So hell wie die Sterne von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- So hell wie die Sterne by Shiriki "Ich bin...Tomonori. Ich bin..." Immer wieder murmelte ich diesen Satz vor mich hin, immer wieder tauchte mein eigener Name darin auf, der bei jedem Mal mehr klang wie ein Fluch. "Tomonori..." Auf dem Flachdach unseres Reihenhauses, wo ich bereits seit über einer Stunde gesessen und nachgedacht hatte, wehte ein lauer Wind, der mir die Haare zauste und mich frösteln ließ. Normalerweise war es wärmer, doch nun schien es, als kündigte der starke ungewöhnliche Luftzug eine baldige Veränderung an, die, ob nun positiv oder negativ, mein Leben in andere Bahnen lenken sollte. Ich seufzte schwach und schmeckte die Bitterkeit, die mich überfiel und nicht mehr losließ, bereits so deutlich, dass ich einen Augenblick später den Impuls unterdrücken musste, zu würgen und mich auf den glatten, dunklen Boden zu erbrechen. Während sich meine eine Hand in den Stoff meines Shirts krallte und sich dort verkrampfte, stützte ich mich mit der anderen ab und hoffte, mich wenigstens noch auf den Knien halten zu können. Die Spitzen meiner kurzen blauen Strähnen berührten beinahe die Erde, ich zuckte mehrmals zusammen und hustete, bis mir die Luft knapp wurde. Ich bin Tomonori. Erneut kreuzte dieser Satz meine Gedanken. Tomonori, der Name, der mir von meiner Mutter gegeben wurde. Die Frau, die meine Mutter war, musste bereits schlafen und ich hoffte, ich würde sie nicht auch in dieser Nacht wieder beruhigen müssen, wenn sie wimmernd aufwachte und anschließend in ihrem eigenen Bett zusammenbrach. "Wie lange noch? Wie oft muss ich all das noch erleben?", flüsterte ich. Die Veränderung, schon so deutlich in alle Facetten des Alltags gmeißelt, sie musste eintreten. Schnell. Gleich... Wann? Inzwischen hatte sich mein Körper wieder beruhigt und ich konnte mich letztendlich gerade hinsetzen. Vor mir lag die gesamte verdammte Stadt, mit ihrem Lärm, ihren Gerüchen und ihren Lichtern. Es wäre schön, nein, weitaus schöner noch, dachte ich, wenn all das verschwinden würde. Wenn es nichts mehr gäbe, außer den endlosen Weiten einer grasbewachsenen Ebene, über die die Wolken von Sturmwind gepeitscht hinweg ziehen und irgendwo in der Ferne den Horizont berühren würden. Keine Eile mehr. Keine Zeit. Was wäre dann? Hm? "Ja, was wäre dann?", schrie ich in die Dämmerung hinein. In solchen Momenten gab es für mich keine Masken mehr, die ich ansonsten tagtäglich trug, um das naive Weltbild meiner Mitmenschen und Bekannten nicht zu zerstören. "Tomonori? Das ist doch so ein freundlicher Junge!" Oh, ja. All die Kommentare, all das Lob und die Wertschätzung, die aus den Worten und Gesten meines Umfeldes sprachen, waren mir nichts wert. Nichts daran war echt, nichts daran kam aus einem reinen Geist. Lieber wollte ich die Verachtung, lieber wahren Hass, doch die Heucheleien der schwachen Kreaturen, die sich um mich herum scharten, veranlassten mich in regelmäßigen Abständen ein kleinen Stückchen mehr auf Distanz zu gehen. Ich wollte meine Mutter nicht mehr pflegen, sie band mich zu sehr an sich und bewies mir nur, wie bedeutungslos der einzelne Mensch war. Was kostet ein Leben? Wieviel ist es wert, in dieser Welt? Ein paar Yen? Ich wollte in dieser Zeit nicht mehr leben. Alles ging zu schnell, zu einfach und die wahren Werte gingen verloren... "Na?", brüllte ich, lauten noch als vorhin, "Wann erstickt ihr endlich in eurem Dreck?" Ich wollte eine Revolution, das Ende von allem, was der Allgemeinheit heilig war, nur um auf den Dächern der brennenden Häuser stehen zu können und zu lachen. Wenn ich Macht hätte, das wusste ich, gäbe es Krieg. Ich rief mir die Skizzen in Erinnerung, die überall in meinem Zimmer verstreut lagen, Skizzen von fremdartigen Wesen, die mir unterstehen würden, hätte ich einen Wunsch frei. Mein Finger tasteten mein Hosenbund ab und dort war es, was ich gesucht hatte: In einer kleinen ledernen Tasche, die ich niemals ablegte, befand ich mein Push Dagger, das Glanzstück meiner Messersammlung. Damit kann man nichts anderes, als töten. Schnitzen funktioniert nicht. Damit kann man nur zustechen. "Mein Reich würde ewig sein und mein Glanz wäre so hell wie der der Sterne...", flüsterte ich verzückt und entschlossen. "Du bist selbstverliebt.", erklang eine Stimme in meinem Kopf. "Narziss!" "Idiot!" Mein Vater. Ich lachte. "Nie wieder wird mich ein Mensch verunglimpfen! Ich bin Tomonori Komori!", rief ich und spürte, wie in meinem Innern ein Feuer anfing zu brennen." "Ich bin stark! Es wird nicht mehr lange dauern, dann ist es für euch da unten vorbei!" Meine anfängliche Angst vor dem Umsturz war nun gänzlich verschwunden. Vielmehr lag eine angespannte Erwartungshaltung vor und meine Augen weiteten sich, als sich ein vollkommen unbekanntes Wesen in mir meldete. Ich richtete mich hoch auf, überblickte die weite Siedlung und während der Wind stärker und stärker wurde, sodass ich meine Mütze festhalten musste, damit sie nicht weg wehte, rief es nach mir. "Du bist Tomonori? Tomonori!" Und vor meinem geistigen Auge verdichtete sich das Bild einer langen Klinge... Die Push Dagger Form... "Wenn du willst, können wir hoch über die Stadt fliegen, Tomonori!" Ich lachte, laut und hart. Das war es, das musste es sein! In dieser Nacht verließ ich mein Zuhause. Meine Mutter sollte noch in der selben Nacht sterben. Und ich stand weit über der Tokyo Bucht und breitete die Arme aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)