Die schöne alte Zeit von abgemeldet (damals beim Kaiser....) ================================================================================ Kapitel 1: Die Einladung ------------------------ Es war ein regnerischer Tag. Geneviève beeilte sich von der elterlichen Droschke ins Haus zu kommen. Albert, der Diener und eine der treuen Seelen des Hauses nahm ihr das durchnässte Cape ab. "Eure Mutter erwartet euch im Salon, gnädiges Fräulein" teilte er ihr mit. Geneviève seufzte und löste Haarnadel und Hut aus ihrem hochgesteckten, wunderschön blonden Haar. Dann zog sie die teuren Glacéhandschuhe und Galoschen aus und sagte:"Albert bitte richte meiner Mutter aus, das ich mich erst ein wenig frisch machen werde. Ich werde ihr zum Tee Gesellschaft leisten!" Schnell wollte sie ganz undamenhaft die Treppen in ihr Zimmer hinaufspringen, denn das gnädige Fräulein war die einzige Tochter des Hauses, ziemlich verwöhnt und es gewohnt, dass man auf sie wartete. Doch der alte Diener widersprach: " Aber Gnädiges Fräulein haben Besuch. Der junge Herr von Livenland ist anwesend und brennt darauf eure Bekanntschaft zu machen." Das war ein Argument. Geneviève war dem Sohn des Grafen Livenland schon seit langem sehr zu getan. Doch vor dem Diener gab sie sich jetzt natürlich keine Blöße, auch wenn sie nur allzu gern so schnell es ging die Treppen wieder hinuntergelaufen wäre. "Nun gut, melde meine Ankunft und sage, dass ich in wenigen Minuten dort sein werde!" Der Diener ging von dannen. Aufatmend lief Geneviève nun doch die Treppen hinunter als der alte Albert außer Sichtweite war, und stellte sich vor den großen goldenen Spiegel in der Eingangshalle des alten Herrenhauses um sich nocheinmal zu prüfen. Denn blamieren durch unordentliches Aussehen, das wollte sie nicht, schon gar nicht vor ihrer Mutter und dem famosen Grafensohn. Ganz die Ruhe selbst betrat sie dann den Salon, küsste der Mutter die Hand und ließ sich wiederum die Hand von ihrem Verehrer küssen. Dann nahm sie Platz. Fragend blickte sie zu ihrer Mutter, doch Sophie von Troßburg gab sich geheimnisvoll und streng wie es auch sonst ihre Art war, sobald Besuch anwesend war. Unauffällig blickte Geneviève in das Gesicht von Nikolas von Livenland. Der zwinkerte auch ganz verschmitzt und unauffällig zurück, so dass sie leicht errötete. Wie peinlich, nun würde er sie für extrem unhöflich und männersüchtig halten, da sie ihn doch so ungeniert angestarrt hatte! Aber Nikolas schien das alles zu gefallen. "Gnädiges Fräulein, ich bin gekommen, um Ihnen und natürlich Ihrer Frau Mutter meine allerliebenswürdigste Aufwartung zu machen. Durch Euren Bruder Andreas habe ich die Weisung erhalten Euch seine besten Empfehlungen und Grüße aus Insterburg zu senden und Euch sogleich auf das Gut meiner Eltern, dem Grafen und der Gräfin von Livenland einzuladen, falls dies Eure Zeit und Gefallen finden sollte. Auch meiner Schwester Emilie, die in Eurem Alter sein müsste, würde dies eine außerordentliche Freude sein. Euer werter Herr Bruder wird selbstverständlich auch anwesend sein, denn wir werden ab dem Wochenende ersteinmal Heimaturlaub haben. Also Gnädiges Fräulein? Wie lautet Eure Antwort? Eure Frau Mutter sicherte mir bereits ihre Zustimmung zu." Geneviève wusste nicht recht, was sie nun antworten sollte. Natürlich gab es für sie nichts schöneres als ein Wochenende auf einem Gut in Ostpreußen, zumal sie ihren geliebten Bruder, der in des Kaisers treuem Regiment diente, wiedersehen würde. Außerdem war es Spätherbst und die Familie hatte dieses Jahr ihr Sommergut in Rominten aus geschäftlichen Gründen des Vaters schon früher verlassen müssen. Deswegen saß man jetzt im regnerischen Berlin fest, obwohl die Sommersaison noch gar nicht beendet war und langweilte sich. Die Mutter hatte soviele Bekannte, die zu alt waren für das ständige Hin- und Herreisen, oder aus anderen Gründen auch in Berlin weilten. Aber für eine junge Dame von 18 Jahren wie sie eine war- nein es war doch zu fad in dieser Großstadt. Keine Bälle, keine Opernbesuche. Aber wäre das nicht ein wenig zu offensichtlich? In Anbetracht der langweiligen Situation jedoch-was blieb da anderes als Ja zu sagen? Und auch die Mutter hatte ja schon ihr Einverständnis gegeben! "Ich nehme Eure Einladung mit Freuden an! Und bestellt bitte auch Eurem Fräulein Schwester meine allerherzlichsten Grüße!" "Nun dann, so werde ich mich auch schon wieder Verabschieden. Die Pflicht ruft, für unser Deutsches Kaisserreich!" sprach Nikolas euphorisch, aber mit lachenden Augen. Die Mutter lächelte würdevoll und sagte: " Halt Nikolas, bevor Ihr euch wieder auf den weiten weg nach Insterburg macht, möchte ich euch bitten meinem Sohn Andreas noch einige Dinge aus der Küche und von seinem Vater mitzubringen, ich werde mich eigenhändig darum kümmern, also wartet bitte noch einen Moment in der Eingangshalle auf mich." Frau von Troßburg nickte ihm hoheitsvoll zu und begab sich in den unteren Teil des Hauses. Geneviève errötete wieder. Nun stand sie allein mit Nikolas in der Eingangshalle. Schüchtern blickte sie ihn an. Er kam auf sie zu, ihr stockte der Atem, kein Personal war weit und beit zu sehen. "Geneviève...bitte nehmt es mir nicht übel, aber ich muss Euch einfach sagen wie glücklich ich über Eure Zusage bin. Es wird der schönste Heimurlaub seit langem für mich werden. Glaubt mir das. Ich werde dafür sorgen das dies auch für euch zutrifft. Verzeiht meine ungehörigen Worte dennoch..." flüsterte er ihr zu. Sie konnte nur nicken. Nervös dreht sie sich zur Seite, als auch schon die Mutter mit Hanna und Frieda, sowie Kurt dem Knecht zurückkam und Anweisungen gab das Essen und eine Truhe auf der draußen wartenden Kutsche zu verstauen. Nocheinmal wurden kurze Abschiedsworte gesprochen, dann sah man den Grafensohn in den Regen hinaus fahren. Geneviève war immernoch ganz erhitzt, noch nie hatte ein Mann so zu ihr gesprochen, und dann war es auch noch ihre große Liebe Nikolas von Livenland! Ein leiser Seufzer entfloh ihren Lippen. Die Mutter blickte auf. Was hatte das Kind denn nur? Es sprudelte doch sonst immer wie ein Wasserfall aus ihr heraus wenn sie von ihren Ausflügen aus der Stadt zurückkam? "Fühlst du dich unwohl Kind? Ist dir die Kutschfahrt vorhin nicht gut bekommen? Oder erwartest du etwa einen Migräneanfall? Wirst du mir gar krank? Soll ich den Besuch bei den Livenlanders wieder absagen lassen?" fragte die Mutter. Da horchte Geneviève auf, nein das durfte die Mutter ihr nicht antun! "Ach Mutter, es ist alles in Ordnung, ich fühle mich nur etwas erschöpft wegen meines Ausflugs vorhin. Ich bin nach dem Alexanderplatze gefahren, und in Fräulein Bertrams Hutladen in dem ich mich umsah, war wieder eine Neureiche die sich mit ihrem Parfum nicht zurückhalten konnte, du weißt wie sehr mir von diesen aufdringlichen Düften immer schwindelt, ansonsten geht es mir famos!" Sie schenkte der Mutter ein Lächeln. Sie war zwar dort gewesen um sich einen Hut für ihr neues Freizeitkleid zu bestellen, aber sie war ganz allein in dem allseits beliebten Laden gewesen, denn wie schon erwähnt weilten die meisten Kunden ja noch auf ihren Sommerresidenzen und Gütern. Sie wusste das ihre Gedanken im Moment stetig der Kutsche in Richtung Insterburg zuwanderten. Nur die Mutter, die durfte nichts davon ahnen! Das wäre doch zu peinlich, würde die Mutter doch nur wieder denken sie hätte durch eigenes Zutun, den Grafensohn ermutigt auf sie zuzugehen. Undenkbar! Am Besten wäre es, sie zöge sich unauffällig in ihr Zimmer zuück. "Geneviève, der Tee wird jeden Moment serviert, der wird dich erfrischen, danach können wir uns überlegen was du für ein Ballkleid bekommen wirst, es sind nur noch 7 Tage bis zur Abreise. Wir müssen morgen unbedingt zu Madame Capet fahren und alles zusammenstellen, damit unsere Garderobe rechtzeitig fertig ist!" Als die Mutter sich wieder dem Häkeln und dem gerade herbeigebrachten Tee widmete, rollte Geneviève die Augen. Nun musste sie noch länger im Salon sitzen, und obwohl sie es sonst liebte, sich mit Mode zu beschäftigen, wollte sie heute Abend mit ihren Gedanken am Liebsten ganz woanders hin. Doch auch das überstand sie schließlich. Nachdem alles besprochen war ging sie die Treppe hinauf in ihr Mädchenreich. Ihr Zimmer war groß und hell, mit weißen Seidentapeten auf der viele kleine Veilchen arrangiert waren. Dunkle,violette Vorhänge verhinderten das fremde Einblick erhielten und die Kälte hereinkam. Schnell schloss sie die hohe weiße Tür hinter sich und eilte ins Ankleidezimmer. Rasch zog sie geknöpfte Stiefel, Rock und Bluse aus, hüllte sich in ihr Negligée und setzte sich vor ihren Spiegel. Langsam begann sie Haarnadel für Haarnadel aus ihrem dichten blonden Haar zu ziehen. Diese Arbeit sowie das weitere Bürsten war so monoton, dass man ohne Probleme die Gedanken abschweifen lassen konnte. Natürlich dachte sie an Nikolas. Er war so schön...Groß und sehnig, ein wenig braun gebrannt, doch nicht von übermäßigem Sonneneinfluss gezeichnet, blondes gerades Haar, stilvoll seitwärts gekämmt. Die Nase war gerade und hat genau die richtige Form. Sein breiter Mund hatte volle Lippen die sich wundervoll zu einem Lächeln hinreißen liessen. Doch das schönste waren seine stahlgrauen Augen mit phänomenalen schwarzen Wimpern, die sein Gesicht vollkommen machten. Sein muskulöser Körper hatte alles was eine Frau begehrte, er war in der Armee, seine Eltern waren angesehene Adlige, ganz so wie Genevièves Eltern selbst. Ihr Herz klopfte und sie lächelte stumm vor sich hin. So fand sie ihre Zofe vor, die Geneviève zum Abendessen umkleiden wollte. Wie aus einem wunderschönen Traum geweckt fand sie wieder zurück in die Realität. Gefasst stand sie auf, ließ sich ankleiden und begab sich zu Tisch. Darauf freute sie sich, denn der Vater der sonst den ganzen Tag unterwegs war nahm endlich wieder an der Mahlzeit teil. Vor ihm musste Geneviève sich zusammen nehmen, denn schließlich war sie seine Tochter und das letzte woran der Vater auch noch denken mochte nach einem langen und anstrengenden Tag,war das seine Tochter, seine einzige auch noch, sich verliebt hatte. So saß die Familie an der Tafel und sprach über die erfreulichen Dinge des Tages. Natürlich sprach man auch von dem Bruder und seinem Regiment und von der bevorstehenden Reise. Und ehe man es sich versah schlug die Uhr im Esszimmer halb Neun, man begab sich in den Salon und Geneviève schützte Müdigkeit vor und ging ins Bett. Schlafen konnte sie jedoch lange nicht. Immerwieder schweiften ihre Gedanken zu einem blonden Ostpreußen ab... Kapitel 2: Das Wochenende ------------------------- Die Tage waren wie im Fluge vergangen. Geneviève und ihre Mutter hatten alle Hände voll zu tun, Kleider und andere Utensilien zu beschaffen, soweit das bei der kurzfristigen Einladung überhaupt möglich gewesen war. Doch schließlich schafften die beiden Damen alles was auf ihrer Reiseliste stand und fanden sich am Donnerstagabend in ihren Reisekostümen bereit. Man hatte noch das Abendessen mit dem Vater eingenommen, und sich dann von ihm verabschiedet, da er ja beruflich zu tun hatte und die Möglichkeit dieses Besuches nicht wahrnehmen konnte. Mutter und Tochter wunken ihm noch einmal zu dann fuhr man in den späten Abend hinaus. Die Zofe der beiden saß als Begleitung und für kleine Gefälligkeiten mit in der Kutsche, doch sie wurde nicht gebraucht und deshalb auch momentan nicht beachtet. Die Mutter war müde. Sie reiste nicht gern, noch dazu in der Nacht. Aber wollte man rechtzeitig da sein, so musste man dies in Kauf nehmen. Ihre Tochter fühlte sich nicht minder unwohl. Es war so eine Hitze in ihr die sie sich nicht erklären konnte. Geneviève hatte den Vorhang des Kutschenfensters ein wenig zur Seite geschoben und lehnte ihre heiße Stirn an das kühlende Glas. Sofort fühlte sie sich etwas besser. Doch die Hitze in ihr blieb, sie war in den letzten Tagen immer aufgeregter geworden und nun war ihre innerliche Anspannung so gut wie auf dem Höhepunkt. Sie dachte an die Familie ihres geliebten Mannes. Seine Schwester hatte sie damals auf ihrem Debut kennengelernt, doch die vorlaute, reiche und überaus hübsche Geneviève hatte viele Freundinnen und Emilie von Livenland war eine eher unauffällige Person, Geneviève musste sich eingestehen, dass sie sie schlichtweg nicht beachtet hatte, da sie so unscheinbar war. Nun jedoch wollte sie sich bemühen ihr eine wirklich gute Freundin zu sein, natürlich auch um Nikolas wegen. Und sie musste sich benehmen, sie wollte auf keinen Fall durch ihre vorlaute Art einen schlechten Eindruck auf Nikolas' Eltern machen. Aber das würde ihr mit Emilie schon gelingen. das Wort 'Tugendschäfchen' kam ihr in den Sinn. Sicherlich war Emilie genau das Gegenteil von Geneviève. Bei diesem Gedanken musste sie leise kichern, die Zofe blickte überrascht auf, aber Geneviève beachtete sie einfach nicht. Sie hatte es geschafft durch diesen Gedanken etwas lockerer zu werden und begann sich auszumalen, zu welchen Streichen sie die neue Freundin verleiten wollen würde. Dies bereitete ihr derart viel Freude das sie sich vollends entspannte und langsam aber stetig in einen tiefen Schlaf fiel. Es war dunkel nur das Geräusch der Pferde und das Rütteln der Kutsche war zu hören. Die einzigen wachen Personen waren der Kutscher und die Zofe. Der Erste fluchte innerlich das er bei Regenwetter und Dunkelheit soweit fahren musste und die Zweite wunderte sich über ihre Herrschaften. Am nächsten Tag erreichte man Gumbinnen. Es war schon später Nachmittag. Das Gut der Livenlanders lag nur einige Meilen von Gumbinnen entfernt. In Ostpreußen schien die Sonne so strahlendhell als wolle sie die Regen verwöhnten Berliner willkommen heißen. Mutter und Tochter waren bei guter Laune, Letztere war jedoch ziemlich nervös und deshalb etwas aufgekratzt. Als die Kutsche das und die Auffahrtsallee passiert hatte und vor der großen Eingangstreppe hielt, musste Geneviève tief durchatmen, sie fühlte sich recht merkwürdig und das Aufgekratzte wich der bereits bekannten Hitze. Langsam stieg sie hinter der Mutter aus der Kutsche um die Bewohner des Hauses gebührend zu begrüßen und empfangen zu werden. Anfänglich bemerkte sie es erst nicht, doch dann machte sich plötzlich eine riesige Enttäuschung breit. Er war nicht da. Seine Eltern und Schwester waren anwesend und freuten sich, doch die für sie wichtigste Person war nicht da! Sie musste sich sehr zusammennehmen, nicht ein Gesicht zu ziehen, wie sie das bei ihren Eltern immer zu tun pflegte. Doch zum Glück war ja die Mutter bei ihr. Diese hatte das Fehlen des Sohnes der Familie natürlich auch bemerkt und fragte sodann auch nach wo er denn bleiben möge. " Verzeiht bitte, wie unhöflich von mir!" antwortete Frau von Livenland, " unser Sohn verspätet sich, er hatte auf dem Weg von Insterburg noch eine Besorgung zu machen, die ihn aufgehalten hat.Auch Euer werter Herr Sohn wird dann zu uns stoßen, da die beiden zusammen unterwegs sind." Ein leises Aufatmen ging durch Geneviève. Nun konnte sie sich ja beruhigt Emilie zuwenden. Freundlich lächelnd ging sie auf dieselbige zu: "Gott zum Gruße Emilie. Darf ich Sie bitten mir Ihr Haus zu zeigen?" Sie sprach sie, statt mit dem überformellen "Ihr" mit dem nicht ganz so steifen "Sie" an. Diese bejahte und nahm sie dann auch so gleich freundschaftlich an die Hand. Genevieve staunte nicht schlecht, das die sonst so schüchterne Emilie gleich so mutig war. Das Gut war größer als das der Troßburgs, das hatte Genevieve gleich erkannt. Ihre Zimmer lagen im Westflügel des Hauses, zum Garten hin. Emilie erzählte ihr augenzwinkernd, das sie der einzige Gast sei mit diesem Ausblick, das Zimmer ihrer Mutter blicke auf die Einfahrt und die Allee. Genevieve errötete mal wieder und wusste nicht einmal wieso, aber sie wurde lachend von Emilie mitgezogen und überall herumgeführt. Zum Schluss gelangte man in der Küche an, in der eine dicke gutmütig drein blickende Köchin neckend ihre Suppenkelle schwang und sagte: "Na ihr zwee Marjellchens det ick euch man nich immer hier unten erwischen tu !Fräulein Emilie wees doch wat die Jnädije Fru is, die kemmt mir noch hier runter und entlässt mir fier eure Besuche!" Aber dann lachte sie, gab den beiden zwei Äpfel und eine Dose Kekse und scheuchte sie schmunzelnd aus der Küche. Gut gelaunt begab man sich in den Garten unter eine große, schattenspendende Eiche. Emilie erzählte von sich, was sie getan hatte in den letzten 2 Jahen, natürlich von ihrem Bruder, aber auch von Genevieves Bruder Andreas. Sie geriet sogar richtig ins Schwärmen. Und dann hatte sie den Spieß umgedreht- anstatt das Genevieve Emilie ausfragte tat diese jetzt dasselbige über Andreas. Sie blühte richtig auf, und erzählte Geneviève von einem Jagdausflug in die Rominter Heide and der Nikolas, sie selbst, Andreas und eine gewisse Carolina von Teuteburg teilgenommen hatten. Außerdem wollte Emilie wissen was Andreas Lieblingsessen, seine liebsten Beschäftigungen, und seine besten Charaktereigenschaften waren. Geneviève musste sich gewaltig ins Zeug legen um all die Fragen zu beantworten die Emilie augenscheinlich zu interessieren schienen, und kam doch selbst kaum dazu etwas über Nikolas zu erfahren, was sie noch nicht wusste aber sie doch neugierig machte. So saßen die beiden jungen Damen den halben Tag lang unter der alten Eiche und unterhielten sich, bis es zum Mittagstisch schellte. Schnell sprangen beide auf um sich noch einmal etwas frisch zu machen und begaben sich in ihre Zimmer im Schloss. Beim Essen gab man sich heiter und entspannt. Genevièves Mutter musste das Neueste aus der Beriner Gesellschaft zum Besten geben. Frau Livenlander lauschte interessiert den Ausführungen Frau von Troßburgs. Auch Emilie hörte mit großem Interesse zu. Genevièves Mutter sprach auch von jungen Damen in Emilies Alter, die zur Verlobung bereit waren und mit denen man sicherlich eine gute Partie machen könne. Selbst wenn die Troßburgs und die Livenlanders nicht auf materiell begründete Hochzeiten angewiesen waren, ein gutes Maß an Standesdünkel besaß man und deswegen galt es natürlich auch für beide Familien zu überlegen, welche Schwiegertochter man für die geeignetste halten könne. Daß das Gute dabei doch manchmal so nahe liegt, daran dachten die beiden älteren Damen im Moment jedoch nicht. Emilie lief ein leichter Schauer über den Rücken, wenn sie daran dachte, dass eine Andere ihren Andreas heiraten könnte. Geneviève hatte den Erzählungen keine Beachtung geschenkt. Sie warf immer wieder einen Blick auf den Kaminsims um festzustellen, wie spät es war. Die Zeit verging langsam. Wann kam er denn bloß endlich? Ein Seufzer entfuhr ihr. Wie gern hätte sie ihre Zeit bis zur Ankunft von Nikolas anders verbracht. Wäre geritten oder hätte an einem Flügel ein paar Schubertlieder gespielt und gesungen. Aber nein, sie war hier zu Gast, und das Haus schläferte sie irgendwie ein. Diese Familie war so still. Geneviève beobachtete Emilie, die vom Tisch aufgestanden war da man die Tafel mittlerweile aufgehoben hatte, und sich nun in einem Korbstuhl daran machte ihre Filetspitzen weiter zu häkeln. Um Gottes Willen! Geneviève stand auf, sie war genervt. Denn auch ihre Mutter und die Mutter von Emilie setzten sich nun dazu und fingen an, Handarbeiten zu fabrizieren. Sei's drum, sie würde sich nicht hier in diesen Zimmern zu Tode langweilen!Und Handarbeiten, für die sie niemals Geduld genug aufbringen konnte, entsprachen schon gar nicht ihrer momentanen Gefühlslage. "Bitte entschuldigt mich, ich fühle mich unwohl und möchte mich auf mein Zimmer zurückziehen." sagte sie. Nachdem die beiden älteren Damen ihr wohlwollend zugenickt hatten, und Emilie ihr nur einen verwunderten Blick nachgesandt hatte, stand Geneviève nun in der Eingangshalle. Wohin nun? Sie überlegte-hatte ihr die neue Freundin vorhin nicht erzählt das man irgendwo auf dem Gut einen kleinen See hatte? Dort würde sie hingehen und die Natur genießen. Also auf, auf! Lachend wie ein kleines Mädchen lief sie aus der Eingangstür in den Vorgarten. Ein Knecht lief gerade über den Vorplatz und ohne Scheu fragte sie ihn nach dem Weg zum See. Als Geneviève ihn dann erklärt bekommen hatte- er lag ein ganzes Stückchen vor dem Eingangstor und der Allee- machte sie sich auf den Weg. Die Sonne schien, die Lupinen und der Klatschmohn blühten am Wegesrand und Ostpreußen hätte sich nicht schöner zeigen können als an so einem Tag, an dem die Jugend sich an sich selbst erfreut. Kapitel 3: Das Wiedersehen -------------------------- Geneviève hatte endlich den See erreicht. Oh wie war es schön hier! Überall blühten Blumen, einige Weiden hingen ihre langen Äste und Blätter in das dunkelblaue Wasser hinein. Vögel sangen ihre Lieder. Die Sonne schien- oh ja, Genevieve war glücklich. Wo in Berlin fand man denn schon solch idyllische Plätze?Am Wannsee etwa? Nein, sie musste lachen bei diesem Gedanken. Ja auf ihrem eigenen Gut, auf ihrem geliebten Gut Troßburg da schon! Auch wenn man solch einen See dort nicht besaß, doch man hatte einen Wald mit wunderschönen Lichtungen und Blumen, man hatte Koppeln voll erlesener Trakehner und auch das Haus mit seinem Rosengarten stand diesem hier in nichts nach. Genevieve hatte einen Steg entdeckt. Er war auf der anderen Seite, ihr war warm, und sie beschloss ihre Füße ein wenig baumeln zu lassen. Also machte sie sich auf. Ihrer Schuhe und Socken entledigt lief sie durch das Gras, machte immer wieder halt um sich nach diesen oder jenen Blumen zu bücken und hatte bald einen stattlichen Strauß zusammengesammelt. Als sie sich dann auf dem Stege niederließ ihre kleinen Füße ins Wasser tauchte und in die Gegend blickte, da hätte Genevieve mit niemandem tauschen mögen. Sie entdeckte etwas weiter entfernt an einer seichten Stelle des Sees ein Storchenpaar, eines von vielen wie es sie nur im Osten Deutschlands geben kann, das anscheinend auf Froschsuche war. Nein war das eine Idylle hier. Leise, das es wie kleine Silberglöckchen klang, lachte sie vor sich hin. Dann nahm Genevieve den dicken Blumenstrauß und begann einen Kranz zu flechten. Dabei kamen ihr ihre Lieblingslieder auf die Lippen. Und weil sie sich allein und unbeobachtet wußte, trällerte sie eines nach dem Anderen, das Heideröslein, die Linde, und was ihr bei ihrer guten Laune noch alles in den Sinn kam. Als sie den ersten Kranz beendet hatte, setzte sie ihn sich auf den Kopf und beschloß auch einen für Emilie zu flechten. Nikolas und Andreas hatten sich in Insterburg getroffen. Da sie in einer Garnison waren, hatte sich zwischen ihnen seit Jahren eine tiefe brüderliche Männerfreundschaft entwickelt. Sie unternahmen viel gemeinsam, gingen zusammen aus, feierten in Casinos von Königsberg und waren die beliebtesten Kameraden in ihrem Regiment. Andreas hatte Nikolas von seiner enttäuschten Schwester und Mutter erzählt, als sie erfahren hatten, das man dieses Jahr den Sommer über in Berlin bleiben müsse- wirklich eine unangehme Situation. Das Nikolas die Damen und seinen besten Freund auf sein Gut einlud war dann nur selbstverständlich und das man sich natürlich auch zur gleichen Zeit Heimurlaub nahm, bot sich nur an. Jetzt ritten sie in ihren schmucken Uniformen die Landstraßen entlang, nachdem man Insterburg hinter sich gelassen hatte. Normalerweise waren beide sehr unterhaltsam und immer zu Späßen aufgelegt, doch heute schienen die beiden Männer ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Nikolas war der Erste, der das Schweigen brach. "Andreas, wir reiten hier und schweigen uns an, obwohl wir doch sonst die Lustigsten und Lautesten sind. Ich will dir gern sagen was in meinem Kopf vor sich geht, ich wollte es dir schon längst erzählen den schließlich bist du mein bester Freund und weißt alles von mir und ich weiß ich kann dir vertrauen. Aber diesmal ist es nicht so einfach, da es auch dich betrifft, und deine Mutter." Andreas sah seinen Freund verwundert an. Das war doch sonst nicht seine Art? Nun, mal sehen was ihm auf dem Herzen lag-vielleicht könnte er ihm ja danach auch seine Sorge anvertrauen, die ihn schon den ganzen Weg beschäftigte. " Also Andreas, vielleicht ahntest du es ja auch schon aber ich....ich liebe deine Schwester. Schon seit sie mir damals vorgestellt wurde. Ich habe in Insterburg bei unserem bevorzugten Juwelier einen Verlobungsring für sie anfertigen lassen. Sobald wir auf meinem Gut angekommen sind und gespeist haben, werde ich bei deiner Mutter und ihr um ihre Hand anhalten. Nun was sagst du, alter Junge?" Andreas hatte sein Pferd zum Stehen gebracht. Das war es also! Nun, er hatte es wirklich schon lange geahnt, das die beiden sich etwas sein müssten, so wie seine Schwester und Nikolas sich immer anbblickten. Erfreut sagte er zu Nikolas, der auch sein Pferd anhalten ließ: " Oh ich wünsche dir alles Gute mein Freund. Das dir dies eine Last gewesen sein muss, mir zu sagen, verstehe ich-schließlich ist Geneviève meine Schwester. Aber sei dir versichert, das sowohl ich und mein Vater, sowie Mutter und Geneviève, dieser Verbindung herzlich zustimmen werden!" Lachend reichten sich die beiden die Hände. Man beschloß gegen Abend auf Brüderschaft anzustoßen, natürlich aber vor Allem auf die Verlobung. Nikolas bat Andreas schon einmal vorzureiten, er wolle sich noch einmal kurz sammeln und allein sein. Der Freund tat ihm den Gefallen. Langsam ritt Nikolas seinem Gut entgegen. Er hätte nicht gedacht, dass Genevieves Bruder so einfach damit zurecht käme, das er ihm seine einzige, überalles geliebte Schwester "wegnehmen" würde. Aber so war er-ein wunderbarer Kamerad, durch und durch. Nachdem er einige Zeit so in Gedanken in Richtung Heim geritten war, horchte er plötzlich auf. Er hörte eine zarte Mädchenstimme. Sie sang ein Lied, und zwar so wunderschön das es ihm durch Mark und Bein ging. Sie sang "Ich liebe dich so wie du mich", von Beethoven. Er versuchte herauszufinden von woher der Gesang kam. Da bemerkte er, das der Gesang von seinem eigenen kleinen See kam! Er sprang ab,band seinen Trakehnerwallach an einen Baum und ging langsam auf den See zu-jedoch so, dass er nicht gesehen werden konnte. Als Nikolas dann durch die Büsche spähte---was für einen Freudensprung machte sein Herz da! Es war Geneviève, die wie eine Elfe an dem kleinen Steg saß, mit einem Blumenkranz im Haar, die goldblonden Haare geöffnet und lockig auf ihre Schultern fallend. Sie sang und sah dabei so frei und glücklich aus! Das Herz ging ihm auf bei all ihrem Liebreiz. Er beschloss zu ihr zu gehen und seine Braut zu überraschen und sogleich mit Heim zu nehmen, auch wenn es Nikolas furchtbar Leid tat, dieses reizende Schauspiel zu beenden. Leise schlich er sich an, bis er ganz nah hinter Genevieve stand, und sagte: "Meine kleine liebe Elfe, bitte singe auch in Zukunft solch schöne Lieder für mich!" Genevieve schwieg sofort und fuhr erschrocken um. Sie blickte in Nikolas liebes Gesicht, wie er sie aus seinen stahlblauen Augen ansah, und errötete zutiefst. Oh wie peinlich! Wie hatte sie sich nun vor ihm blamiert! Er würde denken, das sie noch ein kleines Kind sei, ein Mädchen das singt und Blumen pflückt anstatt sich in den Ernst des Lebens zu fügen! Nein, das wollte sie nicht mitansehen, das er sie ob ihrer Kindereien auslachte, da nahm sie lieber Reißaus! Blitzschnell hatte sie Schuhe und Strümpfe zur Hand und wollte gerade losstürmen, als sie merkte wie Nikolas sie am Arm festhielt. "So lauf doch nicht weg meine liebe Genevieve. Schäme dich nicht! Komm und sieh mir in die Augen-lache ich etwa? Nein, denn es war nichts Lächerliches in deinem Tun-du hast mir die Sonne in mein Herz scheinen lassen! Und du hast mir noch einmal bestätigt was ich schon längst wusste- das du diejenige sein wirst, die ich zu meiner Frau machen werde. Nicht wahr? Du bist mir doch auch gut? Ich habe doch richtig gelesen in deinen Gesten und Blicken, das ich dir mehr wert bin als nur ein guter Freund?" Fragend blickte er sie an. Da hob Geneviève dihr Gesicht, rot vor verhaltener Freude. Meinte er es wirklich ernst? Nein er scherzte ja nur, so schnell könnte ihr Wunsch doch nicht erfüllt sein,oder? Aber ja, er meinte es todernst, in seinem Gesicht zeigte sich nichts Scherzhaftes. Da lächelte Geneviève und sagte leise: " Aber Nikolas, wie kannst du fragen? Du hast es doch soeben selbst gesagt, das du die Zeichen richtig gedeutet hast. Natürlich will ich deine Frau werden...Oh, so lange schon, seit ich dir vorgestellt wurde schwärmte ich für dich, und seit einiger Zeit weiß ich, dass es nicht bloß Mädchenschwärmerei, sondern Liebe ist die ich für dich empfinde. Ich nehme mit mit meinem ganzen Herzen und meiner Seele an!" Glücklich sahen sich die beiden verliebten Menschen an. Dann nahm Nikolas Geneviéve in den Arm, und holte sich den ersten Kuss von ihren rosigen Lippen, es folgten sogar noch einige mehr. Danach hob er sie in seine Arme und trug sie zu seinem Pferd um zum Gut zurück zu reiten, es war nämlich inzwischen schon recht spät und Zeit für das abendliche Diner geworden. Im leuchtenden ostpreußischem Abendrot ritten sie gemeinsam dem Gut entgegen. Kapitel 4: Neider ----------------- Geneviève und Nikolas waren nicht allein am See gewesen. Noch jemand hatte die elfengleiche Sängerin und die Küsse der beiden beobachtet: Georg von Teuteburg, Carolinas Bruder. Erregt wanderte er in seinem Salon auf und ab. Ständig hatte er Genevièves Bild vor Augen, wie sie dort auf dem Steg gesessen und so wunderschön und feengleich gesungen hatte, mit den Blumen im Haar. Er hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt zu dem kleinen See zu reiten, zumal dieser ja nicht mehr zum Besitz der Teuteburgs gehörte. Doch sein Land grenzte an das der Livenlands, und da die Verwalter seinem Vater berichtet hatten, das an der nordwestlichen Grenze Wildschweine ihr Unwesen trieben, hatte Georgs Vater ihn kurzerhand dorthin gesandt um nach dem Rechten zu sehen. Der See lag in unmittelbarer Nähe, nur einen Steinwurf entfernt, und so war es unabwendbar gewesen, das Georg den Gesang Genevieves gehört hatte. Angezogen von den sonderbaren Melodien, die da über Wald und Flur klangen hatte er sich an den See geschlichen um gut verborgen zu entdecken wer oder was dort so herrlich musizierte. Außerdem verstanden sich die Oberhäupter beider Familien gut, sodass man keine Grenzzäune gezogen hatte. Er konnte also ungehindert näher treten. Als er sie erblickt hatte, erstarrte Georg. Einerseits vor Freude, denn er schwärmte schon lange für Genevieve. Andererseits vor Sorge und Misstrauen, denn was machte sie dort, am See seiner Nachbarn? Er wunderte sich sehr, denn das Gut der Troßburgs lag meilenweit entfernt, sodass man unmöglich zufällig in diese Gegend gelangen könnte. Außerdem hatte es gehießen das die Troßburgs aus geschäftlichen Gründen schon längst wieder in Berlin weilten. Aber Georg genoß den Gesang und beobachtete weiter. Wie oft hatte er Genevieve schon getroffen, auf Bällen in Berlin, auf Feiern und Debuts in Ostpreußen - doch nie hatte sie ihn auch nur eines Wortes gewürdigt oder ihm einen Tanz geschenkt. Georg von Teuteburg war ein ruhiger, ernsthafter Mensch, still und blaß. Braune Augen und braune Haare zierten seinen Kopf und sein Gesicht. Er war gut aussehend, gut gebaut, kultiviert und gebildet - aber eben ein stiller und in sich gekehrter junger Mann. Er entsprach einfach nicht Genevieves Naturell. Natürlich war sie ihm vorgestellt worden, doch er schien ihr so unscheinbar und hatte so wenig Eindruck bei ihr hinterlassen, das man ihn schlichtweg vergessen hatte. Nikolas und Andreas waren da aus einem ganz anderen Holze geschnitzt-wortgewandt,humorvoll,spontan,selbstbewusst und amüsant - doch auch mit ihnen hatte Georg nichts gemein. Er diente zwar in der selben Garnison wie die beiden auch, aber er zählte nun einmal nicht zu den begehrtesten Kameraden. Er hatte überhaupt sehr wenig Freunde. Eigentlich niemanden außer einem Cousin aus Danzig, den er jedoch selten zu Gesicht bekam, da er in Schlesien stationiert war. So hatte er seinen Gedanken nachgesonnen, bis plötzlich Nikolas auf dem Steg erschienen war. Erst war Genevieve erschrocken, doch dann machte sich Glück auf den Gesichtern der beiden bemerkbar. Und als sie sich dann auch noch geküsst hatten, da war es um Georgs Seelenfrieden geschehen gewesen. Auch wenn er nie wirklich mit ihr gesprochen oder getanzt hatte-es machte ihn glücklich sie still und heimlich lieben zu können, er wusste ja das sie niemandem versprochen oder zugetan war, denn sowas sprach sich sonst schnell in der Gesellschaft herum, und das gab ihm immernoch einen letzten Hoffnungsschimmer, sie eines Tages vielleicht doch besser kennen zu lernen und sie für sich zu gewinnen. Doch als er sie dann dort am See sah, Arm in Arm mit Nikolas von Livenland, da starb in Georg auch die letzte Hoffnung. Noch dazu kam es ihm recht absurd vor, denn Nikolas hatte sich in der letzten Zeit viel mit seiner Schwester Carolina getroffen, sie hatten Ausritte und Ausfahrten zusammen unternommen, natürlich nicht allein, es waren meist viele junge Menschen dabei, denn im Gegensatz zu Georg, war Carolina -obwohl sie seine Schwester war- eine sehr lautstarke junge Dame, egozentrisch, narzistisch und launenhaft, aber auch sehr amüsant und Wort gewandt. Sie kannte Viele und hatte viele Freundinnen, aber sie war dennoch ein ganz anderer Typ als Geneviève. Auch Carolinas Freundinnen gehörten nicht unbedingt zum Freundeskreis von Geneviève. Man kannte sich, aber man mochte sich nicht unbedingt. Von seiner Schwester hatte Georg jedoch erzählt bekommen, das Nikolas ihr unbedingt Avancen machte und das sie ihm durchaus nicht abgeneigt sei. Das beschwerte sein Herz noch mehr, denn trotz ihrer komplizierten Art, liebte Georg seine Schwester und wollte nicht, dass sie enttäuscht würde. So in Gedanken traf Carolina ihn an. Ohne anzuklopfen betrat sie seinen Salon, die Geschwister verstanden sich zu gut um sich mit solch "Nichtigkeiten" , wie Carolina es nannte, aufzuhalten. Ganz erstaunt blickte sie auf den Bruder, noch ernster als sonst sein Gesicht in Falten legte. "Brüderchen, was ist dir? Plagen dich Vaters Wildschweine so sehr? Oh Schwermut, oh schwermut..." lachte sie. Aber als sie bemerkte, das Georg ihr nur einen missmutigen Blick zuwarf, wurde es ihr doch zu Bunt. Manchmal musste sie ihren Bruder einfach aus seiner Melancholie wecken. "Georg, nun setze dich zu mir auf das Sofa, ich schenke dir einen Cognac ein, und mir genehmige ich auch einen, falls du nichts dagegen einzuwenden hast! Ist ja nicht mit anzusehen wie du dich heut wieder gehen lässt! Eine alte Witwe hat mehr Frohsinn als du mit deinen 27 Jahren!" Ihre grünen Saphiraugen blitzten als sie sprach und ihre mahagonifarbenen Locken bebten. Sie war schön, viele Männer lagen ihr zu Füßen, sie hatte porzellanweiße Haut und eine wunderschöne Figur. Sie hatte etwas rassiges und das zeigte sie auch. Sie spielte gern mit den Männern, es machte ihr einfach Spaß. Nur wenn es um ihren Bruder ging dann war sie oft ernst. Heute verspürte sie jedoch keine Lust auf ernste und langwierige Gespräche. Sie trank genüsslich ihren Cognac und hatte sich eine Zigarette angezündet. Mondän nannte sie es wenn sie sich so gab, ihre Mutter nannte es schlicht und ergreifend anstößig. Aber Carolina hatte ihren eigenen Kopf und ihre Mutter kaum Durchsetzungsvermögen. Während sie so da saß und Georg dazu nötigte sich einen Cognac einzuverleiben, stellte dieser plötzlich ruckartig das Glas ab, so das es überschwappte und fragte seine erschreckte Schwester, die solche Gefühlsausbrüche nicht von ihm kannte: "Carolina-bitte sage mir frisch und frei, was du für Nikolas von Livenland empfindest!" Schon wieder lachend antwortete sie: "Haha, aber Brüderchen bist du etwa eifersüchtig auf den guten Nikolas? Das brauchst du nicht zu sein, du stehst bei mir immer an erster Stelle!" Traurig erwiderte er: "Kannst du nicht einmal ernst bleiben Carolina? ich bitte dich um eine ehrliche Antwort und du amüsierst dich über mich..." Da begriff sie, das etwas ihn bedrücken musste, was mit ihr und Nikolas zusammenhing und frei heraus sagte sie: "Nun Georg, ich habe Gefallen an ihm gefunden, sogar großen Gefallen. Und ich denke ihm geht es genauso. Und ich denke, schon beim nächsten Ball in einer Woche wird er..." "Du irrst, Schwester. Du irrst dich sogar sehr", unterbrach er sie. Sie tat ihm leid, als sie ihn daraufhin mit großen Augen fragend anblickte. Georg wollte seiner Schwester nicht weh tun. Aber er konnte ihr das Gesehene nicht verschweigen. "WAS meinst du damit Georg??? Drücke dich bitte klarer und deutlicher aus! Gibt es da etwas was ich besser wissen sollte?" Nun wurde Carolina zornig. Ihre Augen funkelten vor Erregung und die Hand, die das Glas festhielt, zitterte. Während ihr Bruder berichtete, was er Stunden zuvor am see gesehen, fraß sie ihr Zorn inenrlich fast auf. Als Georg geendet hatte sprang Carolina auf. Sie schrie fast als sie ihm entgegnete: " Oh nein Bruderherz, so einfach kommen uns die beiden nicht davon! Ich mochte Geneviève noch nie leiden, diese falsche Schlange!" Schnell zündete sie sich eine neue Zigarette an und ging dann wütend vor sich hin lamentierend, wie zuvor auch schon Georg durch dessen Salon: "Sie wird mich kennenlernen! Nicht nur das sie meinem geliebten Bruder das Herz bricht-nein, sie wagt es auch noch mir meinen Mann wegzunehmen, MIR!-ich die Nikolas schon von Kindesbeinen an kennt, der mir Avancen gemacht hat!!! Ja Georg, sieh mich nicht so schockiert an wie ein Dackel, ich ahnte schon lange das du Genevieve liebst! Doch sie hat dich von Anfang an verschmäht! Sei einmal Manns genug, zeig ein einziges Mal das du ein wahrer Teuteburg bist und kämpfe! Kämpfe Georg hörst du??? Tu es für uns beide! lass dir das nicht gefallen! In einer Woche , Georg, in einer Woche!!!"Dann ließ sie den völlig verdutzen Georg einfach sitzen. Sie riß die Tür auf und ging hinaus, in ihre Schlafgemächer. Dort angekommen nahm sie das noch halbvolle Glas aus ihrer Hand, und schmiß es vor Wut in ihren Spiegel. Scherben bringen Glück. Sie können aber auch sieben Jahre Pech bedeuten... Kapitel 5: Verlobung mit Hindernissen ------------------------------------- Auf dem Gut der Livenlanders saß man freudig beim Diner. Man ließ den Abend eines schönen Tages ausklingen. Es hatte viel gutes zu Essen gegeben und alle hatten das Diner mit glänzenden Unterhaltungen und Gelächter verbracht. Als man nun zum Degistif überging, stand Nikolas plötzlich auf. Er hielt rief dem Dienstmädchen zu, es möge eisgekühlten Champagner bringen lassen. Als dies geschehen war, hob er sein Glas und begann eine Rede zu halten: " Sehr geehrte Frau von Troßburg, meine liebe Geneviève, Andreas, Mutter, Vater und Emilie. Zunächst einmal möchte ich sagen wie dankbar ich bin diesen Tag mit euch allen verbracht haben zu dürfen. Das allein wäre schon Grund genug für eine feierliche Rede, doch es gibt noch etwas das ich euch unbedingt mitteilen möchte. Liebe Frau von Troßburg, da ihr werter Herr Gemahl nunmal leider nicht anwesend sein kann, sind sie momentan das Familienoberhaupt. Und deswegen wende ich mich an sie. Ich muß ihnen gestehen, dass ich ihre Tochter Geneviéve liebe, und zwar aufrichtig und von ganzem Herzen. Ich weiß, das auch sie mir gut ist. Und so haben wir beschlossen uns zu heiraten. Ich halte hiermit ganz offiziell um die Hand Ihrer Tochter an. Und ich verspreche, dass ich sie immer beschützen und sehr gut für sie sorgen werde, Sie wissen, es wird Geneviéve an nichts fehlen. Das einzige was uns momentan noch fehlt zu unserem Glück, ist ihr Einverständnis." Sophie von Troßburg saß da und konnte sich nicht rühren. Natürlich hatte sie es gewusst, dass ihre einzige Tochter einmal heiraten würde, und Nikolas wäre ein vorzüglicher Ehemann. Sie hatte es ja schon die ganze Zeit über geahnt, dass zwischen den beiden mehr war als nur höfliche Freundschaft. Dennoch rührte dieser formvollendete Heiratsantrag an ihr Herz. Nach einigen Minuten bedrückenden Schweigens, konnte sie ihren Kindern aber endlich die erlösende Einverständniserklärung geben. "Oh lieber Nikolas, natürlich stimme ich der Verlobung meiner Tochter mit Ihnen zu! Ich bin nur so gerührt. Es tut mir leid, sollte ich euch beiden mit meinem Zögern erschreckt haben. Sei herzlich willkommen in unserer Familie. Auch im Namen meines Gatten." Sie lächelte glücklich als sie die Freude der beiden Kinder sah. Herr von Livenland beschloss, man müsse natürlich sofort eine Bowle ansetzen lassen um auf die Familienzusammenführung anzustoßen. Als ein Diener eine saftige und sanft perlende Pfirsichbowle bringen ließ fielen sich die beiden Schwiegermütter in die Arme, auch Andreas und Nikolas -er und Genevieve vor allen Anderen-waren froh, von nun an eine Familie zu sein. Man war guter Dinge, war vergnügt und ausgelassen. Die Familien beschlossen schon am nächsten Tag mit den Hochzeitsvorbereitungen zu beginnen und zu planen. Denn es gab viel zu besprechen. Alle nahmen an den Gesprächen teil, nur Emilie blieb still. Sie war ja von Natur aus schon ein stilles Mädchen gewesen, aber heute abend stach sie noch mehr gegen die laute Runde der Anderen ab. Genevieve hatte sogar schon wieder ihre Anwesenheit vergessen. Emilie seufzte. Was war nur mit Andreas? Hatte er nicht auch gemerkt, dass er ihr mehr bedeutete? Hatte Genevieve nicht auch Andeutungen gemacht? Er habe ebenso eine Überraschung aus Insterburg für sie mitgebracht? Er hätte doch die Gelegenheit heute abend nutzen könne, und man hätte Doppelverlobung feiern können! Aber nein, sie hatte wohl zuviel erwartet. Traurig stand Emilie plötzlich von der Tafel auf, und ließ sich entschuldigen. Da erst bemerkte Genevieve in all dem Trubel, dass sie die Freundin ganz vergessen hatte. Und da sie schlau war, wusste sie auch was Emilie momentan so bedrückte. Leise bat sie Nikolas um ein Gespräch, und man trat aus dem Speisesaal hinaus auf die Terasse und in den Garten hinab. Unter der alten Eiche ließen sie sich nieder. Von weiter oben schimmerten die Lichter des Anwesens. An Nikolas geschmiegt, begann Genevieve ihr Anliegen hervorzubringen. "Mein Liebster ist es nicht ironisch?-Hier saß ich die letzte Zeit und habe deine Schwester über dich ausgefragt. Und nun muß ich dich auch etwas fragen, was sie betrifft." Sie zögerte leicht. "Sprich nur meine Elfe, sag mir was dir auf dem Herzen liegt!" "Nun Nikki...Sag mir, was ist mit meinem Bruder Andreas? Emilie mag ihn so sehr. Sie war wahnsinnig enttäuscht, dass mein Bruder sich nicht mit dir zusammengetan hat um uns beiden einen Antrag zu machen. Und ich verstehe es auch nicht. Ich glaube ich habe ihr sogar noch berechtigte Hoffnungen gemacht, das mein geliebter Bruder Emilie mag. Kannst du mir in dieser Situation weiterhelfen? Du kennst ihn in solchen Dingen bestimmt besser als ich..." Nikolas hatte aufgeregt zugehört. Nun sprang er erregt von seinem gemütlichen Plätzchen auf. "Was sagst du da? Bist du dir ganz sicher mein Liebling, dass du dich nicht irrst und Emilie Andreas nur als Freund sieht???" Als Genevieve den Kopf schüttelte, begann er ein wenig ratlos hin und her zu laufen. "Ich hatte ja keine Ahnung, wie es um meine Schwester steht. Nie hat sie sich etwas anmerken lassen. Und nun wurde sie so herb enttäuscht! Aber ich kann es nicht ändern, so sehr ich Emilie als meine Schwester liebe, ich kann Andreas nicht zwingen sie zu heiraten, nur weil er mein Freund ist. Oh, wenn du wüßtest Liebling, wenn du wüsstest..." "So rede doch Nikolas! Wovon weiß ich nichts? Gibt es eine andere Frau in Andreas Leben? Dann sag es mir, dass ich Emilie zerstreuen und ihr helfen kann!" "Nein Genevieve, so sehr ich dich auch liebe - das musst du mit deinem Bruder selbst ausmachen. Das kann ich euch beiden nicht abnehmen, das ist eine Sache zwischen euch beiden. Das verstehst du doch oder meine Elfe?" Zart umfasste er seine zukünftige Frau und streichelte über ihr blondes Haar. Im Mondschein sah sie aus wie eine Fee, und er war froh, dass er sie heiraten und sie nur ihm gehören würde. Traurig nickte Genevieve. Sie musste selbst mit Andreas sprechen, und das würde sie auch tun. Denn feige war sie nie gewesen. Auch wenn es ihr um Emilie leid tat. Aneinander geschmiegt küsste sich das frischgebackene Brautpaar sanft. Dann gingen sie wieder Arm in Arm den Lichtern entgegen. Etwas später saß Genevieve in ihrem Ankleidezimmer und bürstete sich ihre goldenen Locken. Ein wenig eitel war sie ja schon, dass sie schön war konnte niemand leugnen, und so verwand sie einige Stunden des Tages auf ihre Körperpflege. Aber heut nacht war sie nicht ganz bei der Sache. Sie wartete, dass Andreas zu ihr kam, sie hatte ihm durch ihre Zofe eine Nachricht zukommen lassen, er möge vor dem zu Bett gehen unbedingt noch einmal bei ihr hereinsehen. Wie lang er nur brauchte! Schrecklich! Endlich klopfte es und sie bat ihn herein. Lächelnd setzte sich Andreas auf einen Divan im Ankleidezimmer und zündete sich eine Zigarette an. Gespannt blickte er seine Schwester an. Nikolas hatte wirklich Glück sie zu heiraten. Wenn es bei ihm nur auch so glatt gehen würde...Nervös begann er das Gespräch. "Nun Schwesterherz? Was möchtest du von deinem alten Bruder? Ist es etwas wichtiges?" Genevieve legte langsam die Bürste ab, dann drehte sie sich um und begann zu fragen. "Andreas du weißt ich liebe dich überalles mein Bruder. Ich muss dich heute etwas fragen, was dein Lebensglück betrifft. Bitte sage mir frei heraus, ob es für dich eine Frau im Leben gibt, so wie für mich Nikolas. ich muß es wissen." Er zögerte einen Moment, dann lachte er. "Oh Schwesterchen, da du jetzt verlobt bist, erträgst du es da nicht, das deinem Bruder nicht das gleiche Glück zuteil wird?" Er stand auf und umarmte sie, dann fuhr er fort. "Nun, wenn du es genau wissen willst - ja es gibt eine, aber wer sie ist verrate ich dir nicht, und wenn du noch so sehr bettelst und bittest, oder irgendwelche gemeinen Tricks anwendest. Ich sage nur eins noch dazu, und zwar, dass du es nächstes Wochenende beim Herbstball erfahren wirst wer meine Auserwählte ist. Bis dahin musst du dich gedulden...Ich sage dir aber, es ist mit Sicherheit nicht deine neue Freundin Emilie!" Schnell streichelte er ihr über den Kopf und ging dann ohne die Antwort seiner Schwester abzuwarten, hinaus. Ratlos und dennoch neugierig blieb sie allein in ihrem Ankleidezimmer sitzen. Nun gut, sie würde ja sehen, ob sie es vor dem Herbstball noch herausbekommen würde...Was für ein Verlobungstag. Einerseits schön, andererseits aber auch mit erschreckenden Erkenntnissen. Kapitel 6: Der Ball ------------------- Die Woche war schnell vergangen. Genevieve hatte tatsächlich nichts aus ihrem Bruder herausbekommen. Sooft sie ihn versuchte auszufragen, sooft sie auch Nikolas bedrängte zu reden-sie fand es nicht heraus. Wer sollte die Glückliche sein, die Andreas ehelichen wollte? War es vielleicht sogar ihre Freundin Johanna von Faber, die ihr ihren Besuch beim Herbstball mitgeteilt hatte? Tausend Namen passender Partien gingen ihr durch den Kopf. Und jedesmal wenn sie Emilies traurige Augen sah oder ihr versuchte klarzumachen, dass ihr Bruder vielleicht doch nicht der Richtige für sie sei und sie sich da in etwas verrannt hatte, bat Emilie sie mit ihrem Blick doch wieder herauszufinden was mit Andreas war. Genevieve brachte es nicht über ihr Herz, Emilie zu sagen, dass es eine Andere gab und was ihr Bruder gesagt hatte als er vor einer Woche abends ihr Ankleidezimmer verlassen hatte. Zum ersten Mal war sie feige. Nun war es also soweit. Noch ein paar Stunden, dann würde sie wissen wer die Auserwählte war. Oh, hoffentlich war sie nett! Ihre Zofe kleidete sie gerade an. Genevieve würde ein wünderschönes dunkelblaues Seidenkleid mit goldumwebten Brüsseler Spitzen tragen. Es passte perfekt zu ihren blauen Augen. Als Schmuck trug sie Saphire und in ihren aufgesteckten Haaren steckten blaue Kornblumen. Sie sah aus wie die Töchter des russischen Zarens, ebenso schön. Das Korsett musste noch enger geschnürt werden, Anna, ihre Zofe gab sich redlich Mühe, Genevieve so gut wie sie konnte die Luft zum Atmen weniger werden zu lassen. Als sie dann endlich bereit war, ging sie die Treppen der Eingangshalle hinunter, wo sie schon von ihrem Verlobten erwartet wurde. Mit strahlenden Augen blickte er seiner außergewöhnlich schönen Frau entgegen. Er sah auch sehr gut und schneidig in seiner Ausgehuniform an. Er bot ihr den Arm und brachte sie zur Kutsche. In Gedanken verloren nahm auch Emilie den Arm von Andreas, der gar nicht bei der Sache war und vor lauter Nervosität zuerst in die Kutsche stieg, anstatt Emilie als Dame den Vortritt zu lassen. Das versetzte der ohnehin schon traurigen Schwester von Nikolas einen weiteren Stich ins Herz. Man schwieg sich an während der Fahrt, die Eltern waren in einem anderen Wagen und alle vier jungen Leute waren viel zu aufgeregt beziehungsweise traurig als das ausgelassene Stimmung aufkommen wollte. Als man das Opernpalais in Insterburg erreichte, besann sich Adreas zwar wieder seiner guten Manieren, aber das half auch keinem. Eine ungeheure Spannung lag in der Luft. Als man den riesigen, von Kronleuchtern und Kandelabern erhellten Saal betrat wurden Genevieve und Nikolas sogleich von einigen ihrer Freundinnen und Kameraden umringt, die alle zur Velobung gratulieren wollten. Denn die Verlobungskarten waren schon zwei Tage später verschickt worden, außerdem war eine Annonce in der "Gartenlaube" erschienen. Somit wussten alle Bescheid. Danach machte man die Runde durch den Saal um restliche Gäste zu begrüßen. Nikolas führte Genevieve sogleich zu Carolina von Teuteburg. Diese stand mit ihrem Bruder Georg und ihrer besten Freundin Bianca von Mecklenburg-Strelitz in einer entlegenen Ecke und unterhielt sich. Auch sie hatte natürlich die Anzeige gelesen und eine Karte erhalten. Dementsprechend schlecht gelaunt war sie gewesen. Was hatten die Bediensteten heute am Tag des Balls nur leiden müssen. Carolina von Teuteburg war dafür bekannt nicht gerade sanft mit der Dienerschaft umzugehen. Dennoch hatte ihre eingeschüchterte Zofe ganze Arbeit geleistet. Die Schöhheit Carolinas stand der Genevieves nicht im geringsten nach. Sie hatte ihre mahagoniroten Locken aufstecken lassen und ihre grünen Augen standen in wunderbarer Harmonie zu den grünen Smaragden und dem grünen Samtkleid. Sie sah aus wie eine irische Königin. Die beiden feinen Damen spalteten sozusagen das Lager der Männer-welche war nun die Schönere? Carolina war die Rassigere von beiden, doch Genevieve dafür um Einiges anmutiger. Erstere schaute mitunter sehr mißmutig durch den Saal, so daß einige der anderen Damen erschreckt ihren Blick abwandten, denn niemand hat gern das Gefühl hasserfüllt angestarrt zu werden. Nur Genevieve hielt dem Blick stand. Sie hatte nichts für die herrische Carolina übrig und es kümmerte sie auch nicht, dass sie nicht zu deren Freundeskreis gehörte, im Gegensatz zu den meisten anderen Damen ihres Alters im Saal. Carolina musste sich natürlich stark zusammen nehmen um Nikolas und seiner Verlobten ihre Glückwünsche auszusprechen. Als die beiden vorüber gegangen waren seufzte sie entnervt auf und nahm sich sogleich von dem überall angebotenem Champagner. Dann setzte sie sich mit ihrer Freundin Bianca auf ein Sofa und begutachtete ihre Tanzkarte. Auf einmal lachte sie hell auf. "Sie nur Bianca meine Liebe, Andreas von Troßburg muss einen Narren an mir gefressen haben! Gleich 5 Mal hat er sich eintragen lassen, und sogar den Cortillon möchte er mit mir tanzen! Was sagst du dazu? Ob ich ihn etwas quäle und einige Tänze an jemand Anderes vergebe? Soll er doch dafür büßen, dass Nikolas jetzt mit seiner Schwester verlobt ist!" Bianca von Mecklenburg-Strelitz nickte hoheitsvoll zu Carolinas Worten. Man wank ein paar schneidige Offiziere zu sich, die 4 der 5 von Andreas eingetragenen Tänzen kurzerhand übernahmen, ohne gleich Gewissensbisse zu bekommen. Dann ging man einen kleinen Imbiss zu sich nehmen. Etwas später spielte die Kapelle bereits zum Tanz. Ein Walzer. Während sich die anderen Paare schon auf dem Weg zur Tanzfläche machten, ließ Carolina Andreas einfach stehen und ging mit Oberst Sesemann davon um mit ihm ihre Runden zum Takt der Musik zu drehen. Andreas stand da wie vom Donner gerührt! Um sich nicht vollends zum Gespött der Leute zu machen, ging er zu Emilie, mit der niemand hatte tanzen wollen. Sie war eben zu sehr graue Maus. Kaum einer bemerkte ihre Anweseneit. Zwar freute sie sich mit ihrer heimlichen Liebe zu tanzen, aber dennoch spürte Emilie, das er sie nicht von Herzen gern aufgefordert hatte. Nach einem weiteren Tanz, diesmal mit Genevieves Freundin Johanna von Faber, begann das gleiche Spiel von vorn, Andreas stand wieder allein da und tanzte erneut anstatt mit Carolina, mit Emilie. Zweimal wiederholte sich dieses Spiel noch. Das Resultat war, dass Andreas innerlich vor Wut überkochte, während Emilie sich doch wieder etwaige Hoffnungen machte. Dann kam der Cortillon. Und diesmal tanzte Carolina mit ihm. Rote Rosen war der Blumenstrauß ihrer Wahl gewesen. Sie passten vorzüglich zu ihrer Haarfarbe und der ihres Kleides. Nikolas und Genevieve tanzten diesen Liebestanz natürlich auch miteinander. Emilie war ganz bedrückt das Andreas auf einmal mit einer Anderen tanzte. Sie musste mit Georg, dem Bruder Carolinas vorlieb nehmen. Als dann die Paare über das Parkett schwebten begann man unter sich natürlich während des Tanzes leise zu plaudern. Auch Andreas flüsterte mit Caroline und beide sahen nicht sehr erfreut dabei aus. " Was sollte das vorhin Caroline? Wieso haben Sie mich vor allen anderen Gästen derart in Verlegenheit gebracht? Meinen Sie ich wäre einer ihrer leichtfertigen Verehrer? So irren Sie sich, Sie irren sogar sehr!" Man merkte das Andreas noch immer zutiefst erregt war über die Geschehnisse des Abends. Doch Caroline schien das nicht recht zu interessieren. "Und denken Sie, das ich nachdem mir ihre Schwester in schändlichster Weise meinen Mann weggenommen hat, noch irgendetwas mit der Familie von Troßburg zu tun haben möchte!? Im Gegenteil ich spucke auf Sie und ihre ganze Familie, ich tanze ja überhaupt nur mit Ihnen damit ich Ihnen das auch mitteilen kann!" Da platze Andreas der Kragen. Fest griff er in Carolinas Handgelenke, so dass sie leise aufschrie. Gottlob hörte dies bei der Musik der Kapelle niemand. In seinen Augen funkelte es wutentbrannt. Immer stärker drückte er zu. Dann herrschte er sie mit zusammengebissenen Zähnen an: "Hör mir mal gut zu du verzogenes kleines Biest! Merke dir, niemand, wirklich NIEMAND redet so über meine Familie, meine Schwester oder mich!Hast du das verstanden? Nikolas hat dich nie geliebt, und er hat dir auch nicht den kleinsten Grund zur Annahme gegeben, das du dies denken könntest! Doch du hast ihn dir nun mal in den Kopf gesetzt, und als verwöhntes, herrschsüchtiges Ding, das du leider Gottes nun einmal bist, dachtest du auch, du würdest ihn bekommen. Aber das hat leider nicht geklappt nicht wahr? Du schiebst die Schuld meiner Schwester zu, anstatt den Fehler bei dir selbst zu suchen! Aber gut, du möchtest das du und Nikolas eine Familie seid? Du wirst sehen, dieser eine Wunsch soll dir erfüllt werden, aber nicht in dem Sinne wie du es gern möchtest! ich hätte es gern auf andere Art und Weise getan, aber du zwingst mich zu härteren Maßnahmen!" Erschreckt blickte Carolina ihn an. Ihre Handgelenke schmerzten schrecklich unter seinem harten Griff, und er hatte mit seinen Worten genau ins Schwarze getroffen, dennoch wagte sie angesichts seines Gemütszustandes nicht zu widersprechen. Als der Tanz endete, hoffte sie sich endlich von Andreas entfernen zu können, doch er hielt sie an einer Hand mit eiserner Kraft fest. Als einige Diener wieder Champagner herumreichten, nahm er sich zwei Gläser, reichte ihr eines, nahm sich einen Löffel und ließ den Klang des Glases durch den Tanzsaal klirren. Alles wurde ruhig und blickte in seine Richtung. Dann begann Andreas seine Rede. " Liebe Gäste, meine lieben Freunde und meine liebste Mutter. Ich weiß, dass dies nicht mein Fest ist und ich möchte mich nicht aufdrängen. Doch es gibt noch einen weiteren Grund zum Feiern. Fräulein Carolina von Teuteburg hat soeben darin eingewilligt, meine liebe Frau zu werden. Darauf lasst uns unsere Gläser erheben! Sehr zum Wohl!" Damit hielt er sein Glas in die Höhe und stieß dann gegen das der völlig weiß und starr gewordenen Carolina. In einer Ecke des Saales fiel das Glas von Genevieve aus deren Hand und ging zu Bruch. In der anderen Ecke des Saals fiel Emilie von Livenland in Ohnmacht. Kapitel 7: Der Schock --------------------- Genevieve traute ihren Augen und Ohren nicht. Andreas, ihr überalles geliebter Bruder wollte ihre ärgste Feindin heiraten? Wie kam er bloß dazu? Wieso hatte sie nichts geahnt? Wieso hatte er ihr nichts verraten? Da fiel ihr Blick plötzlich in eine andere Ecke in der sich die Menge versammelte. Sie eilte dazu und sah Emilie wie sie ohnmächtig auf dem Boden lag und Georg, den Bruder Carolinas der neben ihr kniete und versuchte sie wieder aufzuwecken. Genevieve durchfuhr es wie im Schmerz die Freundin tat ihr auf einmal unsagbar leid, denn schließlich liebte sie Andreas ja aus vollem Herzen. Gerade die stille, ruhige Emilie hatte es am schlimmsten getroffen. Genevieve warf einen Blick auf ihren Bruder der immernoch Carolina am Arm hielt, die in ihrem Zorn oder ihrer Verzweiflung noch schöner aussah als sonst. Er schien lebhaft aber leise auf sie einzureden. Wieso hatte er das nur getan? Sie konnte es sich einfach nicht erklären, sie würde ihn später wenn sie wieder bei den livenlands daheim wären darauf ansprechen. Genevieve kniete sich nun zu Georg und hielt der armen ohnmächtigen Freundin Riechsalz unter die Nase. Endlich schlug sie die Augen auf und sah Georg und Genevieve mit großen Augen an, als wüsste sie nicht was geschehen war. Doch schon im nächsten Augenblick verzog sie gequält das Gesicht und wandte sich ab. Die Feier war nun allen leidlich verdorben und man brach bald auf. Genevieve und Nikolas stützten Emilie und brachten sie zur Kutsche. Andreas war weit und breit nicht zu sehen. Wahrscheinlich sprach er immernoch mit Carolina. Auch ihre Eltern schienen nicht da zu sein, vielleicht standen sie auch noch immer im Ballsaal und beratschlagten sich. Doch das alles kümmerte Nikolas und Genevieve im Moment herzlich wenig, man sah nur zu so schnell wie möglich nach Haus zu kommen damit Emilie sich niederlegen und ausruhen konnte. "Sie schläft jetzt Liebster, der Arzt hat ihr etwas zur Bruhigung verabreicht.Mach dir keine Sorgen. Deine Schwester ist zwar sehr empfindsam, aber auch darüber wird sie irgendwann hinwegkommen." Seufzend ließ sich Genevieve neben Nikolas fallen. Beide trugen noch immer ihre Ballkleidung und sahen sehr erschöpft aus. Nachdem sie eine Weile schweigend aneinander gekuschelt dagesessen hatten, sprang Nikolas plötzlich auf. "Ich verstehe deinen Bruder nicht Genevieve! Wir sind beste Freunde, wieso hat er mir nichts davon gesagt??? Hätte ich das alles gewusst, hätte ich meiner Schwester ein großes Leid ersparen können, ihr wisst doch beide wie zart sie ist. Und noch dazu Carolina von Teuteburg, die herrschsüchtigste Person unter der Sonne. ich gebe zu sie ist eine Schönheit, aber sie und Andreas passen doch gar nicht zusammen. Ich weiß gar nicht wie er sich das Leben mit ihr vorstellt! Er wünscht sich doch sicher auch glücklich zu werden, so wie wir beide meine Liebste. Ich versteh das alles nicht...nein absolut nicht..." Aufgebracht goß Nikolas sich und seiner Verlobten einen Cognac ein und begann zu rauchen. Genevieve saß da, rauchte ebenfalls udn trank und versuchte immer wieder zu verstehen, was heute Abend geschehen war, aber sie konnte es selbst nicht begreifen. Sie und ihr Bruder waren ein Herz und eine Seele, jeder hatte jedem alles erzählt was ihn bewegte. Und nun sowas. Sie wusste, diese Heirat, sollte sie wirklich zu stande kommen, würde das gute Verhältnis zu ihrem Bruder erheblich beeinträchtigen. So in Gedanken versunken, ging plötzlich die Eingangstür. Das mussten sie sein! Schnell gingen Nikolas und Genevieve in die Halle, Andreas und die Eltern waren zurückgekehrt. Fragend und anklagend blickte Genevieve zu Mutter und Bruder. Doch die Mutter sah sogar recht zufrieden aus. Sie lächelte und wünschte den Kindern eine angenehme Nachtruhe, dann begab sie sich sofort nach oben. Andreas stand seiner Schwester und Nikolas gegenüber. Sein Blick war ernst aber auch irgendwie stolz. Nach einer Weile sagte er: " Nikolas kann ich dich bitte einen Moment sprechen? Lass uns bitte in dein Arbeitszimmer gehen. Ich denke es gibt vielesm über das wir uns unterhalten sollten." Nikolas nickte und ging voran. Andreas folgte, Genevieve blieb allein zurück. Waren denn plötzlich alle verrückt geworden?Sie beschloss wieder hinauf zu Emilie zu gehen und an ihrem Bett ein wenig zu wachen, außerdem konnte sie dort oben sitzen und nachdenken. Noch dazu war sie äußert neugierig was Andreas wohl Nikolas zu sagen hätte, wieso war er bloß nicht zuerst zu ihr gekommen, sie war doch seine Schwester! Es ärgerte Genevieve auch ein wenig, besser noch es machte ihr Angst, Angst davor wie der Bruder erst sein würde wenn er und Carolina verheiratet waren, denn von deren schlechtem Einfluss auf Andreas war Genevieve 100%tig überzeugt. "Andreas wieso hast du das getan??? Du bist doch mein bester Freund von Kindesalter an! Ich kann nicht glauben was du heute abend gemacht hast, du hast mich und deine Schwester regelrecht schockiert und meine Schwester an den Rande eines Nervenzusammenbruchs getrieben! Was in Gottes Namen willst du mit einer Frau wie Carolina??? Sie wird dich ins Unglück stürzen glaube mir! Das kann doch einfach nicht dein Ernst sein, nein bitte sag mir das du uns allen einen äußert bösen Scherz gespielt hast!" Nikolas war außer sich. Er tobte, so sah man ihn selten und mit Andreas stritt er normalerweise so gut wie gar nicht mehr seit sie aus ihren Lausbubentagen heraus waren. Doch diese Sache hatte ihn zutiefst getroffen. Zum einen weil Andreas ihm mit keinem Wort etwas verraten hatte und zum anderen, und das wog noch viel mehr, weil Andreas seine Schwester zu tiefst gekränkt hatte. Dieser jedoch blieb die Ruhe selbst. Er wartete geduldig ab bis Nikolas sich ausgepoltert hatte und blickte ihn dann für einen Moment lang schweigend an. Dann begann er seine Sicht der Dinge zu erklären. "Mein lieber Nikolas, natürlich sind wir seit dem Kindesalter Freunde. Du bist mein bester Freund und du wirst es auch bleiben es sei denn du hast von nun an etwas gegen mich und möchtest unsere Freundschaft beenden. Dann kann ich nichts tun als dies enttäuscht aber schweigend hinzunehmen. Doch hör mir erst einmal zu. Ich versichere dir mein Lieber, ich habe Emilie niemals irgendwelche Hoffnungen gemacht. Sie war für mich eine sehr gute Freundin, eben die Schwester meines besten Freundes, ich schätze sie und ihren Charakter sehr, ich respektiere sie in vollstem Maße und es war gewiss nicht meine Absicht ihr weh zu tun. Aber es ist nun mal so das diese Art von Frauen wie deine Schwester eine ist, nunmal nicht meinen Geschmack treffen. Ich brauche eine Frau die mich reizt, um die ich kämpfen muss, der ich zeigen kann wer der Herr im Haus ist ohne das sie vor Schreck gleich in sich zusammenfällt, verstehst du? Und genau das ist Carolina. Nicht nur das sie eine Schönheit sondergleichen ist, nein, sie entspricht auch genau meinen Vorstellungen!" Dann lachte er kurz auf und fuhr fort "denkst du denn Carolina heiratet mich gern? Nein bewahre, das tut sie nicht, aber genau darin liegt der Reiz. Wir werden uns streiten und wieder vertragen und die Versöhnungen werden voll von Leidenschaft sein, solche Frauen wie Carolina die sind wie Feuer, sie brennen vor Leidenschaft,und irgendwann wird sie merken das es ebenfalls genau das ist was sie sich von einem Mann vorstellt. Was meinst du wie sie sich vorhin gewehrt hat, wie sie zähneknirschend und wütend mir die übelsten Beleidigungen ins Ohr zischte, von denen keine auch nur der einmaligen Aussprache einer Dame eigentlich würdig wären. Aber das stört mich nicht. Ich werde sie mir schon erziehen und zämen. Verlass dich drauf. Und bitte, ich werde mit Genevieve auch noch einmal reden und es ihr ebenfalls erklären, zwar etwas milder ausgedrückt aber so das sie weiß was ich meine. Genevieve wusste ja ebenfalls das ich Emilie niemals heiraten wollte. Und mit Emilie muss ich auch einmal unter vier Augen sprechen sobald sie sich erholt hat. Ich hoffe sie verzeiht mir, aber wie ich ihr Gütiges Wesen kenne wird sie das tun ohne eine Miene zu verziehen. Und nun entschuldige mich bitte Nikolas, ich bin sehr erschöpft der Abend war selbst für einen jungen Soldaten wie mich sehr anstrengend. Bitte empfehle mich meiner Schwester und fasse kurz meine Gründe zusammen und richte ihr aus ich werde morgen mit ihr sprechen. Gute Nacht mein Freund und bitte versteh mich und denk über meine Worte nach. Wir beide reden dann morgen. Ich warte auf dich bei den Ställen. Solltest du nicht kommen, sehe ich unsere Freundschaft als beendet. Bist du da weiß ich das du einsiehst und verstehst wie meine Lage ist. Und nun schlaf gut." Nikolas hatte schweigend zugehört und genickt. Dann wünschte er Andreas ebenfalls eine Gute Nacht und begab sich wieder hinunter in die Halle um Genevieve auszurichten was Andreas ihm aufgetragen hatte, doch er fand sie bei Emilie im Stuhl an deren Bett sitzend und schlafend. Er wollte sie nicht wecken, sie sah so goldig aus wie sie da saß den Kopf zur Seite und die goldenen Locken wirr im Gesicht. Es war auch für sie anstrengend gewesen. Von irgendwoher nahm er eine ddecke und legte sie ihr auf den Schoß, drückte ihr und seiner Schwester noch einen sanften Kuss auf die Stirn und begab sich dann ebenfalls in seine Gemächer. Kapitel 8: Die Rückkehr ----------------------- Carolina war außer sich.In ihr kochte ihr temperamentvolles Blut über.Andreas von Troßburg! Er! Wieso denn er, wie hatte er sie nur vor den ganzen versammelten Adligen und Gutsbesitzern der Region so bloßstellen können??? Er hatte direkt öffentlich bekannt gegeben das sie ihn heiraten werde und nun gab es kein Zurück mehr ohne sich aufs Äußerste vor der ganzen Gesellschaft bis in alle Ewigkeit lächerlich zu machen. Verzweifelt und wütend war Carolina, nachdem Andreas sie zurückgelassen hatte und mit dem Rest seiner Familie zum Gut der Lievenlands zurückgekehrt war, auf jedes erdenkliche Sektglas und später auch noch auf besonders schwere Gläser Portwein losgegangen, die sie nur erhaschen konnte. Als Folge daraus resultierte letzendlich das Johanna von Faber ängstlich Carolinas Bruder Georg herbeirief und die beiden sie, betrunken wie sie war, in ihre Kutsche setzen mussten. Johanna war dann mit ihren Eltern heim gefahren, Georg saß neben Carolina, die mehr auf den Sitzen lag als saß und unverständliches Zeug vor sich hin nuschelte. Georg betrachtete seine Schwester. Sogar in ihrem jetzigen Zustand war sie noch wunderschön. Er liebte seine Schwester abgöttisch und vertraute ihr in vollstem Maße. Aber heute abend verstand er sie nicht ganz. Er wusste zwar das die Schwester für Nikolas von Lievenland schwärmte, doch das dieser sich mit Genevieve von Troßburg verlobt hatte und nicht mehr zu haben war, war allseits bekannt. Und die anderen Junggesellen in Insterburg und Umgebung waren alles Tunichtgute seiner Meinung nach, sie waren alle dem Charakter und Temperament seiner Schwester unwürdig und nicht gewachsen. Nur bei Andreas war er sich nicht sicher. Er kannte ihn aus der Garnison und wusste das er auch sehr hart sein konnte und gern diskutierte. Davon bekamen die anderen Damen ja nichts mit wenn sie ihn auf Bällen oder Gartenpartys sahen. Ihm traute er als einzigem Mann noch zu mit seiner Schwester zurechtzukommen, abgesehen davon das er eine gute Partie für seine Schwester war. Wieso versuchte sie nicht das Beste daraus zu machen? Er seufzte. Auch er hatte seine erste große Liebe beim Eintreffen der Verlobungskarte damals begraben müssen. Genevieve war vergeben und Georg war kein Kämpfer, er fand sich eben mit der Sache ab so wie sie war. Er wollte keinen Ärger. Er war eben das Gegenteil zu seiner Schwester Carolina. Wo er so darüber nachdachte wem diese Verlobung nun alles Vor- und Nachteile gebracht hatte fiel ihm Emilie ein. Die arme Kleine! Sie war ja in Ohnmacht gefallen als Andreas im Ballsaal verkündet hatte zu heiraten! Noch ein gebrochenes Herz, das nicht so einfach verkraften konnte was passiert war. Er würde sie in den nächsten Tagen einmal besuchen gehen. Er wusste Emilie war eine ruhige stille Person die gut zuhören konnte, noch dazu jetzt eine Leidensgenossin, und das war es was er brauchte, das wusste er, Ruhe und ein Ohr das ihm zuhörte. Etwas zufriedener mit sich erreichten Georg und Carolina ihr Gut. Die Dienerschaft war höchst erregt als man das gnädige Fräulein so enartet in der Kutsche schlummern sah. Georg gab Anweisungen diskret und unauffällig seine Schwester in ihre Gemächer und zu Bett zu bringen, damit die Eltern nichts merkten. Dann begab auch er sich zur Ruhe. Denn Ruhe war ja genau das was er jetzt haben wollte. Natürlich war Nikolas am nächsten Morgen um 6 Uhr an den Ställen gewesen und war mit Andreas ausgeritten. Er hatte über dessen Worte nachgedacht und verstand ihn wirklich. Dafür waren die beiden auch zu gute Freunde als das sie sich davon die Hochzeit verderben ließen. Andreas hatte auch Genevieve nochmal alles erklärt, zwar etwas abgemildert doch so das es ihr eigentlich verständlich sein müsste. Doch seine Schwester war diesmal stur. Sie wollte nicht einsehen, das ihr Bruder mit ihrer ärgsten Feindin glücklich werden wollte, und sie hatte auch immernoch Angst das Andreas sich von ihr abwenden und außerdem unglücklich werden würde, aber Andreas sagte sich das seine Schwester eben mehr Zeit bräuchte als ihr sein bester Freund weil sie eine Frau war. Auch mit Emilie hatte Andreas gesprochen.Er hatte recht behalten, sie verzieh ihm, bat ihn nur sie nicht zu vergessen und nicht anders zu behandeln als früher. Emilie erholte sich. Sie war wirklich zart, aber eins half ihr dabei: die Besuche von Carolinas Bruder Georg. Er war am zweiten Tag nach der Ohnmacht bei den Lievenlands zu Haus erschienen und hatte sich zu ihr gesetzt und ihr seine Aufwartung gemacht. Dabei hatte er ihr einen Strauß weiße Lilien geschenkt und einen Gedichtband, damit sie sich während sie im Bett liegen musste nicht so schrecklich langweilen würde. Errötend und überrascht hatte sie die Geschenke mit Freude angenommen und ihn gebeten, ihr ein Weilchen Gesellschaft zu leisten. Das tat er gern und die beiden unterhielten sich über den Vorfall und über Gott und die Welt. Sie verstanden sich erstaunlich gut und bei beiden blieb die Frage offen weshalb man sich nicht schon früher so oft unterhalten hatte. Georg trug seine Bitte vor wiedeRkommen zu dürfen und Emilie willigte freudig ein, hatte sie so doch einen anregenden Nachmittag verbracht in seiner netten Gesellschaft. Seitdem kam er jeden zweiten oder dritten Tag, mal gingen sie im Garten spazieren, mal nahmen sie den Tee zusammen. Sie mochten sich wirklich. Emilie ging es recht schnell wieder gut und sie war auch nicht traurig oder dergleichen, obwohl es ihr manchmal schon noch einen kleinen Stich gab wenn Andreas seine Carolina, und das geschah zu Carolinas Ärger recht häufig, zum Tee oder Abendessen mitbrachte. Denn sie konnte ja nicht absagen, wie peinlich für ihre Familie oder Schwiegermutter wenn die Braut sich nicht blicken ließ. Denn bei aller Wut, Carolina war eine mustergültige Person was das auftreten in der Öffentlichkeit betraf. Nun gut, bis auf den leidigen Abend den alle gern verdrängen wollten. So kam es das diese sechs jungen Menschen mehr oder minder freiwillig ihre Tage in Ostpreußen miteinander verlebten. Aber auch die schönste Zeit auf den Lande geht irgendwann einmal dem Ende zu. So kam es, das bald alle drei Familien ihre Rückkehr nach Berlin vorbereiteten. Die jungen Leute freuten sich alle schon sehr auf die Heimkehr in die Reichshauptstadt, gab es dort doch einige Vergnügungsmöglichkeiten mehr als in Ostpreußen zur Sommerfrische. Es wurden noch allerlei Besorgungen erledigt, Mitbringsel für Freunde und Verwandte erworben und die letzten Reisevorbereitungen getroffen, dann wurde nach Berlin aufgebrochen. Die beiden Hochzeiten würden dann im nächsten Frühjahr wieder auf den Landsitzen der Livenlands und Troßburgs stattfinden, nachdem die übliche Verlobungszeit von mindestens einem Jahr vorüber war. Zurück in ihrer Villa Unter den Linden in Berlin atmete Genevieve auf. So sehr sie das Land während der Sommerzeit liebte, so sehr freute sie sich jedoch jedesmal wieder wenn sie zurück in der Großstadt war. Freudig entledigte sie sich ihrer Reisebekleidung und ließ Anweisungen geben ein Bad vorbereiten zu lassen um den Staub der anstrengenden Fahrt von sich zu schütteln. Ihr Bruder Andreas war nicht minder erschöpft und war auch bereits dabei sich zu erfrischen. Die ganze Dienerschaft hatte in der Eingangshalle gestanden um ihre wiederkehrende Herrschaft zu begrüßen. Man hatte auch ein Festmahl zum Diner bereitet. Doch das schönste für Genevieve und Andreas war gewesen den lang entbehrten Vater wieder in die Arme schließen zu können. Bei dessen Tochter waren sogar ein paar heimliche Freudentränen gekullert. Auch der Vater hatte seine beiden Kinder und natürlich auch seine Frau aufs schmerzlichste vermisst. Die ganze Familie war wieder glücklich vereint. Man verlebte noch einige gemütliche Stunden beim Abendessen und bestellte Grüße, erzählte lustige Annekdoten aus den letzten Monaten und gab dem Vater kleine Mitbringsel, Genevieve überreichte ihm einen "Bärenfang", seinen Lieblingslikör, den es so gut nur draußen in der Ostpreußischen Heimat gab. Als es dann schon zur Mitternachtsstunde läutete, begab man sich schließlich zur Ruhe, denn die Fahrt von der östlichsten Provinz des Kaiserreiches nach Berlin dauerte beinahe 3 Tage und die Erschöpfung steckte noch immer in den Knochen der Heimgekehrten. Ein paar Monate waren seitdem schon vergangen. Es war Dezember, die Weihnachtszeit hatte begonnen. Jeden Morgen wenn Genevieve mit ihrem Bruder oder Nikolas im Tiergarten ausritt, hatte es über Nacht ein wenig mehr genschneit. Man sah den Atem der Menschen und Tiere und die Sonne glitzerte in den weißen Kristallen die die Erde bedeckten. Es war ein besonders kalter Winter dieses Jahr. Der Vater hatte schon erzählt das er bei seinen Arbeitern viele Ausfälle zu beklagen hätte, da die Grippe umging. Man wünschte ihnen einen Gute Besserung und hoffte insgeheim doch von der scheußlichen Krankheit verschont zu bleiben. Berlin zeigte sich ansonsten nicht gerade von seiner schönen Seite. Wenn man etwas weiterblickte als über die Prachtstraßen und Parks, nach Neukölln oder Wedding, dann sah man nur grauen Matsch, Mütter mit ihren Kindern deren Nasen trieften und die dennoch bei der Kälte auf der Straße bettelten. In diesen Bezirken zeigte sich die andere Seite des Kaiserreichs. Auch wenn es etliche Reiche gab, dort wo die Unterschicht lebte herrschte Armut, Kälte und Hunger. Dort in Neukölln lebte auch die Familie von Genevieves Zofe. Auch dort war die Grippe still und heimlich in die feuchte Kellerwohnung gezogen. Hatte die Geschwister der Zofe angesteckt und ließ auch dieselbige nicht in Ruh. Genevieve saß wie jeden Morgen nach ihrem Ritt vor dem Spiegel ihrer Kommode und ließ sich für das Gabelfrühstück herrichten. Doch diesmal war ihre Zofe anscheinend nicht ganz bei Sinnen. Erst ziepte sie ihr etliche Male beim Kämmen an den Haaren, so dass Genevieve langsam ungehalten wurde, dann vertauschte sie den Puder mit der Cremedose und so ging es die ganze Zeit bis es dem jungen Fräulein endgültig reichte: "Herrgott nochmal, Anna was ist denn mit dir los??? Kannst du dich nicht zusammen nehmen? So kenne ich dich ja gar nicht! Wenn du Probleme hast so lasse sie zu Haus, aber nimm sie nicht mit in mein Ankleidezimmer! Was soll denn meine Familie und mein Verlobter denken wenn du mich so verunstaltest und mir alle Haare ausreist???" Anna schniefte nur und sah Genevieve aus ihren rotumränderten Augen an. Was hatte das gnädige Fräulein bloß gerade gesagt? Es war so schwer sich heut morgen zu konzentrieren, der Kopf schmerzte so, eigentlich alles an ihrem Körper schmerzte. Ob das die Grippe war? Aber sie musste ja arbeiten, sie musste doch die Familie unterstützen, da zu Haus schon die Hälfte darnieder lag. Also stammelte sie eine Entschuldigung und versuchte sich alle Mühe zu geben, doch es gelang ihr nicht. " Meine Güte Anna du bist für heute entlassen, das ist ja schrecklich mit dir! Hinaus, geh hinunter in die Küche und lass dir ein Glas Sherry geben, damit du mal munter wirst! Also wirklich..." Die Zofe stapfte mit schweren Schritten hinunter und Genevieve musste zusehen wie sie zurecht kam, doch das war ihr lieber als völlig missgestaltet an die Tafel zu treten. Am Abend kamen Emilie, Carolina, Georg und Nikolas zu Besuch. Man wollte sich einen gemütliches Miteinander vor dem warem Kamin im Salon geben und Spiele spielen. Alle lachten und erzählten, man spielte Karten. Doch Genevieve die sonst sehr gut im Karten spielen war, verlor heut abend nur. "Mein Liebes, was ist dir nur? Du hast so glasige Augen und bist gar nicht bei dir? Fühlst du dich nicht wohl?" fragte Nikolas sie nach einiger Zeit. "Ach Liebster es geht schon ich habe nur leichtes Kopfweh" log sie. Andreas und Carolina sahen sich an. Mittlerweile herrschte des öfteren ein ungewöhnliches Einverständnis zwischen ihnen, Carolina hatte sich wohl mit der Heirat momentan endgültig abgefunden. "Schwesterchen, dein Mann hat Recht, du siehst wirklich nicht gut aus. Soll ich nicht lieber den Arzt rufen? Nicht das es etwas ernstes ist!" fragte Andreas. "Nein nein Andreas, bitte rufe nur Anna, das sie mir ein Gläschen Franzbranntwein und eine Scheibe Brot bringt, das wirkt wahre Wunder." Andreas tat wie ihm gehießen und ließ nach Anna rufen. Doch Anna die Zofe erschien nicht. Als sie nach 10 Minuten noch nicht da war wurde auch Andreas ungehalten, wo bleib die Dienerin nur? Sowas ließ er nicht durchgehen, schon gar nicht wenn Gäste da waren. Er stand auf um nach dem Butler zu rufen der Anna holen sollte, doch da blitzen Carolinas Augen auf. "Mein Geliebter, darf ich? Ich denke so etwas habe ich besser im Griff als du und deine Schwester scheint mir heute nicht in der Lage ihrer Zofe den Marsch zu blasen" fragte sie mit einem hochmütigen Blick auf Genevieve. Georg rollte mit den Augen, das seine Schwester nun auch im Haus seines zukünftigen Schwagers bereits die Dienerschaft anfauchen müsste. Aber Andreas nickte. Er war in dieser Beziehung ganz Carolinas Meinung. So erhob sich denn auch seine Verlobte und begann eiligen Schrittes in dein Eingangssaal zu stolzieren. Doch sie rief nicht den Hausdiener sondern marschierte schnurstracks selbst in die Küche hinunter. "KÖCHIN! Wo ist die Zofe des gnädigen Fräuleins??? Sie soll sich sofort oben einfinden, der gnädige Herr und seine Schwester wünschen einiges von ihr und sie lässt sich nicht blicken!!!" Eilig kam die Köchin herbeigelaufen, das Fräulein von Troßburg in der Küche konnte nichts Gutes heißen! "Nun man sachte jnädijes Frollein ick lauf man nach die Anna und kiek ma wat se machen tut, man janz sachte. Se wierd schon ihre Gründe dafier haben wollen..." Nach ein paar Minuten kam die Köchin jedoch völlig aufgelöst zurück. "Jnädijes Frollein machen se man das se schleunigst ausse Kiche kommen! Die Anna hat die Jrippe, nich dit se sich och noch wat wechhollen, janz schlimm hat se die Jrippe, und das Jnädije Frollein dit muss so schnell als möglich ins Bett rin, nich dat se sich och wat einjefangen hat! Jotte doch Jotte doch, ick komm man jleich mit hoch..." Und schon eilte die behäbige Köchin nach oben und ließ die erschrockene Carolina stehen. Die raffte jedoch eiligst ihre Röcke und begav sich zurück in den Salon. "Kinder wir müssen gehen, deine Zofe hat die Grippe und du wahrscheinlich auch Genevieve! Andreas mein Liebster es tut mir leid, aber hier halten mich keine 10 Pferde mehr, ich will noch nicht sterben, und an der Grippe, da stirbt man, das hört man doch dauernd in letzter Zeit!" Ängstlich blickte Carolina zu Genevieve die gequält zu ihr rüber sah.Krankheiten waren ihr nicht geheuer, die konnte sie weder durch Bissigkeit noch durch Stärke abwehren, sie waren unberechenbar. Doch auch Emilie war sofort aufgestanden und wollte gehen, denn sie war ja wie gesagt ein zartes Persönchen und gerade für solch Epidemien extrem anfällig. Georg, der neben Genevieve gesessen hatte, erhob sich mit ihnen und wünschte noch einen schönen Abend, er versicherte Nikolas seine Schwester sicher nach Haus zu geleiten, da dieser noch bei seiner Verlobten weilen wollte um zu sehen was mit ihr war. Andreas begleitete alle nach draußen, während die Köchin Genevieve in ihr Schlafzimmer brachte und der Hausdiener den Arzt rief sowie die Eltern benachrichtigte. Kapitel 9: Die Angst -------------------- Der Arzt war gekommen. Genevieve hatte tatsächlich die Grippe. Sie lag fiebernd im Bett und war nicht mehr ansprechbar. Nikolas kam jeden Tag um nach ihr zu sehen. Er hatte unglaubliche Angst seine Frau zu verlieren und saß gemeinsam mit Andreas bei ihr und hielt ihre Hand. Wenn er allein bei ihr saß trieb es ihm sogar manchmal die Tränen in die Augen wenn er sah, wie sie phantasierte und vor Angst aufschrie wenn sie wieder ein unheimlicher Fiebertraum packte. Am Anfang bevor sie völlig ins Delirium gefallen war, hatte sie sogar noch Angst vor den Mustern der Tapete gehabt, und geschrien man solle sie wegbringen es kämen unheimliche Tiere auf sie zu. Doch mittlerweile verstand man kaum noch was sie sprach. Eine Pflegerin war zu den Troßburgs gekommen, der Arzt schaute täglich vorbei. Er war jedoch nicht beunruhigt, zumindest teilte er der Familie mit das Genevieve nicht in Lebensgefahr schwebte. Um jemand anderen machte er sich mehr Sorgen. Doch er hatte ja die Schweigepflicht und durfte nichts erzählen. Das würden andere schon für ihn erledigen. So war es dann auch. Nachdem Carolina bemerkt hatte das sie sich nicht angesteckt hatte, wagte sie sich auch wieder in das Haus ihres Verlobten. Doch an einem der folgenden Tage war sie wie aufgelöst. Ihre Haare waren nicht richtig frisiert, die Augen verweint und auch sonst wirkte sie nicht wie die sonst so starke Carolina von Teuteburg sondern wie eine verzweifelte Frau. Ihr Bruder Georg hatte sich angesteckt, jedoch weitaus schlimmer als Genevieve es getan hatte. Zufällig war auch Emilie an diesem Tag bei den Troßburgs zu Gast um ihre Schwägerin zu besuchen. Ihr Herz blieb stehen. Georg? Dieser gütige Mann der sich so aufopferungsvoll um sie gekümmert hatte während sie nervlich darnieder lag? Sie betrachte nachdenklich Carolina die weinend in Andreas Armen lag. Dann sprach sie sie an: " Carolina würdest du mich mit zu euch nehmen? Georg hat es verdient das ich mich um ihn kümmere, er hat desgleichen auch für mich getan!" Bittend sah sie Carolina an. Die blickte nur kurz auf und nickte. Dann ließ sie sich von Andreas ein Glas Portwein einschenken. Er beruhigte sie und versprach bald nachzukommen, sie solle jetzt erst einmal nach Haus fahren. Widerstandslos ließ sich Carolina in die Kutsche setzen. Zu Emilie sprach Andreas aber noch: "Geh zu ihm Emilie und kümmere dich gut um ihn, pass auch auf Carolina auf, sie wird dazu nicht mehr in der Lage sein, aber deinem Bruder werde ich Bescheid geben, denn er würde dich jetzt in diesem Moment nicht fahren lassen weil er besorgt um deine Gesundheit wäre. Doch wenn du meinst du schaffst das, dann wünsche ich dir Gottes Segen auf deinem Weg. Wir sehen uns nachher. Bis dann" Emilie nickte und setzte sich zu Carolina. Dann fuhren beide dem Haus der Teuteburgs entgegen. Dort angekommen herrschte Aufregung. Dem jungen Herren ging es sehr schlecht. Carolina begab sich gar nicht mehr erst nach oben, sie musste sich in ihrem Schlafzimmer ersteinmal niederlegen, ihre Nerven waren völlig zermürbt von der Angst um ihren Bruder, denn so unterschiedlich sie auch waren als Geschwister, sie liebten sich beide abgöttisch. Also ging Emilie allein nach oben. Im Zimmer von Georg sah sie zuerst nur dessen Mutter am Bett sitzen und bittere Tränen vergießen. Sie ging auf sie zu und ermunterte sie hinaus zu gehen und sich etwas auszuruhen, sie würde sich jetzt um Georg kümmern. Dankbar erhob sich Frau von Teuteburg. Emilie kauerte sich neben Georg. Dann nahm sie einen feuchten Lappen und legte ihn auf Georgs Stirn, wischte ihm das verschwitzte Gesicht ab und kühlte wieder seine Stirn. Währendessen sprach sie beruhigend auf ihn ein: "Georg? Georg wenn du mir auch nicht antworten kannst, so weiß ich doch das du mich hörst. Ich bin jetzt bei dir, so wie du auch bei mir warst als es mir schlecht ging. Ich bleibe hier. Ich kümmere mich um dich. Du warst so gut zu mir damals. Aber du musst jetzt stark sein. Du musst durchhalten. Hast du das nicht auch immer zu mir gesagt wenn ich nicht weiter wusste? Ich weiß das du es schaffen kannst Georg. Bleibe nur hier. Lass uns nicht allein." Leise flüsternd setzte sie hinterher: "Lass mich nicht allein Georg...bitte" Dann küsste sie seine fiebrige Hand und betrachtete ihn. Wie lange sie so gesessen hatte wusste sich nicht, auf jeden Fall war sie eingeschlafen irgendwann und man hatte sie in einen Lehnstuhl neben Georgs Bett verfrachtet. Als sie die Augen öffnete stand Georgs Mutter vor ihr und fragte sie ob man ihr ein Zimmer richten solle, ob sie denn jetzt ein paar Tage hier bleiben würde? Emilie bejahte. Sie konnte hier jetzt nicht weg. Sie hatte Angst das er von ihr ging wenn sie von ihm ginge. Die nächsten zwei Tage verliefen wie der erste. Georg lag im Fieberdelirium. Inzwischen waren auch Andreas und Nikolas da gewesen, und beide waren erstaunt mit welcher Energie und Hartnäckigkeit Emilie den Kranken pflegte. Man ließ sie walten und schalten, verstanden doch beide das Georg nicht einfach nur ein Freund für Emilie war. Doch ausprechen tat das niemand. Emilie bemerkte wahrscheinlich selbst noch nicht völlig bewusst was Georg ihr war, wieso also dem Schicksal vorausgreifen? Also ging man wieder und ließ Emilie dort. Carolina freundete sich sogar etwas an mit ihr, sie hatte höchsten Respekt vor dem zierlichen Persönchen das doch soviel Kraft in sich barg und ihrem geliebten Bruder so zur Seite stand. Am abend des dritten Tages schickte Frau von Teuteburg Emilie zu Bett. Sie müsse auch mal ein wenig ruhen sagte sie ihr. Emilie ging aber nicht gern. Sie hatte ein schlechtes Gefühl. Dennoch legte sich sich kurz auf einen Divan, und schloß ein wenig die Augen. Doch als hätte sie es geahnt hörte sie bereits eine Stunde später aufgeregtes Füße trappeln und Stimmen im Flur. Sie schrak hoch und öffnete die Tür. "...überlebt es sicher nicht..." und "...Arzt seit einer halben Stunde unablässlich bei ihm..." drangen an ihr Ohr. Eilig lief sie zurück in Georgs Zimmer. Da stand Carolina mit Mutter und Vater leichenblaß an der Wand. Die Mutter weinte unablässlich stille Tränen und der Vater blickte so ernst wie ein Mann nur blicken kann. Fragend schaute sie alle an. Dann ging sie auf den Arzt zu "Nun reden sie schon!!!Was hat er???Was ist mit ihm??? Wieso starren hier alle so vor sich hin als wäre heute der letzte Tag auf Erden!!!???So sprechen sie schon!!!" Sie hatte den alten Herren schon am Saum seines Rocks gefasst und daran gezogen so erregt war sie. Erstaunt blickte der Arzt Emilie an, dann sagte er: "Nun gnädiges Fräulein, seine Temperatur beträgt 41 Grad Celsius. Wenn das Fieber heut nacht nicht endlich sinkt, sondern steigt, dann ists aus mit dem jungen Herren. So ist das. Die Grippe macht auch vor den Reichen nicht halt..." "Halten Sie den Mund! Gehen sie! Ich werde mich um ihn kümmern, ich lasse ihn nicht sterben!" Erschüttert blickten alle Emilie an. Was war nur in sie gefahren? So kannte man das stille Ding ja gar nicht. Betreten folgte die Familie dem Arzt hinaus. Nur Carolina blieb noch einen Moment bei Emilie stehen. "Emilie, bitte mach dir keine Allzugroßen hoffnungen. Selbst ich hoffe nicht mehr auf seine Genesung. Ich kann dir nicht sagen wie sehr ich meinen Bruder liebe, das wissen nur er, ich und der da oben, aber ich danke dir in seinem Namen für deine aufopferungsvolle Hilfe. ich muss nun gehen, ich würde es nicht ertragen wenn ich ihn sterben sehen müsste. Er war so ein liebevoller froher Mensch...Ich...bitte laß uns rufen wenn etwas sein sollte, und wenn du etwas brauchst so steht dir alles zur Verfügung..." Emilie sah Carolina nur fassungslos hinterher. Wie konnte sie nur so schnell aufgeben? Sie wandte sich wieder dem Bett zu. Glühend heiß lag Georg dort, spitz und abgemagert wie ein armer Mann. Emilie hockte sich neben ihn. Dann dachte sie nach. Was hatte sie gelesen? Wadenwickel! Wieso hatte ihm niemand Wadenwickel gemacht??? Sie ließ die Kammerzofen rufen. Bestellte frisches Wasser und laken, zog Georg dann die Decke weg und begann mit dem gebrachten ihm Wadenwickel zu machen. Dann kühlte sie ihm weierhin die Stirn, gab ihm seine Medizin und sprach zu ihm. "Georg ich bin es. Bitte verlass mich nicht nicht! Lass mich nicht allein. Was soll ich nur ohne dich anfangen!!! Ich kann nicht mehr ohne dich leben. Ich....Ich liebe dich Georg..." Erschrocken über ihre eigenen Worte fuhr sich sich mit der Hand vor den Mund. Aber Emilie spürte das es die Wahrheit war die sie da gerade ausgesprochen hatte. Sie wusste sie liebte ihn und noch eine Liebe zu verlieren, das würde sie nicht verkraften, dann wäre auch ihr Leben zu Ende. So begann sie also das letzte zu tun was noch helfen konnte, sie begann für Georgs Genesung zu beten. Nachdem sie zwei Stunden neben ihm ausgeharrt hatte, hielt sie es jedoch nicht mehr aus. Sie ließ den Hausdiener rufen. Irgendetwas müsste man doch noch tun können! Ob er etwas gehört hätte, fragte sie ihn, von dem sie nichts wisse? Nun ja er habe da etwas gehört, es gebe einen Arzt in Lichterfelde draußen, der verschreibe eine neuartige Medizin namens Penicillin, diese Medizin solle wohl wahre Wunder wirken wäre aber extrem unerschwinglich...Emilie sah den Diener wie vom Donner gerührt an. "So schicken sie nach dem Mann! Worauf warten sie! Wollen sie das der junge Herr stirbt? Das ist vielleicht seine allerletzte Chance auf Rettung! Um Geld müssen sie sich nicht sorgen, sie wissen davon haben unsere Familien doch reichlich genug!!!" Kopfschüttelnd sah Emilie hinter dem Mann her...Manchmal verstand sie die Menschen nicht. Dann wandte sie sich wieder nach Georg um und begann ihn weiter zu pflegen. Hoffentlich kam der Arzt und hoffentlich wirkte dieses Zeug wirklich so wie der Diener gehört hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)