Die schöne alte Zeit von abgemeldet (damals beim Kaiser....) ================================================================================ Kapitel 2: Das Wochenende ------------------------- Die Tage waren wie im Fluge vergangen. Geneviève und ihre Mutter hatten alle Hände voll zu tun, Kleider und andere Utensilien zu beschaffen, soweit das bei der kurzfristigen Einladung überhaupt möglich gewesen war. Doch schließlich schafften die beiden Damen alles was auf ihrer Reiseliste stand und fanden sich am Donnerstagabend in ihren Reisekostümen bereit. Man hatte noch das Abendessen mit dem Vater eingenommen, und sich dann von ihm verabschiedet, da er ja beruflich zu tun hatte und die Möglichkeit dieses Besuches nicht wahrnehmen konnte. Mutter und Tochter wunken ihm noch einmal zu dann fuhr man in den späten Abend hinaus. Die Zofe der beiden saß als Begleitung und für kleine Gefälligkeiten mit in der Kutsche, doch sie wurde nicht gebraucht und deshalb auch momentan nicht beachtet. Die Mutter war müde. Sie reiste nicht gern, noch dazu in der Nacht. Aber wollte man rechtzeitig da sein, so musste man dies in Kauf nehmen. Ihre Tochter fühlte sich nicht minder unwohl. Es war so eine Hitze in ihr die sie sich nicht erklären konnte. Geneviève hatte den Vorhang des Kutschenfensters ein wenig zur Seite geschoben und lehnte ihre heiße Stirn an das kühlende Glas. Sofort fühlte sie sich etwas besser. Doch die Hitze in ihr blieb, sie war in den letzten Tagen immer aufgeregter geworden und nun war ihre innerliche Anspannung so gut wie auf dem Höhepunkt. Sie dachte an die Familie ihres geliebten Mannes. Seine Schwester hatte sie damals auf ihrem Debut kennengelernt, doch die vorlaute, reiche und überaus hübsche Geneviève hatte viele Freundinnen und Emilie von Livenland war eine eher unauffällige Person, Geneviève musste sich eingestehen, dass sie sie schlichtweg nicht beachtet hatte, da sie so unscheinbar war. Nun jedoch wollte sie sich bemühen ihr eine wirklich gute Freundin zu sein, natürlich auch um Nikolas wegen. Und sie musste sich benehmen, sie wollte auf keinen Fall durch ihre vorlaute Art einen schlechten Eindruck auf Nikolas' Eltern machen. Aber das würde ihr mit Emilie schon gelingen. das Wort 'Tugendschäfchen' kam ihr in den Sinn. Sicherlich war Emilie genau das Gegenteil von Geneviève. Bei diesem Gedanken musste sie leise kichern, die Zofe blickte überrascht auf, aber Geneviève beachtete sie einfach nicht. Sie hatte es geschafft durch diesen Gedanken etwas lockerer zu werden und begann sich auszumalen, zu welchen Streichen sie die neue Freundin verleiten wollen würde. Dies bereitete ihr derart viel Freude das sie sich vollends entspannte und langsam aber stetig in einen tiefen Schlaf fiel. Es war dunkel nur das Geräusch der Pferde und das Rütteln der Kutsche war zu hören. Die einzigen wachen Personen waren der Kutscher und die Zofe. Der Erste fluchte innerlich das er bei Regenwetter und Dunkelheit soweit fahren musste und die Zweite wunderte sich über ihre Herrschaften. Am nächsten Tag erreichte man Gumbinnen. Es war schon später Nachmittag. Das Gut der Livenlanders lag nur einige Meilen von Gumbinnen entfernt. In Ostpreußen schien die Sonne so strahlendhell als wolle sie die Regen verwöhnten Berliner willkommen heißen. Mutter und Tochter waren bei guter Laune, Letztere war jedoch ziemlich nervös und deshalb etwas aufgekratzt. Als die Kutsche das und die Auffahrtsallee passiert hatte und vor der großen Eingangstreppe hielt, musste Geneviève tief durchatmen, sie fühlte sich recht merkwürdig und das Aufgekratzte wich der bereits bekannten Hitze. Langsam stieg sie hinter der Mutter aus der Kutsche um die Bewohner des Hauses gebührend zu begrüßen und empfangen zu werden. Anfänglich bemerkte sie es erst nicht, doch dann machte sich plötzlich eine riesige Enttäuschung breit. Er war nicht da. Seine Eltern und Schwester waren anwesend und freuten sich, doch die für sie wichtigste Person war nicht da! Sie musste sich sehr zusammennehmen, nicht ein Gesicht zu ziehen, wie sie das bei ihren Eltern immer zu tun pflegte. Doch zum Glück war ja die Mutter bei ihr. Diese hatte das Fehlen des Sohnes der Familie natürlich auch bemerkt und fragte sodann auch nach wo er denn bleiben möge. " Verzeiht bitte, wie unhöflich von mir!" antwortete Frau von Livenland, " unser Sohn verspätet sich, er hatte auf dem Weg von Insterburg noch eine Besorgung zu machen, die ihn aufgehalten hat.Auch Euer werter Herr Sohn wird dann zu uns stoßen, da die beiden zusammen unterwegs sind." Ein leises Aufatmen ging durch Geneviève. Nun konnte sie sich ja beruhigt Emilie zuwenden. Freundlich lächelnd ging sie auf dieselbige zu: "Gott zum Gruße Emilie. Darf ich Sie bitten mir Ihr Haus zu zeigen?" Sie sprach sie, statt mit dem überformellen "Ihr" mit dem nicht ganz so steifen "Sie" an. Diese bejahte und nahm sie dann auch so gleich freundschaftlich an die Hand. Genevieve staunte nicht schlecht, das die sonst so schüchterne Emilie gleich so mutig war. Das Gut war größer als das der Troßburgs, das hatte Genevieve gleich erkannt. Ihre Zimmer lagen im Westflügel des Hauses, zum Garten hin. Emilie erzählte ihr augenzwinkernd, das sie der einzige Gast sei mit diesem Ausblick, das Zimmer ihrer Mutter blicke auf die Einfahrt und die Allee. Genevieve errötete mal wieder und wusste nicht einmal wieso, aber sie wurde lachend von Emilie mitgezogen und überall herumgeführt. Zum Schluss gelangte man in der Küche an, in der eine dicke gutmütig drein blickende Köchin neckend ihre Suppenkelle schwang und sagte: "Na ihr zwee Marjellchens det ick euch man nich immer hier unten erwischen tu !Fräulein Emilie wees doch wat die Jnädije Fru is, die kemmt mir noch hier runter und entlässt mir fier eure Besuche!" Aber dann lachte sie, gab den beiden zwei Äpfel und eine Dose Kekse und scheuchte sie schmunzelnd aus der Küche. Gut gelaunt begab man sich in den Garten unter eine große, schattenspendende Eiche. Emilie erzählte von sich, was sie getan hatte in den letzten 2 Jahen, natürlich von ihrem Bruder, aber auch von Genevieves Bruder Andreas. Sie geriet sogar richtig ins Schwärmen. Und dann hatte sie den Spieß umgedreht- anstatt das Genevieve Emilie ausfragte tat diese jetzt dasselbige über Andreas. Sie blühte richtig auf, und erzählte Geneviève von einem Jagdausflug in die Rominter Heide and der Nikolas, sie selbst, Andreas und eine gewisse Carolina von Teuteburg teilgenommen hatten. Außerdem wollte Emilie wissen was Andreas Lieblingsessen, seine liebsten Beschäftigungen, und seine besten Charaktereigenschaften waren. Geneviève musste sich gewaltig ins Zeug legen um all die Fragen zu beantworten die Emilie augenscheinlich zu interessieren schienen, und kam doch selbst kaum dazu etwas über Nikolas zu erfahren, was sie noch nicht wusste aber sie doch neugierig machte. So saßen die beiden jungen Damen den halben Tag lang unter der alten Eiche und unterhielten sich, bis es zum Mittagstisch schellte. Schnell sprangen beide auf um sich noch einmal etwas frisch zu machen und begaben sich in ihre Zimmer im Schloss. Beim Essen gab man sich heiter und entspannt. Genevièves Mutter musste das Neueste aus der Beriner Gesellschaft zum Besten geben. Frau Livenlander lauschte interessiert den Ausführungen Frau von Troßburgs. Auch Emilie hörte mit großem Interesse zu. Genevièves Mutter sprach auch von jungen Damen in Emilies Alter, die zur Verlobung bereit waren und mit denen man sicherlich eine gute Partie machen könne. Selbst wenn die Troßburgs und die Livenlanders nicht auf materiell begründete Hochzeiten angewiesen waren, ein gutes Maß an Standesdünkel besaß man und deswegen galt es natürlich auch für beide Familien zu überlegen, welche Schwiegertochter man für die geeignetste halten könne. Daß das Gute dabei doch manchmal so nahe liegt, daran dachten die beiden älteren Damen im Moment jedoch nicht. Emilie lief ein leichter Schauer über den Rücken, wenn sie daran dachte, dass eine Andere ihren Andreas heiraten könnte. Geneviève hatte den Erzählungen keine Beachtung geschenkt. Sie warf immer wieder einen Blick auf den Kaminsims um festzustellen, wie spät es war. Die Zeit verging langsam. Wann kam er denn bloß endlich? Ein Seufzer entfuhr ihr. Wie gern hätte sie ihre Zeit bis zur Ankunft von Nikolas anders verbracht. Wäre geritten oder hätte an einem Flügel ein paar Schubertlieder gespielt und gesungen. Aber nein, sie war hier zu Gast, und das Haus schläferte sie irgendwie ein. Diese Familie war so still. Geneviève beobachtete Emilie, die vom Tisch aufgestanden war da man die Tafel mittlerweile aufgehoben hatte, und sich nun in einem Korbstuhl daran machte ihre Filetspitzen weiter zu häkeln. Um Gottes Willen! Geneviève stand auf, sie war genervt. Denn auch ihre Mutter und die Mutter von Emilie setzten sich nun dazu und fingen an, Handarbeiten zu fabrizieren. Sei's drum, sie würde sich nicht hier in diesen Zimmern zu Tode langweilen!Und Handarbeiten, für die sie niemals Geduld genug aufbringen konnte, entsprachen schon gar nicht ihrer momentanen Gefühlslage. "Bitte entschuldigt mich, ich fühle mich unwohl und möchte mich auf mein Zimmer zurückziehen." sagte sie. Nachdem die beiden älteren Damen ihr wohlwollend zugenickt hatten, und Emilie ihr nur einen verwunderten Blick nachgesandt hatte, stand Geneviève nun in der Eingangshalle. Wohin nun? Sie überlegte-hatte ihr die neue Freundin vorhin nicht erzählt das man irgendwo auf dem Gut einen kleinen See hatte? Dort würde sie hingehen und die Natur genießen. Also auf, auf! Lachend wie ein kleines Mädchen lief sie aus der Eingangstür in den Vorgarten. Ein Knecht lief gerade über den Vorplatz und ohne Scheu fragte sie ihn nach dem Weg zum See. Als Geneviève ihn dann erklärt bekommen hatte- er lag ein ganzes Stückchen vor dem Eingangstor und der Allee- machte sie sich auf den Weg. Die Sonne schien, die Lupinen und der Klatschmohn blühten am Wegesrand und Ostpreußen hätte sich nicht schöner zeigen können als an so einem Tag, an dem die Jugend sich an sich selbst erfreut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)