Paradies von kiyahotep (Impossible now to go back to where we began) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog: In der Menschenwelt gibt es viele Geschichten über den Himmel. Ein Reich, das dem Paradies am nächsten, oder vielleicht sogar das Paradies ist. Für einen Menschen sind wir fantastische, starke Wesen, die friedlich miteinander leben, unter der Herrschaft eines Gottähnlichen. Für einen Menschen ist unsere Welt unerreichbar und der Friede, der hier herrscht ein wahr gewordener Traum. Die Menschheit strebt nach unserer Welt, nach unserem Wissen und unserer Macht. In ihren Sagen und Märchen schreiben sie das nieder, was sie glauben zu wissen: Wir sind das Ideal. Wir sind die Wächter der Menschenwelt. Wir sind die Krieger, welche die feindlichen Dämonen in die Flucht schlagen. Wir sind selbstlos und beschützen sie vor diesen neidzerfressenen Wesen, welche nach den Reichtümern des Himmels und der Erde trachten. Wir beschützen sie ... Wir leiten die Geschicke der Menschenwelt, schreiben ihre Geschichte ... Wir herrschen über die Jahreszeiten, über Wind, Regen, Erde und Feuer, über Katastrophen, Strafen ... Aber wir sind wohlwollend und gerecht. Unsere Macht ist unbegrenzt. Wir sind unverwundbar und stehen unter dem Schutz der Götter. Wir sind die Götter ... Wir sind unfehlbar. Wir hassen nicht, empfinden weder Neid noch Missgunst. Wir kennen keine Hinterlist, oder Habgier. Wir sind nicht wie die Menschen! In den Sagen steht es so geschrieben. Sagen überdauern Jahrhunderte, aber können sie auch Jahrtausende überdauern? Sie sind nicht wahr und dennoch spiegeln sie einen kleinen Teil der Wahrheit wider: Wir sind nicht wie die Menschen. Aber dennoch unterscheiden wir uns nur in unseren Fähigkeiten. Wir empfinden wie sie: Wir lieben, hassen. Wir beneiden andere und sind habgierig, auch wenn wir uns auf Kosten anderer bereichern müssen. Wir sind egoistisch. Die Welt der Menschen schützen wir zu unserem eigenen Schutz. Wir sind starke Wesen. Menschen mit magischen Kräften, die uns so überlegen machen. Wir leben in einer fantastischen Welt, die sich nur durch die Magie von der Welt der Menschen unterscheidet. Wir leben in Frieden ... nur die Dämonen sind unsere Feinde - Vor gut 800 Jahren hätte ich dies gesagt. Wir lebten in Frieden ... denn wir sind nicht unfehlbar und unsere Habgier treibt uns voran. Der Himmel ist zersplittert, die vier Reiche verfeindet. Es geht nicht mehr um den gemeinsamen Feind, sondern um Macht ... Macht, die man nur erlangt, wenn man über den Himmel herrscht. Über den gesamten Himmel. Unsere Welt zerfällt immer mehr. Der Mittelpunkt, um den sich alles Jahrtausende lang drehte existiert nicht mehr. Lange Zeit schufen wir neue Dinge, jetzt zerstören wir alles. Wir sind gefangen in einer Ohnmacht. Folgen gehorsam dem Streben unserer Familien, unserer Herren und Könige. Jeder hat alles verloren, nur um das Eine zu gewinnen und dabei verkaufen wir unsere Seelen. Wenige haben noch Visionen. Die Meisten sind untergegangen in ihrem Bestreben nach Macht, bedingungslosem Gehorsam oder in der vorgegaukelten Realität. Verloren in einer Welt, die so nicht existieren kann. Nicht mehr lange existieren wird ... Der Feind wird stärker und wir sind schwach. Waren wir einmal stolz darauf nicht zu sein wie die Dämonen, so haben wir es nun geschafft in einer Welt zu leben, die der Dämonenwelt sehr ähnlich ist. Können Sagen Jahrtausende überdauern? Können sie über Leid, Unrecht, Krieg, Tod und Zerstörung hinweg existieren und vertrösten? Für einen Himmelsbewohner sind 800 Jahre nicht viel. Unsere Lebensdauer ist unbestimmt. Dennoch kamen mir die letzten 800 Jahre viel zu lange vor. Für einen Menschen sind 800 Jahre eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit überschattet von Leid und Grausamkeit ... Vor 800 Jahren war ich fast noch ein Kind. Ich war jung und dennoch schon einer der obersten Feldherren. In diesem Krieg habe ich alles verloren, was mir wichtig war, was mein Leben bestimmt hat. Ich bin zu dem geworden, was ich nie sein wollte und ich bin dankbar dafür. Ich werde versuchen alles wieder gut zu machen. Denn ich habe es versprochen ... Kapitel 1: Leben? ----------------- Kapitel 1 Langsam ging er durch die viel zu vollen Straßen. Er schlängelte sich zwischen unzähligen Menschen hindurch, die seiner Meinung nach alle zu fröhlich und unbesorgt schienen. Nur hier und da begegnete er vereinzelten ausgezehrten und abgespannten Gesichtern. Nur vereinzelt hastete man an ihm vorbei durch die sich gemütlich fortbewegende Menge. Vermutlich war er im falschen Viertel. Hier lebten zu viele reiche Kaufleute und Händler, hier lief viel zu viel Adelspack rum, die allesamt keine Ahnung hatten, was sich wirklich abspielte. Mit Sicherheit hatte von ihnen noch keiner in die gequälten Gesichter von Sterbenden gesehen, oder die Schmerzensschreie der Verwundeten gehört, oder die Klagerufe der Witwen und Waisen, die alleine zurückgelassen wurden ... Das alles hier widerte ihn an! Er beschleunigte seine Schritte und verschwand in einer schmaleren Seitengasse, der er lange Zeit folgte. Durch schmutzige Hinterhöfe hin zu den immer kleiner werdenden Häusern und heruntergekommenen Hütten. Immer weiter weg vom Prunk und Schmuck, von den Farben und den Menschenmassen der großen Marktstraße und des Händlerviertels, hinein in die dunklen und dreckigen Gassen der Armenviertel. Was er hier suchte? Das wusste er selbst nicht. Er wollte nur weg von dieser nicht existenten Realität. Weg von diesen Heuchlern, die so taten, als wäre alles wie damals, wie früher. Wut stieg in ihm auf. Er blieb stehen und mit der blanken Faust schlug er gegen eine der rauen Hauswände, welche aus grobbehauenem dunklen Stein bestanden. Vor ihm schreckten zwei Kinder auf, die ihn aus großen dunklen Augen ängstlich ansahen. Hastig rafften sie die Steinchen, Hölzchen und Glasscherben zusammen, mit denen sie gerade noch auf dem staubigen Boden gespielt hatten. Dann huschten sie eilig davon. Ein betrübtes Lächeln umspielte kurz seine Lippen. Er hatte ihnen Angst gemacht, hatte die beiden nicht bemerkt. Das hatte er nicht gewollt ... war nicht seine Absicht gewesen. Er wusste, wie seine Erscheinung auf andere wirkte. Seine hochgewachsene und muskulöse Gestalt ... die pechschwarzen, ausgefransten Haare, die ihm tief ins Gesicht fielen und ihm mittlerweile bis zwischen die Schulterblätter reichten ... das Stirnband, welches die Narbe verdeckte, die sich mittig über seine Stirn zog ... die fordernden, klaren blauen Augen ... das gleichgültige Gesicht ... der schwarze lange Mantel, den er trug. Alles in allem sah er sehr verwegen aus und wäre er ein Kind gewesen, hätte er sich sicher auch gefürchtet. Er ging noch ein paar Meter und bog dann nach rechts, folgte einer dunklen Hauswand, welche die schmale Gasse in einen tiefen lange Schatten tauchte - es würde bald dunkel sein - dann traf er auf einen Kanal, über den eine kurze Steinbrücke führte, an deren Seiten bereits etliche Steine abgebrochen waren. Schnell überquerte er sie und folgte dem Fluss des Wassers, welches unangenehm roch. Eine Mischung aus Abfällen, Abwässern, Schmutz und Dreck ... Der Weg, dem er folgte, wurde von kalten Hausrückwänden und dem Kanal begrenzt. Es war gerade so viel Platz, dass er sich bequem bewegen konnte. Ab und zu hörte er Hunde bellen oder Fetzen eines Gesprächs, das aus einem der offenen Fenster heraus an die stickige Luft drang. Einmal vernahm er sogar, wie jemand weinte. Warum tat er sich das hier eigentlich an? Es war beruhigend. Es war erlösend und befreiend zu spüren, dass er nicht der Einzige war, der litt. Hier war das Grauen so nah, wie nirgendwo anders in dieser Stadt. Hier spürte er, was geschah. Das hier war die Realität. Der Pfad vor ihm führte ein Stückchen bergauf, dann verlor er sich auf einer breiten gepflasterten Straße, während das Wasser glucksend unter dieser verschwand und dahinter in ein riesiges Becken floss. Er war am Hafen angelangt. Mittlerweile war es dunkel und nur ein paar Öllampen, die vor einem heruntergekommenen Gasthaus hingen, tauchten diese Seite in ein schummriges Licht. Einen kurzen Moment sah er durch die schwach erleuchteten Fenster, hinter denen einige ausgemerkelte Gestalten saßen, jeweils mit einem Glas oder Becher vor sich. Er ging über die Straße zur Kaimauer und ließ sich darauf nieder. Sein Blick fiel zunächst auf das gegenüberliegende Ufer. Dort leuchteten Lichter in allen erdenklichen Farben und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man die Musik vernehmen, die leise mit dem Wind herüber wehte. Schnell wandte er ihn von dem bunten Treiben ab und betrachtete die schwarze Fläche vor sich, konzentrierte sich auf das leichte Schwappen, wenn die Wellen gegen die Mauer stießen. Eine vertraute Leere überkam ihn, füllte ihn ganz aus, seit nunmehr 700 Jahren ... "Keika, pass auf!", schrie er und stieß den silberhaarigen Dämon zur Seite, der erschrocken den Kopf zu ihm gewandt hatte und nun zu Boden ging. Er spürte einen kurzen heftigen Schmerz, der ihn durchfuhr, wie ein magischer Schlag, dann, wie er auf den harten Boden krachte. Für einen kurzen Moment bekam er keine Luft mehr. Er spürte, wie eine warme Flüssigkeit seine Uniformjacke durchdrang. Er blutete, war verletzt. Neben sich erblickte er Keika, der sich gerade wieder aufrappelte. Er war keine drei Meter entfernt, hob den Kopf leicht und blickte ihn fast panisch an. Dann wurde alles dunkel. Zwischen ihnen schoss heißer Dampf aus dem Boden. Er hörte noch Keikas Stimme - ein verzweifeltes Rufen - dann war alles still um ihn herum. Vorsichtig zog er den weiten Ärmel seines Mantels hoch und krempelte ihn zurück. Dann schob er sein Hemd ebenfalls ein Stück zurück. Nachdenklich betrachtete er die Brandnarbe, die dort zum Vorschein kam und sich von knapp unterm Ellenbogen bis zur Hälfte seines linken Unterarmes zog. Es war das einzige körperliche Mal, das ihn an diesen Tag erinnerte. Die anderen Wunden waren restlos verheilt, nichtmal Narben waren geblieben, nur diese eine Verbrennung. "Wo ist Keika?" Seine Stimme war noch schwach und leise. Er lag auf dem großen Himmelbett in seinem alten Zimmer, welches er bewohnt hatte bevor er mit Keika in ihr Häuschen gezogen war. Neben ihm auf einem Stuhl saß sein Bruder Koo. Die Beine hatte er übereinander geschlagen und sein Blick ruhte auf einem Fächer, mit dem er rumspielte. "Koo ... Wo ist Keika?" Ungeduldiger wiederholte er seine Frage, sah seinen Bruder voller Sorge an. Irgendwie ahnte er schon etwas. Sein Bruder saß bei ihm. Koo, der ihn hasste ... seit er Keika bei sich hatte ... seit er ihm den Shuten und die Aufsichtsbehörden wegen der Sache mit dem heiligen Wasser auf den Hals gehetzt hatte, um Keika zu retten, um ihn bei sich behalten zu können. "Keika ...", fing Koo mit ruhiger und bedachter Stimme an, "dein Adjutant, dein Begleiter und Geliebter ...", endlich sah er kurz von seinem Fächer auf, "Willst du dich nicht erst etwas erholen? Du warst immerhin fast eine Woche bewusstlos. Dann beantworte ich dir alle deine Fragen." Es sollte besorgt klingen und Koo gab sich alle Mühe diesen Anschein zu machen, dennoch konnte er in den Augen seines Bruders ein belustigtes Blitzen erkennen. Koo wollte ihn quälen, hielt sein Wissen zurück, sodass er daran zugrunde gehen würde. "Wo ist Keika?", wiederholte er nun schon zum dritten mal leise und noch eindringlicher. Sein Körper schmerzte und die Anspannung, die er empfand machte es nicht besser. Dennoch konzentrierten sich seine Gedanken nur auf die besonnene Stimme seines älteren Bruders. "Keika, der Dämon ... dein Dämon! Er ist tot. Gefallen in der Schlacht gegen Seinesgleichen. Sehr ehrenhaft." Wieder sah Koo zu ihm rüber. Spott lag in seinem Blick. Er spürte, wie ihm diese Worte einen Stich in die Brust versetzten, wie er keine Luft mehr bekam. Heftiger als jede Verletzung bisher schmerzte es diese Worte zu hören, die er nicht glauben konnte ... nicht glauben wollte. Das Einzige zu dem er fähig war, war ein erstickendes "Nein". "Wir haben seinen Leichnam verbrannt, wie es bei den Dämonen Sitte ist. Das war hoffentlich in deinem Interesse." Sein Bruder erhob sich und ging zur Tür, sah aber nochmal kurz zu ihm. "Schlaf dich aus Teiou. Wir brauchen dich bald wieder." Mit diesen Worten, die so anteilnahmslos waren, wie es nur ging, verschwand er. "Keika", flüsterte er leise, dann liefen ihm nur noch Tränen über die Wangen und er ließ es einfach zu ... Das war das einzige Mal, dass er sich bewusst daran erinnern konnte geweint zu haben. Es war jetzt gut 700 Jahre her. Seitdem hatte er so oft an Keika gedacht, aber nie mehr um ihn geweint. Seitdem überkam ihn auch diese Leere, wenn er ganz allein war. Es war gut so! Nichts würde Keika je ersetzen können und es war befriedigend zu spüren, dass Keika durch ein 'Nichts' ersetzt worden war ... "Habt ihr Euch verlaufen?" Eine dünne Stimme ließ ihn aufschrecken. Schnell zog er den Stoff wieder über die Narbe und drehte sich um. Vor ihm stand eine junge, ziemlich dünne Frau, die ihn schüchtern ansah. Sie trug ein Kleid aus einfachem grauen Leinen und zerschlissene Schuhe. In ihrem schmalen Gesicht konnte man dunkle Schatten unter den Augen erkennen, die durch die Dunkelheit und das Schummerlicht noch tiefer wirkten. Er lächelte freundlich. "Nein. Ich bin nur zufällig hier. Wie kommst du darauf?" Sie nickte zögernd. "Soldaten sind normal im Blumenviertel um diese Zeit." Mit einem ihrer dünnen Arme deutete sie auf das entfernte Ufer mit den unzähligen Lichtern. "Ihr seid doch ein Soldat?" Ihr Blick fiel auf das Kreuz, das an seinem Kragen hing. "Auch wenn Ihr keine Uniform tragt." Sie lächelte kurz. Erst jetzt konnte man sehen, wie jung sie eigentlich noch war. Er seufzte leise. Es stimmte. Um diese Zeit versuchten die Soldaten ihre Sorgen zu ertränken oder anderweitig zu verdrängen. Wer konnte es ihnen verübeln? Sie sahen so viel Grausamkeit jeden Tag, sie töteten ihr eigenes Volk. Sie kämpften vielleicht sogar gegen ihre eigenen Verwandten. Sein Blick ruhte auf der jungen Frau vor sich. "Auf wen wartest du? Deinen Mann? Deinen Bruder oder Vater?" Sie sah kurz betrübt zu Boden. "Meinen Mann ... und meinen Bruder ..." Sie wurde immer leiser. "Ich weiß nicht mehr, was ich ohne sie machen soll. Kennt ihr sie?" Hoffnung loderte kurz in ihren Augen auf, als sie zwei Namen nannte, die ihm gänzlich unbekannt waren. Dann liefen ihr Tränen über die Wangen. Verneinend schüttelte er den Kopf. Irgendwie tat sie ihm leid. Er stand auf und stellte sich vor sie. Sie war ein ganzes Stück kleiner und wirkte sehr zerbrechlich. Ohne groß darüber nachzudenken nahm er sie in den Arm, strich ihr behutsam über den Kopf und flüsterte ihr ein paar tröstende Worte zu. Sie nickte nur leicht. Als sie sich lösten drückte er ihr einige Münzen in die Hand. "Teil sie dir gut ein. Wer weiß wie lange dieser Krieg noch dauert." Wieder nickte sie und formte mit ihren Lippen ein wortloses "Danke". Er wandte sich von ihr ab und ging die Hafenpromenade entlang durch die Dunkelheit. Dieser Krieg forderte mittlerweile zu viele Opfer und wenn man sich hier in den Vierteln mal umsah wusste man, dass selbst die Himmelsbewohner stark darunter litten, auch wenn die Reichen es nicht wahrhaben wollten ... Es war ein Teufelskreis. Bisher hatte der Großteil der Schlachten in der Menschenwelt stattgefunden. Das Himmelsterritorium war noch unbeschädigt mit Ausnahme des Himmelsturmes, der nur noch eine Ruine war, und ein paar Dörfer an den jeweiligen Landesgrenzen. Dennoch war der Krieg hier spürbar. Wie viele hatten schon Familie, Freunde oder sonst was verloren, so wie das Mädchen gerade? Konnte es so weiter gehen? Wohl kaum ... Die Menschen wurden hingehalten. Für die Meisten gab es genug Nahrung und außerdem setzte man alles daran, die Bevölkerung bei Laune zu halten. Brot und Spiele ... das Konzept traf es ziemlich genau. Es war einfach nur widerlich und keiner übte auch nur ansatzweise Kritik am Herrscher. Dabei war Shoou nicht gerade zu geringem Teil Schuld an dieser Misere. "Ich wusste doch, dass du eine Freundin hast." Er hielt kurz inne. Die Stimme kam hinter ihm aus dem Schatten eines Hauses. Sie war ihm durchaus bekannt. Unbeirrt setzte er seinen Weg fort. "Wie lange folgst du mir schon? Tahou?" Seine Stimme klang gleichgültig und desinteressiert. Hinter sich nahm er nun Schritte wahr, die zu ihm aufschlossen. "Lange genug. Warum hast du dir hier eine gesucht und nicht unter den Händlerstöchtern oder dem Adel? Gibt doch wirklich Hübschere." Tahou, sein Neffe war mittlerweile neben ihm angekommen und musterte ihn interessiert. "Gib es zu Onkel Teiou! Ich habe alles gesehen." "Da du ja was gesehen hast, wo nichts war und du dich hier rumtreibst, nehme ich an, dass du deine Aufgabe erledigt hast." Er drehte den Kopf leicht und betrachtete den Sohn seines Bruders, dem er Unterricht im Schwertkampf und im Gebrauch von Magie gab. Für Tahou war er so etwas wie ein Mentor, oder vielleicht doch eher der große Bruder, dem es nachzueifern galt. Sein noch sehr jungenhaftes Gesicht zuckte kurz und er strich sich ein wenig verlegen die langen Haare zurück, die in diesem Licht beinahe schwarz waren, im Sonnenlicht allerdings in einem dunklen braun und sehr vielen anderen Farben schimmerten. Eindeutig definierbar war seine Haarfarbe jedenfalls nicht. "Also? Wie steht es mit der Magie?", wiederholte er seine Frage etwas konkreter. "Ganz gut." "Dann zeig es mir." Sein Blick war nach vorne gerichtet, dennoch bemerkte er, dass Tahou ein wenig verwirrt stehen blieb und ihn ansah. "Jetzt? Hier?" "Ja. Wo du es doch kannst ... Mach schon. Greif an." Ohne sich umzudrehen ging er weiter, seinen verdutzen Neffen hinter sich lassend, dessen Schritte erst ein paar Sekunden später wieder zu hören waren. "Kannst du es doch nicht, oder warum dauert das so lange?" "Vielleicht ...", Tahou klang unsicher und eingeschüchtert, das war gut, "... vielleicht mache ich auch gerade nur eine Pause. Ich meine es ist schon spät und ..." "... und du hast deine Aufgabe nicht erledigt." Kaum hatte er zu Ende gesprochen, als er Tahou hinter sich eine Beschwörung aufsagen hörte. Erst flüsterte Tahou fast, dann wurde seine Stimme immer lauter und er ließ letztlich einen magischen Blitz auf ihn zuschnellen, der sich aber knapp einen Meter hinter seinem Onkel in Luft auflöste. "War wohl nichts. Glaubst du, so einfach könntest du meinen Bannkreis durchbrechen?" Er musste leicht grinsen. "War das schon alles?" Er vernahm ein verärgertes Stampfen, dann schoss Tahou auf ihn zu und sprang von hinten auf ihn. Es brauchte einen Schritt zur Seite und zwei Handgriffe, bis der Junge vor ihm auf dem Boden lag und sich die Schulter rieb. "Musste das so fest sein, Onkel?" "Wenn es dir beim lernen hilft." Er zuckte mit den Schultern. Tahou würde noch sehr viel lernen müssen, wenn er sich einmal gegen ihn behaupten wollte. Aber bis dahin würde noch viel Zeit vergehen. Sehr viel Zeit ... "Und jetzt steh auf. Ich will nach Hause und du solltest um diese Zeit auch nicht in dieser Gegend rumlungern. Dein Vater wird davon nicht begeistert sein." "Du darfst auch und bist nur 1000 Jahre älter." "1100 um genau zu sein", für einen kurzen Moment sah er Tahou amüsiert an, der sich wie ein trotziger 12 Jähriger verhielt, was er im Grunde auch noch war, nur eben ein bisschen älter. "Außerdem bin ich Generalfeldmarschall und kann, im Gegensatz zu dir, mit meinen Kräften umgehen." "Jaja ...", grummelte sein Neffe vor sich hin, dann stand er endlich vom staubigen Boden auf. "Im Übrigen will Vater dich sehen. Schnellstmöglich." Seine Worte klangen etwas widerwillig und als er das Wort Vater gebrauchte, konnte man merken wie wenig ihm an Shoou, seinem eigenen Vater, lag. In solchen Augenblicken fiel ihm auf, wie ähnlich er Tahou doch war. Früher hatte er mit seinem eigenen Vater auch nicht viel anfangen können. Vielleicht war das in dem Alter einfach so. Heute wünschte er sich manchmal, Soryuou würde noch leben und regieren. Shoou war ein Tyrann. Sein Vater war immerhin angenehmer gewesen, in der Beziehung jedenfalls, wenn er auch in vielen anderen Dingen mächtig daneben gelegen hatte, wie zum Beispiel mit seinen ganzen Liebschaften. Allerdings konnte er sich nicht daran erinnern so ein biestiges Kind wie Tahou gewesen zu sein. Als er 5 Jahre alt gewesen war, hatte Tahou Keika dazu gebracht heiliges Wasser zu trinken. Die Sache war gerade nochmal gut gegangen, aber Keika war fast drei Tage bewusstlos gewesen. "Heute noch?" "Ja!" Ihre Schritte hallten von den Wänden des Ganges zurück, der zu den privaten Räumlichkeiten des amtierenden Tennos führten. Von einem Sekretär, der ziemlich mitgenommen und müde wirkte, wurde er in einen Empfangsraum gebeten. Tahou folgte ihm unschlüssig. Es war schon spät. Sicherlich bald Mitternacht. Er trat an die großen Rundbogenfenster und sah hinaus in die weitläufigen Parkanlagen, die sich rund um das Schloss erstreckten, jetzt aber in völligem Dunkel lagen. Nur ein paar Schatten waren erkennbar. Tahou hatte sich auf einem der Sessel niedergelassen und wartete, sichtlich nervös. "Generalfeldmarschall Teiou. Wie erfreulich, dass Ihr euch noch her bemüht habt." Er drehte sich um und sah seinen ältesten Bruder an. "Shoou-sama." Seine Stimme zeigte die Gleichgültigkeit, die sie immer an sich hatte. Er deutete eine leichte Verneigung nur an, verschränkte dann die Arme und schüttelte nur verneinend den Kopf, als der Tenno ihm einen Sitzplatz anbot. Tahou wurde von dieser Begrüßung völlig ausgeschlossen und saß nur unbeteiligt da. "Hat dich die Belohnung erreicht, die ich dir versprochen hatte, für deine letzten Taten?" "Die Mädchen aus dem Blumenviertel? Ich hab sie wieder weggeschickt ..." Shoous Gesichtsausdruck konnte er einen Moment lang nicht einordnen. Er wusste, dass diese erkauften Liebschaften ihn ablenken sollten von dem, was er hier alltäglich durchmachte. Aber er sollte auch Keika vergessen. Er sollte ihn durch eine Frau ersetzen, oder durch Affären. Genau so leben, wie er es gemacht hatte, bevor er Keika kennen gelernt hatte. Aber seit Keikas Tod hatte er nie wieder eine Frau angefasst. Gut mal umarmt, wie die junge Frau eben, aber sonst nichts. Er fühlte, dass er es Keika zumindest irgendwie schuldig war. "Dafür hab ich sie dir nicht geschickt." "Ich weiß ... Mit einer hab ich mich die halbe Nacht unterhalten. Zufrieden?" "Über was redet man denn mit solchen Personen?" Für den Tenno schien es undenkbar sich mit diesen Frauen zu unterhalten. "Über dies und das, aber ich denke, dass ist meine Sache." Ungeduld und Trotz schwangen in dieser Antwort mit. Er hatte sich lange mit ihr unterhalten: Über die Zustände, den Krieg, ihre Familie, die Gründe, warum so gesehen als Prostituierte arbeitete usw. Es hatte gut getan jemanden zum reden zu haben. Er hatte ihr auch so ziemlich alles erzählt, was ihn im Moment bedrückte. Aber über Keika oder ihre Beziehung hatte er sich ausgeschwiegen. Es ging eher um das, was er jeden Tag miterlebte. Über vieles schwieg er seit Jahren und seitdem Keika weg war, hatte er niemanden, der ihn verstand. Sie hatte ihm für ein paar Stunden das Gefühl gegeben wieder jemanden zu haben ... "Komm endlich zur Sache Bruder. Worum geht es? Ich würde auch gerne irgendwann ins Bett ... Alleine!" Ungerührt sah sein Bruder ihn an. "Nun gut. Wie macht sich Tahou?" Wie immer war seine Stimme salbungsvoll und geschwollen. Shoou nickte in die Richtung seines Sohnes, in dessen Richtung er nun auch sah. "Und deshalb empfängst du mich mitten in der Nacht noch? Glaubst du nicht, dass es wichtigere Dinge gibt? Hast du überhaupt eine Ahnung davon, was wichtig ist? Dein Sohn ist so was von unwichtig!" Er redete sich in Rage, ließ den ganzen Ärger raus, den er angestaut hatte in den letzten Tagen und Wochen. "Da draußen sterben jeden Tag zig Menschen und du interessierst dich nur für deinen Sohn? Sag mal, siehst du das Elend eigentlich nicht? Warum bist du so versessen darauf diesen Krieg zu gewinnen? Warum ..." "Teiou!" Die Stimme seines Bruders hatte einen Tonfall angenommen, der keinen weiteren Monolog zuließ. "Ich reagiere nur auf mein Umfeld. Wenn der Süden mein Land angreift, habe ich mich zu wehren. Und Opfer bringt so ein Krieg nunmal mit sich. Aber erzählen, dass die Bewohner dieser Stadt leiden, kannst du mir nun wirklich nicht." "Ach nein? Du hockst doch nur hier und ... warst du schonmal in den Armenvierteln? Wohl kaum ... Ich habe es erst gerade gesehen. Das Leid, was es ja nicht gibt in dieser Stadt ..." "Teiou! Es reicht jetzt. Treib dich halt nicht da rum. Das bekommt deinem angeschlagenen Zustand nicht so sonderlich ... Morgen wirst du übrigens die Besichtigung entlang der Grenze zum Süden unternehmen. Die zweite Mitteilung, die ich dir machen wollte. Und nun geh! Lass dich erst wieder blicken, wenn du deinen Bericht fertig hast!" Vor Wut schnaubend wandte er dem Tenno, ohne ein weiteres Wort, den Rücken zu und ging zur Tür. Seinen Neffen bedachte er noch mit einem kurzen ziemlich wütenden Blick, unter dem der zusammenzuckte. Dann verschwand er den Gang entlang. Kurz nach seinem Abgang tauchte Koo, sein zweiter Bruder, aus einem Nebenraum auf und stand nun knapp hinter Shoou. "Immer wenn er ausflippt, merke ich, dass er noch lebt." Ein leichtes Grinsen schlich auf seine Lippen. Ein Nicken des Tennos war erstmal alles, was er als Antwort bekam. Shoou sah immer noch ihrem kleinen Bruder hinterher, dann wandte er sich an Tahou. "Geh auf dein Zimmer! Teiou war mit Sicherheit nicht begeistert von dir. Sonst wärst du nicht unwichtig. Morgen übst du weiter! So lange, bis Teiou wieder hier auftaucht und dann beherrschst du das, was er von dir verlangt hat!" So konnte man es natürlich auch auslegen. Wiedermal war Tahou an allem Schuld. Dieser nickte untertänig, stand behände auf und verzog sich, sichtlich erleichtert von seinem Vater wegzukommen, aber auch sauer, weil er wieder zusammengestaucht wurde, wegen seinem mangelnden Ehrgeiz, oder besser gesagt Können. "Du hast Recht. Nur wenn er wütend ist merkt man das." Auch Shoou grinste nun leicht. "Er ist über diesen Keika nicht weg gekommen, aber seitdem ist gehorcht er ohne großen Widerspruch. Er ist wie eine Marionette." Sein jüngerer Bruder nickte zustimmend. "Manchmal sind meine Ideen unschlagbar." "Allerdings. Dass du ihn getötet hast ist dir hoch anzurechnen." Während er dies sagte, sah Shoou aus dem Fenster, so dass er nicht merkte, wie sein Bruder kurz stockte. "Ja .. eine meiner besseren Ideen", antwortete Koo nur leise. Kapitel 2: Sterben? ------------------- Vorwort: Selbst ich heule jetzt schon beim schreiben~ Wie soll das nur weiter gehen? Dabei kommen doch noch ein paar Kapitel ^^" Kapitel 2 "Keika!" Jemand rief seinen Namen. Erschrocken sah er auf, dann wurde er auch schon umgerissen, fiel zu Boden. Mühsam rappelte er sich auf, dann ging alles ganz schnell. Neben ihm und dem Anderen schoss heißer Dampf empor. Dann hörte er ein dumpfes Krachen, sah eine Art Blitz, der irgendwo hinter dem Dampf aufleuchtete. "Teiou!" Er schrie, sprang auf, aber es war unmöglich durch die heiße Nebelwand zu Teiou zu gelangen. Es dauerte Minuten, vielleicht auch Stunden, dann sah er endlich wieder, konnte ein paar Schritte näher heran. Er zögerte. Vor ihm lag die blasse Gestalt des Generalfeldmarschalls. Die weiße Uniformjacke war an der Brust tief rot gefärbt, der Ärmel war angesengt und eingerissen, so dass eine ziemlich unschöne Wunde deutlich zu sehen war, die vermutlich durch die Hitze des Wasserdampfes verursacht worden war. Er schluckte, presste die Lippen fest zusammen. Drei Leute hockten neben Teiou, etwa ein dutzend Soldaten standen drumherum. Sein Blick folgte den Händen eines älteren Mannes, der nicht die übliche Uniform trug. Es war einer der Ärzte. Deutlich zu erkennen an seiner dunkelgrauen Uniform mit einem roten Kreuz, statt der üblichen schwarz weißen. Er legte eine weiße Binde über Teious schon geschlossene Augen und schüttelte nur den Kopf leicht. Ihm stockte der Atem. Das durfte nicht sein. Teiou ... die weiße Binde ... Die Tränen kamen ihm. Seinen Blick konnte er nicht abwenden. Teiou, schneeweiß im Gesicht, das weiße Tuch über den Augen ... Wie konnte das sein ... Wie war das passiert? Das weiße Tuch. Es kam näher, sein Blick war darauf fixiert. Der Brauch der Himmelsbewohner ihren Toten dieses Band über die Augen zu legen ... ihren Toten ... Teiou war ... er war tot. Überdeutlich sah er nun Teious blasses Gesicht vor sich. Er schloss die Augen, wollte nichts mehr sehen, aber es verfolgte ihn. Er konnte es nicht ausblenden ... Schweißgebadet wachte er auf, saß nun kerzengerade auf seiner Matte neben dem Ofen. Wieder dieser Traum. Jede Nacht der selbe Albtraum, die gleiche Szene. Wieder und wieder spielte sie sich nachts vor seinen Augen ab. Dabei war es nun schon so lange her. Fast 700 Jahre waren vergangen und er träumte ihn immer noch mit genau der selben Intensität wie beim ersten Mal. 700 Jahre befand er sich nun schon in dieser Welt. War ein Gefangener, war alleine ... So viele Menschen waren hier schon ein und aus gegangen. Er sah sie kommen und gehen. Sie alterten und starben. Wie viele Generationen von ihnen hatte er wohl schon überlebt? Gezählt hatte er nicht. Langsam ließ er sich zurücksinken, lehnte sich an die kalte Wand. Er fröstelte, gleichzeitig glühte seine Stirn. Das Fieber war wieder da. Schwer atmend zog er das dünne, löchrige Laken, welches ihm als Decke diente, fester um seinen zerbrechlich wirkenden Körper. Noch lag der Raum um ihn in völliger Dunkelheit. Bis es hell werden würde, dauerte es sicher noch zwei Stunden. Erst dann würde Mara auftauchen, den Ofen heizen und Wasser aufsetzen. Sie war die Köchin des Gutshauses und immer als Erste auf. Bis dahin war er in der riesigen kalten Wohnküche alleine. Alleine mit seinen Gedanken und Erinnerungen. Zwei lange Stunden und an Schlaf war für ihn nicht mehr zu denken. Die Bilder würden wieder kommen. Immer wieder ... Er kauerte sich in seine Ecke, zog die Beine an und legte die heiße Stirn auf seine Knie. Wie lange würde er noch durchhalten? Wie lange sollte es noch so weiter gehen? Dieser Traum höhlte ihn immer weiter aus. Er fand keinen Schlaf mehr. Seit Wochen nicht ... seit Jahren nicht ... Sein Körper war so eigentlich schon schwach genug. Der zusätzliche Schlafmangel, die harte Arbeit draußen auf dem Hof und der Bann, der auf ihm lag, taten ein Übriges. Wie lange würde seine Kraft wohl noch reichen? Langsam hob er den Kopf und betrachtete sein linkes Handgelenk. Zwei feine Narben zogen sich darüber. Zweimal hatte er schon versucht dem Ganzen hier ein Ende zu setzen. Zweimal hatten sie ihn daran gehindert. Beim ersten Mal der Gutsherr selbst, beim zweiten Mal dessen Sohn. Seitdem wurde er nachts durch einen Bannkreis in seiner Nische festgehalten, damit er nicht auf dumme Gedanken kam. Tagsüber hatte er eh keine Gelegenheit. Einer der Arbeiter hatte immer ein Auge auf ihn. Leise seufzend ließ er den Kopf wieder sinken. Er würde sicher keine Gelegenheit mehr finden hier wegzukommen, oder seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Außerdem fehlte ihm für einen weiteren Versuch der Mut ... Dabei würde ihn niemand vermissen ... Sicher nicht. Für die Menschen hier war er ein Verbrecher. Ein Himmelsbewohner, der seine Strafe hier absitzen musste. Warum sollten sie auch daran zweifeln? Selbst für seine verräterische Augenfarbe gab es eine Erklärung; eine seltene Krankheit. Für den Gutsherrn, einen Adligen aus dem westlichen Himmelreich, war er nur eine weitere Arbeitskraft und sein eigener Triumpf in diesem andauernden Krieg, der auch hier in der Menschenwelt überdeutlich zu spüren war. Nach Teious Tod war er ziellos umhergeirrt. Irgendwie war er auf das Terrain des Westens gekommen und dann diesem Adligen in die Hände gefallen, der ihn nun in der Menschenwelt auf einem seiner Güter festhielt. Großartig gewehrt hatte er sich nicht. Warum auch? Ein Leben hatte den Sinn eh verloren. Hatte er nicht nur wegen Teiou noch gelebt? Der hatte ihn doch dazu überredet weiter zu leben, mit ihm zusammen ... so mehr oder weniger jedenfalls. Genau erinnern konnte er sich an diesen Tag nicht. Er war viel zu sehr in Gedanken an Teiou gewesen. Das Einzige, was er noch wusste, war, wie er ihn in diese menschliche Gestalt gebannt hatte. Den Reif trug er immer noch an einem seiner Fesselgelenke. Er unterdrückte seine Dämonengestallt und seine Kraft. Anfangs hatte er oft versucht dieses Stück Metall loszuwerden, allerdings erfolglos ... Mittlerweile war es ihm egal, auch wenn der Reif sein Fußgelenk regelmäßig aufscheuerte, sodass es sich entzündete, und seinem Körper immer mehr Kraft raubte. Es war ihm egal ... Der Einzige, dem er hier etwas bedeutete, war wohl Lias, der Sohn des Gutsherrn. Die meiste Zeit verbrachte Lias im Himmel. Nur ab und zu kam er mit seinem Vater und dem Rest der Familie her, oder auch, wenn er hier zu tun hatte. Lias war Soldat, Feldmarschall, soweit er das mitbekommen hatte. Die meisten Schlachten wurden immerhin hier ausgetragen, in der Menschenwelt. Nur der Gutsverwalter war ein Himmelsbewohner, der dauerhaft hier lebte und sich somit der Gefahr aussetzte. Seit ein paar Jahren führten sie so etwas wie eine Beziehung; Lias und er. Sie war mit Sicherheit einseitig. Für ihn hatte Lias keine große Bedeutung. Für ihn basierte diese Beziehung nur auf dem Körperlichen. Nur deshalb hatte er sich darauf eingelassen. Lias war der Einzige, der ihn in den Arm nahm, ihm ab und zu ein paar nette Worte sagte, wenn er da war, oder ihm das Gefühl gab doch noch geliebt zu werden. Sein Körper hatte sich nach dieser Zuneigung gesehnt und es war wie eine Droge, die ihn noch am Leben hielt ... die seltenen Tage, die er mit Lias verbrachte und an denen er seinem Schicksal hier entging. Wenn er mit Lias zusammen war konnte er vergessen, wenigstens für ein paar Stunden. Die Nächte an Lias' Seite waren für ihn traumlos und seltsam erholsam. In diesen Nächten hatte er das Gefühl bei Teiou zu sein. Dann war es so wie früher. Er hatte wen, an den er sich lehnen konnte, in dessen Armen er schlief. Nur in den paar Stunden vergaß er, dass Teiou tot war, dass die Realität eine ganz andere war ... Schwer atmend lag er unter der warmen Decke verborgen. Viel wärmer, als sein zerfetztes Laken. Lias war da. Gestern Abend war er gekommen und hatte ihn mit in sein Zimmer genommen. Hier durfte er schlafen, wenn Lias hier war. Sonst hatte er nur die Matte und das Laken neben dem Ofen. "Ich muss aufstehen ... arbeiten" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Dann hustete er. Neben sich spürte er, wie sich ein Körper regte und ihn in seiner Aufstehbewegung festhielt. "Du gehst nirgendwohin. Keika!" Lias sprach leise, aber befehlend, fasste ihn an der Schulter und drückte ihn wieder auf das Bett. "Seitdem ich wieder hier bin hustest du ununterbrochen und kannst dich kaum auf den Beinen halten." "Ich muss arbeiten." Wieder hustete er mehr, als das er sprach, versuchte sich erneut aufzurichten, sackte aber in sich zusammen. Er hatte keine Kraft. Eine kalte Hand legte sich auf seine Stirn, jedenfalls kam sie ihm eiskalt vor. Er schloss die Augen und versuchte sich darauf zu konzentrieren, anstatt auf das Rasseln in seiner Brust und die Hitze seines Körpers, die ihm das Gefühl gab jeden Moment zu schmelzen, obwohl er eigentlich fror. "Ich muss gehen ... Lias ... ich kriege Ärger ..." Seine Worte wurden leiser und gingen in einem erneuten Husten unter. "Nein. Dafür sorge ich schon ... Du hast Fieber. Wie lange schon Keika?" "Eine Woche vielleicht ...", brachte er zwischen dem Husten hervor. "Und ich nehme an du warst diese Woche immer mit draußen auf den Feldern?" Ein schwaches Nicken war die Antwort. Zitternd zog er sich die gefütterte Decke bis über die Nase, so dass er gerade noch rausschauen konnte. Er hustete immer noch, allerdings versuchte er es zu unterdrücken und die Decke dämpfte es auch. "Keika", Lias hatte sich auf die Bettkante gesetzt und strich ihm durch die langen hellblonden Haare. "Du bringst dich um, wenn du raus gehst in dem Zustand. Du bleibst hier liegen, bis es dir besser geht." Er seufzte leise und betrachtete ihn eingehend. "Wenn ich könnte, würde ich dir heiliges Wasser besorgen." Bei diesen Worten Lias' zuckte er merklich zusammen. Er würde es nicht vertragen. Niemand außer dem Gutsherrn wusste, wer oder was er wirklich war. "Aber es gibt keines mehr, seitdem der Shuten verbannt wurde." Lias klang besorgt und resigniert. Dieser Umstand schien ihm aufrichtig Leid zu tun. "Ich muss morgen wieder weg. Aber ich verspreche dir, dass du hier schlafen kannst und dass man sich um dich kümmert. Auch wenn du hier deine Strafe absitzt, solltest du doch wenigstens gesund werden dürfen." Lias lächelt leicht, beugte sich zu ihm runter und küsste ihn kurz auf die Stirn. Sein Blick war leer und er erkannte nur Lias verschwommene Gestalt vor sich. Dann veränderte sich dessen Aussehen und er hatte Teiou vor sich, der über ihm beugte und ihm durchs Haar strich. "Keika ..." "...Keika ... Keika wach auf." Er blinzelte. Anscheinend war er doch nochmal eingeschlafen und ausnahmsweise war der Traum nicht ganz so schlecht gewesen. Zwar war Teiou auch vorgekommen, aber hauptsächlich war es das letzte Treffen mit Lias gewesen. Das lag jetzt auch schon wieder fast zwei Wochen zurück und man hatte ihn tatsächlich zwei ganze Tage noch in Lias' Bett schlafen lassen. "Keika. Möchtest du etwas essen?" Die Stimme war warm und freundlich. Endlich hatte er Schlaf und Traum überwunden - auch wenn er gerne noch gewusst hätte, was Teiou ihm sagen wollte - und sah die Person vor sich an. Mara hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und geweckt. Sie waren noch alleine hier in der riesigen Küche. Aber es war deutlich wärmer. Der Ofen war endlich an. Neben ihr stand eine Schale heiße Suppe. Sie roch gut und ihm war immer noch kalt, daher nickte er leicht. "Gut. Hier. Sie ist noch sehr heiß." Sie drückte ihm lächelnd die Schale in die Hand und sah ihn prüfend an, dann legte sie ihm eine Hand auf die Stirn. "Du hast immer noch Fieber. Vielleicht bleibst du besser wieder hier ..." "Bemutter' ihn nicht Mara. Der hat es nicht verdient. Er hat hier seine Strafe abzusitzen und es soll eine Strafe bleiben." "Genau. Er geht mit auf die Felder. Letztens hatte er erst zwei Tage frei." Beide sahen sie in die selbe Richtung. Die Feldarbeiter und Knechte vom Hof kamen herein zum Frühstück. Alle setzten sie sich um den riesigen Tisch in einer Ecke. Mara blieb vor ihm hocken. Es war ihm schon länger klar, warum sie ihm sein Frühstück immer schon als erstes gab. Wenn es nach den Arbeitern ginge, würde er nichts abbekommen. Sie hielten nichts von ihm. Warum auch? Er war Straftäter ... Verbrecher ... Mittlerweile glaubte er das schon fast selbst. Schweigend setzte er die Schale an die Lippen, die er mit beiden Händen fest umklammert hielt, und nahm einen Schluck von der Suppe, die angenehm wärmte. Vor ihm richtete sich Mara auf und er konnte sich denken, dass sie nach einer schnippischen Antwort suchte. "Ach ihr seid doch nur neidisch." Sie ging zum Herd, nahm den Topf mit der Suppe und stellte ihn geräuschvoll auf den Tisch. "Hier! Euer Anteil!" Zwei der Jüngeren beäugten die Suppe skeptisch. Ein betagterer Tagelöhner sah Mara an. "Gibt es nicht mal was anderes? Da hast du doch quasi alles reingetan, was die letzten Tage übrig geblieben ist." "Zweifelst du meine Kochkünste an? Es herrscht Krieg! Soviel zu eurer Information und dann kocht aus den paar Sachen mal was, was uns noch geblieben ist. Und lass es dir gesagt sein:", sie deutete auf den Tagelöhner, "uns geht es hier noch sehr gut!" Daraufhin herrschte erstmal betretenes Schweigen. Alle nahmen sich Suppe und Brot und aßen. Eine ganze Weile hörte man nur Schlürf- und Schmatzgeräusche, dann setzten allmählich die regen Tischgespräche ein, die er immer mehr oder weniger aufmerksam verfolgte. Es ging ihn ja eigentlich nichts an. "Das Wetter wird auch nicht besser. Es regnet schon wieder." Alle Blicke wanderten kurz azu den Fenstern, an denen Regentropfen hinab liefen. Von draußen her hörte man es rauschen und prasseln. "Und sowas nennt sich Sommer. Es ist viel zu kalt und zu nass ..." "Und morgen wird es wieder so heiß, dass man es kaum erträgt. Die können sich anscheinend nicht einig werden da oben." Einer hob die Hand und deutete Richtung Himmel. "Götter halt ..." Betreten sah er auch zum Fenster. Seit Jahrhunderten war es nicht so schlimm gewesen wie jetzt. Die vier Reiche bekriegten sich gegenseitig. Konnte man da Einigkeit erwarten, was das Wetter hier anging? "Im Übrigen ist es ab jetzt vorbei für dich da hinten. Wirst dich nicht mehr ins Bett des Sohnes vom Herrn einschleichen können." Der Sprecher reckte den Hals und machte eine nickende Bewegung in seine Ecke, wo er immer noch zusammengekauert mit seiner Schale saß. "Was willst du dagegen denn machen?" Mara klang leicht giftig, wie eine Glucke schien sie es heute drauf anzulegen ihn zu verteidigen. Sie schien ihm diese vereinzelten wenigen Stunden des Vergessens zu gönnen, auch wenn sie nichtmal im Ansatz wusste, was ihn beschäftigte, wer er war, worunter er litt und was ihm diese Zeit mit Lias bedeutete ... "Der Sohn des Herrn ist gestorben." Die Stimme klang salbungsvoller und die Wortwahl war nicht die der Arbeiter. Außerdem kam sie aus einer völlig anderen Richtung. Der Gutsverwalter hatte die Küche betreten, wie jeden Morgen um diese Zeit. Seine Gewänder waren deutlich edler, als man es hier erwartet hätte. Das war der einzige Himmelsbewohner, der dauerhaft hier lebte, neben ihm, wobei es bei ihm ja nur so schien. Er war dämonischen Ursprungs. Wie erstarrt saß er da, konnte sich nicht regen. Seine Hände fingen an zu zittern. Konnte das denn sein? Nein. Wie konnte das sein? Lias hatte versprochen wiederzukommen. Wie konnte er da tot sein? Er schüttelte den Kopf, wollte den Gedanken vertreiben. Er hatte sich verhört. Sicher hatte er das ... Schritte kamen auf ihn zu. Verstört sah er auf, nahm aber nichts wahr, so durcheinander gingen seine Gedanken. Der Gutsverwalter sprach noch. Seine Stimme hallte noch im Raum. "Gefallen. Im Kampf gegen das Südreich. Es wird ungemütlich langsam. Glaubt mir. Wer weiß, wie lange es hier noch sicher ist." Das entsetze Murmeln der restlichen Menschen im Raum, nahm er nur am Rande wahr. Sie schienen besorgt, aufgebracht, aber anscheinend nicht so weit beunruhigt, das sie in Panik verfielen. Vor ihm streckte der Gutsverwalter nun kurz die Hand aus, machte eine knappe Bewegung mit den Fingern und nahm den Bannkreis zurück, wie jeden Morgen. Dann drehte er sich um und ging wieder zu der Tür, aus der er gekommen war. "Nehmt ihn mit aufs Feld. Ich möchte, dass ihr die Ernte möglichst schnell hier rein bekommt. Egal, wie das Wetter ist!" Mit diesen Worten verschwand er. Noch immer saß er total apathisch in der Ecke. Murmelte Dinge vor sich hin. Warum meinte es das Schicksal so grausam mit ihm? Warum nahm man ihm jetzt auch noch denjenigen, der ihm wenigstens ein bisschen Trost gespendet hatte? Jemand packte ihn am Arm und zog ihn auf die Beine. "Auf, du Faulenzer! Du hast doch gehört. Auf's Feld mit dir!" Man stieß ihn in den Rücken, so dass er nach vorne stolperte. Kurz blieb ihm die Luft weg, dann hustete er und brauchte ein paar Schritte, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Sie schoben ihn aus der Tür in den kalten Regen und sofort fror er wieder. Hinter ihnen in der warmen Küche stand Mara und stritt mit einem der Arbeiter, wie unverantwortlich das wäre. "Er ist doch auch nur ein Mensch wie ihr." "Mara. Er ist ein Gott. Einer aus dem Himmel. Der wird es überleben. Außerdem kennst du die Anordnungen, oder war das eben nicht deutlich genug?" "Doch, aber er ist krank. Er hat Fieber." Der Arbeiter wandte ihr den Rücken zu und folgte dem Rest des Trupps über den Hof. "Wie könnt ihr das einem Gott antun?" Mara schien außer sich vor Wut, fluchte leise, drehte sich um und knallte die Tür hinter sich zu. Er schaute kurz zurück zur warmen Stube, wo warmes Licht brannte. Hier draußen war alles grau und kalt, noch dämmerte es und richtig hell würde es heute sicher nicht werden. "Wie kann der ein Gott sein? Ein Straftäter ein Gott?" "...kann nicht sein. Der Herr hat schon Recht ihn mit raus zu schicken. So krank sieht er nicht aus." "Genau ..." Das Thema Gott schien ihnen einen neuen Ausgangspunkt für ihre Unterhaltungen zu sein und sie beachteten ihn nicht weiter. Lediglich seine Arbeit kontrollierten sie und er war froh, dass es regnete und seine stummen Tränen nicht auffielen, die ihm die ganze Zeit über die Wangen liefen. Völlig fertig, nass und durchgefroren sackte er in seiner Ecke zusammen. Er konnte nicht mehr. Sein Körper streikte und sie hatten ihn dennoch weiter angetrieben zu arbeiten. Es war spät geworden, draußen war es schon dunkel. Mara schien schon weg zu sein, aber der Ofen strahlte noch Wärme aus, auch wenn die Flammen im Inneren schon erloschen waren. Der Gutsverwalter kam kurz und legte den Bann wieder. Dann war er alleine. Noch immer liefen ihm Tränen. Wieso ... wieso musste er das alles ertragen? Er musste husten. Es dauerte, bis er sich wieder gefangen hatte und weiter denken konnte. Warum war er derjenige, der so leiden musste? Warum? Warum nahm dieser Krieg ihm seine letzte Hoffnung auf ein paar bessere Tage, oder Stunden. Er kauerte sich zusammen. Warum konnte es nicht endlich zu Ende sein? Warum konnte er nicht einfach sterben? Egal was dann mit ihm passieren würde. Alles war besser als das hier, als das, was er hier ertragen musste. Der Gedanke war so verlockend. Sterben ... Kapitel 3: Entschlossenheit? ---------------------------- Kapitel 3 Er verließ den dichten Wald und betrat nun eine verwilderte Wiese. Den Ort kannte er gut. Einst hatten sie hier als Kinder gespielt. Er, Ashray, und der Shuten Tia. Das schien nun schon eine Ewigkeit her zu sein. Er ging ein, zwei Schritte durch das hohe Gras und sah nun auf. Vor dem blauen Himmel, der schon von glutroten Streifen durchzogen war, türmten sich schwarze Ruinen auf. Die Reste des Himmelsturmes, dem Wahrzeichen, Dreh- und Angelpunkt einer verlorenen Welt, die nicht mehr existierte. Lange stand er nur so da und betrachtete den vom Wetter zerfressenen Stein. Niemand wartete auf ihn. Sein Bruder hatte gesagt, er solle erst mit dem Bericht wieder auftauchen. Nun, der Bericht war fertig. Die letzten drei Tage hatte er die Schäden an der Grenze zum Südreich aufgelistet und Empfehlungen geschrieben. Jetzt war er müde und ihn zog nichts zurück ins Gaiten Schloss. Noch nicht. Es würde nichts ausmachen noch eine Weile hier zu bleiben. Weit weg von dem Trubel der Stadt und dem Schloss. Alleine ... Er wandte den Blick ab und ging langsam auf das große Eingangstor zu, welches nur noch zur Hälfte wirklich stand. Die andere Hälfte lag zertrümmert auf dem Boden, wie so vieles andere auch. Hier und da war der Stein geschwärzt vom Feuer. Seine Schritte hallten von den noch stehenden Wänden wieder. Er stieg zwei Treppen hoch, schlüpfte unter ein paar Trümmern hindurch in den Teil, wo früher das Arbeitszimmer des Shuten gelegen hatte und dahinter seine privaten Räume. Für einen kurzen Moment sah er die Menschenmassen, die sich vor diesem Zimmer aufreiten, alle mit einer Bitte an den Herrn des Himmels. Jetzt war es hier totenstill. Niemand war mehr hier. Der Shuten verbannt, der Mittelpunkt weg. Was sollten die Menschen also noch hier? Zögernd betrat er die Überreste des Arbeitszimmers. Die Decke war zum Teil eingestürzt und überall lag zersplittertes Holz und Glas. Hier und da wuchsen Grasbüschel und Unkraut. Viel von dem früheren Raum war nicht geblieben. Nur seine Erinnerungen ließen alles so erscheinen, wie er es gekannt hatte. Er schritt durch den Raum zu der Stelle, wo sich früher Tiarandears Schreibtisch befunden hatte. Auf dem Boden glitzerte etwas im Licht, welches die untergehende Sonne noch ausstrahlte. Er bückte sich und betrachtete eine Scherbe. Eine Spiegelscherbe. Vorsichtig nahm er sie zwischen zwei Finger und legte sie in seine Hand. Wirklich alles hatten sie zerstört. Sogar den Spiegel, mit dem Tia in alle drei Welten, an jeden erdenklichen Ort, hatte sehen können. Er schloss die Hand fest um die Scherbe, so dass sie in seine Haut schnitt und rotes Blut seine Handfläche überzog. Vielleicht war es Zeit. Vielleicht sollte er nochmal dorthin. Vielleicht würde dann diese Erinnerungen an früher für ein paar Momente verblassen. Vielleicht war es ganz gut seine Freunde nochmal zu sehen. Lange hatte er gezögert, lange war er nicht mehr in den Gängen tief unter den Gebirgen des Nordens gewesen. Noch einmal atmete er tief durch, dann steckte er die Scherbe weg, verließ die Ruine des Himmelsturms und verschwand in der einsetzenden Dunkelheit in Richtung Nordreich. "Ashray." Der blonde junge Mann saß auf Kissen und Decken, die auf dem Felsboden ausgelegt waren, und sah zu ihm auf. Er war gerade durch die langen Tunnel gekommen und lächelte. "Woher weißt du immer, dass ich das bin, Tia?" Er kniete sich vor den Anderen und umarmte ihn. "Teious Schritte sind viel schwerfälliger." Tia lächelte und schien glücklich. Einen Moment verweilten sie so, umarmten einander. Fackeln erfüllten den unterirdischen Raum mit warmem Licht. Einige Frauen saßen in einer Ecke und unterhielten sich leise. Zwei Soldaten in zivil brachten einige Körbe herunter. Seit 700 Jahren versteckte er ihn nun schon. Seinen Freund, seinen Geliebten, ... Tia ... Seitdem war der Shuten verbannt, der Himmelsturm zerstört. Man hatte denjenigen, der das Gleichgewicht zwischen den Reichen gehalten hatte, vertrieben. Sie hatten ihn töten wollen, aber es nicht gekonnt. Tias Bannkreis war zu stark gewesen um ihn zu durchdringen. So hatte man seine Heimstätte zerstört, an die er gebunden war, die ihm zum Schutz diente, weil der Shuten sich nicht wehren, keinem Wesen Leid zufügen durfte. Es war schrecklich gewesen. Mit Grauen dachte er an den Moment als sie Tia mit seinem eigenen Spiegel geblendet hatten um ihn zu schwächen, ihm sein Augenlicht zu nehmen. Danach hatten sie den Spiegel fallen lassen, so dass dieser in abertausend Splitter zersprungen war. "Wie ist es draußen?" Tia löste sich von ihm und saß nun aufrecht vor ihm. Mit seinen getrübten blauen Augen sah der Shuten ihn an, aber Tia konnte ihn nicht sehen, dass wusste er. "Schlimmer. Ich weiß nicht wie es im Osten und Norden aussieht, aber der Westen scheint ziemlich getroffen zu sein. Mein Vater will erst den Westen erobern, bevor er es im Osten versucht." Der Süden und der Osten waren die beiden stärkeren Länder. Das West- und Nordreich versuchten sich nur noch einigermaßen zu halten und zu verteidigen. "Ich habe Vorräte mitgebracht. Vorerst seid ihr hier noch sicher. Aber ich werde schonmal nach einer neuen Bleibe suchen." Tia nickte ernst, wandte sich ab und sein Blick richtete sich auf ein Mosaik aus Spiegelscherben, das in der Ecke lag. Auch sein Blick wanderte dort hin. Noch immer besaß Tia die Scherben, auch wenn er darin nicht mehr lesen konnte, nichts mehr sah. Zum einen, weil der Spiegel kaputt war, zum anderen, weil er nur noch schemenhaft Schatten erkennen konnte. Leise seufzend sah er zu, wie Tia über die glatten Spiegelflächen und die scharfen Kanten tastete. Warum hatte er das nicht verhindern können? Das alles? Warum war sein Vater so unberechenbar? Warum war er noch nicht so weit, seinem Vater die Stirn zu bieten und dem Krieg so eine andere Wendung zu geben? "Tia. Du wirst darin nichts sehen, egal wie oft du es versuchst. Das ist dir doch klar, oder?" Es war eine vertraute Stimme. Teious Stimme, die er viel zu lange schon nicht mehr vernommen hatte. Er klang müde und abgespannt, dennoch war der Prinz des Ostens hier erschienen. Der Einzige, der das Versteck hier außer den Rebellen kannte, die unter seiner Führung standen und von hier aus agierten. Teiou kam zu ihnen und hockte sich vor das Mosaik, dann nahm er Tias Arm und zog ihn zu sich, öffnete dessen Hand und legte eine weitere Spiegelscherbe hinein, die Tia nun abtastete. "Teiou ...", er lächelte flüchtig, aber sein Blick ging an dem Prinz des Ostens vorbei. "Sie ist ganz feucht ..." Er erkannte, wie Teiou kurz auf seine Hand schaute, die blutverschmiert war und schwieg. Anscheinend wollte er Tia nicht bestätigen, dass er richtig lag. "Ihr lasst euch also auch mal wieder blicken, Generalfeldmarschall Teiou." Ein Hauch von Tadel lag in seiner Stimme. Teiou war schon zu lange nicht mehr hier gewesen. Der Dunkelhaarige sah ihn nun an. "Auch ich habe zu tun, Generalfeldmarschall Ashray Row La Dai." Es klang fast schon spöttisch. Selten kam es vor, dass man ihn bei vollem Name rief und wenn Teiou das tat, dann war er schlecht drauf. Sehr schlecht ... Wobei er so langsam glaubte, dass das ein Dauerzustand war, seit Keika nicht mehr war. Gut, er erwartete ja nicht, dass Teiou überschwänglich fröhlich war. Das war er ja selbst nicht. Der Krieg nagte auch an ihm, als einem der obersten Feldherren sah er auch genug Grausamkeit, genauso wie Teiou, aber er versuchte wenigstens etwas zu ändern, hatte große Pläne und Teiou befolgte nur Befehle seiner Brüder. Willenlos und stupide tat er alles, was sie ihm auftrugen ... "Ihr sollt nicht streiten." Tias Stimme ließ sie beide zusammenzucken und sie sahen den Shuten an. "Es macht es nicht besser. Ich freue mich, dass du hier bist Teiou." Tia tastete nach Teious Hand, mit der er ihm gerade die Scherbe gegeben hatte und hielt seine eigene darüber, aus der alsbald warmes Licht strömte und die Wunden schloss, die die Scherbe hinterlassen hatte. "Das musst du nicht tun, Tia." Der Prinz des Ostens wirkte leicht beschämt und wollte anscheinend seine Hand zurückziehen, ließ es dann aber doch zu sie heilen zu lassen. "Teiou ... du wirst immer selbstzerstörerischer. Von mal zu mal wo wir uns treffen." Tia schien das zu bedauern und seine Stimme konnte man entnehmen, wie Besorgnis erregend er das fand. Eigentlich hatte Tia recht. Er selbst hatte auch gemerkt, wie egal Teiou seine Erscheinung geworden war. Seine Uniform trug er wohl gar nicht mehr, was er aus mehreren Gerüchten wusste. Auch so sah Teiou wilder aus als früher. Die längeren fransigen Haare, der schwarze Mantel und dieser stets mürrische oder gleichgültige Gesichtsausdruck. Er sah sehr verwegen aus. Ihm fiel auf, wie wenig er noch über Teiou wusste. Früher waren sie sich auf jeden Fall vertrauter gewesen. Jetzt waren sie Feinde und Verräter. Sie hintergingen beide ihr Vaterland. Teiou eher unfreiwillig, aber manche musste man zu ihrem Glück zwingen. "Was gibt es Neues?" Fragend sah der Schwarzhaarige ihn an, während er einem der Mädchen einen Becher mit Tee abnahm, den sie den sie ihnen auf einem Tablett brachte. "Mein Vater hat meine Schwester verstoßen. Sie ist jetzt vogelfrei und aus dem Süden geflohen." Er seufzte leise. "Außerdem wird es eine Offensive gegen Gebiete der Menschenwelt geben. Angeblich zur Beseitigung von Dämonen. Übermorgen. Ihr solltet evakuieren, so lange es noch geht." Teiou sah angestrengt in die Flüssigkeit seines Bechers und schien fasziniert von den Kreisen, die sich darin von innen nach Außen zogen und immer größer wurden, bis sie auf den Becher trafen und verschwanden. Hörte er überhaupt zu? "Also beschränkt ihr euch nicht nur auf den Westen? Ich dachte das wäre der Plan, jedenfalls habe ich mir so was gedacht nach den letzten Angriffen ..." Teiou sprach ruhig, konzentrierte sich immer noch auf seinen Tee. "Ich soll Shoou-sama also sagen, dass wir evakuieren sollen?" Er nickte "Du sollst es ihm nicht sagen. Du sollst mal selber handeln und zoll ihm nicht so viel Respekt. Er ist dein Bruder, da kannst du das 'sama' ruhig weglassen. Wenn er was erfährt, was wir hier planen ..." "Schon gut. Ich sage nicht, von wem ich es habe." Teiou sah ihn missbilligend an. "Was machst du denn so anders Ashray? Du bist deinem Vater gegenüber nicht anders." "Das ist was anderes. Ich befolge seine Befehle auf eine etwas andere Art und Weise und so, wie sie mir dienlich sind. Mein Vater wird nicht mehr viel Zeit für seine Spielchen haben. Aber im Osten macht ihr nichts gegen das Unrecht. DU machst nichts! Teiou! Du siehst dir alles gleichgültig an, machst, was sie dir befehlen. Dabei bist du stark. Vielleicht sogar noch stärker als ich. Du bist der fähigste Krieger des Ostens und du gehorchst nur blind! Tu endlich mal was! Du kannst doch was verändern!" "Sei still! Was ich mache ist alleine meine Sache und ich halte das für richtig, was ich tue!“ Er stand auf, sah ihn wutentbrannt an. „Lass mich endlich mit deinen Anschuldigungen und Vorschlägen in Ruhe. Ich will es nicht! Verstanden?" Bisher hatte Tia schweigend daneben gesessen und aufmerksam zugehört. "Teiou ... Sei nicht so hart. Das hier nimmt uns alle mit." Seine Stimme war leise und zurückhaltend. Dennoch hatte sie den üblichen warmen Tonfall. Teiou sah den Shuten lange an, dann ließ er sich wieder auf den Boden sinken. Seine Zorn war aber noch nicht verflogen, dass sah er deutlich. "Deine Schwester. Ich glaube sie ist im Norden untergetaucht. Ich habe so was gehört. Angeblich beschützt Santo selbst sie." Teiou sah ihn nicht direkt an, sondern hatte das Gesicht zu Seite gewandt und starrte die Wand der Höhle an. Erleichtert atmete er auf. "Bist du dir sicher?" "Ja. Ich hab zuverlässige Quellen", grummelte Teiou vor sich hin, ohne ihn anzusehen. Er sah zu Tia, doch dieser saß nur da und lächelte, sah ihn auch nicht an, konnte ihm keine Antwort mit seinen Blicken geben. Was war nur mit Teiou passiert? Sein ganzes fröhliches Wesen hatte er verloren. Er war nicht wie früher, das waren sie alle nicht mehr, aber Teiou wandelte auf einem Grat, wo er jeden Moment abstürzen konnte. Und das war doch durchaus ernst. Gerne hätte er ihm geholfen, aber er wusste nicht wie. An Teiou kam man nicht mehr ran. Ständig blockte er ab. Nur mit Tia hatte er sich ein zwei mal in den letzten Jahrhunderten intensiv unterhalten. Ansonsten fraß er anscheinend alles in sich hinein. "Teiou. Würdest du uns helfen? Ich werde bald versuchen meinen Vater zu stürzen. Wenn du den Osten ein bisschen schwächen würdest, damit sie nicht gerade dann angreifen ..." "Ich habe gesagt ich werde nichts gegen meine Brüder unternehmen!" Böse funkelte Teiou ihn an. "Egal, wie oft du mich bittest oder bettelst. Ich mache es nicht!" Wieder stand Teiou auf, schleuderte seinen Teebecher auf den Boden und diesmal drehte er sich um und ging schnellen Schrittes zum Eingang der Höhle, woran ein Gangnetz anschloss, welches raus führte. "Du hast nur keinen Mumm sie zu töten! Oder auszuschalten!" rief er ihm wütend nach, blieb mit verschränkten Armen bei Tia sitzen und starrte Teiou, ihrem Kindheitsfreund, nach. Hätte er es sich nicht denken können? Es war doch klar gewesen, dass Ashray wieder versuchen würde, ihn in seine Machenschaften einzuspannen. Immer noch wütend flog er durch die Dunkelheit, ließ das Gebirge des Nordens hinter sich, achtete aber darauf, dass er von niemandem gesehen wurde. Das hätte schwerwiegende Folgen. Er gab sich hier mit Verrätern ab ... war selbst einer so gesehen. Warum kam er nur alle paar Jahre mal her? Warum tat er sich das an, wo es doch jedes mal gleich ablief? Er näherte sich der Grenze des Ostens. In einem Dickicht landete er und passierte die bewachte Grenze zu Fuß. Einige Soldaten, die um ein Lagerfeuer geschart saßen und sich in gedämpften Tonfall unterhielten, sahen in seine Richtung, hielten ihn aber wohl für ein Tier und beachteten ihn nicht weiter. Er war ein Schatten, schwarz wie die Nacht, und streifte durch den Wald. Es durfte wohl schon nach Mitternacht sein, als er die Stadt erreichte und sich entschloss noch ins Schloss zu gehen. Nicht wegen dem Bericht, aber wegen Ashrays letzten Worten. Der Kronprinz des Südens hatte Recht. Er tat nichts und es war Zeit, dass sich etwas änderte. Den ganzen Weg hatte er darüber nachgedacht und eigentlich war es doch egal, was mit ihm passierte bei dieser Aktion. Er war nur noch eine Marionette in dem grausamen Spiel seiner Brüder. Er hatte sich ganz aufgegeben. Ashray würde er es noch einmal beweisen und dann ... Er erreichte das schwebende Schloss, nutzte aber nicht das Hauptportal. Stattdessen ging er in die dunklen Gärten, ungesehen von den Wachen. Die Bäume rauschten leise im Wind und das Mondlicht malte gespenstische Schatten auf das sich wiegende Gras. Unter einem der unzähligen Balkone hielt er an und sah die steinerne Wand hinauf. Nirgendwo brannte mehr Licht. Es war also sehr spät. Wenn hier mal Ruhe einkehrte musste es sehr spät sein. Seine Füße lösten sich vom taunassen Gras und er flog auf einen der Balkone im zweiten Stock. Noch einmal vergewisserte er sich, dass er nicht gesehen worden war, dann klopfte er leise gegen das Glas. Nach einigen Minuten noch einmal, und noch mal, bis er ein Murren hörte und schlurfende Schritte. Die Vorhänge wurden zurückgezogen und Tahou tauchte dahinter auf. Seine Augen waren noch klein und unter einem Gähnen öffnete er die Glastür. "Onkel. Es ist mitten in der Nacht." "Ich weiß." Er sah seinen Neffen an, schob ihn zur Seite und trat in dessen Zimmer. Tahou schloss die Tür wieder und schlurfte zurück zu seinem Bett, auf welches er sich fallen ließ. "Was willst du denn? Ich habe geübt. Den ganzen Tag und die letzten zwei auch. Aber können wir bitte die Probe morgen früh machen?" "Heute früh meinst du ... Nein. Ich komme nicht, um dich zu testen." Er schritt im Zimmer langsam auf und ab, blieb dann abrupt vor Tahou stehen und sah ihn ernst an. "Ich habe eine Aufgabe für dich." "Aufgabe?" Verständnislos und noch verschlafen sah Tahou ihn an. "Was denn für eine Aufgabe?" "Besorge mir ein Gewand deines Onkels Koo. Eins das er regelmäßig trägt. Aber es darf nicht auffallen, dass es weg ist. Hörst du?" Tahou sah ihn noch verwirrter an. "Hast du nichts mehr zum anziehen?" Als Antwort schenkte er ihm nur einen bösen Blick. "Schon gut. Ich mache es. Darf ich jetzt weiter schlafen?" Tahou legte sich wieder hin und zog sich die Decke über. "Tahou ... Was wirst du tun, wenn du Tenno wirst?" Noch immer stand er vor dem Bett seines Neffen und sah ihn fordernd an. "Ich werde niemals Tenno werden", murmelte der leise. "Manchmal glaube ich fast du bist Ashrays Sohn. Oder zumindest mit ihm verwandt." Sein Tonfall war tadelnd und er verdrehte die Augen. "Werd du doch Tenno." Tahou schien müde und auf so eine Diskussion nicht gerade aus zu sein, dennoch ließ er nicht locker. Wenn er seinen Plan durchziehen würde, dann würde zwangsläufig Tahou den Platz des Tennos einnehmen. Er selbst würde erst an zweiter Stelle kommen. Tahou war der direkte Erbe. Derjenige, der die Blutlinie weiterführte. Mal davon abgesehen war er selbst nicht geeignet für diese Stellung. Er war ein Krieger. Einen guten Herrscher würde das noch lange nicht ausmachen, zumal in diesen Zeiten niemand einen Krieger auf dem Thron sehen wollte. Das Volk sehnte sich nach einem Ende. Jedenfalls die Meisten. Beim Adel war das so eine Sache. Die waren voller Begeisterung dabei, um sich zu bereichern. Tahou war diplomatischer und wusste, was er wollte und was nicht. Er würde sicher den geeigneten Tenno abgeben, auch wenn er noch recht jung war. "Weil ich es nicht kann. Du wirst deinen Platz einnehmen, verspreche es mir." Der junge Prinz nickte nur müde. Er sah so aus, als würde er gerade allem zustimmen. Egal, was es war. "Ich versprech's ..." Mehr oder weniger zufrieden nickte er. "Gut. Jetzt darfst du weiter schlafen." Mit diesen Worten verschwand er auf dem Weg, den er gekommen war. Kapitel 4: Rettung? ------------------- Vorwort: So. Hab mich beeilt mit weiterschreiben. Aber das nächste könnte wieder ein bisschen länger dauern. Da muss ich mir nämlich ganz viel Mühe mit geben ;) Kapitel 4 Die Gänge des Schlosses waren sonnendurchflutet. Nichts hier ließ auch nur annähernd erkennen, dass Kriegszustand herrschte. Die Höflinge schlenderten in ihren prunkvollen Roben durch die Gärten und weitläufigen Parkanlagen, durch die Innenhöfe und durch die Gänge innerhalb der Schlossmauern. Die Wachsoldaten trugen Gardeuniformen, welche edel verziert waren und standen an den Hauptportalen oder patrouillierten durch die Gänge. Ohne die Menschenmengen hier wirklich zu beachten ging er an ihnen zielstrebig vorbei in Richtung Amtszimmer des Tennos. Er würde mit seinem Bruder reden müssen. Über Dinge, die wichtig waren ... die er von Ashray gestern erfahren hatte. Sie waren dringend. Ohne groß zu fragen ließen ihn die Wachen vor dem Zimmer durch, drängten die anderen Wartenden zurück. Alles Adlige, die in dieser und jener Sache bestärkt und unterstützt werden wollten. Wahrscheinlich ging es wiedermal um die Ausbeutung der kleinen Leute. Steuererhöhung zur Deckung der Kriegskosten und zum füllen der Staatskasse. Bei dem Gedanken schauderte er. Das war ihm alles zu wider. „Generalfeldmarschall Teiou. Ich habe euch erwartet.“ Sein Bruder Shoou sah von seinem Sessel hinter dem großen Schreibtisch zu ihm her und legte seinen Federhalter zur Seite. Hinter ihm stand Koo, mit einem Fächer in der Hand. Er verneigte sich leicht vor seinen beiden Brüdern, zollte ihnen den nötigen Respekt, dann trat er vor den Schreibtisch aus edlem dunklem Holz. „Ich nehme an, du bringst mir den Bericht?“ Er sah auf und nickte. „Ja Shoou-sama.“ Aus seiner Manteltasche zog er eine Schriftrolle, die er die letzten drei Tage verfasst hatte. Eine Liste der Verluste und Schäden an der Grenze zum Südreich. Allerdings beschränkt auf die himmlische Welt. Wie es auf der Erde aussah, wollte er sich gar nicht vorstellen. „Gut. Du darfst gehen, Teiou.“ Der Tenno nahm den Bericht und überflog ihn, gab ihn dann an seinen Berater weiter, der es ihm gleich tat. „Ich habe gestern einen Boten den Südens abgefangen. Sie planen einen Angriff auf die Gebiete der Menschenwelt. Auch unsere. Vielleicht sollten wir evakuieren ...“ Er sah seine Brüder an, hoffte, dass sie ihm noch die paar Minuten ließen ihnen zu schildern, wie die Lage war. „Woher willst du wissen, dass er die Wahrheit gesagt hat, oder ob es nicht doch ein Hinterhalt sein wird?“ Die Frage war durchaus berechtigt, aber Ashray hatte es gesagt. Er vertraute Ashray, nur konnte er seinen Brüdern nicht sagen, dass Ashray das gesagt hatte. Erstens hatte er es dem Prinz des Südens versprochen und zweitens würden sie dann wissen, dass er seine Freunde ab und zu noch in ihrem Versteck aufsuchte, was ihn als Verräter enttarnen würde. Ihm musste etwas einfallen ... „Es gibt Begegnungen, da sagt man die Wahrheit.“ Er versuchte überheblich zu klingen, sah seine Brüder leicht triumphierend an. „Es gibt Methoden, da kann man gar nicht anders ...“ Seine Stimme klang geheimnisvoll. „Du hast ihn gefoltert Teiou? Eine reife Leistung.“ Koo nickte anerkennend, dann sah er Shoou an. „Es kann natürlich auch sein, dass der Süden diesem Boten falsche Informationen gegeben hat und er es daher nur als Wahrheit kannte.“ Nun nickte der Tenno und wiegte den Kopf leicht hin und her, dann sah er ihn fest an. „Wo ist der Bote?“ „Er hat sich selbst gerichtet, nachdem ich mit ihm durch war.“ Das war das Erste, was ihm einfiel und so würden sie den Boten nicht suchen und doch noch ausfragen, wo er doch gar nicht existierte. „Ich denke wir sollten es missachten. Den kleinen Bereich der Menschenwelt können wir abtreten. Es wird nur das Land sein, was unmittelbar an der Südwestgrenze liegt. Der Boden ist nicht sonderlich ertragreich und bevor wir unzählige Soldaten dorthin schicken und Verluste machen, sollten wir es so belassen und unwissend tuen. Vielleicht dient es auch nur zur Ablenkung und wir werden woanders angegriffen. Belassen wir es dabei, Bruder.“ Die Einwände und Überlegungen von Koo schienen durchdacht, wenn auch skrupellos. Was war mit der Zivilbevölkerung? Sollte man sie ohne Vorwarnung dem Süden ausliefern, Sie in einen Kampf geraten lassen, dem sie hätten entfliehen können? „Das heißt ihr wollt die Gebiete nicht evakuieren?“ Sichtlich entrüstet starrte er die beiden an. Irgendwie war er gerade sprachlos. Sein ältester Bruder nickte. „So ist es sicherer. Außerdem sind es nur Menschen ...“ „Nur Menschen? Nur Menschen! Was denkt ihr eigentlich was ihr seid? Was anderes? Ohne unsere Magie wären wir auch 'nur' Menschen!“ Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von so vielen Menschen regte ihn auf. Wie konnten sie nur so missachtend mit dem Leben Anderer umgehen? Wo sie helfen konnten. Waren sie nicht sogar dazu verpflichtet? „Ohne unsere Magie wären wir auch 'nur' Menschen!“ Diesen Satz wiederholte er noch einmal. Seine Worte hallten in seinem Kopf. Holten eine schmerzhafte Erinnerung wieder hoch. Es waren nicht seine Worte, es waren Keikas Worte. 'Ohne deine Bannkreis-Magie bist du auch nur ein normaler Mensch!' Das hatte Keika ihm gesagt nachdem Ashray ihn verletzt und er sich eindeutig damit überfordert hatte Keika in den Himmelsturm zu begleiten. Lange war es her ... „Teiou! Mein Entschluss steht fest. Es wird keine große Evakuierung geben. Wir können es nicht riskieren.“ Es klang so beiläufig und gleichgültig, dass die Wut in ihm hochstieg. „Ich mach's! Gib mir den Befehl, zehn Soldaten und ich mache es!“ Entschlossen starrte er den Tenno an. Seine Brüder tauschten kurz einen Blick aus, Koo bewegte die Lippen wortlos und Shoou seufzte leise. Dann sah Shoou ihn wieder an. „Also gut. Du und weitere 10 Soldaten deines Regimentes bekommen den Befehl den Südwesten unserer Gebiete in der Menschenwelt zu evakuieren.“ Er nickte. Selbst so hatte er noch eine Chance möglichst einige der Menschen in Sicherheit zu bringen, wenn auch nicht alle, aber er würde sich bemühen. Ganz sicher würde er das. Noch war Zeit, bis der Süden zum Angriff übergehen würde, wenn Ashrays Angabe stimmte. Er würde es schon irgendwie hinbekommen. „Und Teiou!“ Er hatte sich schon abgewandt, drehte sich nun aber noch einmal zum Tenno und dessen Berater um. „Morgen Abend bist du wieder hier! Spätestens. Vollzählig mit den 10 Soldaten!“ „Ja Shoou-sama.“ Noch einmal verneigte er sich ehrfürchtig, dann verließ er das Arbeitszimmer und trat wieder in den Gang, welcher vom Summen unzähliger Stimmen und dem bunten Treiben des Hofes erfüllt war. Eilig schritt er zurück zum großen Eingangsportal. Er musste schnellstmöglich hier weg und in die Menschenwelt. „Onkel ...“ Schnelle Schritte hallten durch einen der Seitengänge und kurze Zeit später stand Tahou nach Luft schnappend neben ihm. „Was willst du mit dem Gewand? Ich habe ...“ Er musterte den Jüngeren. So schnell hatte er nicht damit gerechnet, dass Tahou seine Aufgabe erfolgreich meisterte. „Shhhhht ...“ Er legte den Finger an die Lippen und sah kurz hinter sich. Sie wurden nicht beachtet, von keinem der vorbeigehenden Höflingen ... „Du bekommst für heute frei. Ich hole es mir bald ab. Deinem Vater kannst du sagen, dass ich dich geprüft habe und zufrieden war, sollte er dich fragen ...“ Er wandte sich von seinem verwirrt dreinschauenden Neffen ab und ging langsam und angemessenen Schrittes auf das Eingangsportal zu. „Ach und Tahou ... Besorg mir auch einen dieser Fächer, mit denen er immer rumspielt.“ Noch einmal würdigte er Tahou eines kurzen Blickes, dann verließ er das Gaiten Schloss, stieß sich möglichst bald vom Boden ab, stieg in die Lüfte und flog zur Kaserne, wo er die zehn Soldaten zusammenstellen würde, die ihm zur Hand gehen sollten. Er stand auf einem Dorfplatz, ziemlich nah der Grenze, beobachtete, wie die Menschen das Nötigste zusammensuchten. Frauen und Kinder saßen auf Wägen, vor denen ein Pferd lief, oder auch nur ein Ochse, eine Kuh, oder ein Esel. Der Tross zog in Richtung Landesinneren. Weg von der Grenze, weg von dem bereits in der Ferne aufsteigenden Rauch. Drei Soldaten winkten die Leute in die richtige Richtung. Die anderen waren schon in anderen Dörfern und wiesen die Leute an ihre Häuser zu verlassen. Es wurde langsam dunkel und am Horizont konnte man Flammen erkennen. Der Süden hatte also vor eine Feuerwand hierher zu schicken. Zerstörerisch und todbringend. Die Flammen züngelten schon an den Bäumen hoch. Sogar von hier war es schon zu sehen. Wind ... So konnten sie dem Osten, dem Reich des Windes nicht beikommen. Eilig winkte er einen der Soldaten zu sich, der nun von den Leuten wegkam, denen er gerade noch mit ihrem Wagen geholfen hatte und ihn fragend ansah. „Ja Generalfeldmarschall Teiou-sama?“ Der Soldat verneigte sich leicht. „Du gehst zurück in den Himmel und direkt, ohne Umweg zum Tenno!“ Er drückte ihm ein Siegel in die Hand. „Zeig ihnen das und du kommst direkt durch. Sag ihm, er soll die Winde Richtung Süden wehen lassen. Beeil dich! Ich will hier nicht alles in Flammen stehen sehen.“ Der Soldat nickte und kaum hatte er ausgesprochen machte dieser sich auch schon eilig auf den Weg zurück in die Himmelswelt und verschwand bald in den dunklen Wolken des Abendhimmels. Kurz sah er ihm nach. Um ihn her vernahm er die wilde Aufbruchstimmung. Schon zum dritten mal heute. Das Geschrei von aufgeregten Kindern und deren Eltern, die hastig ihre wenigen verbliebenen Habseligkeiten zusammenrafften, Tiere und Kinder packten und dann in Richtung Nordosten zogen. Er schritt auf eine Gruppe Männer zu, die versuchten einen alten Mann dazu zu bewegen mitzukommen. „Gibt es hier noch weitere Dörfer oder außerhalb liegende Häuser oder Gehöfte?“ Die Männer sahen sich erst an, überlegten, dann schüttelten sie den Kopf. „Nicht dass wir wüssten.“ „Oh doch.“, krächzte der Alte, hob die zittrige Hand und deutete in den Westen. „Da hinten. Etwa eine viertel Stunde von hier liegt ein Hof. Versteckt, aber die Ländereien erstrecken sich fast bis hierher.“ Lange sah er den Alten an. „Danke.“ Er nickte und lächelte flüchtig. „Ihr solltet mitgehen. Hier wird es nicht sicher sein. Auch nicht für Euch.“ Ohne groß nachzudenken fasste er den Alten am Arm, zog ihn auf die Beine und hob ihn auf den Wagen, auf dem er mitfahren sollte. Der Alte protestierte, konnte sich aber gegen die Kraft eines jungen Himmelssoldaten nicht sonderlich gut zur Wehr setzen, so dass er leichtes Spiel hatte. „Feldmarschall Kiran. Ihr begleitet sie. Anir! Du kommst mit zu diesem Hof.“ Die beiden Soldaten sahen einander an, dann ihn. „Teiou-dono. Unsere Befehle lauten die östlichen Gebiete zu sichern. Dort hinten beginnt der Westen. Der Hof liegt außerhalb unserer Gebiete.“ Zögernd sahen sie ihn an. Er erwiderte ihren Blick streng. „Dieser Hof liegt ziemlich genau auf der Grenze!“ Die beiden schüttelten den Kopf und sie hatten leider Recht, wie er eingestehen musste. Er lag außerhalb, war aber der einzige Hof hier. Ein westliches Dorf befand sich nicht so nah an der östlichen Grenze. Resigniert deutete er auf den letzten Wagen, der gefolgt von einigen jungen Männern das Dorf verließ, welches nun völlig ausgestorben war. „Begleitet sie. Ich gehen nach dem Hof schauen.“ Er wandte sich ab und ging in westliche Richtung aus dem Dorf. Vorbei an den verlassenen Häusern mit den dunklen Fenstern. Sobald er nicht mehr in Sichtweite war rannte er, irgendwann lösten sich seine Füße vom Boden und er zischte durch die Luft, bemüht schnellstmöglich sein Ziel zu erreichen. Von hier oben konnte er in den Süden sehen. Er sah die Feuer, die sich durch Wiesen, Felder und Wälder fraßen, angetrieben von Soldaten des Südreiches in ihren pechschwarzen Uniformen und mit ihren feuerroten Haaren, die ihre Magie beschworen um die Feuerwand voranzutreiben. Es war schwer zu erkennen, aber was er nicht sah, konnte er sich denken. Die Winde hatten noch nicht umgeschlagen und der Rauch wehte in seine Richtung und brannte in den Augen. Er war froh, als er das Gutshaus mit den Ställen entdeckte, welches im Schatten einiger riesiger Bäume lag, umgeben von Wald und Feld. Er setzte zur Landung an, kam im Hof wieder auf dem Boden auf. Vor dem Eingangstor hatte sich eine Menge versammelt, die in Richtung Süden sah, wo der schwarze Himmel einen unheimlichen Rotschimmer aufwies. Die Stimmen gingen alle wild durcheinander, klangen verängstigt oder beunruhigt, zum Teil auch panisch. „Ihr müsst hier weg. Schnell!“ Er trat zu der Gruppe. Es waren an die dreißig Menschen, Frauen und Männer gleichermaßen. Ein gut gekleideter Herr in mittlerem Alter trat auf ihn zu. Er stach aus der Gruppe heraus. „Ihr seid ein Soldat des Ostens“, bemerkte er beiläufig und musterte ihn flüchtig. „Was geht da vor sich? Warum seid ihr hier?“ „Der Süden treibt eine Feuerwand hierher. Ihr solltet in den Nordosten Eurer Gebiete gehen, oder direkt in den Osten. Dort wärt Ihr erstmal sicherer.“ Ihm war aufgefallen, dass dies kein Mensch zu sein schien. Von ihm ging magische Kraft aus. Der Mann hatte eben einen Bannkreis hochgezogen, als er aufgetaucht war. Ein Himmelsbewohner also ... Die Menschen um sie herum sahen sich fragend und eingeschüchtert an. Einige der Männer liefen bereits zu den Stallungen hinüber. „Generalfeldmarschall Teiou-dono.“ Er drehte sich um. Knapp hinter ihm war Anir aufgetaucht, anscheinend war er ihm doch gefolgt. Der Soldat verneigte sich leicht. „Es tut mir Leid. Ich habe Eurem Befehl widersprochen. Es kommt nicht wieder vor.“ Erstaunt sah er Anir an. Anscheinend hatten er und Kiran das Ganze noch durchdiskutiert und waren zu dem Schluss gekommen ihm doch zu gehorchen. Der Himmelsbewohner sah ihn nun sehr verwundert an. „Generalfeldmarschall?“ Hinter ihm kamen Rufe hervor, dass sie ihm gehorchen sollten, dass sie auf Anweisung dieses Generals doch bitte von hier verschwinden mögen und sich retten sollten. „Ich schicke euch Anir mit. Er wird euch begleiten bis ihr weit genug weg seid von hier.“ Der Himmelsbewohner verneigte sich leicht. „Vielen Dank für die Warnung.“ „Keine Ursache.“ Er wandte sich zu dem großen Gutshaus um. „Seid ihr vollzählig, oder ist dort noch jemand drin?“ „Nein wir sind vollzählig“, kam die Antwort prompt. Über die Schulter sah er kurz zurück zu der Gruppe, wo eine Frau einen Schritt vorgetreten war, gerade etwas erwidern oder einwenden wollte, aber von zwei Männern zurückgehalten wurde. Sie schwieg, als ihr der Himmelsbewohner einen strengen Blick zuwarf. „Anir. Begleite sie!“ Er blieb stehen, sah zu, wie sich die Menschen eilig in die genannte Richtung aufmachten. Sie nahmen nichts mit, außer einigen Vorräten, die die Männer, die zu den Stallungen gelaufen waren auf einen Wagen geladen hatten und ein paar Tieren. Es war auch keine Zeit für mehr. Die roten Flammen kamen immer näher und man roch schon den beißenden Rauch von den verbrannten Pflanzen, der hierher wehte. Anscheinend hatte Shoou die Winde bereits umgelenkt, allerdings wirklich nur auf den östlichen Gebieten. Er roch es erst, seitdem er die Westgrenze überschritten hatte. Wieder war er alleine. Er sah wieder zu dem Haus. Etwas sagte ihm, dort hinein zu gehen. Die Reaktion der Frau vielleicht? Die voreilige Antwort des Himmelsbewohners? Langsam ging er auf das Gutshaus zu, öffnete die knarrende Tür und trat in einen kleinen Flur, der direkt in eine riesige Küche führte. Man konnte selbst hier drinnen den Rauch riechen und schmecken ... Der Raum lag im dunklen. Die Wände waren mit Holz verkleidet und knarrten, genauso wie die Dielenbretter unter seinen Stiefeln. Hinten links in der Ecke befand sich ein riesiger Kachelofen, davor ein Herd und ein kleiner Tisch mit Regalen und Küchenutensilien vermutlich. Rechts von ihm stand ein großer schwerer Holztisch mit einer Bank und Stühlen drumherum. Der Raum war riesig, ein paar Sessel konnte er noch schemenhaft erkennen und Türen, die in andere Räume führten. Der Rest verschwand in der Dunkelheit. Mitten im Raum blieb er stehen und stockte. Lauschte in die Dunkelheit. Ein leises Husten war zu vernehmen. Aus irgendeiner der Ecken. Er musste sich erstmal orientieren. Jetzt war es wieder ruhig, aber wenn er ganz leise war, seinen eigenen Atem und Herzschlag ausblendete, konnte er ein leises Rasseln vernehmen. Es kam aus der Richtung des Ofens. Vielleicht ein alter Hund? Bei dem es sich nicht mehr gelohnt hatte ihn mitzunehmen, weil er eh nicht mehr lange zu leben hatte? Ohne viel Lärm zu machen ging er zu dem Ofen. Er wollte das Rasseln nicht verlieren, wollte es hören, um ihm folgen zu können. Eine Hand streckte er aus, fasste an die noch lauwarmen Kacheln und tastete sich voran. Hier hinten war es so dunkel, dass er kaum etwas sah, aber hierher kam das Geräusch. Er hockte sich auf den Boden und lauschte. Je länger er so da saß, desto mehr erschien ihm das Rasseln, wie der Atem einer Person. Er war nur ein Stück von der Wand entfernt. Der Ofen reichte fast bis dorthin, aber es gab eine Nische zwischen Wand und Ofen. Jedenfalls war der Schatten dort tiefer. Vorsichtig betastete er den Ofen, fand den Griff, um ihn zu öffnen. Innen glühte es noch. Endlich sah er auch etwas. Auf dem Tisch neben dem Herd befand sich eine Kerze. Er nahm sie, entzündete sie an der Glut und schloss die Tür des Ofens wieder. Dann rutschte er in die Ecke und leuchtete in die Nische. Erst erkannte er nur Schemen, dann eine Person. Zusammengekauert saß sie da, eingewickelt in ein löchriges dünnes Tuch. Ein junger Mann. Vielleicht so alt wie er selbst. Sein helles blondes Haar hing ihm ins Gesicht, war ausgefranst und glanzlos. Von ihm kam das Rasseln, mit jedem Atemzug. Die dünne Gestalt zitterte. Seine Augen waren geschlossen. Er schlief anscheinend. Er senkte die Kerze ein wenig, so dass das Licht nun nicht mehr das Gesicht des Schlafenden beschien, sondern über seinen Körper wanderte, der ziemlich ausgemergelt war. Seine Kleider waren zerschlissen und löchrig, seine Hose ein ganzes Stück zu kurz und unten am Saum sehr dreckig. An einem Fesselgelenk trug er einen Metallreif. Das einzige Schmuckstück, was er trug. Die blasse, fast weiße Haut darunter war rot und aufgescheuert, anscheinend entzündet. Unsicher streckte er die Hand nach dem Metall aus, berührte den Fremden aber nicht, da dieser sich nun regte, den Kopf auf die andere Seite legte und etwas unverständliches murmelte. Schweiß stand auf seiner Stirn und er hustete wieder. Im ging es augenscheinlich nicht gut. Vorsichtig legte er ihm die Hand auf die Stirn. Der Andere zuckte leicht zusammen, wachte aber nicht auf. Er glühte förmlich. Warum hatten sie ihn hier gelassen? Warum hatten sie geleugnet, dass es hier noch jemanden gab? Durch die offene Tür zog nun schwarzer Rauch hinein. Er hatte sie offen stehen lassen. Die Feuer kamen näher, würden sie bald erreichen. Schneller, als er es erwartet hatte. Er stand auf und schaute kurz aus einem der Fenster zum Horizont, der rot glühte. Funken sprühten und man konnte schon das Knacken und Knistern deutlich hören. Er konnte ihn nicht hier lassen. Nein, er wollte es auch nicht. Er legte ihm die Hände auf die Schultern und rüttelte ihn vorsichtig. Keine Reaktion. „Hey. Aufwachen. Du kannst hier nicht bleiben. Komm wir müssen hier weg.“ Der Blonde wurde nicht wach, schlief weiter, oder war er gar bewusstlos? Kurz entschlossen zog er ihn auf die Beine, nahm ihn auf den Arm und trug ihn raus ins Freie. Der schmächtige Körper lehnte an ihm. Er war leicht. Einfach zu tragen. Die Feuer waren nah, die Hitze schon zu spüren. Er ging bis zur Mitte des Hofes und stieß sich dann vom Boden ab. Er hatte nicht vor dem Tross der Gutsbewohner zu folgen. Anscheinend wollten sie dieses arme Geschöpf nicht bei sich haben. Zu ihnen wollte er den Blonden auf keinen Fall bringen. Er wusste nichtmal, ob er nun ein Mensch, oder ein Himmelsbewohner war, aber es war auch egal. Er würde ihm helfen, würde ihn mitnehmen. Mit in den Himmel ... Kapitel 5: Wiedersehen ---------------------- Vorwort: Es ist so gefühlsduselig glaube ich, aber es musste sein >.< Oh und es hat einen Cliffhanger. Aber sowas mag ich persönlich ja sehr um andere zu ärgern... ^^ In dem Sinne viel Spaß damit. ~kiya Kapitel 5 Er kuschelte sich in den warmen Stoff, verschwand völlig unter der Decke und in den Kissen. Ihm war angenehm warm. Das erste Mal seit Wochen fror er nicht und ihm war auch nicht übermäßig heiß. Er fühlte sich besser, konnte auch wieder freier atmen. Außerdem war die Nacht traumlos gewesen, zum ersten Mal seit Jahren. Zunächst war ihm egal, wo er hier war, wie er hier hin kam oder ähnliches. Es war einfach nur schön. Fast so wie bei Lias. Ja, es könnte fast Lias' Bett sein. Der hatte so eine warme Decke, aber Lias war tot und niemand hätte ihm erlaubt in dessen Zimmer zu schlafen. Langsam drehte er sich um und lugte unter der mit Schurwolle gefütterten Decke hervor. Der Raum in dem er sich befand war dunkel, aber soweit er das erkannte war er nicht sonderlich groß. Er lag in einem großen Bett, das in einer der Ecken stand, umgeben von Decken und Kissen. Der größte Teil des Zimmers war damit schon ausgefüllt. Noch waren seine Augen nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Er würde noch einen Moment brauchen, bis er klar sehen konnte. Selbst seine schärferen dämonischen Sinne hatten gelitten. Er war nicht mehr in der Lage alles im Dunkeln zu erkennen, aber doch immer noch mehr als ein normaler Himmelsbewohner oder ein Mensch. Ein leichter Kräutergeruch stieg ihm in die Nase. Er richtete sich ein Stück auf, schob die Decke ein bisschen zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht mehr seine zerschlissenen Kleider trug. Er hatte ein frisches Hemd an. Es war nicht ganz zugeknöpft, so dass er seine Brust sehen konnte, die, was ihn sehr verwunderte, verbunden war. Vorsichtig strich er mit zwei Fingern über die Stoffbahnen, die sich fest um ihn legten. Daran, dass er verletzt war, konnte er sich nicht mehr erinnern. Wobei der Kräutergeruch von ihm ausging. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass er sich besser fühlte. Aus einem unerfindlichen Grund war jetzt seine Neugier geweckt. Er wunderte sich selbst. Eigentlich war ihm doch die letzten Jahrhunderte so ziemlich alles egal gewesen, was mit ihm passierte. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass es jetzt vorbei war. Warum wusste er nicht. Tot war er ja noch nicht, dafür fühlte er sich zu gut und den Tod eines Dämons hatte er sich anders vorgestellt. Eher, dass er in einem Nichts landen würde, wo er doch keine Seele besaß, anstatt in so einem Zimmer. Er setzte sich nun ganz auf und sah sich in dem Zimmerchen um. Das Bett, in dem er sich befand, stand in der hinteren rechten Ecke, direkt an der Wand. Auf der Höhe des Fußendes befand sich ein kleines Fenster, vor dem dunkle Vorhänge flatterten. Es hatte die Form eines Giebelfensters. Anscheinend war er in einer Dachkammer, die Schrägen über ihm sprachen auch dafür und auch die Balken, die sich durch das Zimmer zogen. Außerdem konnte man deutlich den Regen prasseln hören. Er musste direkt unterm Dach sein. Gegenüber des Fußendes stand eine schmale, aber hohe Kommode, auf der eine kleine Steinschale mit einem Mörser stand. Darüber hingen gebündelte Kräutersträußchen zum Trocknen von einem der Balken. Von ihnen ging der selbe Duft aus, wie von seinem Verband. Und jetzt, wo er genau überlegte, kannte er den Geruch sogar. Er hatte sich so lange nicht mit Kräutern auseinandergesetzt, dass ihm das glatt entfallen war. Lange lag sein Blick auf den verschiedenen Sträußchen. Er kannte sie alle und je länger er sie betrachtete, desto mehr wurde ihm klar, das dies genau die Heilpflanzen waren, die Teiou unterscheiden konnte. Er hatte versucht ihm beizubringen, welche Pflanze wofür gut war, aber Teiou hatte immer nur bestimmte erkannt, zwar mit die Wichtigsten, aber dabei war es auch geblieben. Hastig wandte er den Blick ab, bevor er wieder in Erinnerungen versank. In schmerzhaften Erinnerungen ... Um sich abzulenken begutachtete er den Raum weiter vom Bett aus. Links von der Kommode stand ein kleiner Tisch, daneben ein Stuhl, über dessen Lehne einige Kleidungsstücke hingen, vermutlich zum Trocknen. Auf dem Tisch befand sich eine Kanne und eine tiefe Schale. Anscheinend die einzige Waschgelegenheit hier. In der Ecke neben dem Stuhl befand sich ein Kachelofen, von dem eine angenehme Wärme ausging. Dann folgte an der gegenüberliegenden Wand die Tür und dann ein großer alter Holzschrank, an dem ein schwarzer, abgetragener Mantel hing, mit dem Kreuz, das eigentlich zu einer der östlichen Uniformen gehören musste. Daneben hing die besagte Uniform. Ein weißer Mantel, mit schwarzen Applikationen, allerdings ohne Kreuz und sie wirkte ungetragen, so sauber war der Stoff noch. Vor langer Zeit hatte er auch einmal solch eine Uniform getragen. An Teious Seite hatte er gedient, als dessen Adjutant und in Folge dessen war er auch zum Feldmarschall aufgestiegen. Für einen Dämon ein ungewöhnlicher Werdegang, vorallem im Himmel, wo Seinesgleichen verfolgt und gehasst wurden. Das hatte er ja die letzten Jahrhunderte oft genug zu spüren bekommen. Die Uniform ... es war nicht genau so eine, wie er getragen hatte. Die schwarzen Applikationen gaben den Rang an und diese gehörte ... Er musste überlegen. Zu oft hatte er die nachtblauen Uniformen des Westens gesehen, als dass er sich jetzt spontan an die Ränge des Ostens erinnern konnte. Es dauerte eine Weile bis es ihm wieder einfiel. Das musste die Uniform eines Generalfeldmarschalls sein. Aber wie kam diese Uniform hierher? Das Zimmer war einem Generalfeldmarschall nun wirklich nicht angemessen. Die Generäle waren alle Adlige. Keiner von denen würde so wohnen. Selbst das Zimmer des Gutsvorstehers hatte viel pompöser gewirkt und der war nur einer der niederen Adligen gewesen. Vielleicht hatte der Bewohner sie geklaut? Sie war ja unbenutzt ... Warum zerbrach er sich so den Kopf darüber? Ja ... die Uniform musste geklaut sein. Die Erklärung war einfach und logisch. So würde ein Generalfeldmarschall niemals leben. In einer so kleinen Dachkammer ... Ein leises Geräusch ließ ihn aufschrecken. Es war nicht das monotone Prasseln des Regens, sondern etwas anderes. Er drehte sich weiter nach links um zu sehen, was neben dem Schrank war, von wo das Geräusch kam. Ein alter Sessel mit hoher Lehne stand dort, und darin saß eine Person. Viel erkennen konnte er nicht. Die Ecke war im ganzen Zimmer am dunkelsten. Vermutlich, weil sie vom Fenster am weitesten weg war und der Schrank auch noch seinen Schatten auf den Sessel warf. Die Gestalt in dem Stuhl hatte sich bewegt. Ihr linker Arm war von der Lehne gefallen und dabei leicht gegen den Schrank gekommen, was den dumpfen hohlen Schlag verursacht hatte, den er vernommen hatte. Der Schatten der Person war im Sessel zusammengesunken. Der Kopf leicht geneigt. Ein leises, regelmäßiges Atmen war zu hören. Der Fremde schlief tief uns fest. Irgendetwas kam ihm an dem Schatten bekannt vor. Die ganze Haltung, wie er da saß und schlief. Zögernd schlug er die Decke um, unter der er immer noch zur Hälfte verborgen war und setzte seine nackten Füße auf den Holzboden, der im ersten Moment sehr kalt schien. Er wollte näher ran, wollte mehr sehen, von dem unbekannten Schatten. Etwas unsicher stand er auf, musste erst sein Gleichgewicht finden und ging dann langsam und kaum hörbar mit fünf oder sechs kleinen Schritten hinüber zu dem Sessel. Der Fremde hörte ihn nicht, schlief ruhig weiter. Als er vor ihm stand, musste er sich doch stark zusammennehmen, um nicht zu weinen. Die Ähnlichkeit war so groß. Schwarze Haare, sonnengebräunte Haut und die selben Gesichtszüge. Sie waren nun etwas ausgeprägter, als vor 700 Jahren, aber doch denen von Teiou unheimlich ähnlich. Die Haare waren deutlich länger und er hatte sie locker zusammengebunden, aber unter dem Wust an rabenschwarzem Haar blitze etwas grünblaues auf. Ein Stirnband. Das war unmöglich. Sein Blick lag auf dem Gesicht des Anderen. Er selbst stand stocksteif da, unfähig sich zu bewegen, oder etwas zu tun. Das war Teiou. Alle seine Sinne schienen ihn gerade zu betrügen. Das war Teiou ... eindeutig. Er war älter geworden, hatte nichts mehr von seinen jugendlichen Zügen, aber es war doch Teiou ... Aber Teiou war ... Teiou war tot! Seine Lippen bebten und er hatte Mühe sich aufrecht zu halten, da seine Knie angefangen hatten zu zittern und drohten jeden Moment nachzugeben. Zögerlich streckte er seine Hand aus. Es gab zwei Dinge, die ihm sagen würden, dass dies Teiou war. Zum einen die Narbe auf der Stirn, die sich fast senkrecht darüber zog. Zum anderen Teious Augen. Seine blauen Augen, die er nie vergessen würde. Wie oft hatte Teiou ihn mit nur einem Blick zu Sachen bewegt, die er nie freiwillig getan hätte. Er schüttelte kurz den Kopf um den Gedanken wegzuschieben und sich nicht ganz so viele Hoffnungen zu machen. Was wäre, wenn ihm seine Sinne wirklich einen Streich spielten? Seine Vernunft sagte eindeutig, dass es unmöglich war. Teiou war tot, er hatte gesehen, wie der Prinz gestorben war ... oder war die Annahme schon falsch? Vorsichtig schob er die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht seines Gegenübers. Der regte sich immer noch nicht, murmelte nur unverständliche Worte vor sich hin und schlief weiter. Seine geschlossenen Augen kamen nun zum Vorschein. Darunter lagen dunklere Schatten. Anscheinend hatte Teiou – es widerstrebte ihm aus unerfindlichen Gründen nicht, ihn bei diesem Namen zu nennen - viel durchgemacht die letzte Zeit. Er zögerte kurz, schob dann aber auch das Stirnband höher und tatsächlich kam die Narbe zum Vorschein. Wäre es nicht der Fall gewesen wäre er schon fast enttäuscht gewesen. Wieder regte sich der Andere und jetzt konnte er nicht anders, als leise den Namen zu flüstern, der ihm bei dieser Erscheinung zwangsläufig nicht mehr aus dem Kopf ging: „Teiou ...“ Er konnte nicht mehr. Jetzt kamen ihm doch Tränen und er ließ sie laufen. Das war Teiou. Das war er ... es war unmöglich, aber das war sowas von egal. Vielleicht war er selbst ja doch tot und sie hatten sich nun hier wieder gefunden. Ohne weiter zu überlegen, setzte er sich auf den Schoß des Schlafenden, schloss seine Arme fest um ihn und vergrub sein Gesicht in dessen Hemd. Dabei nannte er immer wieder seinen Namen, kaum hörbar, nur für sich selbst. Unter ihm regte es sich nun. Zwangsläufig war Teiou nun wach und blinzelte ihn sehr irritiert an. Ihn, der ihn fest umschlungen hatte und gar nicht mehr loslassen wollte. „Ist alles ... in Ordnung mit dir?“ Man hörte, dass er noch nicht ganz verstand, was hier vor sich ging. Teiou war ja auch gerade erst wach geworden. Er schüttelte den Kopf leicht, ließ sein Gesicht aber im Stoff des Hemdes, welches seine Tränen auffing und von diesen schon ganz feucht war. Es dauerte eine Weile, bis er endlich aufsah und in die immer noch verwirrten Augen des Anderen sah. Sie waren strahlend blau, wirkten noch müde, sahen ihn aber aufmerksam und besorgt zugleich an. „Geht es dir nicht gut?“ Teiou hob eine Hand und legte sie ihm auf die Stirn. Er wehrte sich nicht, ließ ihn machen. „Du hast noch Fieber. Leg dich besser wieder hin.“ Er machte keine Anstalten sich zu rühren, blieb auf seinem Schoß und klammerte sich an dem Schwarzhaarigen fest. „Teiou ...“, wisperte er leise, kaum hörbar. Der Andere seufzte leise. „Du zitterst richtig. Du gehörst noch ins Bett.“ Er spürte, wie sich zwei Arme um ihn legten und er hochgehoben wurde. Dann trug ihn Teiou zum Bett zurück. Warum reagierte er nicht? Warum freute er sich nicht ihn zu sehen nach so langer Zeit? Was war mit ihm? Konnte er sich nicht an ihn erinnern? An ihn, den Dämon, Keika ... Oder war es doch nicht Teiou? „Teiou ...“ Mittlerweile hatte der ihn wieder auf das weiche Bett gelegt und sah ihn nun noch verwirrter an, als er es eh schon zu sein schien. Für einen kurzen Moment veränderten sich seine Gesichtszüge, dann sah er wieder gleichgütig aus. „Woher kennst du meinen Namen?“ Seine Stimme war leise und sanft, genauso, wie er sie in Erinnerung hatte. Teiou setzte sich auf die Bettkante und sah ihn aus seinen klaren blauen Augen forschend an, während er ihm wieder die Decke überzog. Er erinnerte sich nicht. Nein! Er hatte Teiou wieder gefunden, von dem er gedacht hatte, dass er tot sei, und Teiou erinnerte sich nicht mehr an ihn. „Teiou ...“, flehend sah er ihn an „Ich bin Keika.“ Bei diesen Worten musste er zwangsläufig leise schluchzen und Teious Miene veränderte sich auch wieder. Fassungslosigkeit spiegelte sich darin. Er schien ihm nicht zu glauben. Vorsichtig hob er die Hand und strich sich eine lange blonde Strähne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. Blond ... Natürlich erkannte er ihn nicht. Er trug immer noch den kalten Metallreif um sein Fußgelenk, war immer noch in eine menschliche Gestalt gebannt. Teiou schien sich gerade gefasst zu haben und setzte dazu an etwas zu sagen, vermutlich, wie unlustig er diese Aussage fand oder ähnliches. „Nimm mir den Reif ab.“ Er setzte sich auf, sah Teiou bittend an, schlug die Decke wieder zurück und zog die Beine an, so dass der metallene Reif zum Vorschein kam. „Nimm ihn mir bitte ab.“ Wie oft hatte er es versucht, aber gegen die Magie eines Adligen aus dem Himmel kam er einfach nicht an, so geschwächt wie er war erst recht nicht. Teiou war der stärkste Himmelsbewohner, den er neben dem Shuten und dem wilden Prinz des Südens kannte. Seine Kraft würde sicher reichen um den Bann von ihm zu nehmen. „Bitte ... Teiou.“ Lange sah er dem jungen Mann in die Augen. Er sagte er sei Keika, aber Keika war tot. Sein Blick wanderte nun auf den Ring, den er ihm zeigte und wo er ihn bat diesen abzunehmen. Seit drei Tagen war dieser blonde Fremde bei ihm. Er hatte die ganze Zeit geschlafen. Sein Zustand war besorgniserregend gewesen. Der Arzt hatte gesagt, er hätte eine Lungenentzündung, die nie wirklich abgeheilt gewesen wäre und die seinen Körper so geschwächt hätte. Seine Gestalt war auch sehr schmal und zerbrechlich. Und dann hatte man ihn dort unten in der Menschenwelt einfach in einer Ecke vor sich hin vegetieren lassen? Wieder sah er dem Anderen in die Augen. Sie hatten einen blassen violetten Schimmer. Ungewöhnlich für einen Menschen und auch für einen Himmelsbewohner. Er biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht sagte er ja doch die Wahrheit, aber noch zögerte er zu glauben, dass er wirklich Keika vor sich hatte. „Nimm ihn mir ab Teiou.“ Die Stimme klang mittlerweile verzweifelt und war kaum hörbar. „Ich bin Keika. Vor 700 Jahren hat mich ein westlicher Adliger in diese Gestalt gebannt ... nachdem du ... ich ... Ich dachte du seist tot Teiou.“ Tränen rannen dem Anderen wieder über die Wangen. Er nannte ihn Teiou. Kannte seinen Namen, dabei waren sie sich noch nie begegnet ... Leise seufzend wandte er sich dem Ring aus Metall zu, von dem magische Kraft ausging, das konnte er spüren, aber dass es ein Siegel war, damit hatte er nicht gerechnet. Er legte eine Hand an das Metall, schloss die Augen kurz und sprach einige Worte in einer fremden Sprache. Das Metall zerfloss zwischen seinen Fingern und verschwand dann. Der Bann war stark gewesen, aber für jemanden mit seinen Kräften leicht zu brechen. Noch kurz verweilte er mit geschlossenen Augen, er musste sich sammeln, bevor er den Anderen wieder an sah, der von sich behauptete Keika zu sein. Er hatte gesagt, er hätte gedacht er, Teiou, sei tot. Und er hatte gesagt, dass er vor 700 Jahren gebannt worden war ... vielleicht war er es ja wirklich, auch wenn es unmöglich war. Oder hatte Koo ihn etwa angelogen? Jemand atmete schwer und der Stoffüberzug der Decke und der Kissen raschelte. Er sah endlich auf. Vor ihm lag wirklich ... Keika. Mit offenem Mund saß er da und starrte die dünne Gestalt an, die mit geschlossenen Augen da lag und nach Atem rang, als hätte sie einen unheimlich anstrengenden Lauf oder Aufstieg hinter sich. „Keika ...“ Endlich schaffte er es diesen Namen über die Lippen zu bringen. „Du bist wirklich Keika.“ Noch zögerlich streckte er die Hand aus und strich durch das lange silberne Haar, wie er es früher immer getan hatte. Es leuchtete nicht mehr so schön, aber es war noch genauso weich. „Du warst die ganze Zeit über am leben. Koo hat mir gesagt, du wärst umgekommen, an dem Tag als wir den Dämonen begegnet sind. Ich bin wach geworden und er hat gesagt, du wärst gefallen.“ Seine Stimme klang brüchig und er hatte Mühe nicht auch noch anzufangen mit Weinen. Es reichte, dass Keika das tat. Oder auch nicht. In ihm war etwas zerbrochen. Irgendwie war er so erleichtert und ihm kamen doch Tränen, vor Freude. Warum sie so lange getrennt sein mussten wusste er nicht. Mit seinen Brüdern würde er sich auch noch auseinander setzen. Er würde Keika zuhören, warum der geglaubt hatte, dass er tot sei und er würde seine Geschichte ausführlich erzählen, aber im Moment war nur wichtig, dass Keika wieder bei ihm war. Endlich ... Der Dämon sah ihn nun wieder an. Anscheinend war es kräftezehrend gewesen die Gestalt zu wechseln. Er sah auch müde aus und das Fieber war immer noch da, wie er merkte, als er ihm über die Stirn strich. Was hatte er auch anderes erwartet? Es war noch fremd ihn wieder bei sich zu haben, ihn zu berühren, und dennoch fiel es ihm leicht, fühlte er eine Leichtigkeit, die er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Endlich hatte er ihn wieder, konnte ihn wieder beschützen. So lange hatte er sich zum Vorwurf gemacht ihn nicht hatte beschützen zu können und jetzt war er wieder da. „Schlaf noch ein bisschen Keika, es ist noch mitten in der Nacht.“ Er lächelte leicht. Keika nickte schwach, sah ihn mit seinen amethystfarbenen Augen an. „Bleibst du hier?“ Er nickte. „Glaubst du ich würde dich je wieder alleine lassen?“ Die Lippen des Dämons umspielte ein kurzes, wunderschönes Lächeln, dann schloss er die Augen. Er streichelte ihm weiter durch die Haare und betrachtete ihn schweigend. Wie lange hatte er diesen Anblick entbehren müssen? Wie lange hatte Keika nur in seiner Fantasie existiert? Keika rutschte ein Stück zur Seite und blinzelte ihn an. „Bleib bei mir ...“, wiederholte er nochmal leise. Er verstand. Vorsichtig legte er sich neben ihn, schloss ihn in die Arme und es dauerte nicht lange, da schlief der Dämon tief und fest. Eng an ihn geschmiegt, als wäre er nie weg gewesen, als wäre es wie immer ... Draußen regnete es noch immer. Ungewöhnlich für den Himmel, aber seit der Shuten nicht mehr herrschte war es hier eh anders. Sie hatten sich wiedergefunden, in einer Welt, die zerbrochen war, die keinen Mittelpunkt mehr hatte, in der jeder nur noch für sich kämpfte und für seine Interessen. Er hatte sich vorgenommen etwas zu ändern. Er wollte Ashray helfen ... wollte beweisen, dass er nicht schwach war, sich nicht unterordnete, wie sie es ihm vorwarfen. Er würde den Osten verändern und Ashray den Süden. Wenn die beiden stärksten Länder aufgaben, würde auch der Rest nachgeben. Der Norden existierte eh nur noch wegen der 'Gutmütigkeit' Shoous. Eine Art Vasallenstaat, in dem der Tenno nur noch die unwichtigen Entscheidungen zu treffen hatte. Der größte Teil des Nordens war vom Osten eingenommen worden und ein Verwalter war dort eingesetzt, er nannte sich Vizekönig. Santo, der Tenno des Nordens, verfügte nur noch über ein paar wenige Gebiete, darunter die Gebirge, die sich am Rand des nördlichen Reiches erstreckten und in denen es das so wertvolle Erz gab. Der Westen würde auch nicht mehr lange stand halten können gegen die Angriffe des Südens. Der Zeitpunkt war gut, sein Plan stand fest und jetzt hatte er noch einen weiteren Grund diesen umzusetzen. Er blickte auf die schlafende Gestalt in seinen Armen. Keika ... Er würde ihn beschützen, würde für ihn etwas verändern, damit sie in Frieden zusammen leben konnten. Er würde sich an seinen Brüdern rächen, für das, was sie ihnen angetan hatten. Vermutlich hatte Koo das alles eingefädelt. Keika weiß machen er wäre tot und umgekehrt. Oder aber Keika war Koo entwischt und sie hatten wirklich vorgehabt den Dämon zu töten, um sich seiner gefügig zu machen. Er musste zugeben, dass ihnen das durchaus gelungen war, aber sie würden büßen müssen. Er war nicht mehr ihre Marionette. Das hatte er nach dem Besuch bei Ashray und Tia beschlossen. Sein Entschluss stand und die Tatsache, das Keika wieder da war machte ihn nur noch entschlossener. Morgen oder übermorgen würde er es tun ... Ganz sicher! Kapitel 6: Erlösung? -------------------- Kapitel 6 Langsam wurde er wach. Der Traum war komisch gewesen. Teiou war wieder da. Er war bei Teiou in einer kleinen Dachkammer gewesen und Teiou hatte ihm auch das Siegel abgenommen. Er blinzelte ins Sonnenlicht welches hinter den Vorhängen hindurch schien. Etwas klopfte am Fenster, leise, aber stetig. Neben ihm regte sich jemand, drehte sich auf die andere Seite und murmelte nur, dass er noch schlafe und Ruhe bräuchte. Sein Blick fiel auf die Gestalt. Es war Teiou. Es war kein Traum gewesen. Unwillkürlich musste er lächeln. Auch wenn Teiou sich in den letzten Jahren allem Anschein nach verändert hatte, so gab es doch Eigenschaften, die er nur zu gut an ihm kannte. Teiou kam morgens nicht wirklich aus dem Bett und freiwillig schon gar nicht. Das war noch immer so ... Ein Arm des Prinzen lag noch um ihn und das Pochen am Fenster hörte nicht auf. Vorsichtig löste er sich von Teiou, setzte sich auf und rutschte ans Fußende. Alles so behände, dass er Teiou nicht weckte, was eh so gut wie unmöglich war. Wenn Teiou schlief, dann schlief er ... Vorsichtig schob er die Vorhänge zur Seite und wurde erstmal vom Licht geblendet. Es regnete nicht mehr, aber das Licht der noch aufgehenden Sonne brach sich in den vereinzelten Tropfen auf der Scheibe. Draußen auf dem Fensterbrett saß ein taubengroßer Vogel. Er war blaugefiedert und pochte mit seinem Schnabel immer wieder gegen die Scheibe. Anscheinend wollte er rein. Noch einmal sah er kurz zu Teiou, dann wieder zu dem Vogel. “Hyogyoku“, flüsterte er leise, machte sich daran das Fenster zu öffnen und das Tierchen reinzulassen, dessen Gefieder noch klitschnass war. Der setzte sich auch gleich freudig gurrend auf seine Schulter und fing an sich zu putzen. Wieder musste er lächeln. Teiou besaß Hyogyoku also noch immer. Den kleinen Drachenvogel, den er gefunden hatte, kurz nachdem er ihn mit in die Himmelswelt gebracht hatte. Lily, seinen Dämonenvogel hatte Teiou vernichten müssen, weil der mit einem anderen Dämon verschmolzen war und sie angegriffen hatte. Hyogyoku war praktisch seine Entschuldigung an ihn gewesen und vermutlich wollte Teiou auch, dass er sich nicht so alleine fühlte, wenn er nicht bei ihm war. Er kraulte den Vogel kurz, der nun auf seine Hand hüpfte und dort weiter seiner Beschäftigung nach ging, sich putze und danach zufrieden aufplusterte. Lächelnd ließ er sich zurücksinken, hielt die Hand aber so, dass Hyogyoku nicht runterfiel. Eine Weile redete er mit dem Vogel und streichelte ihn. Er war so glücklich gerade, wie seit Jahren nicht mehr. Neben sich hörte er nur die regelmäßigen Atemzüge von Teiou, der sich nicht stören lies von seiner Unterhaltung mit dem Vogel. Es klopfte. Neben ihm grummelte Teiou, dann hörte man von draußen eine Frauenstimme. “Herr? Seid ihr schon wach?“ ”Jetzt schon ...“ Teiou klang sehr begeistert, richtete sich ein Stück auf, so dass er Keika völlig verdeckte, der hinter ihm lag. Draußen lachte jemand leise, dann wurde die Tür geöffnet. Er wollte sehen, wer da rein kam, aber Teiou versperrte ihm die Sicht, daher wollte er sich auch aufrichten, aber Teiou drückte ihn wieder in die Kissen, ohne ihn dabei anzusehen. Schritte waren zu hören, jemand kam rein, aber er konnte diese Person, diese Frau nicht sehen. Dann klapperte etwas. Anscheinend stellte sie etwas auf den kleinen Tisch, schob dabei die Schale und den Krug, die auf diesem standen, zur Seite. “Ihr schlaft wieder in Eurem Bett? Wo ist Euer Gast?” Teiou deutete hinter sich, auf ihn, aber er bezweifelte, dass die Frau ihn sehen konnte, was anscheinend Teious Absicht war. Immerhin hatte er jetzt einen Dämon mit im Zimmer, was die letzten Tage ja nicht der Fall gewesen war. Also blieb er ruhig liegen und tat Teiou den Gefallen und spielte den Schlafenden. “Der Sessel war auf Dauer doch unbequem und das Bett ist ja groß genug.” Die Frau lachte leise, dann schlurfte sie wieder zur Tür. “Wenn Ihr noch was braucht, dann ruft einfach.” Teiou nickte. “Ach, heute musst du nicht nach ihm sehen. Ich bin nicht lange weg und es geht ihm besser”, dann deutete Teiou auf den Tisch, “Ich bringe die Sachen nachher mit runter, dann erspare ich dir den Aufstieg.” Die Dame bedankte sich, dann schloss sich die Tür wieder. Endlich drehte sich Teiou zu ihm um und sah ihn an. Ein ehrliches Lächeln lag auf seinen Lippen. “Gut geschlafen?” Er streckte die Hand aus und strich ihm durch die langen silbernen Haare. Eine weitere Eigenschaft, die er noch an sich hatte. Teiou konnte einfach nicht von seinen Haaren lassen. Für einen kurzen Moment schloss er genießerisch die Augen, dann sah er Teiou wieder an. “Ja, sehr gut sogar.” Er lächelte auch. Es war die Wahrheit. Ihm war nie wirklich bewusste gewesen, wie sehr er doch von Teious Nähe abhängig war. Nicht einmal in Lias’ Nähe hatte er so gut geschlafen. Alles, was die letzten Jahrhunderte geschehen war, schien im Moment so weit weg und irreal. “Anscheinend hat Hyogyoku dich schon viel früher erkannt als ich.” Der Blick des Prinzen fiel auf das Vögelchen, welches immer noch leise gurrte und den Kopf immer wieder an Keikas Arm entlang schmiegte. Jetzt allerdings sah es auf und flatterte auf Teious Schulter, wo es nun an dessen Haaren ziepte. “Ja ich weiß, du willst Futter haben ...” Teiou seufzte leise, ging zu dem großen Schrank, der im Licht nicht ganz so wuchtig wirkte, holte eine Dose raus und hielt sie dem Vogel hin, der emsig den Kopf in die Dose steckte. “Hyogyoku ist die letzten Tage nicht von dir gewichen. Ich musste ihn sogar davon abhalten, dass er dich anknabbert.” Der Schwarzhaarige grinste leicht. “Ich war anscheinend blind, dass ich dich nicht erkannt habe.” Er stellte die Dose auf den Tisch, wo das Tablett stand, was die Frau gebracht hatte. Hyogyoku hockte auf dem Rand der Dose und versank zur Hälfte darin. Man hörte nur, wie er ab und zu mit dem Schnabel gegen die Wand kam. “Willst du auch was essen?” Teiou sah ihn fragend an. “Du hattest seit Tagen nichts und du bist ... sehr schmal.” Besorgnis war aus seiner Stimme zu hören. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie er auf Teiou wirken musste. Er hatte nie wirklich Appetit gehabt, hatte nur dann gegessen, wenn Mara es ihm in die Hand gedrückt hatte. Sein Körper hatte darunter sehr wohl gelitten. Er war deutlich dünner, als normal, auch wenn er sonst schon immer recht schlank gewesen war. Er nickte. Teiou nahm das Tablett vom Tisch und wandte sich ihm dann wieder zu, dann stellte er es neben ihn auf das Bett. Ohne zu zögern nahm er sich von dem Gebäck und biss hinein. Es schmeckte gut, was vermutlich weniger an dem Gebäck lag, als an der Tatsache, dass Teiou bei ihm und er wieder einigermaßen gesund war und er daher Hunger hatte. “Wer war das eben gerade?” Fragend sah er Teiou an, der es sich nun auf der Bettkante bequem gemacht hatte und sich auch etwas von seinem Frühstück genommen hatte, während er selbst noch im Bett saß. “Shizuku, meine Vermieterin und Haushälterin so gesehen. Ihr Enkel hat hier vorher gewohnt, aber er ist gefallen vor langer Zeit.” Aufmerksam hörte er Teiou zu. Er lebte also schon lange hier. “Was ist ... was ist mit unserem Haus?” Warum stellte er diese Frage? Musste er nicht schon froh genug darüber sein, dass er wieder bei Teiou war? “Unser Haus ... Ich konnte dort nicht mehr ohne dich leben. Es war ... Es gab dort zu viel, was mich erinnert hat, außerdem stand es eh nicht mehr. Es lag zu nah an der südlichen Grenze.” Für einen kurzen Moment sah Teiou tief in Gedanken versunken aus, dann schien er sich wieder zu fassen und sah ihn mit seinen tiefblauen Augen an. Sie wirkten fast ein bisschen traurig, traurig darüber, dass das, was sie gemeinsam aufgebaut hatten zerstört worden war. “Deine Uniform. Sie sieht unbenutzt aus.” Mit einer Hand deutete er zum Schrank, wo der weiße, als auch der nachtschwarze Mantel hingen. Er wollte das Thema wechseln, aber er hatte auch so unendlich viele Fragen an Teiou. “Ich trage sie nicht mehr. Das ist meine Art von Protest. Aber das wird sich ändern.” Teiou wirkte entschlossen und völlig ernst. So ganz verstand er nicht, was Teiou verändern wollte. Ob Teiou nun die Uniform bald wieder tragen würde, oder seinen Protest niederlegen wollte, war ihm nicht wirklich klar. Zu lange war er nicht hier gewesen und in der Menschenwelt hatte er wenig von den Angelegenheiten des Himmels gehört, außer Lias war mal gesprächig gewesen, aber das Thema Himmelreich hatte der meistens ausgelassen. Wahrscheinlich um ihn nicht mit solchen Dingen zu belasten, oder ihn an seine alte Heimat zu erinnern. Für Lias war er ja ein normaler Himmelsbewohner gewesen, wenn auch ein straffälliger. “Ich muss jetzt gehen Keika.” Er sah auf, sah den Prinzen an, der mit Essen fertig war, während er selbst noch an seinen Stück Brot knabberte. “Ich habe etwas zu erledigen, aber es wird nicht lange dauern. Ich bin vor dem Abend zurück.” “Nimm mich mit, bitte.” er wollte nicht alleine bleiben, wollte Teiou nicht gleich wieder gehen lassen, wo sie doch erst seit ein paar Stunden wiedervereint waren, von denen er die meisten wohl verschlafen hatte. Der Dunkelhaarige schüttelte den Kopf. “Nein Keika. Ich kann dich nicht mitnehmen.” Teiou war aufgestanden und ging zu dem Schrank, aus dem er ein frisches Hemd nahm, welches er sich nun anzog. Schweigend sah er zu. Hier und da konnte er erkennen, dass Teiou verletzt gewesen war. Hellere Stellen seiner Haut verrieten die noch nicht lange verheilten Wunden. Das war durchaus nicht unüblich, immerhin war Teiou Generalfeldmarschall und somit prädestiniert für Verletzungen, wie jeder andere Soldat auch, zumal es in diesen Tagen eh sehr heftig zuging. Es herrschte ja Krieg innerhalb des Himmels, so viel wusste er. “Was hast du am Arm gemacht?” Fragend sah er Teiou an, der seine Ärmel gerade zurecht zog. Den einen schob er nun wieder hoch, sodass die Narbe wieder zu sehen war. “Das hab ich mir an dem Tag zugezogen, an dem du angeblich gestorben bist.” Nachdenklich betrachtete Teiou die Narbe, dann ließ er sie unter dem Stoff verschwinden. Teiou schien abgelenkt. “Teiou, nimm mich bitte mit”, versuchte er es noch einmal. Aber Teiou schüttelte wieder den Kopf, stand mit dem Rücken zu ihm und nahm den schwarzen Mantel vom Schrank. “Nein Keika. Du hast noch Fieber und bist zu schwach. Der Arzt hat gesagt du bräuchtest mindestens zwei Wochen Ruhe, wenn du dich überhaupt je ganz erholen solltest.” Sein Blick zeigte deutlich, dass er sich um Keika sehr sorgte. “Außerdem muss ich das alleine machen.” “Was wirst du denn machen?” Es war merkwürdig, dass Teiou nicht offen über das sprach, was er zu tun hatte. Vertraute er ihm nicht mehr wirklich? Oder war es so, dass er es Keika nicht sagen wollte? Teiou kam wieder auf ihn zu, kniete sich mit einem Bein auf die Bettkante und beugte sich zu ihm rüber, so dass sein Gesicht seinem ganz nah war. “Was ...” “Keika. Wenn ich wieder da bin wird alles gut. Dann ist es fast vorbei, dann können wir uns ein neues Haus bauen und wieder zusammen leben.” Was wollte er ihm sagen? Was hatte Teiou vor? Wie konnte eine Person das alles hier sofort beenden? Einen Krieg, der bereits Jahrhunderte andauerte? Teiou überbrückte das letzte Stück zwischen ihnen, berührte seine Lippen für den Bruchteil einer Sekunde, dann war der Kuss auch schon vorbei. Der Dunkelhaarige richtete sich auf und ging zur Tür. Als er diese bereits geöffnet hatte, drehte er sich noch einmal zu ihm um. “Bleib bitte hier drin. Es wird niemand kommen. Hyogyoku wird auf dich aufpassen.” Sein Blick wanderte noch einmal durch den Raum, dann verschwand er aus der Tür. Jetzt war er hier alleine ... Einen Moment blieb er noch ruhig sitzen, kaute auf seinem Stück Brot rum, welches er aber letztlich dann doch Hyogyoku überließ, der sich, glücklich über die Abwechslung zu seinen Körnern, darüber her machte. Vielleicht konnte er Teiou aus dem Fenster sehen. Er rutschte ans Fußende und zog die Vorhänge zur Seite, so dass er raus sehen konnte. Das Zimmer lag hoch, in einem dritten Stockwerk, direkt unterm Dach. Er sah nicht auf die Straße, sondern auf eine weitere Häuserrückfront. Unter dem Fenster lag ein Hinterhof, aus dem Kinderstimmen hinauf drangen. Einen Moment lang überlegte er, ob er den Kopf einmal raus strecken sollte, um hinunter zu sehen, entschied sich dann aber doch dagegen, da er sich vorstellen konnte, dass es nicht in Teious Sinne war, wenn man ihn hier als Dämon sah, wo er ihn eben noch vor den Blicken seiner Haushälterin bewahrt hatte. Er begnügte sich mit dem Blick aus dem Fenster. Die Häuser gegenüber waren nicht ganz so hoch und er konnte ein Stück weit über sie hinweg sehen. Soweit er wusste befanden sie sich nicht in einem der reicheren Stadtviertel. Solche Häuser gab es dort nicht und so nah an die Hütten, die sich nicht weit entfernt erstreckten und die er zum Teil sehen konnte, grenzte keines der Kaufmannsviertel, geschweige denn die Viertel, in denen der Adel lebte. Die Häuser auf die er sah waren ziemlich heruntergekommen von außen. Weiter weg stieg dunkler Rauch auf, was dem Himmel eine seltsame Färbung verlieh. Auch wenn hier direkt kein Kampf tobte merkte man doch, dass irgendetwas vor sich ging. Der Krieg hatte in der Stadt Einzug gehalten. Früher war er mit Teiou so oft durch die Stadt gestreift, hatte in seiner Tätigkeit als Teious direkter Untergebener wohl jeden Winkel gesehen, aber solche Anblicke waren die Ausnahme gewesen. Die Stadt war heruntergekommen, so weit er das beurteilen konnte. Teiou wollte es beenden. Wie hatte er nicht gesagt, aber er wollte dem allen ein Ende setzen. Er tastete nach der Decke und zog sie sich um die Schultern, während sein Blick weiter auf den Häusern lag. Er würde hier auf Teiou warten, hoffen, dass er zurückkehren würde. Teiou war so entschlossen gewesen, er hatte ernst gewirkt und daher hatte er keine Bedenken geäußert, wie er es sonst getan hätte, wenn Teiou ihm etwas verschwieg. Er konnte nur hoffen, das Teiou keine Dummheiten anstellen würde, dass er sein Versprechen hielt und vor der Dunkelheit wieder hier war, die ihn sonst um den Schlaf bringen würde. Ohne Teiou, würde er sicher nicht mehr lange leben ... jetzt wo er ihn wieder hatte sicher nicht ... Man hatte ihn durchgelassen, wie immer. Die Wachsoldaten am äußeren Befestigungsring hatten ihn freundlich gegrüßt, er hatte sie gegrüßt, dann war er weiter gegangen ohne Umschweife. Das Haupttor passierte er auch ohne großartiges Aufsehen zu erregen. Es war wie immer. Der jüngste Bruder des Tennos durfte ein und aus gehen wie er wollte. Vielleicht vertraute ihm Shoou doch zu sehr, oder aber sein Bruder war sich seiner Loyalität zu sicher. Vermutlich trauten sie ihm nicht das zu, was er nun vorhatte, was alles verändern würde, beenden würde ... Hinter dem reichlich verzierten Eingangsportal bog er in einen Seitengang, folgte diesem bis zu den Marmortreppen, die er zwei Stockwerke hoch stieg. Ein paar Dienstmädchen kamen ihm entgegen. Sie lächelten und begrüßten ihn respektvoll, als er ein Stück entfernt war hörte er sie kichern. Als er in Tahous Alter gewesen war, hatte er sich oft mit ihnen abgegeben und rumgealbert. Viele von ihnen hatte er verführt und mit seinen Kumpels regelrechte Wettstreits geführt, wer die meisten Freundinnen hatte. Meistens hatte er gewonnen. Jetzt war ihm das egal. Seit Keika da war, war ihm das egal. Viele hübsche Mädchen hatten versucht ihn für sich zu gewinnen, auch nach Keikas angeblichem Tod. Er hatte sie alle ignoriert. Endlich erreichte er sein Ziel. Ohne zu Klopfen öffnete er die schwere Holztüre, die in Tahous Gemächer führte. “Onkel Teiou.” Der junge Prinz sah ihn erstaunt an, machte sich dann eilig daran sich sein Hemd überzuziehen. Irgendwie konnte er sich denken, wo diese Mädchen herkamen, die ihm gerade begegnet waren. Er würde aber nicht weiter fragen. Wie konnte er es Tahou verübeln? In dem Alter war er ja genauso gewesen. “Hast du die Aufgabe erfüllt, die ich dir gegeben habe?” Er stand nun mitten im Raum, sah den Jüngeren an, der nun aufstand und auf einen großen Schrank zuging. “Ja ich hab alles hier. Die Gewänder und den Fächer auch.” Unter einem leisen Knarzen öffnete Tahou eine Tür des Schrankes, reckte sich und zog aus dem obersten Fach, versteckt hinter einer Kiste, ein edles Gewand und einen zusammengeklappten Fächer hervor. “Hier. Gewand und Fächer.” Sein Neffe hielt es ihm hin und er nahm es ihm ab, betrachtete das Gewand prüfend, welches er von seinem Bruder kannte. “Sehr gut”, murmelte er leise und wandte sich um. “Was hast du vor Onkel Teiou?” Fragend sah Tahou ihn an. “Ich werde diesem Krieg ein Ende setzen. Bereite dich darauf vor deine Bestimmung zu erfüllen.” Er sah Tahou nicht an, stand mit dem Rücken zu ihm. “Meine ... Bestimmung. Du willst ... Willst du das wirklich tun? Onkel?” Er nickte, Tahou schien verstanden zu haben. Er konnte seinen Neffen nicht ansehen. “Ich kann es verstehen.” Tahous Stimme war leise, aber fest und er konnte seinen Blick auf seinem Rücken spüren. “Ich werde meinen Platz einnehmen, wie ich es versprochen habe ...” Wieder nickte er nur. “Ich habe dir alles beigebracht Tahou. Du wirst deinen Weg sicher finden.” Seine Worte waren genauso leise wie Tahous und ohne ihn nochmal anzusehen ging er zur Tür und verließ das Gemach seines Neffen. Es war vielleicht ein Abschied, das wussten sie beide. Der Gang war leer. Das konnte ihm nur Recht sein. Hastig ging er um die nächste Ecke in einen wenig genutzten Gang, wo sein ehemaliges Zimmer lag, welches seit Jahren ungenutzt war. Kurz sah er sich um, dann verschwand er in seinem Gemach. Der Blick in den Spiegel war zufriedenstellend. Seine muskulöse Gestalt verschwand unter dem weichen Stoff. Er sah aus wie ein normaler schmächtiger Höfling. Die Haare hatte er sich recht weit unten locker zusammengebunden, sein Stirnband abgelegt. Die Gestalt im Spiegel ähnelte ihm zwar noch, aber sie hatte genausoviel Ähnlichkeit mit seinem älteren Bruder Koo. Die Haare waren zwar ein Stück kürzer, aber das würde weiter nicht auffallen. Wenn er den Kopf leicht senkte, verdeckten seine Haare die Narbe und er hatte ja immer noch den Fächer, den er nun von einem kleinen Tischchen nahm und aufklappte. Auf den ersten Blick wirkte er wie Koo. Er schloss die Augen kurz, dann sah er noch einmal in den Spiegel. Es war doch von Vorteil seine magischen Kräfte ausreichend zu beherrschen. Das zahlte sich nun aus. Aus dem Spiegel sah ihn sein Bruder an. Nur die Narbe zeichnete sich noch leicht ab. Ohne Umweg, aber in angemessenem Schritt, ging er zu den Gemächern des Tennos. Er wusste, dass Shoou sicher dort war. So früh ließ er sich nicht dazu herab sich die Belange der Bevölkerung anzuhören. Ohne Probleme kam er an den Wachen vorbei, die sich vor ihm verneigten. Er bedachte sie nur mit einem leichten hochmütigen Nicken, dann betrat er das Zimmer. “Koo. Was führt dich so früh her? Ich dachte du wärst heute deine Schreine besichtigen.” Sein Bruder sah ihn erstaunt an. “Es gibt Dinge die sind wichtiger Bruder.” Wie er es von Koo kannte, klappte er den Fächer gekonnt zusammen und setzte sich auf einen freien Sessel zu Shoou, dem anscheinend nichts merkwürdiges an seinem ersten Berater auffiel. “Was wäre denn zum Beispiel eine wichtigere Angelegenheit, die dich so spontan alles über den Haufen werfen lässt?” Shoou sah ihn ernst an. Er bedachte ihn aber nur mit einem sehr kurzen Blick, dann drehte er den Fächer in seinen Händen und betrachtete diesen. “Teious Dämon ist wieder aufgetaucht ...” Er stellte diese Aussage einfach in den Raum. Einen Moment herrschte Stille ... entsetze Stille. Er hielt den Kopf gesenkt, blickte aber Shoou direkt an, der das anscheinend nicht bemerkte. Shoou schien in Rage zu geraten. Man konnte förmlich sehen, wie er wütend wurde, nun die Fäuste ballte und sich von seinem Platz erhob. Er hatte sich nicht wirklich überlegt, wie er dieses Gespräch eröffnen sollte. Er hatte es auf sich zu kommen lassen. Die Aussage gerade war ihm spontan gekommen und sie erzielte die gewünschte Wirkung. Jetzt würde er die Wahrheit herausfinden. Genau jetzt ... “Koo!”, donnerte der Tenno nun los, “Du hast dich seiner doch entledigt. Du hast ihn doch selbst getötet, nachdem du Teiou ausgeschaltet hattest.” Koo hatte das also alles eingefädelt. Erst ihn ausgeschaltet. Der Blitz, der ihn getroffen hatte, kam von seinem älteren Bruder, der danach Keika töten wollte, was ihm ja nicht gelungen war, was er ihm aber doch sehr überzeugend weis gemacht hatte. Nun erhob er sich auch, war ein ganzes Stück größer als Shoou, der ihn wütend anfunkelte. Nun rauschte der Tenno um den Tisch herum, der sie voneinander trennte, sodass sie sich genau gegenüber standen. Er spürte den Zeigefinger seines Bruder gegen seine Brust drücken. “Du hast mich all die Jahre belogen! Teiou war uns hilflos ausgeliefert, war nicht mehr er selbst. Wir haben ihn für unsere Zwecke und Dienste benutzen können und er hat nie widersprochen. Was glaubst du wird der jetzt alles anstellen? Er hat sein wahres Wesen quasi wiedergefunden. Er ist aus seinem Scheintod erwacht. Mit Sicherheit ist er das!” Er sah seinen Bruder an, legte dem wütenden Tenno die linke Hand, in der er auch den Fächer hielt, auf die Schulter. “Ich kann dir ganz genau sagen, was er jetzt tun wird”, flüsterte er beschwörend. Er spürte, wie Shoou unter seiner Hand erstarrte. “Er wird dafür sorgen, dass es hier einen Tyrannen weniger gibt.” Seine blauen Augen blitzen kurz auf, dann sah er, wie sich die Augen seines Bruders entsetzt weiteten. “Er wird diesen Krieg hier beenden.” Blitzschnell zog er einen Dolch, den er am Gürtel trug und stach zu. Sein Bruder keuchte auf, sackte ein bisschen weg. “Teiou ...”, mit Mühe brachte seinen Namen hervor, während sich sein Gewand unterhalb der Brust blutrot färbte. “Genau ... Ich bin Teiou, gut erkannt”, raunte er dem blassen König ins Ohr. “Deine Herrschaft ist nun vorbei ... Shoou.” Er drehte den Dolch einmal rum, der immer noch in der Wunde steckte. Sein Bruder sank vor ihm auf die Knie. “Es ist vorbei. Shoou.” “Teiou ... ich bin dein Bruder.” Erstickend brachte sein ältester Bruder diese Worte hervor, dennoch konnte man den Vorwurf deutlich heraus hören. “Halbbruder”, korrigierte er ihn, “Wir hatten nie etwas gemeinsam, außer unseren Vater. Ich bereue es nicht das hier zu tun.” Seine Hand lag immer noch auf Shoous Schulter. Er verstärkte seinen Griff, hielt ihn fest, dann zog er seinen Dolch zurück. Er betrachtete die rot gefärbte Klinge kurz, dann ließ er seinen Bruder los, der nun in sich zusammensackte und sich nicht mehr regte. Er bedachte ihn mit einem kurzen kühlen Blick - anscheinend hatte er gut gezielt. Er zog ein Tuch aus dem Ärmel des Gewandes, schlug das blutige Messer darin ein, bevor er es einsteckte. Dann ging er zu dem Schrank wo der Tenno die wichtigsten Dokumente aufbewahrte, die nur ihn und Koo etwas angingen. Er warf einen Blick in eine lederne Umschlagmappe, steckte diese ein und ging zurück zur Tür. Von dort sah er nochmal auf die Gestalt, die am Boden lag. Um sie herum war der kostbare Teppich rot gefärbt. Er schüttelte den Kopf. “Schade um den Teppich, nicht wahr?” Flüsterte er leise, dann verließ er die königlichen Gemächer. Vorbei an den Wachen, die vor den Türen standen, in passieren ließen, ihn erneut grüßten ... Jetzt würde ein neues Zeitalter beginnen. Ab jetzt ... Er hatte seine Pflicht erfüllt. Nun war Ashray am Zug. Würde dieser sein Versprechen halten und seinen Vater um den Thron bringen? Er konnte nur hoffen. “Enttäusch mich nicht ... Ashray.” Nachwort: Also~ besorgt euch schonmal Taschentücher fürs nächste Kapitel ;) Nur als Vorwarnung. Kapitel 7: Kälte ---------------- Kapitel 7 “Verzeih mir Vater.” Er kniete vor einer kleinen Figur, die in einem kleinen Schränkchen stand, welches reich verziert war mit Malereien und Reliefen, die geschnitzt waren. Den Blick hatte er gesenkt. Vor ihm befand sich eine goldene Schale, die von der Decke hing und aus der es angenehm duftete. Öl wurde darin erwärmt und füllte den kleinen Raum mit wohltuenden Gerüchen. Er befand sich in einem kleinen Schrein, der mit zu dem großen Militärkomplex gehörte. Dieser Ort hier war harmonisch, strahlte eine wunderbare Ruhe aus. Zu selten hatte er sich die letzten Jahre hier her begeben. Immer war er daran vorbeigekommen, hatte hinter dem mit Stoffen und Seide verhangenen Eingang die Lichter häufig einladend flackern sehen, aber immer ignoriert. Um diesen kleinen Schrein erstreckten sich die militärischen Gebäude: die Kaserne, die Unterkünfte der Soldaten, Verwaltungsgebäude, Übungsplätze, die Waffenschmieden ... Hier war es ständig laut und hektisch, von draußen drang der Lärm der Soldaten herein, die hektisch ihren Aufgaben nachkamen, sich sammelten, kämpfen übten und sich für den großen Kampf rüsteten. Er versuchte sich auf die kleine goldene Schale zu konzentrieren. Auf das Metall, die Lichtreflexe darauf und auf die geschwungenen Formen, die darin eingeritzt waren und sein Spiegelbild völlig verzerrten. Es ging schon auf den Abend zu. Sicher saß er schon an die zwei Stunden schweigend hier drin und versuchte sich zu sammeln, versuchte zu überlegen, wie es weiter gehen sollte. Er hatte das Richtige getan. Bereuen tat er sein Handeln nicht. Es war richtig gewesen. Er hatte seinen Bruder getötet. Einen Tyrannen, den das einfache Volk einen Scheiß interessiert hatte. Niemand würde ihn verdächtigen. Er hatte den ersten Schritt getan, der Rest würde zum Selbstläufer werden. Alle Spuren deuteten auf seinen Bruder Koo. Er hatte das Gewand, den Fächer und den blutigen Dolch ohne Probleme in die Gemächer des ersten königlichen Beraters geschmuggelt. Sämtliche Soldaten, Bediensteten und Höflinge hatten ihn ja für Koo gehalten und somit konnte er sich einfach in dessen Räumlichkeiten begeben. Außerdem war er, Koo, der Letzte gewesen, der aus dem Gemach des Königs gekommen war. Es gab genug Zeugen. Nur die Unterlagen hatte er mitgenommen, versteckt unter seinem Hemd, als er unauffällig aus dem schloss verschwunden war. Niemand hatte ihn bemerkt, weil alle wild durcheinander liefen. Shoou war da schon entdeckt worden. Die Nachricht über den Tod des Tennos hatte sich rasend schnell verbreitet. Auf dem Weg hierher hatte er es an jeder Ecke gehört. In den Vierteln, wo der Stadtadel und die reichen Kaufleute zum größten Teil lebten, hatte man bereits über die Nachfolge spekuliert. Ob Koo es schaffen würde den Thron einzunehmen. Er hoffte es nicht. Koo musste bestraft werden und er durfte sich nicht aus den Anschuldigungen winden. Tahou sollte den Platz des Tennos einnehmen. Er wünschte sich so sehr, dass Tahou stark genug sein würde sich durchzusetzen. Auch waren sie darauf bedacht, ihre Vorteile durch Shoous Tod zu nutzen. Was auch klar gewesen war. Sie waren nur auf ihre Vorteile bedacht und ihre Gewinne, sowie Macht. In den ärmeren Vierteln war die Stimmung eine ganz andere. Jeder sorgte sich um sein Habe, seine Familie. Sie wollten nicht noch das bisschen verlieren, was sie besaßen, wo sie durch den Krieg eh schon so sehr litten. Er konnte sie verstehen. Die Stimmung der Soldaten war er undurchsichtig. Den obersten Befehlshaber gab es nicht mehr. Die Generalfeldmarschäle hatten nun die Verantwortung, bis der neue König gekrönt wäre und sowas dauerte meist, da es immer Neider gab, die Steine in den Weg legten. Tahou würde es sicher nicht leicht haben ... Der Rat der Generäle ... In der Schule hatte er mal gelernt, wann der letze dieser Räte abgehalten worden war. Wann das war wusste er nicht mehr- im Osten war das sicher schon recht lange her - aber diesmal würde er mit im Rat sitzen. Er hörte, wie die Tür zum Schrein aufgeschoben wurde, dann das Rascheln der Stoffe, die davor hingen. Die Schritte waren bemüht leise, wahrscheinlich, um ihn nicht zu stören, oder aufzuschrecken. “Generalfeldmarschall Teiou-dono, wir ...”, ein junger Soldat aus seinem Regiment stand hinter ihm. Er schien eingeschüchtert und kam sich wohl fehlplatziert vor. Er drehte sich um, sah den jungen Mann an. “Was ‘wir ...’?” Der Andere sah ihn ängstlich an, so dass er sich gerade wunderte, wie der es in die Armee geschafft hatte. Er wirkte jetzt gerade nicht mal für eine einfache Stadtpatrouille nützlich. “Kilian. Was ist passiert?” endlich schien der andere aus seiner Starre zu erwachen und redete hastig los. “Wir werden angegriffen. Dämonen dringen durch die Bannsteine. Ihr ... Ihr sollt Euch sofort bei den Obersten melden.” Dämonen ... warum hatte er da nicht vorher dran gedacht. Mit Shoou waren auch die Bannkreise gefallen, die der Tenno beschwor, um das eigene Land vor dem Eindringen der Dämonen zu schützen. Seit der zusätzliche Bann des Shuten nicht mehr existierte war dieser unheimlich wichtig gewesen und er hatte jetzt dafür gesorgt, dass sie alle in Gefahr waren. “Verdammt”, murmelte er, stand aus seiner knienden Haltung auf, ging auf die Wasserschale zu, die neben dem Eingang stand, wusch sich die Hände kurz ab und verließ den Schrein und den immer noch völlig verwirrten Kilian. Warum hatte er da nicht früher dran gedacht und seine Tat besser durchdacht. Er hätte Tahou auf das Beschwören solcher mächtiger Bannkreise vorbereiten müssen. Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt. Wie dumm und naiv war er gewesen zu denken, dass er durch einen einfachen Mord das alles hier viel besser werden lassen könnte? Eilig schritt er durch das riesige Eingangsportal und durch den langen Hauptflur, an dessen Wänden Bilder von großen Schlachten aus der Geschichte prangten. Siege und Triumphzüge wurden gezeigt. Allesamt über die Dämonen, die als Gefangene oder Tote dargestellt waren. Aber jetzt hatte er kein Auge dafür. Am Ende des Ganges stürzte er fast durch die Tür, die in den Konferenzraum der Generalfeldmarschälle führte und währe fast noch mit einem anderen General zusammengestoßen, der es genauso eilig hatte, wie er. Er ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen. Sie waren zu acht. Acht von zwölf. Wo war der Rest? Sechs saßen bereits an dem großen runden Tisch. Er und der Andere, der gerade mit ihm gekommen war, setzten sich dazu. “Wir sind also vollzählig.” Ein älterer Herr, der Älteste in ihrer Runde hatte gesprochen und die beiden neben ihm nickten ihm zu. Verwirrt schaute er die drei an und der Älteste sah ihn nun an. “Habt Ihr einen Einwand General Teiou.” Er fing sich schnell, nickte und erhob sich zum sprechen, wie es üblich war. “Wo sind die anderen vier?” Einer der beiden neben dem weißbärtigen Ältesten erhob sich nun und sprach: "Zwei Regimenter wurden den Bannsteinen zugeteilt, um die Dämonen abzufangen. Ein weiteres steht bereit um sie im Notfall zu verstärken. Das vierte ist entlang der Grenze zum Südreich postiert, wo ebenfalls Verstärkung benötigt werden wird. Wir erwarten einen Angriff.” “Zwei Kriege an zwei Fronten also?” Der, der mit ihm zusammen rein gekommen war hatte sich erhoben und sprach nun, während er selbst sich wieder auf seinen Platz sinken ließ. Ein Zweifrontenkrieg. Gut der Osten war stark, aber so stark? Die Dämonen waren vielleicht das kleinere Übel, aber dennoch nicht zu unterschätzen. Er hing seinen Gedanken nach. Hörte nicht wirklich zu. Warum tat Ashray nichts? Hatte er ihn verarscht und dazu bringen wollen so etwas Unüberlegtes zu tun, damit sein Vater letztlich doch den Ganzen Himmel unter seine Vormachtstellung bringen konnte? Er überlegte ... er hatte kurz in den Unterlagen geblättert, die er hatte mitgehen lassen. Die Kladde, wo die geheimen Pläne von Shoou und Koo drin gewesen waren. Koo war ein sehr guter Stratege gewesen, schon immer ... Noch war er einer, es sei denn man hatte ihn gefasst und direkt beseitigt. Was hatte da drinnen gestanden? Fieberhaft kramte er in seinem Gedächtnis. Verdammt. Es war doch keine drei Stunden her, dass er das gelesen, bzw. Überflogen hatte. Was hatte da drin gestanden? “... Lage ist nicht die Beste ...” “... mit Tenno wäre es einfacher ...” “... wir müssen das Land beschützen ...” “... evakuieren ...” Mit einem Mal ruhten alle Blicke auf ihm. Er selbst hatte kaum bemerkt, wie er wieder aufgestanden war, nun da stand und etwas verwirrt mit in die Runde schaute. Erst als er realisierte, was gerade mit ihm passiert war, fing er zögernd an zu sprechen, führte dann seine Pläne genau aus, beziehungsweise die Pläne, die Koo ersonnen hatte, zur Eroberung des Südens. Sie waren auch ganz gut zur Verteidigung. Sicher waren sie das ... “Keika, komm, wir müssen ...” ... hier weg, hatte er sagen wollen. Allerdings konnte er sich das sparen, da Keika zusammengerollt auf dem Bett lag und schlief. Leise schloss er die Tür hinter sich und ging auf die zierliche Gestalt des Dämons zu, setzte sich auf die Bettkante und legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Hey. Keika ... Komm, ich muss dich hier weg bringen.” Langsam regte sich der Dämon, drehte sich zu ihm und sah ihn müde an. “Wohin gehen?”, murmelte er leise. Sein Blick war noch vom Fieber gezeichnet, anscheinend war es wieder etwas mehr geworden. Er seufzte leise, strich Keika die Haare aus dem Gesicht. “Ich muss an die Südgrenze. Wir werden angegriffen. Ich will dich vorher in Sicherheit wissen.” Er würde Keika ins Nordreich bringen, in die Höhle, wo auch Tia versteckt wurde. Da wäre Keika sicher. Hier konnte man ihn jederzeit entdecken und der Vertrag zwischen ihm und dem Shuten war seit dessen Verbannung nichtig. Keika war nicht sicher in diesem Haus. Es reicht schon, wenn die alte Frau, seine Vermieterin, sich erschreckte, einen Soldaten rief, der dann kurzen Prozess mit dem schmächtigen, von der Krankheit geschwächten Dämonen machen würde. “Na komm.” Er reichte Keika eine Hand, der sie zögernd nahm, sich aufrappelte und nun fröstelnd da saß, nachdem die warme Decke ihm von den Schultern gerutscht war. Leicht besorgt sah er den Dämon an. Vermutlich war es nicht so gut ihn jetzt schon auf einen so langen Weg mitzunehmen, aber es ging nicht anders. Er stand auf, ging zum Schrank und holte ein weiteres, wärmeres Hemd raus, was er Keika zuwarf. Dann zog er seinen schwarzen Mantel aus, der dicker war als die Uniformjacke, die er noch besaß und sich nun selbst überzog. Den Mantel legte er Keika um, dem das Ganze mindestens zwei Größen zu groß war, und der darin fast unterging. “Glaubst du, du frierst so nicht?” Keika nickte und stand leicht schwankend vom Bett auf. Auch Hyogyoku war nun aufgescheucht worden. Er hatte sich neben Keika ein Nest im Kissen gebaut und auch geschlafen, jetzt flatterte er aufgebracht zum Fenster raus und eilte mit einem Schwarm weiterer Vögel davon. “Die Vögel fliehen”, flüsterte Keika kaum hörbar, sah dem blaugold gefiederten Drachenvogel nach, der in der Ferne immer kleiner wurde. Er zog Keika auf die Beine und ebenfalls zum Fenster, kletterte vor ihm raus auf das Dach und zog ihn hinter sich her. Er wollte nicht riskieren, dass man ihn sah. “Es wird etwas passieren, oder? Teiou ... wo bringst du mich hin?” Seine Stimme war unglaublich leise und hörte sich so zerbrechlich an. “Weg von hier. In Sicherheit.” Er zog Keika an seine Brust, hielt ihn eng an sich gedrückt und flog los. Der Wind schnitt ihn kalt. Er klammerte sich an Teiou. Trotz des zweiten Hemdes und dem dicken Mantel fror er. Enger drängte er sich an Teiou, klammerte sich an ihm fest. Dann hörte der Wind plötzlich auf. Teious Bannkreis. Er hatte den schützenden Wall hochgezogen. Mit einer Hand hielt Teiou ihn. Sie flogen über die Stadt hinweg. Rasend schnell und trotzdem sah er die Menschenmassen in den Straßen, die wirr durcheinander rannten. Auch die vielen in weiß gekleideten Personen fielen ihm auf. Soldaten, allesamt in ihren Uniformen, wie Teiou sie jetzt auch trug. Schnell wurden die Häuser kleiner, dichter aneinander gedrängt. Die Hüttenviertel ... dann wurde es grün und blau. Flüsse, Wälder und Seen wechselten sich ab. Sie flogen in Richtung Nordgrenze. Vielleicht hatten sie die auch schon überquert. Die Gegend war der um den Himmelsturm herum sehr ähnlich. Wage erinnerte er sich an das prachtvolle Bauwerk, welches jetzt wohl verwaist war. Oft war er dort gewesen, in der großen Bibliothek, oder er hatte Tiarandear, dem Shuten, bei Dingen geholfen, weil Teiou es so wollte und er effektiv arbeiten konnte. Das alles war so lange her. Er spürte, wie Teiou den Kopf bewegte, sich flüchtig umsah. Ihm war nicht ganz wohl. Hier war es ruhig. Etwas lag in der Luft. Hier war kein Tier. Hier war nichts ... gar nichts. Teiou schien es zu merken. Er war unruhig. Er spürte, wie der Dunkelhaarige sich anspannte, ihn fester an sich drückte. Seine Haare wehten ihm ins Gesicht und Teious Hemd tat es ebenfalls. Er erkannte nichts, dennoch spürte er, dass etwas nicht stimmte. Unter ihnen wurde die Gegend grau ... felsig. Zerklüftet ragten die Felsen zu ihnen hinauf, konnten sie aber nicht erreichen. Das war der äußerste Rand des östlichen Territoriums. Das waren die ersten Ausläufer des nördlichen Gebirges. Sie waren schnell. Teiou war schnell. So schnell kamen nur die Wenigstens von der Hauptstadt in die Gebirge. Den zweiten Bannstein auf östlichem Gebiet hatten sie gerade hinter sich gelassen. Der Erste im Norden würde wohl bald auftauchen. Es krachte zweimal. Wohl ganz in der Nähe. Für seine empfindlichen Ohren war es laut, sehr laut. Rauch stieg auf, direkt unter ihnen. Teiou wirbelte herum, flog in eine andere Richtung um dem aufgewirbelten Staub zu entgehen. Für einen Moment verspürte er den Wind wieder. Der Bannkreis schien zu flackern. “Was war das ... Teiou?” Ängstlich drückte er sich an den warmen Körper. Sie standen nun in der Luft und Teiou schien in die Richtung zu spähen, aus der dieser Angriff kam. Sie stiegen höher, bald lichtete sich der Staubwirbel und man konnte wieder etwas erkennen. Er hörte Teiou leise fluchen, dann eine Beschwörung murmeln. Ein Blitz, ein grelles Licht durchzog ihre Umgebung. Teious Magie. Was war hier los? Vorsichtig hob er den Kopf, sah Teious vor Anstrengung verzerrtes Gesicht. Er schien hoch konzentriert. Seine Arm lag immer noch fest um ihn, dann ließ er ihn plötzlich los und er fiel. “Teiou!” Panisch rief er den Namen. Er fiel, die Kraft alleine zu fliegen brachte er nicht auf. Ein Funkenregen ging auf Teiou nieder. Durch seinen Fall entging er diesem. Teious Bannkreis war durchbrochen ... sie wurden, nein Teiou wurde angegriffen. Er hatte ihn losgelassen um ihn zu schützen. Sie mussten sehr hoch geflogen sein. Er fiel immer noch ... Gleich würde er auf dem Boden aufschlagen und ... Etwas schlang sich um seine Hüfte und zog ihn zu sich. Er erkannte es erst auf den zweiten Blick. Teiou hatte ihn abgefangen, den Blick noch immer nach oben gerichtet, wo Schattengestalten auf sie hinab blickten. Dämonen, chimärenhafte Wesen. Sie mussten wohl durch einen der Bannsteine gekommen sein und hatten nach Beute gesucht und da er und Teiou hier alleine waren, gaben sie das perfekte Ziel ab. Sein Kopf lehnte an Teious Brust. Er konnte Teious Herz rasen hören, den hektischen Atem und an seiner Wange spürte er etwas Feuchtes. Teiou hob den freien Arm und schleuderte ihnen einen weiteren Angriff entgegen. Teiou war stark. Er würde sie besiegen. Sicher würde er das. Er schloss die Augen, drängte sich enger an seinen Geliebten. Wieder spürte er den schneidenden Wind. Sie flogen wieder. Noch schneller als zuvor schon. Als er blinzelte erkannte er nichts mehr. Alles zog wahnsinnig schnell an ihnen vorbei, aber sie waren deutlich tiefer. Hätte er gewollt, hätte er mit dem Fuß die Baumspitzen berühren können, die nun unter ihnen aufragten. Teiou keuchte leise. Er schien nach Atem zu ringen. Vor ihnen erschien nun ein Felsvorsprung. Sie hatten den Berg überquert. Den Ersten des gewaltigen Nordmassivs, mit den unzähligen Mienen. Fast schon plump landete Teiou auf dem Vorsprung, der mit einer dünnen Moosschicht überzogen war. Dann sank er auf den Boden, drückte ihn dabei aber immer noch an sich. “Ich ... brauche nur eine ... kurze Pause ...”, brachte er stockend hervor. Seine Stimme war nicht fest, wie eben noch. Ängstlich betrachtete er Teiou. Jetzt erst fiel ihm auf, das er blutete. Sein Hemd und sogar schon die Uniform waren blutgetränkt. Die warme Flüssigkeit, das Feuchte, was er an seiner Wange gespürt hatte, war Teious Blut gewesen. “Ist nicht so schlimm. Wir können gleich weiter.” Teiou schien seinen besorgten Blick bemerkt zu haben. Jetzt löste der Dunkelhaarige seinen Griff um seine Taille und presste die rechte Hand auf die Wunde an der linken Schulter. Etwas ratlos hockte er vor Teiou, zog den zu weiten Mantel fester um sich. “Ist dir kalt?” Teiou sah ihn fragend an. In seinem Gesicht spiegelten sich die Schmerzen, aber seine Augen wirkten besorgt und waren auf ihn gerichtet. Schnell schüttelte er den Kopf. Ihm war kalt, aber Teiou ging es nicht gut. Er hatte sich überanstrengt. War mit der Wunde noch schneller geflogen, als vorher und seine Brust hob und senkte sich immer noch schneller, als normal. “Schon gut”, murmelte er, sah Teiou immer noch an, der immer weiter in sich zusammensank. “Folgen sie uns?” Der Generalfeldmarschall schüttelte den Kopf. “Nein. Sicher nicht.” Ein flüchtiges Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, dann zuckte er wieder vor Schmerz zusammen, als er seine Linke nach ihm ausstreckte, um ihm wohl über die Wange zu streicheln. Tränen sammelten sich in seinen Augen. “Ich hab Angst Teiou.” Er rutschte ein Stück näher zu Teiou, der nun den linken Arm um ihn legte, den Schmerz ignorierte, den das verursachte, und ihn leicht zu sich hin zog. Er legte die Arme um Teiou und drängte sich wieder an ihn. “Mir ist doch kalt”, flüsterte er leise. “Ich weiß”, kam es leise zurück. Teiou neigte den Kopf und stützte seine Stirn auf seine weichen, silbernen Haare. “Ich bringe dich in Sicherheit Keika. Zu Tia ...” Teiou sprach leise. Strich ihm mit der rechten Hand durch die Haare. Teiou wusste, wo Tia war? Der Shuten lebte noch? Er war verwundert, fragte aber nicht weiter. Teiou hatte die Augen geschlossen und schien sich zu sammeln. Er spürte, wie er sich auf ihm abstützte. Um sie herum wurde es langsam dunkel. Die Dämmerung hatte während ihres Fluges, des Kampfes und sogesehen der Flucht eingesetzt und war nun weit fortgeschritten. “Wir müssen weiter Teiou ...” Immer noch lehnte er an dem Dunkelhaarigen der ihn festhielt. Er fürchtete sich vor dieser Dunkelheit. Warum wusste er nicht. Vielleicht, wegen der Albträume, die ihn Jahrhunderte lang nachts heimgesucht hatten. Vielleicht war es aber auch die Kälte. Die Nacht brach ein und es wurde immer kälter. Viel Kälter, als er es in Erinnerung hatte. Damals waren die Nächte lau gewesen. Immer, das ganze Jahr über, sogar im Gebirge. Jetzt kamen sie ihm eisig kalt vor, vielleicht auch wegen seinem Fieber. “Noch fünf Minuten ... bitte”, flüsterte Teiou schwach. Immer noch trat Blut aus der Wunde und im aufgehenden Mondlicht sah er furchtbar blass aus. Sein Hemd war völlig durchnässt und die dunkle Lache glänzte im seichten Licht des Mondes. “Ich hab Angst Teiou ...” wiederholte er noch einmal leise. Er fühlte, wie Teiou seinen Griff um ihn leicht verstärkte, als ob er ihm Sicherheit geben wollte. “Dir passiert nichts. Ich lasse es nicht zu ... alles wird gut Keika.” Das Gefühl hatte er gar nicht mehr. Sie waren hier verloren. Teiou würde niemals wieder auf die Beine kommen. Nicht mit der Wunde, nicht mit dem Blutverlust und nicht mit ihm als zusätzliche Last. Er hustete leise. Der Husten kam wieder, gestern hatte er fast gar nicht gehustet. Das Zittern versuchte er zu unterdrücken. Ihm war so kalt und Teiou fühlte sich auch kalt an. “Teiou ...?” “Hm ...” Vorsichtig richtete er sich ein Stück auf um Teiou genau ansehen zu können. Der hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen, fast so, als würde er schlafen. Zögernd hob er seine Hand, legte zwei Finger an Teious Lippen, die sich eisig anfühlten. Ob das jetzt an seinen Fingern lag, die er kaum spürte, oder an Teious Lippen, wusste er nicht. “Teiou ...?” Er hatte Angst um ihn. Furchtbare Angst. Was, wenn Teiou ihn jetzt verlassen würde. Hier ... Er alleine in dieser Einsamkeit? “Nicht einschlafen Teiou, bitte ...” Der Andere reagierte nicht. Minuten des Schweigens vergingen zwischen ihnen. Man hörte nur den Wind in den Bäumen rauschen. Endlich spürte er, wie Teiou ihn wieder näher an sich drückte. “Ich liebe dich Keika ... für immer.” Die Worte waren so leise, dass sie fast im Rauschen des Windes untergingen. Dennoch hörte er sie, hob den Kopf leicht und sah in Teious kreidebleiches Gesicht. Tränen liefen ihm jetzt über die Wangen. “Teiou ...”, flüsterte er, dann reckte er sich ein Stück und küsste Teiou ganz sachte, bevor er sich eng an ihn kuschelte ... Eine Weile saß er so da, hatte den Kopf an Teious Brust liegen, lauschte seinem schwachen Atem und sah in die Ferne, über die dunklen Grünen Wipfel hinweg. Ganz weit weg sah er ein goldenes Licht, dünn wie ein Faden spannte es sich vom Erdboden hoch in die weiten des Nachthimmels. Das Bild war tröstlich, der dünne goldene Faden ... Eine Weile sah er den Faden an. Dann schloss er die Augen und schlief ein, eng an Teiou geschmiegt, der ihn im Arm hielt und dessen Atem langsam versiegte. Nachwort: Okay. Der erste Schritt ist getan und ich habe beim Schreiben auch gelitten. Morddrohungen bitte per ens. Frage: Wer möchte nach dem Prolog noch eine Teiou Keika Szene haben? Ich hab da eine Idee, weiß aber nicht ob ich das noch schreiben sollte. Aber vielleicht stimmt das ja versöhnlich ^^ lG kiya Kapitel 8: Einsamkeit? ---------------------- Vorwort: So das letzte Kapitel. Es ist nochmal traurig und am Ende kitschig irgendwie. Es folgt der Epilog UND wie einstimmig beschlossen die Teiou/Keika Szene. Ich hoffe es geht schnell vorran damit. Weiß noch nicht so ganz wegen Uni ^^. ~kiya Kapitel 8 Fast apathisch hockte er auf einem Felsen, starrte auf den Punkt, wo vor ein paar Stunden noch die Person gekniet hatte, die in seinem Leben am wichtigsten gewesen war. Das grelle Licht war längst verschwunden. Die Morgendämmerung schon vorbei und die Sonne ging langsam auf. Zum ersten Mal seit Wochen schien sie wirklich warm und dennoch war ihm kalt. Tia hatte ihn verlassen. Nachdenklich betrachtete er die Kreise, die sich in unterschiedlichen Abständen um diesen einen Punkt drehten. Genauso drehten sich die unzähligen Gedanken in seinem Kopf. Seine Hand schloss sich locker um den langen Metallstecken seines Zanyousu. Die mächtige Streitaxt lag auf dem Boden, vor dem Felsbrocken, auf dem er sich befand. Seit Stunden sicher schon. Tau glänzte im Gras, blitze in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Hinter ihm huschten Soldaten hin und her. Erst seit ein paar Stunden, war die letzte Schlacht geschlagen. Die allerletzte in diesem Krieg. Kurz und schmerzvoll war sie gewesen, aber auch heilsam für alle Beteiligten. Für ihn selbst auch? Er wusste es nicht. Nicht mal zu Tränen war er fähig. Wollte er sich die Blöße nicht geben, oder wusste er einfach nur, dass sie nicht nötig waren, dass sie nichts ändern würden an seinem Schicksal, welches fest besiegelt war mit Tias letztem Schritt ... Er schluckte den Kloß runter, den er schon die ganze Zeit im Hals hatte. Er erinnerte sich an das Gespräch, was er vor ein paar Tagen mit Tiarandear geführt hatte. Danach hatte er aufgebracht den Raum verlassen ... Warum war er jetzt nicht auch einfach wütend auf ihn? Warum fühlte er bloß diese Leere? Sonst nichts? Zwei Tage war es her. Tia hatte ihn gerufen, hatte ihn gebeten eine Weile bei ihm zu bleiben. Auch wenn er eigentlich zu tun gehabt hätte war er geblieben, hatte seinem Freund und Geliebten diese Bitte nicht abschlagen können. Eigentlich hatte sein Vater ihn mit einigen Dingen beauftragt, aber das konnte auch warten ... Er erinnerte sich nicht mehr in den Einzelheiten an das Gespräch. Zu sehr hatten ihn diese Worte getroffen und aufgebracht. Eigentlich hatte er Tiarandear gar nicht wirklich zugehört... “Ich werde dir helfen Ashray ...” “Ich kann das alleine. Es ist meine Aufgabe dich zu beschützen, du bist der Shuten! Meinen Vater kriege ich alleine klein.” “Ich ... ich werde nicht länger Shuten sein. Die Götter haben es entschieden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.” Tias Stimme war kaum mehr hörbar. Entsetzt starrte er ihn an. “Du bist der Shuten! Du kannst nicht gehen.” Er sprang auf, war aufgebracht. “Mein Vater wird mich holen, früher oder später.” Seine trüben Augen waren auf den Boden gerichtet. Er sah ihn nicht an. Tia sah ihn nicht an. Sein Freund traute sich nicht, konnte es nicht ... “Wie soll der Himmel ohne einen Shuten existieren!? Du wirst nicht gehen Tia. Ich lasse es nicht zu!” Er schrie schon fast, sah Tia zusammenzucken unter dem Tonfall seiner Worte, ignorierte es aber. Ihm war heiß. Zu sehr regte er sich über diese Worte auf. Tia hatte aufgegeben. Er hatte tatsächlich aufgegeben ... Wie konnte er nur, jetzt, wo er beinahe am Ziel war, diesem Elend ein Ende zu setzen? Wütend schüttelte er den Kopf. Seine feuerroten Haare wehten wild umher, dann drehte er sich um und rannte raus. “Versprich mir, dass du Tenno wirst ...”, flüsterte Tia hinter ihm, aber er vernahm die Worte kaum noch und gab erst recht keine Antwort. Das war so gesehen ihr letztes richtiges Gespräch gewesen ... Jetzt starrte er nur auf die Stelle, wo Tia verschwunden war. Seit Stunden schon. Hier, wo früher die Himmelspagode gestanden hatte, die Residenz des Shutens, hier war alles zu Ende gegangen. Um ihn liefen immer noch die unzähligen Soldaten in weiß und schwarz gewandet. Soldaten des Ostens und des Südens. Hier und da eine blaue Uniform aus dem Westen. Alle wild durcheinander. Gemeinsam halfen sie den Verletzten und suchten die Gefallenen der letzten Schlacht, die Tia beendet hatte. In dieser Schlacht war der Tenno des Südens gefallen. Ashrou Entai. Bedauern tat er es nicht. War es doch sein Ziel gewesen ihn endlich zu stürzen. Der Süden hatte den Osten angegriffen. Mehr oder weniger gut vorbereitet hatten mehrere östliche Regimenter an der Grenze zum Südreich auf sie gewartet. Es war zum Kampf gekommen. Sie waren überlegen. Die dunkelgekleideten südlichen Soldaten hatten die weißen des Ostens mühelos zurückgeschlagen. Und dann ... ... dann war da plötzlich dieses Licht. Golden und es schien direkt aus der Mitte des Gefechts zu kommen. Er wusste nicht mehr, wie er sich seinen Weg vorgekämpft hatte, um etwas zu sehen, aber er wusste, was er gesehen hatte: Tia ... auf dem Boden hockend, in sich zusammengesunken und fremdklingende Worte vor sich hin murmelnd. Er wollte zu ihm, war aber an der Barriere aus Licht gescheitert, die Tia umgab. “Tia!” Wie kam der überhaupt hier her? Umringt von ein paar innehaltenden Soldaten entdeckte er eines der Mädchen, welches zu denen gehörte, die Tia in ihrem Versteck Gesellschaft geleistet hatten. Sie schien verängstig. Kein Wunder, war sie doch mitten in einem Gefecht gelandet zwischen Soldaten, die ihr nicht unbedingt wohlgesonnen gegenüber standen. Nur kurz sah er das Mädchen an, denn nun wurde alles still. Wirklich jeder hielt nun inne, starrte das Licht an, was immer intensiver wurde. Eine Hand erschien, schloss Tiarandear ein. Dann erklang eine Stimme, die in derselben fremden Sprache sprach, wie Tia zuvor. Vor langer Zeit hatte Tia ihm einmal von seinem Vater erzählt. Enma, der durch seinen Spiegel mit ihm redete. “Manchmal”, hatte Tia gesagt, “manchmal hab ich das Gefühl dass er nach mir greift. Mich zerdrücken will, um mich zu strafen.” Tia war nun in der Welt, in die er gehörte. Zurück in der Götterwelt. Enma war ein Gott. Er hatte diese Hand gesehen, die zusammen mit Tia verschwunden war und dann hatte sich das Licht, gleich den Kreisen die sich im Wasser bildeten, wenn man einen Stein hinein warf, ausgebreitet und plötzlich gab es keinen Grund mehr für Kämpfe. Seitdem saß er hier. Mehr oder weniger ... Mit ein paar Generälen hatte er gesprochen. Östlichen Generälen - Teiou hatte er nirgendwo gesehen - sie hatten kurz ein paar Worte gewechselt, dass Shoou ermordet worden war von Koo, dass sie von Dämonen angegriffen würden, weil der Bannkreis instabil geworden wäre und noch mehr, was er schon nicht mehr wusste. Die Soldaten, die noch nicht zu müde waren oder verletzt, wurden mit ihnen geschickt um den Osten zu verteidigen. Über eine mögliche Falle hatte er sich keine Gedanken gemacht. War das dumm gewesen? Nein ... eine Falle kam nach den Ereignissen der letzten Minuten nicht in Frage. Sie hatten alle erkannt, wie töricht sie gewesen waren. Alle, die sie hier waren, auf dem Schlachtfeld in der Nähe der Ruinen des Himmelsturms. In den Städten die hohen Adligen dachten sicher anders, aber die Hauptschuldigen waren nun tot. Waren Opfer ihrer eigenen Gier geworden ... und hatten unzählige Leben dafür geopfert. Auch das eines Shuten ... unverzeihlich ... “Ashray-dono, verzeiht, aber würdet ihr ...” Die Stimme riss ihn aus seinen Betrachtungen und er blickt auf, sah in das zerfurchte und dreckige Gesicht eines Soldaten, der nun einen Schritt zurückwich. Sah er wirklich so angsteinflößend aus? Er bemerkte, wie sich seine Hand fester um sein Zanyousu geschlossen hatte. Er hatte sich angespannt, musste aussehen, als würde er den Soldaten jeden Moment anfahren und angreifen. “Ich soll euch bitten die nördlichen Gebiete nach Verletzen abzusuchen. Ihr ... ihr seid der Schnellste von uns und ... und die meisten anderen sind zur Verteidigung gegen die Dämonen ausgesandt.” Während er sprach, stockte der Soldat, als wäre er eingeschüchtert. Als er fertig gesprochen hatte, verneigte er sich, gab auf Nachfrage auch den Namen des Generals preis, der ihn schickte. Er nickte nur. Vielleicht war es gut etwas zu tun, hier nicht nur untätig rumzusitzen. Auf etwas zu warten, was eh niemals eintreten würde. Tia würde nicht zurückkommen, egal wie lange er diesen Punkt anstarrte ... Niemals! Es war endgültig. Es war vorbei ... Etwas schwerfällig stand er aus der Hocke auf. Seine Glieder waren steif von der stundenlangen Bewegungslosigkeit. Einige Soldaten kamen auf ihm zu. Er kannte sie. Es waren schnelle, geschickte Krieger, die er oft herausgefordert hatte, da sie zu den Wenigen gehörten, die mit ihm mithalten konnten. Außerdem hatten sie mit zum Widerstand gehört, den er angeführt hatte. Sie waren ihm treu ergeben. Jetzt würden sie ihn begleiten. In die raueren Gefilde des Nordens, der zum größten Teil vom Osten annektiert worden war. Auf dem Weg, weitere Opfer dieses Krieges zu finden ... Um ihn herum standen dicht aneinander Nadelbäume. Es war ruhig hier. Der Wald war still, nur das Rauschen des Windes war zu hören und das Rascheln des Grases, das den Boden hier noch bedeckte. Er trat aus dem Dickicht heraus. Seine Begleiter waren in einiger Entfernung, jeder für sich, am suchen. Es war kalt hier. Sehr kalt. Eigentlich gab es im Himmel nicht diese Temperaturgefälle, aber durch den Krieg war so vieles anders. Unter seinen Stiefeln knirschte es. Das Gras war hier nur noch spärlich am wachsen und er stand auf nacktem Fels, der so reich an den Rohstoffen des Himmels war. Das wertvolle Eisen, hinter dem er so lange her gewesen war und was ihn jetzt wenig kümmerte. “Ich hab was”, erscholl eine Stimme, die vom Berg zurückgeworfen wurde und widerhallte. Er blickte auf. Ein ganze Stück über ihm befand sich ein Felsvorsprung. Einer seiner Begleiter schwebte knapp an der Klippe und verschwand auf dieser. Noch zögerte er, wusste nicht wirklich was ihn erwartete ... oder eigentlich doch. Er hatte ein ungutes Gefühl, ganz komisch. Hier waren sie so weit weg von der Schlacht ... wer sollte sich verletzt hierhergeschleppt haben? Endlich lösten sich seine Füße vom Boden und er stieg hoch, bis zu dem Vorsprung, der gerade so groß war, dass vielleicht sieben Leute darauf Platz fanden. Vor ihm hockte Rael, der Soldat, der eben noch gerufen hatte. Erst als er einen Schritt auf ihn zuging, konnte er eine Gestalt erkennen, die am Fels lehnte, in sich zusammengesunken ... “Sie sind beide tot.” Raels Stimme war leise und wurde durch den Wind noch gedämpft. “Wir sind zu spät.” Rael drehte sich zu ihm um. Sah ihn lange an. “Beide?” Er war verwirrt. Hatte er doch nur eine Person gesehen. Der Andere nickte und trat nun einen Schritt zur Seite, so gut es eben ging auf dem kleinen Vorsprung. “Es tut mir leid.” Während er dies sagte, sah er ihn mitleidig an. Nun sah er, was Rael mit beide meinte. Vor ihm sah eine dunkelhaarige Gestalt, in deren Armen eine weitere Person lag, die ganz eng an die erste gedrängt war. Es waren keine Unbekannten. Der dunkelhaarige Soldat in der weißen Uniform, die mit Blut getränkt war, war eindeutig ... “Teiou”, entfuhr es ihm leise. Er ging noch näher heran. Sank vor seinem toten Freund in die Knie, streckte die Hand aus und legte zwei Finger an seinen Hals, um sich zu vergewissern, dass er wirklich nicht mehr lebte. Teiou war eiskalt. Hastig zog er die Hand weg. Fast schon ängstlich, ungläubig ... Das durfte nicht sein, nicht auch noch Teiou. Seine Hand streifte etwas seidig Weiches. Sein Blick fiel nun auf die sehr zierliche Gestalt in Teious Armen. Lange silbrige Haare, allerdings stumpf und nicht glänzend. Die Haut in einem zarten lila, allerdings totenblass. “Keika”, flüsterte er, strich einmal durch dessen lange Haare. Auch er war kalt, lebte nicht mehr. Teiou hatte also Keika wiedergefunden. Der war gar nicht tot gewesen. Keika ... Keika, derjenige, der Teiou so sehr gefehlt hat, der für dessen völlige Kapitulation vor seinen Brüdern verantwortlich war. Keika, der Dämon, der für Teiou alles gewesen war. Er war wieder hier und er war tot. In den Armen seines Geliebten gestorben. Er beneidete Keika. Sie waren nie Freunde gewesen, aber er hatte einen gewissen Respekt vor dessen Wissen gehabt, auch wenn er es ihn nie hatte merken lassen. Das war alles so endlos weit weg. Er beneidete Keika. Er freute sich für Teiou, er wusste nicht was er fühlte in diesem Moment. Die beiden hatten sich wiedergefunden und nun waren sie gemeinsam gestorben. Was hier passiert war, war nebensächlich. Warum hatten sie ihn alle alleine gelassen? Tia, Teiou und sogar Keika ... Jemand fasste ihn an der Schulter, schob ihn sanft zur Seite. Er sah auf, erkannte Leiyan, der nun kurz einen Blick mit Rael tauschte, bevor er sich vor Teiou und Keika niederließ. Schweigend sah er zu, wie er die beiden ebenfalls nochmal untersuchte. Erst mit Blicken, dann löste er Keika vorsichtig von Teiou und betrachtete dessen Uniform und den Urquell des Blutes darauf. Er wusste, dass Leiyan Ahnung hatte. Er war kein Arzt aber der Sohn eines Heilers und hatte diesen Beruf auch gelernt, bevor er als Soldat dem Krieg beiwohnte. “Er ist verblutet”, stellte er sachlich nüchtern fest, dann fiel sein Blick auf den schmalen Keika, der zwar immer schon schlank gewesen war, jetzt allerdings viel zu dünn erschien. Eine Weile betrachtete er ihn schweigend, dann sah er zu ihm hoch. “Erfroren würde ich sagen. Die Nächte hier werden kalt und er ist viel zu dünn, da helfen die Kleider auch nichts.” Abwesend nickte er. Er verstand die Worte, aber sie hörten sich so weit weg an, als müssten sie durch eine Nebelwand zu ihm durchdringen. Neben ihm packte Rael die weißen Leinentücher aus, die sie mitgebracht hatten für die Toten. Er hatte so sehr gehofft sie nicht zu brauchen. “Den Dämon auch?”, fragend sah Rael ihn an, bekam aber keine Antwort, sodass Leiyan um Keika einfach auch ein Tuch schlug. Dabei murmelte er nur sowas wie “der gehört zu Prinz Teiou, Dämon hin oder her”. Endlich erreichten auch die beiden anderen sie, sahen kurz zu ihm, dann auf die beiden in Leinen gewickelten leblosen Körper. “Bringen wir sie in den Süden?” Fragend sah einer in die Runde. Leiyan wollte gerade zustimmen - er hatte mehr oder weniger das Kommando für ihn übernommen. Schnell schüttelte er den Kopf, hielt einen Arm ausgestreckt vor Leiyan, damit der schwieg. “Es handelt sich um Prinz Teiou.” Er war erstaunt, dass seine Stimme so fest war und nicht brach. “Wir bringen sie beide in den Osten.” Er schluckte, betrachtete noch einmal die eingewickelten Toten, dann wandte er sich ab. Er hört ein leises Rascheln. Hinter ihm nahmen zwei der vier die Körper auf und trugen sie in den Osten ... Von wo alle Winde wehten und wo auch alle Winde wieder angelangten. Monate waren vergangen. Sie hatten Teiou und Keika in den Osten gebracht. Dort hatte Tahou, der sich aus eigener Kraft den Thron des Tennos gesichert hatte, lange überlegt und letztlich war er zu dem Entschluss gekommen, seinen Onkel nicht zu begraben, wie es hier Sitte war. Er sollte mit dem, der ihm immer am liebsten gewesen war, verbrannt werden, nach Sitte der Dämonen. Allerdings hatte Tahou auf das weiße Band bestanden, welches man den Toten über die Augen legte. Sowohl bei Teiou, als auch bei Keika, dem Dämon ... viele hatten diese Entscheidung des jungen Tennos als ketzerisch angesehen, aber letztlich nichts mehr gesagt. Er selbst hieß es gut. Seinen Freund, den ungestümen Prinzen des Ostens und den hübschen, besonnenen Dämon verband etwas Tiefgreifendes. Ihnen sollten die gleichen Rituale zuteil werden. Es war sicher nach Teious Wunsch. Dieses Ereignis lag nun ein gutes Jahr zurück. Viel hatte sich verändert. Die Länder waren wieder gemäß den alten Richtlinien aufgeteilt worden. Jeder hatte die eroberten Gebiete abgetreten. Dies war fast sofort nach Tias Verschwinden passiert. Nur ein zwei Wochen danach. Tahou hatte sich schnell an sein Amt gewöhnt. Es war erstaunlich und er bewunderte ihn, empfand er es selbst doch als unglaubliche Last und lästige Pflicht. Wie gerne hätte er seine Schwester auf dem Thron gesehen. Wie gerne wäre er nur ihr Berater gewesen, der Feldherr, der für sie die Dämonen in die Flucht schlägt. Aber es war nicht so ... Er saß bereits in dem großen Raum, den Resten der Hallen des Himmelsturms. Ein großer Tisch stand hier. War hierher gebracht worden mit einigen edlen Stühlen. Über den noch aufragenden Gemäuern war ein Zeltdacht gespannt. Hier wartete er. Hier würde der neue Bund besiegelt werden, das offizielle Ende dieser unsinnigen Auseinandersetzung. Er hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Es war der erste offizielle Anlass. Bisher hatte er nur im Süden regiert, hatte dort seine Aufgaben als Tenno wahrgenommen und war eher im Hintergrund geblieben so gut es eben ging. Zu viel Gedanken spuckten noch in seinem Kopf umher. Tia verfolgte ihn bis in seine Träume und Teiou verfluchte er heimlich, weil dieser einfach so gestorben war und sie ihn alle alleine ließen mit diesem schweren Amt, mit der Aufgabe dem Himmel wieder Frieden zu bringen. “Alles in Ordnung?” Samtener Stoff streifte seine Wange, er sah auf. Tahou lächelte ihn an. Der Junge mit den dunkelbraunen Haaren, die im Licht seltsam bunt schimmerten, trug die königlichen Gewänder. Seine Berater und Begleiter standen hinter Tahous Platz rechts neben dem seinigen. Erschrocken nickte er nur und Tahou wandte sich schwungvoll von ihm ab und setzte sich auf seinen eigenen Platz. “Sind Santo-dono und Suiteio-dono noch nicht angekommen?” Erst hatte er fragen wollen ‘wer?’ dann fiel ihm aber wieder der Grund für sein Hiersein ein. Die Versammlung aller vier Tennos. Er musste sich konzentrieren, aus den trüben Gedanken hervorkommen, die er die letzten Monate gehabt hatte. Eigentlich hatte er hinter einer Nebelwand in seinen Gedanken gelebt und nur ‘ja’ und ‘amen’ zu allem gesagt. “Sie kommen sicher noch.” Tahou lächelte wieder, dann streckte er einen Arm aus, als erwarte er etwas. Ein flatterndes Geräusch erklang, ein protestierender Schrei, als einer der Diener das Vögelchen fangen wollte, das gerade herein flatterte und sich nun immer noch unter Protesten auf Tahous Hand niederließ. Er musterte das Tierchen. Ein etwa taubengroßer, blaugefiederter Vogel, der dem rech ähnlich war, den Keika immer gehabt hatte und danach Teiou. Tahou schien seinen Blick zu bemerken. “Das ist Hyogyoku.” Er lächelte ganz glücklich, beugte sich zu ihm rüber und fügte flüsternd hinzu: “Mein engster Berater und treuster Untergebener.” Jetzt lachte er und streichelt dem Vogel über den Kopf, der freudig gurrte. Etwas verwundert sah er den deutlich Jüngeren an. Wenn man das hörte, konnte man ihn echt für verrückt halten, aber er schien glücklich mit dem Vögelchen zu sein, dass nun auf seine Schulter hüpfte und dort verharrte. “Wie kommst du klar?” Erstaunt sah er Tahou an, der hier anscheinend nett plaudern wollte. Es war nicht der höfische Umgangston, sondern klang normal, so wie sich Schuljungen miteinander unterhielten. Es war erst irritierend, dann aber durchaus angenehm. Schnell schaute er sich um, aber die Bediensteten und Höflinge beachteten sie im Moment nicht wirklich, so dass er in gleichem Ton mit ihm sprach. “Geht so”, er zuckte mit den Schultern. “Ich vermisse alle ... den Shuten, deinen Onkel Teiou, meine Schwester, die aus unerfindlichen Gründen nicht zurückkommt ...” Er seufzte leise. Tahou nickte verständnisvoll. “Deine Schwester taucht heute sicherlich auf.” Er grinste wissend. “Aber ich bezweifle, dass sie in den Süden zurückkehrt.” Gerade wollte er Tahou dazu bringe zu sagen, was mit seiner Schwester war und warum die sich nicht bei ihm meldete, als jemand verkündete, dass Suiteio eingetroffen sei, der Tenno des Westens. Sofort saßen sie beide wieder ordentlich auf den Stühlen, den Blick auf den Ankömmling gerichtet, der Carmia, den Kronprinzen im Schlepptau hatte, der nun neben seinem Vater Platz nahm. Carmia war wohl so alt wie Tahou. Allerdings würde es wohl noch dauern, bis er die Regierungsgeschäfte übernehmen würde. Höflich begrüßten sie einander, als erneut der Eingang in ihr provisorisches Zelt geöffnet wurde. “Santo-dono und seine Begleiterin.” Einer der Diener neben dem Eingang sprach dies verkündend und verneigte sich vor den Eintretenden, wie schon zuvor bei Suiteio und Camina. Hinter Santo, dem blonden Tenno des Nordreiches tauchte eine hochgewachsene rothaarige Schönheit auf. Sie war in weite Gewänder gekleidet, die im Wind flatterten, der nun wieder durch ihren mehr oder weniger unter freiem Himmel befindlichen Tagungsraum wehte. Mit offenem Mund saß er da. Glaindaath, seine Schwester, hatte sich sehr verändert. Aber hatte er das nicht auch? Sie war immer eine Kriegerin gewesen und nun war sie in die feinen Gewänder einer Edelfrau gekleidet und sah so gar nicht mehr kriegerisch aus ... “Glaindaath”, er sah sie an. Auf dem Platz neben ihm kicherte Tahou nun leise, fing sich aber bald wieder. “Ashray.” Sie lächelte ihn an, unterließ es aber ihn mit einer Umarmung zu begrüßen oder ähnliches. Unter seinen Blicken ließ sie sich auf dem Platz neben Santo nieder, der eigentlich für die Königin oder den Thronfolger bestimmt war. Dementsprechend saßen Tahou und er alleine da. Einer der Beamten trat vor, breitete Pläne und Verträge aus und er hatte keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken, warum seine Schwester neben Santo saß ... es gab viel wichtigere Dinge. Es war später Abend geworden. Sie waren so viele Verträge durchgegangen, die sie alle vier gegenzeichnen mussten. Unter anderem hatten sie den Wiederaufbau des Himmelsturms beschlossen. Es war ermüdend und er wollte nur zurück in den Süden und in sein Bett. Tahou neben ihm war schon aufgestanden und spielte schon wieder mit Hyogyouku, der den ganzen Tag auf seiner Schulter geschlafen hatte. Suiteio war schon mit Carmia verschwunden. Nur er saß noch und streckte sich erstmal ausgiebig. Neben ihm wurden Stühle gerückt und Santo, sowie seine Schwester erhoben sich. Aus den Augenwinkeln sah er zu ihnen rüber. Santo kam auf ihn zu, neben ihm Komei, der im Laufe der Sitzung auch angekommen war und für ein paar amüsante Unruhen gesorgt hatte, unter anderem auch, weil Hyogyouku ihn geärgert hatte. “Ich möchte Euch um etwas bitten, Ashray-dono.” Er verneigte sich vor ihm, seine Schwester stand ein wenig abseits hinter dem Blonden und lächelte sacht. Erstaunt betrachtete er den Tenno des Nordens. Schnell überwand er sein Erstaunen und antwortete, da er doch neugierig war, mit welcher Bitte er nun kam. “Ich möchte Glaindaath als Frau nehmen. Sie soll meine Königin werden.” Er sah ihn ernst an. “Ich muss Euch fragen, da Ihr der Tenno seid und sie Eure Schwester.” Prüfend sah er seine Schwester an, die nun neben Santo trat und einen Arm um diesen legte. “Verzeih mir, dass ich nicht zurückkomme, dass ich dir nicht geschrieben hab in den letzten Monaten, aber in unserem Land gibt es zu viele, die mich tot sehen wollen für das, was ich in diesem Krieg alles getan habe.” Er wusste wovon sie sprach. Sie hatte den Zorn des Adels erregt und auch den ihres Vaters. Sie war vogelfrei, immer noch und im Süden absolut nicht mehr sicher. Er hörte den beiden zu, nickte dann zögernd. Warum sollte er seiner Schwester ihr Glück verweigern, welches sie unübersehbar gefunden hatte. “Du darfst machen, was du möchtest. Wo du möchtest. Wenn du bei Santo bleiben willst auch das.” Er lächelte etwas bitter. Wieder eine Vertraute, die nicht zurückkommen würde. “Ich werde dich besuchen kommen Bruder. So oft ich eben kann.” Sie lächelte, trat nun neben Santo hervor und umarmte ihn. “Bald schon”, flüsterte sie ihm zu. Der Stoff ihres Gewandes war ganz weich und fein, streifte seine Wange kurz. “Du sollst doch deinen Neffen sehen.” Neffen? Verwirrt sah er sie an. Sie richtete sich wieder auf und lachte. Vermutlich sah er sehr irritiert aus. Neben ihm lachte auch Tahou, der anscheinend davon gewusst hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie keinen Gürtel trug und die Stoffe weit um ihre sonst so schlanke Gestalt fielen. Sie lachte immer noch, fasste ihr Gewand und zog es stramm herb, sodass es eng anlag und man erkennen konnte, dass sie ein Kind erwartete. “Es wird keine Ansprüche an Euer Reich geben.” Santo sah ihn an. “Es wird der Thronfolger des nördlichen Reiches und niemand wir Ansprüche an den Süden erheben.” Er lächelte. Stimmt, es würde sicher noch Probleme geben, wenn man das erfuhr in den Reichen. Die Prinzessin des Südens und der Tenno des Nordens. Aber vielleicht war das gar kein Problem. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass sie sich zusammenreißen mussten für den Frieden. Er lächelte endlich. “Ich freue mich auf euren Besuch.” Dann stand er auf und verließ das Zelt. Er atmete die kühle Nachtluft tief ein. Der Grundstein war sicher gelegt. Er war zwar alleine, aber nicht so, wie er gedacht hatte. Tahou war Teiou sehr ähnlich und schon jetzt irgendwie sein Freund und Schicksalsgefährte, seine Schwester stand auch noch zu ihm und Tia würde er in guter Erinnerung wahren. Er würde den Süden führen, so gut es ging. Ein leises Schnauben war zu hören, dann spürte er den warmen Luftzug an seiner Hand. Als er neben sich sah, stand da Komei, das schwarze Kirin, welches Santo seit Jahren begleitete. Jetzt schmiegte das stolze Tier seinen Kopf an seiner Hand. “Komei.” Er lächelte. Das Kirin war selten so anhänglich. Zwar verband sie seit seiner Kindheit schon eine Freundschaft, aber meist war Komei eigensinnig und stur und war selten so angekommen. “Ich muss in den Süden. Geh mit Santo und Glaindaath.” Vorsichtig schob er Komei in Richtung Zelt, ging selbst ein paar Schritte zu der Sänfte, die ihn in den Süden bringen würde. Komei folgte ihm wie ein Schatten. Noch einmal drehte er sich um. “Willst du etwa mit?” Ein leises Schnauben. “Wird Santo dich nicht vermissen?” Er musterte das Tier, welches nun verneinte, indem es den Kopf schüttelte, was sehr elegant wirkte. Er musste lächeln. Santo brauchte Komei nicht mehr, aber er würde Komei brauchen. Komei war stark und würde ihn sicher von weiterem Trübsalblasen abhalten ... Er würde seinen Teil dazu beitragen Himmel und Erde zu schützen und diese Welt wieder aufzubauen ... Zusammen mit den drei anderen Tennos und mit Komei an seiner Seite. Epilog: Epilog + Zusatz ----------------------- Epilog Wenn ich vor diesem Bauwerk stehe überkommen mich unzählige Erinnerungen. Das Wahrzeichen des Himmels erstrahlt erneut, vielleicht sogar heller als zuvor. Wenn ich überlege, was alles geschehen ist, so bin ich immer noch fassungslos über unsere Dummheit. Über das, was wir getan haben. Wir, die Herren des Himmels. Vernunft ist etwas anderes ... In der Welt der Menschen gibt es die wunderlichsten Geschichten. Sie erzählen von dem Krieg, den wir in ihrer Welt austrugen, die wir eigentlich schützen sollten. Die Alten haben sie den Jüngeren erzählt und diese ihren Kindern und diese werden sie wiederum ihren Kindern und Enkeln weitererzählen. Ich kenne einige der Niederschriften, die die großen Dichter der Menschen verfassten. Sie sind zahlreich und künden von den Heldentaten und Verbrechen während des großen Krieges. Sie berichten davon, wie ein Himmelsgeschöpf einen Menschen rettete, wie einige dafür sorgten, dass man den großen Feuern entkam, wie einige unter ihnen lebten zum Schutz der Menschen ... Wieder sind wir die fantastischen Wesen. Gespinste ihrer Fantasie. Gaukeleien ihrer Geister, die von unseren Taten so sehr mitgenommen wurden, dass sie unsere Gestalt nicht wahrnahmen, die der ihren so ähnelt. Wir sind mächtige Wesen, die auf Vogelschwingen herabkamen in ihre Welt ... Vielleicht weiß in hundert Jahren keiner unter den Menschen mehr um den Ursprung dieses Krieges. Für sie waren es die Dämonen ... sie können uns nicht unterscheiden. Einige Geschichten und Sagen werden sicher untergehen, andere werden bestehen bleiben und ich hoffe, dass sie es tun. Wenn ich überlege, was wir alles zerstört haben, wie viele Leben, Existenzen, Familien ... Den Rest zähl ich hier nicht auf. Es ist wie ein böser Traum, aus dem das Land erwachte, aus dem ich nicht erwachen kann. Zu viel habe ich verloren ... Wenn ich die Gänge hier betrachte, dann fällt mir so vieles auf, was so ist wie früher ... die alten Grundmauern, auf denen der neue Turm steht und dennoch weiß ich, dass ich hier nicht das vorfinden werde, was ich suche oder zu finden glaube. Jedes mal, wenn ich in die dunklen neugierigen Augen des Kindes blicke, das der amtierende Shuten noch ist, wundere ich mich. Kahira ... der Siegreiche, ein Kind von gerade einmal 7 Jahren. Er ist so anders als Tiarandear Fei Gi Emeroad, der letzte göttliche Herrscher des Himmels, so anders wie all die anderen Shuten vor ihm: Sein Haar ist dunkelbraun, seine Augen leuchten in Aquamarin, sind weder richtig blau, noch wirklich grün ... Er ist anders, ein Kind unserer Welt ... erwählt von den Göttern uns zu führen. Der Sohn einfacher Leute. Er soll von uns lernen und wir von ihm. Er wird in sein Amt hineinwachsen und seine schwere Aufgabe gut machen. Ich bin mir sicher ... Wir werden ihm helfen ... wir, die Herren der Elemente Santo-sama, Suiteio-sama, Tahou und ich selbst ... Ashray Row La Dai. Ich bin geworden, was ich nie werden wollte ... Ich bin Tenno des Südreichs. Ich bin glücklich damit irgendwie, auch wenn mir früher alles verhasst war, was mit diesem Amt verbunden war. Ich habe versprochen etwas zu ändern, ich habe versprochen meiner Bestimmung gerecht zu werden. Ich habe es ihm versprochen, ich habe mein Versprechen gehalten. Ich werde Kahira das Lehren, was mir wichtig ist, was er wissen soll über die Shuten. Ich will ihm alles sagen und ich hoffe, dass er lernt, damit die Vergangenheit nicht wieder Gegenwart wird ... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das offizielle Ende ist hier. Es folgt: Das inoffizielle Ende oder der Bonus, wie ihr wollt. (Keika bitte vom Aussehen her so vorstellen, wie im Zusatzband ^^) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Schnell atmend schreckte er hoch, fasste sich an die linke Schulter, dann sah er panisch auf seine Hand ... da war nichts, kein Blut, kein Schmerz ... Wieder dieser Traum, der so real wirkte, diese seltsamen Ereignisse, die ihn wie Erinnerungen überkamen. Erleichtert schob Teiou sich sein Stirnband zurück, welches er trug, damit seine pechschwarzen Haare ihm nicht die ganze Zeit wirr ins Gesicht hingen. Dann ließ er sich zurück ins Gras sinken, wo er eben noch vor sich hin gedöst hatte. “Alles in Ordnung?” Über ihm erschien eine schlanke Gestalt, zunächst nur als Schatten erkennbar, wegen der Sonne, die genau im Rücken der Person stand. “Keika ...” Er musste lächeln, richtete sich ein Stück auf und betrachtete seinen Begleiter. “Hast du geschlafen? Du solltest doch auch Kräuter suchen. Ich will nicht immer alles alleine machen müssen Teiou.” Leise seufzend wand sich Keika ab. Erst jetzt fiel Teiou der Strauß voller Gräser und Kräuter auf, den der Blonde im Arm hatte. “Ich hab auf Jion aufgepasst.” Er grinste. Keika sah ihn kurz abfällig an, ging dann auf Jion zu, einen schwarzen Hengst, der hinter Teiou brav auf der Wiese gegrast hatte und verstaute seine Errungenschaften in den Körben. “Im Schlaf ... sicherlich hast du das.” So wirklich wusste Teiou nicht, was Keika wieder auszusetzen hatte. Immerhin war Jion noch genau da gewesen, wo er ihn gelassen hatte und auch sonst hatte er ja wohl in den letzten Tagen schon genug Kräuter gesammelt. Da würde es auf die paar auch nicht mehr ankommen, die er heute nicht gesammelt hatte. Er konnte ja auch nur ein paar wenige unterscheiden, ganz im Gegenteil zu Keika, der wirklich jeden Grashalm benennen konnte. “Teiou, kommst du bitte? Ich will vor der Dunkelheit ein Dach überm Kopf. Es wird sicher ungemütlich heute Nacht.” Hinter ihm raschelte es und als er blinzelte, beugte sich Keika gerade über ihn, so dass ihn einige der langen weißblonden Strähnen im Gesicht streiften. “Teiou ... du sollst hier nicht weiterschlafen.” Ungeduld schwang aus der sonst so ruhigen und sanften Stimme mit. Was hatte er doch für ein Glück. Er war Keika begegnet, dem jungen Medizinmann, der durchs Land reiste und nirgendwo wirklich zu Hause war. Teiou hatte ihn auf einem seiner abenteuerlichen Ausflüge getroffen. Vielleicht konnte man es nicht unbedingt Ausflug nennen. Er war Söldner gewesen, hatte sich so durchgeschlagen mit seiner Schwertkunst, jedenfalls war es nie langweilig gewesen. Eines Tages war Keika ihm quasi in die Arme gelaufen ... er hatte sich im Wald mit einem Wolf angelegt, wenn auch unabsichtlich, wie er immer wieder betonte. Teiou hatte den Wolf letztlich in die Flucht geschlagen, nicht ohne einige Schrammen und Verletzungen. Keika hatte ihn verarztet und seitdem war er mit ihm gegangen. Anfangs hatte der Blonde versucht ihn zu ignorieren, war zu stolz, einen “Aufpasser” zu haben, wie er es nannte, aber das hatte sich recht schnell geändert. Keika war sein Seelenverwandter und Teiou war sich sicher, dass sie sich schon mal begegnet waren, irgendwo ganz anders und seit kurzem hatte er ständig diesen seltsamen Traum. Er selbst trug eine Uniform. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass so die Uniformen der Himmelskrieger aussahen im großen Krieg. Das war irgend so eine Sage gewesen, von einem Himmelswesen, das einen Menschen gerettet hatte. Als Kind hatte er sie oft zu hören bekommen. Bei ihm war ein selten schönes Geschöpf. Es ähnelte Keika, trug auch dessen Namen, aber sah irgendwie doch anders aus. Die Haare waren heller, silbern, wenn das überhaupt sein konnte und seine Haut war noch blasser, als die von Keika jetzt. Außerdem hatte sie einen seltsamen Violettstich. “Teiou! Jetzt steh endlich auf!” er wurde am Arm gefasst und Keika versuchte ihn auf die Beine zu ziehen. Er sah ihn mit seinen blauvioletten Augen an - wieder eine Gemeinsamkeit mit seinem Traum. “Gehen wir?” “Ja, das versuche ich ja schon seit Minuten.” Der Blonde grummelte leise, ließ seinen Arm los und wandte sich dem Abgrund zu, der die Wiese zu einer Seite begrenzte. Seine langen Haare wehten im Wind, während er in die Richtung sah, wo die Sonne sich langsam dem Horizont nährte und sicher in einer Stunde verschwinden würde. In einiger Entfernung kreisten ein paar Vögel über dem Abgrund, nur erkennbar als schwarze Schatten. Einer kam auf Keika zu, setzte sich sogar auf dessen Hand, als dieser sie ausstreckte. Der kleine blaugold gefiederte Vogel war wieder da. Riri nannte Keika ihn. Riri tauchte immer mal wieder auf, als ob er kontrollieren wollte, dass ihnen nichts passiert sei. Er musste lächeln, stand nun endlich auf und umarmte Keika von hinten. “Wirst du bei mir bleiben, Teiou?” Die Worte waren leise, kaum vernehmlich. Erst wunderte er sich etwas, aber ihm war bewusst, dass Keika sich häufig darüber Gedanken machte, ob er ihn irgendwann wieder alleine lassen würde und eigentlich war er bisher auch immer sehr sprunghaft gewesen, eben bis er Keika getroffen hatte. Das war jetzt auch schon einige Jahre her. 5 vielleicht? Und dann immer noch diese Frage? Oder wollte er sich einfach nur noch einmal vergewissern? Er zog Keika näher an sich, drückte sich an ihn und beugte seinen Kopf nach vorn, so dass seine Lippen beinahe Keikas Ohr berührten. “Niemals werde ich dich alleine lassen. Ich werde dich überhaupt niemals mehr hergeben, weil du nur mir gehörst”, flüsterte er leise. Dann drehte er Keika zu sich und sah ihn ernst an. Riri flatterte indes von Keikas Arm über sie und zog dort seine Kreise. “Keika. Du bist mein Schicksalsgefährte, davon bin ich fest überzeugt und mein Seelenverwandter und ich liebe dich über alles. Ich könnte dich gar nicht mehr alleine lassen.” Keika lächelte. War es nicht das, was er immer wieder hören wollte? War es nicht das, was er auch irgendwo glaubte? Wenn es Schicksal gab, dann war es seines gewesen auf Teiou zu treffen in diesem Wald und auch wenn er anfangs absolut dagegen war, dass Teiou ihn begleitete, war er jetzt unglaublich glücklich darüber. Er schloss die Augen und lehnte sich an den Dunkelhaarigen. “Ich liebe dich auch, Teiou.” (‘Destiny ... is to be ... by your side.’) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Absolutes Ende. sorry für das lange Warten. Ich bin nicht ganz zufrieden, aber im Moment kann ich es nicht anders umsetzen. Vielleicht überarbeite ich ja alles nochmal irgendwann, mal schaun. Offene Fragen beantworte ich gerne, falls was unverständlich geblieben sein sollte, was ich fast glaube. Ansonsten bleibt mir nicht viel zu sagen als: Dankeschön fürs lesen. Was neues stelle ich mal nicht in Aussicht erstmal, da ja noch 'Stadt der Götter' offen ist. lG ~kiya Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)