Micha von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 22: Lippen so rot wie Blut ---------------------------------- Oder: Schneewittchen Nehmt den Titel nicht so ernst, ist mehr aus Spinnerei entstanden xD Und ich wollte mich noch für über 200 Kommentare bedanken ='D Ihr macht mich glücklich, damit hätte ich wirklich nie gerechnet! Nun aber: Viel spaß beim Kapitel =) Micha saß gemeinsam mit Gero, Ella, Bess, Benne und einigen anderen in der Cocktailbar unterm Galgen. Von den drei Cocktailbars, die es in der Stadt gab, war dies die billigste und obendrein gingen die Raucher hier am liebsten hin, weil es hier gestattet war. Gero hatte nur widerwillig zugestimmt hierher zu kommen. „Hey Micha, pass mal auf, ich wollt dich noch was fragen“, sagte der Rothaarige, der ihm gegenüber saß, und der Angesprochene, eigentlich gerade mit seiner Nebensitzerin, Bess, im Gespräch, sah erwartungsvoll zu ihm. „Hast du an dem Wochenende in zwei Wochen schon was vor?“ Der Blonde schüttelte auf diese Frage hin erstaunt den Kopf. Was kam denn nun? „Sehr gut, dann nimm dir mal nichts vor, du wirst nämlich mit uns wegfahren.“ „Was?“, entwich es ihm daraufhin verblüfft. „Warum das denn? Mit wem denn und wohin?“ „Eins nach dem Anderen, Jungchen. Na wir, das sind Ella, Bess, Benne, du und ich.“ „Also ich auch, Micha“, lächelte Bess ihn an und berührte beinahe beiläufig seinen Arm; doch auf Michas verwirrten Blick fuhr Gero fort zu sprechen: „Wir fahren weg.“ „Und wohin?“ Micha verstand nicht, was das alles sollte. „Nun überleg doch mal“, rief Bess und grinste ihn fröhlich an. „Wohin fährt man denn im Winter mit Freunden?“ Micha zuckte mit den Schultern und Gero fuhr ihn daraufhin an: „Mann, du hast auch ’n Brett vorm Kopf, du Depp!“ „Gero!“, fiel ihm da Bess vorwurfsvoll ins Wort, was ihr ein dankbares, wenn auch zerstreutes Lächeln seitens Micha einbrachte und Gero meinte, nun wieder etwas ruhiger: „Is ja gut, stress nich. Also Micha, wir wollten nach Österreich fahren, zum Snowboarden -“ „Skifahren“, warf Ella ein. „Wie auch immer. Wir gehen nach Damüls und da du nichts vorhast, kommst du mit.“ „Was?“, keuchte Micha erschrocken auf. „Aber… wie…?“ „Hör auf zu stottern, sondern rede in ganzen Sätzen!“, maulte Gero ihn an. „Nun hör doch endlich mal auf die ganze Zeit auf ihm rumzuhacken! Mann, das nervt mich!“ Es war Bess, die erneut für ihn Partei ergriff, doch Gero brauste auf: „Und mich nervt, dass du meinst, dass Micha nicht für sich selbst sprechen kann. Er ist schließlich nicht deine kleine Schwester, die du beschützen musst.“ Und einen Augenblick später grinste er: „Auch wenn man das manchmal meinen könnte.“ „Schon wieder!“, rief Bess. „Was?“ „Schon wieder machst du dich über ihn lustig! Herrgott, Gero, lass das doch endlich mal! Nicht jeder ist so schlagfertig wie du und auch nicht jeder ist so vernarrt in Wortgefechte wie du, also hör endlich auf!“ Etwas erschüttert sah Micha von der Einen zum Anderen und wieder zurück, bis er verlegen lächelte: „Ist schon in Ordnung Bess, ich sag’s schon, wenn es mich stört.“ „Wo er Recht hat, hat er Recht. Außerdem glaub ich, dass es eher peinlich für ihn ist, wenn er deinen Mutterinstinkt weckt“, pflichtete ihm Gero selbstgefällig bei. Bess verstummte und Micha meinte erkennen zu können, wie sich ihre Ohren röteten; allerdings sagte er nichts dazu, weil er zugeben musste, dass Gero Recht hatte. Er wollte nicht, dass Bess ihn beschützte, auch wenn er nicht wusste warum. Aber ihr das zu sagen würde sie nur noch mehr in Verlegenheit bringen. „Also, Micha? Kommst du nun mit?“, fragte Gero und lenkte das Gespräch wieder auf das ursprüngliche Thema, weswegen der Blonde ihm wirklich dankbar war, jedoch musste er zugeben: „Ich weiß nicht, ob ich mit kann, schließlich müssen meine Eltern das erst einmal absegnen und ich muss sie ja dann auch bitten mir bei der Bezahlung zu helfen. Und – na ja – ich kann weder Ski fahren, noch snowboarden, was sollte ich dann den ganzen Tag machen? Und wo wollt ihr da eigentlich zum Übernachten hin?“ „Bennes Onkel hat da ’ne Hütte. Er ist Skilehrer und solang wir keinen Scheiß bauen, hat er kein Problem damit, dass wir kommen. Außerdem müssen wir da nichts zahlen, nur Verpflegung und alles, aber da fragst du lieber Ella. Und von wegen Snowboarden; wenn es Schnee hat, können wir auch am Wochenende hier nach Heiligenberg fahren; das lernst du schon, keine Panik. Und sollte es wirklich gar nicht gehen, kannst du dich immer noch irgendwo reinsetzen oder Wandern gehen.“ Bei seinem letzte Vorschlag lachte Gero auf, doch Micha fragte weiter: „Und woher soll ich die Ausrüstung nehmen? Wenn ich meine Eltern schon um die sonstigen Unkosten bitte, müssen sie das nun wirklich nicht auch noch bezahlen.“ „Am Besten, du fragst Benne, ob er dir was ausleihen kann, der war erst dieses Jahr bei der Interboot.“ „Ich dachte, das wäre eine Bootsmesse“, fiel Micha dem Rothaarigen ins Wort, doch der stützte die Stirn in die Hände und stöhnte: „Du hast auch echt von nichts ’ne Ahnung! Hauptsächlich ist es eine Bootsmesse, heißt ja schließlich auch Internationale Bootsmesse, aber man kann auch andere Sachen da kaufen, unter anderem auch Snowboard- und Skiausrüstung.“ Nun schaltete sich auch Benne ins Gespräch mit ein: „Und das Beste daran ist, dass du Markensachen wie Burton teilweise zum Einkaufspreis bekommst.“ „Gut, dass du zuhörst, Benne“, grinste Gero. „Micha wollte dich nämlich fragen, ob du ihm Ausrüstung leihen könntest, für unseren Wochenendtrip.“ „Klar, immer gerne.“ Micha lächelte ihm freundlich zu. „Du musst halt nur schauen, ob dir die Stiefel passen“, meinte Benne dann nachdenklich. „Welche Schuhgröße hast du denn?“ „Vierzig“, kam es knapp von Micha zurück und er bemerkte, wie Benne die Stirn etwas kraus zog und Gero ein abschätziges Lachen entfloh. Ersterer meinte nun nachdenklich: „Hm, meine alten könnten dir etwas zu groß sein, aber die von meinem kleinen Bruder müssten dann passen, ich kann ihn mal fragen, der wird sie eh nicht brauchen, weil unsere Mutter ihm verboten hat wegzugehen, wenn seine Noten sich nicht bessern.“ Nun schlich sich ein schadenfrohes Grinsen auf sein Gesicht, doch anstatt weiter darauf einzugehen fuhr er fort zu sprechen: „Kannst du überhaupt Snowboarden?“ Micha schüttelte den Kopf. „Hm… ich kann meinen Onkel ja mal fragen, ob er an dem Wochenende einen Anfängerkurs hat, vielleicht kann er dich ja noch unterbringen und…“ „So’n Schwachsinn!“, unterbrach Gero ihn. „Ich bring ihm schon bei, was er wissen muss, das is doch kein Problem!“ „Natürlich, Bärli“, mischte sich nun auch Ella ein. „Aber du solltest darauf achten, dass er nicht, so wie du bei deinem ersten Mal auf dem Brett, mit Schlüsselbeinbruch und Rippenprellung nach Hause kommt.“ Bei diesen Worten lachte Benne auf, schüttelte den Kopf und grinste: „Aber du musst zugeben, Ella, der Slam hatte schon etwas graziöses.“ „Wenn du ein Trampeltier als graziös bezeichnest, dann ja.“ Ella stimmte auch in das Lachen mit ein. „Hätte er die Landung hinbekommen, wäre das ein wunderbarer Backflip gewesen!“, prustete nun wieder Benne und ein Blick auf Gero verriet Micha, dass der nur die Augen verdrehte, bis er sagte: „Jaja, lacht ihr nur, konnt ich ja nich sehen, dass da so’n behinderter Kicker stand.“ „Normalerweise übersieht man Kicker halt nicht!“ Benne konnte kaum mehr sprechen, so sehr lachte er und Gero brummte: „Mann, ich war doch erst dreizehn und stand halt das erste Mal aufm Brett!“ Mit dreizehn hatten sie sich schon gekannt? Das hieße dann, sie waren schon über sieben Jahre befreundet. Irgendwie beneidete Micha sie um diese Freundschaft. Er selbst hatte noch nie eine Freundschaft gehabt, die so viele Jahre überdauert hatte. „Also gut, Micha“, riss ihn die Stimme Geros aus den Gedanken und er sah zu ihm auf. „Wenn es nächstes Wochenende genug Schnee hat, holen wir das Snowboard und alles bei Benne und gehen dann üben.“ Etwas gezwungen nickte Micha daraufhin. Eigentlich wollte er so etwas gar nicht lernen, aber vielleicht wurde es ja doch ganz lustig. „Und was ist mit den Klamotten? Ich bezweifle, dass du Snowboardhosen hast?“, warf nun wieder Bess ein, woraufhin Micha den Kopf schüttelte, doch Benne winkte ab: „Da kann er ja auch die von meinem Bruder anprobieren, die passt ihm sicher.“ „Dann wär das ja geklärt“, meinte Gero. „Am Besten, du fragst gleich morgen deine Eltern.“ Wieder nickte Micha nur. Er hatte ja doch keine Wahl; hätte er sich geweigert wäre er sicher sofort zu Boden argumentiert worden. Seufzend lehnte Gero sich zurück und sagte, die Augen geschlossen: „Mann, ich freu mich schon auf den Après-Ski. Da gibt’s dann wieder was zum Saufen!“ „Du denkst auch immer nur ans Saufen“, stellte Ella daraufhin resigniert fest, doch Gero umfasste ihre Taille, zog sie besitzergreifend näher an sich und raunte ihr zu: „Naja, normalerweise denke ich ja nur daran, dich…“ „Gero!“, brauste sie jedoch auf und entledigte sich seines anzüglichen Griffes und der Ermahnte erzürnte sich: „Dann eben nicht! Mach doch was du willst!“ Er zog seine Hand zurück und lehnte nun den Ellenbogen genervt auf die Lehne seines Stuhles. Micha beobachtete sie schweigend und musste unwillkürlich daran denken, was Gero ihm eine Woche zuvor noch erzählt hatte. Es wirkte nicht wirklich so, als wolle der Rothaarige mit ihr Schluss machen, wenn dann eher umgekehrt. Aber vielleicht waren es ja auch eben diese Abweisungen, die ihm zu schaffen machten. Er sah nervös in sein Glas und trank einen Schluck daraus. Diese Situation war seltsam. Keiner der anderen kümmerte sich um die Beiden, für sie schien es vollkommen normal zu sein, doch Micha konnte nicht umhin es als eine Bestätigung für Geros Worte anzusehen, was ihn frösteln machte. Als er nun wieder aufsah, erkannte er, dass Ella sich zu Gero gebeugt hatte und leise auf ihn einzusprechen schien, doch Geros Miene erhellte sich nicht, er wandte sich nur weiter von ihr ab und sagte schließlich: „Lass mich doch einfach in Ruhe, Ella!“ Auf diese Worte hin schnaubte sie nur herablassend und wandte ihm auch den Rücken zu, begann ein Gespräch mit Benne, der zu ihrer Rechten saß. Der Rothaarige jedoch lehnte sich nach vorne, nahm einen Schluck seines Getränks und murmelte: „Nerviges Weib!“ „Das hab ich gehört!“, ertönte nun wieder ihre Stimme. „Na und? Ist ja nichts Neues!“ Und schon begannen sie wieder zu streiten. Besorgt sah Micha ihnen dabei zu, bis er Bess’ Hand an seiner Schulter spürte und verwirrt in ihr lächelndes Gesicht sah. „Mach dir keine Sorgen, die streiten sich doch eh dauernd. Und wenn sie nicht miteinander streiten, dann mit irgendwem anderen, die brauchen das.“ „Halt die Klappe!“, brüllten ihr nun Gero und Ella im Kollektiv entgegen und wie zur Bestätigung grinste Bess noch breiter: „Na was sag ich?“ Auch Micha zwang sich zu einem Lächeln und nickte; sie konnte Geros Absichten ja nicht wissen und er war sicher der letzte, der den Rothaarigen verraten würde. Geros linker Sitznachbar wandte sich nun zu ihm um und sagte: „Nun beruhig dich mal, Gero, rauch eine, dann geht’s dir wieder besser.“ Und mit diesen Worten hielt er ihm eine geöffnete Zigarettenschachtel hin. Doch der dachte bei diesem Angebot erst gar nicht daran sich zu beruhigen, sondern brüllte: „Asoziales Arschloch!“ „Was hast’n du jetzt für’n Problem?“, fragte ihn der Beleidigte daraufhin pikiert und zog die Kippenschachtel wieder zurück. „Was ich für’n Problem hab? Ich? Ich zeig dir gleich vor der Tür, was ich für Probleme hab!“ Die Gespräche an ihrem Tisch waren verstummt. Aller Blicke ruhten auf Gero und niemand wagte es mehr etwas zu sagen. Selbst Bess war das Grinsen vergangen. Es lag eine gewisse, unangenehme Spannung in der Luft und jeder spürte, wie knapp diese Situation vorm Eskalieren war. „Hey Bärli, woher sollte Carlo denn bitte wissen, dass du aufgehört hast? Und prügeln wirst du dich heute Abend ganz sicher nicht!“ Ella war die Einzige, die sich traute so mit Gero zu sprechen, ihn so anzuherrschen, ihm Befehle zu erteilen. „Weißt du eigentlich, wie bumms mir das ist? Und wenn nicht für das Angebot, dann hau ich ihm eben wegen seinem scheiß Grinsen eine aufs Maul!“ „Geht’s eigentlich noch? Ich glaub, du brauchst mal etwas frische Luft, damit dein Hirn wieder klar denken kann!“ Ihre Stimme war weder schrill, noch hysterisch, alles was sie war, war laut und Micha war wohl nicht der Einzige, der sich fragte, wann der Wirt kam, um sie rauszuwerfen. „Das glaube ich allerdings auch!“, schmetterte Gero ihr jedoch entgegen und erhob sich, schnaufend aus der Bar herausstampfend, die Blicke, die ihm erstaunt folgten, ignorierend. Kaum war er draußen, seufzte Ella und wandte sich an Micha: „Na toll, jetzt hat der Idiot auch noch seine Jacke vergessen! Kannst du sie ihm bitte bringen und ihn wieder runter bringen? Du scheinst irgendwie beruhigend auf ihn zu wirken, keine Ahnung warum…“ Stumm nickte Micha, froh aus dieser seltsamen Atmosphäre zu entkommen. So nahm er sich seine eigene Jacke, die von Gero, quetschte sich so gut es ging aus der Bank und folgte Gero nach draußen. Die eiskalte Luft schlug ihm entgegen und sein Atem verwandelte sich in kleine Dampfwölkchen. Prompt begannen ihm die Zähne zu klappern und so schnell er konnte, zog er sich seine wärmende Jacke über. Dann ging er los, um nach Gero zu suchen, doch er musste nicht weit laufen; schon von weitem hörte man Geros Stimme über den Landungsplatz hallen und sofort darauf die eines Anderen. Mit wem stritt er sich wohl nun wieder? Resignierend seufzte Micha und ging langsam auf die Stimmen zu, doch als er ihre Silhouetten erkennen konnte, stockte er. Prügelten sie sich da etwa? Zumindest sah es danach aus und auch die Worte, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen, bestätigten diese Vermutung. Seine Augen weiteten sich, er beobachtete sie einen Moment lang. Gero schien die Oberhand zu haben und der Andere musste anscheinend schwer einpacken, doch sah Micha genauso dessen Kumpane, die sich hinter ihm aufgebaut hatten; Gero war allein. Sollte er besser zurück laufen und die anderen holen? Oder war es doch besser, wenn er hier stehen blieb und das Geschehen erst einmal beobachtete? Gero schlug weiter auf den Anderen ein, schien kaum mehr zu bremsen zu sein, bis der es schaffte auch einen Schlag in dessen Gesicht zu platzieren. Daraufhin taumelte Gero zurück, hielt sich für einen Moment die Hand vors Gesicht, als hätte er starke Schmerzen. Micha keuchte auf. Doch als Gero daraufhin aufbrüllte und wie rasend auf seinen Gegner zu rannte, ergriff Michas Körper die Oberhand. Er lief auf sie zu und rief dabei: „Gero! Gero, lass das!“ Dann war er endlich bei ihnen angekommen und versuchte den Rothaarigen wegzuzerren. Doch dieser armselige Versuch bewies ihm nur wieder, dass er Gero kellertief unterlegen war. Dennoch ließ er nicht locker, rief weiter auf Gero ein, zerrte an dessen Arm, dass dieser vom Anderen abließ und nicht auch noch dessen Kumpel auf ihn losgingen. Der Rothaarige schien wirklich in Raserei, denn er achtete gar nicht auf Michas Bemühungen, schlug einfach weiter zu. Dieser Armleuchter hatte es gewagt eine Faust in seinem Gesicht zu platzieren, das hatten bisher noch nicht viele gewagt und die, die so dreist gewesen waren, machten nun einen weiten Bogen um ihn. „Gero!“, rief Micha erneut verzweifelt, klammerte sich an den Arm des Größeren, doch seine Stimme schien gar nicht erst zu ihm durchzudringen. Der Atem stob ihm aus den Nasenlöchern und er erinnerte Micha unwillkürlich an einen Stier. Was sollte er nur tun, alles Ziehen und Zerren half nichts, er war einfach zu schwach! Doch plötzlich spürte er, wie Gero zurückgerissen wurde; er sah zu demjenigen, der Gero unter den Achseln gepackt und die Hände hinter dem Nacken des Rothaarigen verschränkt hatte, drückte diesen nach unten, sodass Gero keine Möglichkeit hatte, als stillzuhalten und sich zu fügen. Starr vor Schreck sah Micha nun zu Geros Gegner und bemerkte erleichtert, dass auch dieser nun zurückgehalten wurde, da begann derjenige, der Gero in der Mangel hatte, auf ihn einzusprechen: „Hey Mann! Hör gefälligst auf mit dem Scheiß! Am Besten, du verpisst dich jetzt mal ganz schnell, sonst hast du uns gleich alle aufm Hals!“ „Lass mich los!“, presste Gero zwischen aufeinander gedrückten Kiefern hervor; offenbar war dieser Griff nicht ganz schmerzfrei. „Hör auf zu stressen, dann lass ich dich los“, war die gelassene, fast schon höhnische Antwort und Micha konnte förmlich spüren, wie Gero sich zusammenreißen musste, um nicht auszurasten und in blinder Wut um sich zu schlagen. „Und am Besten, du entschuldigst dich noch bei unserem Freund.“ Gero musste seinen Atem offenbar stark kontrollieren und Micha sah, wie sich seine Muskeln verkrampften, noch nie hatte er ihn so wütend und zugleich hilflos erlebt. Doch im nächsten Moment wurde noch stärkerer Druck auf Geros Genick ausgeübt, was diesen aufschreien und beinahe in die Knie sinken ließ. „Hast du mich verstanden?“, zischte der Kerl hinter ihm. Ein gepresstes „Ja!“ entglitt Geros Lippen, doch der Hintere brüllte: „Ich hab dich nicht verstanden!“ „Ja, verdammt!“, rief Gero zurück und wurde im nächsten Moment losgelassen, ein Stück nach vorn geschubst, woraufhin er sich seinem ersten Gegner gegenüber sah. Angewidert spuckte der Rothaarige aus, reichte dem Anderen dann aber doch die Hand. Als dieser sie ergriff, zog Gero ihn nahe an sich heran, quetschte seine Hand, dass er schmerzerfüllt aufkeuchte und sah ihm einen Moment nur in die Augen, dann ließ er ihn los und drehte sich zum Gehen um. Die Gruppe tat es ihm gleich, jedoch nicht, ohne ihm noch einmal einen beleidigenden Spruch nachzurufen, was ihn jedoch nicht mehr zu interessieren schien. Nachdem Micha ihm einige Sekunden später immer noch nicht folgte, drehte er sich zu ihm um und rief ihm wütend zu: „Wo bleibst du denn, Kurzer? Hast du Wurzeln geschlagen, oder was?“ Und nun kam wieder Leben in Micha, sodass er sich beeilte zu Gero aufzuschließen. Nebeneinander saßen sie auf den eiskalten Steinstufen des Landungsplatzes im blassen Licht einer der Straßenlaternen und wechselten kein Wort, starrten nur aufs Wasser. Geros Blick war noch immer mürrisch, was Micha allerdings nicht wunderte, die vorige Situation war schließlich alles andere als ruhmreich gewesen. Verstohlen sah er zu Gero, der sich seine Jacke lediglich um die Schultern gehängt hatte und das trotz des eisigen Windes; es waren bestimmt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Micha schlotterte schon vor Kälte. Er zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke darüber. Dann zog er eine Packung Taschentücher aus seiner Jackentasche, in der er die klammen Hände vergraben gehabt hatte, und nahm das letzte heraus. Damit bewaffnet kniete er sich nun vor Gero und begann diesem die Nase abzuwischen, was der sich allerdings nicht gefallen ließ, sondern seine Hand wegschlug, ihn zornig anfunkelte und gefährlich ruhig fragte: „Was zur Hölle wird das?“ „Du blutest aus der Nase“, war die schlichte Antwort Michas und er setzte erneut an, Gero das Blut aus dem Gesicht zu tupfen. Der jedoch riss ihm ruppig das Taschentuch aus der Hand, wischte sich selbst das Blut weg und meinte, noch immer gereizt: „Das weiß ich selbst und von dir bemuttert zu werden, ist das Letzte, was ich will!“ Micha seufzte. Er konnte doch nichts dafür, dass Gero sich mit denen angelegt hatte. Er war doch derjenige, der versucht hatte, ihn davon abzubringen, ihn zu beruhigen. Aber Gero hörte ja nicht auf „kleine, blonde Jungs“. Missmutig beobachtete er Gero bei den Versuchen das Blut ganz wegzubekommen, bis der das Tuch sinken ließ, dann ergriff Micha wieder seine Chance: „Du hast immer noch Blut im Gesicht und mit den Lippen siehst du aus wie Schneewittchen.“ Es stimmte tatsächlich, seine Lippen waren vom Blut rot gefärbt und die Haut wirkte im faden Licht aschfahl, nur die Haare und die maskulinen Züge störten das Bild des perfekten Schneewittchens. „Ha ha! Sehr lustig“, lachte er affektiert. „Bitte, dann mach du’s halt weg.“ Er übergab Micha das schon zur Hälfte rot gefärbte Tempo, das dieser ergriff und sich erneut ans Werk machte. Er lehnte sich nach vorne, stützte die Hand auf Geros Bein ab, etwas oberhalb des Knies. Vorsichtig entfernte er das Blut vom Kinn seines Gegenübers. Als Micha ihm nun über die Lippen fuhr, öffnete er diese leicht, so wie Frauen es taten, wenn sie Lippenstift auftrugen, und der weiße Atem kam ihm entgegen, roch nach Alkohol, doch er wich nicht zurück. Im Gegenteil, mehr noch kam er ihm näher und die Bewegungen seiner Hand wurden langsamer, hielten schließlich ganz inne und er ließ sie sinken, legte sie auf den Oberarm Geros. Kam ihm noch näher. Schloss die Augen. Bis ihm Geros Stimme in die Ohren kam: „Und was wird das jetzt, wenn’s fertig ist?“ Erschrocken riss er die Augen auf und gewahrte sich erst jetzt der Situation in der er sich befand: Die eine Hand auf Geros Oberschenkel, die andere auf seinem Arm gestützt, die Lippen Millimeter von denen des Rothaarigen entfernt, war er kurz davor gewesen diesen zu… Er wagte nicht einmal es zu Denken! Die Lippen aufeinander gepresst sah er in Geros fragende Augen, der die Augenbrauen hochgezogen hatte und ihn nun eindringlich musterte. Er schluckte schwer, konnte nicht antworten, sich nicht rühren, bis erneut Geros erstaunlich ruhige Stimme erklang: „Was auch immer du hier vorhattest, du vergisst es lieber ganz schnell wieder und gehst sofort von mir runter!“ Erst jetzt kam wieder Leben in seine tot geglaubten Glieder und er sprang hastig auf, wandte das Gesicht ab; Gero sollte bloß nicht bemerken, wie rot er anlief. Als Gero auch einige Sekunden später nichts sagte, ergriff Micha unsicher das Wort: „Gero, ich wollte dich nicht kü…“ „Sprich es nicht aus!“, unterbrach ihn Gero. „Aber ich hab doch gesagt, dass ich dich eben nicht kü…“ „Wag es nicht, das auszusprechen!“ „Tut mir leid“ Micha senkte den Blick wieder, folgte Gero jedoch langsam, als der sich erhoben hatte und wieder in Richtung Cocktailbar aufbrach und sagte: „Das will ich auch hoffen und sollte so etwas noch mal passieren, oder auch nur fast passieren, dann mach ich dich nen Kopf kürzer und du wirst sicher verstehen, dass eine Freundschaft dann ziemlich kompliziert werden dürfte. Also pass lieber auf!“ Ein Kloß steckte in Michas Hals und er vermochte nicht diesen zu schlucken. Was hatte er sich auch nur dabei gedacht so etwas zu tun, oder zu versuchen, wie man es nahm. Wie konnte er nur so unglaublich naiv und dumm sein, zu vermuten, dass es nicht einseitig war? Als sie wieder bei den anderen waren und Ella schon begann Gero zu schelten, weil der sich offensichtlich geprügelt hatte, kam er zu dem Schluss, dass er gar nicht gedacht hatte und am liebsten hätte er sich für diese Tatsache geohrfeigt. Als er wieder saß, sprach Bess ihn an und wollte wissen, was passiert war und er warf einen vorsichtigen Blick zu Gero, der diesen drohend erwiderte, ihm somit klarmachte, ja nichts Falsches zu sagen; doch im nächsten Moment wandte er das Gesicht wieder von ihm ab und dafür Ella zu, auf die er einsprach, damit sie sich beruhigte. „Nichts Besonderes“, antwortete er also. „Gero hat sich mit so nem Typen geprügelt und eine mitbekommen, ansonsten war nichts.“ Wenigstens die halbe Wahrheit war es. Weswegen log er eigentlich für Gero? Mal wieder ein etwas längeres Kapitel =) Oje, ihr habt ja keine Ahnung wie das ist, wenn man mit Sonnenbrand an den Beinen und am Dekolletee übers Ski und Snowboard fahren schreiben muss >__>" Ich hoffe trotzdem euch hat's gefallen. LG, Terrormopf :] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)