Ein bisschen hier von, etwas davon und das da auch bitte von Tak-lung (Sammelsorium von Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 2: Ausgesprochen unausgesprochen ---------------------------------------- Ich fahre Zug. Warum? Weil meine Mutter mich eingeladen hat, weil eine Tante aus Japan zu Besuch ist und ich Japan liebe. Was ist? Die Frau reist einen Tag, ehe ich komme ab. Zugtickets sind schon gekauft, meine Mutter sieht mich eh selten genug, also komme ich. Und jetzt fahre ich. Um halb Elf bin ich zuhause und morgen Unterricht zur ersten Stunde. Natürlich war mein Wagen, wo ein Platz reserviert ist ganz hinten. Der Letzte. Wenigstens bin ich mit wenig Gepäck: Nur ein Rucksack und das war es auch schon. Ich schaue im Vorbeigehen in die Abteile. Man da sind noch so viele Plätze frei! Und die Frau meinte ich solle unbedingt reservieren, von wegen Wochenende, aber wer fährt schon auf 'nen Sonntag so spät Heim? Ich natürlich dumme Frage. Ich schau noch mal auf die Reservierung. Platz 84. Die erste Nummer auf die ich schaue ist 104. Da ist ein Dreierplatz am Fenster und... ich glaube ich werd nicht mehr: DER Junge!!! Er hat schwarzes Haar, bis zu den Schultern, ganz glatt, ist eher blass, hat Ultra süße braune Augen und überhaupt: Total mein Typ. Den, genau DEN habe ich schon mal gesehen! Es war in der Buchhandlung. Damals habe ich mich hinter einem Buch versteckt aber ihn die ganze zeit beobachtet und mit dem Gedanken gespielt ihn anzusprechen. Aber da waren ja noch seine Freunde dabei gewesen und ich bin doch nicht geübt in so was. Hatte doch noch nie einen Freund und das mit 18... ganz schön deprimierend. Kurz schaut er auf, unsere Blicke treffen sich. Schnell gehe ich weiter die Nummern durch. Er soll doch nicht denken ich gaffe ihn an oder so was. „Darf ich mich dazu setzen? Alleine fährt es sich so schlecht.“ „Ist hier noch frei?“ „Hey du kommst auch aus Bremen oder? Hab dich da mal gesehen.“ „Willst du mich küssen?“ Ich sage nichts und gehe zwei Sitzreihen weiter. Ein Viererplatz mit Tisch, aber nicht den schönen großen. Nein es ist so ein komischer zusammenfaltbarer, wie ich ihn noch nie in einem Zug gesehen habe. Na ja, besser als nichts. Eine Frau sitzt mir gegenüber. Die Haare sind schon grau, ihre Augen streng und missbilligend. Ja die Brille macht sie noch unfreundlicher. Sie sieht aus wie die Art von Frauen die durch die Gegend rennen und ‚die Jugend von heute’ sagt. Auch mich schaut sie missbilligend an. Ich lächle und wünsche einen guten Abend, aber sie nickt nur reserviert. „Danke, zu freundlich. Und wie nett sie doch lächeln können.“ Ich lehne mich in meinen Sitz und gucke sie kurz an, denke mir meinen Teil. Aber es hilft ja doch nichts. Kurz schaue ich hinter mich durch die Sitzreihe. Da sitzt er, nur 2 Meter entfernt. Ich könnte aufstehen. Ich könnte fragen, ob ich mich dazu setzen dürfe. Aber das wirkt doch etwas seltsam, wo ich doch reserviert habe und gerade an ihm vorbei gekommen war. Ich schiebe den Gedanken bei Seite. ‚Dafür habe ich eh nicht genug Mumm’ denke ich mir und hole meinen Block heraus. Die Frau schaut auf die Manga Zeichnungen. ‚Kritzeleien’ ist ihrem Blick abzulesen. Ob sie ihm wohl gefallen hätten? „Hast du das gezeichnet?“ „Ja, ich mach das so aus Spaß, will aber auch Design studieren... natürlich übe ich dafür auch anderes als Mangas“ So etwas in der Richtung, aber ich stehe ja nicht auf und er sieht meine Zeichnungen nicht. Nur die Frau sieht sie und ihrem Blick ist wieder dieses abfällige ‚die Jugend von Heute’ abzulesen, auch wenn sie nichts sagt. In Gedanken stecke ich ihr die Zunge raus. „Sorry, wenn es ihnen nicht gefällt“, denke ich und suche meinen Stift der einfach im Rucksack rumfliegt. Dann suche ich meine Griffelmappe. „Ach ne 'ne?“ Ich murmle leise, so eine Angewohnheit von mir. Sicher denkt die Frau jetzt ich rede mit mir selber. Na und? Sicher besser, als mit ihr zu reden. Die Griffelmappe ist nicht da! Dabei hatte ich extra drei mal in mein Zimmer geschaut. Toll, also eine Woche ohne Füller. Eine Woche und zwei Klausuren und dann auch noch Geschichte ohne Füller. Ich bin so schrecklich demotiviert von meiner eigenen Dummheit, dass ich nach zwei Augen schon wieder auf höre und das blanke Papier starre. Dass ich die ganze Zeit denke ‚Der Junge ist sicher viel netter’ hilft mir auch nicht weiter. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass ich erst 15 Minuten unterwegs bin. Noch ganze 2 ½ Stunden Fahrt vor mir... Ich seufze und starre hinaus ins schwarze... na ja was da eigentlich ist erkennt man ja nicht, schließlich ist alles schwarz... Nicht mal der Landschaft kann ich beim vorbeifliegen zu sehen, oder Wolkenbilder finden, oder so was. Vielleicht denke ich mir eine kleine Geschichte aus? Ich beginne und unweigerlich wird etwas total kitschiges daraus. Wie sich eine 18 Jährige und ein Junge in einem Zug treffen. Er ist total süß, langes schwarzes Haar... Vielleicht sollte ich es einfach drauf ankommen lassen. Immerhin hätten wir beide dann was zu lachen! Ja ich bin schon quasi entschlossen aufzustehen. Nur die Bedenken ‚Was denkt, denn dann die Frau von mir?’ lassen mich innehalten. Sicher, es könnte mir egal sein, aber dummerweise ist es mir das nicht. Dann bestätige ich sie ja auch noch! Nein, nein! Ich lächelte sie lieber weiter an! Noch mal 25 Minuten vergehen so, bis der erste Halt angesagt wird. Vielleicht geht sie ja jetzt. So richtig dran glauben will ich nicht. Bisher ist derjenige von dem ich gehofft habe er gehe noch nie gegangen aber: Das Unmögliche geschieht: sie steht auf, nimmt ihre Jacke und Tasche und ohne einen Gruß geht sie. Mein Herz macht einen Hüpfer und sinkt gleichzeitig. Mein einziger Grund nicht hinzugehen war verschwunden. Jetzt sollte ich es tun. Ja ich sollte... Ich meine: Wie oft verknallt man sich auf den ersten Blick, spricht den Jungen nicht an und trifft ihn später alleine abends im Zug sitzend wieder? Das war eine einmalige Chance!!! Entschlossen tue ich meinen Block in meinen Rucksack. Ja, ich tu das jetzt! Mir egal für wie bescheuert er mich hält! Besser, als nichts zu machen und in das schwarze Draußen zu starren. Gerade will ich aufstehen, als vom nächsten Abteil jemand herüber schaut. „Hey bist du nicht...“ Ich sehe ihn an... ja das ist doch der Typ vom Go!!! Dann hatte ich mir das vorhin am Gleis gar nicht eingebildet! Lustig, die Welt war doch ein Dorf! „Hey, so ein Zufall!“ Ich grinse. Der Rucksack wird auf den Platz geschmissen wo die Frau gesessen hatte, er setzt sich neben mich. „Und, wo fährst du hin?“ Ich bin verwirrt. „Nach Bremen?“, frage ich zurück „Du bist doch der vom Go, oder?“ Ich bin verwirrt. Sollte ich mich doch getäuscht haben? Und das, wo ich ihn jede Woche treffe? „Nein, nein, ich... tut mir leid ich wusste ich kenne dich, aber ich konnte dich nicht zuordnen. Ich dachte erst du wärst die beste Freundin meiner Schwester.“ Er lächelt entschuldigend ich grinse nur doof. „Schon Ok, kann jedem passieren. War ja auch 'ne Weile nicht mehr da, Stress wegen Abitur und so.“ Wir reden. Er und ich haben unsere Eltern besucht. So ein Zufall aber auch. Ich schaue nur kurz nach hinten. Ob er da noch sitzt? Vielleicht hatte ich mich geirrt und es war ja doch nicht der Junge aus meiner Stadt gewesen und er war ausgestiegen? Na ja, jetzt war da ja... wie hieß er überhaupt? Ich habe kleine Ahnung. Ich sehe ihn zwar einmal wöchentlich, aber ich muss ja seinen Namen nie benutzen. Es ist immer nur ‚Hi’ und ‚wie geht’s?’ und ‚Spielen wir ’ne Runde?’. Dafür braucht man keinen Namen. Na ja, ist ja auch egal. Jetzt brauche ich den Namen ja auch nicht. Er ist Mitte 20, auch wenn man von der Haarpracht her etwas älter schätzen würde. Sicher wird er schon mit Mitte dreißig eine Halbglatze haben... Er trägt eine Brille, seien Augen haben keine schöne Farbe, ne Mischung aus braun und grün, aber freundlich sind sie. Genau wie er. Nicht mein Typ, aber nett, und immerhin kriegt man so die Zeit rum. „Du studierst... Ingenieur, oder?“, überlege ich. Ich weiß noch, irgendwann hatten sie beim Go darüber gerade... irgendwas von wegen, dass die Ingenieure aus einer anderen Welt stammen und am besten in einen Turm verband werden sollten, wohin man alle Arbeit schickt. „Nein, Mathe, aber ich arbeite viel mit Ingenieuren.“, antwortet er. Mir ist das peinlich. Er hatte es mir doch schon einmal gesagt gehabt. Ich versuche das zu überspielen, lache und winke ab „Ach hat beides was mit Zahlen zu tun, oder?“ Mein Herz bleibt stehen. Der Junge war aufgestanden und ging an uns vorbei. Sein Blick trifft meinen, und schon ist er vorbei. Er ist NICHT ausgestiegen. Ich freue mich. Warum weiß ich nicht, ihn ansprechen kann ich ihn jetzt nicht mehr. Jetzt redete ich doch mit dem Namenlosen Go-Spieler. Dem Bekannten. Wir redeten über allerlei. Vor allem über Lehrer und Professoren und die Unterschiede von unseren Schulen. Sportkurse, Sadisten, Lehrer die gar keine Klausuren schreiben. Ganz eine andere Welt und das, obwohl er doch gar nicht so viel älter ist. Aber es kommt mir so vor, als wäre er so viel älter. Jahrzehnte scheinen uns zu trennen und trotzdem reden wir, als wären wir beste Freunde. Es war schon komisch. Ich komme immer an Mathematiker. Ok ich hatte noch nie ein Verhältnis mit einem, auch wenn der eine sich in mich aus einem mir unverständlichen Grund verguckt hatte, aber gut klar kommen tat ich mit ihnen doch... dabei war ich Deutsch LK und dachte immer, dass die ein bisschen anders ticken, als wir Normalsterblichen. Das meine ich gar nicht böse! Aber sie denken einfach anders, packen Probleme anders an und so. Das erzähle ich dem Namenlosen Bekannten auch und er stimmt mir sogar zu. Irgendwie freut mich das. Dann und wann wird es still. Man schaut auf die Uhr und denkt sich ‚Noch immer eine Stunde. Als wir auch noch zwischen drin wegen einer Baustelle stehen bleiben wird das Thema gewechselt. Jetzt weiß ich, wie das Französische Bahnnetz aufgebaut ist und ich bin dankbar über das Deutsche. Schließlich kommen wir auf das alte Thema zurück. Ich erzähle ihm, dass ich Design studieren wolle, und dann würde ich bei meiner Mutter wohnen. Mein Zimmer habe ich die letzten Tage gedanklich eingerichtet und freue mich schon riesig. Er erzählt mir, dass er seine Dissertation schreibt und hoffentlich ende des Jahres fertig sein würde und dann nach Island wolle oder jedenfalls irgendwohin, wo es kalt ist. Ich kann das ja gar nicht verstehen, aber wie gesagt: Mathematiker denken anders. Das ist meine halbherzige Erklärung. An den Jungen denke ich fast gar nicht mehr. Warum auch? Ich werde ihn nicht ansprechen. Wette gewonnen, aber doch nur durch einen dummen Zufall. Ich hätte es getan wäre da nicht dieser Typ gekommen. Ich will das jedenfalls glauben aber der Anhang ‚glaubst du ja selbst nicht’ schwingt in meine Gedanken immer mit. Schade... sicher sehe ich ihn nicht noch ein drittes Mal. Ja wie hoch war die Wahrscheinlichkeit schon ihn ein drittes Mal zu treffen? Aber wenn, und das schwöre ich mir während er mir etwas über die Antarktis erzählte und ich einfach nur ‚Aha’ sage und nicke, wenn... if... dann werdei ch ihn nasprechen. Jawohl. Endlich wird unsere Station angesagt! Ich bin erleichtert, so nett der Typ auch ist, zwei Stunden mit ihm, einer für mich doch fremden und nicht sonderlich interessanten Person zu reden war anstrengend. Nett, aber anstrengend und ich bin froh Heim zukommen, schlafen zu können. Mein Herz schlägt kurz schneller, als ich sehe dass der Junge auch aussteigt. Ein Rucken von Zug und ich könnte gegen ihn fallen und einmal ein Wort mit ihm wechseln... Nur einmal, während er den schweren Koffer für mich zur Seite rückt. Aber es passiert nichts. Ich sage nichts, jedenfalls nicht zu meinem heimlichen Schwarm und während ich erkläre, ich müsse jetzt Richtung Altstadt weiter zähle ich die Sekunden, die ich noch in diesem Zug mit diesem Jungen verbringen würde, bis ich ihn nie wieder sehe. Ich kann nicht anders, als ihn anzusehen, während der Zug langsam abbremst. Auch er sieht mich kurz an, oder er schaut einfach nur aus dem Fenster, welches direkt hinter mir ist? Glauben möchte ich das erste tue aber das zweite. Ich bin hübsch, finde ich. Aber trotzdem denke ich immer, dass andere mich nicht hübsch finden... diese Mädchen Krankheit eben. Klingt nicht nur dumm, ist es auch, aber was soll man machen? Solange ich keine dummen Diäten (die ich 1. nicht nötig habe und 2. eh nicht durchhalten würde) mache und abmagre ist das OK. Der Zug hält. Scheiß Zug, kannst du nicht plötzlicher halten? Dann könnte ich doch noch einmal in seinen Armen liegen und... Ok so ist es im Film, nicht in der Realität ermahne ich mich. Und es ist Kitsch hoch drei. In Filmen hasse ich so etwas doch! Ich springe fröhlich heraus, der Junge mit seinem Koffer folgt. Ich könnte ihm helfen und dann ansprechen... aber da ist ja noch mein Namenloser Bekannter, außerdem sehe ich nicht kräftig aus... es wäre lächerlich ihm für die drei Stufen Hilfe anzubieten, so als Mädchen. Er geht und ich folge und mein Bekannter ist neben mir und erzählt mir, wo er hin muss und ich frage, wie er da hin kommt. Wir nehmen die Treppe und der Junge den Lift. Ich verliere ihn aus den Augen. Ich lächle. Ja, ich lächele, obwohl ich seufzen, ja schreien will. Der Junge war es! Ich wusste es einfach! Es konnte kein Zufall sein, dass ich ihn zum zweiten Mal getroffen hatte, und was war? Ich redete mit diesem, netten, aber doch mit diesem Namenlosen Bekannten! Ich möchte mich Ohrfeigen, lasse es aber dann doch. Tut ja schließlich weh. „Also, dann bis Freitag, hoff ich.“ Ich streiche mir das Haar hinters Ohr, bin unsicher was ich machen soll. Er anscheinend auch. Manche geben sich die Hand, andere umarmen sich, wieder andere machen nichts... Es endet in einer Umarmung, dabei mag ich so etwas gar nicht. Nun, überleben tu ich es ja trotzdem. Mein Bus kommt und ich danke Gott endlich Heim zu kommen. Vielleicht träume ich ja von dem Jungen... enttäuscht stelle ich fest, dass er nicht im Bus sitzt. Nun, das wäre doch auch zuviel des Zufalls gewesen. Ob er mich bemerkt hatte? Ob er sich auch wünschte mich angesprochen zu haben und es nur nicht getan hatte, weil ich schon mit einem Typen geredet hatte? Konditionalsätze... Was wäre wenn... ? Ich hasse es, ich hasse mich dafür mich so etwas zu fragen! So schnulzig bin ich nicht! Ich beschließe lieber an Morgen, oder an mein Abi, oder an das Zimmer, das ich in weniger als einem Jahr einrichten darf zu denken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)