Atrophy von Shoot_the_puppy (by mir und crazypark) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- 2. Kapitel tadah~ the next one XD viel Spaß beim lesen *** Julian Das Erste, was ich wahrnahm, als ich zu mir kam, waren höllische Kopfschmerzen. Stöhnend drehte ich den Kopf zur Seite und öffnete langsam meine Augen. Es dauerte eine Weile, bis sich mein Blick klärte und ich mehr als Schemen erkennen konnte. Ich lag auf einer ziemlich unbequemen Pritsche und befand mich offensichtlich in einem Krankenzimmer. Meinen Kopfschmerzen nach zu urteilen, war das durchaus berechtigt. Ich blinzelte leicht und rieb mir die Augen, damit ich meine Umgebung vollständig fokussieren konnte. Als ich eine schwarz gekleidete Person sah, schreckte ich zurück. „Wo bin ich? Und...wer bist du?“ Vivian Als ich das leise Stöhnen vernahm, ging ich sofort zu dem Bett und sah Julian abwartend an. Es wurde ja wirklich Zeit, dass dieser mal langsam erwachte. Immerhin wartete ich schon seit zwei Stunden und verzichtete somit auf meine verdiente Freizeit und auf geilen Sex. Das Leben war echt gemein. Einfach abhauen ging auch nicht, immerhin musste ich dieser Made noch klar machen, dass er von allein gefallen war. Moment mal...Hat der gerade gefragt, wer ich bin? Gott Jungchen, so fest kannst du nicht aufgeschlagen sein, um jemanden wie mich zu vergessen. „Bitte? Die Frage meinst du nicht ernst“, fauchte ich verletzt zurück. So etwas tat meinem Ego ganz und gar nicht gut. Was bildete sich dieses Würmchen eigentlich ein? Grummelnd musterte ich die blasse Gestalt. Oder sollte es Gott doch gut mit mir meinen? „Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?“ Julian Eingeschüchtert zuckte ich zusammen. Warum schrie der Blödmann mich so an? Oder sollte ich ihn etwa wirklich kennen? Ich konnte mich jedenfalls nicht erinnern, ihm schon einmal begegnet gewesen zu sein. Aber mit so eingebildeten Schnöseln gab ich mich normalerweise nicht ab. Trotzdem beschloss ich, ihm zu antworten, schließlich wollte ich wissen, wie ich hierher gekommen war. „Ähm, ich weiß nicht so genau...ich glaub, ich war gestern auf ´ner Party...keine Ahnung mehr, warum. Hatte wohl etwas zu viel getrunken“, grinste ich ihn schief an. Oh ja, die Feten, auf die mich mein bester Kumpel häufig schleppte, waren immer der Hammer und nachher hatte ich meistens einen Filmriss. „Aber wieso bin ich denn nun hier?“ Vivian Der und eine Party. Ich konnte nicht anders als laut loszuprusten. Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder beruhigt hatte. „Du hast dich scheinbar etwas zu sehr am Kopf gestoßen. Als ob dich hier irgendwer zu einer Party einladen würde“, nahm ich, so gütig wie ich nun mal war, dem Kleinen seine Fantasien und setzte mich auf den Stuhl neben dem Bett. Ein was Gutes hatte die Sache: Ohne Erinnerung konnte mich dieser Wurm auch nicht verpfeifen. „Du bist gefallen, hast dir deinen Schädel aufgeschlagen und hattest das unbeschreibliche Glück, dass ich dich gefunden habe. Nett, wie ich bin, habe ich dich hergebracht und versprochen, dass ich für dich sorge.“ Zumindest der letzte Teil war nicht gelogen, denn Nicole hatte mehr als deutlich gesagt, was passieren würde, wenn ich nicht auf den Kleinen aufpasste. Nun hatte ich ihn an der Backe, aber vielleicht konnte ich auch daraus meinen Vorteil schlagen. „Wenn du soweit bist, bringe ich dich heim.“ Julian Verärgert zog ich meine Augenbrauen zusammen. Was fiel diesem Heini eigentlich ein, mich auszulachen? So etwas ließ ich mir nicht bieten. Entrüstet stemmte ich mich im Bett auf und funkelte ihn aufgrund seiner Beleidigung wütend an. „Ja, stell dir mal vor, so ist es. Und ich hab dich noch nie auf einer gesehen, vielleicht solltest DU dir mal lieber bessere Freunde suchen.“ Kotzbrocken hätte ich am liebsten noch hinterhergeworfen. Seine Erklärung, warum ich mir hier befand, nahm ich ungläubig zur Kenntnis. Ich kaufte sie ihm nicht ab. Wahrscheinlich hatte mich diese Drecksau noch geschubst. Vivian „Tja, kann daran liegen, dass ich nicht auf Streberpartys gehe“, zickte ich zurück und erhob mich wieder. Das war doch wirklich lächerlich. Aus ein solches Niveau setzte ich mich nicht herab. „Jetzt schwing deinen knochigen Arsch aus dem Bett, damit ich dich heimbringen kann. Du solltest deine Stellung an dieser Schule noch einmal in Ruhe überdenken. Es wäre sicherlich gesünder, wieder in dem Schatten der Anderen zu verschwinden, als dich mit Leuten anzulegen, an welche du nie heranreichen wirst – sprich mich.“ Jetzt hatte ich es ihm aber gezeigt. Stolz auf meine rhetorischen Fähigkeiten und auf mich selbst, bewegte ich mich zur Tür des Zimmers und blickte den Anderen abwartend an. Julian Streberpartys? Das brachte mich nun wirklich zum Lachen. Als ob ich zu diesen Muttersöhnchen gehören würde. Diese Anschuldigung war einfach lächerlich und wahrscheinlich nur ein schwacher Versuch meines Gegenübers, sich zu verteidigen. Seine nächsten Worte stimmten mich sogleich wieder wütend. Angesäuert sprang ich auf und registrierte kaum den Schmerz, der durch mein Fußgelenk schoss. Ich war schon kurz davor, ihm eine reinzuhauen, obwohl das sonst nicht meine Art war und mir bislang auch noch keiner einen Grund geliefert hatte, dies zu tun. Jedoch besann ich mich auf meine guten Manieren und sprach etwas lauter als beabsichtigt: „Ich weiß ja nicht, wer du bist oder was du dir einbildest zu sein, aber du laberst eindeutig nur Scheiße. Also schieb dir deine Monologe sonst wo hin, du Idiot.“ Gott, wie ich solche überheblichen Menschen hasste. Mit so etwas gab ich mich für gewöhnlich nicht ab. Genervt ging ich an ihm vorbei und öffnete die Tür, als ich abrupt stehen blieb. „Wo sind wir überhaupt?“ Das Gebäude kam mir nicht bekannt vor, aber es sah aus wie eine Schule, allerdings nicht wie meine. Vivian Autsch, es hätte beinahe meine Gefühle verletzen können, wenn ich nicht wüsste, dass dieser Kerl scheinbar an Realitätsverlust litt. So behielt ich meinen Kommentar lieber für mich und beobachtete belustigt, wie Julian wohl feststellte, dass es nicht seine Welt war, in welcher er sich befand. „Wir sind in der Schule, um genau zu sein ‚Lincoln Private School’ in L.A. Sonst noch irgendwelche Fragen?“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen ging ich endgültig aus dem Raum. „Und wir haben schon seit Ewigkeiten Schulschluss. Von daher wäre ich dir sehr verbunden, wenn wir langsam los könnten.“ Eigentlich hatte ich heute auch noch ein Date, aber die Lust darauf war mir seit langem vergangen. Julian ...Moment, irgendetwas war eindeutig nicht so, wie es sein sollte. Nur langsam wurde mir die Bedeutung von seiner Aussage bewusst. Ich befand mich also nicht mehr in New York bei meinem Vater, sondern schon bei meiner Mutter? Jetzt wusste ich auch wieder, dass es gestern eine Abschiedsparty und ich der Grund gewesen war. Halt...gestern? Geschockt weiteten sich meine Augen und ich musste mich am Türrahmen festhalten. „Aber...wie kann das sein“, murmelte ich verstört und sah an mir runter. Ich trug Sportklamotten, also war dies eindeutig nicht mein erster Tag in L.A. Ganz offensichtlich hatte ich eine Amnesie beim Sturz davongetragen. Ich musste wissen, wie viele Erinnerungen mir fehlten. „Der wievielte ist heute?“ Vivian Langsam wurde mir klar, dass es nicht nur ein dummer Scherz war, sondern der Kleine wirklich keine Ahnung mehr hatte, was hier abging. Es war nicht gerade mein Problem, aber weil ich der Verursacher war, sollte ich wenigstens darauf achten, dass Julian heil nach Hause kommt. Um den Rest würde sich schon wer aus seiner Familie sorgen. „Wir haben den 21. August 2007“, antwortete ich sogar mal recht freundlich auf die Frage des Jüngeren. Was blieb mir auch anderes übrig. Vielleicht würde er sich jetzt einmal in Bewegung setzen und endlich mit mir diese Schule verlassen. „Die Turnhalle wird sicher schon zugeschlossen sein. Also können wir die Sachen eh erst morgen holen. Lass uns also gehen. Zu Hause wird es dir sicher besser gehen“, meinte ich fast schon fürsorglich und lächelte mein Gegenüber leicht an. Gott, ich wollte nur noch hier weg, unter die Dusche und dann zwei, drei Bier trinken. Julian Die Antwort meines selbsternannten Retters traf mich mit voller Wucht und ließ mich nur ein ungläubiges „Was?“ hervorbringen. Das konnte doch alles nicht sein. Meine Gedanken rasten und ich versuchte krampfhaft mein Gedächtnis auf Touren zu bringen, aber da kam nichts zurück. Mir die Haare raufend lief ich ein Stück voran und blieb dann kopfschüttelnd stehen. „Verdammte Scheiße“, nuschelte ich und drehte mich wieder zu dem Anderen um. „Mir fehlen komplette 2 Jahre und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo meine Wohnung sich befindet.“ Ich war selbst ein wenig erstaunt, wie emotionslos mir das über die Lippen ging. Aber wahrscheinlich stand ich einfach noch unter Schock nach dieser utopischen Nachricht. „Aber vielleicht kommen meine Erinnerungen ja wieder, wenn ich durch die Stadt laufe. Das ist doch so bei Amnesiepatienten, also hab ich zumindest mal gehört...“ Als ich merkte, dass sich allmählich Panik in mir ausbreitete, hielt ich inne und sah mein Gegenüber hilflos an. Mir war zum Heulen zumute und diese Kopf- und Fußschmerzen brachten mich fast um den Verstand. Wobei mein Fußgelenk erheblich weniger weh tat, sodass ich nur leicht hinkte. „Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich verzweifelt. Vivian Er tat mir leid. Seltsam diese Erkenntnis zu haben. Ich hatte mich nie sonderlich um Julian geschert. Er war da und nicht wirklich etwas besonders, auch wenn er jetzt ganz anders klang. Schon seltsam, vielleicht war er gar nicht so ein Streber, wie alle dachten. Es wurde langsam dunkel, was mich nicht weiter störte, aber immerhin hatte auch ich keine Ahnung wohin mit dem Kleinen. Ich wusste ja noch nicht einmal seinen Nachnamen. „Jetzt bleib mal ganz ruhig. Wir finden schon ne Lösung. Zumindest bist du mir so viel sympathischer als der kleine dämliche Streber, der du sonst zu sein schienst.“ Wow, sogar mich selbst überraschte meine Ehrlichkeit, aber ich hatte ein wenig was gut zumachen. Und morgen würden wir eh wieder wie zwei Fremde miteinander umgehen. Außerdem lief ich nun nicht mehr Gefahr jemandem zu begegnen und damit meinen Ruf zu gefährden. „Wir gehen erst einmal zu mir und dann find ich irgendwie deine Adresse raus und wir schaffen dich hin? Deal?“ Ich wartete erst gar nicht auf eine Antwort. Warum auch, denn dem Jüngeren blieb keine andere Wahl, wenn er hier nicht herumirren wollte. Daher steuerte ich direkt meinen schwarzen Flitzer an und sperrte diesen auf. „Spring rein“, meinte ich cool und nahm auf dem Fahrersitz platz. Julian Mit großen Augen schaute ich den Größeren an. Streber? Diese Aussage brachte mich fast dazu zu lachen, allerdings blieb es mir im Halse stecken, als mir etwas bewusst wurde. „Also ich weiß ja nicht, was hier in zwei Jahren bei meiner Mutter passiert ist, aber ich war auf meiner alten Schule immer derjenige, der ständig aus dem Unterricht rausflog, weil er sein Maul einfach nicht halten konnte.“ Die Erinnerung an meinen kurz vor der Explosion stehenden Chemielehrer brachte mich nun doch zum Grinsen. Gott, ich konnte mich doch nicht ernsthaft so verändert haben, dass mich dieser Kerl offensichtlich für den größten Loser der Schule hielt. Diese Tatsache fand ich ziemlich schade, denn mir fiel zum ersten mal auf, wie gut er eigentlich aussah. Er war total mein Typ, zumindest rein äußerlich. Als er mir diesen großzügigen Vorschlag machte, nickte ich leicht und beeilte mich dann, ihm zu folgen. Er war im Moment mein einziger Strohhalm in dieser Katastrophe und ich war ihm verdammt dankbar, dass er sich trotz meines vorherigen Ausrasters weiterhin um mich kümmerte. Ich öffnete die Tür der Beifahrerseite und ließ mich mit einem Seufzen auf den Sitz fallen. Neugierig sah ich dann den Dunkelhaarigen an und fragte: „Wie heißt du eigentlich? Vielleicht hilft das ja schon meinem Gedächtnis auf die Sprünge.“ Vivian „Ich kann dir nicht viel sagen. Wir hatten nicht unbedingt Kontakt, aber hier in der Schule, nun ja ... es gibt die Beliebten, die Normalos, die Freaks und nun ja ... dich“. Ich wollte ihn sicher nicht damit angreifen, aber das war nun mal die Wahrheit. Sogar die Pickeldressen waren mehr angesehen. Schon seltsam, dass ich mit genau diesem nun im Auto saß und normal redete. „Aber von mir aus kannst du gerne so bleiben. Vielleicht reißt du damit noch was.“ Das war meine ehrliche Meinung. Vom Typ her war der Junge zwar nicht unbedingt eine Bombe, aber auch nicht hässlich. Wenn ich ein 14-jähriges Mädchen wäre, könnte ich ihn sicher als süß oder ähnliches bezeichnen, aber nun ja, ich habe einen Schwanz und damit war das Thema erledigt. „Vivian, bitte erspar mir den Spruch mit dem Mädchennamen“, stellte ich mich grinsend vor. Das hatte ich total vergessen. Schnell startete ich den Motor und fuhr in Richtung Innenstadt, immerhin wohnte ich fast am anderen Ende der Stadt. Die Umgebung änderte sich schnell von den billigen Wohnungen zu den großen Villen am Rande der Berge. Hier war ich zu Hause, sowie die meisten meiner Freunde auch. Dennoch war es fast unmöglich einen von denen anzutreffen, da hier sich jeder zu schade war, um draußen herum zu laufen. Manchmal war dies ein großer Vorteil. Ich bog in den Vorhof einer, im Gegensatz zu den anderen Villen, eher mittelmäßigen Villa ein. Wir waren sicher nicht die Reichsten, aber meiner Familie ging es besser als den meisten. „Da wären wir. Ist dir bis jetzt was eingefallen?" Julian „Hmpf“, machte ich nur. Die Sache mit dem Streber konnte ich immer noch nicht glauben. Aber welchen Grund sollte er haben, mich anzulügen? Und wenn er nichts weiter in der Vergangenheit mit mir zu tun gehabt hatte und sogar von weitem erkannt hatte, dass ich einer von diesen Langweilern war, dann musste das wohl stimmen. Scheiße, was war hier nur schief gelaufen? Sein verstecktes Kompliment ließ mich leicht lächeln. Vielleicht konnte ich ja sogar bei IHM noch etwas reißen. „Keine Sorge, mache ich schon nicht. Julian ist auch nicht gerade ein sehr männlicher Name“, seufzte ich etwas übertrieben und verzog dabei das Gesicht. Aufmerksam betrachtete ich die an mir vorbeiziehende Stadt und suchte nach Anhaltspunkten, die mich an irgendetwas erinnern könnten. Wo ich vielleicht mal vorbei gelaufen war oder wo etwas schönes passiert war. Aber da kam nichts, rein gar nichts. Dass ich die meiste Zeit eingesperrt in meinem Zimmer hocken musste und die Stadt bisher noch nicht weiter gesehen hatte, wusste ich in diesem Moment nicht mehr. Nach einer Weile starrte ich nur noch ins Leere und bekam um mich rum nichts mehr mit. Umso erstaunter blickte ich auf, als das Auto plötzlich hielt und sich vor uns die Villa auftürmte. Hui, hier also wohnte er. Nicht schlecht, dachte ich mir. Ich hatte zwar auch mit meinem Vater in einem Haus gelebt, aber das war nichts im Vergleich zu dieser großen Klitsche. Ich löste meinen Blick widerwillig und schaute Vivian an, als ich auf seine Frage antwortete. „Nein, leider rein gar nichts“, sagte ich traurig. Aber nach seinen Aussagen, wusste ich nicht, ob ich überhaupt noch die letzten zwei Jahre Erinnerungen wieder haben wollte. Vivian Für einen kurzen Moment blickte ich ihn bemitleidend an. Es musste furchtbar sein, sein Gedächtnis zu verlieren. Wenn ich mir so überlegte, wie grausam es wäre, wenn ich nicht mehr wüsste, was ich alles tolles erreicht hatte. „Dann wollen wir doch wenigstens mal herausfinden, wo du wohnst“, lächelte ich aufmunternd und stieg aus dem Wagen, um direkt die riesige Tür anzusteuern und nach dem Aufschließen das Haus zu betreten. Meine Schuhe schmiss ich irgendwo in die Ecke. Die Putzfrau würde die schon wegräumen, doch zur Zeit schien niemand zu Hause zu sein. Dafür war es einfach zu ruhig. Mein Vater war sicher auf Arbeit und was sich meine Mutter gerade spritzen ließ, wollte ich gar nicht so genau wissen. Schönheitsoperationen waren ihr neues Hobby, wie auch schon das meiner anderen Mütter. Ich habe aufgehört mir ihre Namen zu merken. Das Wort Mutter hatte für mich keine Bedeutung. „Hast du Hunger? Irgendwo ist sicher noch ne Pizza.“ Ich zog den Kleinen direkt in die große Küche. Hier waren auch diverse Nummer an den Kühlschrank gepinnt. Unter diesen befand sich auch die des Schulsprechers. Der konnte mir sicher weiter helfen. Eine schreckliche Person, Nummer zwei auf der Beliebtheitsskala, direkt hinter mir. Meine einzige Konkurrenz. Ich werde ihm nie verzeihen, dass er Schulsprecher geworden ist. „Ich bin gleich wieder da. Ich schau nur schnell, ob wer deine Adresse weiß“, entschuldigte ich mich bei Julian und verließ samt Telefon und Nummer den Raum. „Hallo Theon“, säuselte ich in den Hörer, während ich meine Haare im Spiegel des Flures richtete. „Ich brauche dringend deine Hilfe.“ Julian Seine tröstenden Worte lösten ein mir nur allzu bekanntes Kribbeln in mir aus. Was war denn nun los? Normalerweise ging das nicht so schnell bei mir. Aber irgendwie hatte Vivian etwas besonderes an sich und damit meinte ich nicht nur sein gutes Aussehen. Einen kurzen Augenblick nach ihm stieg auch ich aus dem Auto und machte mich daran, ihm in das große Gebäude zu folgen. Ich zog mir ebenso die Schuhe aus und sah mich unauffällig um. An Geld schien es Vivians Familie jedenfalls nicht zu mangeln. Mit einiger Verzögerung antwortete ich: „Klar, Pizza ist immer gut“ und ließ mich von ihm in die Küche schleifen. Als der Ältere den Raum verließ, setzte ich mich auf einen der teuer aussehenden Stühle. Und sie sahen sicher nicht nur so aus, sondern waren es auch. Was seine Eltern wohl beruflich machten? Ich war schon wieder dabei, in meinem Gedächtnis zu wühlen, aber als sich erneut die Kopfschmerzen meldeten, ließ ich es lieber bleiben. Sonst würde heute wohl noch mein Kopf platzen und das war definitiv nicht gesund. Das sah dann wahrscheinlich genau so aus, wie in den Splatterfilmen, die ich mir sehr gerne reinzog. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich mir das Ganze bildlich vorstellte. Ich legte meine Hände unter meine Oberschenkel und baumelte mit den Beinen, während ich auf Vivians Rückkehr wartete. Meine Gedanken wanderten nach einer Weile von explodierenden Köpfen hin zu seinem knackigen Arsch, der mir auch unter seinen weiten Baggies keinesfalls entgangen war. Ob er wohl...nein, das war er sicher nicht. Solche Männer wie er waren immer stockhetero. Vivian Innerhalb von fünf Minuten war alles geklärt und ich um ein paar Informationen reicher. Leider kosteten mich diese doch etwas viel, aber was tat man nicht alles, um einen Tag lang ein guter Mensch zu sein. Seufzend betrat ich die Küche und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. Jetzt musste ich schon wegen einem Streberkind aus einem der weniger betuchten Schicht auf den wohl besten Sex meines Lebens verzichten. „Also, ich habe deine Adresse. Jetzt hab ich was gut bei dir, immerhin musste ich auf die sexy Austauschschülerin verzichten.“ Ja, der Kleine sollte ruhig ein schlechtes Gewissen bekommen. Ich wollte gar nicht wissen, wann ich mal wieder meine Gelüste befriedigen könnte, immerhin sprang ich ja nicht auf Jede. „Ich mach aber erst einmal die Pizza.“ Jetzt erst bemerkte ich, wie Julian eigentlich dasaß. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn wirklich süß finden. Allein diese unschuldige Ausstrahlung brachte mich völlig durcheinander. „Äh, was willst...du für welche“, stammelte ich hektisch und versuchte meine plötzliche Unsicherheit zu verstecken. Julian Ich schrak aus meinen Fantasien auf und blickt auf, als ich seine Stimme hörte. „Du bist mein Held, danke“, meinte ich grinsend und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Ach komm, du siehst nicht so aus, als müsstest du unter sexuellem Notstand leiden.“ Wer so ein Selbstbewusstsein gepaart mit umwerfenden Aussehen hatte, konnte doch Jede haben. Hoffentlich würde er jetzt nicht anfangen, von seinen Bettgeschichten zu erzählen, denn darauf hatte ich absolut keine Lust. Die Erwähnung von Essen ließ mich über das ganze Gesicht strahlen. Inzwischen hatte ich Hunger bekommen, was mein Magen sogleich mit einem lauten Knurren bestätigte. „Oh ´tschuldige“, lächelte ich ihn peinlich berührt an. „Was gibt es denn für eine Auswahl? Also, wenn Salami da ist, dann würde ich die gerne essen.“ Nun klimperte ich ihn mit meinen großen blauen Augen an. Sein plötzliches Gestotter war mir nicht entgangen und innerlich feierte ich bereits meinen Sieg. Er war ganz offensichtlich verwirrt und das war doch schon mal ein großer Erfolg. Vivian Ich musste unbedingt auf andere Gedanken kommen. Scheinbar tat mir die Gegenwart von Julian nicht sonderlich gut. Aber zum Glück war dies ja kein Zustand auf Dauer. Ich hatte seit fast einer Woche keinen Sex mehr gehabt. Daran musste es liegen. Ich stand schließlich nicht auf Kerle und daran würde sich auch nie etwas ändern. „Kann mich nicht beklagen, aber mit so etwas prahle ich nicht. Das überlasse ich den ewigen Jungfrauen dieser Welt.“ Ich hatte endlich meine Coolness wieder. Ich dankte Gott innerlich dafür und bückte mich, um den Gefrierschrank zu sichten. „Hast Glück, eine ist noch da“, stellte ich erfreut fest und holte die große Familienpizza hervor. Ohne auch nur irgendwelche Anleitungen zu beachten, schmiss ich diese in den Ofen und stellte diesen an, in der Hoffnung, dass es nicht mehr lange dauern würde, sonst würde ich noch ganz andere Sachen anknabbern. Am liebsten hätte ich mir für diesen Gedanken selbst eine reingehauen, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich diesen Jungen irgendwie anziehend fand. Gott, gib mir einen Strick, so kann ich nicht weiterleben oder zumindest die schicke Französin. Die könnte sich sicher um mich kümmern. Julian Das Wort Jungfrau erinnerte mich wieder an meine aktuelle Lage. Ich hatte keinen blassen Schimmer, ob ich vielleicht einen Freund hatte und der sich gerade tierische Sorgen machte, oder ob mich überhaupt jemand vermisste. Ich hörte Vivian gar nicht mehr richtig zu, sondern strapazierte erneut mein Gehirn über. Was wohl alles in zwei Jahren passiert war? Ich hatte keine Ahnung, ob meine Erinnerungen überhaupt wiederkommen würden und wenn ja, wie lange es dauern würde. Als mir der Ältere so einladend seinen Hintern präsentierte, wurde ich in die Realität zurückgeholt. Meine Fresse, bei diesem Ausblick musste ich aufpassen, nicht mit sabbern anzufangen. Urplötzlich hatte ich gar keinen Hunger mehr...das hieß doch, aber nicht auf Pizza. Ich betrachtete sehnsüchtig seinen Körper, als er sich mir gegenüber an den Tisch setzte. Am liebsten wäre ich über ihn hergefallen, aber ich hielt mich krampfhaft zurück und wunderte mich, woher auf einmal diese Lust auf ihn kam. War es in den letzten Sekunden wärmer in der Küche geworden, oder bildete ich mir das nur ein? Unruhig rutschte ich auf dem Stuhl rum und streifte dabei unabsichtlich Vivians Bein, was mir einen heißen Schauer über den Rücken laufen ließ. Entschuldigend lächelte ich ihn an, obwohl ich die Berührungen gerne fortgesetzt hätte. Aber er hatte mir ja deutlich gemacht, dass er auf Frauen stand und ich mir keine Chancen auszurechnen brauchte. Zumindest nicht in den nächsten Minuten und ich wollte es nicht riskieren, durch mein überstürztes Verhalten rausgeschmissen zu werden. Vivian Ich hatte mich gesetzt, damit ich meine unerklärliche Nervosität bezwingen konnte, doch nun bereute ich diese Entscheidung. Die kurze Berührung hatte etwas in mir ausgelöst, was mir verdammte Angst einjagte: Ein Kribbeln, welches ich das letzte mal in der Junior High verspürt hatte. Ich musste einfach hier raus, weg von ihm und endlich wieder klar im Kopf werden. „Entschuldige mich“, kam es hastig über meine Lippen, ehe ich fast panisch den Raum verließ. Erst als ich mich im Badezimmer meiner Mutter eingeschlossen hatte, fühlte ich mich sicher, sicherer vor diesen Augen, der unschuldigen Art und dieser Anziehungskraft, welche Julian auf mich ausübte. Ich betrachtete mich im Spiegel. Gott, ich sah verdammt geil aus und konnte Jede flachlegen. Warum sollte ich mich bitte mit einem Jungen abgeben, welcher nicht einmal aus guten sozialen Kreisen stammte. Meine zittrigen Hände wanderten zu den Beruhigungspillen und ich warf mir eine ein. Das brauchte ich einfach. Sie wirkte tatsächlich und nach einigen Minuten fühlte ich mich sogar in der Lage wieder zurückzugehen. „Sorry, hat etwas gedauert“, entschuldigte ich mich bei dem Jüngeren. Ich fühlte mich deutlich besser. Die Pillen sollte ich mir mal klauen. Julian Erstaunt beobachtete ich, wie Vivian den Raum beinahe fluchtartig verließ. Dann allerdings ging mir ein Licht auf: Es war ihm wohl unangenehm gewesen von mir, wenn auch ohne Absicht, berührt zu werden. Warum auch immer, aber im Grunde gab es dafür nur eine Lösung: Er war verunsichert. Mein Gesicht zierte nach dieser Erkenntnis ein fettes Grinsen. Ich wirkte also nach wie vor anziehend auf die Männerwelt und das sogar bei einem Macho wie ihm. Ungeduldig wartete ich auf seine Rückkehr und als dies nach einigen Minuten, in denen ich regungslos dagesessen hatte, immer noch nicht geschah, beschloss ich mich zu beschäftigen. Ich warf einen prüfenden Blick in den Ofen und stellte fest, dass die Pizza so gut wie fertig war, also stellte ich schon mal die Temperatur runter und ließ sie noch etwas weiter brutzeln. Anschließend machte ich mich auf die Suche nach Besteck und Tellern. Den Pizzaschneider fand ich auch auf Anhieb, allerdings bereiteten mir die Hängeschränke, in denen die Teller verstaut waren, leichte Probleme. Die waren einfach zu hoch angeschraubt. Ich stellte mich auf Zehenspitzen und verfluchte dabei nicht zum ersten mal meine geringe Körpergröße. Nach einigen Versuchen gelang es mir, zwei Teller herauszuangeln und drehte mich mit einem zufriedenen Seufzen wieder um und stellte alles auf den Tisch. Jetzt fehlte eigentlich nur noch Vivian, der tatsächlich nach einigen Augenblicken mit einer Entschuldigung den Raum betrat. Ich winkte nur ab und deutete mit einem Kopfnicken auf den Ofen. „Die Pizza dürfte bereits fertig sein.“ Ich fand es nur gerecht, ihm die restliche Arbeit zu überlassen, nachdem ich den harten Kampf um die Teller gewonnen hatte. Vivian Ich nickte nur und ging direkt zu dem Ofen. Ablenkung war immer gut, auch wenn dies durch eine Pizza geschah. Nur wenige Handgriffe später stand das Essen in handgerechten Stücken auf dem Tisch und ich rätselnd vor dem Kühlschrank. „Ich würde dir ja gern irgendetwas zu trinken anbieten, aber hier ist nichts drin außer Bier und ein seltsames Fitnessgetränk, was schönere Brüste machen soll“, las ich von der Packung ab und rümpfte dabei die Nase. Wie kann man nur so etwas in sich hereinschütten. „Ich steh ja nicht drauf Kinder abzufüllen, aber ich muss dir wohl Bier überhelfen, wenn du dir nicht noch ein sekundäres Geschlechtsmerkmal züchten willst.“ Das war schon eine seltsame Vorstellung. Schnell schnappte ich zwei Dosen und stellte diese mit auf dem Tisch ab. „Guten Hunger. “ Ich gab mir große Mühe Julian nie direkt anzusehen und es half sogar, zumindest blieben meine Nerven ruhig und das sollte auch so bleiben. Es war schlimm genug daran zu denken, dass mir der Kerl interessant vorkam. Ich schnappte mir ein Stück und biss genüsslich hinein, mehrere folgten darauf bis ich einfach nicht mehr konnte. Ich aß nie sonderlich viel, allein schon, weil ich ja auf meine Linie achten musste. Das letzte Mal als ich zwei Kilo zugenommen hatte, hungerte ich zwei Wochen lang. Ich hatte nun mal nur mein Aussehen und darauf musste ich achten. „Kann man es essen? Ich schaffe es sogar Pizza zu versauen“, murmelte ich nebenbei und blickte weiter starr auf meinen Teller. Julian „Bier?“, rief ich erfreut aus und meine Augen fingen sofort an zu leuchten. Dieses Getränk war für mich ein Grundnahrungsmittel, also was sollte die dumme Bemerkung mit dem Kind? Grummelnd ließ ich diese Beleidigung über mich ergehen und ließ sie ihm gerade so noch einmal durchgehen. Ich wünschte ebenso einen guten Appetit und widmete mich meinem Teil der Pizza. Ich war so beschäftigt, dass ich weder Vivians Frage, noch seine Unsicherheit bemerkte, so großen Hunger hatte ich. Als hätte ich tagelang nichts zu essen bekommen. Normalerweise stand auch Pizza auf der Liste meiner Haupternährung, aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich seit Ewigkeiten keine mehr gegessen. Nachdem ich zwei Stücke verschlungen hatte, griff ich nach der Bierdose und schaute mein Gegenüber auffordernd an. Nach einigen Augenblicken musste ich einsehen, dass mein hypnotischer Blick allein wohl nicht reichte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, denn er starrte unentwegt auf seinen Teller, als wäre sein Blick festgewachsen. Irgendwie waren seine Augen merkwürdig, hatte er etwa Drogen genommen? Ich schob die Frage beiseite, denn es ging mich schließlich nichts an. Vorsichtig berührte ich seinen Arm, da ich nicht wieder 10 Minuten allein in der Küche zubringen wollte. Nachdem ich tatsächlich Beachtung von ihm bekam, konnte ich mir einen dummen Spruch nicht verkneifen: „Wenn du so weiter machst, hast du bald ein Loch im Teller...aber egal, prost!“ Grinsend hielt ich ihm meine Dose entgegen und wartete darauf, dass er mit mir anstieß. Vivian Ich zuckte überrascht zusammen, als ich die Berührung an meinen Arm spürte. Ich hatte tatsächlich mein Umfeld völlig ausgeblendet. Scheiß Zeug, dass sollte nur meine Nerven beruhigen und mich nicht gleich völlig auf Eis legen. Wie ich so etwas hasste. Vielleicht sollte ich das nächste mal darauf achten, etwas Legales einzuwerfen, oder gleich das Koks meines Vaters nehmen. Tja in so einer Familie zu Leben hatte schon Vorteile und wenn das alles nicht half, gab es ja auch noch Rob. „Äh ja ... prost“, meinte ich ruhig, doch innerlich sah es ganz anders aus. Jetzt machte sich dieser Arsch auch noch über mich lustig und das nach allem was ich für ihn getan hatte. Gott, wenn sich mein Körper nicht wie Watte anfühlen würde, hätte der jetzt schon meine Faust in der Fresse und dann ... Ich war mir nicht einmal sicher auf wen ich nun wütend war. Auf diesen Streber, der sich auf einmal für etwas Besseres hielt, nur weil er sich den Kopf gestoßen hatte oder auf mich, weil ich plötzlich zum Weichei mutierte und mich in eine Schwuchtel verwandelte. Fehlte ja nur noch, dass ich nun auch Boots trage und aussehe wie Heafy. Gott bewahre, lieber vögel ich mich heute Nacht durch fünf Betten, damit ich morgen wieder normal bin. „Brauchst du noch lange? Ich hab nachher noch was vor“, grummelte ich leise, blickte dennoch wieder in irgendeine Richtung, Hauptsache nicht in diese Augen. Julian Erstaunt runzelte ich meine Stirn wegen Vivians Reaktion. Dieser Kerl war ja launischer als jedes Weib. „Ich bin ja gleich fertig, dann bist du mich los.“ Ich versuchte meine Stimme ärgerlich klingen zu lassen, konnte aber einen leicht traurigen Unterton nicht vermeiden. So, wie er die Frage ausgesprochen hatte, kam es einem höflich formulierten Rausschmiss gleich. Also doch eine empfindliche Mimose, die sonst nie kontra bekam. Wahrscheinlich war er es gewohnt, dass alle nach seiner Pfeife tanzten, wenn er noch nicht mal so einen harmlosen Scherz verstand. Und trotzdem wirkte er dermaßen anziehend auf mich, das war zum Haare raufen. Ich wollte nicht nach Hause gehen. Für mich war das ein unbekanntes Territorium und ich hatte Angst vor dem, was mich dort wohl erwarten würde. Ich hatte meine Mutter ja ewig nicht gesehen...das heißt schon, nur fehlten mir dazu komplett die Erinnerungen. Ich beschloss, mir darüber keinen Kopf mehr zu zerbrechen, als ich das letzte Stück Pizza in mich reinschob. In wenigen Minuten würde ich hoffentlich wissen, woran ich war. Nachdem ich aufgegessen hatte, stand ich auf teilte dem Älteren mit, dass wir aufbrechen konnten. Vivian Ich sagte lieber nichts mehr. Klar wollte ich ihn loswerden, was aber auf keinen Fall an ihm selbst lag sondern eher an meiner Art, auf ihn zu reagieren. Innerlich jubelte ich auf, als Julian endlich bekannt gab, dass wir los konnten. Wer weiß, wie lange es noch gedauert hätte, bis ich einfach zu ihm gegangen wäre und diese einladenden Lippen in Beschlag genommen hätte. Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte. „Dann mal los“, gab ich seufzend von mir und erhob mich träge, schlurfte durch den Flur, zog mich an und verließ anschließend mit Julian das Haus. Es dauerte nicht lange, bis wir erneut auf den Straßen von L.A. unterwegs waren. Ich schwieg, während die bunten Lichter an uns vorbei zogen. Immer wieder meldete sich mein schlechtes Gewissen oder war es mein Mitleid? Ich konnte es nicht genau sagen. Nach ungefähr 30 Minuten hielt ich vor einem recht trist aussehenden Mietshaus. „Da wären wir. Ist die Nummer 12“, erklärte ich ruhig und blickte stur gerade aus. Dennoch ließ das Gefühl in mir nicht nach, dass ich den Jungen nicht einfach so gehen lassen konnte. Ich sprang also über meinen eigenen Schatten, drehte mich zu dem Kleineren und brachte sogar ein Lächeln zustande. „Hör zu, wir leben nicht gerade in identischen Welten, aber du bist echt okay. Wenn du noch bei irgendetwas Hilfe brauchst, ruf mich an“. Während ich sprach, kramte ich meine Visitenkarte hervor und reichte sie dem Jüngeren. Julian Während der gesamten Fahrt hatte ich nur grübelnd aus dem Fenster gesehen. Es war mir einfach nicht möglich gewesen, meine Gedanken wenigstens für ein paar Minuten abzustellen. Als wir schließlich vor diesem hässlichen Gebäude hielten, wurde mir zum ersten Mal so richtig bange. Hier sollte ich also wohnen? Spätestens zu diesem Zeitpunkt wollte ich nicht mehr wissen, wie mein Leben nach New York verlaufen war, aber da blieb mir keine Wahl. Positiv überrascht lauschte ich Vivians Worten und nahm seine Visitenkarte entgegen. War das etwa ein Versprechen? Ich hoffte es. „Danke“, sagte ich noch, bevor ich ihn in eine kurze Umarmung zog und dann ohne ein weiteres Wort ausstieg. Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich die Treppen in den zweiten Stock hinauf und mit immer langsamer werdenden Schritten den Gang entlang lief, bis ich schließlich vor Haustür Nr. 12 stehen blieb. Ich hob die Hand, um an die Tür zu klopfen, was ich nach kurzem Zögern auch entschlossen tat. Es dauerte nur einen Augenblick, bis ich es im Inneren der Wohnung poltern hörte und anschließend die Tür aufgemacht wurde. „Mutter?“, fragte ich ungläubig. Es schockte mich nun doch, dass sie tatsächlich vor mir stand. Das Ganze war also kein böser Streich gewesen. Ihr Anblick erschreckte mich: Sie hatte dunkle Augenringe, ihre Haare hingen ihr strähnig ins Gesicht und sie stank, als ob sie in Alkohol gebadet hätte. Als sie mich ansah, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß. Kaum eine Sekunde später packte sie mich am Kragen und zog mich in die Wohnung. Ohne ein Wort zu sagen, knallte sie die Tür zu und verpasste mir zur Begrüßung eine schallende Ohrfeige, die mich stöhnend ein paar Schritte nach hinten taumeln ließ. Und gleichzeitig kamen die Erinnerungen zurück. Die Person, die ich bis eben glaubte zu sein, war ich seit 2 Jahren nicht mehr. Für einen kurzen Augenblick hatte ich wieder in der Vergangenheit gelebt und bei Gott, ich würde alles dafür tun, damit es wieder so wie früher wurde. Denn die ständigen Schläge und Beschimpfungen meiner Mutter hatten mich gebrochen und ich war zu einem scheuen und braven Vorzeigesohn geworden. Als sie erneut die Hand gegen mich erhob, wich ich rechtzeitig aus und stürzte zur Tür, die ich schnell aufriss, um nach draußen zu stürmen. Ihr wütender Aufschrei drang schon nicht mehr an meine Ohren. Auch wenn ich wusste, dass ich damit noch alles verschlimmerte, aber ich brauchte dringend Ruhe, um wieder zu mir selbst zu finden. Ich fühlte, wie meine Wange bereits anschwoll und die ersten Tränen rannen über mein Gesicht. Normalerweise schlug sie mir nicht ins Gesicht, weil es sonst jeder sehen konnte. Nein, sie benutzte lieber einen Gürtel und malträtierte damit meinen Rücken. Diese Erinnerung ließ mich noch schneller laufen, irgendwo hin, mir war es gleich. Ich wollte einfach nur noch weg und am liebsten nie wieder zurück. Als ich an einem verlassenen Park ankam, verlangsamte ich mein Tempo und lief hinein. Nach ein paar Schritten war meine Kraft erschöpft und ich ließ mich auf die Knie sinken, vergrub mein Gesicht in meinen Händen und fing an, hemmungslos zu weinen. In was für eine Scheiße war ich da nur reingeraten? Was hatte ich nur getan, um so bestraft zu werden? Tbc Kommis? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)