Die Tochter der Dunkelheit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Ungeliebte Information --------------------------------- Noir – Die Tochter der Dunkelheit by Pekoe Widmung: Am Anfang waren Zweifel, große Zweifel, ob diese Story überhaupt jemandem gefallen würde. Und die größten Sorgen hatte ich bei dem Gedanken daran, dass sie eventuell einer ganz bestimmten Person nicht zusagen könnte, der Person, der ich diese Story eigentlich auch widmen wollte. Doch innerhalb von Minuten waren diese Ängste verflogen. Ich habe nicht umsonst diese Kapitel geschrieben und kann daher ohne schlechtes Gefühl diese Story meinem guten Freund Philipp widmen, der die Patenschaft hierfür freudig übernommen hat ;) Danke für deinen guten Einfluss immer und immer wieder ^^ Und es ist mir auch immer wieder eine Freude, etwas (für dich) zu schreiben! :) Disclaimer: Die Idee zu den Charakteren stammt NICHT!!!!! von mir, ich verwende sie lediglich hier für meine Stories. Anmerkung: Erstens – Diese Story spielt circa sieben Jahre nach dem Anime. Dabei gehe ich persönlich davon aus, dass Kirika am Ende von Noir achtzehn Jahre alt war, also ist sie in der folgenden Geschichte bereits fünfundzwanzig Jahre alt, Mireille wäre nach meiner Ansicht mindestens vier Jahre älter als Kirika, also mindestens neunundzwanzig ^^ Zweitens – Da Kirikas Beretta 1934 in der letzten Folge in den Lavabrunnen gefallen ist und dieses Modell, wie der Name schon sagt, sehr alt ist, nämlich schon 1934 in Italien konstruiert worden war und der Bau in den 1980er oder 90er eingestellt wurde und es somit schwer werden würde, eine neue Waffe dieser Art zu beschaffen, habe ich mir erlaubt, Kirika ein neues Modell zu geben. Die handliche 9000er ist für sie wie geschaffen, da sie sich mit einem nur 1,8 Zentimetern längerem Lauf in der Größe kaum von der 1934er unterscheidet, aber sogar noch eine höhere Magazinkapazität besitzt (12 Schuss insgesamt bei dem Kaliber 9mm). Daher ist sie auch einige Gramm schwerer. Hier ist ein Bild der Beretta 9000, damit ihr euch schon mal dran gewöhnen könnt :P http://world.guns.ru/handguns/beretta9000.jpg Da sie eine recht moderne Waffe ist, wie in etwa auch Mireilles Walther P99, ist Kirika damit bestens gerüstet ^^ Diese beiden Dinge nur nebenbei als Hilfestellung ^^ Also dann, viel Spaß ;) Kapitel 1 – Ungeliebte Information Die Blätter hatten schon alle die wunderschönsten Farben angenommen und begannen bereits von den Bäumen zu fallen. Kinder liefen lachend durch die bunten Haufen und freuten sich über das Farbenspiel, als die Blätter durch das Licht der Sonne in jeder Facette leuchteten. Kirika sah sich das Treiben von einer Parkbank aus an. Sie hatte an diesem Nachmittag vorgehabt, ein wenig zu zeichnen, die Natur war zu dieser Jahreszeit unglaublich schön. Doch fand sie es weitaus beruhigender, den unschuldigen Kindern zuzusehen, die miteinander spielten und einfach nur glücklich waren. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, auch noch einmal eine richtige Kindheit zu erleben, frei vom Tod und der Dunkelheit, die sie stets umgaben. Doch war das nicht mehr möglich. Die junge Frau schüttelte diesen Gedanken ab, denn er verursachte immer einen starken Schmerz in ihrem Herzen. Sie versuchte, sich nur auf ihre Umgebung zu konzentrieren und stellte fest, dass es eventuell doch besser wäre, den Heimweg einzuschlagen, jetzt, da sie erst einmal depressive Gedanken hatte. Nach einer Unterhaltung mit Mireille über alltägliche Dinge würde es ihr sicherlich besser gehen. Sie seufzte und stand mit enttäuschter Miene auf. Wieder einmal hatte sie es in kürzester Zeit geschafft, sich selbst die Laune zu verderben. Als sie ihre Sachen eingepackt hatte, stand sie auf und ging nach Hause. Sie schaute auf dem Weg noch bei einem Supermarkt vorbei, da sie heute für das Essen zuständig war, und kaufte dort das Nötige ein. Mireille erwartete sie bereits, allerdings anders, als es ihr lieb gewesen wäre. In den Stunden, die Kirika weg gewesen war, war ein neuer Auftrag herein gekommen und natürlich unterrichtete die Korsin ihre Partnerin sogleich davon, kaum, dass sie die Wohnung betreten hatte. Während der Vorbereitungen für das Abendessen und beim Essen selbst setzte sie Kirika ins Bild. „Bei der Zielperson handelt es sich um einen italienischen Geschäftsmann, sein Name ist Pedro Dastallio. Er kommt für eine Woche nach Paris, um ein für ihn lebenswichtiges Geschäft abzuschließen. Für uns bedeutet das eigentlich, dass wir genau diese Woche als Fenster haben, in dem wir handeln müssen. Doch sind wir enger eingeschränkt, fürchte ich.“ Sie sah auf den Zettel neben ihr. „Nächsten Mittwoch wird er am Charles-de-Gaulle-Flughafen hier in Paris landen und für die anstehenden Verhandlungen im Hotel du Louvre ein Zimmer mieten. Gleich am nächsten Tag ist eine Konferenz anberaumt. An den nächsten beiden Tagen finden die Verhandlungen statt. Schließlich bleiben uns danach noch zwei Tage, um den Auftrag auszuführen, da erst nach den Verhandlungen, wenn schon wieder alles für die Abreise vorbereitet wird, der Sicherheitsstatus niedriger sein wird. Allerdings dürfen wir jetzt nicht annehmen, dass es dann kein Problem mehr ist. Es wird nur einfacher sein. Das heißt, dass er immer noch gut abgeschottet sein wird, damit niemand an ihn ran kommt. Nach Unterzeichnung aller Verträge wird er das Hotel verlassen und auf einen privaten Landsitz außerhalb von Paris ziehen. Genau für diese letzen beiden Tage.“ Die Frau griff nach ihrem Weinglas und trank einen kleinen Schluck, bevor sie fortfuhr: „Aber gibt es noch ein weiteres Problem, mit dem wir fertig werden müssen.“ Mireille hielt ncoh einmal inne, um die entsprechenden Papiere hervorzuholen und reichte sie, wie alle anderen Informationen zuvor auch, an Kirika weiter. Das Blatt war fast leer, alles was es enthielt, war ein Name, eine vage Beschreibung, die auf die meisten Menschen gepasst hätte und ein Datum. „Mein Informant hat mir mitgeteilt, dass Pedro Dastallio einen Auftragskiller angeheuert hat, als besonderen Bodyguard, versteht sich. Scheinbar ahnt er bereits, dass er Ziel eines Attentates werden soll. Deswegen wohl auch die zahlreichen Beschützer um ihn herum.“ Kirika las die wenigen Informationen sorgsam durch. Ein männlicher Killer, in den Endzwanzigern. „Caligula. Ist das ein Codename?“, fragte Kirika. Als Antwort lachte Mireille leise, griff nach einem kleinen Buch, schlug es an der mit einem Lesezeichen gekennzeichneten Stelle auf und schob es dann ihrer Partnerin zu. Noch während diese die markierten Zeilen las, erklärte Mireille: „Caligula war ein Nachfahre Cäsars. Ihm wird Wahnsinn und Grausamkeit unter anderem in Form von Sadismus vorgeworfen. Er hat als Kaiser Roms im ersten Jahrhundert nach Christi zahlreiche Hinrichtungen vollziehen lassen, unter den Opfern waren auch namhafte Bürger wie zum Beispiel Senatoren.“ „Also scheint dieser Mann sich mit Caligula zu indentifizieren.“ „Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich Frage mich, falls ja, ist er dann auch wahnsinnig und sadistisch? Haben wir es hier mit einem rational denkendem Menschen zu tun, oder einer unberechenbaren Gefahr? Wie auch immer, wir müssen vorsichtig sein und ihn so schnell wie möglich aus dem Weg räumen!“ Kirika nickte und legte das Buch wieder zur Seite. Beide waren sie mittlerweile mit den Essen fertig, sodass sie begannen, den Tisch abzuräumen. „Ich werde meinem Informaten auftragen, dass er noch weiter forschen soll. Wir brauchen den Namen des Killers, das würde uns schon mal weiterhelfen.“ Am späten Abend, als Mireille noch vor ihrem Computer saß und Kirika wie immer am Fenster, piepte es. Das Zeichen, dass eine neue Mail eingegangen war. Die blonde Korsin öffnete sie und las den Inhalt. Es blieb für mehrere Minuten vollkommen still und diese Stille wurde erst durch das Verrücken des Stuhls von Kirika durchbrochen, als sie aufstand und langsam zu Mireille hinüber ging. Diese reagierte wie vom Blitz getroffen und klickte die Mail weg, ohne dass die andere Frau etwas davon mitbekam. „Was war es? Haben wir einen neuen Anhaltspunkt?“, fragte sie, als sie den Billardtisch umrundet hatte und nun neben Mireilles Stuhl stand. „Nein.. nein, leider nicht. mh.. wir müssen uns gedulden.“ Mireille rieb sich die Augen und seufzte leise, als sie fortfuhr: „Wie es aussieht, werden wir den Auftrag wieder aufteilen müssen. Einer kümmert sich um die Bodyguards und sorgt damit dafür, dass der andere an Dastallio herankommt.“ Inzwischen hatte sich Kirika wieder zu ihrem Platz am Fenster begeben und lauschte von dort den Worten ihrer Partnerin. Sie nickte leicht, als diese zuende geredet hatte. „Ich hoffe, dass wir morgen mehr erfahren. Aber jetzt bin ich müde. Ich nehme noch 'ne Dusche, dann leg ich mich schlafen, ok?“ „Ja, ok.“, kam die Antwort und die blonde Frau verschwand im Bad. Das heiße Wasser lief über ihren Körper und ihre Muskeln entspannten sich. Doch in ihrem Kopf arbeitete es, als hätte sie die schwerste Rechenaufgabe der Welt zu lösen. Dabei war nur ein einziger Name für all das verantwortlich. Die Mail ihres Informanten hatte genau das enthalten, was sie am frühen Abend bereits gewollt hatte – Caleb Winston, der Name des Killers mit dem Alias 'Caligula'. Aber wenn das stimmte, was dort gestanden hatte, dann sollte das ein viel komplizierterer Auftrag werden, als erwartet. Mireille fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare und schloss unter dem Wasserstrahl die Augen. 'Verdammt, was soll ich denn jetzt machen? Ich kann es ihr nicht sagen.. unmöglich.. sie würde..ach, mist!' Die blonde Korsin stütze sich mit den Händen an den gefliesten Wänden ab und stand mit gesenktem Kopf da, ihr Körper zitterte leicht und sie hätte vor Wut am liebsten irgendetwas zerschmettert. Alles, was sie jedoch tun konnte, war zu hoffen, dass alles soweit glatt laufen würde und Kirika nicht mit Caligula, oder besser Caleb, wie sein richtiger Name lautete, in Kontakt kam. Andernfalls würde sie in große Schwierigkeiten kommen, da war sich Mireille sicher. Als sie einigermaßen davon überzeugt war, ihre Fassung halten zu können, stellte Mireille das Wasser ab, stieg aus der Kabine und warf ihren Bademantel über. Nachdem sie ihre Haare mehr schlecht als recht getocknet hatte, verließ sie das Bad. Sie sah, dass Kirika ihren Platz am Fenster noch nicht verlassen hatte. Nach kurzem Überlegen entschied sie sich, sie nicht aufzufordern, schlafen zu gehen. Schnell hatte sie ihre typische Schlafkleidung, ein XXL-Shirt und Shorts, angezogen und legte sich dann ins Bett. Doch war ihre Müdigkeit nun wie weggeblasen. Aber nachdenken wollte sie auch nicht, das würde ihren Kopf nur zum Zerplatzen bringen. Sie seufzte leise und rieb sich die Augen. Einige Zeit später hörte Mireille die leisen Schritte Kirikas, die kurz darauf den Schlafbereich betrat, und drehte sich zu ihr. „Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst.“ Ein Lächeln auf ihren Lippen sollte ihre Unsicherheit überspielen, denn in Wahrheit wusste Mireille nicht, wie sie ganz normal wirken sollte, ohne dass Kirika den Verdacht bekam, dass etwas nicht stimmte. Aber zu ihrem Glück reagierte Kirika wie erwünscht, indem sie nur zurück lächelte, sonst aber schwieg. Auch sie verschwand noch kurz im Bad, krabbelte dann selbst in das Bett und war schon bald eingeschlafen. Mireille war erleichtert, dass es zu keinem Gespräch mehr gekommen war. Was sie allerdings nicht wusste, war die Tatsache, dass Kirika sehr wohl eine Abnormalität gespürt , es aber für sich behalten hatte. Sie vertraute Mireille und wenn diese ein Problem hatte und darüber reden wollte, dann würde sie es schon tun. Der jungen Japanerin war klar, dass sie nichts erzwingen konnte, daher musste sie sich in Geduld üben. Vertrauen war die Grundbasis einer jeden Beziehung. Und das wusste sie nur zu gut. Kapitel 2: Möge das Spiel beginnen! ----------------------------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 2 – Möge das Spiel beginnen! „Gut, dann los!“ Kirika nickte Mireille noch einmal zu und verschwand in der Dunkelheit. Die Korsin wartete einige Augenblicke und lief dann in die entgegen gesetzte Richtung zum Haupthaus des Dastallio-Anwesens. Sie würde noch warten müssen, bis sie von Kirika das Zeichen bekam, dass der Weg frei war. Solange versteckte sie sich in einer der hohen Hecken in der Nähe und wartete geduldig ab. Dabei behielt sie das Wachhaus am anderen Ende des Anwesens im Auge, von dem sie in dieser Finsternis kaum mehr sehen konnte, als grobe Konturen. Doch viel wichtiger war etwas auf dem Dach des Hauses. Da in dieser Hütte die Monitore der Überwachungskameras für die Außenanlage aufgestellt waren, musste erst sicher gestellt werden, dass die Kameras ihr Vorhaben, in das Haus einzudringen, nicht aufzeichneten. Und da kam Kirika ins Spiel. Sie sollte zuerst die Wachen ausschalten und dann die Kameras ausstellen. Auf dem Dach befand sich eine Antenne, deren Spitze eine kleine, rote Leuchtdiode war. Diese fixierte Mireille, während sie wartete. Denn sobald dieses Licht aus war, hieß das, die Kameras waren deaktiviert. Das Zeichen für die blonde Schönheit, ihr tödliches Werk zu beginnen. Die beiden Killerinnen hatten am Vortag den Plan ausgearbeitet, dass Kirika sich um die Wachleute kümmerte, damit Mireille ungestört an Dastallio, ihre Zielperson, herantreten konnte. Da sie keinerlei weitere Anweisungen erhalten hatte, wie zum Beispiel Informationen zu beschaffen, sollte sich dieser Teil als einfach herausstellen. Zudem war Dastallio selbst als nicht allzu tapfer bekannt, weshalb sich die Aufgabe, seine zahlreichen Leibwächter auszuschalten, als sehr viel umfangreicher darstellte und damit perfekt für die flinke Kirika. Sie hatte mit mehreren Gegnern gleichzeitig keine Schwierigkeiten und würde somit ihrer Partnerin den Rücken freihalten. Dennoch war Kirika nicht ganz zufrieden mit der Arbeitsaufteilung gewesen, wusste sie doch auch um den Profikiller, der von Dastallio angeheuert worden war. Doch die Korsin hatte hartnäckig darauf bestanden, dass nur sie allein in das Haus gehen würde und Kirika sich um alles andere kümmern sollte. Falls es Probleme geben sollte, würde Mireille ihr das schon irgendwie mitteilen. Aber bis dahin musste Kirika dem Haus fern bleiben, damit der Plan nicht durcheinander kam. Hätte sie gewusst, dass Mireille selbst sehr unsicher ob dieses Planes war, wäre sie nicht von der Seite ihrer Partnerin gewichen. Aber die Selbstsicherheit der schönen Blonden konnte immer noch unantastbar sein, wenn auch nur gespielt. Als die Japanerin das kleine Wachhaus am Rande des Anwesens erreichte, hörte sie gedämpfte Stimmen aus dem Inneren des Häuschen. Soweit sie erkennen konnte, waren nur zwei Personen darin und sie schienen keinen Verdacht zu haben, wer sie gleich begrüßen würde. Nachdem sie das Haus noch einmal umrundet hatte, um sicher zu gehen, dass nicht doch noch jemand dort war, hob sie einen kleinen Stein vom Boden auf und warf ihn gegen das Fenster. Sofort trat Stille ein, gefolgt von Stühle rücken und eiligen Schritten. Kirika tauchte in dem Schatten ab und war sogleich nahezu unsichtbar. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und einer der Männer trat heraus. Noch war es zu früh für Kirika, los zuschlagen, er stand zu weit im Türrahmen. Doch als er weiter nach draußen kam und begann, sich genauer umzusehen, sprang sie lautlos aus der Dunkelheit und packte ihn so schnell, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. Mit einem geübten Griff und einer für ihre Größe ungewöhnlichen Stärke riss sie ihn zurück und brach ihm das Genick. Der Wachmann hatte nicht einmal Zeit gehabt, zu stöhnen, geschweige denn zu schreien. Im Handumdrehen verschwand sie zusammen mit ihrem Opfer wieder im Schatten, genau im selben Moment, als der Zweite heraustrat. „Hey!“, flüsterte er und sah sich dabei zu allen Seiten um. Als er seinen Kameraden nirgends sah oder hörte, schlich er um das Haus herum, die Hand am Gürtelholster. Kirika sah sofort, dass dieser Mann keine oder nur kaum Erfahrung hatte. Sein Holster war noch geschlossen, ein tödlicher Fehler in seinem Job und die Killerin hätte sogar gewettet, dass die Waffe nicht einmal entsichert war. Zwei Fehler, die ihm das Leben kosten würden, das stand außer Frage. Denn genau in diesem Augenblick kam er an Kirika vorbei, die noch immer wie ein Geist neben der Leiche des Wachmannes im Schutze der Nacht hockte und auf diese Chance gewartet hatte. Und die zweite Attacke verlief noch schneller, als die erste. Bereits eine Sekunde später schleifte sie auch den anderen Mann in die Büsche, direkt neben seinen toten Kollegen. Unter dem undurchschaubarem Dickicht würden die Leichen Stunden unentdeckt bleiben, oder zumindest lange genug, damit Kirika und Mireille unbehelligt verschwinden konnten. Sie stellte noch kurz sicher, dass keine Spuren zu sehen waren und verschwand dann im Haus, um ihre erste Aufgabe zu beenden. Als das Licht verschwand, huschte Mireille aus der Deckung und sie lief leise, aber schnell über den teuren Kunstrasen. Wie sie es geplant hatte, war der Weg in das Innere des Haupthauses ein Kinderspiel. Ihr war bekannt, dass sich Dastallio in dem hintersten Bereich aufhielt, ein kleiner Nebenflügel, zu dem es nur einen Zugang gab. Dort hatte er all seine Leibwächter um sich geschart, besser gesagt, vor der Eingangstür zu seinem Flügel und auf dem hinteren Außengelände. Sie hoffte nur, dass auch wirklich alles wie geplant ablaufen würde. Ein Fehltritt und es konnte zu einer Katastrophe ausarten. Schließlich hatte sie nicht die letzte Information ihres Kontaktes vergessen. Sollte Kirika in irgendeiner Art und Weise davon erfahren, wer der Killer war, der auf sie wartete, vielleicht sogar direkt in seine Arme laufen, wüsste Mireille nicht, was zu tun war oder was überhaupt passieren würde, denn alles war möglich. Sie betete, dass sie sich wie immer zu viele Sorgen machte. Doch insgeheim wusste sie, dass es sehr ernst war und garantiert kein Zufall, dass Caleb Winston hier war, denn an Zufälle glaubte sie schon lange nicht mehr. Ein weiterer Teil des Planes war es, dass Kirika sich um die Leibwächter draußen kümmern sollte, Mireille würde sich währenddessen um die anderen im Haus selbst kümmern. Nach ihren Informationen zufolge hielten sich insgesamt zehn Leibwächter auf dem ganzen Gelände auf. Zwei hatten sie bereits zu Beginn ausgeschaltet, an einem der Nebentore des Anwesens. Blieben also noch acht. Davon sollte mindestens die Hälfte draußen herumlaufen. Sich dieser Information stets bewusst, schlich Kirika noch immer am Rande des Geländes entlang, bis sie den rückwärtigen Teil erreichte. Auch hier fiel ihr sogleich die Unerfahrenheit der Wachen auf, die scheinbar ziellos und ohne System über das Gelände schlenderten, laute Geräusche verursachten und sogar rauchten, was ihre Positionen für jeden Angreifer, wie Kirika es war, sichtbar machten. Verblüffung machte sich in ihre breit, hatte sie doch eigentlich damit gerechnet, dass ihre Gegner sehr viel schwerer zu besiegen wären. Aber sie schob den Gedanken erst mal beiseite und widmete sich wieder der aktuellen Situation. In kürzester Zeit hatte sie alle Leibwächter ausgemacht und näherte sich ihnen langsam, aber stetig. Als sie nur noch wenige Meter entfernt war, noch immer unentdeckt und durch die schwarzen Schatten um sie herum geschützt, hob sie ihre Waffe und erfasste das erste Ziel. Die schallgedämpften Schüsse aus ihrer Walther waren nirgends zu hören und Mireille lief behände an den zusammen gesackten Körpern der ersten beiden Leibwächter vorbei. Im nächsten Gang musste sie in einer Türnische Deckung suchen, als sie eine Person hinter sich nahen hörte. Vorsichtig spähte sie um die Ecke und sah, dass ein Mann, offensichtlich auch eine der Wachen, normal weiter ging und Mireille wollte schon erleichtert aufatmen, als sie mit einem Ruck aus der Deckung gerissen und sogleich zu Boden gedrückt wurde. Sie hatte nichts gehört, dennoch war jemand so nahe an sie heran gekommen, ohne dass sie etwas gemerkt hatte. Mit ungeheurer Kraft verdrehte man ihr schmerzhaft den Arm auf den Rücken und hielt sie mit der anderen Hand im Nacken gepackt. Ein schwacher Schwefelgeruch stieg in ihre Nase. Dann spürte sie den heißen Atem an ihrem Hals, als die Person im Flüsterton sprach: „Ich muss enttäuscht feststellen, dass sie nichts dazu gelernt haben, Mireille Bouquet.“ Der Griff wurde härter und Mireille biss die Zähne zusammen, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Jetzt in normaler Gesprächslautstärke fuhr der Mann fort: „Man sollte in seiner Ausbildung niemals stehen bleiben, sei es nun die geistige oder körperliche. Sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, ist ein fataler Fehler und sie werden schon bald erkennen, warum.“ Ihr Herz blieb fast stehen, als sie die Stimme erkannte. Caligula, alias Caleb Winston! Sie war in seine Falle getappt und wenn die Pechsträhne anhielt, würde auch Kirika dort hineingeraten. Nachdem das Herz eines weiteren der Leibwächter von dem Geschoss, Kaliber neun Millimeter, durchschlagen wurde, liefen die beiden übrigen wie von Panik ergriffene Hühner über den Rasen, riefen sich gegenseitig Befehle zu, obwohl keiner daran dachte, irgendetwas zu tun, außer darauf zu achten, nicht erschossen zu werden. Aber sie hatten keine Ahnung, woher der Angriff kam und zu Kirikas ehrlicher Überraschung schienen sie keinen Anstalten zu machen, jemandem Bescheid zu sagen. Stattdessen versuchten sie sich so gut wie möglich im Dunkeln zu halten, doch waren sie viel zu laut und auffällig, als das Kirika sie je hätte aus den Augen verlieren können. Da noch immer ein Risiko bestand und dieses in jedem Falle beseitigt werden musste, arbeitete sich die junge Japanerin weiter ihren Weg durch den Schatten der monströsen Villa, bis sie den beiden erbärmlichen Menschen, die wohl einfach mal mutig spielen wollten und dabei kläglich versagten, fast schon auf der Nase tanzte, so nah war sie herangekommen. Hätten die Männer für einige Augenblicke still dagestanden und sich angestrengt, wäre Kirika sofort aufgefallen. Aber so hätte Kirika sogar heraustreten und sie um Feuer bitten können, sie hätten ihr noch ihr Feuerzeug gegeben. Lautlos seufzend hob die Killerin ihre Beretta und schoss zwei Mal. Abrupt kehrte Stille ein, nachdem die Körper in sich zusammengefallen waren und reglos am Boden liegen blieben. Es befanden sich keine weiteren Wachen auf dem Außengelände, daher war ihre Arbeit hier beendet. Mireille hatte ihr gesagt, sie solle nicht ins Haus kommen, sondern gleich verschwinden und in der Nähe warten. Und falls was wäre, würde sie es schon mitbekommen, hatte Mireille außerdem gemeint. Zwar hatte sie keine Ahnung, warum, aber wenn ihre Partnerin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie schwer davon abzubringen und so hatte sich Kirika ihr wieder unterwerfen müssen. Sie wechselte noch kurz ihr Magazin, nur für alle Fälle, und sah ein letztes Mal prüfend über den Rasen, als plötzlich ein Schuss die nächtliche Stille durchbrach und noch Sekunden lang nachhallte. Die junge Frau war wie erstarrt und sie brauchte einen Moment, um den Ursprung festzustellen. Wenn sie nicht alles täuschte, dann war die Waffe, aus der der Schuss abgefeuert worden war, Mireilles Walther. Aber sie hatte doch den Schalldämpfer aufgeschraubt gehabt. Kirika dachte nicht lange nach, sondern nahm den Schuss als Zeichen dafür, dass etwas passiert war und damit hatte sie die Erlaubnis, einzugreifen. Sie lief um die Hausecke herum, wo sie auf eine Terrasse stieß. Das Zimmer war dunkel und es befand sich keine Person darin. Zu ihrem Glück war die Tür nicht verschlossen, sie stand sogar einen Spalt offen, und so huschte Kirika über die keine Terrasse und ins Innere der Villa. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes mit dem Codenamen Caligula, als er auf dem flimmernden Monitor neben sich die schlanke Gestalt von Kirika Yuumura abgebildet sah, wie sie gerade durch die offene Terrassentür kam und lautlos wie eine Katze durch den Raum schlich. Sie war aufgrund des Schusses zur Villa gekommen, ganz wie er es von ihr erwartet hatte. Ein belebendes Glücksgefühl schoss durch seinen Körper, als er an die Japanerin dachte. Sie hatte ihn nicht enttäuscht. Er war wirklich stolz auf sie. Dann erhob er sich von seinem Stuhl und ging zur Tür. „Es ist Zeit, dass die Familie wieder zusammen kommt!“, sagte er leise zu sich selbst und verließ den kleinen Kontrollraum. Kirika begegnete keinen weiteren Wachen, offenbar hatte Mireille bereits alle ausgeschaltet. So gelang sie unentdeckt in den hinteren Teil des Seitenflügel, wo sich ihr Ziel befand und auch Mireille, wie sie annahm und hoffte. Die Japanerin spähte bei einer Wegkreuzung in jeden Gang, doch sah sie nirgends auch nur eine Spur einer Gefahr. Dennoch waren ihre Sinne bis auf höchste geschärft, denn ihre langjährige Erfahrung sagte ihr, dass besonders die ruhigen und vermeintlich sicheren Orte oftmals die gefährlichsten waren, da der Schein nur allzu häufig trügte. Vorsichtig, ohne ein Geräusch zu verursachen, schlich sie den Korridor entlang, der sie zu einer massiven Holztür führte. Wenn sie sich recht erinnerte, dann befand sich hinter dieser Tür das Büro von Dastallio, ihrer Zielperson. Und auch wenn sie die Richtung, aus der der Schuss gekommen war, nicht hundertprozentig hatte ausmachen können, so nahm sie immerhin an, dass er aus diesem Raum gekommen sein musste, oder aber aus der unmittelbaren Nähe. Die Tür war mit einem Metallrahmen verstärkt und die Scharniere sahen äußerst stabil aus. Auftreten kam daher keinesfalls in Frage. Aber sie musste dort rein. Als sie sich das Schloss besah, fiel ihr ein kleines, aber für sie vielleicht lebenrettendes Detail auf. Ein dünner, kaum sichtbarer Draht war durch das schmale Schlüsselloch gezogen. Am Ende war er leicht verdickt und mit einer Art Klebstoff an dem Metallbeschlag befestigt. Kirika hatte so etwas noch nie zuvor gesehen, wusste aber, dass sie auf alles gefasst sein musste. Wenn es sich hierbei um eine Bombe handelte, würde sie nicht schießen können, ohne Gefahr zu laufen, selbst verletzt oder gar getötet zu werden. Dieses Risiko durfte sie nicht eingehen, wenn auch noch Mireilles Leben davon abhing. Schnell sah sie sich nach weiteren Möglichkeiten um, diese Hürde zu überwinden, doch war die Tatsache, dass diese Tür die einzige war, die ins Büro führte, und so gut bewacht zu sein schien, nicht gerade ermunternd. Ihr musste unbedingt etwas anderes einfallen. In Gedanken ging sie den kompletten Plan dieses Gebäudes durch, rief sich alle Einzelheiten noch einmal ins Gedächtnis, um doch noch einen Weg zu finden. Oder zumindest eine Alternative, wie sie zuschlagen könnte. Die Fenster kamen nicht in Frage, sie bestanden alle aus Panzerglas. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ohne noch einen Blick zur Tür zu werfen, lief sie den langen Gang, den sie gekommen war, zurück. Nachdem sie links abgebogen war, blieb sie stehen und sah nach oben zu einem Gitter. Mit einem Satz sprang sie nach oben und war selbst überrascht, dass sie das Gitter einfach herausnehmen konnte. Vorsichtig lehnte sie es gegen die Wand und zog sich dann nach oben und krabbelte in den schmalen Schacht. „Interessant..“ Caleb sah auf den Monitor, der ihm alles zeigte, was die Infrarot-Kamera aufzeichnete. Kirika hatte die Tür gemieden und nun den Weg durch den Lüftungsschacht gewählt. Clever. Aber er hatte nichts anderes erwartet. Und wie es aussah, hatte sie auch ihre Hausaufgaben gemacht, da sie die Positionen der Schachteingänge kannte und sie auch sofort erinnert hatte. „Exzellent!“ Er strich lächelnd mit den Fingerspitzen über den kalten Stahl seiner Klingenwaffe, die auf seinem Schoß ruhte. Die Kameras konnten Kirika nun nicht mehr erfassen, daher musste er sich gedulden, bis Kirika an ihrem Zielort angekommen war. Er war gespannt darauf, wie die junge Killerin weiter agieren würde. Ihm war jetzt irgendwie danach, die Sekunden und Minuten zu zählen, die die Japanerin brauchen würde, bis sie ihre Aufgabe erledigt hatte. Vielleicht sollte er einfach so mit sich selbst eine Wette abschließen: Würde sie es innerhalb der nächsten dreißig Minuten aus diesem Gebäude schaffen? Er grinste. Das würde ein Spaß werden. Kapitel 3: Geister der Vergangenheit (1) ---------------------------------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 3 – Geister der Vergangenheit (1) Paris vor fünf Jahren: „Was?“ Mireille starrte ihren Informanten mit weit geöffneten Augen an. Ihre Professionalität konnte sie nur noch schwer wahren, war das, was sie soeben gehört hatte, doch äußerst schockierend, auch wenn sie es schon geahnt hatte. „Ich kann nur das sagen, was ich selbst herausgefunden habe. Die Gruppe ist definitv eine Unterorganisation von Les Soldats, das ist wirklich hundert Prozent sicher. Diese Leute wollen so etwas Elite-Kämpfer ausbilden. Äußerst krank in meinen Augen, zumindest das, was ich mir darunter vorstelle. Irgendwelche geklonten oder gezüchteten Kreaturen, oder Mutanten. Aber leider weiß ich nicht, was sie genau mit ihnen vorhaben, doch das können wir uns sicherlich auch so denken. Les Soldats hat ja immer die selben Ziele, nämlich die Weltherrschaft. Selbst wenn sie es gut tarnen, am Ende will doch jede Organisation dasselbe. Vor allem-“ „Karl! Bitte..“ - Mireille massierte sich langsam und mit geschlossenen Augen die Schläfen. Der Umschlag mit den Angaben zu dieser Soldats-Untergruppe, die schriftliche Form dessen, was Karl ihr gerade persönlich erzählte, lag auf ihrem Schoß - „..bitte nur die Fakten, ok?“ “Oh, natürlich, Mireille, sorry. Also..äh.. hmm, ja, also wie viele es werden sollen, also Elite-Kämpfer, und wer und wo.. all diese Fragen sind noch ungeklärt, fürchte ich. Tut mir leid, das war's auch schon für's erste.“ Als sie sich wieder etwas gefangen hatte, sagte Mireille langsam, aber mit fester Stimme: „Gut, finde heraus, wer genau dieser Organisation angehört. Ich will eine umfassende Liste! Ich will wissen, was sie genau planen, wer für die Ausbildung zum Elitekämpfer ausgewählt wurde oder noch werden soll und auch, wer diese Kämpfer ausbilden soll und wo und wie.“ Beiden war klar, dass der Ertrag eher dürftig ausfallen würde, oder es zumindest einige Zeit dauern dürfte, dennoch antwortete der junge Mann: „Ich mache mich sofort an die Arbeit und melde mich, sobald ich etwas neues weiß.“ „Danke. Aber beeile dich, bitte!“ „Klar, wird gemacht. Bis dann, Mireille!“ Mit diesen Worten stand Karl von der Parkbank auf und verschwand in der Dunkelheit. Zurück blieb eine verwirrte und zudem noch äußerst verärgerte Mireille. Bei dem Gedanken an das, was sie soeben erfahren hatte, drehte sich ihr der Magen um. Sie konnte es einfach nicht fassen. Die Soldats hatten Kirika wieder in ihre Finger bekommen. Es war bereits vier Monate her, seit Kirika spurlos verschwunden war. Sie war nur zum Einkaufen nach draußen gegangen, war aber nie zurückgekehrt. Egal, wie sehr sich Mireille auch angestrengt hatte, sie war nicht in der Lage gewesen, auch nur den kleinsten Hinweis zu finden, wo ihre Partnerin geblieben war. Sie war kurz davor, die Hoffnung aufzugeben. Beinahe hätte sie den alten Soldats Remy Breffort um Hilfe gebeten, so verzweifelt war sie mittlerweile geworden. Doch dann, vor einer Woche, waren plötzlich die Informationen, nach denen sie so lange gesucht hatte, eingetroffen. Sie hatte gemeinsam mit ihrem treusten Informanten Karl herausgefunden, dass eine Unterabteilung der Soldats auf eigene Faust weiterarbeitete und offenbar versuchte, die ursprünglichen Ziele von Les Soldats in greifbare Nähe rücken zu lassen. Für diese Zwecke hatten sie Kirika entführt. Natürlich hatte Mireille das von Anfang an gewusst, oder immerhin geahnt, dass die Soldats hinter der Entführung steckten, denn wer sollte sonst ein Interesse an ihrer Partnerin haben? Doch war sie nicht gewillt gewesen, zu glauben, dass sie Kirika tatsächlich in die Finger bekommen hatten. Ihr war noch immer schleierhaft, wie das möglich gewesen sein konnte. Aber jetzt wusste Mireille wenigstens, wo sie zuschlagen musste. Sie hatte jetzt endlich die lang ersehnten Informationen erhalten, darunter auch eine Adresse, und würde bereits in der nächsten Nacht den Sitz dieser kleinen Organisation stürmen und ihre Freundin da raus holen. Da sie nun sowohl über die Gebäudepläne, als auch über die Anzahl der Wachleute genaustens im Bilde war, konnte sie ihre Schritte präzise planen und wenn alles glatt lief, würde Kirika in weniger als vierundzwanzig Stunden wieder zu Hause sein. Um ihre überschüssige Energie loszuwerden, entschied sich Mitelle dazu, noch einige Schießübungen in der Kanalisation zu machen. Außerdem konnte sie sich so ablenken und die Zeit bis zum nächsten Abend überbrücken. Wie Mireille gehofft hatte, verlief alles nach Plan und sie konnte das Gebäude unentdeckt betreten. Sie wusste, dass nur im Keller eine größere Anzahl an Wachen anwesend war, und konzentrierte sich daher hauptsächlich darauf. Mit dem Überraschungseffekt auf ihrer Seite gelang es ihr, die ersten Posten auszuschalten, ohne dass diese noch jemanden benachrichtigen konnten. Schließlich gelangte sie an eine schwere Stahltür, fest verschlossen und es schien keinen Weg hinein zu geben Plötzlich hörte sie hinter sich Schritte und als sie herumwirbelte, schlug eine Kugel neben ihren Kopf auf die Stahltür, prallte mir einem schrillen Kreischen ab und blieb dann in einer Betonwand stecken. Im Gang standen zwei Männer, gekleidet in weiße Laborkittel. Und zwischen ihnen Kirika. Ihr Gesichtsausdruck verriet wie immer nichts. Nicht einmal Mireille, die die junge Japanerin am besten kannte, konnte etwas darin lesen. Drohend sah die Korsin die offenbar unbewaffneten Männer an. Wenn diese beiden nicht geschossen hatten, wer dann? Sie hob ihre Waffe. „Gehen sie weg von ihr! Na los, wird’s bald?!“ Die Männer tauschten einen flüchtigen Blick und traten dann zurück. Mireille konnte sich nicht erklären, wie das möglich war, aber hinter Kirika tauchte in nächsten Moment ein junger Mann auf. Sein hellbraunes Haar war kurz geschnitten und er sah die blonde Frau mit seinen tiefblauen Augen an. Sie strahlten Intelligenz aus und erschienen Mireille äußerst gefährlich. Sie richtete ihre Waffe auf den Kopf des attraktiven Mannes, was nicht schwer war, da er Kirika um fast zwei Köpfe überragte. Sein londoner Akzent zeichnete ihn als Briten aus, als er sprach: „Mireille Bouquet, nehme ich an. Mein Name ist Caleb Winston. Es ist mir eine wahre Ehre, ihre Bekanntschaft zu machen. Gehe ich recht in der Annahme, dass sie wegen ihrer Partnerin hier her gekommen sind?“ „Gut kombiniert! Also beenden wir am besten hier das Gespräch und ich verschwinde. Mit Kirika natürlich.“ Ihr Blick wanderte kurz zu ihrer jungen Partnerin, die wie in Trance dastand und nichts tat, was Mireille sehr beunruhigte, denn normalerweise würde dieser Typ keine fünf Sekunden stehen. Normalerweise! Aber offensichtlich stimmte hier was nicht. „Ich fürchte, ich kann sie nicht aufhalten.“, fuhr Caleb fort. „Aber sie sollten wissen, dass Kirika zu mir gehört, daran lässt sich nichts mehr ändern.“ „Was soll das bitte heißen? Sie gehört niemandem, verstanden?“ Mireille hatte keine Ahnung, worauf er hinaus wollte. Doch hatte sie auch keinerlei Intentionen, das herauszufinden. „Genug geredet, verschwinden sie und wagen sie es nicht noch einmal, uns unter die Augen zu kommen. Das nächste Mal werde ich vielleicht nicht so gnädig sein.“ „Sie begehen einen großen Fehler, Mireille. Sie werden schon sehen, Kirika und ich.. wir sind jetzt untrennbar miteinander verbunden.“ Er drehte Kirika halb zu sich herum. Sie schien absolut keinen Widerstand zu leisten, doch kam es Mireille im Nachhinein auch so vor, als wäre sie gar nicht recht bei Sinnen gewesen. Wie um seine voran gegangene Aussage zu bekräftigen, beugte sich Caleb dann zu Kirika herunter und küsste sie. Mireille starrte ungläubig auf die bizarre Szenerie, die einzig und allein deshalb bizarr war, weil Kirika von einem Mann, der ganz offensichtlich kein Freund war, geküsst wurde, ohne, dass sie auch nur den Hauch einer Gegenwehr gezeigt hätte. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich wieder ihre Waffe gehoben hatte und den Abzug betätigen konnte. Doch war der Mann verschwunden, die Kugel flog lediglich knapp an Kirika vorbei und schlug hinter ihr in die Wand ein. „Was zum-“ Mireille starrte ungläubig um sich, aber niemand war zu sehen. Plötzlich hörte sie eine Stimme, ohne Zweifel die des Briten. „Wir werden uns wiedersehen, Kirika. Niemand kann mich von euch trennen, das verspreche ich dir!“ Dann war es still. Die Korsin konnte nicht feststellen, woher die Stimme gekommen war, es hatte so sehr gehallt, dass es von überall hätte sein können. Aber was hatte er gemeint mir 'von euch trennen'? Warum hat er von mehreren Personen gesprochen? Meinte er auch Mireille? Aber weshalb sollte er sich nicht von ihr trennen? Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie im Augenwinkel sah, dass Kirika an der Wand gelehnt herunterrutschte und wie apathisch da saß. „Kirika!“ Mireille lief zu der jungen Frau und hob ihren Kopf an. Sie sah in trübe Augen und wenn Kirika nicht geatmet hätte, dann hätte man sie für tot halten können. Kirika reagierte auf nichts, was Mireille ihr sagte, daher empfand die Korsin es für das beste, sie erst einmal hier raus zubringen und von einem Arzt untersuchen zu lassen. Wer weiß, was die mit ihr angestellt hatten, damit sie keine Widerstand leistete. In diesem Moment kam es ihr unwichtig vor, doch brannte sich, wenn auch völlig unbewusst, ein leichte Geruch von Schwefel in ihrem Gehirn ein. Aber sie achtete nicht darauf, sondern verließ das Haus so schnell wie möglich. Da das Hauptgebäude dieser Gruppierung ein gutes Stück außerhalb von Paris lag, dauerte es eine Zeit, bis der Wagen endlich auf den Hof der kleinen Praxis des Arztes Dr. Micha Lucier fuhr. Lucier bat Mireille im Wartezimmer Platz zu nehmen, während er und seine Assistentin sich um Kirika kümmerten. Für die Korsin begangen jetzt einige Stunden des Wartens. Sie wollte sich mit den Zeitschriften ablenken, doch schweiften ihre Gedanken immer wieder zu Kirika und den Soldats. Was hatten sie nur vorgehabt? Hatten sie geplant, Kirika als Trainerin für die neuen Kämpfer einzusetzen? Das wäre sogar sehr sinnvoll aus der Sicht der Soldats, immerhin war Kirika die beste. Oder sollte sie doch eine andere Funktion einnehmen? Mireille hätte sich selbst ohrfeigen können, dass sie diese Typen nicht ausgequetscht hatte. Die fehlenden Informationen hätte sie so mit Leichtigkeit bekommen. Doch war sie in dem Moment, als sie Kirika gesehen hatte, nur noch daran interessiert gewesen, sie da rauszuholen, dass alles andere aus ihrem Kopf verschwunden war. Nun hieß es also wieder warten auf Karls Ergebnisse. Aber das wichtigste war, dass sie ihre Partnerin wieder hatte, so ließ es sich bedeutend besser arbeiten, jetzt, wo sie sie wieder in Sicherheit wusste. Mireille seufzte schwer. Im nächsten Moment wurde die Tür zum Wartezimmer geöffnet und Dr. Lucier betrat den Raum. „Mireille, ich habe die Untersuchung abgeschlossen, sie können jetzt zu ihr, wenn sie wollen.“ „Ja, natürlich!“ Mireille sprang auf und kam eiligen Schrittes zur Tür, doch Lucier hielt sie noch auf. „Warten sie! Es gibt vorerst etwas, über das ich noch mit ihnen sprechen muss.“ „Was ist es? Es geht Kirika doch gut, oder? Ist sie verletzt? Haben die irgendwas mit ihr gemacht?“ „Sie ist körperlich gesund, sie hat keinerlei Verletzungen oder dergleichen. Allerdings habe ich große Mengen diverser Drogen in ihrem Blut gefunden. So wollte man offenbar garantieren, dass sie ruhig blieb und keine Probleme machte.“ Mireille atmete einmal tief durch und fragte dann: „Diese Drogen.. sie werden doch keine Schäden zurücklassen, oder?“ Wenn diese Ungeheuer Kirika mit diesen verdammten Drogen dauerhaft geschadet haben sollten, würde Mireille keine Sekunde ruhen, bis sie sie alle vernichtet und ihnen das Leid, welches sie ihrer Freundin zugefügt hatten, zurückgezahlt hatte. Ihre Hand ballte sich zur Faust und sie musste den Drang, irgendwo gegen zu schlagen, unterdrücken. „Nein, es werden keine Schäden zurückbleiben. Es handelt sich bei den Drogen zwar um starke, aber für den Körper ungefährliche Substanzen. Man könnte sie mit Medikamenten auf Naturbasis vergleichen. Und wie es aussieht, war es auch beabsichtigt so, dass Körper und Kreislauf unbeschädigt blieben, denn die Sache mit den Drogen ist noch nicht alles, Mireille.“ „Wie meinen sie das?“ Mit ernstem Blick entgegnete Lucier: “Setzen sie sich bitte, ich werde ihnen alles erklären.“ Als Kirika die Augen öffnete, sah sie an eine weiße Decke, kaltes Neonlicht erhellte den Raum und es roch nach Arzneien. Sie drehte leicht den Kopf und machte zwei Personen am anderen Ende des Raumes aus, die sich mit gesenkten Stimmen unterhielten. Die eine erkannte sie als Mireille und ihr Herz machte einen Sprung. Sie wollte sich aufrichten und etwas sagen, doch schien ihr Körper ihr nicht recht zu gehorchen. Und zudem bekam sie das Gefühl, als würde ihr mit jeder Sekunde, die sie ihre Augen geöffnet hatte, schwindeliger werden. Übelkeit stieg in ihr hoch und sie bemerkte jetzt auch das schmerzhafte Hämmern in ihrem Kopf. Ein leises Stöhnen machte Mireille und Dr. Lucier aufmerksam und sie kamen sofort zu Kirika, die ihre Augen mittlerweile wieder geschlossen hatte und nun tief ein- und ausatmete. Behutsam legte Mireille ihre Hand auf die Stirn der jüngeren Frau und streichelte mit der anderen ihren Arm. Kirika öffnete daraufhin langsam wieder die Augen und sah ihre Partnerin an. Währenddessen setzte der Arzt ein Blutdruckmessgerät an, doch bekam die Japanerin kaum etwas davon mit. „Hey, wie fühlst du dich?“, fragte sie mit sanfter Stimme. „Kopfschmerzen.“, kam die leise Antwort, fast nur gehaucht. „Das wird bald vorbei sein. Morgen darfst du schon wieder na-“ Mireille stockte mitten im Satz, als sie ein Glitzern in Kirikas Augen wahrnahm. Kurz darauf lief eine einzelne Träne ihre Wange herunter. „Es wird alles wieder gut, Kirika, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, hörst du?“ Kaum merklich schüttelte Kirika den Kopf und setzte dann zum Sprechen an, hielt aber inne und sah weg. Mireille wusste, was ihre Freundin bedrückte. Ihr selbst lag es schwer auf dem Herzen, doch war es jetzt das wichtigste, dass sich Kirika erholte. Denn mehr als nur ihr eigenes Leben hing nun davon ab. Kapitel 4: Schmerzhaftes Wiedersehen ------------------------------------ Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 4 – Schmerzhaftes Wiedersehen Paris - Gegenwart: In ihrem Kopf hämmerte es schmerzhaft, als Mireille die Augen öffnete. Sie war in einem kleinen Raum, nur eine winzige Tischlampe stand auf einem alten Holzhocker in der Ecke und spendete dürftig Licht. Ansonsten befand sich außer dem Stuhl, auf dem sie saß, nichts in dem Raum, der aussah, wie eine zu groß geratene Abstellkammer. Nur eben leer. Sie seufzte und spürte nun auch den Schmerz in Rücken und Nacken. Ihre Arme waren mit dicken Seilen um den Handgelenken an die Stuhllehnen gebunden, auch ihre Beine waren gefesselt. Vergeblich versuchte sie, ihre Hände zu befreien, musste jedoch schnell feststellen, dass das unmöglich war. Ohne fremde Hilfe würde sie hier nicht rauskommen. Sie saß für einige Momente still und mit gesenktem Kopf da, dann ballte sie die Fäuste und ihr Blick verfinsterte sich. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Sie war aufgrund ihrer eigenen Selbstsicherheit überwältigt worden und konnte jetzt nur noch zusehen, wie Kirika in die Falle dieses Psychopathen stolperte. Ihr Gesicht verzog sich zu einem zynischem Grinsen. Wie sollte sie denn zusehen? Sie würde schließlich nicht hier rauskommen, um irgendetwas zu sehen. Mit aller Kraft, die sie mit ihrer Wut mobilisierte, zerrte sie an den strammen Fesseln, erreichte dabei aber kaum mehr als brennende Aufschürfungen an den Handgelenken. „Verdammt!!“, sagte sie laut. Dann hob sie den Kopf, schwer atmend, aber mit einem Blick, der sagte: 'Was habe ich zu verlieren?', und rief Kirikas Namen so laut sie nur konnte, in der Hoffnung, dass sie es hören und Mireille vielleicht sogar finden würde. Mehrfach wiederholte sie ihren Ruf, doch es kam keine Reaktion. Warum sollte es auch? So wie sie Caleb einschätzte, hatte er sich Kirika längst geschnappt. Dieses dreckige Mistschwein hatte einmal die Hände an ihre Partnerin gelegt und Mireille hatte sich damals geschworen, dass so etwas nie wieder passieren sollte. Aber sie war gescheitert. Äußerst kläglich sogar. Denn nun würde sie Kirika wieder verlieren, an den selben Mann, der das Leben der Japanerin und ihr eigenes einmal umgeschmissen hatte. Jahre später sollte er es also nochmal tun, sofern kein Wunder geschah. In diesem Augenblick wünschte Mireille, sie würde an Gott glauben, dann könnte sie jetzt zu ihm beten und darum flehen, dass sich doch noch alles zum Guten wandte. Aber leider war ihr Glaube an eine höhere Macht schon in früher Jugend gestorben und es wäre reinste Heuchlerei, wenn sie jetzt so tun würde, als hätte sie ihn noch. Erneut seufzte sie. Langsam stiegen ihr Tränen in die Augen, als sie sich ihrer auswegslosen und vollkommen hilflosen Lage in allen Facetten bewusst wurde. Während sie hier saß, war Kirika vielleicht schon wieder auf den Weg in die Hölle, die sie vor Jahren hinter sich gelassen hatte. Was auch immer Caleb mit der jungen Frau vor hatte, es war nichts Gutes, dessen war sich Mireille sicher. Und sie war nicht da, um ihrer Partnerin zu helfen. Das blonde Haar fiel ihr in Strähnen vor das Gesicht, als sie den Kopf hängen ließ und die Tränen ihr über die Wangen liefen und von der Nasenspitze tropften. Sie hatte mehrere Minuten regungslos in dem Schacht gesessen, bevor sie sich schließlich an dem Gitter zu schaffen machte. So war sie sicher gegangen, dass sich niemand in dem Raum befand, der sie hätte bemerken können. Sie war darüber zwar verwundert, da sie eigentlich jemanden dort erwartet hatte, aber darüber konnte sie sich noch Gedanken machen, wenn sie erst einmal im Zimmer war. Sie nahm dann das Gitter heraus und schaute zögernd aus der Schachtöffnung. Wie vermutet war niemand in dem schwach beleuchtetem Raum und sie konnte gefahrlos herausklettern, nachdem sie das metallene Gitter hatte hinunter fallen lassen. Aber auf dem dicken Teppich war der Aufprall nicht sehr laut gewesen, zu ihrem Glück. Auf dem Boden angekommen, entdeckte sie sogleich die kleine Kamera in einer Ecke. Das rote Licht verriet Kirika, dass sie eingeschaltet war und sie in diesem Moment aufgezeichnet wurde. Aber das war egal. Wenn ihre Gegner jetzt noch nicht wusste, dass sie hier war, dann hatte sie es mit Vollidioten zu tun. Sie sah sich um. In dem großen Raum, der mindestens fünfzig Quadratmeter umfasste, stand in einiger Entfernung ein mächtiger Schreibtisch aus glänzend poliertem Mahagoni, ein lederner Chefsessel stand dahinter mit der Rückenlehne zu Kirika gedreht. Jeweils links und rechts von dem Tisch stand ein kleiner Bonsai, die den Raum gleich viel wirtlicher erscheinen ließen. Die Fenster waren mit schweren Samtvorhängen verhangen und die dunklen Bücherregale, die bis unter die Decke reichten, nahmen dem Raum durch ihre Wuchtigkeit einen Teil seiner Größe. Die Quelle des Lichtscheins kam von einem Kerzenständer auf einem Beistelltisch, in dem zwei Kerzen brannten, die schon fast ganz herunter gebrannt waren. Ein Sofa aus rotbraunem Leder und passende Sessel waren um einen niedrigen Couchtisch gestellt, ebenfalls aus glänzendem Mahagoni. Ein aufwendiges Blumengesteck war in der Mitte des Tisches arrangiert und verstärkte den angenehmen Eindruck noch. Im Normalfall musste dieses Zimmer wirklich sehr einladend wirken. An der Wand gegenüber der Fensterfront war ein wuchtiger Kamin angebracht und jetzt, wo sie ihn sah, meinte Kirika den Geruch von verbranntem Holz zu riechen. Ohne weiter darauf zu achten ging sie langsam zu dem Schreibtisch herüber und strich mit den behandschuhten Fingerspitzen über die glatte Oberfläche. Dann blieb sie abrupt stehen. Für einen kurzen Moment hatte sie in einem der großen Übertopfe der Bonsais etwas Metallisches aufblitzen sehen. Sie beugte sich näher heran und zog dann Mireilles Walther heraus. Kirika musste nur kurz die Nase an den Lauf halten, um festzustellen, dass sie erst vor kurzem abgefeuert worden war. Natürlich war das nichts besonderes, schließlich hatte Mireille die Wachposten ausgeschaltet. Aber es war kein Schalldämpfer mehr aufgeschraubt und als Kirika das Magazin herausnahm, sah sie, dass nur eine Patrone fehlte und auch keine im Lauf gelagert war. Das konnte fast alles bedeuten, dennoch vermerkte es sich Kirika im Hinterkopf. Aber sie war sich jetzt jedenfalls sicher, dass der Schuss von vorhin aus Mireilles Waffe abgefeuert worden war. Sie schob sich die Pistole in den Gürtel, nachdem sie diese gesichert hatte. Sie wollte sich gerade wieder abwenden, als sie erneut etwas wahrnahm. Innerlich erschrak sie, als sie erkannte was es war. Warum hatte sie das nicht früher bemerkt? Aber erst jetzt drang der unverkennbare Geruch von Blut zu ihr. Schnell sah sie sich zu allen Seiten um, doch war niemand mehr hier. Niemand, der noch lebte, fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr Blick fiel auf den umgedrehten Stuhl und ihre Sinne schienen zu schreien. Sehr langsam, fast behutsam, langte sie mit der Hand über den Tisch und drehte den Stuhl nach kurzem Zögern mit einem Ruck herum. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos und sie ließ die Hand sinken. Aus einem unschönen Loch auf der Stirn lief ein rotes Rinnsal und die blutunterlaufenen Augen von Pedro Dastallio waren schreckensgeweitet. Sein massiger Leib saß zusammengesunken in dem Ledersessel und gab ein erbärmliches Bild ab. Dann hörte sie ein Klicken. Ob der vollkommenen Stille erschien es ihr viel lauter, sodass sie beinahe zusammenfuhr. Schnell drehte sie sich um und sah bereits im Augenwinkel, dass das Geräusch von der Tür gekommen war. Diese wurde nämlich soeben geöffnet und das Licht, welches aus dem hell erleuchteten Gang in den viel dunkleren Raum fiel, ließ Kirika lediglich die Umrisse einer Person wahrnehmen. Diese stand einfach nur da und sah Kirika zweifellos direkt an. Die junge Frau konnte den durchdringenden Blick auf sich regelrecht spüren. Zwar konnte sie selbst nichts von der Person erkennen, aber sie vermutete, dass es ein Mann war, da die Statur sehr groß und kräftig erschien. Im Handumdrehen hatte sie ihre Waffe gehoben und richtete sie nun auf den Fremden. Da er problemlos durch die Tür gekommen war, musste er entweder den Bombenmechanismus überwunden haben, oder es war alles nur eine Attrappe gewesen, um Zeit zu gewinnen. Wie auch immer, er war nun da und Kirika überlegte, ob sie ihn einfach erschießen sollte oder nicht. Ihr Finger spannte sich leicht um den Abzug. Sie hatte eigentlich nichts zu verlieren. Wenn dies der Killer war, den Dastallio angeheuert hatte, war es ohnehin besser, ihn sofort zu liquidieren, bevor er ihr gefährlich werden konnte. Stellte sich nur die Frage, weshalb er einfach nur da stand. Vielleicht war es aber auch nur ein verwirrter Mensch, ein Angestellter ihrer Zielperson. Doch diesen Gedanken verwarf Kirika gleich wieder. Dafür war die Person viel zu ruhig, ja, sie war geradezu entspannt. Aus irgendeinem Grund konnte sich Kirika zu keiner Entscheidung durchringen. Auch wenn ihr Verstand ihr sagte, dass sie schießen musste, so schrie eine innere Stimme immer dann schrill auf, wenn sie den Finger weiter krümmen wollte. Schließlich rang sie sich dazu durch, zu fragen: „Wer sind sie?“ Noch während dieser drei Worte machte ihr Herz einen Ruck und setzte für einen Schlag aus, als der Geruch von Blut und Schießpulver von dem charakteristischen, aber absolut nicht hier her passenden Geruch von Schwefel überdeckt wurde. Nein, das konnte doch nicht sein! „Ich denke, ich muss mich dir nicht vorstellen, Kirika.“, sagte Caleb mit sanfter Stimme. Kirika schluckte schwer. Ihre Hand begann erst leicht, dann immer heftiger zu zittern, bis das Magazin in der Waffe anfing zu klappern. Die junge Japanerin wich einen Schritt nach hinten, doch war das Zittern bereits auf ihre Knie übergegangen, so dass sie ungeschickt zurück stolperte und gegen den Schreibtisch stieß, wobei sie ihre Waffe fallen ließ. Hektisch sah sie über ihre Schulter, direkt in die toten Augen von Dastallio und erschrak wegen des Anblickes. Als sie wieder zur Tür schaute, war der Mann verschwunden. Ihr Atem ging immer schneller. Sie verlor langsam jegliche Kontrolle über ihren Körper und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie vollkommen der Panik verfiel. Wieder drehte sie sich herum, doch auch dort war nichts. Plötzlich wurde sie von hinten gepackt und bevor sie irgendeinen Ton von sich geben konnte, hielt man ihr den Mund zu. Reflexartig stieß sie ihren Ellenbogen in die Magengrube des Angreifers, woraufhin sich der Griff lockerte und Kirika entkommen konnte. Doch als sie sich umsah, war niemand mehr da. Sie drehte sich mehrfach um die eigene Achse, sah nach oben und spähte in jede Ecke des Raumes, sogar hinüber zum verrußten Kamin, doch war niemand hier. Die Tür war noch immer weit geöffnet und das Licht ließ ihre Beretta am Boden aufblitzen. Vorsichtig ging sie darauf zu und griff nach ihr, um sie aufzuheben. Wieder drang dieser Schwefelgeruch an ihre Nase. Zudem erlosch jetzt auch noch das Licht im Gang und sie sah zuerst nichts als Dunkelheit. Doch blieb ihr keine Zeit, genau darüber nachzudenken, da im darauf folgenden Augenblick das Deckenlicht des Büros eingeschaltet wurde. Sie verdeckte ihre Augen mit der Hand, obwohl sie gar nicht geblendet worden war und sah nur zögernd wieder auf. „Bringt sie in den Keller! Ich werde mit Kirika dann nachkommen.“, sagte Caleb ruhig, als er den Raum betrat und wartete, bis seine Männer verschwunden waren. Als er wieder auf den Bildschirm sah, verzog sich sein Gesicht zu einer grimmigen Maske, nur um in der nächsten Sekunde wieder den gewohnten Ausdruck anzunehmen. Dieser Umstand würde nichts kaputt machen, solange seine Leute das taten, was er ihnen gesagt hatte. Er gönnte sich noch einen längeren Blick auf den Überwachungsmonitor, der ihm Mireille Bouquets offenbar geglückten Fluchtversuch anzeigte, dann griff er nach seinem Schwert, gürtete es um und verließ den Wachraum wieder. Nach wenigen Metern hatte er die kleine Luke erreicht. Behände kletterte er hindurch und betrat den dunklen Raum. Er konnte Kirika schwer atmen hören und ihre Kleidung raschelte deutlich. Er musste sie offenbar wirklich schockiert haben. Der nächste Schock kam, als er den kleinen Lichtschalter neben sich betätigte. Ruckartig verdeckte sie ihre Augen. Sie hatte ihm den Rücken zu gedreht und er verursachte absichtlich ein Geräusch, indem er die Lautstärke seiner Schritte nicht mehr kontrollierte. Sofort wirbelte die Frau herum, so wie er es erwartet hatte, stolperte dann aber und wäre vor Schreck gefallen, wenn er sie nicht noch im letzten Moment am Arm gepackt und zu sich gezogen hätte. Er hielt die sie behutsam in seinen Armen und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich habe dir doch gesagt, wir würden uns wiedersehen... Kirika!“ Die blonde Killerin biss die Zähne zusammen, als sie den Gang entlang lief. Sie hatte sich in der Kammer gesagt, dass sie die Wahl hatte, entweder feige zu sterben, oder aber alles daran zu setzen, ihrer Partnerin, ihrer Freundin zu helfen. Sie hatte sich für den Kampf entschieden. Die einzige Möglichkeit, von den Fesseln loszukommen, war für sie gewesen, den Stuhl loszuwerden, der nur auf den ersten Blick stabil erschienen war, aber auf den zweiten die angreifbarste Stelle dargestellt hatte. So hatte Mireille dann alles mögliche versucht, das alte Möbelstück in irgendeiner Form zu zerstören. Schließlich war sie einfach samt Stuhl zu Boden gestürzt, woraufhin eine der Armlehnen zerbrochen war. Allerdings war dieses Manöver nicht ohne Eigenschaden vonstatten gegangen. Zwar hatte sie ihren Arm befreien können, doch war sie so ungünstig auf die Seite gefallen, dass sie sich ihre Handgelenk zumindest verstaucht hatte. Daher hatte es länger als normal gedauert, bis sie auch den anderen Arm und letztlich die Beine frei hatte und den Raum, der überraschenderweise nicht abgeschlossen gewesen war, verlassen hatte, da der Schmerz lädierter Gliedmaßen größer war, als erwartet, doch hatte sie sich angestrengt, den Schmerz zu ignorieren. Während sie gelaufen war, hatte sie einen Anhaltspunkt gesucht, wo Kirika sein könnte. Es war schon einige Zeit vergangen, nicht sehr viel, aber genug, um eine Person weit weg zu bringen, wenn man das wünschen sollte. Ihre junge Partnerin konnte sich also rein theoretisch überall befinden. Aber offenbar hatte sie das Glück doch noch nicht ganz verlassen, denn sie war an dem Überwachungsraum vorbeigekommen, dessen Tür weit aufstand. Es waren nur wenige Blicke nötig, damit Mireille Kirika hatte ausmachen und den Raum, in dem sie sich befand, hatte zuordnen können. Jetzt lief sie die steile Steintreppe hinab, sehr vorsichtig, da sie weder eine Waffe hatte, noch Nahkampf-technisch einen Erfolg würde erzielen können. Am Fuß der Treppe angekommen, trennte sie nur noch eine dünne Holztür von dem Raum, in dem sich Kirika den Kameras nach aufhielt. Vorsichtshalber horchte Mireille noch einmal an der Tür und öffnete sie dann. Sofort sah sie Kirika, fast aus der gleichen Perspektive, wie auf dem Monitor. Die Kamera musste also in der Nähe der Tür installiert sein. „Kirika!“ Die Frau reagierte nicht und Mireille ging langsam auf ihre Partnerin zu, die verängstigt wie ein hilfloses Kind in mitten des großen Kellerraumes stand. Die Korsin konnte Tränen auf dem makellosen Gesicht der Japanerin ausmachen, aber ihre Züge waren wie versteinert. In einer Hand hielt Kirika ihre Beretta nach vorne gerichtet, doch würde sie in diesem Zustand nicht einmal einen Menschen treffen, wenn er direkt vor ihr stehen würde. Ihre Hand, nein, nicht nur die Hand, am ganzen Körper zitterte die junge Frau, als hätte sie gerade den Schock ihres Lebens hinter sich, und starrte nun wie paralysiert in eine Richtung. Mireille wusste nur zu gut, was geschehen war. Es gab nur eine Sache, die sie so hatte treffen können. Doch als Mireille um eine Ecke herum kam und so das Gewölbe ganz einsehen konnte, entdeckte sie sofort den wirklichen Grund für Kirikas Zustand. Nicht Caleb Winston war es, der Mann, der Kirika vor Jahren bereits in seiner Gewalt gehabt hatte, sondern viel mehr das kleine Mädchen vor ihm, kaum älter als vier oder fünf Jahre, mit mittelbraunen, kurzen Haaren, die mit einem unschuldigen Blick aus ihren großen, blauen Augen zu der Frau nur wenige Meter von ihr entfernt sah. „Oh... mein Gott...“, hauchte Mireille atemlos. Der gut aussehende Brite ging neben dem Mädchen in die Hocke und legte ihm sanft den Arm um die Schulter. „Aki... “, sagte er zu dem Kind und ein siegessicheres Lächeln zauberte sich auf seine Lippen. Während er Kirika mit festem Blick anvisierte, sprach er weiter: „ ..sag 'Hallo' zu deiner Mutter!“ Kapitel 5: Geister der Vergangenheit (2) ---------------------------------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 5 – Geister der Vergangenheit (2) Paris - Vergangenheit: Die Sonne sandte an diesem wunderschönen Samstag ihre wärmenden Strahlen aus und erfüllte das kleine Zimmer mit goldenem Licht. Auf einem Tisch stand ein großer Strauß, bestehend aus allerlei Frühlingsblumen. Ihr Duft hatte sich im ganzen Raum verteilt und sorgte für ein heimeliges Flair. Das niedliche Gähnen des Babys auf ihrem Arm zauberte ein Lächeln auf Kirikas Lippen und mit winzigen Händchen griff es immer wieder spielerisch nach den Haaren seiner Mutter. Mireille saß in einem Stuhl und schaute der friedlichen Szene zu. Noch vor einigen Wochen hatte sie sich unsägliche Sorgen gemacht. Über Tage und Nächte hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie Kirika vor psychischem Schaden bewahren konnte. Ihre Partnerin sollte ein Kind austragen, welches durch eine perverse Art der Vergewaltigung zustande gekommen war. Wer konnte das so einfach verkraften? Aber jetzt fühlte sie sich sehr erleichtert und sie wusste, dass Kirika es auch war. „Wir haben immer noch keinen Namen, oder?“, fragte sie belustigt. Kirika reagierte nicht, sondern sah weiterhin lächelnd auf ihre Tochter herab. Die letzten zwölf Stunden waren der Horror gewesen, besonders natürlich für Kirika. Wobei es Mireille war, die beinahe in Panik geraten war, als am späten Abend die Wehen eingesetzt hatten. Kirika war immer bemüht gewesen, ihre Freundin zu beruhigen, doch war ihr das auch nicht leicht gefallen, da sie mit den Schmerzen mehr als genug zu tun hatte. Schließlich hatte Mireille erst am Morgen des nächsten Tages ihre Ruhe gefunden, ebenso wie Kirika, denn dann war alles vorbei gewesen und die Gemeinschaft der beiden Frauen um ein Mitglied erweitert worden. Zwar hatte sich keine der beiden je wirklich Gedanken darüber gemacht, wie es mit einem Baby werden würde, nicht einmal Mireille, die sonst immer für die Planung zuständig war, aber sie waren sich sicher, dass es schon irgendwie funktionieren würde. Sicherlich war ihnen der Gedanke gekommen, das Kind nach der Geburt gleich zur Adoption freizugeben, zumal es bei weitem kein Wunschkind war, aber ausgesprochen hatte es niemand und es ernsthaft in Erwägung zog es auch keiner mehr. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz allen Schmerzes, der in Kirikas Herzen brannte, war sie fasziniert von den Gefühlen, die ein so kleiner Mensch, den sie kaum kannte, in ihr hervorzurufen vermochte. Sie hatte geglaubt, dass sie dieses Kind hassen würde, so wie sie Caleb Winston hasste, der Mann, der ihr das angetan hatte. Aber die Gefühle einer Mutter für ihr Kind waren stärker, als sie jemals angenommen hätte. Und sie sah darin eine Chance. Die Chance, ihrer Tochter das Leben zu ermöglichen und die Liebe zu schenken, was ihr selbst alles für so lange Zeit verwehrt geblieben war. Allein war sie schließlich auch nicht. Sie hatte Mireille, die immer an ihrer Seite stehen würde, so wie in den letzten Monaten und Jahren davor auch. Ihr Entschluss war somit gefasst. Sie würde dem Kind ihre ganze Liebe geben und noch mehr, es vor allen Gefahren beschützen und bis zu ihrem Tod für es kämpfen. Keiner sollte es wagen, dem Kind zu nahe zu kommen, das schwor sie sich. Dennoch stieg Angst in ihr hoch bei dem Gedanken an Caleb. Was, wenn er versuchen sollte, ihre Tochter zu töten? Auch wenn sie sich nicht erklären könnte, warum er das tun sollte, aber wer wusste schon, was in einem Verrückten wirklich vorging? Innerlich ermahnte sie sich, nicht an sowas zu denken und einmal in ihrem Leben positiv eingestellt zu sein. Es würde schon irgendwie gut werden, wenn sie alle zusammen hielten. Ihr Lächeln wurde breiter und sie lehnte sich weiter in die weichen Kissen zurück. Kurz darauf klopfte es an der Tür und Dr. Lucier kam mit einem breiten Grinsen herein. „Na, wie geht ’s Mutter und Kind?“ Micha Lucier war von Mireille damit betraut worden, sich um Kirika zu kümmern, da er als einziger ihr Vertrauen genoss. Und er hatte seinen Job mehr als gut gemacht. Nun stand er zufrieden neben dem Bett und schaute auf das Kind herab, welches mittlerweile eingeschlafen war, den Daumen im Mund, und friedlich vor sich hin schlummerte. „Es lief doch alles mehr als zufriedenstellend. Also, wenn ihr keine anderen Pläne mehr habt, kann ich euch heute noch nach Hause schicken.“ Mireille richtete sich auf und blickte dankend zu ihm auf. „Wir sind dir 'ne Menge schuldig, Micha!“ „Ach, was! Das ist doch mein Beruf. Ich bitte dich.“, entgegnete er abwinkend. In den letzten Monaten, die die beiden Frauen regelmäßig zu Lucier in die Praxis gekommen waren, hatten sie die förmliche Anrede abgelegt und waren zum freundschaftlichem „Du“ gewechselt. „Ich mache noch die nötigen Papiere fertig, dann wäre auch schon alles erledigt.“ „Danke!“, sagte Mireille ernsthaft aufrichtig. Ein sanftes Lächeln folgte auf das Grinsen des Arztes, als er nickte und den Raum verließ. Eine Stunde später klopfte es leise und Margarete, Luciers Sekretärin, öffnete die Tür zaghaft einen Spalt. Zurückhaltend, aber spürbar neugierig spähte sie in das Zimmer, bis Mireille sie bat, einzutreten. Mit einem verlegenem Grinsen und voller Ungeduld kam sie zum Bett und stützte sich mit den Händen auf Mireilles Stuhllehne. Kurz nachdem Dr. Lucier das Zimmer verlassen hatte, war Kirika auch eingeschlafen, verständlich wegen der Anstrengungen der letzten Stunden. „Oh, das ist ja ein süßes Kind!“, flüsterte Margarete entzückt. Die Frau mittleren Alters strahlte über das ganze Gesicht und ihre Augen leuchteten. „Es ist doch jedes Mal wieder etwas wunderbares, finden sie nicht auch?“ „Naja, ich habe da nicht so viel Erfahrung, wissen sie?“ „Oh, ja, natürlich.. Ach, goldig!“ Ein lautes Poltern, gefolgt vom Klirren zerbrechenden Glases riss die Frauen aus ihrer Ruhe. Auch Kirika und das Baby wachten auf, woraufhin das Kind anfing, zu weinen. Sofort war Mireille in Alarmbereitschaft und auch Kirika war aus dem Bett gesprungen, jedoch hielt Mireille sie zurück. „Du bleibst mit dem Kind hier und sie auch, Margarete! Ich sehe nach, was das war, verstanden?“ Besorgt sah die ältere Frau zu der Japanerin, die das Baby jetzt noch fester im Arm hielt. Zwar war sie ebenso wie Micha Lucier eine Vertraute, doch konnte sie nicht so gut mit lebensgefährlichen Situationen umgehen, wie ihr Chef. Aber sie war dennoch kein Feigling. Im Notfall würde sie diese junge Frau und ihr neugeborenes Kind mit ihrem eigenen Leben beschützen. Mireille wollte gerade zur Tür laufen, als eine für die kleinen Räumlichkeiten gewaltige Explosion ausgelöst wurde und die Korsin von der Erschütterung ins Wanken geriet. Noch während es in ihren Ohren klingelte und sie kaum etwas hören konnte, wurde die Tür aufgerissen und zwei Männer in schwarzen Kampfanzügen stürmten herein. „Auf den Boden! Sofort!!“ Keiner rührte sich. Einer schlug Mireille mit dem Schaft seiner Waffe nieder und sie blieb halb bewusstlos liegen. „Nein, sie werden dem Kind ni-“ Eine Kugel durchschlug den Hals der Sekretärin und sie sackte gurgelnd zusammen. Kirika hielt ihre Tochter schützend im Arm. Sie selbst war noch immer sehr geschwächt und hatte zudem kaum eine Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren. Vorher würde sie von einem Kugelhagel durchlöchert werden. Sie und ihr Kind. Aber scheinbar wussten die Männer, um wen es sich bei der jungen Mutter handelte, denn sie hielten respektvoll Abstand und zeigten nicht mehr so viel Brutalität wie zuvor. „Hör' zu!“, sprach einer der beiden. „Wir wollen dir nichts tun, gib uns einfach nur das Kind und wir sind weg, ok?“ Mit einem Stöhnen stemmte sich Mireille in die Höhe und fasste sich kurz an die Platzwunde an ihrer Stirn. Ihr Blick fiel auf die Männer, die Kirika und das Baby bedrohten. „Na, los, sei vernünftig! Oder willst du euch alle in die Hölle schicken mit deiner Sturheit?“ Kirika wich bis zum Fenster zurück und warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Viel zu hoch, um herauszuspringen. Und sie würde es auch nicht schnell genug schaffen. Verzweiflung stieg in ihr hoch und sie suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Plötzlich sprang Mireille einen der beiden maskierten Männer von hinten an, riss ihm den Waffenarm nach oben, woraufhin er reflexartig abdrückte, die Kugeln aber nur in die Decke schlugen. Einen Augenblick später brach sie dem überrumpelten Mann das Genick und entriss ihm die Waffe, bevor sie damit dem anderen, der ebenso verblüfft war ob des blitzschnellen Angriffs, die halbe Ladung des Magazins in den Körper schoss. Schwer atmend kam sie zu Kirika herüber. Das angsterfüllte Weinen des Kindes hatte abgenommen, nachdem die Schüsse verhallt waren und es klammerte sich jetzt mit tränengefüllten Augen an das Hemd seiner Mutter. „Lass uns schnell hier verschwinden!“ Kirika hob ihre Tochter in eine bessere Position zum Tragen und verließ mit schnellen Schritten das Krankenzimmer. Auf dem Flur bot sich ihnen ein Trümmerfeld dar. Die gesamte Wand zum Büro von Dr. Lucier war von einer Sprengladung zerfetzt worden, überall lagen die Bruchstücke verstreut. Das Büro selbst, soweit Mireille es durch den dichten Staubschleier sehen konnte, lag völlig in Trümmern. Sollte sich Micha da aufgehalten haben, war er nicht mehr am Leben. Sie hoffte, dass er verschont geblieben war, doch glaubte sie nicht wirklich daran. Hektisch sah sie sich um, doch war kaum etwas zu erkennen. In der gewaltigen Staubwolke konnte sie nur schwerlich atmen und so lief sie so schnell wie möglich mit Kirika im Schlepptau in gebückter Haltung den Gang entlang, bis sie in den Empfangsraum gelangte. Hier war die Sicht noch schlechter und sie hörte Kirika hinter sich husten. Auch das Kind wurde wieder unruhiger und so waren viele Faktoren dafür verantwortlich, dass sie nichts von dem Mann vor ihr bemerkte, bis sie schließlich in ihn hinein lief. Unglücklicherweise reagierte er sehr viel schneller als die Korsin und hatte sie sogleich am Arm gepackt und zur Seite gezerrt, wo ein zweiter sie festhielt. Der erste griff dann auch nach Kirika, die ebenfalls nichts von der Anwesenheit der Männer mitbekommen hatte, und zerrte sie samt Baby im Arm zu Boden. Mit schnellen und offenbar geübten Handgriffen entriss er ihr das Kind und fesselte dann ihre Hände auf dem Rücken zusammen. Währenddessen versuchte Mireille mit aller Kraft, sich aus der Umklammerung zu befreien, doch entpuppte sich der Mann als äußerst stark und um Längen zu stark für die blonde Killerin. Er hielt ihr zudem den Mund zu, dennoch strampelte und schlug sie weiter um sich, wie es ihr nur möglich war. Das Schreien des Kindes und Kirikas Rufe ließen sie nach und nach panischer werden, sie wusste, dass sie in eine unausweichliche Falle geraten waren. „Nein, lasst sie in Ruhe! Nehmt eure Finger von meiner Tochter!!“ „Halt deinen Mund!“ Mireille hörte einen dumpfen Schlag, dann war es ruhig, abgesehen von dem schreienden Baby. Im nächsten Moment spürte sie selbst einen Schlag gegen den Hinterkopf und ihr wurde schwarz vor Augen. Als die Reste eines hölzernen Regals krachend zusammenbrachen, kam Mireille wieder ins Bewusstsein zurück. Ihr Kopf schmerzte und sie fühlte etwas feuchtes ihre rechte Gesichtshälfte herunter laufen. Sie kam nur schwer auf die wackeligen Beine und ging wankend zu ihrer immer bewusstlosen Partnerin herüber. Deren Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt, doch waren die Knoten schnell gelöst und die Korsin drehte die Frau vorsichtig auf den Rücken. Blut strömte aus einer Wunde am Kopf, aber das würde nicht lebensbedrohlich werden. Mireille hielt den schlanken Körper der Asiatin in ihren Armen und streichelte mit einem Finger über ihre Wange, jedoch zeigte sie keine Reaktion. Dann fiel ihr im Augenwinkel ein Blatt Papier auf, welches, anders als die anderen hier verstreuten Zettel, sauber und unbeschädigt da lag. Als sie genauer hinsah, erkannte sie die Unterschrift unter dem kurzen Text: Les Soldats! Nach kurzem Zögern griff sie danach und las die Nachricht: N o i r , Wir werden uns um das Kind kümmern, wie es vorgesehen war, auch wenn das gegen euren Willen gehen sollte. Dem Kind wird es an nichts mangeln und wir werden ihm kein Leid zufügen. Das heißt unter einer Bedingung: Bleibt dem Kind fern und ihm wird es gut ergehen. Wagt einen Angriff und das Leben dieses unschuldigen Mädchens wird als erstes geopfert werden. L e s S o l d a t s Geschockt starrte die Killerin auf die Notiz herab. Was sollten sie tun? Ein Angriff war mit einem zu hohen Risiko verbunden. Les Soldats durfte man einfach nicht unterschätzen, das wäre ein fataler Fehler. Wie konnten sie also dann handeln? „Mireille..“ Aus ihren Gedanken gerissen, ließ Mireille den Zettel fallen und wandte sich dann ganz ihrer Freundin zu. „Ich bin hier, keine Sorge.“ Behutsam half sie Kirika auf, damit sich diese an die Wand gelehnt hinsetzen konnte. Es war totenstill in der zerstörten Praxis, kein leises Wimmern oder Weinen, kein Geschrei.. kein Baby. „Diese Männer.. sie..sie haben.. sie mitgenommen..“ Es war keine Frage, sondern eine bloße Feststellung. Ob sie einfach zu schwach war oder aber erkannt hatte, dass es nichts bringen würde, sich aufzuregen, war nicht ersichtlich, doch blieb Kirika still da sitzen, ohne Anzeichen von Wut in ihrer Miene. Alles, was zu sehen war, war Hoffnungslosigkeit und Schmerz, der allerdings nicht nach Rache verlangte. Es schien, als würde sie gerade ihr Schicksal, niemals glücklich werden zu dürfen, akzeptieren. Für mehrere Minuten herrschte Schweigen, dann griff die Korsin wieder nach der Notiz. „Sie haben eine Nachricht hinterlassen. Ich weiß.. ich weiß nicht, was wir tun sollen. Ich-“ „Sie brauchen sie.. so-solange ist sie in Sicherheit.. oder..?“, fragte Kirika zaghaft. Ihre Stimme war nur mehr ein Hauchen. Mireille konnte ihr keine Antwort geben. Ihr war zwar klar, dass Kirika generell recht hatte, aber würde das die Situation nicht sehr viel erträglicher machen. Als Caleb seine kleine Tochter auf den Arm nahm und sie ihm mit müden Augen entgegen lächelte, war er äußerst zufrieden. Die Aktion war geglückt. Der Tod einer seiner Männer war nur ein geringer Preis für das, was er dadurch erhalten hatte. Vorsichtig legte er das Baby in ein Kinderbett und deckte es zu. Kurz darauf war es bereits eingeschlafen. Lautlos verließ er den kleinen Raum und machte es sich im Nebenzimmer in seinem Bürostuhl gemütlich. Er war davon überzeugt, dass Kirika und ihre Partnerin sich nicht in seine Nähe wagen würden, solange er das Kind hatte. Er kannte Kirika, hatte sie studiert und sich jede Eigenheit gemerkt. Sie würde zum Wohle des Kindes im Hintergrund bleiben und dafür sorgen, dass ihre korsische Freundin ebenfalls in ihren eigenen vier Wänden blieb und sich nicht in Dinge einmischte, die sie nichts angingen. Er lächelte. Wenn er in diesem Moment bei der jungen Japanerin gewesen wäre, hätte er sie in den Arm genommen und ihr gesagt, dass ihre gemeinsame Tochter nichts zu befürchten hatte. Ganz im Gegenteil - dieses Kind war seine Hoffnung, die Welt besser zu machen. Natürlich waren für derartig ehrenhafte Ziele immer Opfer nötig. Und wenn es hieß, ein Kind von seiner Mutter zu trennen, dann sollte es eben so sein. Schließlich war er auch noch da, er war der Vater und hatte damit ein Recht auf das Kind. Er wollte nur das beste, genau wie Kirika. Nur bei ihm würde die Zukunft der Kleinen sehr viel bedeutungsvoller werden. Dafür wollte er schon sorgen. Kapitel 6: Lässt der Himmel uns allein? --------------------------------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Anm.: Die Idee für Kapiteltitel bekam ich, als ich nebenbei die Musik des Musicals „Aida“ gehört habe. In einem der Lieder, „Sind die Sterne gegen uns?“, kommt diese Zeile vor und ich fand sie so passend, weshalb ich sie gleich als Titel benutzt habe ^__^ Kleine Warnung: So in der Mitte bis zum Ende hin könnte es für „zart besaitete“ etwas heftig werden, also dann lieber nicht lesen, und im Notfall ne Zusammenfassung von mir bekommen (auch wenn ich nicht denke, dass solche Leute meine Story lesen werden, aber sicher ist sicher ^^) Kapitel 6 – Lässt der Himmel uns allein? Paris - Gegenwart: Das Tropfen einer undichten Wasserleitung, welche unterhalb der Decke entlang führte, war das einzige Geräusch und ließ die angespannte Stimmung in dem Kellerraum noch erdrückender wirken. Das kleine Mädchen mit dem wunderschönen Namen Aki stand absolut still da, rührte sich keinen Millimeter in der fürsorglich erscheinenden Umarmung ihres Vaters. Ihre Augen waren auf die junge Japanerin gerichtet, die eben als ihre Mutter vorgestellt worden war. Doch verstand die Kleine noch nicht so ganz, worum es genau ging, und blinzelte daher nichts ahnend. Kirika hingegen zitterte am ganzen Leib, hatte die Waffe aber mittlerweile gesenkt. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie brachte es nicht fertig, auch nur einen Laut von sich zu geben, oder sich irgendwie zu bewegen. Aber konnte sie ebenso wenig den Blick von ihrer Tochter abwenden, welche unschuldig mit großen Augen nur wenige Meter von ihr entfernt stand. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, trat Mireille an Kirikas Seite, schaute abwechselnd zu ihr und wieder zu Caleb und dem Kind. Als ihr klar war, dass Kirika nicht so schnell reagieren würde können, ergriff sie die Initiative, den Schmerz in ihrem Handgelenk ignorierend, und legte ihrerseits den Arm um die Schultern ihrer Partnerin, wie Caleb es bei dem Mädchen gemacht hatte, und zog sie sanft einige Schritte zurück. Sie wehrte sich nicht dagegen, doch an eine Regung sonst war bei weitem noch nicht zu denken. Gerade, als Mireille etwas sagen wollte, kam ihr Caleb zuvor. „Das wird nichts nützen, fürchte ich.“ Er ließ Aki los und ging langsam an ihr vorbei, auf Kirika und Mireille zu. „Sie mag vielleicht stark und tapfer getan haben, aber tief in ihr drin hat sie den Verlust nie verkraftet, stimmt's, Kirika? Du hast dir die Schuld daran gegeben, dass ich sie zu mir geholt habe. Du konntest nicht auf sie aufpassen, hast versagt, Kirika!“ „Halt den Mund!“, herrschte Mireille ihn an. Ein eingebildetes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, aber er schwieg. „Sie trägt keine Schuld und das weiß sie!“ Mireille wandte sich zu Kirika, doch hatte diese ihren Blick gesenkt. Wütend wirbelte sie wieder herum und ging auf Caleb zu. Dieser stand locker mit den Armen vor der Brust verschränkt da und lächelte sie an. „Warum? Warum bist du gekommen? Was bezweckst du damit? Du hast doch, was du wolltest.“ Sie deutete auf das kleine Mädchen, welches noch immer teilnahmslos hinter ihm stand. „Also warum lässt du uns nicht in Ruhe? Warum lässt du Kirika nicht in Ruhe?“ Zornig sah sie zu ihm auf, als sie direkt vor ihm stehen blieb. Sein Schweigen und das überhebliche Grinsen machten Mireille wahnsinnig, aber sie wusste, dass man ihn nicht unterschätzen sollte, das wäre ein fataler Fehler, der Kirikas und ihr eigenes Leben kosten konnte. Die blonde Killerin machte sich nicht die Mühe, den Zorn in ihren Augen zu verbergen, zeigte ihm alles offen, aber zog sich dennoch zurück, bis sie wieder an Kirikas Seite war. Da er offensichtlich noch immer nicht gewillt war, zu sprechen, sagte die Korsin: „Ich habe dich schon einmal gewarnt und tue es gerne ein zweites Mal: Halte dich von Kirika fern! Wir kennen deine Tricks und miesen Pläne und wir werden den gleichen Fehler nicht nochmal machen.“ Mireille ließ etwas Zeit verstreichen, ehe sie fortfuhr: „Du hast das Kind, sei damit zufrieden! Wenn wir hier rausgehen, will ich nie wieder etwas von dich oder deinen Leuten sehen.“ „Glaubst du-“ Calebs Stimme war leise, aber nicht bedrohlich. Er senkte seine Arme, als er weitersprach. „-, dass du einfach so hier heraus spazieren kannst? Du denkst wohl nicht nach, oder?“ Am liebsten wäre sie ihm an den Hals gesprungen, doch ballte sie stattdessen die unverletzte Hand und antwortete: „Da brauche ich nicht lange nachzudenken, es ist alles klar.“ „Du irrst dich, Mireille. Du glaubst, da ich das Kind habe, ist es genug für mich, nicht wahr? Anfangs mag das gestimmt haben, aber inzwischen habe ich andere Ziele. Die Organisation interessiert mich kaum, tat sie eigentlich noch nie. Doch als ich einsah, dass ihre Wege nicht die meinen waren und zudem erkannte, wie schwach diese alten Männer in ihren schweren Ledersesseln wirklich sind, habe ich einen Entschluss gefasst. Ich brauche diese Versager nicht.“ Sichtlich verwirrt blinzelte Mireille den Mann an. Seine Haltung, seine Mimik und die Stimme – nichts deutete darauf hin, dass er sie anlog oder sonst irgendwie versuchte zu täuschen. „Pedro Dastallio war der Vorsitzende dieses Seniorenvereins, die kleine Splittergruppe der Soldats, für die ich gearbeitet habe.“ Sein Blick heftete sich für mehrere Sekunden an Kirika, die sich immer noch nicht rührte. Die Haare verdeckten die obere Hälfte ihres Gesichts und das Zittern war vollends verschwunden. Mireille wusste, dass die junge Japanerin unbewusst eine Art Schutzmechanismus aktiviert hatte, der verhinderte, dass sie auf der Stelle den Verstand verlor und womöglich Amok lief. Ändern konnte die Korsin spontan nichts daran, deshalb konzentrierte sie sich nur darauf, mit Kirika den Keller und damit diese Irrenanstalt schnellst möglich zu verlassen. „Und ich war es-“, fuhr Caleb dann fort. „- der euch den Auftrag, Dastallio zu eliminieren, zukommen ließ. Natürlich nur, um euch hier her zu locken. Ich habe den Alten auf seine letzte Reise geschickt und jetzt, wo er weg ist, ist die Gruppe kurz vor dem Auseinanderbrechen, zumal sie zuvor schon einen ziemlich wackeligen Stand gehabt hatte.“ Er setzte seinen Weg gemächlich fort und schob dabei die Hände lässig in die Hosentaschen. „Bleib, wo du bist!“, drohte Mireille, doch hörte der Mann nicht auf sie. Stattdessen setzte er seinen kleinen Vortrag fort: „Du würdest am liebsten sofort verschwinden, aber hast du schon mal daran gedacht, dass Kirika vielleicht hier bleiben möchte? Immerhin hat sie ihre Tochter seit deren Geburt nicht gesehen. Willst du die Mutter ernsthaft zwingen, ihr Kind schon wieder zu verlassen?“ Mireille war sprachlos, sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Um ehrlich zu sein, hatte er recht, zumindest teilweise. Was war, wenn Kirika wirklich bleiben wollte, nur um ihre Tochter länger sehen zu können? „Na, kommen dir jetzt Zweifel? Kirika wird tun, was ich ihr sage, und du kannst nichts daran ändern, finde dich damit ab!“ Mit aufeinander gepressten Zähnen zischte Mireille ihn an: „Du verfluchter Bastard! Kirika ist kein Spielzeug, dass man benutzen und wieder in die Ecke stellen kann, wie es einem gerade passt!“ Trotzig blickte sie zu ihm auf, als er sich zu voller Größe aufrichtete. „Nun, für mich war sie damals ein Spielzeug, ein sehr amüsantes, muss ich dazu sa-“ „Mistkerl!!“ Mireille holte zu einem übereilten Schlag aus, doch packte er mühelos ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. Sein Lächeln war schon vorher verschwunden, aber nun hatten auch seine Augen jegliche Wärme verloren. „Stelle dich niemals zwischen mich und die Mutter meines Kindes, hast du mich verstanden? Du wirst es sonst bitter bereuen!“ „Für wen hälst du dich ei-“ Alle Luft entwich aus ihren Lungen, als Caleb seine Faust in ihren Magen schlug. Ein Zucken durchfuhr Kirikas Körper in dem Moment, als ihre Partnerin auf die Knie ging. Langsam erwachte sie aus ihrer selbst erzeugten Trance, kaum dass die Gefahr nicht nur für sie selbst, sondern insbesondere für ihre Freundin immer weiter stieg. Die letzten Minuten waren nur mehr ein verschwommenes Wabern in ihrem Kopf, ähnlich einem Sekundenschlaf. Kirika wusste nun nicht, ob sie sich eher Mireille, die nach Luft ringend am Boden kniete, zuwenden sollte, oder doch besser Caleb, welcher mittlerweile schon bedrohlich nahe gekommen war. Doch der Brite nahm ihr diese Entscheidung ab, indem er schlichtweg an Mireille vorbei auf sie zu trat. Die Beine der jungen Killerin waren wie taub und wollten den Befehlen ihres Gehirns nicht gehorchen, ebenso wenig wie ihre Arme, wodurch sie es nicht verhindern konnte, dass er seine Hände auf ihre Schultern legte. Er hob eine Hand zu ihrem Gesicht und strich ihr sanft über die Wange. Plötzlich wurde Kirika das eiserne Gewicht in ihrer Rechten bewusst, ihre Pistole, die sie noch immer trug. Aber sie war so schwer.. Mireille, die sich wieder einigermaßen von dem atemraubenden Schlag erholt hatte, wandte ihren Kopf, nur um schockiert zu sehen, dass Caleb Kirika gefährlich nahe kam. Sofort musste sie an den Tag vor fünf Jahren denken, als sie ihre junge Partnerin aus den Händen dieser Leute befreit, aber nicht hatte verhindern können, dass der gutaussehende Brite mit einem Kuss einen Beweis für seine Inanspruchnahme erbrachte. Jetzt beugte er sich langsam zu ihr herunter und seine Lippen kamen denen Kirikas immer näher. Ruckartig riss diese dann ihre Waffe hoch und drückte den Lauf ihrer Beretta in seinen Bauch, doch hatte er im selben Augenblick ihr Handgelenk ergriffen und wollte ihr gerade die Waffe entreißen, als mit einem lauten Krachen die zweite, noch verschlossene Tür aufflog. Das Schloss war mit einer kleinen Sprengladung aufgesprengt worden und zwei bewaffnete Männer stürmten durch eine kleine Staubwolke herein. War Aki bisher unnatürlich ruhig geblieben, so war jetzt der Schockeffekt für das kleine Kind zu groß gewesen. Sie fing an zu weinen und lief in Richtung ihres Vaters. Caleb und Mireille wirbelten fast zeitgleich herum, doch noch bevor sie sich ganz umgedreht hatten, hallten Schüssen durch den Raum. Entsetzt sahen sie, wie die Kugeln in den kleinen Körper des Mädchens einschlugen und sie zu Boden warfen. Der Mund des Briten stand weit offen, als er auf seine Tochter blickte, die in einer immer größer werdenden Blutlache auf dem kalten Steinboden lag. In ihrem Rücken waren zwei Einschusslöcher zu sehen und ihr Kleid war blutgetränkt. Doch das Mädchen lebte noch und hob eine Hand und streckte diese ihrem Vater entgegen. Tränen standen in ihren Augen und ihr Gesicht war von Ungläubigkeit gekennzeichnet. „Pa-..pa.. hilf.. mir.. es tut so-“ Eine dritte Kugel schlug in den Kopf, die Hand des Mädchens durchfuhr noch ein leichtes Zucken, dann fiel sie schlaff zu Boden. „Nein.. nein...“ Kirika rang tränenerstickt nach Luft. Ihre Augen waren weit aufgerissen, während sie auf den leblosen Körper des Kindes, ihrer Tochter, starrte. „Nein.. das kann nicht..“ Der Schock stand Mireille ebenso ins Gesicht geschrieben, doch bevor sie reagieren konnte, schrie neben ihr Caleb mit wutverzerrtem Gesicht auf: „IHR SCHWEINE!!“ Rasend vor Zorn stürmte er auf die Männer zu. Im Lauf zog er seinen Colt aus dem Holster, doch stellte er so für die Soldats - denn als diese hatte er sie bereits erkannt - keine Herausforderung dar. Einer der Männer hob seine vollautomatische Glock und entleerte das halbe Magazin in den Körper des Angreifers. Aber anstatt, dass er zurückgeworfen oder zu Boden gerissen wurde, lief er, wenn auch langsamer, aber nicht weniger entschlossen weiter. Mit zitternden Händen richtete er seine Pistole auf den Kopf des Mannes, der Aki erschossen hatte, doch fand er nicht mehr die Kraft abzudrücken. „Vergib mir.. Aki..“, hauchte er, bevor er zusammenbrach und liegen blieb. Den Sterbenden nicht weiter beachtend, visierten die Soldats ihr nächstes Ziel an, die beiden Frauen. Ein hämisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des einen aus und er spannte den Finger um den Abzug. In diesem Moment sprintete Kirika blitzschnell los. Von dieser Aktion vollkommen überrumpelt, konnten die verwirrten Männer nur blinzeln, als die junge Frau direkt vor ihnen stand. Bevor sie sich überhaupt fragen konnten, wie sie so schnell gewesen sein mochte, entriss Kirika dem ersten mit einem geschickten Manöver die Waffe und brach ihm im selben Zuge den Unterarm, was ihn markerschütternd aufschreien ließ. Doch währten seine Qualen nicht lange, denn schon mit dem nächsten Atemzug rammte sie ihren Ellenbogen gegen seinen Kehlkopf, der daraufhin zerbarst und ihn äußerst schmerzhaft ersticken ließ. Das sollte ihn von seinem gebrochenen Arm ablenken, bis er starb. Der zweite taumelte einen Schritt zurück, vergaß dabei vollkommen, dass er eigentlich nur hätte abdrücken brauchen, da die Japanerin direkt vor ihm stand. Jedoch vermochte er nicht mehr so weit zu denken, wirbelte stattdessen herum und lief zum anderen Ausgang davon. Bis jetzt waren höchstens fünf oder sechs Sekunden vergangen, in denen Mireille fassungslos auf die brutale Szenerie starrte. Sie wusste genau, dass Kirika in diesem Moment nicht ihre ruhige Partnerin war, die schweigend am Fenster saß und den Himmel über Paris beobachtete. Nein, das war sie nicht. Sie hatte die feine Grenze zwischen ihren Persönlichkeiten überschritten und war nun die kaltblütige Killerin – das Monster, welches von Altena in sie hinein gepflanzt worden war, als sie noch ein kleines Kind war. Dieses Monster kannte keine Gnade. Niemals! Erschrocken sah sie, dass Kirika, kaum dass ihr erstes Opfer zusammengesackt war, dem flüchtendem Mann nachsetzte. Mit einem gewaltigen Sprung warf sie sich von hinten gegen ihn und riss ihn mit sich zu Boden. Panisch versuchte er, sie abzuschütteln, doch mit dem Knie schmerzhaft in den Rücken gedrückt, hielt sie ihn unten. „Kirika!“ Mireille sprang auf, doch schon hatte die Japanerin mit den eiskalten Augen der Noir den Kopf des Mannes gepackt und brach ihm mit einer schnellen Drehung das Genick. Die Hilferufe und das Zappeln fanden somit ein abruptes Ende und zurück blieb eine unheimliche Stille. „Kirika..“ Vorsichtig schritt Mireille auf ihre Partnerin zu, welche, den Kopf gesenkt, noch immer über dem Toten kniete. Als sie nahe genug heran gekommen war, streckte sie ihren unverletzten Arm aus und berührte leicht Kirikas Schulter. Sie zeigte darauf keine Reaktion, doch konnte Mireille das Beben in ihrem Körper deutlich spüren. Ihr Griff wurde fester und sie ging neben Kirika in die Hocke. „Kirika, komm'.. komm' zu mir! Lass uns-“ Ihr stockte der Atem, als Kirika ihren Kopf drehte und sie direkt ansah. Ihre Augen hatten jeden Funken Wärme verloren. Es war keine Spur von Zuneigung oder auch nur Freundlichkeit mehr vorhanden. Einzig reine Kaltblütigkeit war darin zu sehen. Das letzte Mal hatte Mireille diesen Blick vor sieben Jahren gesehen, als sie Kirika auf dem Gut gegenübergetreten war. Und damals hatte ihre junge Partnerin alles daran gesetzt, die Korsin zu töten. Sie nahm all ihren Mut zusammen, um Kirika erneut ansprechen zu können. „Ich bitte dich, Kirika! Du musst-“ „Ich werde sie töten!“ Nur ein Hauch, aber so bedrohlich wie das offene Feuer, welches alles verschlingen würde, das ihm zu nahe kam. „Hör mir zu, Ki-“ „Alle.. sie werden durch meine Hand den grausamsten Tod sterben, den ein Mensch sich nur vorstellen kann.“ Mireille schluckte schwer und dachte kurzzeitig ernsthaft darüber nach, aufzugeben. Doch sie hatte es einmal geschafft, Kirika aus den Tiefen des Höllenfeuers ihrer eigenen Seele zurückzuholen. Sie konnte es auch noch einmal schaffen. „Nein, das wirst du nicht tun!“, sagte die Blonde dann in ruhigem, bestimmtem Ton. „Do-“ „NEIN!“ Trotz der höllischen Schmerzen packte Mireille ihre Freundin jetzt mit beiden Händen und riss sie gewollt unsanft von der Leiche des Mannes herunter. Angestrengt versuchte sie die den schlanken Körper der jüngeren Frau am Boden zu halten, die sich mit Händen und Füßen wehrte, aber glücklicherweise in einer derart ungünstigen Position war, dass sie nirgends richtigen Halt fand. Dennoch war es alles andere als ein Kinderspiel, sie einigermaßen ruhig zu halten. „Kirika! Kirika!“ „Lass' mich! Geh' runter!!“ „Nein!“ „GEH RUNTER!!“ Kirikas Stimme war tränenerstickt und ihr Strampeln verringerte sich. Mireille drückte sie noch etwas fester zu Boden, doch verlor die zitternde Frau nach und nach ihre Kraft, sodass Mireille keine Gewalt mehr anwenden brauchte. Auch in ihre Augen waren bereits Tränen gestiegen und sie brauchte einen Moment, bis sie wieder sprechen konnte. „Ich bitte dich, Kirika! Lass die dunkle Seite nicht gewinnen!“ Schluchzend drehte Kirika ihr Gesicht zum Boden. „Sie haben sie getötet.. sie haben sie einfach umgebracht, Mireille..“ Ihr ganzer Körper bebte und kurz darauf weinte sie hemmungslos. Mireille nahm ihre Partnerin in den Arm und wiegte sie behutsam hin und her. Tränen tropften von ihrer Nasenspitze, als sie sich hinunter beugte und Kirika einen Kuss auf das verwuschelte Haar gab. Keiner der beiden fand noch die Kraft, etwas zu sagen oder gar zu tun. Kapitel 7: Flucht ----------------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 Kapitel 7 – Flucht Sie hörten die Schritte, doch war es bereits zu spät. Fünf offenbar gepanzerte Männer mit Sturmgewehren stürmten herein und eröffneten sofort das Feuer. Dort, wo die beiden Frauen gesessen hatten, schlugen die Kugeln kreischend kleine Löcher in den kalten Boden. Durch den aufgewirbelten Staub hindurch konnten die Angreifer gerade noch erkennen, wie die Killerinnen durch die zweite Tür verschwanden. Und so stürzten die beiden den Gang entlang in Richtung Ausgang, der vom Keller aus noch ein ganzes Stück entfernt war. Mireille musste ihre Partnerin geradezu hinter sich her schleifen, denn deren Beine schienen mit Blei gefüllt zu sein. Als der Zug noch zunahm, musste die Korsin schließlich stehenbleiben und drehte sich hastig um. Gerade wollte sie zum Sprechen ansetzen, als Kirika ihr zuvor kam: „Wir können nicht weg.. Aki.. ich kann sie nicht diesen Leuten überlassen.“ Schon wirbelte sie herum und wollte los laufen, als die Korsin sie unsanft am Kragen packte und zurück riss. „Bist du vollkommen irre?“ „Aber Aki-“ „Aki ist TOT!“ Am liebsten hätte Mireille sich selbst erschlagen. Der geschockte Gesichtsausdruck der jüngeren Frau ließ sie schwer schlucken, ehe sie fort fuhr: „Kirika.. ich verstehe dich ja, aber wir erreichen so nichts, hörst du? Wir haben momentan einfach die schlechteren Karten.“ Sie biss die Zähne zusammen. Als die Männer in den Kellerraum gestürmt waren, hatte Mireille geistesgegenwärtig ihre Partnerin samt deren Waffe hoch gezogen und einige Schüsse abgefeuert, doch die Kugeln waren alle von der harten Panzerung, welche die Angreifer von Kopf bis Fuß bedeckte, abgeprallt und zischend in die Wand geschlagen. „Erst mal müssen wir hier raus, danach überlegen wir uns, wie es weitergeht. Aber hier einen sinnlosen Tod zu sterben, hilft auch nicht, so wirst du dich nicht besser fühlen, glaub mir, Kirika, bitte!“ Sie konnte die Anspannung im Körper der Japanerin fühlen. „Ich flehe dich an, sei vernünftig!“ Die schweren Schritte kamen näher, bald würden sie um die Ecke kommen, dann war alles vorbei. „Kirika!!“ Diese schloß die Augen und ballte die Fäuste. Als es sich nur noch um Sekunden handeln konnte, ehe die Männer sie erreichten, sah sie auf und nickte ihrer Partnerin zögerlich zu und lief dann endlich weiter. Aber viel lieber wäre sie stehen geblieben und hätte so viel Schaden wie nur möglich angerichtet, auch wenn dieser wohl verschwindend gering ausgefallen wäre. Aber immerhin wäre sie dann ihrer Tochter gefolgt. Das Leben hatte wieder einmal eine grausame Wendung genommen und der Schmerz saß so unendlich tief. Warum? Warum immer sie? Immer war sie es, die am Ende allein zurückblieb, und- „Kirika?!“ Mireilles Stimme riss sie aus ihren düsteren Gedanken und sie blinzelte ins fahle Mondlicht. Verunsichert blickte sie sich um. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie die Villa und das umliegende Grundstück verlassen hatten und nun in diesen kleinen Wald gelangt waren, wo sie sich zwischen den Gebüschen versteckten. „Wir haben sie offenbar abgehängt.“ Die Korsin blickte sich schnell zu allen Seiten um und atmete dann erleichtert auf. Die schwerfälligen Angreifer in ihren Rüstungen waren vielleicht gut geschützt und mit gewöhnlicher Feuerkraft nicht zu bezwingen, dafür aber auch nicht in der Lage, sich leise fort zu bewegen. Daher war es für Mireille ein leichtes, festzustellen, ob sie noch in der Nähe waren, und sie waren es nicht. „Komm, lass und zum Auto zurück gehen und von hier verschwinden!“ Die Hand ihrer Partnerin in der eigenen, stand die blonde Frau auf und wandte sich in die Richtung, in der ihr Auto stand, welches sie dank ihres guten Orientierungssinnes auch nach dieser Flucht noch würde wiederfinden können. Doch erneut wurde sie von Kirika zurückgehalten, indem sich diese einfach nicht bewegte. „Was..? Kirika, was ist denn?“, fragte sie sanft, bedacht darauf, nichts falsches zu sagen, was die andere Frau verletzen könnte. „Es tut mir Leid.“ Die Japanerin senkte den Blick und Mireille kam wieder näher heran. „Du musst dich doch nicht entschuldigen. Wir-“ Ein leises Knacken ließ beide zusammenfahren und Mireille hob die Waffe, spähte in die Dunkelheit. Dann sah sie einen großen Ast, der morsch von dem alten Baum, zu dem er gehörte, abbrach und krachend zu Boden fiel. Dann war wieder alles still. Seufzend senkte Mireille die Waffe und wandte sich wieder an Kirika, welche sie mit großen Augen anstarrte. „Was ist denn?“, fragte die Korsin etwas verunsichert. In den Augen der Japanerin zeichnete sich deutlich ein großer Schreck ab und ihr Atem ging ein wenig schneller als normal. Dann stiegen ihr Tränen in die Augen und Mireilles Verwirrung war perfekt. Sie war alarmiert, wurde aber auch immer nervöser, da sie dachte, Kirika wäre verletzt, doch sie sah nichts. „Ki-“ „Ich bin so ein Idiot!“, schoss es aus ihr heraus. „Was? Nein.. nein, das bist du nicht!“ Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie hatte ihr Torheit erkannt. Indem sie sich allein der Trauer um ihre Tochter hingegeben hatte und kurz davor gewesen war, einen Märtyrertod zu sterben. Darüber hatte sie vergessen, dass sie gar nicht allein war, sondern eine Partnerin, eine Freundin hatte. Der Mensch, dem sie vertrauen konnte und der immer zu ihr hielt. Sogar jetzt, verletzt und gehetzt, dachte die Korsin nicht daran, Kirika allein zu lassen. Und somit musste sie sich selbst eine Lügnerin schimpfen, da sie zuvor den Gedanken in sich trug, nein, fest davon überzeugt gewesen war, dass sie nun völlig verlassen war. „Es tut mir Leid, dass ich dir immer wieder Schwierigkeiten bereite.“ Mireilles Züge wurden sanfter. „Jede Schwierigkeit, die du mir bereitest, nehme ich mit Freunden auf mich, wenn ich dir so nur helfen darf.“ „Mireille..“ „Damals an dem Lavabrunnen bat ich dich, zu leben. Und ich tat es nicht aus Spaß, sondern weil ich dich nicht verlieren wollte. Und daran hat sich nie etwas geändert.“ Nun standen auch der sonst so beherrschten Mireille die Tränen in den Augen, als sie fort fuhr: „Du bist ein Geschenk und mehr wert, als alles andere, was ich je besessen habe, oder je besitzen könnte, hörst du?“ Kirika war sprachlos. Selbst das Atmen fiel ihr schwer in diesem Moment, doch sie musste auch gar nichts sagen. Ihre Tränen sprachen für sie. Und sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken, als Mireille sie kurzerhand in den Arm nahm und fest an sich drückte. Keiner der beiden störte sich daran, dass die Tränen des Anderen ihre Oberteile duchnässten. Es vergingen mehrere Augenblicke, bis sich die Frauen wieder von einander lösten. Sanft strich die Korsin mit dem Daumen die Tränen von der Wange der Jüngeren. Mit leiser Stimme, kaum mehr als ein Hauchen, sagte sie dann: „Lass uns nach Hause gehen, Kirika!“ Kirika nickte. Gemeinsam bahnten sie sich den Weg durch das Unterholz, bis sie schließlich am Waldrand und bei ihrem Wagen angekommen waren. Ohne Zeit zu verlieren sprangen sie hinein und Mireille steuerte zielsicher von dem Wald und der dahinter liegenden Villa weg, zuerst langsam und ohne Licht, dann immer schneller, als sie sicher gehen konnte, nicht mehr gehört und identifiziert zu werden. Beide schwiegen, doch war es eine angenehme Stille, gleich einer Übereinkunft, dass nun doch noch alles gut werden konnte, wenn sie nur zusammenhielten. Der Schmerz wird zwar nicht einfach so verschwinden, doch zu zweit war es einfacher. Denn nichts war schlimmer, als großes Leid allein ertragen zu müssen. Doch die beiden waren nicht allein und solange sie sich hatten, würde das auch niemals der Fall sein. Und so konnte Kirika auch das erdrückende Gefühl der Trauer ertragen, ohne dass es sie vollkommen und ohne Hoffnung auf Rettung auffraß. Stattdessen nahm sie sich jetzt in diesem Moment vor, tapfer zu sein und mit Mireille an ihrer Seite weiter zu leben, so wie sie es einst versprochen hatte. THE END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)