Die Tochter der Dunkelheit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Geister der Vergangenheit (2) ---------------------------------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 5 – Geister der Vergangenheit (2) Paris - Vergangenheit: Die Sonne sandte an diesem wunderschönen Samstag ihre wärmenden Strahlen aus und erfüllte das kleine Zimmer mit goldenem Licht. Auf einem Tisch stand ein großer Strauß, bestehend aus allerlei Frühlingsblumen. Ihr Duft hatte sich im ganzen Raum verteilt und sorgte für ein heimeliges Flair. Das niedliche Gähnen des Babys auf ihrem Arm zauberte ein Lächeln auf Kirikas Lippen und mit winzigen Händchen griff es immer wieder spielerisch nach den Haaren seiner Mutter. Mireille saß in einem Stuhl und schaute der friedlichen Szene zu. Noch vor einigen Wochen hatte sie sich unsägliche Sorgen gemacht. Über Tage und Nächte hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie Kirika vor psychischem Schaden bewahren konnte. Ihre Partnerin sollte ein Kind austragen, welches durch eine perverse Art der Vergewaltigung zustande gekommen war. Wer konnte das so einfach verkraften? Aber jetzt fühlte sie sich sehr erleichtert und sie wusste, dass Kirika es auch war. „Wir haben immer noch keinen Namen, oder?“, fragte sie belustigt. Kirika reagierte nicht, sondern sah weiterhin lächelnd auf ihre Tochter herab. Die letzten zwölf Stunden waren der Horror gewesen, besonders natürlich für Kirika. Wobei es Mireille war, die beinahe in Panik geraten war, als am späten Abend die Wehen eingesetzt hatten. Kirika war immer bemüht gewesen, ihre Freundin zu beruhigen, doch war ihr das auch nicht leicht gefallen, da sie mit den Schmerzen mehr als genug zu tun hatte. Schließlich hatte Mireille erst am Morgen des nächsten Tages ihre Ruhe gefunden, ebenso wie Kirika, denn dann war alles vorbei gewesen und die Gemeinschaft der beiden Frauen um ein Mitglied erweitert worden. Zwar hatte sich keine der beiden je wirklich Gedanken darüber gemacht, wie es mit einem Baby werden würde, nicht einmal Mireille, die sonst immer für die Planung zuständig war, aber sie waren sich sicher, dass es schon irgendwie funktionieren würde. Sicherlich war ihnen der Gedanke gekommen, das Kind nach der Geburt gleich zur Adoption freizugeben, zumal es bei weitem kein Wunschkind war, aber ausgesprochen hatte es niemand und es ernsthaft in Erwägung zog es auch keiner mehr. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz allen Schmerzes, der in Kirikas Herzen brannte, war sie fasziniert von den Gefühlen, die ein so kleiner Mensch, den sie kaum kannte, in ihr hervorzurufen vermochte. Sie hatte geglaubt, dass sie dieses Kind hassen würde, so wie sie Caleb Winston hasste, der Mann, der ihr das angetan hatte. Aber die Gefühle einer Mutter für ihr Kind waren stärker, als sie jemals angenommen hätte. Und sie sah darin eine Chance. Die Chance, ihrer Tochter das Leben zu ermöglichen und die Liebe zu schenken, was ihr selbst alles für so lange Zeit verwehrt geblieben war. Allein war sie schließlich auch nicht. Sie hatte Mireille, die immer an ihrer Seite stehen würde, so wie in den letzten Monaten und Jahren davor auch. Ihr Entschluss war somit gefasst. Sie würde dem Kind ihre ganze Liebe geben und noch mehr, es vor allen Gefahren beschützen und bis zu ihrem Tod für es kämpfen. Keiner sollte es wagen, dem Kind zu nahe zu kommen, das schwor sie sich. Dennoch stieg Angst in ihr hoch bei dem Gedanken an Caleb. Was, wenn er versuchen sollte, ihre Tochter zu töten? Auch wenn sie sich nicht erklären könnte, warum er das tun sollte, aber wer wusste schon, was in einem Verrückten wirklich vorging? Innerlich ermahnte sie sich, nicht an sowas zu denken und einmal in ihrem Leben positiv eingestellt zu sein. Es würde schon irgendwie gut werden, wenn sie alle zusammen hielten. Ihr Lächeln wurde breiter und sie lehnte sich weiter in die weichen Kissen zurück. Kurz darauf klopfte es an der Tür und Dr. Lucier kam mit einem breiten Grinsen herein. „Na, wie geht ’s Mutter und Kind?“ Micha Lucier war von Mireille damit betraut worden, sich um Kirika zu kümmern, da er als einziger ihr Vertrauen genoss. Und er hatte seinen Job mehr als gut gemacht. Nun stand er zufrieden neben dem Bett und schaute auf das Kind herab, welches mittlerweile eingeschlafen war, den Daumen im Mund, und friedlich vor sich hin schlummerte. „Es lief doch alles mehr als zufriedenstellend. Also, wenn ihr keine anderen Pläne mehr habt, kann ich euch heute noch nach Hause schicken.“ Mireille richtete sich auf und blickte dankend zu ihm auf. „Wir sind dir 'ne Menge schuldig, Micha!“ „Ach, was! Das ist doch mein Beruf. Ich bitte dich.“, entgegnete er abwinkend. In den letzten Monaten, die die beiden Frauen regelmäßig zu Lucier in die Praxis gekommen waren, hatten sie die förmliche Anrede abgelegt und waren zum freundschaftlichem „Du“ gewechselt. „Ich mache noch die nötigen Papiere fertig, dann wäre auch schon alles erledigt.“ „Danke!“, sagte Mireille ernsthaft aufrichtig. Ein sanftes Lächeln folgte auf das Grinsen des Arztes, als er nickte und den Raum verließ. Eine Stunde später klopfte es leise und Margarete, Luciers Sekretärin, öffnete die Tür zaghaft einen Spalt. Zurückhaltend, aber spürbar neugierig spähte sie in das Zimmer, bis Mireille sie bat, einzutreten. Mit einem verlegenem Grinsen und voller Ungeduld kam sie zum Bett und stützte sich mit den Händen auf Mireilles Stuhllehne. Kurz nachdem Dr. Lucier das Zimmer verlassen hatte, war Kirika auch eingeschlafen, verständlich wegen der Anstrengungen der letzten Stunden. „Oh, das ist ja ein süßes Kind!“, flüsterte Margarete entzückt. Die Frau mittleren Alters strahlte über das ganze Gesicht und ihre Augen leuchteten. „Es ist doch jedes Mal wieder etwas wunderbares, finden sie nicht auch?“ „Naja, ich habe da nicht so viel Erfahrung, wissen sie?“ „Oh, ja, natürlich.. Ach, goldig!“ Ein lautes Poltern, gefolgt vom Klirren zerbrechenden Glases riss die Frauen aus ihrer Ruhe. Auch Kirika und das Baby wachten auf, woraufhin das Kind anfing, zu weinen. Sofort war Mireille in Alarmbereitschaft und auch Kirika war aus dem Bett gesprungen, jedoch hielt Mireille sie zurück. „Du bleibst mit dem Kind hier und sie auch, Margarete! Ich sehe nach, was das war, verstanden?“ Besorgt sah die ältere Frau zu der Japanerin, die das Baby jetzt noch fester im Arm hielt. Zwar war sie ebenso wie Micha Lucier eine Vertraute, doch konnte sie nicht so gut mit lebensgefährlichen Situationen umgehen, wie ihr Chef. Aber sie war dennoch kein Feigling. Im Notfall würde sie diese junge Frau und ihr neugeborenes Kind mit ihrem eigenen Leben beschützen. Mireille wollte gerade zur Tür laufen, als eine für die kleinen Räumlichkeiten gewaltige Explosion ausgelöst wurde und die Korsin von der Erschütterung ins Wanken geriet. Noch während es in ihren Ohren klingelte und sie kaum etwas hören konnte, wurde die Tür aufgerissen und zwei Männer in schwarzen Kampfanzügen stürmten herein. „Auf den Boden! Sofort!!“ Keiner rührte sich. Einer schlug Mireille mit dem Schaft seiner Waffe nieder und sie blieb halb bewusstlos liegen. „Nein, sie werden dem Kind ni-“ Eine Kugel durchschlug den Hals der Sekretärin und sie sackte gurgelnd zusammen. Kirika hielt ihre Tochter schützend im Arm. Sie selbst war noch immer sehr geschwächt und hatte zudem kaum eine Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren. Vorher würde sie von einem Kugelhagel durchlöchert werden. Sie und ihr Kind. Aber scheinbar wussten die Männer, um wen es sich bei der jungen Mutter handelte, denn sie hielten respektvoll Abstand und zeigten nicht mehr so viel Brutalität wie zuvor. „Hör' zu!“, sprach einer der beiden. „Wir wollen dir nichts tun, gib uns einfach nur das Kind und wir sind weg, ok?“ Mit einem Stöhnen stemmte sich Mireille in die Höhe und fasste sich kurz an die Platzwunde an ihrer Stirn. Ihr Blick fiel auf die Männer, die Kirika und das Baby bedrohten. „Na, los, sei vernünftig! Oder willst du euch alle in die Hölle schicken mit deiner Sturheit?“ Kirika wich bis zum Fenster zurück und warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Viel zu hoch, um herauszuspringen. Und sie würde es auch nicht schnell genug schaffen. Verzweiflung stieg in ihr hoch und sie suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Plötzlich sprang Mireille einen der beiden maskierten Männer von hinten an, riss ihm den Waffenarm nach oben, woraufhin er reflexartig abdrückte, die Kugeln aber nur in die Decke schlugen. Einen Augenblick später brach sie dem überrumpelten Mann das Genick und entriss ihm die Waffe, bevor sie damit dem anderen, der ebenso verblüfft war ob des blitzschnellen Angriffs, die halbe Ladung des Magazins in den Körper schoss. Schwer atmend kam sie zu Kirika herüber. Das angsterfüllte Weinen des Kindes hatte abgenommen, nachdem die Schüsse verhallt waren und es klammerte sich jetzt mit tränengefüllten Augen an das Hemd seiner Mutter. „Lass uns schnell hier verschwinden!“ Kirika hob ihre Tochter in eine bessere Position zum Tragen und verließ mit schnellen Schritten das Krankenzimmer. Auf dem Flur bot sich ihnen ein Trümmerfeld dar. Die gesamte Wand zum Büro von Dr. Lucier war von einer Sprengladung zerfetzt worden, überall lagen die Bruchstücke verstreut. Das Büro selbst, soweit Mireille es durch den dichten Staubschleier sehen konnte, lag völlig in Trümmern. Sollte sich Micha da aufgehalten haben, war er nicht mehr am Leben. Sie hoffte, dass er verschont geblieben war, doch glaubte sie nicht wirklich daran. Hektisch sah sie sich um, doch war kaum etwas zu erkennen. In der gewaltigen Staubwolke konnte sie nur schwerlich atmen und so lief sie so schnell wie möglich mit Kirika im Schlepptau in gebückter Haltung den Gang entlang, bis sie in den Empfangsraum gelangte. Hier war die Sicht noch schlechter und sie hörte Kirika hinter sich husten. Auch das Kind wurde wieder unruhiger und so waren viele Faktoren dafür verantwortlich, dass sie nichts von dem Mann vor ihr bemerkte, bis sie schließlich in ihn hinein lief. Unglücklicherweise reagierte er sehr viel schneller als die Korsin und hatte sie sogleich am Arm gepackt und zur Seite gezerrt, wo ein zweiter sie festhielt. Der erste griff dann auch nach Kirika, die ebenfalls nichts von der Anwesenheit der Männer mitbekommen hatte, und zerrte sie samt Baby im Arm zu Boden. Mit schnellen und offenbar geübten Handgriffen entriss er ihr das Kind und fesselte dann ihre Hände auf dem Rücken zusammen. Währenddessen versuchte Mireille mit aller Kraft, sich aus der Umklammerung zu befreien, doch entpuppte sich der Mann als äußerst stark und um Längen zu stark für die blonde Killerin. Er hielt ihr zudem den Mund zu, dennoch strampelte und schlug sie weiter um sich, wie es ihr nur möglich war. Das Schreien des Kindes und Kirikas Rufe ließen sie nach und nach panischer werden, sie wusste, dass sie in eine unausweichliche Falle geraten waren. „Nein, lasst sie in Ruhe! Nehmt eure Finger von meiner Tochter!!“ „Halt deinen Mund!“ Mireille hörte einen dumpfen Schlag, dann war es ruhig, abgesehen von dem schreienden Baby. Im nächsten Moment spürte sie selbst einen Schlag gegen den Hinterkopf und ihr wurde schwarz vor Augen. Als die Reste eines hölzernen Regals krachend zusammenbrachen, kam Mireille wieder ins Bewusstsein zurück. Ihr Kopf schmerzte und sie fühlte etwas feuchtes ihre rechte Gesichtshälfte herunter laufen. Sie kam nur schwer auf die wackeligen Beine und ging wankend zu ihrer immer bewusstlosen Partnerin herüber. Deren Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt, doch waren die Knoten schnell gelöst und die Korsin drehte die Frau vorsichtig auf den Rücken. Blut strömte aus einer Wunde am Kopf, aber das würde nicht lebensbedrohlich werden. Mireille hielt den schlanken Körper der Asiatin in ihren Armen und streichelte mit einem Finger über ihre Wange, jedoch zeigte sie keine Reaktion. Dann fiel ihr im Augenwinkel ein Blatt Papier auf, welches, anders als die anderen hier verstreuten Zettel, sauber und unbeschädigt da lag. Als sie genauer hinsah, erkannte sie die Unterschrift unter dem kurzen Text: Les Soldats! Nach kurzem Zögern griff sie danach und las die Nachricht: N o i r , Wir werden uns um das Kind kümmern, wie es vorgesehen war, auch wenn das gegen euren Willen gehen sollte. Dem Kind wird es an nichts mangeln und wir werden ihm kein Leid zufügen. Das heißt unter einer Bedingung: Bleibt dem Kind fern und ihm wird es gut ergehen. Wagt einen Angriff und das Leben dieses unschuldigen Mädchens wird als erstes geopfert werden. L e s S o l d a t s Geschockt starrte die Killerin auf die Notiz herab. Was sollten sie tun? Ein Angriff war mit einem zu hohen Risiko verbunden. Les Soldats durfte man einfach nicht unterschätzen, das wäre ein fataler Fehler. Wie konnten sie also dann handeln? „Mireille..“ Aus ihren Gedanken gerissen, ließ Mireille den Zettel fallen und wandte sich dann ganz ihrer Freundin zu. „Ich bin hier, keine Sorge.“ Behutsam half sie Kirika auf, damit sich diese an die Wand gelehnt hinsetzen konnte. Es war totenstill in der zerstörten Praxis, kein leises Wimmern oder Weinen, kein Geschrei.. kein Baby. „Diese Männer.. sie..sie haben.. sie mitgenommen..“ Es war keine Frage, sondern eine bloße Feststellung. Ob sie einfach zu schwach war oder aber erkannt hatte, dass es nichts bringen würde, sich aufzuregen, war nicht ersichtlich, doch blieb Kirika still da sitzen, ohne Anzeichen von Wut in ihrer Miene. Alles, was zu sehen war, war Hoffnungslosigkeit und Schmerz, der allerdings nicht nach Rache verlangte. Es schien, als würde sie gerade ihr Schicksal, niemals glücklich werden zu dürfen, akzeptieren. Für mehrere Minuten herrschte Schweigen, dann griff die Korsin wieder nach der Notiz. „Sie haben eine Nachricht hinterlassen. Ich weiß.. ich weiß nicht, was wir tun sollen. Ich-“ „Sie brauchen sie.. so-solange ist sie in Sicherheit.. oder..?“, fragte Kirika zaghaft. Ihre Stimme war nur mehr ein Hauchen. Mireille konnte ihr keine Antwort geben. Ihr war zwar klar, dass Kirika generell recht hatte, aber würde das die Situation nicht sehr viel erträglicher machen. Als Caleb seine kleine Tochter auf den Arm nahm und sie ihm mit müden Augen entgegen lächelte, war er äußerst zufrieden. Die Aktion war geglückt. Der Tod einer seiner Männer war nur ein geringer Preis für das, was er dadurch erhalten hatte. Vorsichtig legte er das Baby in ein Kinderbett und deckte es zu. Kurz darauf war es bereits eingeschlafen. Lautlos verließ er den kleinen Raum und machte es sich im Nebenzimmer in seinem Bürostuhl gemütlich. Er war davon überzeugt, dass Kirika und ihre Partnerin sich nicht in seine Nähe wagen würden, solange er das Kind hatte. Er kannte Kirika, hatte sie studiert und sich jede Eigenheit gemerkt. Sie würde zum Wohle des Kindes im Hintergrund bleiben und dafür sorgen, dass ihre korsische Freundin ebenfalls in ihren eigenen vier Wänden blieb und sich nicht in Dinge einmischte, die sie nichts angingen. Er lächelte. Wenn er in diesem Moment bei der jungen Japanerin gewesen wäre, hätte er sie in den Arm genommen und ihr gesagt, dass ihre gemeinsame Tochter nichts zu befürchten hatte. Ganz im Gegenteil - dieses Kind war seine Hoffnung, die Welt besser zu machen. Natürlich waren für derartig ehrenhafte Ziele immer Opfer nötig. Und wenn es hieß, ein Kind von seiner Mutter zu trennen, dann sollte es eben so sein. Schließlich war er auch noch da, er war der Vater und hatte damit ein Recht auf das Kind. Er wollte nur das beste, genau wie Kirika. Nur bei ihm würde die Zukunft der Kleinen sehr viel bedeutungsvoller werden. Dafür wollte er schon sorgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)