Novemberlied von Bienchen1709 ================================================================================ Kapitel 9: Der Wunsch nach Stärke --------------------------------- Tada! Da bin ich wieder. Wie gesagt es dauert jetzt immer ein wenig länger bis ich wieder erscheine, ich hoffe ihr habt dafür Verständnis. Zuerst natürlich noch einmal vielen Dank für die Kommentare und natürlich auch für's Betalesen. Ich hab dich lieb, Chiyoko! Mein Inspirationslied zu diesem Kapitel war Coldplay- Fix You, wer mag kann es nebenbei bei Youtube hören, ich denke es passt wirklich sehr gut dazu. Sonst habe ich erstmal nicht viel mehr zu sagen, außer viel Spaß bei Lesen. Liebe Grüße Euer Bienchen Kagome dachte ihr Herz würde stehen bleiben, als sie ihn in der Dunkelheit verschwinden sah. Plötzlich fühlte sich alles taub an, kein Gefühl erfasste sie mehr wirklich. Alles, was sie noch bewusst spürte, war, dass ihr Herz einige Schläge aussetzte, bis es so schmerzhaft gegen ihre Rippen schlug, dass es ihr schwerfiel, nicht vor Schmerzen aufzuschreien. Sie schlang ihre Arme um ihren Körper und legte ihre zittrigen Hände auf ihre Oberarme, versuchte die Angst, die sich langsam immer weiter in ihr Bewusstsein vorkämpfte zu verdrängen, indem sie ihren Atem anhielt, und versuchte ihren schmerzenden Herzschlag zu kontrollieren. Aber die Angst blieb und schließlich wurde sie zu dem einzigen Gefühl, dass noch einen Sinn ergab, als sie alleine auf der kalten, verlassenen Straße stand und sich, mit dem ersten richtigen Atemzug, den sie tat, Tränen einen Weg nach draußen ebneten. Tränen die sie noch nicht versuchte zu unterdrücken. War sie denn wirklich wieder vollkommen allein? War die einzige Person, die ihr ihren Schmerz nehmen, konnte gegangen, oder war sie nicht einmal wirklich bei ihr gewesen? Komm zurück, dachte sie, als Tränen von ihrem Kinn auf ihr Kleid und schließlich auf den dunklen Asphalt fielen. Komm zurück, egal ob du dich nur rächen willst, oder nicht. Belüg mich, betrüg mich, nur komm zu mir zurück, Inu Yasha. Sie hörte ihr eigenes Schluchzen und presste ihre Arme noch fester an ihren Körper, der sich schwach und zittrig anfühlte. Warum hatte sie ihn darauf angesprochen, warum hatte sie ihm misstraut? Vielleicht war alles nur ein großes Missverständnis, nichts weiter als ein dummes Gerücht und vielleicht hatte sie ihre Beziehung zu Inu Yasha zerstört, weil sie ihm so misstraute. Ein Auto kam um die Ecke gebogen, und als Kagome die Scheinwerfer dieses Autos ausmachte, drehte sie sich schnell zur Seite, damit der Fahrer ihr verweintes Gesicht nicht erkennen würde. Warum nur war sie so schwach, so misstrauisch, so furchtbar kläglich? Warum nur konnte sie nicht stark sein, keine Tränen über etwas vergießen, von dem sie nicht im Geringsten wusste, was es zu bedeuten hatte? Wieso konnte sie nicht aufrecht stehen, nach Hause gehen und Inu Yasha an einem anderen Tag noch einmal zur Rede stellen? Sie schlug sich die Hände vor das Gesicht, als der Schmerz kaum noch auszuhalten war, und weinte lautlos in ihre kalten Handinnenflächen. Sie wollte nicht weinen, sie wollte gleichmütig sein, aber umso mehr sie daran dachte, wie furchtbar schwach sie war, desto mehr Tränen kämpften sich einen Weg nach draußen. Und in diesem Moment verstand sie zum ersten Mal in ihrem Leben, dass ihre größte Schwäche der Wunsch nach Stärke war. Sie war acht, als sie begriff- wirklich begriff-, dass ihr Vater sie nicht liebte. Unterschwellig hatte sie immer ein ungutes Gefühl, wenn sie mit ihrem Vater alleine in einem Raum war. Waren es auch nur die fünf Minuten, in denen ihre Mutter einen neuen Kaffee für ihn zum Frühstück kochte und in der Küche verschwand. Doch da war sie noch zu jung, zu naiv und hatte noch vertrauen darin, dass jeder Mensch einen anderen lieben würde. Sie wusste nichts von Kriegen, nichts von Diskriminierung, nichts von Verrat und ebenso wenig wusste sie, dass ihr Vater sich einen Sohn gewünscht hatte und enttäuscht war, als sein erstes Kind ein Mädchen wurde. Ihr Vater war selten zu Hause und sie glaubte, dass Väter sich eben nicht so um ihre Kinder kümmern würden, wie Mütter, zweifelte aber nie daran, dass ihr Vater sie liebte, auch wenn er kaum mit ihr sprach. „Du bist schwanger?“, hatte er gefragt und war voller Freude aufgesprungen, hatte seine Frau in seine Arme gezogen und mit Küssen überhäuft. Kagome selbst saß an diesem Abend oben auf den Treppenstufen und beobachtete ihre Eltern grinsend. Sie würde ein Geschwisterchen bekommen, eine kleine Schwester, oder einen Bruder um das sie sich kümmern konnte. Sie hatte ihren Vater noch nie so enthusiastisch gesehen und wollte am liebsten die Treppen hinunterlaufen, damit sie auch umarmt und geküsst werden würde, aber sie sollte schon seit einer Stunde im Bett sein. „Es wird ein Junge, richtig?“, fragte er, als er sich von seiner Frau gelöst hatte. „Es ist noch zu früh um etwas Genaues sagen zu können, aber der Arzt glaubt, dass es ein Mädchen wird, nach den letzten Ultraschallbildern zu urteilen”, erwiderte sie und ihr Mann sah so aus, als hätte er einen harten Schlag auf die Nase bekommen. Zuerst verzogen sich seine Mundwinkel, dann taumelte er einige Schritte rückwärts und fuhr sich mit einer Hand durch das volle, braune Haar. „E-ein Mädchen?“, stotterte er und löste den Blick von seiner Frau. „Es ist nicht sicher, wie gesagt, Genaueres kann uns der Arzt vielleicht beim nächsten Mal sagen.“ „Du wirst es abtreiben”, sagte er dann emotionslos, sein Gesicht nun starr wie eine Maske. Kagome die seine Worte vernahm riss erschrocken ihre Augen auf. Sie wusste nicht viel über Abtreibung, doch durch Sango, die immer Frauenzeitschriften von ihrer Mutter klaute, wusste sie, dass das bedeutete das Kind zu töten. „W-Was?! Nein!“, brachte ihre Mutter erschrocken hervor und nun richtete ihr Vater wieder seinen Blick auf sie. Er sah kalt und gefühllos aus, aber trotzdem spürte man seine Wut und Enttäuschung nur zu deutlich. „Du willst dich mir wieder widersetzen?!“, fragte er seine Stimme bedrohlich, sodass Kagome ihre Arme um ihre Beine schlang und leicht hin und her wippte. „Das lasse ich nicht zu, Liebes. Du hast schon einmal deinen Kopf durchgesetzt und jetzt siehst du ja, was daraus geworden ist!“, fauchte er und schritt immer näher auf seine Frau zu. Seine Muskeln spannten sich unter seiner Kleidung, seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und Kagome hielt erschrocken die Luft an. „Rede nicht so über Kagome!“, erwiderte ihre Mutter verzweifelt und da begriff Kagome, dass ihr Vater sie nie gewollt hatte, dass er sich wünschte, sie würde gar nicht existieren. Ihr Vater hob seine Faust und hielt sie bedrohlich vor das Gesicht ihrer Mutter, doch bevor er seine Beherrschung über sich vollkommen verlor, zog er seine Hand wieder zurück und tat einen Schritt rückwärts. „Kagome war ein Fehler und ich werde keinen Zweiten erlauben”, sagte er dann drohend und ließ seine schluchzende Frau alleine im Wohnzimmer. Das Kind wurde ein Junge. Es war an dem Geburtstag väterlicherseits, als sie ein weiteres Mal mit voller Wucht erfuhr, was es bedeutete ein Mitglied der Familie Higurashi zu sein. Sie war damals vierzehn. Ihre Cousine kam zu diesem Anlass aus Europa angereist und erzählte eifrig von ihren Erfahrungen, davon wie sie Vizechefin einer großen Immobilienfirma geworden war und wie perfekt ihr Leben verlief. Die Familienmitglieder und sie selbst lauschten ihren Erzählungen, und als sie endeten, hatte ihr Opa väterlicherseits gesagt: „Da siehst du es Kagome, wenn du dich endlich mal etwas bemühen würdest, könnte auch aus dir etwas werden.“ Sie lief fürchterlich rot an und starrte auf ihren Teller. Sie bemühte sich. Oh Gott, wie sehr sie sich bemühte die richtigen Noten mit nach Hause zu bringen, einen Job bei der Schülerzeitung zu bekommen, oder sonst irgendetwas zutun, das ihren Vater zufrieden stimmen würde. Aber es war nicht genug, es war niemals genug. „Aus Kagome wird nichts, ich habe alle meine Hoffnungen aufgegeben. Sie ist zu faul und zu dumm”, hatte ihr Vater erwidert und nun wich ihr gesamtes Blut aus ihrem Kopf. Sie erhob ihren Blick nicht von ihrem Teller, aber sie wusste, dass sie jetzt von jedem am Tisch angestarrt wurde. „Sie hat es doch tatsächlich nicht einmal geschafft, einen besseren Schnitt als 2,0 im letzten Halbjahr zu erhalten. Hier ich zeige es euch.“ Er hatte Kagome angesehen und seine Gabel beiseitegelegt. „Kagome, welche Länder waren am ersten und Zweiten Weltkrieg beteiligt?“ Kagome hob ihren Blick immer noch nicht an. Sie wusste einige Länder, aber sie war zu ängstlich und kein Wort wollte über ihre Lippen kommen. „Okay, okay. Neuer Versuch.“ Alle am Tisch lachten, bis auf ihre Mutter, die ihren Kopf ebenfalls gesenkt hatte und so aussah als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. „Wann und wo wurde John F. Kennedy erschossen, Kagome?“ Am 22. November 1963 in Dallas, schoss es ihr durch den Kopf, aber ihr Mund öffnete sich immer noch nicht. „Das meine ich. Entweder sie ist dumm, oder sie weiß einfach nicht, wie sie ihren Mund bedient”, hatte er gelacht und einen Schluck Rotwein getrunken, als seine Familie in sein Lachen eingestimmt hatte. Kagome hatte nichts erwidert und auch ihre Mutter schien zu ängstlich um ihren Mann etwas entgegensetzen zu können. Dann hatte sie Sotas kleine Hand auf ihrer gespürt. Sie schielte kurz zu ihrem kleinen Bruder herüber, der sie mit vielen Zahnlücken angrinste und der Schmerz wurde unerträglich. Sie wischte sich die verbliebenen Tränenspuren fahrig aus dem Gesicht, als sie die Treppen zum Schrein hinauf ging. Sie wollte nicht zurückdenken, wollte nicht noch mehr weinen, vor allen Dingen nicht über Erinnerungen weinen. Es war einfach alles zu viel gewesen an diesem Abend und sie brauchte wahrscheinlich nur ein wenig Schlaf, um alles wieder klarer sehen zu können. So leise wie möglich schloss sie die Tür zu ihrem Haus auf und schlich sich hinein. Doch gerade als sie die ersten Treppenstufen hinauf zu ihrem Zimmer gegangen war ging das Licht an und Kagome erfror in ihrer Bewegung. „Du bist schon wieder da? Es ist noch nicht einmal zwölf Uhr”, hörte sie ihre Mutter verschlafen von unten hinauf sagen, aber sie drehte sich nicht zu ihr um. „Alles in Ordnung, Liebes? Ist irgendetwas passiert?““, fragte ihre Mutter sie besorgt, als Kagome ihr keine Antwort gab. Kagome blieb stumm und starrte auf die Treppenstufen vor sich. Sie wollte nicht darüber reden, wollte erst einmal alles für sich selber verarbeiten und vor allen Dingen wollte sie nicht, dass ihre Mutter sehen würde, dass sie mal wieder geweint hatte. „Kagome?“, fragte ihre Mutter vorsichtig nach und die Angesprochene hörte leichte Fußschritte hinter sich. „Mir geht es gut, Mama. Ich bin nur müde, das ist alles.“, erwiderte Kagome schnell und ging die restlichen Treppenstufen hinauf, bevor ihre Mutter etwas einwenden konnte. „Gute Nacht, Mama”, flüsterte sie, als sie an ihrer Tür angekommen war. „Gute Nacht, Kagome”, entgegnete ihre Mutter seufzend und Kagome schloss gerade noch rechtzeitig die Tür hinter sich, weil schon wieder die ersten Tränen ihren Weg nach draußen fanden. Schluchzend rutschte sie an ihrer Tür hinunter und starrte mit Tränenverschleierten Blick aus dem gegenüberliegenden Fenster von dem aus sie einige Sterne sehen konnte. Würde es denn so zu Ende gehen? Würde sie wieder alleine sein, weil sie versagt hatte? War sie denn nichts weiter als eine Enttäuschung für alle Menschen, die sie kannten? Wer würde ihr gerissenes Herz heilen, wenn nicht Inu Yasha? Sie presste ihre Lippen zusammen, um nicht zu laut zu schluchzen, und legte ihre Stirn auf ihren Knien ab, die sie fest an ihren Körper gepresst hatte. Wer würde sie lieben, wenn nicht er? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)