Days of Horror von Mikito (Bomben auf der Christopher Street) ================================================================================ Kapitel 17: Dienstag - 3. Juli ------------------------------ ~~~~ 27. Revier ~~~~ Inzwischen waren vier Tage vergangen. Vier Tage, die für Dee die Hölle waren. Ständig war er bei Ryo in seinen Gedanken. Konnte sich nur schwer auf seine Aufgaben im Dienst konzentrieren. Ein Glück, dass Chris Jackson ihm ständig vor größeren Fehlern bewahrte. Doch das würde nicht mehr lange so weitergehen können, das wussten Dee und Chris genauso gut. Es würde der Tag kommen, wo Dee alleine für seine Fehler gerade stehen musste. Das merkwürdige an diesen vier Tagen war zudem, dass sich der Bomber nicht rührte. Da hatte man angenommen, nach dem Angriff auf Jims Dateien würde er nun in rascher Folge wieder zuschlagen, aber nichts. Keine Spur. „Was meinst du, warum er so ruhig ist?“ „Auch, wenn es sich hart anhört, Dee. Aber ich glaube, er genießt sein neues Spielzeug.“ Dee zuckte merklich unter den Worten von Chris zusammen, obwohl er sich das selbst bereits eingestanden hatte. In den Nächten war es besonders schlimm. Wenn er nicht einschlafen konnte und sich Ryo vorstellte, wie er von dem Bomber schikaniert wurde. Er wollte nicht so weit gehen, dass er ihn sich vergewaltigt und gefoltert vorstellte, aber die Möglichkeit bestand, da machte er sich nichts vor. Und mit jedem Tag, eher mit jeder Stunde, die verging, wurde er selbst nervöser. Ein kurzes Klopfen, und ein violetthaariger Bursche steckte seinen Kopf in das Büro. „Dee, Chris. Barclay will euch sprechen. Er scheint in nicht guter Laune zu sein,“ grinste er ihn frech an, wusste J.J. ja auch nichts von Dee’s seelischer Qual. Langsam erhob dieser sich und ging mit seinem neuen Kollegen ins Büro des Commissioners. ~~~~ Ryo’s Gefängnis ~~~~ Ryo lag noch immer so gefesselt auf dem Tisch, der sich inzwischen als sehr vielseitig entpuppt hatte. Dieser konnte in alle möglichen Richtungen geschwenkt werden, sowohl horizontal als auch vertikal, und von beiden mochte Ryo nicht eine Variante. Manche Teile waren sogar separat beweglich. Dort, wo seine Arme und Beine fest geschnürt waren, konnten diese je nachdem, was der Bomber vorhatte, verändert werden. Noch immer trug er seine Augenbinde und fühlte sich von Tag zu Tag unwohler darunter. Sein Zeitgefühl hatte ihn völlig verlassen. Hinzu kam, dass sein Peiniger so unregelmäßig kam. Mal war er nur wenige Minuten draußen, dann hörte Ryo fast stundenlang nichts von ihm. Bisher hatte er, von der ersten Attacke auf seinen Hals mal abgesehen, keine weiteren Sachen mit ihm gemacht. Das erschreckte und beunruhigte Ryo erst recht. Denn die Worte, die dieser Kerl ausgesprochen hatte, waren alles andere als zurückhaltend gewesen. Heute war sein vierter Tag der Gefangenschaft, wenn man den mitzählte, an dem er entführt worden war, doch das wusste Ryo nicht. Für ihn hätten es auch nur Stunden oder sogar schon Wochen sein können. Jedes Mal, wenn er sich so weit überwinden konnte, der Müdigkeit seines Körpers und seiner Psyche nachzugeben und sich dem Schlaf anvertraute, ergoss sich in Regelmäßigkeit ein Eimer Wasser über seinen Körper und holte ihn so brutal aus dem erholsamen Schlaf. „Hast du mich schon vermisst, Schneewittchen?“ hörte er wieder die sanfte melodische Stimme, die einen wirklich hätte einlullen können, wenn Ryo nicht der Ernst der Lage bewusst gewesen wäre. Dieses ‚Schneewittchen’ ging ihm gehörig auf die Nüsse, aber eine Antwort auf die Frage, warum er ihn so nannte, hatte er bisher nicht erhalten und würde seine Kraft auch nicht darauf verwenden, weiter nachzuhacken. Etwas anderes war wichtiger. „Was... was willst du von mir?“ fragte er mit krächzender Stimme, denn Ryo wusste nicht, wann er das letzte Mal etwas Feuchtigkeit zwischen den Lippen oder gar in seiner Kehle gespürt hatte. „Trink...“ forderte der Unbekannte ihn auf und hielt ihm einen Becher an die Lippen, doch Ryo drehte den Kopf zur Seite, was er augenblicklich bereute. Ein Schlag gegen die Wunde an seiner Stirn ließ ihn leise aufstöhnen. Dann folgte ein fester Griff unterhalb seines Kinns, der ihn nicht nur festhielt. Der Druck, den diese harten brutalen Finger ausübten, brachte ihn dazu, dass sich seine Lippen öffneten und sein Peiniger ihm die Flüssigkeit einflößte. Gierig trank Ryo auf einmal den Becher bis zur Neige leer. Leckte sich dann sogar die letzten Tropfen von den spröden Lippen. Fast wäre ihm sogar ein ‚Danke’ entschlüpft. „Ich will meinen Spaß mit dir, Schneewittchen. Dazu sollst du bei Bewusstsein sein und bei Kräften. Denn immerhin möchte ich, dass du es genauso genießt, wie ich es genießen werde. Nur schade, dass ich dich noch eine Weile warten lassen muss... Aber ich habe hier was für dich,“ sagte er sanft. Hauchte es eher, bevor er Ryo behutsam küsste, ohne ihm jedoch die Macht darüber zu geben, sich zu wehren oder ihm in die Zunge zu beißen. Genauso rasch wie der Kuss begann, wurde dieser auch schon beendet. Ryo spürte, wie sich etwas an seiner Augenbinde veränderte, so als ob da noch ein zusätzlicher Halter befestigt wurde. Erschöpft schloss er die Augen und ließ es geschehen. Dazu, sich zu wehren, war er sowieso nicht in der Lage. Er hatte erkannt, dass es besser war, auf eine günstige Gelegenheit zu warten, und solange er gefesselt war, konnte er nichts unternehmen. Erst als der Bomber, den der musste es wohl sein, mit seinem Tun an der Augenbinde fertig war, stellte Ryo fest, dass nun auch sein Kopf fest fixiert war, genauso wie der Rest von ihm zur Untätigkeit verdammt schien. Das nächste, was ihn aufkeuchen ließ war, die Hand, die sich an seine Genitalien heranwagte. Sollte jetzt das folgen, was er die ganze Zeit befürchtet hatte, würde er jetzt vergewaltigt werden? Er spürte etwas Kaltes, das sich über seinen Penis schob und mit seinen Hoden fest zusammengezurrt wurde. Er verkrampfte sich, als er wenige Sekunden darauf spürte, wie etwas in seinen Anus geschoben wurde. „Nein... nicht...“ kam es von ihm fast flehend. Er war verzweifelt. Fühlte sich hilflos, dem Bomber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Eine Träne bahnte sich aus seinen Augen den Weg, unter der Binde, hinab zu seinem Ohr und verschwand darin. Als hätte Ryo’s Peiniger nur darauf gewartet, strich er ihm sanft über die Wange. „Ich bin einen Tag etwa unterwegs und ich möchte nicht zurückkommen und dich verunreinigt wiederfinden. Das kannst du doch verstehen, Schneewittchen. Außerdem habe ich extra für dich etwas gebaut, damit du mich in der Zeit nicht vergisst und wenn du Glück hast, wirst du sogar genug Wasser zum Trinken haben,“ erklärte er und küsste ihn erneut. „Bevor ich es vergesse, erwähne ich es lieber öfters. Du weißt, dass Schreien keinen Sinn hat, du verausgabst dich nur und schwächst dich selbst... Hast du mich verstanden, Schneewittchen?“ Ryo wollte nickend antworten, doch da sein Kopf so fest fixiert war, antwortete er mit einem gekrächzten „Ja!“ „Gut... Ich stell es dir noch etwas bequemer ein,“ sagte der Peiniger und drehte das Metallbett etwas hoch, so dass ein leichtes Gefälle von gut drei Prozent entstand. Dann machte er sich an dem Gerät, welches er über Ryo befestigt hatte, zu schaffen und stellte es fein ein. Wartet neben Ryo ab, ob es auch funktionierte. Als der erste Tropfen auf Ryo’s Stirn traf, grinste er diabolisch vor sich hin. Der nächste Tropfen folgte alle dreißig Sekunden. Ryo zuckte beim ersten Tropfen zusammen, erst dachte er, das wäre einmalig, aber nachdem nun einige Tropfen seine Stirn getroffen hatte, wusste er, was ihn erwartete. „Nein... Bitte nicht... mach es ab,“ erklang es nun fast panisch. „Du kennst es. Dann brauch ich nicht lange zu erklären. Wir sehen uns morgen, Schneewittchen. Erhol dich...“ Der Peiniger ging einige Schritte zurück und besah sich sein Werk. Die Genitalien waren hundertprozentig sicher und wenn er sich die chinesische Wasserfolter anschaute, wusste er, dass er Ryo bis morgen weich geklopft hatte. Nein, brechen wollte er ihn noch nicht, aber er wollte ihm demonstrieren, wer hier das Sagen hatte. Als er sich der Tür näherte, hörte er Ryo’s Rufen, doch er ignorierte es mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen. Ryo verstummte, als er die Tür zuschlagen hörte. Er wusste, nein, er ahnte, was auf ihn zukam. Er hatte nicht nur einmal darüber gelesen, aber das was er wusste, war, dass es die Hölle sein würde. Alle paar Sekunden dieser Tropfen, der ihn aus seiner Konzentration riss, ihn nicht schlafen lassen würde und ihn so immer wieder zum Bewusstsein brachte, in welcher Lage er sich befand. Er hoffte, dass dieser Tag schnell vergehen würde. Wieder versuchte er, sich auf Dee und seine Tochter zu konzentrieren. Nach ihnen in seinem Herzen zu rufen. Das war alles, was er noch hatte. Die Bilder aus seiner Vergangenheit. ~~~~ 27. Revier ~ Barclays Büro ~~~~ Dee klopfte kurz an und betrat, dicht gefolgt von Chris, Ross’ Büro. „Sie wollten uns sehen...“ erklang es ruhiger, als er sich eigentlich fühlte, nachdem er die Tür hinter sich zugemacht hatte. „Gibt es Neuigkeiten von dem Bomber?“ fragte Chris und blieb neben Dee stehen. Eine Weile blieb es still in dem Büro, nur das Knarzen von dem Sessel, auf dem Barclay saß, füllte die Stille aus. Kommentarlos beugte Ross sich nach vorne und betätigte einen Knopf und setzte somit das Tonbandgerät in Gang, welches sich fast mittig auf dem Schreibtisch, welcher in gewohnter Weise aufgeräumt war, befand. Statisches Rauschen füllte vorläufig den Raum dann folgte eine allen bekannte Stimme. „Was... was willst du von mir?“ Wieder nur Rauschen. Dee fühlte sich elend, als er Ryo’s Stimme vernahm. Sie klang weder ängstlich noch voller Pein, wie er sich in den letzten Tagen ausgemalt hatte. Dennoch musste er sich in einen der drei Stühle sinken lassen. Mit aller Macht war alles, was er in den vergangenen Tagen und Wochen verdrängt hatte, auf ihm zusammengekracht. Atemlos lauschte er, genauso wie Chris, dessen Hand sich einen Weg auf seine Schulter gebahnt hatte, weiter dem statischen Rauschen, das gerade erneut unterbrochen wurde. „Nein... Bitte nicht...“ Diesmal konnte man die Panik, die Ryo erfasst haben musste, klar heraushören und Dee biss verzweifelt auf seine Lippe, knetete die Finger ineinander, dass man das Weiß der Knöchel deutlich sah. Barclay streckte erneut seine Hand vor und stoppte das Band. „Ich habe diese Aufzeichnung eben erhalten. Sie lag heute morgen auf meinem Schreitisch und ich war so frei, sie sicherheitshalber überprüfen zu lassen,“ erklärte Ross erst einmal, warum er die Aufnahme nicht schon früher vor den beiden Cops abgespielt hatte. Ross lehnte sich zurück und legte die Fingerkuppen aneinander, blickte dann zuerst auf Chris und dann auf Dee. „Wenn ich richtig hingehört habe, und meine Ohren und mein Gedächtnis sich noch richtig erinnern, dann war das eben Ryo MacLane’s Stimme auf dem Band. Die Techniker sind sich ziemlich einig darüber, dass die Aufnahme nicht älter als höchstens 24 Stunden ist. Nun... Wenn ich mich jedoch richtig erinnere, haben wir Ryo vor vier Tagen beerdigt. Und wenn ich mir jetzt auch noch deine Gestik und Mimik betrachte, Dee MacLane, dann kommt mir der Gedanke, dass es dich noch nicht einmal umhaut, zu hören, dass dein verstorbener Mann anscheinend doch nicht so tot ist, wie er eigentlich sollte.“ Chris hielt Dee an der Schulter fest, sonst wäre dieser aufgesprungen und hätte Barclay hinter seinem Schreibtisch hervorgezogen und ihm eine gelangt. Doch so blieb ihm nichts weiter übrig, als sitzen zu bleiben. Immer wieder hörte er die letzten Worte von Ryo ‚nein... bitte nicht...’ Es krampfte sich in ihm alles zusammen und nur mit Mühe hielt er seine aufgebrausten und sorgenvollen Gefühle zurück. „Weißt du, woher es stammt?“ eröffnete Chris den Frageregen. „Nein, aber ich habe die stille Hoffnung, dass ihr zwei mir da mehr sagen könnt.“ „Ryo lebt...“ murmelte Dee und versuchte seine noch immer ineinander verkrampften Hände zu lösen. Er musste etwas tun, sonst würde er noch durchdrehen. „Du hast es gewusst, Chris?“ „Nun, Ross. Ja. Ich erfuhr es kurz vor Dee. Wenn’s dir recht ist, erzähl ich dir die ganze Geschichte.“ Chris zog sich einen Stuhl neben Dee und erzählte Barclay, so weit wie er wusste, von den Geschehnissen rund um Ryo’s Flammentod, seine wundersame Rückkehr und was es mit dem Ring auf sich hatte. Dass Black in dieser Sache die Oberhand hatte, ließ er jedoch nicht ganz so schlimm durchklingen, stellte ihn eher als Berater hin. Auch wenn Chris an dem Verhalten von Ross sah, dass dieser mit dieser Erklärung recht große Zweifel hatte. „Wenn ich mal zusammenfassen darf...“ räusperte Ross sich, „ihr hattet den Plan, den Bomber bei der Beerdigung ausfindig zu machen, habt Ryo ohne Schutz in die Kapelle geschickt, von wo er dann vor vier Tagen verschwand, und ihr vermutet nun, dass er in der Hand des Bombers ist?“ Ross warf einen Blick in die Runde und schüttelte dann wütend den Kopf. Auch den folgenden Worten konnte man seine Wut anhören. Denn er donnerte seine Worte förmlich heraus, dass die Scheiben klirrten. „Warum seid ihr nicht zu mir gekommen? Schon als Ryo auftauchte. Wir hätten ihn besser absichern können als ihr. Dee? Dass du dabei mitgemacht hast, wundert mich. Nachdem, was da passiert ist... Wirklich Respekt!“ Die letzten beide Worte tropfen nur so vor Hohn und Spott. Endlich meldete sich auch Dee wieder zu Wort, und es schien ihm unglaublich viel Kraft zu kosten. „Ich habe mich von Ryo überreden lassen. Glaub mir, Barclay, noch nie ist mir meine... meine... Zustimmung so schwer gefallen. Glaubst du wirklich, dass ich mir nicht jede Sekunde, die vergeht, vorwerfe, was ich zugelassen habe? Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich gefreut habe, ihn lebend vor mir zu sehen, nur um ihn jetzt an einen bombenlegenden Psychopathen zu verlieren... Ich weiß, dass der Bomber uns kennt. Er ist einer in unserem Umkreis und ich werde ihn zur Strecke bringen, das schwöre ich.“ „Jetzt beruhige dich erst einmal wieder, Dee,“ meinte Ross und lehnte sich wieder etwas vor. „Wenn du mich fragst, ist dies erst der Anfang. Er will, dass wir, oder eher du, weißt, dass dein Mann noch lebt. Eins musst du dir jetzt vor Augen halten...“ „...Er wird ihn nicht töten,“ warf Chris ein und beendete damit den angefangenen Satz seines Vorgesetzten. Dee blickte von Chris zu Ross und wieder zurück. Langsam dämmerte es ihm, was die beiden meinten. „Der Anfang... Du meinst, dass er ihn... ihn...“ Dee verstummte, als ihm die ganze Tragweite dessen überfiel, was sein Chef und sein neuer Partner ihm verdeutlichen wollten. Daraufhin sackte er noch eine Spur weiter in den Stuhl und schloss gequält die Augen. „Ryo!“ wimmerte er leise und schlug die Hände vor sein Gesicht. „Bevor ihr kamt, hatte ich mir das Band schon angehört und bereits Schritte eingeleitet. Wir schaffen es augenblicklich nicht alleine, den Kerl dingfest zu machen, geschweige denn eine heiße Spur zu ergattern. Ich habe beim FBI angerufen und mit Diana Spacey gesprochen. Sie war von der Tragweite dessen, was hier momentan abläuft, sehr ergriffen. Sie mag Ryo und dich, das brauche ich hier nicht noch einmal zu verdeutlichen. Sie wird in einigen Stunden, spätestens morgen mit einem ihrer Kollegen hier auftauchen und uns mit Rat und Tat zur Verfügung stehen,“ erklärte Ross langatmig. „Du weißt doch, was das für Profis sind, die sie bisher angeschleppt hat, Commissioner. Sie sind nicht die...“ „Dee!“ unterbrach Ross ihn. Irgendwie hatte er mit seiner Vermutung wohl recht. Bisher waren alle FBI-Beamte, die neben Dina hier aufgetaucht waren, mittelmäßig gewesen. Aber so, wie sie von ihrem Begleiter sprach, schien dieser ein ganz anderes Format zu haben. „Treffen wir keine voreiligen Entschlüsse, Dee. Sie meinte, er sei der beste Profiler, den sie kennt.“ „Gut. Ich... kann ich gehen?“ Ross nickte und entließ somit die beiden Cops aus seinem Büro. Er wusste, dass Dee das alles erst einmal verkraften musste. Die neueste Situation war noch schlimmer als der Tod des Partners. Zu wissen, dass er lebte und dass er... nun, da musste man auf Spekulationen zurückgreifen, und das lag Barclay nicht. Er konnte es sich auch nur schwer vorstellen. Ryo gefoltert und gemartert, dem Tode näher als dem Leben irgendwo festgeschnallt. ~~~~ Nachdem Dee seine Jacke aus dem Büro geschnappt hatte, verließ er, ohne nach links oder rechts zu schauen das Revier. Rasch schlug er den Kragen hoch und steckte die Hände in seine Jackentaschen. Er musste nachdenken. Er brauchte einen klaren Kopf und so marschierte er, ohne auf die Passanten zu achten, geradeaus. Er wusste nicht, wie lange er gelaufen war, als plötzlich neben ihm ein Wagen hielt und jemand laut nach ihm rief. Dee reagierte nicht, er wollte nur seine Ruhe. Doch der Fahrer schien hartnäckig zu sein. Er fuhr langsam neben ihm her, bis er schließlich an einer Kreuzung abbiegen konnte und Dee somit den weiteren Weg versperrte. „Dee... Dee Layton?!“ rief ihm eine fröhliche Stimme entgegen. „Das glaub ich nicht, du bist es doch.“ Erst als sein Weg so unwillig blockiert war und diese Stimme permanent seinen Namen rief und die Person nun auch noch ausstieg und auf ihn zukam, schob er endgültig seine Gedanken zur Seite und sah sich den Störenfried genauer an. Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Das schwarze Haar war kurz geschnitten und mit Gel zu kleinen kecken Kraterstacheln nach oben frisiert. Seine hell funkelnden braunen Augen leuchteten richtig, als er sich mit weit ausgestreckten Armen Dee in den Weg stellte. „Mensch, Dee... Sag nur, du erkennst mich nicht mehr?!“ grinste der Unbekannte von einem Ohr zum nächsten. „Na gut, ist ja fast ein ganzes Leben her. Gut schaust du aus...“ kam er grinsend auf Dee, der ihn immer noch ratlos anblickte, zu und umarmte ihn schlicht mitten auf der Straße. Dee löste sich sofort aus dieser, wenn auch angenehmen, Umarmung und trat einen Schritt zurück. „Sorry, Kumpel. Aber ich glaube...“ „Du hast mich vergessen, obwohl du mir mal sagtest, dass ich deine erste Liebe sei... Das tut weh, Dee. Wirklich...“ hauchte er und hielt sich theatralisch die Brust und begann zu taumeln. Doch das Grinsen auf dem Gesicht nahm dem allen den Ernst. „Pat...Patrick McNear?“ kam es nun tonlos von Dee. Da hatte er erst kürzlich seinen Namen ausgesprochen. Wann war das gewesen... Genau, an dem Tag, als Ryo verschwand und Black nach seinen Ex-Lovern gefragt hatte. Und nun stand dieser wirklich und wahrhaftig vor ihm und grinste ihn an. „Ja,“ ging ein Leuchten über das schmale Gesicht und machte es noch eine Spur sanfter. „Komm, lass uns was trinken, ich hab zwar nicht viel Zeit, aber auf ein Bier wird es schon reichen,“ meinte er und legte Dee, der einen halben Kopf größer war als Patrick, den Arm um die Schulter. Doch auch diesmal machte Dee sich frei. „Sorry, Pat. Heute nicht. Ich... Ich habe keine Zeit.“ „Erzähl keinen Quatsch, Mensch. Du trottest hier in aller Ruhe durch die City, schaust weder rechts noch links, wirst fast überfahren und da soll ich dir glauben, dass du einen alten Freund nicht mal auf ein Bier, oder meinetwegen Kaffee begleitest? Komm schon, was ist aus dem frechen Dee nur geworden?“ klopfte er ihm nur noch sanft auf die Schulter, wollte wohl nicht schon wieder zurückgewiesen werden. „Privat... Sorgen. Gib mir deine Nummer. Ich meld mich mal,“ meinte Dee und hoffte, dass er bald weiter grübeln konnte und Pat, den er seit gut 18 Jahren nicht mehr gesehen hatte, endlich los wurde. „Ich kenn das doch. Du wirst nicht anrufen. Schade eigentlich, Dee. Vielleicht sieht man sich ja noch mal. Lebe ja jetzt hier... Manhattan. 5th Avenue. Hier meine Karte. Auch wenn du dich nicht meldest. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben, Dee. Egal, was auch passiert ist damals...“ sagte er leise, drehte sich dann um, ohne auf Dee’s Reaktion zu warten, stieg ein und fuhr, nachdem er in den Rückspiegel geschaut hatte, los. Hob grüßend noch mal die Hand und verschwand dann auch augenblicklich im Getümmel des Verkehrs. Dee sah auf die Karte hinab und steckte sie sich gedankenversunken einfach ein. «Schon merkwürdig, da denkt man jahrelang nicht an ihn und dann zweimal in kurzer Zeit...» Tief atmete er durch und ging weiter. Inzwischen hatte er auch die Richtung erkannt, die er eingeschlagen hatte. Der Park. Dort, wo er mit Ryo immer mit Sara herumgetobt hatte. Dort, wo sie sich geküsst hatten, wo sie sich ihre Liebe oft gestanden hatten, dort zog es ihn nun hin. Dort fühlte er sich Ryo so nah. Er ließ sich auf einer Bank nieder und sah blicklos geradeaus auf den kleinen Teich. Enten tummelten sich darauf, und Kinder sowie Erwachsene warfen diesen Brotkrumen zu. Er lächelte leicht in Erinnerung, wie Sara dies auch jedes Mal getan hatte und wohl auch wieder tun würde. Nur ob Ryo dann auch so ausgelassen und fröhlich mitmachen würde. «Ryo. Vergib mir... Ich hätte niemals zustimmen sollen... was musst du wegen mir leiden... nur weil ich wie Black dich in Gefahr gebracht habe... Ich liebe dich so sehr...» Leise schluchzte er auf. Wusste, dass sich hier nie jemand um den andern kümmerte. Er konnte hier seine Gefühle frei lassen. Lange saß er dort, bis ihn sein Pager aus der Trauer riss. Er musste zurück, Diana Spacey mit ihrem fähigsten Kollegen war eingetroffen. Er winkte sich ein Taxi, zurück hätte er mindestens zu Fuß eine Stunde gebraucht. ++++++++ TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)