sich niemand. Ein Blitz zerriss die Stille, zerriss die Wolkendecke, die bis dahin schwarze, eisige Finsternis verborgen hatte. und inmitten dieser Dunkelheit leuchtete ein blutroter Mond vor der brennenden Korona der Sonnenscheibe. Nicht einmal das Rauschen des Windes erklang, trotz dem er einem Sturm gleich durch die Bäume raste und alles von den Füßen zu reißen drohte. Kein Ton, kein Wort, nur noch Stille. Oder solcher Lärm, dass man nichts mehr hörte. Wieder blitzte es und diesmal schlug die Entladung direkt im Schulhof ein. Schüler wie Lehrer flohen gleichermaßen entsetzt in alle Richtungen. Helle Panik brach aus, als ein wahres Blitzgewitter das Gelände erschütterte. Nur eine stand inmitten dieser Hölle, als würde es sie nichts angehen. Eine Gestalt wie ein schwarzer Teufel tauchte aus der Finsternis der Schatten in den Lichtschein der zuckenden Blitze und ging durch einen Vorhang aus Staub und Rauch auf Ritzuko zu. "Engelchen..." flüsterte eine Stimme wie Honig und gefährlich spitze Zähne blitzten. Ihre Hand streckte sie aus, als wolle sie es allein damit abhalten, näher zu kommen. "Bleib stehen!" Nur für einen Moment zögerte die Gestalt, dann näherte das Wesen sich weiter dem Mädchen. "Komm süßer Engel, ich will dich fressen." Ihre Stimme klang wie Donner, als Ritzuko ihn abermals warnte: "Bleib stehen, wenn dir dein Leben lieb ist!" "Kleiner Leckerbissen", grinste das Monster. Es war fast ein Lächeln, das diese Worte auf ihr Gesicht zauberten. "????????????????????????", flüsterte sie weich, und das Monster blieb stehen. Zögerte, als wäre es sich nicht mehr sicher, ob es richtig war, was hier passierte. "?????????????????? ???????????????????" "Hör auf!" fauchte das Monster und man konnte fast sagen, dass es zitterte. "Hör auf, verdammte Marionette!" Doch sie ließ sich nicht beirren. Dieses eine Wort war es, das den Hohn ihre Miene zu einer fast ebenso scheußlichen Fratze machte wie sein Gesicht, und ihn zurück trieb. "???????????????????????????" "Nein, nein, NEIN!" Eine hässliche Dämonenfratze fauchte ihr entgegen, verzerrte Züge, Augen wie geschmolzenes Gold und glühend vor Mordlust. und Angst. Krallen schlugen nach dem Mädchen, entfachten einen Wirbelsturm, der sie in Stücke zu reißen drohte. Steine, Holzstückchen und Sandkörner ritzten schmerzhaft Ritzukos Haut, zerfetzten Stück für Stück ihre Kleidung. "????????????", Anstrengung zeichnete ihr Gesicht, "...????????????????" Klauen, wie Messer, streckten sich nach ihr aus, bedrohlich nahe. Blut wurde vom Wind mitgerissen. "Das ist dein Ende!" Das Monster war bei ihr, ein Dämon, und in seinem Antlitz sah man nur noch Hass. Hass und die Mordlust, die sie so gut kannte. Aber er schreckte zurück, als er noch einen letzten Blick in ihre Augen warf, die auf einmal so kalt waren wie Eis, wie der Südpol und ihre Stimme erklang, so tödlich sanft wie ein geschliffenes Messer: "???????" Der Dämon kreischte auf, als er sich langsam aufzulösen begann, und Rauch aus seinen Kleidern, aus seinem Körper selbst drang. "Ich töte dich!" fauchte er ein letztes mal und man hörte seinen ganzen Schmerz, der nur noch durch den Sturm übertroffen wurde. Dann verschwand er, verschwand, als wäre er nie da gewesen. Der Sturm hatte sich gelegt, so schnell wie er gekommen war. Ruhe kehrte ein auf dem Hof. Ritzuko starrte auf den dunklen Fleck, der noch übrig war, die Asche, die er zurückgelassen hatte. Ihre Lippen formten ein Wort, das man nicht einmal gehört hätte, wenn man direkt neben ihr stehen würde: "Abbadon." Dann fiel sie und alles um sie wurde dunkel... Ein dunkler Schatten regte sich in einem Baum, als eine Gestalt herunter sprang, mit wehendem schwarzen Mantel, neben eine zweite, deren weißes Haar einen alten Mann vermuten ließ. "Was sagst du?" "Sie ist gut. Nur noch nicht ganz ausgereift." "Sie ist ein Kind, Israfel. Was erwartest du?" "Kann sie uns gefährlich werden, Ramiel?" "Noch ist ihre Kraft nicht ganz da. Noch hat sie keine richtige Feuerprobe bestanden. Gegen Abbadon zu siegen..." "Oh ja", höhnte Ramiel ironisch, während er sich durch sein braunes Haar strich. "Gegen Abbadon zu siegen, den Engel des Abgrunds in seine eigene Hölle zu stoßen, das ist ja auch so einfach." Er lachte leise. "Vielleicht sollten wir ihr Hilfe schicken." "Nun gut." Israfel beobachtete sie noch eine Weile, dann drehte er sich um und ging, die Hände in den Taschen seines eigenen schwarzen Mantels, gefolgt von Ramiel. "Wir können warten." "Ein Neuer!" Ein Satz, der die Klasse durchzog wie eine Hiobsbotschaft. Es war nur ein Gerücht, aber man sollte es ernst nehmen. Viele Blicke richteten sich verstohlen auf Ritzuko. Dieses Mädchen war ein Schatten. Sie verschwand wann es ihr passte und tauchte auf, wenn man es am wenigsten erwartete. und meist saß sie einfach nur da, auf ihrem Platz, ohne den Trubel um sich herum zu beachten, und las in einem Buch. In dem kleinen schwarzen Buch, das sie immer dabei hatte. und obwohl sie nie lächelte, geschweige denn lachte, hatte man immer das Gefühl, dass alles, was darin stand, sie furchtbar amüsierte. Doch niemand wusste, was das eigentlich war. Lance schlenderte langsam auf sie zu. Er wusste nicht genau, wie er sie ansprechen sollte, aber sie hatte ihm nun mal die Ehre zu erweisen, wie jeder Schüler, und wenn es nicht anders ging, musste er sie eben darauf hinweisen. und außerdem war sie ziemlich süß und er hatte momentan keine Freundin. "Hey du..." Er hatte vor, ihr auf die Schulter zu tippen, aber noch bevor er das erste Wort ausgesprochen hatte, sah sie ihn schon an. Mit ihren merkwürdigen Augen. Wartend. Als er nichts weiter sagte, sondern sie nur anstarrte, senkte sie den Blick wieder und vertiefte sich in ihre Lektüre, als wäre nichts gewesen. und schon wieder hatte er das Gefühl, sie würde innerlich über dieses Buch lachen. Nein, er hoffte, dass es das Buch war, und nicht er. "Ich rede mit dir!" sagte er energisch und da sie ihn jetzt nicht einmal mehr ansah, griff er einfach nach dem Buch. Er hatte alles Recht, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, wenn er als Klassensprecher diese haben wollte. "Was zum Teufel...?" Noch ehe er seine Hand überhaupt so weit bewegt hatte, dass man annehmen konnte, er wolle ihr etwas wegnehmen, stand sie schon und musterte ihn eindringlich. Sein Blick schweifte kurz ab und er sah ein Kreuz und den Titel des Buches. und beides ließ ihn stutzen. "Eine Bibel?" Ihr Blick war jetzt eindeutig verächtlich, obwohl nur er das zu sehen schien, und sie setzte sich ohne weitere Regung und nahm ihre Lektüre wieder auf. Aber selbst das schien die Antwort zu sein. Sie las tatsächlich die Bibel. Weil es sie amüsierte! "Kinder, auf eure Plätze!" erklang die Stimme der Lehrerin und ihr missbilligender Blick galt eindeutig Lance. Die Schüler setzten sich und als sie an die Tafel sahen, erstarrte jeder. Wirklich und ausnahmslos jeder. Ein Junge stand da, ein Junge, der jedes Mädchen auf der Stelle zum Erröten brachte. Schwarze Haare und braune Augen, die mindestens so sehr brannten wie Ritzukos, wenn nicht sogar mehr, und Haut, die so dunkel war wie Elfenbein. Seine schwarze Jeans und das ärmellose enge Shirt - es war tiefster Herbst! - trugen auch nicht gerade dazu bei, sein Aussehen zu verschlechtern. Im Gegenteil. und das Funkeln seiner Augen besagte eindeutig, dass er das ganz genau wusste. Er war neu an dieser Schule, das musste er sein, denn sonst hätte Lance sicher schon von ihm gehört, und deshalb musste er auch so alt wie sie sein, um in diese Klasse zu kommen. Aber dieser Junge hatte eben nicht nur die Augen mit Ritzuko gemeinsam, sondern auch diese Aura von Alter und Jugend. Sein Gesicht war ruhig, aber Lance wusste inzwischen, wie jemand aussah, der irgend etwas belächelte. und das hier war eindeutig der Fall. Die Lehrerin wollte sich zur Tafel drehen und bemerkte ihn offensichtlich erst jetzt. "Wer bist du denn?" fragte sie etwas irritiert, und sogar auf ihre Wangen verirrte sich eine leichte Rötung. "Angelo Martinéz", antwortete er mit einem Akzent, der die Mädchen noch mehr zum Seufzen brachte, und etwas von Italien vermuten ließ. "Der Neue." Die Lehrerin sah kurz in die Klasse und wies dann auf den linken Platz der letzten Bank der Mittelreihe. "Setzt dich dort hin. Neben Ritzuko." Ritzukos musterte sie mit der gleichen Ausdruckslosigkeit, die man inzwischen schon von ihr gewohnt war. Aber Lance war sich hundertprozentig sicher: Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie die Lehrerin aufgespießt. und das wäre wahrscheinlich noch das Netteste gewesen. "Hallo." Ritzuko sah auf. Ihr Gesicht blieb unbewegt, wie immer. Auch, wenn der Junge ihr gegenüber sehr unverschämt grinste. Aber sie wusste genau, wie sie ihm das vom Gesicht wischen konnte, und schon bald wich sein Gesichtsausdruck gespielter Resignation, da sie weder antwortete noch zurück lächelte. "Eisklotz", murmelte er leise, aber laut genug, dass sie es hören konnte, und setzte sich neben sie. Als würde er nicht den ganzen Tag schon neben ihr sitzen. "Ich bin Angelo Martinéz." Er hielt ihr auffordernd seine Hand hin. "und du bist...?" Er wusste es, aber man brauchte eben für jedes Gespräch einen Anfang. Sie zögerte und fast hätte er seine Hand schon zurückgezogen, dann ergriff sie sie, allerdings vorsichtig. "Ritzuko Kusanagi." Er lächelte und achtete nicht darauf, was sie machte, bis ihn schließlich ein Blitz durchzuckte. "Hey!" Er riss seine Hand zurück, als hätte er Feuer berührt und betrachtete besorgt seine Finger. "Wie hast du das gemacht?" Es hatte sich angefühlt, als ob er einen elektrischen Schlag bekommen hatte. Sie hob ihre weiße Hand, aber man sah nichts. "Heute ist ein warmer Tag, da kann so etwas passieren. und wenn..." Sie brach plötzlich ab und als er zu ihr sah, nur eine halbe Sekunde später, las sie schon wieder. "Wenn?" Angelo sah sie fragend an. Aber er hätte genauso gut die Mauer fragen können, auf der sie saßen. Sie ignorierte ihn, als wäre er gar nicht da, und so fühlte er sich auch fast. Was ihm natürlich gar nicht gefiel. Beinahe unbewusst griffen seine Finger nach einer ihre Locken und drehten sie in der Sonne. Gold blitzte, und weiß, aber bevor er es noch genauer betrachten konnte, entzog sie sich im mit der beeindruckenden Schnelligkeit, mit der sie auch schon andere aus ihrer Klasse verwirrt hatte. Aber er kannte ihren Trick und so war er genauso schnell wieder neben ihr, wie sie von ihm abgerückt war, und seine Hand spielte weiter mit ihrem Haar. Sie bewegte den Kopf leicht, als wollte sie eine lästige Fliege verscheuchen, und ihre Hand berührte wie zufällig seine, als sie ihre Locken hinters Ohr strich. Mit leisem Grollen stand Angelo auf und ließ sich nicht anmerken, dass es weh tat, da sie ihm schon wieder einen Schlag versetzt hatte. Er schien gehen zu wollen, aber nach ein paar kurzen Schritten blieb er stehen. "Wir sind, was wir sind. Davor können wir uns nicht verstecken." Als hätte er gespürt, dass sie aufhorchte, drehe er sich um. "Abbadon war ein guter Anfang." Ritzuko gab sich unbeteiligt. "Ich verstehe nicht...?" "Hätte ich es sonst gesagt? Ich weiß, dass du es verstehst." Er machte einen Schritt auf sie zu. "und es gibt noch etwas..." Wind trieb ihn zurück, Wind, der stark genug war, ihn aufzuhalten. Wind, der sie nicht einmal streifte. Trotzig stellte er sich der Naturgewalt, die wütend sein Haar zerzauste. Ritzuko neben ihm gab sich beinahe unbeteiligt, aber ihre Augen hatten zu glühen begonnen, wie zu dem Zeitpunkt, als Abbadon auftauchte. "Break." Eine männliche Stimme hallte über den Platz, der jetzt leerer schien, als je zuvor. Sie war rauh aber angenehm und erinnerte ein bisschen an Ritzukos. Der Wind legte sich auf das Wort hin und man erkannte zwei Männer, die ihnen gegenüber standen. So nah, dass Angelo sich fragte, warum er sie nicht bemerkt hatte. Ihre Kleidung war identisch. Schwarze Jacken und Hosen, schwarze Schuhe, weiße Hemden, ein langer, schwarzer Mantel. Sonnenbrillen, deren Schwärze undurchdringlich schien. Der eine weißhaarig mit Bart und mit einem Ohrring in der Form des ?, der andere brünett und mit einem . Beide schienen höchstens fünfundzwanzig zu sein. "Was wollt ihr?" fragte Ritzuko. "Wir tun dir nichts, Kleines", antwortete ihr der Brünette freundlich. "und das soll ich euch glauben?" fragte sie in leicht höhnischem Tonfall. "Wirklich nicht", versuchte er es wieder. "Wir sind friedlich." "Das will ich euch geraten haben." Sie war auf einmal nicht mehr sanft und alles andere als ruhig, wenn sie ihnen auch überlegen schien. Haushoch sogar. Aber das bemerkten die Männer nicht. "Hör zu, Kind", begann der andere, "uns kannst du nichts tun. Wir sind besser als Abbadon." "Das ist jeder", fauchte Ritzuko. "und nenn mich nicht Kind. Ich habe einen Namen." Er lachte spöttisch. "Ich werde mich hüten, ihn auszusprechen." Das klang, als wüsste er, mit wem er es zu tun hatte und es wäre nicht Ritzuko Kusanagi. "Wärt ihr so gütig", sagte sie, ohne auch nur die Spur von Respekt, "mir eure Namen zu nennen? Auch wenn mich das kaum interessiert", fügte sie noch hinzu. "Israfel, siebenter Erzengel unter der Gnade unseres Herrn", antwortete ihr der Weißhaarige, der langsam wütend wurde. "Ramiel, Engel", sagte der andere, der sich eher Sorgen zu machen schien. "Das gerade ihr mich aufsucht..." Aus ihren Worten klang ein wenig Überraschung, die aber nicht davon zu rühren schien, dass die beiden sich als Engel vorgestellt hatten. "Kennst du sie?" wagte Angelo zu fragen. Die beiden Männer sahen ihn an, als wäre er verrückt geworden. "Spielt das eine Rolle?" fragte Ritzuko nicht im geringsten verwundert. Die Männer lenkten ihre Aufmerksamkeit wieder auf sie. Ramiel setzte sich in Bewegung und kam ihr langsam näher. Seine Hand war nach ihr ausgestreckt. "Komm, Kleines. Gib mir deine Hand. Ich verspreche auch, dass es nicht weh tut." Sie wich zurück. "Fragt sich nur, für wen. Ich weiß, wie ich mit euch fertig werde." "Wohl kaum", spottete Israfel. "Deine Künste nützen dir wenig, denn wir sind nicht wie er. Wir wollen dir nur helfen." "Spar dir das dumme Geschwätz!" fauchte sie und floh immer weiter rückwärts. "Das glaubst du doch selbst nicht!" Sie schien zu wissen, was gut für sie war. Oder auch nicht. "Verschwindet! Los!" Angelo stellte sich schützend vor Ritzuko. Ramiel holte zum Schlag aus, doch der Junge fing seine Hand ohne Mühe ab. Hielt sie so fest, dass dem Mann Schweiß auf die Stirn trat. "Kleiner Schwächeanfall?" "Geh zur Seite!" donnerte Israfel. "Geh, oder es wird weh tun!" Beschwörend richteten sich seine Augen auf Angelo. Hypnotisierend. und unter Zwang stolperte der Junge zur Seite. "Gib mir deine Hand", forderten die Männer Ritzuko auf, die sich genauso wenig bewegen konnte wie Angelo. Aber Israfel schien erschöpft, als sie schließlich ihre Hände in die der beiden Männer legte. Widerwillig. "Hab keine Angst." Ihre Stimmen klangen völlig synchron. "Es wird nicht weh tun." Immer, wenn Gott einen Sünder strafen will, als Mahnung oder Abschreckung, oder wenn er einen Sünder töten lässt, schickt er einen Engel. Ich frage dich, was für ein Geschöpf mag das wohl sein? Denn einerseits lobt und preist er seinen Herrn, aber andererseits badet er einen seiner Flügel in Blut. Verspürst du da noch den Wunsch, einen Engel zu sehen? Kapitel 1.2 - Enttarnung Alles war dunkel. Sterne glitzerten an einem düsteren Himmel, und der Stern ihrer Kindheit leuchtete über allen. Papa!... Ritzuko fing lautlos an zu weinen. Wie konntest du nur? Tötest Mutter... so einfach... so kalt und herzlos... und ich... Die Tür ging leise auf und jemand steckte seinen Kopf durch den Spalt. "Wer ist da?" fragte sie vorsichtig. Derjenige richtete sich auf und seine Finger suchten und fanden den Lichtschalter. Geblendet schloss sie die Augen. "Du hast lange geschlafen", sagte eine bekannte Stimme. "Schön, dass du noch vor Mitternacht aufgewacht bist. Dann krieg ich vielleicht auch noch ein bisschen Ruhe." "Mitternacht?" Ritzuko rieb sich die Augen und suchte nach einer Uhr. Es stimmte. Sie schlug die Decke zurück, um aufzustehen. Dann fiel ihr Blick auf einen Stuhl neben dem Bett, auf dem ihre Schuluniform lag. Sie sah zu Angelo, der sich, allein aus Gründen der Höflichkeit, auf die Tapete konzentriert hatte. Jetzt drehte er ihr den Rücken zu und machte sich noch nicht einmal die Mühe, verlegen zu wirken. "Ich dachte, das wäre vielleicht etwas bequemer für dich." "Spanner", sagte nur und es klang nicht einmal vorwurfsvoll. Angelo wagte noch einen Blick in ihre Richtung und sah, wie sie gerade ihre Bluse anziehen wollte. Aber mitten in der Bewegung hielt sie inne und starrte ihn an. Er glaubte schon, es wäre, weil er sie angesehen hatte, aber das war es wohl nicht. Dann wäre sie nicht so... fassungslos gewesen. "Natürlich!" Ihre Stimme klang leicht fassungslos, als hätte sie gerade etwas besonders Wichtiges entdeckt. "Ich hätte es gleich merken sollen." Die Bluse segelte zu Boden und sie stemmte die Hände in die Hüften. "Da hast du mich aber ziemlich auf den Arm genommen." "Ich weiß nicht, was du meinst", sagte er so ruhig wie möglich. und ihr Anblick trug nicht gerade dazu bei, dass er besonders ruhig blieb. Wie zum Teufel hatte sie... "Komm, das Spiel hatten wir schon." Sie schien sich ihrer Sache ganz sicher zu sein. "Nur das diesmal ich hier nicht weiß, was du eigentlich von mir willst", versuchte er sich weiter raus zu reden. Sie winkte ab. "Erwartest du von mir, dass ich dir glaube?" Dann zeigte ihr Finger so plötzlich auf ihn, dass er zurück sprang, wie vor einem Messer. "Du bist ein Dämon." Sie schüttelte den Kopf und er fragte sich, wie sie so überlegen wirken konnte, obwohl sie nur in Unterwäsche vor ihm stand. "Da hätte ich auch gleich drauf kommen können." Dann verschränkte sie die Arme halb und legte eine Hand vor ihren Mund. "Aber wer..." Ihre Worte klangen leicht gedämpft. "Warum fällt mir dein Name nicht ein? Ich weiß nicht. Es kommt mir so vor, als wärst du jemand, den man kennen sollte." Er wusste nicht genau, ob sie das ernst meinte. "Warte, ich hab's gleich..." Sie schien wirklich zu überlegen. Das kam ihm dann doch ein bisschen blöd vor. "Wenn ich dir helfen darf..." Sie hob die Hand. "Warte, Angel, ich hab's gleich..." Sie stutzte, dann lachte sie. "Genau! Angel." Er wusste, dass sie es gewusst hatte. "Tut mir leid, normalerweise habe ich ein ziemlich gutes Namengedächtnis..." Plötzlich verzog sie das Gesicht, als wäre irgendwas Ekliges vor ihr aufgetaucht, und sagte: "Man, wie kann man nur Angel heißen? Ich meine, soll das ein Scherz sein, oder was?" Er lachte leise, und etwas lauter, als er bemerkte, wie sich ihr Gesicht sekundenlang rötete. "Angel ist doch ein passender Name. Sonst hätten die in der Hölle mich nie so benannt." "Ironie des Schicksals, findest du nicht?" fragte sie beiläufig. Sein Spitzname... "Aber... Tja, weißt du, so unwichtige Leute wie Luzifers Sohn entfallen einem doch schon mal." "Unwichtig?!" knurrte er leicht entrüstet?! Aber das veranlasste sie nur zu einem Lächeln. Sie sah wirklich hübsch aus, wenn sie lächelte. Genau, wie wenn sie ruhig war. Oder wütend. Oder... "Sei nicht böse, ja? Sonst muss ich dir wieder einen Schlag verpassen." Sie wedelte mit ihrem Finger vor seinem Gesicht herum. "Dämonenfalle. Jeder Dämon, der mich anfasst, kriegt einen Schlag ab. Ist echt praktisch, wenn man sich nicht sicher ist." Sie schien wieder lachen zu wollen, aber sein Gesichtsausdruck sorgte sie doch irgendwie, und er hatte nicht vor, hier noch länger unwissend herumzustehen. "Dann musst du ein Engel sein." Wahrscheinlich hatte sie das erwartet, aber trotzdem starrte sie ihn einen Moment lang überrascht an, bevor sie mit angeekeltem Gesichtsausdruck sagte: "Ein was bitte schön? Engel?!" Dieses Wort würgte sie beinahe hervor. "Niemals!" und dann drehte sie sich um, bückte sie und hob ihre Bluse auf, um sie anzuziehen. "Wenn du mir jetzt sagst, dass ich... Das ist unmöglich." "Ist es nicht." Die sanfte Stimme von Ramiel erfüllte den Raum und Ritzuko hatte es auf einmal sehr eilig, die Bluse anzuziehen. "Dabris, sechster Erzengel. Willkommen auf der Erde." "So ein Blödsinn!" schrie sie in den Raum. Zitternd. "Ich bin doch nicht tot!" Wie zum Hohn erklang eine neue Stimme: "Weicher als Daunen, süßer als Honig, härter als Stein..." Ritzuko hielt sie trotzig die Ohren zu. "Ich habe das Rätsel gelöst, das habe ich! Ich lebe noch!" "Komm schon, Kind, wir haben nicht ewig Zeit." Plötzlich stand Israfel neben ihr. Sie war nicht überrascht und nach einem Moment des Schweigens lachte er. "Es geht los. Wir müssen." "Nein." Sie setzte sich einfach zurück aufs Bett. Wie ein schmollendes Kind. Er funkelte sie mit seinen dunklen Augen an und kam dann näher, bis er direkt vor ihr stand und ihr in die Augen sah. "Dann bleib doch. und warte. Aber ich sage dir, wenn du auch nur einen Fuß aus diesem Zimmer setzt, wirst du es bereuen." "Warum?" Ihre Stimme war spöttisch. Seine noch mehr. "Ich trag dich auch hier weg. und ich kann genauso lange warten wie du. Bis der Mond verglüht und die Sonne zu Eis erstarrt. Das ist deine Entscheidung." Sein Gesicht war so nah vor ihrem, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm in die Augen zu sehen. Schließlich stand sie mit versteinerter Miene auf und griff nach dem Rest ihrer Sachen. "So ist es brav. Es wird dir auch niemand was tun." Sie fuhr zu im herum und ihre Augen glichen einer Flammenhölle. "Nein, du weiß nicht wie sehr ich leiden muss. Du willst das ich mit dir komme? Kennst du die Bibel? Ich kenne sie! Aber auch im Himmel gibt es Engel, bewaffnet mit Feuer und Schwert! und sie werden mich jagen, wenn ich nur einen Fuß durch die goldene Pforte setzte." Die beiden Männer und Angelo - eigentlich Angel - starrten Ritzuko an. "Was soll das heißen?" Angel machte einen drohenden Schritt auf das Mädchen zu. Sie sah ihm fest in die Augen. "Ich bin kein Engel, kein heiliges Wesen. Ich bin nicht, was ihr denkt. und ich will es nie sein. Ich lasse mich nicht auf diese Stufe herabwürdigen! Ich hasse alle Engel, weil sie schwach sind. Sie können nichts! Sie sind nur Boten, Diener! Sie sind nutzlos!" Ramiel zitterte vor unterdrückter Wut. "Damit verletzt du den Willen Gottes!" "Der Wille Gottes", ahmte sie ihn nach. "Der Wille Gottes! Ich scheiß auf den Willen Gottes! Der Alte ist nicht mein Herr und ich werde mich ihm nie beugen. Der hat mir nichts zu sagen." Angel schien eine Idee zu haben: "Warum wirst du dann kein Dämon? Ist auch ganz amüsant." "Oh, danke. So blöd bin ich auch wieder nicht." Die Verachtung in ihrer Stimme schien echt. "Engel sind nutzlos, aber Dämonen sind hässlich. Widerwärtig. Da würde ich mir eher den eigenen Kopf abbeißen, als ein Dämon zu werden." "Hey", fauchte er entrüstet. "Sieh mich an!" "Nein, ich hasse das!" fauchte sie und drehte sich vorn ihm weg. Ritzuko schien ziemlich viel zu hassen, aber das half ihr diesmal auch nicht. Denn es war zu spät. Langsam wuchs er, wie ein Schatten, ein alles verschlingendes dunkles Licht, ein Schatten in schwarzem Samt. Rotes Feuer glühte in seinen Augen, ein Fenster zur Hölle, durch das man beinahe die gepeinigten Seelen sah, und eine goldene Aura um sein ganzes Selbst. Schwingen, Flügel, die das Licht zu verschlucken schienen. Wildes Haar, violett wie der Himmel der Nachtdämmerung, dass ihm lang über die Stirn fiel, sein Gesicht halb verdeckte. Haut wie Elfenbein. Ein arrogantes Lächeln, das spitze Zähne zeigte. Spitze Ohren, wie es bei Dämonen üblich war, und an einem hing das Zeichen des Satans: . Hände in roten Handschuhen mit Nägeln wie Krallen. Kleider, schwärzer noch als Pech, die seine Eitelkeit betonten. Die Arme frei, dass man seine Muskeln sehen konnte. und ein Zeichen auf der Stirn, das ihn als den auswies, der er war: "Lord Arael, Prinz der Hölle. Zukünftiger Satan." Auf einmal war da gar kein Akzent mehr und er grinste. "Nennt mich Angel." Sie drehte sich nicht um. "Ich weiß, wer du bist", fauchte sie, aber es klang ein wenig fassungslos. "und ich weiß, wie Dämonen aussehen." Offenbar spekulierte Israfel darauf, dass sie ihm jetzt folgen würde, und er wollte Angel noch einen letzten vernichtenden Schlag versetzten. "Sei nicht so kindisch, Kleine. Hast du etwa Angst vor ihm?" Er lachte. "Ich dachte, du wärst auf der richtigen Seite." Ritzuko schloss die Augen, biss sich auf die Lippe und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Hatte sie Angst? Hatte sie überhaupt schon einmal einen Dämonen gesehen? Außer Abbadon? "Na, was ist?" fragte Israfel eindringlicher. Sie schien wirklich Angst vor Angel zu haben. "Angst?", klang es gequält von ihr herüber. "Du weißt doch noch nicht mal, was Angst ist." Sie schien jedes einzelne Wort herauspressen zu müssen. "Hast du schon mal etwas gesehen, das so... gut aussah, dass dir die Luft wegblieb?" Irgendwie schien sie das sehr ernst zu meinen. "Ich werde mich hüten, ihn jetzt noch anzusehen!" Ihre Ruhe starb mehr und mehr. "Angel trägt nicht umsonst diesen Namen." und dann wirbelte sie herum, mit geröteten Wangen, verschwendete nicht einen Blick auf Angel, sondern schrie den Erzengel an: "Bist du zufrieden?! Vielleicht habe ich Angel schon mal getroffen?! Was würdest du dazu sagen? Vielleicht bin ich nur einer der vielen, von ihm verlassenen Engel?!" Stille war eingekehrt. Ritzuko starrte die Männer an, und die starrten zurück. Dann begann sie, sich weiter anzuziehen. "Also folgst du uns, Dabris?" fragte Ramiel sanft. Aber Israfel sprach vor ihr: "Auch wenn es bedeutet, dass ich mich geirrt habe - ich glaube nicht mehr, dass sie ein Engel ist." "und warum nicht?" fragte Angel. "Es ist doch offensichtlich, was sie ist." "Was weißt du schon?" fauchte Israfel. und wunderte sich dann, warum er einen Dämonen überhaupt duldete. Noch dazu einen, der sich normalerweise benahm, als wäre er Gott persönlich. "Hey, ich denke, ich beobachte sie schon ein bisschen länger als du." "Ach ja? Ich fühlte ihrer Mutter Tod." Angel grinste. "Ich war ihrer Mutter Tod. Ich holte ihre Seele in das Reich meines Vaters." "Meine Mutter war der beste Mensch der Welt!" fauchte Ritzuko ihn an, aber Angel war sich sicher, dass ihre geröteten Wangen nicht davon kamen, dass sie wütend war. Israfel schnaubte verächtlich. "Denkst du, jemand wie du wird von einem Menschen geboren? Einem guten Menschen?" Der Erzengel triumphierte. "Du bist ein Monster." Ritzuko zitterte vor Wut und wahrscheinlich hätte sie sich um nichts lieber in der Welt auf ihn gestürzt und ihn vernichtet. Aber etwas veränderte ihren Gesichtsausdruck, bis er nichts weiter war, als Gleichgültigkeit und Eis. "Fahr doch zur Hölle." Sie standen sich gegenüber. Israfel mit vor Wut verzerrtem Gesicht. Ritzuko ruhig, aber kampfbereit mit jeder Faser ihres Körpers. "Na komm doch", höhnte sie. "Du bist mir was schuldig", fauchte er. "Ich habe dich erweckt. Was glaubst du, warum du lebst? Ich kenne dich. Ich weiß, was du bist. und du wirst mir helfen." "Wobei?" Gelangweilt, dennoch voller Interesse. Der Erzengel spuckte verächtlich aus. "Ich sage dir, was los ist. Es steht sogar in deiner geliebten Bibel: und die Engel waren voller Zorn, denn Gott hatte sie den Menschen untergeordnet. Da folgten sie dem Beispiel Luzifers und rebellierten gegen die Heerscharen des Erzengels Michael. und im Himmel ertönte zum zweiten mal der Lärm einer gewaltigen Schlacht. Offenbarung des Johannes, Kapitel dreiundzwanzig." "Dieses Kapitel gibt es nicht", antwortete sie ruhig. "Nicht bei den Marionetten." Er wirkte ein bisschen traurig. "Er liebte uns am meisten." Ritzuko strich leicht über seine Wange. Sein Kopf schmiegte sich daran. "Oh Israfel, warum hast du seine Gnade nicht erkannt?" Er starrte sie an, unfähig, das zu begreifen. "Du bist dumm. Kein Engel sollte gegen Ihn rebellieren. Keiner sollte sich erheben über Gott." Er keuchte bei dem Ton, in dem sie dieses Wort sagte. "Noch ist es nicht zu spät! Hör auf die Marionetten. Sie wissen, was wahr ist. Er liebte uns am meisten und seine Gnade reicht weit." Dann war ihr Gesicht nicht mehr so verwirrt wie eben noch, sondern der perfekte Ausdruck des Spotts. "Doch du bist nicht der einzige, der sie verschmähte. Aus Hochmut." Sie trat zurück und wenn gleißendes Licht einen Engel kennzeichnete, so war sie einer. Wenn es den Tod gekennzeichnet hätte, wäre sie auch das gewesen. Ihr Körper wuchs, und die Frau, die sich ihnen zeigte, war mehr als nur schön zu nennen. Augen, ein glühend rotes Feuer, die denen von Angel in nichts nachstanden. Fein geschwungene rote Lippen, die eine Reihe beachtlicher Zähne zeigten. Ein Raubtiergebiss, das alles schon ein wenig fragwürdig machte. Lange Locken, wie Korkenzieher, silbern und hellblau und weiß, die ihr bis zur Taille fielen. Ein Kleid, das so blau war wie der Himmel, und manchmal beinahe durchsichtig, und bei dessen Dekolleté sie nicht gegeizt hatte. und natürlich Flügel. Sie flackerten einen Moment. und dann breitete sich Entsetzten auf den Gesichtern von Ramiel und Israfel aus, denn sie waren schwarz. Schwarz, wie auch der kleine Ohrring, der ihren Rang darstellte: . Der beide Engel schlucken ließ. "Es mag ja sein", sagte sie jetzt zu Israfel, während sie im Zimmer ein wenig auf und ab lief, "dass du dir große Weisheit zugestehst, wegen deines langen Lebens, aber nichts weißt du. Was ist schon ein Erzengel? Was bist du schon? Wärst du auch nur das kleinste bisschen wie ich", ihre Gestik ließ keinen Zweifel daran aufkommen, was sie meinte, "könntest du sogar bis zu Gott steigen. Wenn er dich nicht wieder runter stößt." "Bist du ein Dämon?" fragte er vorsichtig. "Hast du mir nicht zugehört?" flötete sie. "Wahrscheinlich nicht", antwortete sie dann selbst auf die Frage. "Vielleicht hätte ich Kind bleiben sollten. Männer sind eben alle gleich." Dann lächelte sie und begann sich aufzulösen. Fast wie Abbadon, nur... ganz anders. "Suche und du wirst finden. Ich hab eine Überraschung für dich." Vom Himmel stürzte ein Schatten. Wie der Habicht auf die Maus. Ein Schrei, Blut floss, dann ließ er von seiner Beute ab. "So sieht man sich wieder, Simon." Keuchen, dann gepresstes Lachen. "Freut mich, Gabriel." "Wo ist sie?" "Ich weiß es nich." Blitzschnell presste er seinem Opfer die Kehle zu. "Spiel keine Spielchen mit mir. Du weißt es und ich will sie." Simon blieb völlig ruhig. "Such sie doch", krächzte er, "such unter allen Marionetten dieser Welt. Du wirst sie nich finden." Gabriel ließ von ihm ab. "Du willst also nicht antworten. Ich finde sie auch allein. Egal, was du sagst..." Er hockte sich noch einmal hin. "Warum bist du gegangen? Wir hätten es geschafft!" "Ich hab genug von diesem Krieg." "Erkenne die Lüge! Du gehörst zu uns! Wir werden die Vergangenheit zurückholen! Ohne Marionetten. Denk daran: wir haben Luzifers Armee geschlagen! Du und ich. und vom Himmel stürzten wir seinen verfluchten Thron!" Simon richtete sich geschwächt auf. "Manchmal sollten wir tun, was ER uns sagt. Dieser Krieg is die Lüge!" Gabriel starrte ihn einen Moment lang verwirrt und mit dem Blick eines... Menschen an, der den Rand des Wahnsinns schon lange überquert hatte, aber die anderen für verrückt hielt. "Gut, gut. Ähm... Verabschiede dich von diesem Leben." Er lächelte fast freundlich und richtete sich dann auf, bis er, einem drohenden Felsen gleich, den anderen überragte. "Ich brauchte dich nicht, um zu siegen." In der Klasse war die Hölle los. Ritzuko und Angelo waren Thema Nummer eins, denn anscheinend hatte jeder das Gespräch zwischen ihnen und den beiden fremden Männern mitbekommen. und den Ausgang dessen. Doch als beide den Raum betraten, herrschte eisige Stille. Lance wagte es als einziger, mit ihnen zu sprechen: "Was ist hier los? Was habt ihr vor?" Er bekam keine Antwort. Sie sahen ihn nur stumm an, beide mit perfekt versteinerter Miene. "Wer oder was seid ihr?" Ritzuko bequemte sich, ihm zu antworten, aber irgendwie klang sie doch nicht so ruhig: "Was soll das heißen?" "Weder du noch er seid Menschen. Das könnt ihr uns nicht weismachen. Ich habe genug gesehen, um das zu wissen." "Ach ja? und was sollen wir sonst sein?" "Irgendwas Anderes. und wenn ihr es uns nicht sagt, müssen wir andere Seiten aufziehen." Lance hielt das offenbar für eine gute Drohung. Ritzuko nickte langsam und schien sogar antworten zu wollen, doch dann hätte sie Angelo beinahe an der Kehle gepackt, als sie zu ihm herum wirbelte, und das was sie sagte, schien mehr ein Fauchen zu sein, als alles andere: "Wenn du das tust, werde ich hier andere Seiten aufziehen." Einen Moment lang flackerte der Nagel ihres auf ihn zeigenden Fingers und für Sekunden erschien eine Kralle an seiner statt. Alle starrten sie an, denn das war jetzt wirklich etwas zu verrückt. Nur einer Person schien das alles sehr klar zu sein. Es war Alicia, und sie berührte jetzt vorsichtig Ritzukos Arm, bevor sie fragte: "Du bist ein Engel, nicht wahr? Ich habe dich erkannt." Ritzuko lachte auf. "Wie kommst du denn darauf? Das ist doch blödsinnig." Es klang nicht besonders überzeugend. Das Mädchen errötete, sagte aber heftig: "Das ist es nicht! Vielleicht habe ich mich ein bisschen geirrt, aber du kannst nicht mehr behaupten, dass du ein Mensch bist!" Ritzuko öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch zum ersten mal fiel ihr nichts ein. und sie bekam auch gar nicht die Gelegenheit, etwas zu sagen, denn die Stimmen, die auf einmal durcheinander zu rufen begannen, hätten sie nicht einmal ihr eigenes Wort verstehen lassen. Eigentlich wäre es jetzt an Angelo, halt zu sagen, doch er tat es nicht. Diesmal wollte er es wissen. Komme, was wolle. Als nach Sekunden das Licht wieder einigermaßen erträglich wurde, stand dort nicht mehr Ritzuko, sondern eine fremde Frau. Ihre Augen glühten wütend und sie bleckte die Zähne wie eine Raubkatze. Als wäre sie eine Raubkatze. und so hübsch sie auch war, in diesem Moment konnte sich keiner der Anwesenden etwas vorstellen, das noch schrecklicher war. "Ich, der Engel, töte vor den Augen der Mutter das erstgeborene Kind. Ich verwandle die Städte der Menschen ist Salz. und ich sage euch, dies Königreich ist mein!" Ihr Blick richtete sich auf Alicia und alle in dieser Richtung stolperten entsetzt zurück. "Du sagst, du hast mich erkannt? DU MAßT DIR AN, DEN HIMMEL ZU DURCHSCHAUEN?" Ihre Stimme war der reine Hohn. "Die einzige Konstante in euer verschwendeten Existenz ist eure lächerliche Unwissenheit. Ihr seid Marionetten! und Gottes Ruf hört ihr nicht. Sein Wort erreicht nicht euer Ohr." Die letzten Worte besaßen nur noch Verachtung. "Doch was brächte es? Ihr seid nichts und werdet nie mehr sein." "Ritzuko?" Lance' Stimme war nicht mal mehr ein Flüstern, aber sie hatte es trotzdem verstanden. "Was nutzt euch mein Name? Ich will ja nicht Satan auf meine Fährte locken. Dennoch glaube ich, dass er an einigen Marionetten sicherlich Geschmack finden könnte." Sie fixierte das Mädchen. "Alicia Malloy. Du bist ein hübsches Kind. Pass nur gut auf, geh nicht allein nach Haus. Es könnte Tod bringen." "Du bist ja verrückt", murmelte Lance und wandte sich ab. "Spinnerin." Dann hörte er ihr Lachen. "Du bist dir der Gefahr gar nicht bewusst, oder? Mach nur so weiter, und er hat auch was für seine Speisekarte. Er kann es nicht leiden, als verrückt bezeichnet zu werden." "Du bist nicht der Teufel." "Hab ich das behauptet? Glaub mir ruhig. Er ist hier und er hat überhaupt keinen Bock darauf, beleidigt zu werden, nur weil er euch mag. Nur weil er auf Marionetten steht. Besonders wenn sie so hübsch sind. Besonders wenn sie gottesfürchtig sind. Ich war das nie." "und das heißt?" "Bild dir doch dein eigenes Urteil. Ich habe Besseres zu tun, als mit euch über so nutzlose und langweilige Themen zu reden." Mehr schien sie nicht sagen zu wollen, denn sie verschwand. Kapitel 1.3 - Die Engel der Ewigkeit Es könnte Tod bringen... Alicia lächelte, während sie nach Hause ging. Dass er an einigen Marionetten sicherlich Geschmack finden könnte... Das fand sie lächerlich. Es war zwar unbegreiflich, wie Ritzuko sich in dieses... in diese Frau verwandeln konnte, aber dieses Gerede vom Teufel war doch schon etwas paranoid. Alicia sah zum Himmel. Es war schon fast dunkel. Sie fing an zu rennen, denn jetzt machte ihr das Ganze schon ein bisschen Angst. Doch sie stolperte und fiel. Alicia unterdrückte einen Fluch. Gott würde es missfallen. Sie stand auf, klopfte sich den Staub von den Sachen und wollte nach ihrer Tasche greifen, hielt aber inne. Sie richtete sich auf und drehte sich um. und da war er. Auf der Lehne einer Bank hockte ein Mann. Hockte einfach so da, mit den Füßen auf der Lehne. Er war blond und gut frisiert. Er trug schwarz, ein Schwarz, das selbst die finstersten Schatten noch zu verhöhnen schien. Hose, Jacke, Schuhe und Mantel besaßen diese Farbe. Nur sein Hemd war weiß. Es schien etwas merkwürdig. Genau wie die Sonnenbrille, die er hoch geschoben hatte, und die mindestens so dunkel war wie alles andere. Der silbern glitzernde Ohrring, den er trug, erinnerte sie irgendwie an Ritzuko: . "Was willst du?" Ihre Stimme klang heiser. "Ich befreie dich von deinen Kummer und von deiner Angst", antwortete er schmeichelnd. "Wie rührend." Zum ersten mal klang Ironie aus ihrer Stimme. Er lachte rauh. Sie zuckte plötzlich, als sie es erkannte: "Du bist einer von ihnen." "Was?" "Ich sehe einen Engel." "Den allerersten Engel. Ich wurde mehr geliebt, als jeder andere. In einer Zeit voller Glück." Er begann zu singen: "Das Glück ist nicht von Dauer und auch die Liebe ist dir niemals treu." Dann lachte er wieder. "Warum hast du sie hergebracht?" "Oh Alicia, ich dachte, du wärst ein Anhänger Seiner Majestät, dem Allmächtigen Gott." Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. "Du müsstest wissen, dass ich sie nicht brachte. Sie kamen von allein. und meinen Ruf würden sie weder hören, noch ihm folgen." "Wer ist hier?" "Das weißt du nicht? Die Erzengel hüpfen hier herum in Scharen und du weißt es nicht. Kann ich dir glauben?" "Kann ich dir denn glauben?" fragte sie zurück. Er zog die Luft ein, als hätte er etwas gerochen. "Der geflügelte Partylöwe sucht sein Opfer. Er begehrt unsere liebliche Ritzuko." "und du begehrst sie auch!" "Nein. Andere Engel haben einen Krieg begonnen, weil sie euch hassen. Dich und alle anderen Menschen. Gott gab euch seine Gnade. und die Demütigung ließ er den Engeln. Sie rebellierten. Aber Gottes Anhänger sind unbezwingbar. So tobt dieser Krieg seit Jahrtausenden ohne Sieger. Ohne Besiegte. und während dieser ach so dunklen Zeit steigt keine Seele zu Gott. Das bedeutet, dass von deinen Eltern bis zu den Ahnen deiner Ahnen nur die Würmer absahnen. Zweifellos hab ich am wenigsten zu klagen. Soll der Himmel doch geschlossen sein, ich hab das ganze Jahr über offen. Sogar an Weihnachten." Ihre Stimme war tonlos: "Das ist nicht wahr." Dann schrie sie: "Teufel, du lügst!" "Warum sollte ich? Du weißt genau, dass es die Wahrheit ist. Schau tief in dein Herz..." Er lachte. "Aber Gabriel kann nicht gewinnen!" "Oh!" Luzifer hob den Kopf. "Ich sagte nichts von Gabriel." "Du sagtest Erzengel. Das genügt doch." "Derer sind sieben im Himmel. Du hast gut geraten." "Er kann nicht gewinnen." "Ihr Menschen, ich leugne nicht mein Faible für sprechende Marionetten, beherrscht die Kunst der Bosheit und des Krieges geschickter als jeder Engel. Er wird sich die verruchteste Seele suchen, die von allen am meisten gehasste, und mit ihr in dem Himmel zurückkehren. Das wird sein Trumpf im Zug gegen Gott." "Das kann dich ja nicht stören." "Wenn er gewinnt, gehört ihm der Himmel. und der wäre dann nur noch eine Hölle. Hör zu, ich bin nicht hier um dir und dieser Schlampe zu helfen, oder weil ich was an dir finde, sondern weil zwei Höllen eine zuviel wären. Das kann ich doch nicht zulassen." "Das ist ja alles schön und gut, aber was bringt es?" Die Silhouette eines geflügelten Wesens tauchte aus dem Schatten und bewegte sich geschmeidig auf sie zu, ohne dass man erkennen konnte, wer oder was es war. "Dieser Krieg ist eine Lüge und er wird ewig dauern. Da kannst selbst du nichts dran ändern, Luzi." "Wieder zu Scherzen aufgelegt, nicht wahr?" Die Stimme Satans hatte einen beinahe zärtlichen Klang angenommen. "Lass sie gehen." "Für dich tue ich alles." Das Flügelwesen sah zu Alicia. "Husch, husch, ab ins Bettchen. Der Herr beschützt dich schon. Marionette." Das Mädchen verschwand wortlos. Luzifer sah das Wesen an. "Hallo Aleksiel. Lange nicht gesehen." "Gut so, ich bin nicht süchtig nach deinem Anblick." "Würde mich auch wundern." "Findest du dich so hässlich?" "Findest du mich so gutaussehend?" "Kommt noch immer darauf an, wie man dich betrachtet. Hast du es dir inzwischen gutgehen lassen?" "Es war langweilig ohne dich." "Es war die halbe Ewigkeit, die uns trennte. Die Zeit, die ich dir voraus habe." Lachen verhallte in der Finsternis. "Wie lang ist die Ewigkeit, wenn du unsterblich bist? Ich will mein Leben mit dir verbringen, Aleksiel." "Ich bin nur ein Engel." "Das bist du schon lange nicht mehr." "Seit ich dir die Bosheit zeigte, ist viel vergangen. Dankst du es mir?" "Sollte ich?" "Dann nicht. Aber vergiss nicht - der Gedanke an mich ist das einzige, was du noch von mir hast." "Ich werde dich noch ganz besitzen." "Ich könnte deine Mutter sein." "Bist du aber nicht." "Sicher?" "Es wäre übertrieben, dir das zu glauben. Dann müsste ich mich vor Scham ins Höllenfeuer stürzen." "Habt ihr nicht Siggi Freud da unten? Der würde dich bestimmt von deinem Ödipus-Komlpex heilen." "Was anderes fällt dir wohl nicht ein?" "Dann eben netter: Einer weniger auf der Welt, der mir einflüstern will, er würde mich lieben." "Bist du geheilt von Rociel?" "Wenn du es so nennen willst. Ich erinnere mich nicht mal mehr an ihn. Oder war es eine Sie? Egal. Ich weiß auch nicht mehr, ob... er - bleiben dabei - überhaupt einen Plan hatte und immer noch die Menschheit vernichten will." "Das wollte Rociel?" "Da ist er noch nicht mal der einzige. Ein paar Jahrtausende lang regte er sich über Gottes Schöpfung auf. Bis der Alte eine Sintflut versprach. Doch ohne Ross' Wissen rettete er Noah und versprach ihm diesen ganzen Mist." "Er ist wie immer ein Idiot", lächelte Luzifer. "Er wusste nicht, was er damit anrichten würde und jetzt ist Ross echt scharf darauf, alles zu vernichten. Alles, verstehst du? und du weißt auch, was das bedeutet?" Luzifer nickte. "Ich sollte meinen Leuten ganz schnell eine neue Heimat suchen." "Super." Die Stimme des Engels war wunderbar ironisch. "Darf ich mit?" "Tja." Luzifer sprang von der Bank. "Jetzt müssen wir Ross finden..." "Was heißt hier finden und wieso wir? Es ist doch wohl eher so, dass er uns findet." Luzifer sah Aleksiel betroffen an. "Heißt das, wir haben... keine Chance?" "Nur die, dass er sich leicht töten lässt." "Mehr nicht?" "Wir könnten ihm auch eine Einladung schicken, aber das wäre weniger gut." "und wie willst du ihn vernichten?" "Ich reiße ihm das Herz heraus." Aleksiel sagte das, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. "Aber das solltest du eigentlich wissen." "und das funktioniert?" "Was glaubst du, wie viele Engel unter meiner Hand starben? Ich kämpfte gegen Gottes Heer. Hier auf der Erde. Es war so einfach. Ich würde es wieder tun." Einige Zeit später... Die Winterferien hatten begonnen. Das Schulgelände glich einer Eiswüste. Trostlos und leer. Nur ein einsamer Schatten schlich über den Hof. Alicia. Sie zuckte zusammen, als etwas an ihr vorbei huschte und blieb stehen. "Wer ist da?" "Was suchst du hier?" fragte eine tiefe Stimme. Sie atmete auf. "Angelo." Sie hatte ihn gleich erkannt. "Glaubst du das wirklich?" "Nicht mehr", gab sie nach kurzem Zögern zu. "Aber was bist du?" Er war verwirrt. "Das sagst du so einfach?" Sie drehte sich zu ihm um und war nicht überrascht, einen Mann, einen Dämonen, vor sich zu sehen, der selbst in dieser Kälte nur ein ärmelloses Shirt trug, so eng, dass er auch hätte nackt sein können. "Ich habe den Teufel gesehen. Was gibt es noch für Überraschungen auf dieser Welt?" "Komm mit mir", forderte er sie auf. "Warum?" "Ich brauche dich." "Wozu?" "Die Schöpfung braucht alles, sogar ein sprechende Marionette." Er lachte. "Marionetten, kapiert?" Sie lachte nicht, sondern senkte den Kopf. "Das hat sie auch gesagt. Marionetten..." "Oh traute Zweisamkeit", flötete ihnen jemand Bekanntes entgegen. Sie blieben stehen. "Mich wundert immer wieder, dass du nicht erfrierst in diesen Klamotten." Angels Blick strich begehrlich über die Frau vor ihm. Sie schüttelte den Kopf. "Mich wundert immer wieder, wie leicht du die Marionetten von deinem Vorhaben überzeugen kannst. Auch, wenn du ihnen gar nichts erzählst." "Willst du dich jetzt als Moralapostel einsetzten? Das würde mich sehr wundern. Meist verrät der Engel schon..." "Nenn mich nicht Engel!" fauchte sie wütend und hätte sich beinahe auf ihn gestürzt. "Aber das bist du doch!" warf Alicia ein. "Bin ich nicht! Oder findest du es schön, in diesen Zeiten ein Engel zu sein?" Sie lächelte. "Ich weiß, dass du ihn gesprochen hast. Er hat dir alles erzählt, oder?" "Ich bin kein Engel", gab Alicia verbissen zurück. "und ich schätze, dass ich dich dafür auslachen kann." Die Frau, die sie als Dabris kannten, überging ihren letzten Satz. "Dann sei froh, denn das ist nicht angenehm." Ihre Augenfarbe wechselte für einen Moment zu eisigem Blau, dann schüttelte sie den Kopf, wohl um wieder klar zu werden, und die beiden anderen sahen ihre Augen wie Sterne strahlen. "Ich glaube, ich drehe noch durch. Ich spürte doch gerade den leibhaftigen Satan." "Ich bin auch noch hier", schlug Angel vor. "Schmücke dich nicht mit fremden Federn. Ich meine den Leibhaftigen, Luzi persönlich." "Luzi? Du nennst meinen Vater Luzi?" fragte Angel überrascht. Weder er noch Dabris bemerkten, dass Alicia bei diesem Namen zusammen zuckte. Sie versuchte sich zu erinnern, aber ihr fiel nicht mehr ein, woher sie diesen Namen kannte. Aber das war gar nicht mehr nötig. "Dein Daddy heißt auch Luzi? Wie interessant." Dabris lachte kurz, aber dann brach es urplötzlich ab. "Um genau zu sein Luzifer. Aber Luzi geht auch. Jedenfalls wenn du das sagst..." Zwei Hände legten sich auf Dabris' Schultern und sie erschauerte wohlig. "Ich brauche bestimmt nicht zu raten." "Hast du dich entschieden?" "Hatte ich das nicht schon?" "Deine Antwort..." "Du kennst sie bereits." Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn ruhig an. "Was willst du noch hören?" "Du hast es mir versprochen! Vor langer Zeit schon. Ich bin sicher..." "Nein. Meinst du: Sicher, dass ich dich meinte? Nichts ist sicher." Sie ging langsam zurück. Der Schnee blieb unberührt. Für einen Moment schien sie nicht zu existieren. "Die wahre Welt wird nie sichtbar. Wir existieren nicht. Niemand tut es. Man kann nie sicher sein. Man kann nie wissen." Luzifer starrte sie verwirrt an. "Wer oder was bist du?" "Das weißt du doch. Ich bin die Ewigkeit und der Moment. Das Nichts und alles. Du müsstest es eigentlich am besten wissen." "Ich dachte..." "Was hast du erwartet? Dass ich dir zu Begrüßung um den Hals falle? Die Zeiten sind lange vorbei. Du weißt doch, wie wir uns trennten. Es kann nie mehr wie früher werden." "Aber... ich dachte..." "Das hier ist alles ein Traum. Legenden werden wahr, ob du es willst oder nicht. Aber ich lebe schon so lange, dass dieses Märchen unweigerlich Wirklichkeit werden musste. Es geht nicht mehr anders." Luzifer zitterte, dann kniete er fast unterwürfig vor ihr nieder und küsste ihr die Hand. "Dann begrüße ich Euch hier in der Welt der Marionetten, Aleksiel, Fürstin der dämonischen Heerscharen. Herrscherin des Universums. Mutter Gottes." "Aleksiel?" Die hässliche Fratze eines Dämonen überdeckte Angels schöne Züge. "Du bist Dabris, ein Erzengel, und du wirst es immer sein. Du kannst nicht einfach..." Wenn man sagen sollte, wer einem mehr Angst machte, so wäre das Dabris. Sie wirkte sogar furchteinflößender als Angel. "Ich war nie ein Erzengel. und ich will es nie sein. Ihr habt mich so betitelt, ihr habt gesagt, ich wäre sie. Ich habe es nicht bejaht, auch wenn ich es nie bestritten habe. Ich bin Aleksiel, der Engel der Ewigkeit und ich bin der Herr und Meister aller Engel und Dämonen." Angel starrte sie schweigend an, dann fragte er: "Ein Cherub. Auf der Erde. Was ist passiert? Brennt der Himmel?" Aleksiel grinste leicht. "Du hast es erfasst. Gabriel hat ihn angezündet. Sonst wäre ich nicht hier." "Was willst du?" "Ich brauche eure Hilfe." "Unsere Hilfe? Die Großmeisterin braucht uns?" "Das Weltall braucht alles", zitierte sie ihn. "Sogar einen dummen kleinen Dämonen. Ihr müsst mir seinen Kopf bringen." "Wessen?" "Gabriels." "Du willst ihn töten?!" schrie Alicia. "Er ist ein Verräter. Er verdient meine Gnade nicht." "Nur weil du Jesus' Mutter warst? Das ist doch nicht viel!" "Offenbar verstehst du da etwas völlig falsch, kleines Mädchen. Ich bin Gottes Mutter, nicht Maria. Ich lebe seit Anbeginn der Zeit. Ich bin die Ewigkeit." "Das ist unmöglich." "und woher kommt dann Gott?" "Woher kommst du? und allein kannst du nicht seine Mutter sein." "Da war noch ein anderer Ewigkeitsengel. Rociel. Er ist lange tot." "Aber..." Aleksiel brachte Satan mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Gemeinsam könnten wir das Universum in Schutt und Asche legen." Dann grinste sie. "Allein schaffe ich das nicht, aber ich würde schon gern mal die Erde zerstören." Mit einem Schrei wachte Alicia auf und sah sich ängstlich um. So ein merkwürdiger Traum. Die Erde zerstören... Dummer Gedanke. "Finde ich nicht." Alicia zuckte zusammen. Für einen Moment fühlte sie sich, als hätte man ihr die Luft abgedrückt. Doch es war nur ihr Vater. Er stand im Zimmer. Moment mal, war das überhaupt... Etwas klickte und sie sah einen metallisch glänzenden Gegenstand in seiner Hand. "Ich gebe dir ein Rätsel auf..." Die Tür wurde geöffnet und Licht flammte auf. Der Mann ihr gegenüber war nicht ihr Vater. Aleksiel?... und zwei andere Männer standen im Zimmer. Einer sah aus wie Angel. "Es war kein Traum?" fragte sie leise. "Es ist wahr." Aleksiel wandte sich an den Mann und... erstarrte. "Du?!" Der Fremde blinzelte überrascht. "Was machst du hier?" Sie verzog das Gesicht. "Das selbe könnte ich dich auch fragen." "Ich..." Sie unterbrach ihn bestimmt. "Komm mit, das besprechen wir draußen." Der Mann saß auf dem Boden, unbeweglich, denn ein tödlich scharfes Messer lag an seiner Kehle, auf dem sich das helle Mondlicht spiegelte, wie auch auf dem kleinen Zeichen: . "Glaub nicht, ich habe jetzt so lange gelebt, um die Erde von dir zerstört zu wissen, Rociel", zischte Aleksiel. "Du bist dir deiner Sache ja sehr sicher, A..." "Halt den Mund!" Er grinste. "Du hast es nicht vergessen." "Ich werde dir nicht folgen." "Das verlange ich auch nicht. Ich will nur in Frieden..." "Frieden?! Du und Frieden, das passt wirklich gut zusammen." "...weiterleben", beendete er seinen Satz. "Den Gefallen tu ich dir nicht. Du hast..." Zwei Panther sprangen sie an. Aleksiel verlor den Dolch und versuchte die Tiere abzuwehren. "????." Die Raubkatzen zogen sich zurück. Aleksiel starrte Rociel hasserfüllt an. "Monster." "Das war ich schon immer." "Ich kriege dich trotzdem." "Sicher?" Sie lächelte als Antwort und etwas Scharfes strich seine Kehle entlang. Krallen, schwarz und scharf wie Dolche. Er lächelte nur, genauso ruhig und kalt wie sie: "Ist das alles? ??." Doch seine Panther zogen sich ängstlich vor dem Wesen hinter ihm zurück. Sie wurden zu zwei jungen Dämoninnen. "Verzeiht uns, Lord Arael", bettelten sie "dass wir sie angegriffen haben!" Dann flohen sie in die Dunkelheit. "Arael?!" fauchte Rociel sauer. "Wie hast du Satans Sohn bekommen?" "Tja." Aleksiel lächelte. "Ich habe meine Methoden." Rociel saß gefesselt in einer Ecke, gut sichtbar für die anderen, die im Wohnzimmer von Ritzukos - Aleksiels! - Wohnung ihr Lager aufgeschlagen hatten. Hier hatte Alicia geschlafen, bevor Ross - also Rociel - versucht hatte, sie zu töten. Aleksiel selbst saß auf einem Sessel und blickte in die Runde, nicht stolz darauf, so viele aufgetrieben zu haben, die ihr helfen konnten. Dazu hatte sie gar keine Zeit. Links von ihr stritten sich Ramiel und Israfel mit dem Mann ihnen gegenüber, der auf einem zweiten Sofa lag. Mit Satan. Auf der anderen Seite des Zimmers, lässig an der Wand, stand Angel, Luzifers Sohn. Seine Augen erforschten Aleksiels und es gefiel ihm gar nicht, was er darin sah. Es klingelte schließlich und sie war froh, wenigstens einen kurzen Moment den anderen zu entkommen. Sie erwartete eigentlich keinen Besucht, höchstens... Aleksiel duckte sich unter einem Schlag weg und machte sich kampfbereit, doch ihr Gegner lachte. "Hey, mein Schatz." "Simon?" Aleksiel starrte ihn überrascht an, bevor sie sich daran erinnerte, ihn herein zu lassen. "Was sollte das gerade?" "Ich wollte nur..." Simon, fünfter Erzengel, blieb überrascht stehen und sah in die Runde. "Was'n hier los? Gibt's Friedensverhandlungen?" Dann sah er Rociel. "Wohl nich", und lächelte etwas gequält. "Ally, würd's dir was ausmachen, mir 'n Arzt zu holen?" Sofort musterte sie ihn besorgt von Kopf bis Fuß, aber er schlug nur den Mantel zurück und schon keuchte sie, als wäre es ihre Wunde. "Hab Gabriel getroffen." Vorsichtig inspizierte sie die Wunde. "Was wollte er denn?" "Mich töten?" fragte er leicht ironisch. "Warum?" Sie verschwand in der Küche, um Verbandszeug zu holen. "Weiß ich doch nich. Ich glaub, er hat 'n bisschen die Nerven verloren." Aleksiel grinste schwach, während sie ihm half, Mantel, Jacke und Hemd auszuziehen - die typische Engelskleidung, bis auf den Ohrring in der Form ? und dazu rotes Haar und grüne Augen - und dann die Wunde verband. Schließlich packte sie alles wieder zusammen, wies auf das Sofa und meinte: "Setzt dich doch", bevor sie wieder kurz verschwand. Als sie zurück kam, saß Simon neben Luzifer und unterhielt sich angeregt mit ihm, während Ramiel und Israfel die beiden musterten, als würden sie sie am liebsten gleich töten wollen. "Ist ganz schön merkwürdig, findest du nicht?" Beunruhigt registrierte Angel, dass Aleksiel zusammenzuckte. "Ein bisschen", antwortete sie jetzt. "Mehr nicht?" "Ich... kenne sie schon ewig. Sie haben sich immer gut verstanden und dieser Ausnahmezustand ist sicher eine gute Gelegenheit für sie." "Hey Schätzchen!" tönte eine großspurige Stimme aus der Ecke und Aleksiel drehte sich zu Ross um. "Auch wenn du mich dafür knebelst", begann er siegessicher, "könntest du die Fesseln losmachen? Ich fühlte mich nicht besonders wohl mit den Dingern." "Ach ehrlich?" fragte sie scheinbar besorgt. "Sonst stehst du doch auf Fesselspiele." "Lass die blöden Scherze! Ich habe keinen Bock darauf, verschnürt wie ein Paket und ausgelacht von meinen früheren Untertanten, hier herumzusitzen. Würde dir auch nicht gefallen." "Mit dem Unterschied, dass man mich sofort losbinden würde. Ohne, dass ich darum bitte. Ich bin nämlich nicht durchgedreht und will die Welt vernichten." "Hey, wer hat was von Welt vernichten gesagt?" "Ich kenne dich." "A..." "Versuch es gar nicht erst!" fauchte sie plötzlich und ihr Augen wurden zu schmalen Schlitzen. "Solange du gefesselt bist", sie kam langsam auf ihn zu, "hast du keine Chance. Die anderen wissen genau, dass es ihnen nicht bekommen würde, wenn du frei bist. und dir würde es auch nichts nützen, weil du eh gleich wieder gefesselt wirst." Rociel schnaubte verächtlich mit einem Blick auf die anderen. "Was wissen die schon?" "Mehr als du ahnst." Kapitel 1.4 - Süße Sünde Leise ging die Tür auf. Alicia schreckte hoch, doch sie beruhigte sich wieder. "Hallo Aleksiel." Der Engel setzte sich zu dem Mädchen aufs Bett. "Wie geht's?" "Mir ist ein bisschen schwindelig, sonst ist alles okay." Der Engel nickte mechanisch und war mit den Gedanken ganz wo anders. Einen Moment lang schien sie etwas sagen zu wollen, dann kam es Alicia plötzlich so vor, als wäre Aleksiel in Gedanken schon gar nicht mehr im Raum und als sich die Ältere erhob, ließen Alicias Worte sie erstarren: "Wie viele waren es?" Dieser verdammte Engel sah sie nur fragend an und schien nicht einmal zu wissen, was sie meinte! "Wie viele von ihnen hattest du schon? und wie viele mehr?" Aleksiels Augen loderten auf, als sie verstand: "Was geht dich das an?" "Wenn ich bleiben soll, will ich auch wissen, ob ich dich als Flittchen betrachten kann, oder nicht." "Flittchen?" "Was anderes bist du ja wohl nicht", gab Alicia zurück und fragte sich selbst, warum sie auf einmal so gehässig wurde. "Ich..." "Hör mal, Kleines", knurrte Aleksiel in so furchterregendem Ton, dass das Mädchen augenblicklich verstummte. "So was wie dich verspeise ich zum Frühstück. Es heißt nicht, ob du hierbleibst, sondern dass du keine andere Wahl hast. Hier bestimme ich. Ich bin der Chef hier. und wenn du nicht spurst, hast du Pech." Sie holte nicht einmal Luft, bevor sie zischte: "Kaum bin ich 'ne Weile weg, werden plötzlich alle größenwahnsinnig. und vergessen, das ich es war, die ein paar tausend Jahre lang über sie geherrscht hat. Es noch immer tut! Also versucht nicht, mich zu beeinflussen. Das schaffst du nicht. Eher töte ich dich." Licht fiel ins dunkle Zimmer, als jemand herein kam, dann wurde die Tür wieder verschlossen. "Schläft sie?" Aleksiel regte sich nicht. "Was willst du?" "Ich wollte sehen, wie es ihr geht?" "Warum?" "Wundert dich das so?" "Du bist ein Dämon." Es klang, als würde das alles erklären. Das sollte es eigentlich auch. "Na und? Man kann sich doch Sorgen machen." "Nicht, wenn man über eins neunzig groß ist und spitze Ohren hat." "Zwei Meter bitte schön und du hast vergessen zu erwähnen, dass ich dazu noch ziemlich gut aussehe." "Auch das, wenn du willst. Wie geht's Ross?" "Er erfreut die anderen gerade mit einem echt beeindruckenden Wutausbruch." "Wie sind seine Fesseln?" "Er denkt, wir würden es nicht merken, wenn er sie nach und nach löst. Ich gehe alle zehn Minuten, um nachzusehen." "So schnell?" "Du kennst ihn besser als ich. Warum fragst du?" "Rein rhetorisch..." Angel nickte langsam. Eine peinliche Stille trat ein, doch dann fragte er: "Kommst du mit, meine Süße?" Er wusste nicht genau, was sie noch hatte sagen wollen, doch nach einigen kläglich gescheiterten Versuchen des Einspruchs, bei denen sie sicher fragen wollte, was er mit diesem Wort bezwecken wollte, fragte sie schließlich nur: "Wohin?" "In die Küche. Da war noch 'ne Flasche Whisky." "Whisky? Spinnst du?! Gott..." "...hat dir ja wohl noch weniger zu sagen als mir", beendete er ihren Satz grinsend. "Oder willst du das bestreiten?" Eine halbe Stunde später saß Aleksiel ziemlich betrunken auf dem Fußboden und versuchte verzweifelt aufzustehen. Angel hatte es sich auf dem Küchenschrank bequem gemacht und grinste in sich hinein. Die anderen waren von diesem Bild natürlich wenig begeistert. Schließlich gab Aleksiel es auf und sah in die Gesichter an. "Was macht ihr denn hier?" Sie lallte nur ein ganz kleines bisschen. "Was machst du hier?" "Ich spiele Schach", antwortete sie mit ironischem Unterton. "Wonach sieht's 'n aus?" "Du bist ja total zu?!", fauchte Simon. "Ach ehrlich?! Wow! Sag mir was, was ich noch nich weiß." "und was willst du jetz machen?" "Ich werde... Weiß nich." Jetzt wirkte sie ein bisschen wie ein kleines Kind. "Vielleicht... ins Bett gehen?" Sie sah zu ihm auf, als wollte sie eine Belohnung für die richtige Antwort. "Wäre wohl die beste Idee." Ramiel atmete auf und reichte ihr die Hand. "Ich helfe dir." "Aber vorher müssen wir noch was klären." "und das wäre?" "Wofür leben wir?" Sie hatte leichte Probleme damit, diesen Satz auszusprechen. Schweigen. Dann: "Was?" "Wofür leben wir?" wiederholte sie mit Nachdruck, was sich bei ihrem Zustand reichlich komisch anhörte. Aber keiner lachte. "Das meist du noch nich ernst?!" Simon grinste schwach. "Oder doch?" Strahlend nickte sie. "und wie kommst du darauf?" "Hat mir ein Vögelchen gezwitschert." Seine Miene wurde düster und sein Blick richtete sich ahnungsvoll auf Angel. "Welches?" Aleksiel grinste wie ein Dämon vor seinem Lieblingsmord. "Na welches wohl?" Simon schnappte sich den Dämonen am Kragen und zog ihn vom Schrank. "Sag mal, du Blödmann, was Besseres is dir wohl nich eingefallen, als sie betrunken zu machen?" "Nimm deine Finger weg." Angels Blick war so finster, dass Simon lieber tat, was er verlangte. "Trotzdem. Das hätte nich sein müssen." "Halt's Maul", sagte der Dämon einfach nur und hockte sich neben die am Boden sitzende Aleksiel. "Hey, meine Süße, komm ich bring dich ins Bett." Simon war nicht der einzige, der Angel bei der Betonung des Wortes meine komisch ansah. "Ich will nich!" protestierte sie. "Mir geht's gut." "Deswegen." Der junge Dämon grinste ziemlich zweideutig, dann flüsterte er ihr etwas zu. "Okay." Ganz plötzlich erhob sie sich. Schwankend. "Überredet. Aber nur, wenn ich ein Geschenk bekomme." "Ich leg dir seinen Kopf zu Füßen", antwortete Angel mit einem Seitenblick auf Simon. Die anderen sahen ihnen nach, dann torkelte Alicia müde aus dem Schlafzimmer, blieb aber vor der Tür stehen. Ängstlich sah sie in die fremden und bekannten Gesichter und wollte dann umkehren, doch die Tür wurde ihr vor der Nase zugeschlagen. "Die tun dir nichts", klang Angels Stimme gedämpft nach draußen. "Halt dich an meinen Vater." "Spinnst du?!" kreischte sie hysterisch, oder zumindest in der Vorstufe davon. "Hey! Er ist nett. Wenn er nicht gerade Seelen frisst. und außerdem ist Simon ja auch noch da." "Simon?!" "Erzengel. Total nett. Tschau." Dann hörte man einen Schlüssel im Schloss und als Alicia ein letztes mal verzweifelt klinkte, kam von drinnen nur noch Gelächter. Satan lächelte. Kommt ganz nach dem Vater. Er sah zu Rociel. "Deiner kleinen... Freundin wird nichts passieren. Nur, dass sie sich morgen nicht mehr an alles erinnert." Rociel starrte ihn wütend an. "Wenn ich deinen Sohn erwische, verarbeite ich ihn zu Hackfleisch." "Glaub ich weniger. Ist aber nett gemeint." Alicia musterte Luzifer mit gemischten Gefühlen. "Don't Panic", meinte jemand hinter ihr und sie drehte sich überrascht um. Da stand ein junger Mann mit roten Haaren - der wahrscheinlich alles andere als jung war - und lächelte sie mit funkelnden grünen Augen an. "Simon", sagte er freundlich. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er sich damit vorgestellt hatte und sagte ihrerseits: "Alicia." Ihm schien das zu reichen und er sah sich sogar nach einer Sitzgelegenheit für sie um, da er merkte, dass sie nicht ganz wach war. "Entschuldige, dass ich noch so verschlafen bin", begann sie. "Kein Problem", winkte er ab und setzte sich neben sie. "Sei Angel nich böse. Das is seine Art." Das hörte sich nicht so an, als würde der Erzengel den Dämonen nicht leiden können und wahrscheinlich waren sie befreundet. "Er hat Ally betrunken gemacht..." "Ally?" "Yeah. Sie is zu und jetzt muss sie ihren Rausch ausschlafen." "Engel betrunken machen - geht das überhaupt?" "Ich hab zwar noch nie was davon gehört, aber..." Simon hielt inne. Dann lachte er. "Die haben sich ja was Schönes ausgedacht." Er klang belustigt, aber eine leise Andeutung von Eifersucht mischte in seiner Stimme mit. "Was denn?" fragte Alicia neugierig. Sie wusste nicht, was er meinte. "Du kannst kein Engel betrunken machen. Is nich. Wahrscheinlich haben die sich das ausgedacht, um mal für 'ne Weile ungestört zu sein." "Aber sie ist erst vierzehn!" Simon verdrehte die Augen. "Sie is zweihundert Milliarden Jahre alt! und Angel is auch immerhin schon zwanzig." "Milliarden?" "Du hast es erfasst." Luzifer ließ sich neben Alicia nieder. "und kommt ganz nach Papa." "Hat er sie überredet?" "Glaub ich kaum. So wie ich die beiden kenne, hat da niemand jemanden überredet. und wenn, ist das wohl eher sie gewesen." Alicia wurde rot und stand auf. "Das ist ja widerlich." "Was hast du? So ist nun mal der Lauf der Welt. Was glaubst du, wie du entstanden bist?" "Ich will es nicht wissen!" fauchte sie, aber Luzifer hatte seinen Spaß daran und Simon hinderte ihn nicht. "Dann haben sie eben Sex! Lass ihnen doch den Spaß. Die kommen ja sonst zu nichts. und schließlich ist Arael wohl der einzige hier, der noch nichts mit ihr hatte." Luzifer runzelte die Stirn. "Zumindest soweit ich weiß." Er und Simon sahen Alicia an, bis sie ergeben seufzte und sagte: "Okay, erklär's mir." "Was, glaubst du, haben Gabriel, Michael, Raphael, Uriel, Simon, Dabris, Rociel und ich gemeinsam?" fragte Satan mit einem mit einem wirklich satanischen Grinsen. "Lass mich raten", stöhnte sie. "Wir hatten alle das Vergnügen, ein paar Jahre mit unserer süßen Ally zu verbringen. und jetzt hat sie wieder jemanden für ihre Trophäensammlung. Ich frage mich, wer ihr Liebling ist..." Rociel knurrte wütend, was Luzifer zu einem spontanen Lachen veranlasste. "Wusstest du das etwa nicht?" Alicia räusperte sich. Dann räusperte sie sich gleich noch mal und fragte dann: "Alle?" "Alle." Simon grinste beinahe unverschämt. "Aber Dabris ist doch..." "'Ne Frau? Ich glaube, das hat Ally zu der Zeit ziemlich wenig gestört." "Ist Ross... Rociel... ihr Ehemann?" "Weil er so eifersüchtig ist? Ne, er ist nur der Vater Gottes." "und Ramiel?" "Ist doch nur 'n Engel. So was nimmt sie nich mit in ihr Bett. Nich mal in die Nähe." "Israfel?" "Als letzter Erzengel ist er ihr auch nich hoch genug. Sie hassen sich beide ausgiebig. Zumindest haben sie das bisher immer gemacht..." "und Gabriel?" "Das is die allerbeste Geschichte", grinste Simon. "Ein Jahrhundert lang hingen die aneinander wie die Kletten und nix und niemand konnte sie auch nur 'ne Sekunde lang ausn'ander bringen. Dann haben sie sich wegen 'ner Lappalie gestritten. und plötzlich... verlangte sie von Gott sein Kopf auf ei'm Silbertablett. Sie is tatsächlich in den Himmel gegangen und hat das getan. Seit der Zeit hassen die sich." "Sie will wegen einer Kleinigkeit seinen Kopf?" "Eigentlich, weil er der Anführer der Rebellen ist", antwortete diesmal Luzifer. "Sie bedrohen die Ordnung im Universum. Sie wollen mit Ross die Erde und weitere Planeten zerstören und das All von der ,Plage der Marionetten' befreien. Ein durchaus edler Plan, nur zu dumm gedacht. Von Ross. Er kann sich dann nicht mehr ernähren." "Frisst er Menschen?" "Wenn es nur das wäre, hätte er kein Problem. Die Toten würden ewig reichen. Er frisst ihre Seelen. und mindestens die Hälfte davon würde schon... in die Hölle kommen. Also - Pech gehabt." Luzifer legte den Kopf zurück, schloss die Augen und leckte sich genießerisch über die Lippen. "Diese Marionetten sind auch zu dumm und kapieren gar nichts." Er hörte in verächtliches Schnauben und richtete sich auf. "Entschuldige, Alicia, du warst damit nicht gemeint." "Nein. Nur die Menschen." Sie stand schmollend auf. "Früher hätte ich so was wie dich zum Frühstück verspeist, Kleines. und dann hätten wir beide noch unseren Spaß gehabt." "und warum jetzt nicht?" fragte sie sarkastisch. "Das Schlafzimmer ist besetzt." "Lass mich raten. So hast du Aleksiel bekommen. Du hast sie verdorben." "Im Gegenteil. Sie hat mich verdorben. Sie hat mich verführt. Auch dazu, Gott von seinem Thron zu stürzten." Rociel lachte hämisch auf. "Mein Verdienst. Damals stand sie unter meinem Bann und ich kann sie, wann immer ich will, zum Gehorsam zwingen." "und wie?" "Ich werd' doch nicht vor aller Augen mein Herzas aus dem Ärmel schütteln!" "Schade. Vielleicht hätten wir dich dann losgebunden." "Wohl eher geknebelt und in den Keller gesperrt", schnaubte Ross verächtlich. "Sicher?" "Ich lebe schon länger als ihr, glaubt mir. Ich kenne mich aus." "Dann solltest du dich auf'n schnellen Tod gefasst machen." Simon sah nicht auf. "Wieso?" "Weil sie dich töten wird, wenn sie erst mal hier fertig is." Jetzt warf er Ross einen kurzen Blick zu. "Glaub mir. Da kenne ich mich aus. Schließlich hatten wir ein Jahrhundert lang unter deiner Nase 'ne Beziehung. Da sind 'ne Menge Engel und Dämonen gekillt worden, ohne dass ich es bemerkt hab. Ohne dass sie ihr Ziel verloren hat. Sie is um einiges besser als wir alle zusammen. und das wird sie uns leider beweisen." Die Tür ging auf und Aleksiel kam, nur mit einem Hemd bekleidet, aus dem Schlafzimmer. Sie rieb sich die Augen und streckte sie dann. "Morgen", sagte jemand und sie erstarrte in ihrer Pose. Fünf Augenpaare musterten sie interessiert. "Na, wie war's?" fragte Simon. Langsam drehte sich ihr Kopf zu Luzifer. "Du hast es ihnen erzählt, oder?" Hinter ihr stolziert Angel, in der passenden Hose zu ihrem Hemd, ins Wohnzimmer. "Du kennst doch meinen Vater." "Hatte Zeit genug, ihn zu studieren." Ally blickte in die Runde, als wolle sie jeden einzelnen aufspießen. "Wenn auch nur einer von euch Idioten das glaubt, was euch Luzi hier so vorgeschwärmt hat, bringe ich ihn um." Es gab keinen Zweifel daran, wen sie meinte. "Mag ja sein, dass ich nicht gerade Mutter Theresa bin, aber ich bin kein Flittchen. Ich hatte immer gute Beziehungen", sie räusperte sich und fügte wie beiläufig hinzu: "Abgesehen von einigen Fehlschlägen", dann fuhr sie in normaler Lautstärke fort: "und ich habe nie jemanden betrogen oder so. Hier, heute, gestern oder in irgend einer Zeit zwischen morgen und vorgestern ist absolut nichts passiert, was man Sex nennen könnte. Vielleicht habe ich es ja kurz in Erwägung gezogen, aber ich sehe hier eigentlich niemanden", betont sah sie sich im ganzen Raum um, "der dafür irgendwie geeignet wäre." Angel sah auf sie herab, als wolle er sie gleich erwürgen, aber er sagte: "Leider Gottes" - bei ihm klang das irgendwie nicht so, wie bei einem Menschen - "war wirklich nichts." Allerdings bewirkte selbst diese Erklärung nichts. Luzifer und Simon warfen sich nur belustigte Blicke zu und erklärten gleichzeitig mit spöttischer Stimme: "Natürlich nicht", und reagierten nur mit einem unverfrorenen Grinsen auf Allys empörten Blick. Aber dieser Blick schwand sofort, als Aleksiel plötzlich etwas zu... spüren schien. Sie schloss ihre Augen. "Ich fühle..." Angels Miene wurde zu Stein. "Tod." Aleksiel nickte langsam. "Junger Tod." Sie schnaubte verächtlich, "Eine Herausforderung", und dann wirbelte sie zur offenen Balkontür herum, als würde sie fliegen. Die Fasern des Hemdes zerflossen wie Wasser zu einem weichen, langen Kleid, das beinahe durchsichtig schien, und mit ein paar schnellen Schritten war sie auf dem Balkon. Sie sah noch mal zu den anderen, die wie erstarrt auf ihren Plätzen saßen, und ihr Lächeln war eine Mischung aus Vorfreude und Hohn. "Jetzt rollen Köpfe." und dann sprang sie. Ein Schatten stürzte aus der Dunkelheit. Doch Satan war schneller als Aleksiel und nagelte den Angreifer auf den Boden. "Hallo Gabriel." "Hallo Luzifer." Ein kurzer Kampf, dann standen sich die beiden schwer atmend gegenüber. Gabriel glich Israfel und Simon in der Kleidung, als wären sie Drillinge, aber er war schwarzhaarig, mit unerwartet blasser Haut, ohne den Bart und sein Ohrring hatte die Form . Die Kämpfenden waren schnell, aber Gabriel war nicht schnell genug. Luzifer erwischte ihn am Kopf und der Erzengel liegt wieder am Boden. "Du gehörst mir", knurrte der Höllenfürst. "Ich bin der Herrscher des Himmels", gab der Erzengel fauchend zurück. "Der Herrscher des Hochmuts. Du warst sehr, sehr böse. und jetzt bist du mein." Die Miene des Erzengels wurde weich, ganz im Gegensatz zu seinen verhöhnenden Worten: "Luzifer, du verfaulst in deinem Keller. Quält dich immer noch der Bruch mit Gott?" Gabriel grinste. "Du kleines Nichts." Dann stieß er Satan von sich. "Glaubst du wirklich, du könntest mich besiegen?" Doch dann sah er Aleksiel und Rociel und blieb stehen. Gab seine Deckung auf und lachte. Ein Lachen, das nicht mehr an seinem Wahnsinn zweifeln ließ. "Töte mich ruhig! Die Marionetten sind dem Tode sicher geweiht. Sie sind verloren, was du auch tust. Der Ewigkeitsengel würde sie niemals leben lassen." "Wir haben ihn sicher bei uns verwahrt." "Noch besser. Arbeite noch mehr auf das Ziel hin. So seid ihr gleich die ersten, die vernichtet werden." Luzifer stürzte sich auf Gabriel und seine Finger gruben sich in dessen Brust. "Ich bringe dich Heim." In seinen letzten Atemzügen lachte der Erzengel und es klar irrer als zuvor. "Sag auf Wiedersehen, Aleksiel." "Gabriel!" schrie eine Stimme vom Himmel und ein weiblicher Engel stürzte herab wie ein Stein, hinab zu dem toten Erzengel. Sie bettete Gabriels Kopf auf ihrem Schoß und sah hasserfüllt zu Aleksiel auf. "Ich bin Dabris, sechster Erzengel, und bei Gott schwöre ich, dass ich ihn rächen werde! Ihr seid so gut wie tot!" Die Erzengel schienen eine einheitliche Mode zu haben, denn auch Dabris trug diese Sachen, bis auf die Hose, die bei ihr für einen schwarzen Rock getauscht worden war. Ihr Ohrring, der knapp hinter blondem Haar verborgen wurde, hatte die Form . Das Symbol des Lebens. Aber ihr Blick war tödlich. "Du weißt wohl nicht, wer ich bin!" schnauzte Aleksiel. "Oh doch! Das weißt ich sehr genau, verdammte Höllenbrut!" Mit den letzten Worten hoffte wie wohl Aleksiel zu treffen, aber es gelang ihr nicht. Also schrie sie: "Ihr seid der Engel, der ihn getötet hat!" "Ich bin kein Engel!" schrie Aleksiel. "Beleidige mich nicht noch einmal damit, sonst töte ich euch alle auf einmal, so dass du noch nicht mal daran denken kannst, dich zu verteidigen." Dabris starrte sie noch wütender an. "Monster! Ihr seid es nicht wert, Mutter Gottes genannt zu werden." "Ich bin's ja nicht allein." Aleksiel drehte sich um und stolzierte auf das Hochhaus zu. "Der Krieg ist noch lange nicht vorbei", schrie Dabris ihr nach. "Er fängt gerade erst an!" Aleksiel drehte sich noch mal um und wieder lag dieses Lächeln auf ihrem Gesicht, das schon dort gewesen war, bevor sie den Balkon hinunter sprang. Nur dass es jetzt noch furchterregender wirkte, als vorher. "Du weißt gar nicht wie recht du hast", sagte sie. Dabris keuchte erschrocken, ergriff Gabriels Leiche und verschwand am Himmel. Floh sie vor dem Schicksal, das ihr gewiss war? Aleksiel ging entschlossen auf den Wohnblock zu. "Der Tod kennt keine Eile. Sie wird ihre Strafe erhalten." Kapitel 1.5 - Vergangenes "Du kommst mir so verändert vor." Angel stand neben Aleksiel. Er sah sie nicht an. "Warum?" Sie starrte nur hinaus. "Du bist so... kalt. Ist es dir so egal, dass Gabriel tot ist?" "Es beendet den Krieg. Er wütet schon zu lange. Hast du nicht Luzifers Ansprache gehört?" Sie antwortete selbst: "Du warst ja nicht da." Angel sah auf sie herunter, auf ihre Finger, die an den Anhängern einer Kette herum spielten. "Er war ein Engel. Wie du." Sie packte ihn am Kragen und fauchte: "Ich bin kein Engel! Wage es noch einmal, mich Engel zu nennen, und..." Sie stoppte, dann sahen sich beide verwirrt an und Ally blickte wieder in die Dunkelheit. "Es tut mir leid..." "Ist schon okay", sagte er leise. "Ich hätte das nicht sagen sollen." Eine Weile herrschte Stille, dann fragte er, einfach um zu reden: "Was bist du eigentlich, wenn nicht Engel oder Dämon?" "Sie ist ein Hybrid", tönte es großspurig aus der Ecke. "Ein Engel-Dämon-Hybrid." Rociel grinste spöttisch zu ihnen herüber in Angels fragendes Gesicht und lachte. "Dummkopf. Hybrid bedeutet gemischt. Gemischt aus Engel und Dämon. Ich kann dir das ja ausführlicher erklären, aber dazu müsstet ihr mich schon losbinden." "Oh, guter Versuch!" Aleksiel kicherte belustigt. Es klang nicht echt. "Ich bin zwar nur ein Mädchen, aber so dumm bin ich nun auch wieder nicht, dass ich das nicht weiß." Dann drehte sie sich zu Angel. "Wenn du mit mir vorliebnimmst, kann ich es dir sagen." "Aber immer." Angel schlenderte zurück ins Wohnzimmer und streckte sich dann auf der Couch aus. "Fang an." "Würde mich auch interessieren." Luzifer legte seine Poker-Karten auf den Tisch - natürlich hatte er wieder gewonnen - und lehnte sich zurück. "Dann solltest du vielleicht den Mund halten, damit ich überhaupt erst mal anfangen kann", erklärte Aleksiel großzügig und setzte sich auf Angels Schoß, noch immer ein Lächeln auf dem Gesicht, aber als sie das erste Wort sagte, war da nur noch ernste Ruhe. "Ich sollte ganz von vorn anfangen. Am Anfang." Sie seufzte tief und sah irgendwie traurig aus. "Er und ich, Rociel und ich, leben seit Anbeginn der Zeiten. Als das Nichts noch alles war, was existierte. Wir entstanden aus ihm. Aus Dunkelheit und Licht. Jeder einzelne. Ich aus dem Licht und dem Eis, und er aus der Dunkelheit und dem Feuer. Wir lebten lange allein, ohne voneinander zu wissen. Bis wir uns trafen, nach Ewigkeiten. Wir verliebten uns, zumindest schien es uns so, weil wir es ja nicht kannten, und bekamen zwei Kinder." Jetzt lief sie unruhig im Zimmer hin und her. "Zwei Kinder?" Aleksiel sah Angel eine Weile lang ernst an, dann fuhr sie fort: "Als Rociel und ich uns vereinten, wurde unser Blut vermischt. Wir erwachten als Hybriden, fast wie ein Wesen mit zwei Körpern. Ich war von da an viel... dunkler, aber er nur wenig... heller. Es ist nicht besser zu beschreiben. Von da an waren wir beide wie Feuer. Irgendwann stieg Rociel zur Erde hinab, die Gott - unser Sohn - erschaffen hatte. Er baute sich sein eigenes Reich auf. Die Hölle. Ich blieb im Himmel. Wir verstanden uns nicht mehr und konnten nicht mehr beieinander sein. und im Himmel traf ich Luzifer, den hübschesten Engel, den mein Sohn sich Untertan gemacht hatte." Ein leichtes Schwärmen trat in ihre Stimme. "Der erste Engel, der Lichtbringer, der mehr als alles geliebt wurde. Luzifer wurde mein Schüler und ich zeigte ihm die Bosheit, die Kriegskunst und all das Schlechte, was er die Menschen lehren sollte." "War er es?" Angels Stimme bebte. "Dein zweites Kind?" Aleksiel nickte schwach. "Ich war froh, dass meine Söhne mehr von mir hatten, als von ihrem Vater. Aber sie sollten getrennt verkörpern, was ich allein war." "Ich bin dein Sohn?" Luzifer stand plötzlich vor ihr, seine Finger in ihre Schultern vergraben. "Aber dann..." "Ich habe das schlimmste Verbrechen begangen. Ich war die Geliebte meines Sohnes." Seltsamer Weise schien sie nicht einmal Reue zu empfinden. "Mit vollem Wissen und ohne Gewissensbisse. Die Dunkelheit in mir verhinderte das." Angel hatte neben ihr an der Wand gelehnt, jetzt rutschte er daran herunter und vergrub seinen Kopf in den Händen. "Dann bist du auch meine Mutter?" Aleksiel sah auf, lauernd. "Das müsste ich wissen." Ihre Stimme hatte einen seltsamen Klang angenommen. "Vater sagte, meine Mutter wäre der erste Engel, den er je geliebt hätte. Das warst du." Ein leises Grollen lag in ihrer Stimme, als sie mit mehr Ruhe als gut war sagte: "Ich bin kein Engel und er hat mich nie geliebt. Ich war nur seine Lehrerin und auch nicht die erste. Leider. Ihre Leiche sahst du doch." Ihre Stimme war die pure Verachtung. "Die süße Armisael mit Haaren aus Gold." "Ich liebte dich immer, es war nur eine andere vor dir da. Die du getötet hast." Luzifer klang amüsiert. Mehr nicht. Als ginge es ihn nichts an. "Du findest das wohl noch witzig?!" Angel sprang wütend auf. "Es war Notwehr", sagte Aleksiel beiläufig. "Sie wollte mich töten. Was hätte ich tun sollen? Auf deinen Vater warten? Ich wollte ihr diesen Kummer ersparen." "Du bist eine Mörderin." "Das sind die Tatsachen, Angel", zischte sie. "Willst du behaupten, du hättest noch nie einen Menschen getötet? Einen Engel? Einen Dämonen?" Verbissen schwieg er. "Erinnere dich. Damals ließ dich das kalt. Mach mich nicht für etwas verantwortlich, was ich deinem Vater ersparte. Ich bewahrte ihn vor dem Verbrechen. So kannst du ihn weiterhin lieben, wie es sich gehört." "Ich bin ein Dämon. Glaubst du, ich kann lieben?" Sie lächelte emotionslos. "Ich bin ein Engel. Glaubst du, ich kann hassen? Natürlich liebst du ihn. In dieser Beziehung seid ihr wie die Menschen." "Ich lasse mich nicht gern beleidigen", knurrte er auf einmal. "Pass bloß auf, was du sagst. In dieser Beziehung bin ich genau wie du. Ein falsches Wort und deine Unsterblichkeit geht den Bach runter." Es hatte schon zum Ende des Unterricht geläutet, aber ein Mädchen saß noch auf seinem Platz. Lance beobachtete sie eine stumme Weile, bevor er zu ihr trat. "Du bist ja noch da." Sie sah nicht auf und er runzelte die Stirn. Trat zu ihr und konnte gerade noch den leisen Reim hören, den sie wie zu sich selbst flüsterte: "Die Welt versinkt, der Tod ist nah, mit Blut und mit Morden - das Ende ist da..." Ihr Lächeln gefiel ihm nicht. Es war so... spöttisch, als sie das sagte. "Du bist wohl nicht ganz ausgelastet?" Er begann zu grinsen. "Hat dein Gott dir das erzählt?" "Denkst du, ich spinne?" Sie sah ihm in die Augen. "Es ist wahr. Das weißt du nur zu genau." Er starrte sie an, fing sich aber und meinte abfällig: "Komm mir nicht mit so 'nem Blödsinn. Jetzt bist du völlig abgedreht, was? Was sollte ich über so was wissen?" "Du lügst", sagte sie zuversichtlich. Er ließ sich nicht einschüchtern. "Wenn du so überzeugt bist - hau doch ab und tu was dagegen. Was geht's mich an?" Er drehte sich um und ging. "Und wen interessiert's? Verschon mich endlich mit deinen Spinnereien." "Vergiss doch endlich mal deinen Egoismus!" fauchte sie ihm hinterher und er blieb stehen. "Denkst du, du wärst der einzige? Ich bin auch nicht gerade davon begeistert, die Welt vor der Vernichtung retten zu müssen, aber finde doch mal einen anderen Weg! Mit uns haben sie gesprochen, erinnerst du dich? Keine anderen, sondern dich und mich haben sie ausgewählt! Warum willst du das nicht verstehen?! Vielleicht halten sie uns für Marionetten, vielleicht sind wir das auch, aber wir können gewinnen!" Er sah sie an, sah, wie ernst ihr das alles war, wusste, dass es stimmte, aber... "Das ist doch verrückt." Seine Stimme klang nicht mehr so überzeugt wie vorher. "Du weißt, dass es stimmt!" Sie klang völlig verzweifelt. und dann ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund: "Ich bin da anderer Ansicht." Alicia sprang so heftig auf, dass der Stuhl umkippte, aber sie kümmerte sich nicht darum. "Wer ist da? Komm raus, wenn du nicht zu feige bist!" Lance ergriff ihren Arm, um sie zurückzuhalten, aber sie beachtete ihn nicht. "Komm schon! So hässlich kannst du gar nicht sein." Lachen ertönte und eine Frau stolzierte aus dem Schatten. "Oh, ein Dämon..." "Gut erkannt", säuselte die Frau. "Ich kenne genug von euch." Alicia stemmte mutig die Hände in die Hüften. "Ach. Hast vielleicht du Abbadon besiegt?" Die Stimme klang spöttisch. "Ich muss zugeben, dass mir das nicht schwergefallen wäre. Doch leider wurde diese Ehre einer anderen zuteil." "Wen willst du sonst aufweisen?" "Angel und Luzifer." Stille. Reine Stille und darin die Augen der Dämonin, die immer größer wurden. "Wer?!" keuchte sie entgeistert. "Noch deutlicher? Höllenfürst Satan und sein süßer Sprössling Arael." (Anm. der Autorin: Er heißt eigentlich Arael, Angel ist nur sein Spitzname. Hab ich zu spät hinzugefügt...) "Die sind hier?!" Die Stimme der Frau war leicht hysterisch. "Schon lange. und sie haben viel Spaß." Dieser Satz schien die Dämonin zu beruhigen. "Das geht nur auf eine Art und Weise." "Wie gesagt." Alicia lächelte säuerlich. "Sie haben viel Spaß." Die Dämonin musterte sie noch eine Weile unschlüssig, dann verschwand sie leise seufzend. und Alicia wäre beinahe zusammengeklappt. Sie beide wussten, wie nahe sie dem Tod gewesen waren. Lance atmete tief durch, bevor er seine Hand von ihr nahm. "Wirklich süß, aber die Zähne..." Alicia ergriff ihre Tasche und wollte gehen, doch dann sah sie ihn bedauernd an. "Ally hat gesagt, ich soll dich mitbringen. Ich weiß zwar nicht wozu, aber wenn du dich jetzt mal von deinen schmutzigen Gedanken lösen könntest, würde ich das gerne raus finden wollen." Es klingelte und Aleksiel riss die Tür auf. Alicia drängte sich mit einem fröhlichen: "Hey, wie geht's. Wie war dein Tag?" ganz ungeniert an ihr vorbei und verschwand im Wohnzimmer. "So wie immer", kam die Antwort, dann lenkte sich Allys Aufmerksamkeit auf den jungen Mann. "Hallo Lance." "Hallo... Ally." Er musterte sie ein wenig atemlos und versuchte vergeblich, nicht rot zu werden. "Ritzuko", half sie seinem Gedächtnis auf die Sprünge und winkte ihn dann hinter sich her. "Solange du neu bist, solltest du Aleksiel sagen." "Warum?" Sie lächelte mitleidig. "Um Rociel davon abzuhalten, das zu tun." "Äh... ja." Er wusste zwar nicht, was los war, aber er würde es sich merken. "Feiert ihr hier Fasching oder hast du gerade vor, mit jemandem ins Bett zu gehen?" fragte er neugierig, während er versuchte, seinen Blick von ihrem Hintern loszureißen. Aleksiel sah belustigt auf das Kleid, dann zu ihm und wieder geradeaus. "Weißt du, als Spinner kann ich das. und wenn du nichts dagegen hast, werde ich das die ganze Zeit über tragen." Dann grinste sie ihn so frech an, dass er noch mal rot wurde und dann bemerkte er auch, was er gerade gesagt hatte. Wenn es möglich gewesen wäre, wäre er jetzt geschmolzen. "Also bist du doch ein Engel", versuchte er das Gespräch auf weniger unanständige Bahnen zu lenken, hatte damit aber wohl genau das falsche Thema getroffen. Sie blieb so plötzlich stehen, dass er ihr fast in die Hacken getreten wäre, drehte sich zu ihm um und funkelte ihn so kalt an, als wolle sie ihn hier an Ort und Stelle gefrieren. Mitten im Wohnzimmer, vor allen anderen. "Das erste, was du hier zu beachten hast ist auch das erste, was dich ganz schnell den Kopf kosten kann." Ihre Stimme war ein leises Fauchen und außerdem klang sie, als wolle sie wirklich einen Mord begehen. "Ich bin kein Engel und sollte dir der Fehler dieser Annahme noch einmal unterlaufen, weiß ich nicht, was passiert. Ich warne meine Opfer immer nur einmal." "Aber..." "Ally, kannst du mal schnell kommen?" fragte jemand neben ihnen und sie war so schnell wieder ruhig, dass er sich fragte, ob er sich das gerade eingebildet hatte. Jetzt verschwand sie mit diesem schwarz gekleideten Typen in einem anderen Zimmer. und dieser Typ erinnerte verdächtig an Angelo, wenn auch die Ähnlichkeit nur klein war. "Hey", sagte jemand neben ihm, "könntest du mich vielleicht losbinden?" Ein junger Mann mit Augen, die irgendwie an Aleksiels Haar erinnerten und umgekehrt grinste ihn vom Boden aus an. "Bist du... Rociel?" fragte er vorsichtig. "Yeah", kam die sofortige Antwort. "Dann sollte ich das vielleicht lieber lassen." Lance drehte sich von dem Mann weg und sah vor sich zwei Sofas und einen Sessel. Links saßen zwei Männer, die sich wegen irgend etwas Belanglosem stritten und rechts von sich zwei, die Karten spielten. "Tag alle zusammen", sagte er vorsichtig. Alle vier sahen auf, "Tag", und gingen wieder ihren Tätigkeiten nach. Alicia tauchte neben ihm auf und grinste. "Wir werden bestimmt alle gute Freunde werden." Dann lachte sie. "Ich bin da anderer Ansicht..." "Du schon wieder!" fauchte Alicia und die Frau trat in ihr Blickfeld. "Was willst du?" "Ach weißt du, ich wollte nur mal sehen, wie es meinem Angel geht." Eine blau gekleidete Gestalt schwebte aus der Küchel. "Deinem Angel?" Wenn Blicke töten könnten - die Dämonin wäre in einer Zehntelsekunde Asche gewesen. "Oh, du. Ich wusste, dass du ihm nicht widerstehen könntest." "Es war nichts zwischen uns." "und ich bin Gott. Engel haben auch Schwächen." Noch ehe die Dämonin einen Atemzug gemacht hatte, drückte Aleksiel ihr schon die Kehle zu. "Manchmal mache ich auch Ausnahmen. Aber dich hatte ich ja schon vorgewarnt, oder?" Dann lächelte sie wie der lebendige Tod. "Ich bin kein Engel", und ihre Finger krümmten sich immer mehr. "Lass sie los." Das war Angel. "Willst du sie umbringen?!" Aleksiel ließ die langsam blau anlaufende Dämonin nicht aus den Augen. "Das ist Sinn und Zweck der Übung. Meinetwegen bist du ihr Angel, trotzdem hat sie mich einen Engel genannt. Ich warnte sie. Jetzt muss sie sterben." Er schüttelte den Kopf wie bei einem ungehorsamen Kind und trat neben sie. "Ich will dir nicht weh tun, Ally." "Ich dir auch nicht", gab sie zurück. "Ich werde sie nicht loslassen." "Dann tut es mir leid." Er umfasste ihr Handgelenk. "Lass sie los." Sie wollte etwas erwidern, aber der Schmerz in ihrem Handgelenk benebelte ihr die Sinne. Er verdrehte es nicht, er versuchte nicht einmal, ihre Hand wegzuziehen. Er drückte einfach nur zu. Ihre Finger sprangen von dem Hals ihres Opfers, das daraufhin zu Boden fiel und dort keuchend liegen blieb. Aber nicht für lange. Angel hielt noch immer Aleksiels Arm, aber nicht mehr so fest, als die Dämonin aufstand. "Du bist sehr stark", sagte diese anerkennend und streckte ihr die Hand hin. "Ich bin Lilith, die Dämonenprinzessin." Aleksiel blieb eiskalt. Ihr Blick musterte die Dämonin von oben bis unten, als wäre sie ein Insekt, das schnellstens zerdrückt werden musste. Sie erwiderte den Gruß nicht. Drehte sich nur um und ging. "Wenn du es wissen willst", rief ihr Lilith nach, "Ich bin Angels Schätzchen." Aleksiel ging ohne Regung weiter. "Warum überrascht mich das nicht?" Kapitel 1.6 - Hübscher Engel Aleksiel saß in einer Ecke ihres Zimmers. Sie hatte die Knie angezogen und ihre Arme darum geschlungen. Worte klangen aus der Dunkelheit zu ihr: "So traurig, hübscher Engel?" Sie hob verärgert den Kopf, während sie antwortete: "Ich bin kein..." "Ich weiß, hübscher Engel", unterbrach die Stimme schmeichlerisch, "aber spielt das eine Rolle?" "Wer bist du?" "Heißt es nicht eher, was bist du?" "Ist doch egal." Aleksiel klang resigniert. "Du bist eine Frau." "Ist das so offensichtlich?" "und weiter?" "Ich bin Arakune." Zwei rubinfarbene Augen strahlten sie aus der Dunkelheit an und etwas Silbernes. "Ein kleines Nichts." "Lüg mich nicht an." "Was denkst du, wer ich bin, hübscher Engel?" "Eine Dämonin. Du bist... eins dieser Prinzesschen." "Du bist Aleksiel, nicht wahr? Das hat mir ein Vögelchen gezwitschert." "In der Hölle?" "Eine Fledermaus, wenn du es wissen willst. Eine ziemlich schäbige Fledermaus." Lachen. "Es war dein geliebter Arael." Wenn es möglich war, lag in diesem Namen noch mehr Verachtung, als es bei Aleksiel je möglich gewesen wäre. Der Halbengel sah spöttisch auf. "Ein Dämon, der Angel nicht verfallen ist? Hatte der nicht schon alle?" "So einer ist er nicht. Er steht nur auf Frauen. und wir fehlen noch auf seiner Liste." Aleksiel lachte leise. "Komm her." "Warum, hübscher Engel?" Sie verzog das Gesicht. "Nenn mich nicht so. und schon gar nicht Hübsch." "Aber das bist du doch." "Nein, bin ich nicht! und ein Engel erst recht nicht." Arakune lachte. "Warum empfindest du das als Beleidigung?" "...Engel sind so hilflos und klein. und sie können nichts." "Aber sie sind immer schön, ob männlich oder weiblich. Sieh dir Luzifer an. Deinen Sohn, hübscher Engel." Eine Weile herrschte Stille. "Ich bin nicht hübsch." "Doch, das bist du." "Nein! Oder warum hat Angel Lilith gewählt? Diese kleine Schlampe, die sich für eine Prinzessin hält! Für eine Dämonenprinzessin!" Das letzte spuckte sie fast aus. "Hast du das gesehen, eifersüchtiger Engel?" Arakunes Stimme klang amüsiert. "Ich bin nicht eifersüchtig!" "Worauf auch? Jemand so schönes wie du hat dazu keinen Grund. Er sollte eifersüchtig sein. und noch etwas: Arael war hinter mir her, nicht ich hinter ihm. Es gefiel ihm nicht, dass ich die einzige war, die er nicht bekommen konnte." "Wieso hat er es gelassen?" "Ich sagte ihm, dass ich kein Interesse habe. Glaub nicht, dass er das nicht wusste. Aber es war ihm egal. und dann habe ich ihm gesagt, dass ich lesbisch bin. und von da an hat er mich in Ruhe gelassen. Na ja, eher wie Luft behandelt. Trotz dem ich seine Schwester bin." "Du bist seine Schwester?" flüsterte Aleksiel erschrocken. "und ich habe deine Mutter..." "Na und? Ich hasste sie. Sie war zu arrogant." Die Tür wurde aufgerissen. "Wer ist da?" Angels Silhouette zeichnete sich gegen das hereinfallende Licht ab. "Hier bin nur ich." Aleksiel stand auf und stolzierte an ihm vorbei. Arakune folgte ihr mit dem selben ignoranten Gesichtsausdruck. "und was macht meine Schwester hier?" "Schwester?" Aleksiel drehte sich zu ihm um und sah ihn finster an. "Also ich sehe hier nur Luft." Er fixierte sie wütend. "Was soll das schon wieder heißen?" Lance sah überrascht auf, als Angel wütend die Tür zum Schlafzimmer aufriss. Er lachte in sich hinein, als Ally mit einer schnippischen Antwort auf den Lippen ins Wohnzimmer kam. "Na, weilst du wieder unter den Lebenden?" "Sieht man das?" Sie strahlte vor Energie. Dann bemerkten sie die Frau neben ihr. Die Frau, die verblüffend an jemanden erinnerte... "Angel?" Etwas Besseres fiel Lance nicht ein. "Fast." Der Dämon trat neben die beiden Frauen. "Meine Zwillingsschwester Arakune. Macht euch keine Hoffnungen. Sie ist lesbisch." Arakune lächelte ihn mitleidig an, während ihre Augen ihn förmlich durchbohrten. "Ich könnte Dinge von dir erzählen, da würden sogar Luzifer die Haare zu Berge stehen." Der Betreffende machte sich nicht einmal die Mühe, aufzusehen. Angel blieb cool. "Warum tust du's dann nicht?" "Wer sagt, dass ich es lasse?" Arakune legte ihren Kopf auf Aleksiels Schulter, die Hände um ihren Arm und sah ihn von da aus wissend an. Offenbar war Angels Coolness auch nur gespielt, denn jetzt versteinerte sich sein Gesicht und er packte Aleksiel ohne Vorwarnung am Handgelenk. "Ich glaube", seine Stimme klang gepresst, "du hast mir einiges zu erklären." Sie ließ sich mitziehen und lächelte nur. "Das wollen wir doch mal sehen." Die Aussprache zwischen Angel und Aleksiel dauerte nicht lange. Aber als sie zurück kamen, waren sie keineswegs versöhnt. Im Gegenteil. Aleksiel stürmte wie der Leibhaftige ins Wohnzimmer. "Du aufgeblasener Macho! Chauvinistenschwein! Wofür hältst du dich eigentlich?!" "Du bist doch auch nicht besser, Engel. Ich bin nicht dein Sklave!" gab er in einer Lautstärke zurück, das die Wände zitterten. "Verschwinde aus meiner Wohnung, du arrogantes Aas!" fauchte sie außer sich und als er nur lachte: "Leck mich doch!!!" Schließlich verschwand sie vom Fleck weg und alle Türen schlugen so laut zu, dass der Wohnblock schwankte. Arakune grinste siegessicher. "Wenn du so weiter machst, kleiner Bruder, kannst du sie bald vergessen." "Schnauze", fauchte er zurück. Doch Arakune schien das gewöhnt. Sie grinste nur noch mehr. "Ich bekomme sie. Ist gar nicht schwer." "Wenn du..." "Du hast Lilith! Vergnüge dich erst mal mit diesem Miststück und lass Ally in Ruhe. Meinen Engel bekommst du nicht." Dann war auch sie verschwunden. Es vergingen Stunden, dann kam Aleksiel und Arakune wieder. Sie schienen gefaßt. Ruhig genug, einem Felsen noch was beizubringen und kalt genug, den Südpol wie die Hölle erscheinen zu lassen. Beide würdigten Angel keines Blickes. Sie redeten und lachten mit den anderen, aber er wurde übersehen, als gäbe es ihn nicht und hätte ihn nie gegeben. Sie reagierten nicht einmal, als Simon sie fragte, was nun mit Angel geschehen würde. Da sahen sie ihn nur an, als wäre er verrückt und wechselten das Thema. Angel lehnte an der Wand und beobachtete sie finster. Schließlich schloss er die Augen, um das nicht mehr mit ansehen zu müssen, und dann legte jemand seine Arme um ihn und er spürte eine Frau, die sich an ihn lehnte. "Lilith, ich..." "Ich helfe dir, sie zurück zu bekommen." Es war Alicia. "Ich weiß doch, dass du ganz vernarrt in Ally bist." "Da bin ich nicht der einzige." "Luzifer, Simon und Arakune würden liebend gern an deine Stelle treten." "Du hast Ross vergessen." "Der würde sie liebend gerne töten." "Das auch." Angel schnaubte verächtlich. Alicia lachte nur und auch einmal zog sie seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn. Ein Wirbelsturm brach über sie herein, als sich Lilith wütend vor ihnen aufbaute. "Was soll das denn?" "Hey Lilly", spottet Alicia. Und dann: "Verzieh dich endlich." Die Dämonin starrte sie einen Moment lang an, dann fauchte sie: "Angel, sag doch auch mal was!" Momentan hatte er wirklich keine Lust auf noch ein hysterisches Frauenzimmer. "Schreib mir ne Karte..." Hasserfüllt blitzten ihre Augen, "Das wirst du bereuen!", dann verschwand sie mit den Worten: "Ich komme wieder!" Eine feige Flucht... Angel grinste. "Hoffentlich nicht." Dann umarmte er Alicia. "Danke! Ohne dich wäre ich die nie losgeworden." Das Mädchen sah ihn streng an. "Ist allein deine Schuld, dass sie hier war. Damit hast du Ally sehr weh getan." Sein Lächeln gefror. "Was sollte ich denn machen? Lilith und ich sind schon ewig getrennt, aber erkläre das mal deiner Neuen, wenn die dich schon mit Blicken aufspießt und dir eh nicht mehr glaubt." "Du solltest ihr bald mal die Wahrheit sagen." "Ich glaube nicht, dass..." Sie seufzte genervt "Liebst du sie?" Er brauchte einen Moment, dann seufzte er gequält. "Mehr als alles andere." "Dann solltest du dich ranhalten." Arakune beobachtete noch eine Weile ihren dummen Bruder Arael und diese Alicia, die bestimmt nicht weniger ein Flittchen war als Ally, dann ging sie zurück in die Küche. Doch sie fand nicht das was sie erwartet hatte, sondern eine Aleksiel die verträumt ins Nichts starrte. "Was ist denn mit dir los?" Das sah verdächtig aus. Sehr verdächtig. und Ally reagierte auch nicht, was Arakunes Verdacht noch verstärkte. Die Dämonin schnippte dem Finger. Der Engel schreckte hoch. "Was?" "Du hast geträumt. Nur, wovon?" Sie hoffte, sie könnte sich das nicht schon selbst beantworten. Aleksiel seufzte so, dass Arakune sie überrascht ansah. "Er liebt mich." Sie legte den Kopf auf die Hände und ihr Blick verlor sich in der Ferne. "Hey!" Arakune beugte sie zu ihrer neuen Freundin hinunter, bis sie ihr in die Augen sehen konnte. Keine Reaktion. "Sie ist ja völlig weggetreten!" Alicia stand in der Tür. "Was hast du mit ihr gemacht?" "Keine Ahnung, ich..." Sie stemmte entrüstet die Hände in die Hüften. "Ich hab gar nichts gemacht!" "Warum fliegt sie?" "Sie macht was?" Arakune fuhr herum und sah Aleksiel einen halben Meter über dem Tisch schweben. Mit dem selben Gesichtsausdruck. "Sie soll damit aufhören!" wimmerte Alicia. "Ich hab sie nicht dazu aufgefordert!" "Tu doch was!" "Frag doch jemanden, der sich damit auskennt!" "Lass die Werbung!" fauchte das Mädchen, dann nahm die Panik überhand und dann schrie sie beinahe hysterisch: "Simon!" Der Erzengel hechtete fast in die Küche. "Was is?" Aber er sah es selbst: "Ally schwebt...?!" "Hol sie da runter!" "Was soll ich denn machen?!" "Du warst doch ein Jahrhundert lang mit ihr zusammen! Also tu was!" Simon sah sich mit der selben Panik um, und: "Rociel!" war seine einzige Idee. Auf Alicias skeptischen Blick hin fragte er nur: "Weißt du was Besseres?" "Ich soll sie also wecken." Rociel nickte bedächtig. "Ja!" "Ganz uneigennützig." Er nickte immer noch. "Ja!!" Jetzt lächelt er sie freundlich an. "Ihr spinnt doch. Haltet ihr mich für so doof, das ohne Ausgleich zu tun?" "Hey, was'n hier los?" Angel schlenderte in die Küche, sah Ally und schüttelte den Kopf. Rociels Ruhe wirkte gegen seine wie Hektik. "Ist ja mal wieder typisch." Er stellte sich ungefähr unter sie, hob seine Arme und sagte einfach: "Engelchen." Sie zuckte zusammen. Fiel. Direkt in seine Arme und er setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab, ohne jedoch die Hände von ihr zu nehmen. Von einer leicht verdächtigen Position an ihren Hüften. "Was is passiert?" fragte Simon neugierig. Aleksiel übersah Angel so gut sie es in ihrer Position konnte, "Was soll sein?", verschränkte die Arme und konzentrierte sich auf die Wand. Angel seufzte ergeben. "Wenn du es nicht sagst, sag ich es ihnen." Beinahe wäre er vor ihr auf die Knie gegangen. "Das reicht jetzt!" fauchte sie errötend. "Wir sind hier doch nicht im Kindergarten." "Bleib auf dem Teppich", knurrte er. "So toll ist das nicht." Ihr Blick war eiskalt, aber noch nicht mal den gönnte sie ihm. "Eben." Nicht einmal das Wort sollte ihn erreichen. Aber Angel grinste nur, da es ihm offenbar genügte, einen leichten Anflug von Rot auf ihren Wangen zu sehen. Arakune schien den Tränen nahe, als sie ins Wohnzimmer kam. "Sie ist durchgedreht", wimmerte sie und setzte sich dann auf den Boden, da ihre Beine sie nicht mehr zu tragen schienen. "Sie hat den Verstand verloren!" "Wieso?" Inzwischen wussten alle, was das bedeuten konnte. "Sie summt", heulte Arakune. "'Only you'." Dann heulte sie wieder. "Die ganze Zeit über!" "Ist sie verliebt?" fragte Lance vorsichtig. Er hatte sich vorgenommen, hier besonders aufzupassen. "Is doch klar!" fauchte Simon am Rande des Nervenzusammenbruchs mit einem wirklich finsteren Blick zu Angel. "Was glaubst du, was sie sonst zum Schweben gebracht hat?!" "Du glaubst das doch nicht?!" mischte sich Alicia ein. "Zufällig kenn ich mich damit aus. Ich hätte ja gleich drauf kommen können, aber..." "und in wen?" Arakunes Blick brachte Ramiel sofort zum Schweigen. "Idioten!" Dann wandte sie sich an ihren Bruder. "Das ist alles deine Schuld! Wenn du sie nicht verführt hättest...!" Er zuckte nur und sie war schon still. "Wie oft muss ich das noch sagen?" Irgendwie war seine Ruhe beängstigend. Genau wie sein Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen einem freundlichem Lächeln und einem Du-bist-gleich-tot-Blick lag. "Es ist nichts passiert." Aber seine Schwester schien davor wenig Angst zu haben. "Das nehme ich dir nicht ab." "Dann frag Ally. Oder denkst du, ich könne einen Ewigkeitsengel..." Arakune verschränkte die Arme. "Ändere das sofort!" "Dass nichts passiert ist? Mit dem größten Vergnügen. Ich hätte nichts gegen ein bisschen Sex." "Mach, dass sie dich nicht mehr liebt!" fauchte sie hysterisch. "und wisch dir dein dreckiges Grinsen vom Gesicht!" "und wenn ich nicht will?" Er schien zwar der jüngere zu sein, aber wenn es um Größe, Stärke und Macht ging, war er ihr Haushoch überlegen. "Nenn mir drei gute Gründe!" Er nickte und grinste, wahrscheinlich, um sie noch mehr auf die Palme zu bringen. "Erstens: Hast du nicht gesagt, sie liebt mich?" "Unmöglich." stritt sie es ab. "Das wüsste ich." Angel lachte leise. "Du widersprichst dir. Zweitens: und wenn sie das so will?" "Sie ist unzurechnungsfähig!" Arakune klang ehrlich verzweifelt. "Drittens: Warum sollte ich auf dich hören?" "Weil ich..." "Das reicht nicht." "Ich hab doch gar nichts gesagt!" "Eben." Er wollte schon gehen, doch als er sich umgedreht hatte, konnte er das nicht mehr. Aleksiel lehnte an der Tür, betrachtete kritisch ihre Fingernägel, aber ihr Gesichtsausdruck - eine Mischung aus Belustigung und Arroganz - zeigte deutlich, dass sie jedes einzelne Wort gehört hatte. "Was soll das Geschrei?" fragte sie beiläufig und ohne aufzusehen. "Wir stecken mitten in einer schwierigen Diskussion", klärte Arakune sie wütend auf. "Gerade jetzt solltest du wirklich mal verschwinden." "Was ist denn so wichtig?" Aleksiel stieß sich vom Türrahmen ab und schlenderte überlegen auf sie zu. "Welche Sorte Eis wir heute kaufen?" In Ruhe stand sie einer gewissen, sie jetzt überaus interessiert musternden Person wirklich in nichts nach. "Arakune hat mir gerade deine Liebe gestanden", fasste Angel das Gespräch zusammen. Bei seiner Lässigkeit ergaben er und Ally das perfekte Paar. "Interessant." Sie setzte sich auf den Tisch und schlug die Beine übereinander. "Ich will euch nicht stören. Tut so, als wäre ich gar nicht da." Arakune schien beinahe durchzudrehen. "Verschwinde endlich! Das ist unmöglich." "Das hatten wir vorhin schon mal. und da wurde es auch ignoriert." Die Dämonin hätte sie beinahe auf sie gestürzt, aber sie beließ es dabei, ihr nur Blicke zuzuwerfen, die an ihren mörderischen Gedanken keinen Zweifel ließen. "Wenn du jetzt auch noch behaupten solltest, dass du meinen Bruder wirklich liebst, dann zeige ich dir mal, wer hier von uns die Überlegene ist." Aleksiel seufzte bedauernd und erhob sich. "Dann tut es mir leid." Sie drehte sich um und sah Arakune an. "Dein Bruder ist der aller süßeste Dämon in der ganzen Galaxie und ich liebe ihn merh als alles andere auf der gesamten Welt." Ihr Lächeln war freundlich, wirklich freundlich und auch ein wenig traurig, aber trotzdem schien es, als wäre Arakune vor Angst am liebsten gestorben. Aleksiels Amüsement galt ausschließlich Arakune. Die anderen schien sie zu ignorieren. Die anderen und ihre fassungslosen Gesichter. "Wie gesagt. Ich liebe ihn. Er liebt mich. Na und? Es bedeutet mir nichts. Ich war ein bisschen... seltsam, als ich es erfuhr, aber was heißt das? Ich kann tun, was ich will. Angel ist unwichtig. Wenn Lilith ihn sich holt, würde es mir weh tun, aber ich würde es ignorieren. Sie kann ihn haben. Mich soll er in Ruhe lassen. und wenn er an Liebeskummer stirbt - mir doch egal. Das wäre das Schönste daran, denn ich hätte noch was zu lachen. und da es mir verboten ist, Selbstmord zu begehen, wird es das einzige sein, was ich vor meinem Tod noch erlebe. Das wie ist meine Sache." "Sie ist irre!" fauchte Arakune. "Das ist deine Schuld, Arael. Hättest du nicht den dringenden Wunsch gehabt, mit deiner Oma zu schlafen..." "Rede ich gegen eine Wand?!" schrie er plötzlich und war gar nicht mehr ruhig. "Da ist verdammt noch mal NICHTS passiert! Nichts! Niente! Nada! Nothing!" Er fuhr zu Aleksiel herum und beinahe wäre sogar sie erschrocken zurück gestolpert. "Von wegen Verbotener Selbstmord und Tod an Liebeskummer. Was soll der Blödsinn?" "Geh doch zurück in deine Hölle. Geh zu deinen Teufeln und tanze mit ihnen um das Feuer. Ich brauche dich nicht, um zu sterben." Aleksiel drehte sich um. Angel lachte leise. "Wie süß", und auf einmal war er direkt hinter ihr und sie wie erstarrt. "Weißt du, wie die Hölle wirklich ist? Dort findest du keine Flammen, keine Ketten aus Eis. Aber du entfernst dich vom Seinem Angesicht und Sein Wort erreicht dich nicht mehr. Das ist die Hölle. Glaub mir. Ich kann das am Besten beurteilen. und selbst ein Engel wie du würde dort vor Angst und Einsamkeit elendig verrecken." Ally flog fast zur Tür. Ihre Stimme war herablassend, aber man hörte ein leichtes Zittern. "Quatsch nicht. Ich war oft genug in der Hölle und da ist mehr Feuer als in mir." Dann riss sie die Tür auf und verschwand. Als würde sie fliehen. Das Wort Engel hatte sie diesmal übersehen. Aber sie blieb nicht lange fort, und als sie wiederkam, war aller Zorn vergessen und sie schien sogar darum bitten zu wollen, dass er ihr half. Wenn sie denn Hilfe nötig hatte. Das einzige, was sie am Anfang sagte, war: "Es ist soweit." und dann warf sie ihm etwas vor die Füße, das aussah wie ein Sack oder Beutel. Blutrote Spuren blieben auf dem Teppich zurück, als Alicia es aufhob. "Was ist das?" Sie sah hinein, doch mit einem entsetzten Schrei schleudert sie es angeekelt wieder weg. "Bist du bescheuert?!" Angel sah nach und dann sagte er eine Weile gar nichts mehr und fragte schließlich: "Wer?" "Uriel." Erschöpft sank Ally zu Boden. "Ist mir auf dem Heimweg begegnet. Gegen ihn musste ich antreten..." "Gabriel..." "Er hat sich ergeben! Er war nichts! Gegen ihn zu kämpfen und zu gewinnen, wäre... Er hat sich damit abgefunden, dass..." Sie vergrub ihren Kopf in den Händen. "Sag es mir." Angels Stimme war befehlend. Er wollte, er zwang sie fast dazu, auszusprechen, was unvermeidlich war. Er hoffte, sie würde es tun, doch er wurde enttäuscht. "Verschwinde", stöhnte sie nur, und es klang mehr resigniert, als wütend. Sie wollte gehen, doch ihre Hand lag in seiner, wieso, das wussten beide nicht. Einen Moment lang schien sie fast bleiben zu wollen, doch dann riss sie sich los und rannte aus dem Zimmer. Angel zuckte zusammen. Sie hatte geweint. Vielleicht sollte er sie lieber allein... "Verdammt!" fauchte er schließlich und lief ihr hinterher. Arakune hatte die ganze Zeit in einem Sessel gehockt, einsam und traurig. Zitternd. und jeder ihrer Blicke drückte ihren Hass aus. Gegen Arael. Gegen Aleksiel. Jetzt schüttelte sie den Kopf und mustert alle im Raum kühl. "Ich hoffe, ihr seid nicht zu enttäuscht, wenn eure Bemühungen umsonst waren." Alle sahen sie fragend an. "Die beiden solltet ihr nicht allein lassen. Wenn sie sich nämlich nicht vertragen..." Sie lachte. "Sag auf Wiedersehen, Aleksiel." Dann war sie verschwunden... Kapitel 1.7 - Himmlische Heerscharen "Die Himmlischen Heerscharen haben sich versammelt." Aleksiel stand mitten im Raum und sah aus dem Fenster. "Sie werden bald angreifen." "Was bedeutet das im ganzen?" "Das wir ein Problem haben." Mehr schien sie nicht dazu sagen zu wollen. "Das meinte ich zwar nicht, aber..." "Was sind die Himmlischen Heerscharen?" fragte Alicia. "Die Engel, die Luzifers Armee geschlagen haben." Aleksiels Tonfall sagte deutlich, dass sie nicht wusste, ob das gut oder schlecht war. "Damals, als er sich auf mein Geheiß auf Gottes Thron setzten sollte. Jetzt sind es die Engel, die uns töten wollen. Die, die den Marionetten feindlich gesonnen sind. Unter der Leitung von Michael, dem Heerführer der Erzengel, kommen sie hier her. Uriel war, auch wenn er ein Erzengel ist, nur der Vorbote. und es war schon schwer, ihn zu besiegen." Trotzdem schien sie noch voller Zuversicht. "Meinst du, die Engel werden noch gefährlicher?" "Nein. Ich mache mir nur Sorgen, wie es mit Michael wird." "So schlimm?" "Mehr noch. Ich weiß, dass er sich sogar im Angesicht des Todes nicht so leicht einschüchtern lässt. Er kämpft bis zum bitteren Ende." "Das ist hart." "Es ist meistens tödlich. Oder was meinst du, warum ich das weiß?" "Erwarte keine Antwort darauf." "Tue ich nicht, keine Angst." "Gehen wir." "Gehen?" Alicia sprang auf. "Was meinst du mit gehen?" "Was es eben heißt", sagte Ally unfreundlich. "Draußen wartet ,God's Army', Gabriels Schöpfung, und sie wollen durch unsere Niederlage beweisen, dass Sein Heer keine Chance hat." "Werden wir es schaffen?" Aleksiels roten Augen glühten. "Ich werde sie vernichten." Sie leckte sich genüsslich die Lippen. "Darauf könnt ihr euch verlassen." "Ich habe dich erwartet." Der Erzengel lachte rauh. "Ich wusste, du kommst." "Ich hoffe, du hast dein Ende mit einbezogen." Das Monster ihm gegenüber leckte sich genüsslich die Lippen. Rote Augen blitzten. "Du konntest noch nie kämpfen." "Ich war schon immer besser als du." "In deinen Träumen." "Wir sollten beginnen." Das rotäugige Monster sprang auf ihn zu und versetzte ihm einen Schlag mit den Krallen und einen Tritt in den Unterleib. Der Erzengel stand schnell wieder auf. Schwarzes Blut tropfte von seiner Wange. Er wischte es achtlos weg. "Du bist gut." "Du nicht." "Das werden wir sehen." Sie flogen wie zwei Blitze auf einander zu und die Erde bebte. "Das war wirklich nicht schlecht, Angel. Auch wenn mir die süße Ally lieber wäre." "Du warst eben nicht schnell genug." "Glaubst du das?" Das Lachen des Erzengels war laut und spöttisch, während um sie herum der Kampf tobte. Der Kampf zwischen Engeln und Dämonen. Zwischen den Heeren des Himmels und der Hölle, deren General Angel war. Die er rief. "Glaubst du im Ernst, dass ich sie noch nicht hatte? Im Himmel findest du kaum einen, der nichts von ihr erzählen kann." "Sie ist sich zu gut für einfache Engel. und sie ist nicht lesbisch." Michael wurde kurz ernst: "Da hast du recht", doch seinen Spott ließ er sich nicht nehmen: "Trotzdem kannst du versichert sein, dass sie ein Flittchen ist. Jeder Erzengel hatte das Vergnügen. Außer dem armen Israfel." "Er war ihr zu niedrig." "Er ist ihr zu hässlich. und ich weiß auch nicht, was sie an dir findet." "Willst du reden oder kämpfen?" "Eigentlich will ich reden, aber das können wir ja lassen", lenkte Michael ein. "Okay." Angel fixierte ihn misstrauisch. "Nur noch eins, damit du auch bei der Sache bist." "und das wäre?" Jetzt war Angel nicht mehr misstrauisch, jetzt waren seine Nerven bis zum zerreißen gespannt. Der Erzengel hatte etwas vor, das spürte er. Michaels Kehle entstieg ein fast animalisches Fauchen und sein Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Fratze. "Ich habe sie vernichtet. Ich habe Ritzuko getötet. Ich war ihr Vater, der sie tötete. und du konntest nichts dagegen unternehmen." Angel sah ihn spöttisch an. Michael hob den Kopf und lachte lauthals, das Gesicht verzogen. Der Dämon wollte sich auf ihn stürzen, doch er kam nicht mehr dazu. Plötzlich durchlief eine Erschütterung den Körper des Erzengels und sein Kopf ruckte vor. Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten Angel an. Ein erneuter Ruck und Blut lief ihm aus Nase und Mund. Dann beugte er sich nach vorn und würgte schwarzen Schleim hervor. Hinter ihm stand Aleksiel. Ihre Hand steckte in Michaels Rücken. Sie riss sie heraus und er stürzte zu Boden. Achtlos ließ sie etwas fallen. Blut tropfte von ihren Fingerspitzen. "Was...?" Angel kam nicht weiter. "Sein Herz." antwortete sie und drehte sich um. Die Engel, die Michael folgten, starrten sie an. "Er ist tot!" schrie sie. "Haut ab! Der Krieg ist vorbei. Vergesst es!" Keiner bewegte sich, als Aleksiel auf sie zuging. Nur in der Mitte entstand eine Gasse, während sich die Dämonen auflösten. "Haut ab! Los, verschwindet!" Dann lachte sie. "Die Himmlischen Heerscharen! Wie sehr habe ich damals gezittert, als ich das erste mal gegen sie kämpfen sollte. und jetzt habe ich ihren Anführer besiegt. In Sekunden. Das ist traurig." Die Engel durchbohrten sie mit glühenden Augen, bis Aleksiel durch die Gasse gekommen war. Dann breiteten sie ihre Flügel aus und erhoben sich alle nacheinander. Das Rauschen ihrer Schwingen erfüllte die Luft. Wie ein Schwarm riesiger Vögel verschwanden sie am Himmel. "Ist doch ganz einfach: Wem folgst du? Mir oder ihm? Angel oder Israfel. Ist dir der Himmel lieber oder die Hölle?" Angel wurde langsam ungeduldig. "Bedenke, dass in der Hölle schreckliche Qualen warten." Israfel grinste. "Aber im Himmel herrscht Krieg", meinte Angel überlegen. Lance verschränkte die Arme. "Wer beweist mir, dass ihr die Wahrheit sagt?" "Engel lügen nie. Frag Alicia. Sie entscheidet sich für die richtige Seite." Das Mädchen drehte sich zu ihnen um. "Ich glaube kaum, dass Angel die richtige Seite ist." "Die Hölle?!" Alle, sogar Angel, sahen sie fassungslos an. "Was ist so überraschend? Klar, ich habe hier und da schon mal durchblicken lassen, dass ich ziemlich gottgläubig bin, aber hört mal, das ist doch kein Leben. Ewig Gott dienen, nur keiner weiß, ob er wirklich will, was alle denken." "Du musst ja nicht gleich ins Kloster gehen!" "Junge, ich will noch einiges tun, bevor ich mich hinstelle und hinaus brülle: Hallo Gott, hier bin ich!, nur um in der Ferne ein lapidares Na und? zu hören. Vielleicht ist das Leben nur eine Prüfung. und die Einser-Schüler dürfen in den Himmel. Für den Rest bleibt die Hölle, oder was? Ich will nicht nach Eden, wenn ich keinen Spaß haben darf. Wer weiß, ob es einem da besser geht. und bevor ich auf den Knien flehe, bleib ich eben hier." Alicia blickte prüfend in die Runde. "Ich verzichte. Ich will nicht ins Paradies. Jetzt nicht mehr. Gabriel ist tot und Michael und Uriel, und Simon auch schon halb." Sie ignorierte dessen finsteren Blick. "Die Hälfte der Erzengel hat das Zeitliche gesegnet. Was soll's?" "Ich bin ganz deiner Meinung." Lance legte seinen Arm um ihre Schultern und übersah ihren finsteren Blick. "Enjoy yourself. Sehen wir doch an Ally. Ob Engel oder nicht, sie gehört zum Himmel, die Gesetzte sind ihr aber egal." "Also, Israfel, wieder zwei weniger." Angel grinste. "Ich glaube, da wird der Alte ganz schön böse sein." "Ich mehr als er. und deshalb muss..." Er machte Anstalten, sich auf Alicia zu stürzen. Doch Simon ging dazwischen. "Du gehörst doch nicht etwa zu den Rebellen, oder?" "Nein, aber...." "Ohne seinen ausdrücklichen Wunsch darf keine Marionette vernichtet werden. Auch wenn sie noch so blasphemisch is." Aleksiel starrte in den dunklen, von Sternen übersäten Himmel, als Angel hinter ihr in die Kühle der Nacht trat. Er spürte ihre traurige Stimmung, die Sorgen, die sie sich machte. "Was willst du? Der Krieg ist vorbei, mehr kannst du nicht verlangen", versuchte er sie zu beruhigen. Sie drehte sich zu ihm um und schien beinahe wütend. "Vorbei, ja? Geh raus, komm nach zehn Minuten wieder und sage mir dann noch, dass du Hunger hast." "Was meinst du?" "Dämonen essen Seelen! Eine Delikatesse, vergessen? Wie viele sind noch da draußen? Millionen und mehr!" Angel beobachtete Aleksiel stumm. Sie spielte unbewusst mit einer dünnen Kette, die sie seit kurzem trug. Sechs kleine Anhänger hingen daran. , , , ?, und ?. Drei davon kannte er. Sie hatten Gabriel, Michael und Uriel gehört. Doch die anderen... einer kam ihm seltsam bekannt vor, einen kannte er aus der Hölle und der letzte... war ihm unbekannt. "und was sollen wir deiner Meinung nach tun?" "Erzengel. Drei tot und zwei auf unserer Seite. Dazu Raphael und Dabris. Sie wird uns besuchen, das weiß ich. Was er macht...." Etwas Blitzendes flog auf sie zu und Aleksiel konnte es gerade noch fangen. Es war ein kleiner, silberner Ohrring in der Form eines ?. "Hast du vor, dir eine Kette aus Toten zu machen?" Simon stand, scheinbar erschöpft, in der Tür. "Also sind die Erzengel vollständig ausgerottet. Wow." "Ausgerottet, wie meinst du das?" Aleksiel war nicht wirklich so ruhig, wie sie tat. Ein dünner Streifen Blut floss aus seinem Mundwinkel. Das Wohnzimmer sah seltsam verwüstet aus. Man hörte Alicias Weinen und Lance' verzweifelte Versuche, sie zu beruhigen. Ramiel hockte mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf dem Sofa und eine leblose Gestalt lag in ihnen Einzelteilen auf dem Teppich. "Israfel war 'n Spion und Raphael is schon lange..." Simon stand jetzt neben ihr und hielt einen Anhänger in der Hand. Das ?. "Hast du ihn getötet?" Aleksiel starrte auf die Straße weit unter ihr. "Gabriel... Ich bekam ihn... zur Erinnerung, sagte er mir. Ich dachte nicht, dass es so beginnen würde." Jetzt sah sie auf. "Nur noch du und Dabris." "Sie muss weg und bei meinem Glück komm ich auch noch dran. Das heißt...." "Alle Erzengel wären tot." Aleksiel war jetzt sogar ruhiger als zu Anfang. Aus einem unerfindlichen Grund sah sie Angel an. Simon nahm die Hand von ihrer Kette, und ging zurück in die Wohnung. "Wenn du nich schnell was unternimmst, hab ich keine andere Wahl." Der Wind wehte über die Ebene. Er umschmeichelte den schlanken Mädchenkörper, der auf einer Anhöhe stand. Den Blick gen Himmel gerichtet, das Haar lodernd, wie eine blaue Flamme. Alles und nichts erwartend, wie eine Statue und wären nicht die leichten Bewegungen ihres Gewandes, hätte man glauben können, sie wäre aus weißem Marmor, mit Purpuraugen und einem blauen Feuer, dass die Nacht erhellte. Wartend wie ein Jäger, lauernd und bereit zum Sprung. Dem Wind trotzend. Lauschend. Witternd. Eine Raubkatze, deren Sinne geschärft waren, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Ein dunkler Schatten glitt über die Ebene und verdeckte kurz die Sichel des hellen Mondes. Wie ein großer Raubvogel hockte eine Gestalt auf dem verkohlten Rest eines vom Blitz zerstörten Baumes. Einen Moment lang erstarrte die Nacht. Die Geräusche der Zikaden, die sirrend in den Büschen saßen, brachen abrupt ab. Der Wind verstummte und drückende Hitze legte sich wie eine schwere Decke über sie. Dann überzog eine sanfte Röte das mitternächtliche Firmament, als würde die Morgendämmerung ihr mildes Leuchten über der Ebene ausschütten. Wolken nahten, von unsichtbarer Hand getrieben. Der Wind erhob sich und die blaue Flamme loderte zum Himmel. Tropfen fielen, erst leise und kaum spürbar, dann schneller und schneller, bis sie, einem Wasserfall gleich, die Erde tränkten. Wie Musik zum Rauschen des Sturms, der stärker wurde, um einen wahren Orkan zu entfachen. Das Mädchen auf dem Hügel glättete mit einer Hand ihre widerspenstigen Locken, doch sie rissen sich los und flatterten um ihr schönes Gesicht. Augen wie geschmolzenes Metall, die Blitze spiegelnd, sahen in die Ferne, dann bemerken sie den großen Vogel, eine Gestalt mit schwarzen Flügeln. "Du bist früh", sagte sie, während sie sich schwebend näherte. Der Sturm riss ihr die Worte von den Lippen, aber er verstand sie. "Du nicht?" Er sprang herunter. Seine finstere Gestalt ragte drohend vor ihr auf. Ihr Lachen, so leise, übertönte den Donner. "Scherze nicht mit mir, ich habe keine Zeit." "Auf einmal?" Sie hob warnend den Finger. "Sieh dich vor." Er lachte und dirigierte mit sanfter Gewalt ihr Gesicht vor seines, ehe er sie küsste. "Wie süß. Zwei verliebte Monster." Der Klang durchdrang sie wie Eis, so dass sie erschauerten. Doch nicht furchtsam. Mehr spöttisch, mehr überrascht. Mehr... erfreut. Als würde der Jäger spotten, da seine Beute glaubte, sie wäre er. "Wie süß. Ein Erzengel, der sich allein in den Sturm wagt. Was hast du getan, dass sie dich her schickten? Ich würde bei dem Wetter nicht mal einen Hund vor die Tür jagen." "Hast du noch mehr solcher blöder Sprüche auf Lager?" "So viele du willst. Ich könnte dich jederzeit zu Tode langweilen." "Erschieß mich lieber, dann hab ich's hinter mir." Ally lächelte teuflisch und auf einmal glitzerten ihre Augen wie Eis. "Du glaubst gar nicht, wie recht du hast." Wie ein Pfeil schnellte sie vor und traf den Erzengel mitten in den Magen. Dabris schnappte nach Luft. Sie japste, krallt ihre Finger in den Körper neben sich, doch da war nichts mehr. Sie hustete. Ein dünnes Rinnsal Blut floss aus ihrem Mund. Sie wischte es ab, ehe sie sich erhob. "Das war gut, aber nicht gut genug. Ich bin nicht Schach matt." Aleksiel kehrte ihr den Rücken zu und lachte herausfordernd. "Dann würde es auch keinen Spaß mehr machen." Angel stand hinter ihr, als Ally sich zu ihrer Feindin drehte. Beinahe provokant streifte er genüsslich einen Träger von ihrer Schulter und küsste die nackte Haut darunter. Sie schloss die Augen und ein Seufzer tönte zu Dabris hinüber. Es war beleidigend, wie gelassen die beiden mit der Situation umging. "Hey!" schrie der ignorierte Erzengel. "Das hier ist ein Kampf auf Leben und Tod. Nehmt ihn gefälligst ernst!" Ally öffnete träge ihre Augen, ohne ihr Kleid zu richten. "Hab dich nicht so. Warst du noch nie... verliebt?" "Natürlich nicht! Ich Engel darf niemanden lieben." "Warum bist du hier?" "Ich räche Gabriel!" "Weil du ihn geliebt hast." "Ja! Nein!!" Die beiden lachten. "Dummkopf. Gott will, dass wir lieben. Liebe macht glücklich." "Nein, sie macht Tote!" und wieder das unausstehliche, überhebliche Lachen Aleksiels. Wie sie es hasste! "Kleiner Engel, sie macht nur Tote, wenn man nicht aufpasst. Gabriel hat nicht aufgepasst. Luzifer tötete ihn." "Schieb es ruhig auf ihn. Wegen dir hat mein Liebster aufgegeben." "Völlig ohne Grund." "und die Herrin des Todes bestreitet einen Mord. Sonst warst du stolz darauf." Allys Miene verfinsterte sich. "Ich war nie stolz." Dabris lachte ironisch. "Wie wahr. Ich kenne dich schon ewig. Du hast immer triumphiert, wenn einer unter deinen Händen starb. Gib es zu. Dein Prinz hier hat genug gesehen, um das zu verkraften." "Schweig!" Aleksiel hob die Hand, als Angel antworten wollte. "Das steht nicht zur Debatte. Ich erkläre es später." "Welch Wunder! Du willst etwas erklären? Früher warst du nicht mal bereit, mit wem zu reden, der auch nur ein winziges Stück tiefer stand als du." "Das ist ja wohl meine Sache." "Jetzt nicht mehr." Dabris zeigte in die Runde. Ally musste sich nicht umdrehen, um die anderen hinter sich zu bemerken. Sie wollte sich nicht umdrehen. Sie wollte sie nicht sehen. "Also doch", flüsterte sie resigniert. Dann suchten ihre Augen Rociels, doch er wandte sich ab. Ihr Blick war inständig. "Bruder!" Dieses Wort war so flehend, dass alle sie bestürzt ansahen. "Bruder?" fragte Angel entgeistert. "Bruder?!" Aleksiel nickte. "Ich bin seine Schwester." Diesmal erwiderte Ross ihren Blick zärtlich und schien Antwort auf die Frage zu geben, die sie wortlos gestellt hatte. Sie blickte zurück zu Dabris und schien fast entschuldigend. "Ich will dich nicht töten, liebste Freundin. Nimm's nicht persönlich." Dann tönte eine Stimme über den Platz, säuselnd wie der Wind. Schmeichelnd. Dennoch schneidend und scharf: "Aleksiel." Ein Zucken durchlief den schlanken Körper der jungen Frau und als sie den Kopf zu ihm wandte, erschraken die anderen vor ihrem Gesicht: emotionslos. Wie aus Stein. und ihre Augen glitzerten eisblau. Eiskalt. Tot. "Aleksiel." wiederholte der Dämon und sie neigte ihren Kopf zur Erde, wie eine Sklavin. "Töte sie." Raunen von tausend Stimmen erfüllte die Ebene. Es durchdrang die Gestalten auf der Anhöhe, die mit einer Mischung aus Angst, Entsetzen und Faszination auf die Frau in ihrer Mitte starrten, in deren Blick ein kaltes Feuer wütete. Eisig durchdrang es ihre Seelen und erfüllte sie mit Furcht. Sie stand einfach nur da, hochaufgerichtet, Rociel starr fixierend. Ihr Arm zeigte auf ihn und in der Hand hielt sie ein Herz, dessen ehemaliger Platz ein zerfranstes Loch in der Brust des blutigen Kadavers neben ihr war. Als würde sie ihrem Meister ein Opfer darbieten. "Gut gemacht", war alles, was in diesem Moment gesprochen wurde. Rociel wirkte beinahe königlich, trotz seiner Fesseln, und Aleksiel, der stolze Engel, glich einem Mörder, der seinen Auftrag gewissenhaft und skrupellos nachkommt. Sie hob die Hand, bis blutiges Fleisch über ihrem Gesicht schwebte, dann presste sie ihre Finger zusammen, presste den Lebenssaft heraus und trank. und ließ den breiigen Rest achtlos auf den Boden fallen. Die anderen beobachteten sie. Teils angewidert, teils erregt. Jetzt schreckten sie zurück, als das Gesicht, das sich ihnen zuwandte, Aleksiels war. "Was?" fragte sie. Keiner antwortete. Ihre Blicke wanderten zu ihrem Arm. Blut tropfte herunter, das sich unnatürlich leuchtend von ihrer weißer Haut abhob. Mit mühsam beherrschter Stimme krächzte Angel: "Was... was war das?" Aleksiel breitete ihre Flügel aus und erhob sich in die Luft. "Das sollten wir nicht hier klären." Kalt. Eisig kalt wie der Winter. Die anderen folgten ihr stumm. Kapitel 1.8 - Kleiner Tod Heiße Wassertropfen perlten von weißer Haut. Fielen aus nassen Haarsträhnen herunter. Trafen immer und immer wieder das Gesicht der Frau, die unter der Dusche stand, reglos, mit geschlossenen Augen, der Wirklichkeit entronnen. Für dieses mal. Doch für wie lange? Ein blutiges Kleid lag, achtlos beiseite geworfen, auf dem gefliesten Badezimmerboden. Sie bemerkte es nicht, als sie, nur in ein Handtuch gewickelt, daran vorbei schlich, mit leeren Augen, und sich zu den anderen setzte. "Ally?" Der Klang ihres Namens schreckte sie und sie sah auf. Ihre Freunde musterten sie besorgt. Rociel saß, offensichtlich anderweitig beschäftigt, in seiner Ecke. "Knebelt ihn..." Ihre Stimme war so leise, dass man sie kaum verstand. Doch dann wiederholte sie es, und Simon erledigte es, trotz seiner Verwirrung. Ross merkte erst nicht, was passierte, und als es zu spät war, wurde er wütend. Aber sie beachteten ihn noch weniger als vorher. "Ich will eine Erklärung!" Wütend stand Lance vor Aleksiel. "Ich tötete einen Engel." sagte sie leise. "Reicht dir das nicht?" "Warum?!" Er bettelte darum, es zu erfahren. Aleksiel sah ihn nur stumm an. Dann auch die anderen im Zimmer, und jeder wich ihrem Blick aus. Luzifer tat es ganz offen, schien sie zu verachten. Simon starrte nur auf den Boden. Ramiel hielt wieder das Gesicht in den Händen verborgen. Alicia zitterte, und ihr Blick war beinahe so leer wie Aleksiels. Nur Angel sah sie an. "Was das nötig?" fragte er leise. "Hättest du es nicht anders geschafft?" "Sie war meine beste Freundin", antwortete Ally ebenso leise. "Ich musste es tun." und bevor er noch fragte, erzählte sie: "Es... das war Rociel. Ich habe nie... Ich wollte nie... Wenn er meinen Namen sagt... Ihr habt gesehen, was passiert. Ich... ich wusste, dass es sein muss." Sie atmete tief durch, dann war ihre Stimme klar: "Es ist lange her, seit er meinen Namen zum ersten mal nannte. Damals passierte das selbe. Ich war... nicht mehr ich selbst. Mehr... anders." "Mit blauen Augen", hauchte Alicia. "und scheinbar einem Stein anstelle meinem Herz. Wir begriffen es nicht, und ich konnte nichts tun, bekam aber alles mit." Bei diesen Worten zitterte ihre Stimme und ihre Hände krallten sich in das Handtuch. "Dann befahl er mir, aufzuhören." "Befahl?" "Er bat, dass ich normal werde, bis ihm ,Ich befehle es dir!' raus rutschte, und es war vorbei. Seitdem nannte er meinen Namen nur ein paar mal noch." Aleksiel lachte beinahe darüber, wenn auch leise. "Das ist seine Macht. Er kann bestimmen. Einen Auftrag. Einen. Dann werde ich wieder ich." Aleksiel legte den Kopf zurück und schloss die Augen. "Ich hasse dich, Rociel." Angel nahm sie hoch, als wäre sie leicht wie eine Feder, dann brachte er sie weg, in ihr Zimmer. Luzifer hob erst jetzt den Blick und dieser war spöttisch, als würde er sie auslachen. "Viel Spaß noch", wünschte er lächelnd. Dann verschwand er. Es war schon weit nach Mitternacht, der Mond war hinter einem Mantel aus Wolken verschwunden, die Sterne verblassten langsam, und bald würden Streifen von rosa und rot die Sonne ankündigen. Die Tür des Schlafzimmers wurde schwungvoll aufgerissen und eine alles andere als deprimierte Aleksiel trat hinaus. "Wie geht es dir?" Die anderen saßen im Wohnzimmer. Sie wirkten übernächtigt und alle hatten dunkle Ringe unter den Augen. Alicia und Lance schliefen, aneinander gekuschelt, den Schlaf der Erschöpfung, denn sie war zu schwach, das alles zu verkraften. Aleksiel streckte sich und wirbelte übermütig durchs Zimmer. "Im Gegensatz zu uns", bemerkte Angel finster, "hast du wohl schlafen können." "Im Gegenteil", grinste sie, "Ich war wach", und hopste beinahe kindisch zu Rociel, auf dessen Schoß sie ihren Kopf legte. "Hey." Sie lächelte und es schien, als würde er es erwidern. Dann stand sie auf. Nicht, ohne ihm vorher einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Diese zärtliche Geste versetzte Angel einen Stich der Eifersucht, den er sich selbst nicht erklären konnte. Schließlich war Rociel ihr Bruder. "Unterhaltung beendet?" fragte er bissig. Ally grinste belustigt. "Wer wird denn neidisch sein?" Er wollte etwas erwidern, eine verletzende Bemerkung, doch er ließ es, senkt nur den Kopf und entschuldigte sich. "Ich bin zu müde." Mit einer Handbewegung hielt er ihre Antwort ab. "Sag nichts. Ich weiß, dass es wieder... Ach, lassen wir das." Langsam ging er in ihr Zimmer, um dort vielleicht etwas Ruhe zu bekommen. Die letzten Tage waren zu... Resigniert gab er es auf. Denken strengt zu sehr an. Es ist noch nicht zu spät, ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Der wirkliche Kampf... beginnt erst noch... Angel bekam einen Schock, als er am nächsten Morgen das Wohnzimmer betrat. Einen Meter über dem Tisch schwebte Aleksiel und spielte mit einem Dolch. Die anderen hockten ängstlich auf dem Sofa. Alicia und Lance zusammen, Ramiel und Simon gehetzt daneben. Rociel konnte seinen Platz behalten, schien aber nicht sehr stolz darauf. "Was ist hier los?" Angels Stimme klang scharf. "Nichts Besonderes." Ally lächelte zuckersüß. "Wir wollten nur ein bisschen spielen." "Vorsicht", warnte Simon, "sie is irre." Nur einen Sekundenbruchteil später steckte der Dolch vibrierend neben ihm in der Wand. "Das nächste mal treffe ich", fauchte Aleksiel, die Waffe wieder in der Hand, dann wandte sie sich übertrieben nett an Angel. "Warum gesellst du dich nicht zu unseren Freunden?" "Wozu?" Ihr Lächeln gefror zu unglaublicher Kälte. "Es erleichtert den Tod." Entgeistert sah er sie an. Simon lachte bitter. "Du errätst nie, wer hier die Welt zerstören will. Ich geb' dir 'n Tip: es is nich Ross." Angel starrte Ally an. "Du?" Der Klang ihrer Stimme war Verachtung pur. "Was für ein schlaues Kerlchen." Angel hatte schon mehrmals versucht, den Grund für dieses... für... das herauszufinden, was hier eigentlich passieren sollte. Genaugenommen hatte er nicht den leisesten Schimmer einer Ahnung. Außer, dass Aleksiel die Welt vernichten wollte. und dass ihre Nähe im Moment nicht gerade der sicherste Ort war. "Kommt, ich zeige euch was." Alle sahen Aleksiel an und niemand war besonders scharf darauf, es zu sehen, aber das schien sie nicht zu interessieren. Zwischen ihren Fingern knisterten Blitze. Eine Kugel aus Energie formte sich, wuchs und wuchs, bis sie explodierte. Erschrocken schützten alle ihre Köpfe, dann war es vorbei. "Seht." Sie öffneten die Augen. und waren sprachlos vor Staunen. Vor ihnen erstreckte sich eine unendliche Weite. Blauer Schimmer, weiße und schwarze Abhebungen, wie Wellen. Über ihnen ein Himmel aus Kobaltblau. Bedeckt von Schuppen aus Schmetterlingsflügeln, Abstufungen in einem Farbkasten. "Was... ist das alles?" Alicia ging in die Knie und berührte vorsichtig das unter ihr. Es war weich und zart. und unbeweglich. "Die Dimension des Nichts", antwortete Aleksiel stolz. "Ein Ort, an dem nichts eine Bedeutung hat. An dem das Leben nicht existiert." "Warum ist dann alles blau?" "Ich will es so." Aleksiel stach sich mit ihrem Dolch in den Finger und rotes Blut verschmolz mit dem Blau unter ihnen. "???????????????????????????????????" Die Worte hallten nach und alles wurde rot. "Besser so? Oder hättet ihr lieber..." "Die Wahrheit", unterbrach Simon sie. "Eine gute Wahl", sagte sie, "????????????????????????????????????????????" und dann war alles alptraumhafte Schwärze. Weit über ihnen erstrahlte eine unwirkliche Lichtquelle. Schatten spielten auf ihren Sachen, doch nichts bewegte sich wirklich. "Ist das nicht schön?" Aleksiel lächelte glücklich. Angel schnaubte verächtlich. "Verwahrlost. Öde. Was ist hier schön?" Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Ihre Schritte auf dem erstarrten Element hinterließen wellenförmige Gebilde. "Vollkommene Ruhe. Zeit und sogar Licht sind hier eingefroren. Niemand versteht die wahre Schönheit meiner Schöpfung und ich bin glücklich, ein Teil von ihr zu sein. Der Spiegel der Finsternis unter mir, die Unendlichkeit um mich herum. Voller Sterne oder verlassen, wie das All. Wüst und leer, wie ich es will. Das Leben vergeht. Es verglüht ohne Aufsehen. Man wird alt, stirbt, zerfällt. Dieses winzige Aufflackern eines Schicksals ist nichtig in dieser unendlichen Weite. Ich will euer Leben nicht, euer Sterben sehe ich nur von Fern, selbst zur Einsamkeit verdammt. Dazu, diese Existenz, die ihr Leben nennt, hier zu verbringen. Ich brauche nur mich. Es gibt nichts, was ich vermissen würde. Man wird allein geboren und man stirbt allein. Alles in der Welt ist dunkel. Ich habe keinen Wunsch nach eurem Dasein." Ein Silberstreif durchzog die Dunkelheit. Die Schatten rissen auf und sie schwebten über den lichtbekränzen Türmen der Stadt. "Da sind sie. Seht ihr sie, wie sie geschäftig hin und her eilen? Unwissende Narren. Bald wird ihre lächerliche Existenz ein Ende haben. Bisher war ich großzügig und ermöglichte ihnen Chancen, von denen sie nicht zu träumen wagten. Aber sie haben sie verspielt. Sie haben ihren Planeten zerstört, und sie werden sich selbst auch zerstören. Das taten sie immer, was ich auch unternahm. Was soll ich noch tun? Sie sind nutzlos." "Du hast ihnen nie eine Chance gegeben, nicht?" fragte Angel, ohne sie anzusehen. "Nein. Ich kenne Millionen von Planeten. Einige haben sich selbst vernichtet, andere ganze Galaxien. Manchmal nur wegen einem Körnchen Gold! Wie dumm sie sind. Verdient so etwas eine Zukunft?" "Wozu hast du dann den Krieg beendet? Eitelkeit? Oder Rache?" "Um es letztes mal zu sehen." Traurig blickte sie ihn an. "Ich bin... froh, dass du da bist. Am Ende des Universums. Am Ende des Lebens. Heute stirbt alles. Ich werde hierher zurück kehren." "und für immer allein sein." "Was kann ich tun? Engeln ist Selbstmord verboten. Ich kann nur hoffen, dass meine Erinnerung an dich verblasst." "Engel bleiben ihrer Liebe ewig treu." Sie lächelte schmerzlich. "So wird es sein." Sie schwiegen. Die Stille über der riesigen Stadt war gespenstisch schön. "Das alles von hier oben ist überwältigend, findest du nicht, Ally?" fragte Alicia leise. "Ihr Menschen könnt die Schönheit eurer Welt gar nicht begreifen. Ihr zerstört sie lieber. Wann sahst du je einen Sternenhimmel aus einer solchen Höhe? Sieh dich um! Es scheint, als wärst du im All. Über dir, unter dir, um dich herum, wo auch immer - nur Lichter!" "Es ist wundervoll." Die Stimme des Mädchens schien sie überzeugen zu wollen. "Warum willst du das alles zerstören?!" Aleksiel schüttelte resigniert den Kopf. "Doch nicht verstanden." Dann, nach einem unendlich scheinenden Moment von toter Stille, murmelte sie ein unverständliches Wort, und sie waren wieder auf der Erde. "Ich werde es zerstören. und ihr werdet mich nicht daran hindern." Kapitel 1.9 - Die Stimme am Himmel Es donnerte und die Erde bebte. Schluchten klafften auf und es hagelte Faustgroße Eiskörner. Blitze schlugen um sie herum ein, rissen Krater in den dunklen Boden, und ohrenbetäubender Donner verhinderte jeglichen Kontakt. Schreiend flüchtete Alicia in Lance' Arme, aber er hatte genauso viel Angst wie sie. Ramiel kauerte am Boden und schützte mit den Händen seinen Kopf. Rociel zerrte vergeblich an seinen Fesseln, und nur der Knebel hinderte ihn daran, seine Wut hinaus zu schreien. Simon und Angel blieben stehen und versuchten, Aleksiel aufzuhalten. Die Welt zu retten. Doch sie hatte im Moment ganz andere Sorgen. Eine tiefe Schlucht schnitt ihr den Weg ab und ihre Flügel waren verletzt. Ironie des Todes. Die Erde riss immer weiter auf. Unaufhaltsam näher kam der Abgrund, der, nur noch ein paar Meter entfernt, sie zu verschlingen drohte. Sie würde unweigerlich in die Tiefe stürzen. Ein kleiner Rest blieb ihr noch, von dem aus sie auf sicheren Boden kommen könnte, doch Aleksiel schien vor Angst wie gelähmt und dennoch zum Tode entschlossen zu sein. "Weg da!" schrie Angel und stürzte auf sie zu. Bekam ihren Arm zu fassen. Riss sie zurück. Doch hinter ihnen tat sich eine neue Schlucht auf. Angel presste sie fest an sich, den Tod vor Augen. Zu fliegen kam ihm nicht mehr in den Sinn. Er schloss nur noch die Augen und... betete. und da stoppte es. Glaubst du, ich würde das zulassen?, lachte eine Stimme aus dem Nichts. Dann musst du ziemlich naiv sein. "Du bist das?" keuchte Aleksiel erleichtert und löste sich schwankend aus Angels Umarmung. Da habt ihr euch wirklich was geleistet. Das war die beste Idee, die du je hattest. "Danke." Sie lächelte unschuldig und dann knickste sie sogar. Vor... nichts. Jetzt mach ihn los. So kann das doch nicht weitergehen. "Okay, okay." Ally ließ sich von Angel zurück auf festen Boden bringen und befreite Rociel von seinen Fesseln. Währenddessen schloss sich die Schluchten. "Wurde auch langsam Zeit." knurrte er unfreundlich und streckte sich ausgiebig. Dann fiel er fast über Aleksiel her, um sie zu bestrafen, auch wenn daraus mehr eine... Begrüßungszeremonie wurde. Angel unterbrach sie verwirrt. "Was zum Teufel ist hier eigentlich los?" Aleksiel verschränkte die Arme und sah Rociel an. "Du sagst es ihm." "Was? Wieso ich?! War es meine Idee?" "Wie willst du das jetzt noch feststellen?" "Ich sehe es vor mir, als ob es gestern war." "Angeber." "Flittchen. Du sagst es ihm." "Hallo! Ich warte!" Angel verschränkte die Arme. Die beiden zuckten schuldbewusst zusammen. Dann versteckte Aleksiel sich hinter Rociel. "Es war ein Scherz. Es tut mir leid. Verzeih mir." Es hörte sich nicht überzeugend an. Angel blinzelte. Ein zweites mal. Dann brachte er ein gepresstes: "Bitte - noch mal." heraus, und seine Muskeln spannten sich unmerklich. "Hast du gerade gesagt, dass es ein Scherz war?" Aleksiel wurde blass. "Ich hoffe, ich habe mich verhört." "Hast du nicht", piepste sie kleinlaut. Angels freundliches Lächeln jagte ihr Schauer über den Rücken. "Das war dein Todesurteil." Er ging drohend auf sie zu und Rociel brachte sich lauthals lachend in Sicherheit. "Stop!" Ihre ausgestreckte Hand hielt ihn nur kurz auf. "Es war nicht alles gelogen." Die Strafe folgte sogleich: Das zum Beispiel war eine Lüge. "Wer ist der Kerl eigentlich, der sich immer unangemeldet einmischt?" mischte sich Alicia ein. "Wer wohl? Gott." Aleksiel verdrehte die Augen. "Wen sonst erwartest du?" Sie seufzte genervt und fauchte dann: "Es war fast alles gelogen." Äh, fast alles? "Wir wissen, dass du da bist. und ja, fast alles." Dann sollten wir mal mit dem Aufzählen anfangen. "????????" Das habe ich gehört. "Deswegen habe ich es ja auch gesagt." Gedämpftes Lachen folgte. Dann fangen wir doch mal an, Mama. Wie alt wart ihr denn damals? Ihr als meine Eltern - da müsste ich mich ja schämen! "Danke!" fauchte Ally, bevor sie sich den anderen zuwandte. Sie schmollte noch immer, aber sie erzählte: "Wir wurden kurz nach Luzi erschaffen, deshalb weiß der auch nichts. Konnte nichts wissen. Punkt für uns." "Ist alles schon lange her", fuhr Rociel fort. "Deshalb trefft ihr niemanden, der euch das bestätigen kann. Außer Gott natürlich. Damals war die Erde noch nicht sehr alt und wir haben uns gedacht - warum nicht mal alle verarschen?" Brave Kinder. "Schnauze!" knurrten beide gleichzeitig. "Wir haben einfach immer das selbe behauptet, bis es alle glaubten. Dass wir seine Eltern wären. Dass wir alles zerstören könnten. Dass wir ganz was anderes als alle wären. und sie glaubten es. Nur, weil wir eben anders sind." "und was ist mit der Geschwistergeschichte?" "Die ist wahr. Auch wenn Luzi Rociel mit in die Hölle genommen hat, sind wir trotzdem noch Zwillinge." "und dass du meinen Vater dazu überredet hast, Gott zu stürzen, stimmt das auch?" "Das war Lilly. Ich meine Lilith, die Dämonenprinzessin." Ally lachte spöttisch. "Die war damals so verknallt in ihn." "Hat sie ihm die Bosheit gezeigt, wie du das ausgedrückt hast?" Aleksiel wandte sich ab. "Reicht es, wenn ich sage, ich hatte Langeweile?" "Langeweile?! und der Kampf gegen Gottes Heerscharen?" "Ihr wisst doch. Ross... Es war seine Schuld." "Wieder mal typisch! Alles auf mich schieben!!" "Du bist der einzige, den ich verprügeln kann, wenn er nervt." Ein Schatten legte sich über Angel, der, an einen Baum gelehnt, abseits von den anderen saß. Er brauchte nicht aufzusehen, um zu wissen, wer es war. "Verschwinde." "Alles in Ordnung?" "Was soll schon sein?" schnauzte er. Sie senkte den Kopf. "Entschuldige. Ich wollte dich nicht... Es war nur ein Scherz." "Über zwanzig Milliarden Jahre?" erwiderte er heftig. "Dein ganzes Leben war eine Lüge!" Sie zuckte zusammen und als er sie ansah, glitzerten ihre Augen verdächtig. "Ich muss nicht hier sein. und ich merke, wenn ich unerwünscht bin. Entschuldige mich." Sie breitete ihre Flügel aus. "Warte!" rief er ihr in einem plötzlichen Sinneswandel nach. "Es war nicht so..." Doch da... Ich hab was vergessen. Ein kleines Geschenk meinerseits. Ein Blitz aus heiterem Himmel und Aleksiel fiel wie ein Stein zu Boden. Schwarze Federn stoben auseinander und gaben den Blick auf weiße frei. Alles wurde totenstill. Wenn du nicht willst, dass das noch mal passiert, solltest du dich vorsehen. Ich bin nicht immer nett. Besonders nicht zu Engeln, die leicht vorlaut werden. und du hast es sowieso verdient. Wenn du noch mal ungehorsam werden solltest... Ich denke, wir haben uns verstanden. "Klar." murmelte sie ächzend. "Ich werd mich hüten." Es klang nicht überzeugend. Aleksiel erhob sich schwerfällig und missachtete offen Angels dargebotene Hand, so dass er sie schließlich einfach hochhob. Aber selbst dabei gelang es ihr, ihn vollständig zu ignorieren. "Verdient", lachte sie leise, als wäre Gottes Drohung irrelevant. "Womit?" ein wütender Schrei. "Es war ein Scherz!" Hör mal, kleiner Engel, ihr beide, du und dein Bruder, ihr seid meine Lieblinge. Ihr wart mal die Ranghöchsten und herrschtet über alle anderen. Schön und gut. Aber ihr zwei seid größenwahnsinnige Spinner! Ich kann nicht dulden, dass ihr weiterhin diesen Quatsch im Himmel verbreitet, und werde das Ganze eben aufklären, auch unter euren Engelskameraden. "Das lässt du schön bleiben! Verdammt, wehe, du sagst es ihnen!" Aleksiel zappelte, bis Angel sie runter ließ, und dann fiel sie fast auf die Knie. "Die werden mich auslachen." Du hast es verdient, nach dem, was du angestellt hast. "War ich es alleine? Nein!" Glaub mir, Luzifer wird es sich nicht nehmen lassen, die Geschichte auch in der Hölle zu erzählen. "Er wird dicht halten. Er ist ja selber drauf reingefallen." Er wird sie erzählen. und wenn ich persönlich daneben stehe und jedes Wort aus ihm heraus prügle. "??????????" Halt den Mund, kleiner Engel. Es geht ganz schnell, dann bist du wieder eine Novizin. Ein kleiner Lehrling. und ich wüsste schon, wer dir dann Gehorsam beibringt. Die Behüterin der Chroniken ist eine sehr gute Freundin von mir. Aleksiel schnaubte herablassend. "Kannst du zufällig Gedanken lesen?" Nein, wieso? "Weil ich mir dann meinen Teil denke." Sie setzte sich und ein ruhiges, süffisantes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Allerdings schien es um ihre innere Ruhe anders bestellt, denn plötzlich sprang sie auf und lief unruhig hin und her. "So geht das nicht. Es kotzt mich an. Ich will nicht den Mund verboten bekommen. Ich bin kein kleines Kind, ich bin keine Novizin mehr! Ich hasse das! Ihre Schwäche! Was tun sie schon? Sie hocken auf Wolken, spielen Harfe und lobpreisen die Glorie des Herrn!" Gottes Stimme war gnadenlos: Hast du was dagegen, dass ich mich besingen lasse? Mit einem übertriebenen Blick legte sie eine Hand auf ihre Brust. "Nein! Niemals! Das würde ich doch nicht wagen!" Dann wurden ihre Augen wild: "Wem nutzt es was, außer deiner Eitelkeit? Du regst dich auf, dass ich Dinge erzähle, durch die man mich fürchtet, aber selber lässt du Lieder über dich machen, um überall zu hören, wie toll du bist. Vielleicht sollte man aus dir mal einen Engel machen. Das ist nämlich gar nicht so angenehm." Stille. Dann hörte man fernes Donnergrollen und Aleksiel verdrehte die Augen. "Hör doch auf damit. Denkst du, das schreckt mich?" Gottes Lachen klang noch schauriger als der Donner. Nur noch ein Wort, dann habe ich eine weitere Novizin, die ich nach Belieben hin und her scheuchen kann. "Hey, warte mal. Das stimmt schließlich alles. Wie viele Engel da oben haben denn eine sinnvolle Beschäftigung? Da sind die Hauptengel, die über die Elemente wachen. Vier. Dann die Erzengel, die ihre eigenen Aufgaben haben. Sieben. Na ja gut, jetzt nur noch einer. und ich als Ewigkeitsengel, Wächter über alle anderen. und weiter? Das waren zwölf, äh, sechs. und es gibt mindestens eine Million von den Typen da oben. und was tun die? 999.988 singen Lieder über deine Glorie. Sonst machen sie nichts. und kein Schwein kümmert sich um mich. Ich hab vielleicht auch ein Ego. Auch wenn es nicht so groß ist wie deines. Das überragt noch Afrika!" Man hörte ein genießerisches Seufzen. Ich leugne nicht meine Schwäche für euch Engel und eure Stimmen. und du singst am aller schönsten. Er lachte. Ja, besonders mag ich dich. und deinen Bruder. Ich muss wirklich sagen, dass ihr meine liebste Schöpfung seid. Auch wenn ich den Menschen eine Seele gab, die ihr nicht besitzt. Ich weiß, dass ihr vier meiner Erzengel getötet habt. Dafür müsste ich euch eigentlich... "Belohnen." Spinnst du? "Hey! Keine Beleidigungen! Wir haben den Krieg beendet. Auch wenn dafür ein Großteil deiner Mannschaft dran glauben musste." Aleksiel seufzte plötzlich. "Entschuldige, was ich gesagt habe, aber es stimmt eben. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber das musste ich einfach loswerden." Ich muss zugeben, dass es dich und deinen Bruder gerettet hat. "Wow. Dann war es ja doch was wert." Sie grinste Rociel an. "Vielleicht sollten wir jetzt gehen, und... es aufklären." "Bin ganz deiner Meinung", stimmte er ihr zu. Aleksiel macht ein paar Schritte, wobei sie mit dem Kopf nickte und mit sich selbst zu reden schien. Plötzlich sprang Angel auf sie zu und fing sie noch rechtzeitig, bevor sie fiel. Sie atmete ruhig und er merkte, dass sie eingeschlafen war. Simon kam auf ihn zu. "Pfoten weg, ja?! Das ist ein Engel." Angel grinste nur. "Wenn du dich da mal nicht verschätzt. Ich bin mir sicher, dass sie das schon lange nicht mehr ist." "So?" "Du hast doch mitbekommen, was sie alles angestellt hat. Ich wette, dass ich nicht lange brauche, bis sie ganz mir gehört." "Wen du dich da mal nicht verschätzt." Angel schloss die Tür zum Schlafzimmer. Nicht, das es irgend jemanden aufhalten würde. "Lasst sie schlafen. Das heute hat sie viel Kraft gekostet." "Sie Kraft gekostet?!" Alicia war außer sich. "Wer wurde fast getötet? Wer schwebte in Lebensgefahr? Wer wurde mit einem Messer bedroht? Wer...." "Ist ja gut! Denkst du, es hat sie weniger getroffen? Gott hat sie fast zu einem... Lehrling degradiert und mehr. Jemand in ihrer Position ist nicht gerade scharf darauf, den Fußboden mit einer Zahnbürste putzen zu müssen." "Müssen Engel das?" "Natürlich nich!" antwortete Simon heftig. "Aber was wäre, wenn...?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)