Days of Horror von Mikito (Bomben auf der Christopher Street) ================================================================================ Kapitel 33: Samstag - 07. August -------------------------------- ~~~~ Ryo’s Gefängnis ~~~~ Laut fiel die Tür zu seinem Gefängnis hinter dem maskierten Mann zu. Sofort spürte Ryo, dass etwas passiert sein musste, denn der Kerl strahlte so etwas von Hass und Unmut aus, dass er es fast körperlich spüren konnte. So war sein Peiniger noch nie vor ihn getreten. So aufgebracht hatte er sich ihm noch nie gezeigt und damit war Ryo erst recht klar, dass etwas passiert sein musste, was diesen Mann komplett aus der Bahn geworfen hatte. Eigentlich hatte er ihn nach seinem Ring fragen wollen, aber das ließ er lieber bleiben, denn so wie es jetzt aussah, würde er sowieso keine Antwort erhalten. Er bekam regelrecht Angst vor ihm und es wurde sogar noch schlimmer, als er sich wie eine Katze langsam näherte und zu dem Haken ging, an dem seine Kette befestigt war. Ein Ruck genügte und Ryo stand. „Hände hinter den Rücken,“ erklang es kalt. Weg war das sanfte, das er bisher gezeigt hatte. Ryo rührte sich nicht. Ihm war klar, wenn er sich jetzt widersetzen würde, würde es schlimm werden. Aber genauso schlimm konnte es werden, wenn er tat, was der Kerl von ihm wollte. „Ich wiederhole mich ungern, Schneewittchen...“ drohte er und zog nochmals an der Kette, so dass Ryo nun frei stand. Viel ausrichten konnte er nicht, da er nun nur noch mit Mühe auf den Füßen stehen konnte, so eng wurde die Kette über ihn gezogen, dass er mal wieder einen langen Hals machen musste. Er tat, was ihm gesagt wurde. Lauschte auf die Schritte, die sich ihm näherten und spannte alles an sich an. Er hatte alles durchdacht und wieder verworfen. Selbst wenn er ihn überlisten könnte, würde er danach noch immer an dieser Kette hängen. Denn der Verschluss war außerhalb seiner Reichweite und freiwillig konnte er seinen Entführer wohl nicht dazu bringen, dass er ihn frei ließ. „Braves Schneewittchen...“ hauchte er sanft gegen Ryo’s Hals, als er ihm die Eisenschellen um die Handgelenke legte. Dafür jedoch die Verstrebung um seinen Hals löste. Noch bevor Ryo dazu in der Lage war, zu reagieren, flog er schon rücklings gegen die kalte und feuchte Wand. Die Luft flog aus seinen Lungen, als er so brutal dagegen gestoßen wurde. Als er diese wieder hektisch einzog, spürte er die warmen und weichen Hände von seinem Peiniger um seinen Hals. Wie Schraubstöcke lagen sie dort und drückten ihm langsam die Luftröhre zu. „Du bist an allem Schuld... nur du allein... du hättest verrecken sollen in diesem Höllenfeuer, das ich eigens für dich bestellt habe... aber nein... du überlebst... kommst wieder... fühlst dich wie Jesus... Wiederauferstanden... Aber ich bin nicht Gott, der dich willkommen heißt an seiner Seite... nein, ich bin Satan, der dir das Leben von nun an erst recht zur Hölle machen wird... so lange, bis ich das bekommen habe, was mir zusteht... Nur du und dein Balg seid mir im Wege... aber das wird sich ändern... sehr bald sogar... dann... dann... mein kleines Schneewittchen... wirst du dir wünschen, dass deine Tochter in dem Feuer umgekommen wäre... Aber ich werde dich leiden lassen... jeden Tag... hier...“ sagte er, löste den Druck um Ryo’s Hals, der bei dem Gerde langsam die Besinnung verlor. Als der Peiniger die Hände nun löste, gaben Ryos Beine schlagartig unter ihm nach und er sank ohnmächtig zu Boden. ~~~~ Medical Center ~ Intensivstation ~~~~ Mark wusste nicht, wie oft er schon hier vor verschlossener Tür verharrt hatte. Immer wurde er mit den gleichen Worten abgewiesen, da hatte auch sein treuer Blick und seine sonst so bekannte Überredungskunst nichts gebracht. Auch jetzt stand er wieder vor der Tür, den Finger auf der Klingel. Die Schwester, die aus dem Schwesternzimmer blickte, konnte er schon förmlich tief Luft holen sehen. Doch er blieb stur. Jedes Mal, wenn er mit leeren Händen zurück zu seinem Bruder gekommen war, hätte er am liebsten gleich wieder kehrt gemacht. Robin ging es zwar den Umständen entsprechend recht gut. Die Halsschlagader war genäht und er war außer Lebensgefahr. Dennoch zerriss es Mark das Herz, wenn er ihm nur mit einem entschuldigenden Lächeln erklären musste, dass er keine Informationen erhalten hatte. Er wusste auch nicht, an wen er sich wenden sollte. Die Polizei, die Dienststelle, wo er arbeitete, hatte er bereits ebenfalls kontaktiert, aber da er privat nichts mit Chris Jackson zu tun hatte, wurde ihm auch dort nichts gesagt. Lediglich konnte er seinem Bruder mitteilen, dass er lebte und das war doch schon etwas. Robin ließ aber nicht locker, und obwohl er seine Stimme und seine Kräfte schonen sollte, ging er bereits auf ihn los, sobald er nur das Zimmer zwei Etagen höher betrat. Deswegen stand er schon wieder hier. Würde sich wieder eine Abfuhr abholen, aber diesmal wollte er es riskieren. Er würde einfach lügen. Für seinen Bruder und damit dieser endlich Ruhe gab. Das Gesicht der sich nähernden Schwester veränderte sich, zeigte kurz bevor sie die Tür erreichte ein Lächeln und verwirrte Mark damit vollständig. Den Grund hierfür konnte er ja nicht ahnen, da er nur auf die Weißgekleidete geachtet hatte. „Kommen Sie ruhig rein, Mr. Prescott! Mr. Black!“ sagte die sympathische Stimme zu den beiden Männern hinter Mark. „Bitte, Schwester, ich möchte doch nur...“ „Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen. Ich darf Ihnen keine Auskunft erteilen. Es tut mir ja auch leid, aber ich kann die Bestimmungen leider nicht umgehen,“ erklärte sie mit einer fast enttäuscht zu nennenden Stimme zu Mark und öffnete die Tür weiter, damit die beiden Besucher ungehindert eintreten konnten. „Mein Bruder... Er liebt...“ „Sie verstehen wohl nicht. Sir. Wenn ich Sie noch einmal hier erblicke, werde ich wohl den Sicherheitsdienst rufen müssen,“ wurde sie nun doch wieder energischer und wollte die Tür hinter Black und Mick schließen, als sich der letzte umdrehte. „Sorry. Aber darf ich fragen um wen... Kennen wir uns?“ nachdenklich kräuselte Mick die Stirn und sah Mark unverwandt an. „Das gibt’s nicht...“ entfuhr es Mark und ein kleines verschämtes Grinsen zeigte sich auf seinem rechten Mundwinkel, so dass ein kleines Grübchen dort entstand. „Mick Prescott? Leutnant Mick Prescott?“ „Ach du...“ fast wäre ihm etwas entschlüpft, konnte es jedoch gerade noch verhindern. „Mark Steward... richtig. Der kleine Stew. Was treibt dich denn hier in die Gegend?“ „Mick, ich geh schon voraus... Lass dir ruhig Zeit,“ erklärte Aaron und ging weiter zu seinem Bruder. Mick verließ die Intensivstation wieder und begrüßte Mark mit einem kräftigen Handschlag. „Junge, Junge, Junge... das ist aber lange her. Was treibst du so?“ fragte er neugierig. Hier schien auf einmal alles durcheinander zu gehen. Man traf Leute aus längst vergangen Tagen und erfuhr so ganz nebenbei, dass Chris der Bruder von Aaron war. Darüber hatten sie die letzte Nacht ausführlich gesprochen und Mick war nun nicht mehr sauer, dass er erst hier bei dieser ungünstigen Gelegenheit davon erfahren hatte. Gut, jeder Mensch braucht sein Geheimnis, deswegen sah er es seinem Boss und Geliebten nach. „Ja. Seitdem ich ausgestiegen bin... fast acht Jahre. Und du? Scheinst dich gut gemacht zu haben. Tolles Outfit, wenn ich mal sagen darf. Ich hör dich noch wie gestern, wenn du in die enge Ausgehuniform schlüpfen musstest... Jetzt hier, mit Schlips und Anzug... kein Wunder, dass ich dich nicht gleich erkannt habe.“ „Acht Jahre... eine lange Zeit. Wir müssen uns mal treffen... über alte Zeiten und so reden. Jetzt ist es ungünstig. Aarons Bruder liegt hier und ich möchte ihn nur ungern lange allein lassen, sieht nicht gut aus... verstehst du?“ „Ja, klar,“ nickte dieser. Sein Gesicht, das eben noch freudig gestrahlt hatte, als er Mick erkannte, verwandelte sich wieder in Niedergeschlagenheit. „Hast du auch jemanden bei dem Anschlag verloren? Verletzt?“ „Ja. Mein Bruder. Aber er ist schon okay. Deswegen bin ich nicht hier. Nun, nicht direkt. Ich...“ „Schon raus damit. Du weißt, wenn ich kann helfe ich immer.“ „Da scheinst du dich wohl nicht verändert zu haben. Leutnant, nicht wahr?“ „Wohl kaum. Habe es auch irgendwie zu meinem Beruf gemacht. Aber das ist ein anderes Thema. Also wer liegt hier, vielleicht kann ich was in Erfahrung bringen,“ bot er seine Hilfe an. „Chris Jackson. Er ist Cop im 27. Revier. Und dann noch Dee MacLane. Auch Cop.“ „Warum interessierst du dich für die beiden?“ fragte Mick, nun ein wenig hellhörig geworden. „Eine lange Geschichte. Aber kurz gesagt, wegen Robin, meinem Bruder. Er hat sich unsterblich in Jackson verknallt. Auch dass dieser ihm kurz vor dem Unglück eine Abfuhr erteilte änderte seine Liebe nicht. Bei MacLane ist es eher die Freundschaft, die uns verbindet. Ich hab schon im Revier nachgefragt, aber die schweigen sich nur aus... und wenn ich wieder zu Robin zurückkomme...“ Mark seufzte und strich sich sein flammend rotes Haar zurück aus dem Gesicht. „Bring mich zu ihm. Frag nicht. Tue es einfach,“ hieß Mick seinen alten Kameraden und legte seinen Arm um die Schultern von Mark, so dass er ihn schon einmal von der Intensivstation weg führte. Black ging direkt in das Zimmer von Chris. Noch immer schaute er entsetzt auf die ganzen Apparate, die seinen Bruder am Leben hielten. Zwar war die OP gut verlaufen, aber bisher schlief er. Kein Koma, wie die Ärzte ihn beruhigt hatten, aber er war auch noch nicht wieder richtig bei sich. Die Wirkung von der Narkose hatte schon längst nachgelassen und dennoch schien er nicht dazu in der Lage zu sein, wach zu werden. Aaron fragte sich, was er tun könnte, um diesen Zustand der Starre, in der Chris sich befand, zu beheben, aber ihm fiel einfach nichts sinnvolles ein. Aaron setzte sich wie bereits in der Nacht zuvor auf einen Stuhl, den er dicht neben das Bett zog, damit er die Hand von Chris ergreifen konnte. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Gespräch mit Mick, das sie geführt hatten, als sie gestern abend spät in dem Apartment angelangt waren. Jetzt wusste er nicht mehr, warum er darum überhaupt ein Geheimnis gemacht hatte. Bisher galt er in der Welt, die er um sich aufgebaut hatte, als Einzelkämpfer, aber das war er nicht. Das war er nie gewesen. Auch wenn er einige Jahre älter war als Chris, war es doch immer sein jüngerer Bruder gewesen, der ihn aus allem rausgeboxt hatte. Chris war es gewesen, der ihn beschützt hatte. Nicht nur vor den Mitschülern. Auch vor den Lehrern und vor allem vor seinem Dad. Mehr als einmal hatte er die Schläge, die für ihn bestimmt waren, auf sich genommen. Auch Strafen die er, Black, hätte absitzen müssen, lud er sich meist auf die Schultern, und warum? Weil er ihn liebte, hatte er ihm unschuldig erklärt. Noch heute war die Stimme des kleinen Chris so hell und klar in seinen Gedanken, als sei die Zeit von damals stehen geblieben. ‚Mom sagte immer zu mir, wenn du jemanden wirklich magst und ihn nett findest, dann musst du ihn beschützen.’ Genau das klang nun in seinem Ohr nach. „Ich war nie für dich da, Chris. Niemals... Ich wünschte, ich hätte deine Mom kennen gelernt, sie muss eine wunderschöne Frau gewesen sein. Das habe ich dir schon so lange sagen wollen... Ich liebe dich auch, Chris. Du bist mir mein liebster und bester Freund in all den Jahren und ich habe es einfach so akzeptiert... habe es hingenommen, als sei es das natürlichste der Welt... Gib jetzt nicht auf, wo ich dich beschützen will... Bitte Chris, wach auf...“ Er seufzte leise und Tränen brannten hinter seinen dunklen Augen. Augen, die sonst so ernst und eisig schauen konnten, blickten nun flehend und verletzlich auf den starr liegenden Körper seines Bruders. „Wie geht es Chris?“ stellte Robin die Frage, als sich dir Tür öffnete und er seinen Bruder erblickte. Schwieg jedoch dann, als er einen weiteren Mann hereintreten sah. „Hi!“ begrüßte Mick den Kranken und trat näher, nickte Mark zu, so dass sich dieser im Hintergrund hielt und ihm erst einmal die Rolle des Übermittlers überließ. „Wer sind sie?“ „Mick Prescott. Ein Bekannter von deinem Bruder. Ich darf doch ‚Du’ sagen? Mark und ich kennen uns vom Militär her. Eigentlich... na ja, das kann er dir später erklären. Ich bin eigentlich wegen was anderem hier.“ Mick zog sich keinen Stuhl herbei, sondern hockte sich schlicht einfach auf die Kante des Krankenbettes. Robin schwieg und sah den Afroamerikaner eine Weile schweigend und abschätzend an, aber so genau konnte er ihn nun nicht zuordnen. Was wollte er? Und warum hatte ihn Mark überhaupt mitgebracht? Fragen, auf die er so keine Antwort erhielt. Robin räusperte sich und wollte schon fragen, als Mick endlich mit seinem Anliegen herausrückte. Nun ja, ein wenig Umwege gönnte er sich noch. Schließlich wollte er Robin erst einschätzen können, bevor er ein Urteil fällte. Wenn er so war wie Mark, dann wäre es schon okay, aber das würde er rasch herausfinden. „Deine Verletzung? Geht es? Hast du Schmerzen?“ Verdattert über diese Fragen antwortete Robin rasch und deswegen auch wahrheitsgetreu. „Nein... ein wenig... Aber...“ „Du warst in der Nähe, als die Bombe im Tropical hochging? Mark erzählte mir davon.“ Das war eine glatte Lüge, aber das ging den Jüngeren nichts an. „Ja... ich...“ „Kannst du dich an etwas erinnern?“ „Ja, klar, das vergesse ich nie.“ „Okay, Robin, dann erzähl mal!“ forderte er ihn nun auf, von seinem Erlebnis von gestern zu berichten. „Wird das ein Verhör? Der Arzt hat gesagt, dass...“ „Nein, Robin, das ist kein Verhör. Ich bin kein Cop. Aber ich bin sehr eng mit dem Besitzer des Tropical befreundet gewesen. Deswegen.“ Er legte den Kopf ein wenig schräg und sah ihn leicht lächelnd an, was seine Gesichtszüge um einige Nuancen weicher machte. „O...okay... Wir waren alle im Diner, als wir eine Explosion hörten. Alle rannten gleich auf die Straße. Man brauchte auch nicht lange zu suchen, man sah schon den Qualm aus der Sauna aufsteigen. Ich wollte ja hin und helfen, aber Mark hielt mich fest...“ Ein Blick von Robin glitt zu seinem Bruder in der Ecke, der dort noch immer schweigend auf dem Stuhl saß und diesem Mick Prescott das hier überließ. „...Dee... Also Detective MacLane...“ „Ich kenn ihn... Ein guter Cop und auch ein sehr enger Freund von mir... Aber erzähl ruhig weiter,“ forderte Mick Robin auf. „... Er lief gleich rüber und da sah ich auch schon Chris... Detective Jackson...“ Ein bittender, fast flehender Blick in Richtung Mark, doch dieser schien das Wetter draußen nun viel interessanter zu finden als die Worte seines Bruders und so blickte Robin auf seine Bettdecke, die ihn weiß umhüllte. „...er kam angerannt und... und dann liefen beide hinten herum... Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, aber dann fand ich mich auf dem Boden wieder, Scherben regneten auf mich hinab und dann spürte ich nur noch einen brennenden Schmerz an meiner Seite und...“ Die Tür öffnete sich und eine Schwester kam herein. Ging zielstrebig auf Mick zu, baute sich vor dem Dunkelhäutigen auf, stemmte die Arme in die Seite und funkelte ihn wütend an. „Keine Vernehmung. Er muss sich schonen. Der Patient darf noch nicht so viel reden.“ „Schon gut, Schwester. Ich bin ja gleich weg. Geben Sie mir noch eine Minute, okay?“ „Nein, Sie werden augenblicklich das Zimmer verlassen,“ wurde sie noch eine Spur energischer. „Sie sagten doch, dass Sie kein Cop sind?“ murmelte Robin und fühlte sich verarscht. „Ich bin auch keiner. Bitte, Schwester. Ich... verspreche Ihnen, dass er nicht mehr redet... Sie können auch gerne bleiben...“ bot er ihr an und dieses Angebot nahm die Schwester, die ihren Job hier äußerst ernst nahm, sofort und kommentarlos an. „Okay, Robin. Das hat mir alles schon sehr geholfen.“ Sanft lächelte er ihn erneut an und dabei fingen seine Augen ebenfalls an, leicht zu funkeln. „Ich kann mir vorstellen, dass es einige Bekannte auch von dir dort getroffen hat, und eigentlich bin ich deswegen hier. Ich traf deinen Bruder vor der Intensivstation, wo er nicht rein darf und wo er auch keine Auskünfte über die Patienten erhält.“ „Chris?!“ hauchte er, doch Mick hielt ihn mit einer Handbewegung auf, zu reden. „Es geht ihm gut. Jedenfalls sagen das die Ärzte. Die Werte sind in Ordnung und er hat die OP gut überstanden. Mehr kann ich dir auch nicht sagen. Jedenfalls sind bis dato keine Komplikationen aufgetreten und wir hoffen alle, dass er es schafft. Ich kann dir nichts versprechen...“ Warum er es nun sagte, wusste er nicht, aber er sah die Erleichterung in dem Gesicht von Robin, sah das Glitzern der Augen und ihm war klar, dass dieser junge Mann haltlos verliebt war. Er würde alles in seiner Macht stehende tun, um das, was ihm so spontan eingefallen war, auch zu verwirklichen. „Ich werde dich wieder besuchen kommen, Robin. Bis dahin mach, dass du wieder auf die Beine kommst.“ Leicht drückte er ihm die Hand, legte die andere auf Robins Schulter und lächelte ihn nochmals ehrlich und aufrichtig an. Dann drehte er sich um und bat die Schwester, ihm doch zu folgen. „Chris!“ hauchte Robin wieder und sank leicht lächelnd zurück ins Kissen. Jetzt, da er wusste, dass er lebte und dass es ihm fast gut ging, fühlte er sich auch gleich wohler. Mark trat neben ihn und übernahm den Platz, den Mick eben verlassen hatte. ~~~~ 27. Revier ~ Barclays Büro ~~~~ Barclay legte den Hörer zurück auf die Gabel, stütze die Ellbogen auf die Tischplatte und den Kopf in die verschränkten Hände. Black hatte ihn gerade darüber informiert, dass Dee eine ‚ruhige Nacht’ gehabt hatte und dass Chris ebenfalls, wenn alles so blieb, außer Gefahr war. Aber die Ärzte blieben dabei, die nächsten drei Tage würden entscheidend sein. Noch immer waren die beiden nicht aus der Narkose aufgewacht. Auch wenn diese lang und intensiv gewesen war, mussten sie inzwischen wieder ansprechbar sein. Aber davon war noch nichts zu sehen. Sorgenfalten gruben sich in die Stirn des Commissioners, die sich noch eine Spur vertieften, als die Tür unangemeldet geöffnet wurde und der einzigste Kerl im ganzen Revier, den er nicht leiden konnte, jedenfalls im Moment, sein Büro betrat. „Man sagte mir im Krankenhaus, dass ich die Erlaubnis, Dee zu besuchen, bei Ihnen bekomme. Unterschreiben Sie das hier, dann sind Sie mich los.“ Patrick McNear trat näher an den Schreibtisch und warf einen Zettel vor Ross hin. Flatternd suchte sich dieser einen Platz zwischen den Ellbogen von Barclay. Sichtlich um äußerste Ruhe bemüht, nahm Ross den Zettel schließlich zwischen die Finger, sah zu dem verhassten Kerl hoch und riss das Stück Papier vor dessen Augen dreimal durch. „Ich werde Sie nicht zu Dee lassen. Nicht, bis dieser aufgewacht ist und selbst ihre Besuche genehmigen kann. Vorerst geht keiner zu ihm. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass er sich bisher tapfer hält. Die Ärzte sind zufrieden. Gerne können Sie täglich anrufen und nach Dee’s Befinden fragen, aber...“ „Das können Sie nicht tun. Sie überschreiten Ihre Kompetenzen, Commissioner,“ fauchte Patrick und stemmte seine Hände auf die Schreibtischkante, beugte sich wütend vor und sah Barclay mit wild funkelnden Augen ins Gesicht. „Ich kann sogar noch mehr, McNear. Da der Bomber sich selbst in die Luft gejagt hat, können Sie zu Ihrer eigentlichen Arbeit zurückkehren. Wir bedanken uns herzlichst für Ihre Arbeit. Guten Tag und Auf Wiedersehen.“ Mit diesen Worten lehnte sich Barclay mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht zurück, so dass sein Chefsessel leicht unter ihm knarzte. „Ich bin... Was?“ Staunend über so viel Frechheit, die er nun nicht hier erwartet hatte, fiel McNear sprichwörtlich das Kinn auf den Fußboden. Nur Sekunden später hatte er sich jedoch wieder unter Gewalt, holte sichtlich tief Luft und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Das alles passt Ihnen bestens, nicht wahr, Barclay? Aber ich habe mit so was schon gerechnet. Dennoch werden Sie mich nicht so schnell los, wie Sie es sich wünschen. Ich bleibe in der Stadt. Meine Versetzung zu der hiesigen Behörde wurde bereits genehmigt. Auch wenn Sie sich wünschten, mich nie wieder zu sehen, ich werde wiederkommen,“ erklärte er nun ruhig. Gut, er hatte geahnt, dass er hier wegen dem Bomber nicht mehr gebraucht wurde, aber dennoch musste er hier bleiben, allein schon wegen Dee. Noch bestand doch Hoffnung für ihn. Für sie. Wer wusste schon... Da fiel Patrick etwas ein. „Ich könnte Ihnen noch von Nutzten sein. Vergessen Sie das nicht. Immerhin ist dieser MacLane, Randy, noch immer vermisst.“ „Sie wollen uns da helfen?“ grinste Ross und schüttelte sich innerlich. Nein, von diesem Kerl erwartete er keine Hilfe, nicht in dieser Richtung, nicht nach dem, was er alles gehört hatte. Nein. Es war eindeutig. Patrick war hinter Dee her und würde die Ermittlungen im Fall ‚Ryo’ eher noch behindern als vorantreiben. „Wir werden uns melden. Wir wissen ja jetzt, wo und wie wir Sie kontaktieren können, DCI McNear!“ Kühl stand Barclay auf und seufzte, als erneut die Tür unangeklopft geöffnet wurde und diesmal J.J. Adams hereinplatzte und mit einen Wisch in den Händen herumwedelte. „Kann ich... Oh, Sorry. Dachte, Sie wären allein,“ stotterte J.J. und blieb unschlüssig stehen. „Sir, es ist... wichtig.“ Allerdings so wichtig nun auch wieder nicht, dass er vor diesem Arsch, wie er McNear bei sich bezeichnete, auch nur ein Wort verlauten lassen würde. „Wie gesagt, McNear. Wir melden uns, wenn wir Ihre Hilfe benötigen,“ sagte Ross erneut und hoffte, dass dieser diesmal die Aufforderung verstand und ging. Tatsächlich machte dieser, nachdem es kurz in seinen Augen aufgeblitzt hatte, einen Schritt zurück. „Ich rufe Sie an, wegen Dee...“ sagte er nochmals und verließ dann endgültig das Büro des Commissioners. Nachdem die Tür hinter dem DCI zugefallen war, richtete Ross sein ganzes Augenmerk auf J.J. „Was gibt’s, Adams?“ „Ich... Also ich habe eben meinen Bericht geschrieben und da habe ich mir das ganze nochmals alles vor Augen geführt... so wie ich dalag, wie ich das Zimmer durchsucht habe, wie ich...“ „Adams... Bitte. Die Kurzfassung.“ Ross rieb sich über die Nasenwurzel und ließ seinen Sessel unter sich knarzen, als er sich zurücklehnte. Nur so konnte er meist das Gestammel des aufgedrehten Cops durchhalten. Manchmal fragte er sich wirklich, wie so einer Scharfschütze hatte werden können, da ihm jede Ruhe fehlte. Aber wie er gestern erst bewiesen hatte, konnte er, wenn er wollte, durchaus ruhig und diszipliniert sein. Warum nicht auch jetzt. J.J. schwieg, grübelte und sagte dann das, was ihm so aufgefallen war. Demnach nur das wesentliche. „Er war tot!“ „Wer?“ So rasch schaltete Ross nun nicht und konnte auch mit diesen drei Worten so in den Raum geworfen nichts anfangen. Jedenfalls noch nicht. „Der Bomber! Entweder er war tot oder er hat geschlafen,“ erklärte J.J. nun ein wenig explizierter. „Was?“ Interessiert sprang Barclay auf. „Sind sie sich sicher?“ „Nun... ich sah durch das Zielfernglas... und ich hatte ihn ja eine Weile im Schussfeld, bis Sie den Schussbefehl gaben... der hat sich nicht gerührt... keinen Millimeter. Das ist mir aber eben erst eingefallen...“ Ross griff zum Hörer, wählte und wartet. „Gerichtsmedizin? Habt ihr den Bomber schon obduziert?... Ich will eine genaue Obduktion. Mit allem Schnickschnack. Von Drogen bis hin zu normaler Todesursache... Einfach alles... Ja... Ja, genau. Das ganze wenn möglich bereits gestern.“ Er legte den Hörer zurück und ging zu J.J. Legte diesem wohl das erste Mal, seitdem er hier Commissioner war, die Hand auf die Schulter. „Gut gemacht, Adams, und nun zurück an die Arbeit. Ich möchte Ihren Bericht noch heute auf dem Schreibtisch haben.“ „Ja, Sir,“ Sagte J.J. und war sichtlich gerührt über diese Geste. ***** TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)