September Storm von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 4: Krisengipfel ----------------------- So, genau richtig zum zweiten Advent hab ich wieder so viel zusammen, dass es zum Hochladen reicht. Wünsche viel Spaß damit und bitte wie immer um reichlich konstruktive Kritik. Die sechs Erwachsenen standen bei strömenden Regen auf dem Rollfeld und verabschiedeten sich voneinander. Die Stimmung war an diesem Tag allgemein wie das Wetter: gedrückt und traurig. Wochenlang war es auf Yuma nun Schönwetter gewesen und an diesem Tag fegte eine Kaltluftfront durch die Stadt, als ob sie bestellt worden wäre. Saber, Colt und auch April verabschiedeten sich von ihren Liebsten. Beim einen war es ein ruhiger, schmerzlicher Abschied, beim anderen mischten sich Vorwürfe dazwischen. Colt und Robin schienen sich nicht mehr trennen zu wollen. Die beiden lagen sich minutenlang schweigend in den Armen. Robin krallte ihre Finger in Colts Rücken und drückte ihm immer wieder Küsse auf die Lippen. Und auch Colt hielt seine Frau so fest im Arm, wie er nur konnte. Intensiv atmete er ihren Duft ein, konzentrierte sich nur auf sie. Er wollte seine Frau nicht zurücklassen müssen, aber irgendwie hatte es Charles doch geschafft, Fireball an Board zu holen. Colt musste wohl oder übel Wort halten. Griesgrämig hatte er zuhause seine Sachen eingepackt, sogar Fotos hatte er dieses Mal mitgenommen. Colt vergrub sein Gesicht und schloss die Augen. Er würde Robin eine ganze Weile nicht sehen, er würde eine wichtige Entwicklungsphase seiner Tochter verpassen und er würde auf seine zwei Frauen nicht aufpassen können. Saber schloss Synthia nur kurz in die Arme, sie hatten zuhause bereits alles geklärt, was den Ablauf der nächsten Wochen und Monate betraf. Der Schotte gelobte seiner Frau noch einmal, sich regelmäßig zu melden. Tief in seinem Inneren bangte Saber allerdings, dass all das nicht helfen würde. Er und Synthia hatten sich seit jenem Abend, an dem er ihr von seinen neuen Aufgaben erzählt hatte, nicht mehr richtig annähern können. Viele Abende hatten sie sich einfach nur angeschwiegen, was für Saber mittlerweile schlimmer war, als lautstarkes Streiten. Mit einem wehmütigen Blick drehte er seiner Frau den Rücken zu. Er betete zu Gott, dass sie ihm verzeihen würde und dass ihr und Matthew nichts passierte, während er weg war. Einmal hatte er der ehemaligen Kindergärtnerin sogar vorgeschlagen, zu seinen Eltern zu ziehen, während er wieder mit Ramrod unterwegs war, aber das hatte Synthia offenbar noch mehr verletzt, als seine Pflichten als Star Sheriff. Und April debattierte vor ihrem Abflug wieder mit ihrem Freund. Chris war von Anfang an dagegen gewesen, April mit Ramrod irgendwohin fliegen zu lassen, egal ob ein Fireball mit an Board war oder nicht. Alleine der Gedanke, dass seine Freundin sich bewusst einer Gefahr aussetzte, brachte den Rennfahrer zur Weißglut. April hatte deswegen gleich gar nicht erwähnt, dass sie auch Fireball bei ihren Missionen begleiten würde. Und war April ehrlich zu sich selbst, hatte sie Angst. Sie hatte unheimliche Angst vor dem Wiedersehen. Immerhin hatte sie Fireball über ein Jahr nun schon nicht mehr gesehen oder gesprochen. Die beiden Männer, Colt und Saber, hatten den Japaner so gut es ging, aus Aprils Leben herausgehalten. Sie wusste sehr wohl, dass sowohl der Kuhhirte als auch der Säbelschwinger regelmäßigen Kontakt mit ihm hatten, aber sie hatte nie gefragt, wie es dem Japaner ging. Sie war einfach zu feige gewesen. Schließlich konnte sie ihn nicht aus ihrem Leben ausklammern und dann dauernd fragen, was er so trieb. Während also bei Colt und Saber der Abschied ruhig verlief, keiften sich April und Chris an. Aber April ließ sich nicht mehr umstimmen. Trotzig drehte sie sich zur Rampe und giftete Chris an: „Ich lasse mein Baby nicht ohne mich abheben, das hättest du wissen müssen.“ Kaum war Ramrod gestartet und aus Yumas Atmosphäre, gingen die drei Star Sheriffs ihre eigenen Wege. Für alle drei war es ein seltsames Gefühl gewesen, nur zu dritt zu starten. Aber, es würde der einzige reguläre Start zu dritt bleiben, denn erstes Ziel der Freunde war die Erde. Colt hatte sich als erstes aus dem Kommandoraum zurückgezogen, er wollte den Abschied von seiner Familie mit sich selbst ausmachen. Kurz nach ihm war Saber auf sein Zimmer gegangen. Er gab sich die größte Mühe, seinen Freunden nicht zu zeigen, wie unglücklich er über die gesamte Situation war, immerhin konnten sie alle nichts dafür. Saber war selbst schuld, er hätte Synthia vielleicht anders gegenüber treten sollen und offener mit ihr darüber sprechen, wie schwer es auch ihm fiel, zu gehen. Aber das hatte er nicht und deshalb musste er zusehen, dass der Schaden so gering wie möglich blieb und Synthia sich wieder beruhigte. April hatte unfreiwillig den Dienst auf der Brücke übernommen. Sie kontrollierte während des Fluges, ob der Autopilot richtig arbeitete, sah sich vor Ort die Fehlerprotokolle an und bastelte zum Zeitvertreib an einem kleinen Programm, das ihnen hoffentlich bald gute Dienste leisten würde. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend packte Shinji seine Tasche. Er fragte sich, weshalb er so gutmütig war. Eigentlich hätte er dem General das selbe sagen sollen, wie er es allen anderen vom Oberkommando auch sagen würde. Aber der alte Befehlshaber hatte einen derart väterlichen Ton in der Stimme und war obendrein noch jemand, dem man nichts abschlagen konnte. Er hatte sich tatsächlich breitschlagen lassen, natürlich hatte er Bedingungen gestellt, aber letzten Endes würden das wohl fromme Wünsche bleiben und Shinji setzte sich sozusagen freiwillig wieder Commander Eagles Terrorherrschaft aus. Auch, wenn ihm der General versprochen hatte, dass er Charles’ Befehl nicht mehr unterstand, so glaubte Shinji kaum, dass das irgendeinen Unterschied machen würde. Immerhin hatte der Commander nach wie vor die Befehlsherrschaft über Ramrod und das restliche Projekt, er konnte ihn nicht ausklammern. Vor einer guten Stunde erst war er vom Büro wieder nachhause gekommen, hatte einen Zwischenstopp bei Doktor Shirota eingelegt und sich gesundschreiben lassen. Gut, das hätte er nicht tun müssen und im Endeffekt hatte es Doktor Shirota auch nicht getan. Sein Hausarzt hatte ihm lediglich eine Bescheinigung fürs Oberkommando ausgestellt, in der stand, dass Außeneinsätze absolutes Tabuthema waren und er sich auch sonst keinerlei Gefahren aussetzen durfte, wegen seiner Rückenverletzungen. Shinji hatte ungläubig den Kopf geschüttelt. Was sollte er bitteschön auf Ramrod machen, wenn er aus ärztlicher Sicht nichts durfte? Eigentlich, so kam er zu dem Schluss, wurde er auf Ramrod fürs Däumchendrehen und für seine bloße Anwesenheit bezahlt, wenn er sich denn an die Anordnungen seines Arztes hielt. Kommandant Tomoei war gar nicht erfreut, Shinji wieder ziehen zu lassen, zumal er dem jungen Superintendent angesehen hatte, wie viel Lust er selbst zu diesem Ausflug hatte. Beide waren übereingekommen, dass Shinji seine Stelle bei der Polizei garantiert behalten würde, auch seinen Posten. Tomoei würde niemanden nach besetzen, er würde Shinjis Arbeiten lediglich auf die anderen aufteilen. Im Gegenzug dazu hatte Shinji seinem Vorgesetzten versprochen, zu helfen, wenn Not am Mann war oder wenn es um Sachverhalte ging, die Shinji noch selbst bearbeitet hatte. Zu diesem Zweck hatte Shinji seinem Chef die Hypercomnummer von Ramrod gegeben, sozusagen als heißen Draht. Der Kommandant konnte sich jederzeit melden, sollte Shinji gebraucht werden. Während seine Gedanken um alles mögliche kreisten, nur nicht direkt um Ramrod und seine drei Freunde, füllte sich seine Reisetasche allmählich. Dieses Mal verließ Shinji das Haus mit einem inneren Widerwillen, am liebsten hätte er wieder ausgepackt und beim Oberkommando angerufen, sie könnten ihm den Buckel runterrutschen. Aber, so hatte es ihm General Whitehawk zumindest versprochen, er würde spätestens in einem halben Jahr wieder zuhause sein. Wenn Shinji daran dachte, welche Schwierigkeiten er zuhause einfach liegen ließ, krampfte sich ihm der Magen zusammen. Von Laura war immer noch keine Spur, nun schon seit Wochen, und langsam schwand die Hoffnung, dass Laura noch lebte. Aber soweit wollte Shinji nicht denken. Er wollte von Laura nicht Abschied nehmen, nicht für immer. Sie war ihm seit seiner neuerlichen Ankunft in Japan eine gute Freundin, eine verlässliche Wegbegleiterin geworden. Die letzten Wochen vor ihrem Verschwinden hatten die beiden sogar wieder ein Bett miteinander geteilt. Zwar weniger, weil sie wieder ein Paar waren, was sich alle anderen wohl mehr wünschten als Shinji und Laura selbst, wohl aber, weil Laura einfach seine Nähe suchte. Und Shinji hatte nichts dagegen gehabt, Laura jede Nacht zu sich unter die Bettdecke schlüpfen zu lassen. Zwar war sie meistens erst irgendwann in der Nacht von ihrem Zimmer herüber geschlichen gekommen, aber ihm hatte es nichts ausgemacht, wieder geweckt zu werden. Das ärztliche Attest stopfte Shinji ganz oben in die Tasche, das würde er Saber wohl als erstes unter die Nase halten müssen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er noch einmal Star Sheriff wurde. Klar, Star Sheriff auf Zeit, bis sich die drei endlich für einen neuen Piloten entschieden hatten, aber er musste wieder antreten. Gerade, als er sich in Japan wieder zuhause gefühlt hatte, wieder einen festen Freundeskreis um sich aufgebaut hatte und wieder ein normales Leben geführt hatte, meldete sich General Whitehawk und rang ihm diesen Gefallen ab. Er hatte in der kurzen Zeit von drei Tagen, die sie ihm für diverse Organisationen gelassen hatten, nicht die Gelegenheit gehabt, Scott anzurufen und sich einen neuen Wagen von ihm geben zu lassen. So würde der Rennfahrer, der immer noch nicht fahrtauglich war, ohne fahrbaren Untersatz auf Ramrod zurückkehren. Wenigstens war der Shuttleservice zum Raumhafen Tokio ein voller Erfolg. Colt hatte es sich nicht nehmen lassen, die Familie Hikari vor Shinjis Abreise noch einmal zu besuchen. Shinji stand an der Tür und hielt seine Mutter fest im Arm. Er flüsterte ihr ein paar beruhigende Worte ins Ohr und verbeugte sich anschließend tief vor ihr: „Vielen Dank, Mum. Pass auf dich auf und melde dich, wenn was ist.“ Colt staunte nicht schlecht. Diese Ehrerbietung war der Kuhhirte von Fireball nicht gewohnt, normalerweise, so hatte er den Wildfang zumindest in Erinnerung, war Respekt ein Fremdwort für ihn gewesen. Aber, und das würde Colt wohl niemanden so schnell erzählen, er war gerührt von Fireballs Geste. Hiromi fuhr Shinji mit der flachen rechten Hand übers Gesicht und schloss die Augen. Der Abschied tat ihr sichtlich weh. Sie war eben auch eine Mutter, wie jede andere auch. Obwohl, und da korrigierte sich Colt in seinen Gedanken gleich selbst, er wollte nicht wissen, wie sich Hiromi in diesem Moment fühlte. Sie hatte die letzten Jahre soviel durchgemacht, hatte Ängste um ihren einzigen Sohn ausgestanden und jetzt ging dieser wieder zum Oberkommando, das ihn bald das Leben gekostet hätte. „Mach dir keine Sorgen, Shinji. Ich werde zurechtkommen.“ Die beiden schlossen sich noch einmal kurz in die Arme, dann packte Fireball seine Tasche und eine Krücke, die zweite ließ er absichtlich zuhause. Er ging auf Colt zu und lächelte ihm tapfer entgegen: „Na dann, wollen wir mal. Ich will ja nicht, dass unser Start Verspätung hat.“ Die Fahrt zum Raumhafen verlief größtenteils schweigsam. Colt sprach nicht, weil er Fireball ansah, dass er sich mit dem Abschied schwer tat. Wenn Colt an den Abschied von Robin und seiner kleinen Tochter zuhause dachte, konnte er seinen Freund verstehen. Colt war nach seiner Ankunft auf Ramrod gleich für einige Stunden in seinem Zimmer verschwunden, er hatte niemanden sehen oder sprechen wollen. Es war auch April und Saber ähnlich ergangen. Niemanden war der Abschied früher so schwer gefallen wie jetzt. Es lag ganz einfach daran, dass alle Familie hatten oder an jemanden gebunden waren. Damals, vor gut fünf Jahren, waren alle vier jung und vogelfrei gewesen. Fireball atmete tief aus und begann endlich ein Gespräch mit Colt: „Wo geht’s jetzt eigentlich als Erstes hin?“ „Wie, das weißt du nicht?“, erstaunt blinzelte Colt zu seinem Beifahrer hinüber. Niemand hatte Fireball gesagt, wie der Verlauf der Reise aussehen würde? Wieder einmal blieb alles an dem guten alten Colt hängen. Von Commander Eagle genervt, weil dieser die Hälfte wieder nicht erzählte, klärte er seinen Teamgefährten auf. Zu allererst würden sie nach New Witchita aufbrechen, dort wären Unruhen ausgebrochen, die offenbar mit Outridern im Zusammenhang standen. Am Fuße von Ramrods Rampe warteten bereits Saber und April auf die beiden Männer. Als Saber Fireball mit einer Krücke bewaffnet aussteigen sah, schoss es ihm augenblicklich durch den Kopf, dass er einen guten Freund wissentlich in Gefahr brachte, nur weil er niemand anderen als Piloten haben wollte. Geschickt nahm er Fireball seine Tasche ab und erkundigte sich nach seinem Gesundheitszustand: „Geht’s dir soweit gut?“ „Ein ‚Hallo!’ ist wohl auch schon nicht mehr drin, wie?“, lachend ging Fireball die Rampe hinauf. Er erklärte seinen Freunden: „Es ist immer noch das alte Leiden. Aber die gute Nachricht ist: Die Krücke hab ich nur noch Alibi halber mit.“ Er ging an April vorbei, die er nur mit einem kurzen Blick bedachte. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er die nächsten Wochen auf engstem Raum mit einer Frau verbrachte, die er zwar immer noch aus tiefsten Herzen liebte, mit der er aber nicht mehr umgehen konnte. Instinktiv zog er deshalb den Kopf ein und schlich neben Saber die Rampe hinauf. Obwohl er sie nur kurz angesehen hatte, so konnte er doch eindeutig sagen, dass sie sich kein bisschen verändert hatte. April hatte immer noch diese langen, blonden Haare, die sie mit einem Haarreif aus dem Gesicht verbannte. Und ihre blauen Augen. Sie waren immer noch groß und klar, aber sie strahlten ihn nicht mehr an. Wenn April ihn anblickte, dann sagten ihre Augen alles über ihre Gefühle aus und in diesem Fall hatten sie ihm deutlich vermittelt, dass er ihr nichts mehr bedeutete. Es tat ihm weh, aber er konnte es auch verstehen. April war Fireballs Blick nicht entgangen. Betroffen hatte sie sich daraufhin abgewendet und war Colt einige Schritte entgegengegangen. Wovor sich April am meisten gefürchtet hatte, war keine zwei Minuten nach Fireballs Eintreffen schon Wirklichkeit geworden. Er war immer noch gekränkt, das hatte sie aus seinem Blick und seinen Augen deutlich ablesen können. Aber auch sie war gekränkt und verletzt. Sie hatte immer noch nicht alles in Erfahrung bringen können, teilweise hatte sie es auch aufgegeben. So hatte April ihren Vater nicht mehr auf Yamatos Tod und die Verbindung zu Fireball angesprochen. Genauso wenig hatte April versucht, Details aus Colt und Saber herauszukitzeln. Um ganz ehrlich zu sein, April hatte keine Versuche mehr unternommen, Fireballs Verhalten zu verstehen. Ihr wurde bewusst, dass sie sich spätestens jetzt wieder damit auseinandersetzen musste, wollte sie in einem funktionierenden Team arbeiten. Sie hätte Fireball so gerne gesagt, wie mies und schäbig sie sich immer noch wegen damals fühlte, aber sie brachte ja nicht mal ein „Hi!“ heraus. Während Saber Fireball die Rampe hinaufbegleitete, gingen April und Colt schweigend hinter ihnen her. April betrachtete Fireballs Gang aufmerksam. Er kam schon ganz gut zurecht, allerdings hatte er immer noch Probleme, das Gleichgewicht zu halten. April wusste nicht, wie viele Stunden Übung und wie viele schmerzhafte Tage hinter diesem mäßigen Erfolg steckten, aber eigentlich hatte die Blondine gedacht, er würde schon wesentlich besser zu Fuß unterwegs sein. Vielleicht hatte sie die Schwere der Verletzungen unterschätzt oder aber sie hatte Fireballs Kampfgeist und das Können der Ärzte überschätzt. Kopfschüttelnd verschränkte April die Arme vor der Brust und blinzelte kurz zu Colt, dem das Bild von Fireball eher vertraut zu sein schien, als ihr. Das nächste, was April sofort in die Augen gesprungen war, war das völlig veränderte Aussehen des Japaners. Hatte sie ihn wirklich schon so lange nicht mehr gesehen, dass er sich so sehr verändern konnte? Es waren nicht nur die kurzen Haare, es war auch das gesamte Auftreten von Fireball. So hatte sie den Rennfahrer niemals freiwillig Hemden tragen sehen, aber offensichtlich war es hier in Japan so üblich. April war auch aufgefallen, dass der Rennfahrer wieder ein paar Kilos mehr auf den Rippen hatte, als noch bei ihrer letzten Begegnung. Die Blondine schloss daraus, dass Hiromi ihn gut bekochte und er in Japan ein zufriedenes Leben geführt hatte. Ein Leben ohne sie und es war ihm dabei offenbar besser gegangen, als mit ihr. Nach einer kurzen Führung und Einweisung durch Ramrod, brachte Colt seinen Hombre auf sein Zimmer. Er stieß die Tür auf und betrat noch vor Fireball das Zimmer. Leise und hinter vorgehaltener Hand kritisierte der Kuhhirte: „Also, alles was Recht ist, aber das geht zu weit, geht es doch! Unser Superhirn hat eigentlich einen anderen vierten Mann im Team eingeplant und deswegen hier gar nichts unternommen. Dein Quartier musst du dir selbst noch ein wenig verschönern, Turbofreak. Vielleicht hat April sogar noch irgendwo deine Sachen versteckt, die du auf Ramrod II zurückgelassen hast.“ Skeptisch machte Fireball eine Runde in seinem Zimmer. Es war total leer! Naja, nicht ganz, denn ein Bett, einen Tisch und Stuhl, sowie einen Schrank hatte es schon, aber ansonsten war da Nichts. Nada! Niente! Verunsichert blinzelte Fireball zu seiner Tasche und kratzte sich am Hinterkopf: „Hätte ich das gewusst, hätte ich mehr eingepackt als nur das bisschen da. In dem Zimmer könnte man sogar Mäuse husten hören.“ „April wird das nicht gerne hören. Mäuse an Board ihres Schätzchens! …Wenn du möchtest, lass ich dich jetzt in deinem neuen Reich alleine und hol dich dann zum Abendessen ab.“, Colt grinste verschmitzt. Fireball hingegen zuckte nur kurz mit den Schultern. Er stellte die Tasche aufs Bett und öffnete sie. Geschickt fingerte er sein Attest heraus und nickte Colt entgegen: „Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns alle zusammen setzen und erst mal die Regeln aufstellen.“ Der Kuhhirte hatte das kleine Lächeln auf Fireballs Gesicht nicht gesehen, weil er schon halb aus dem Zimmer draußen gewesen war, und deshalb blieb er abrupt stehen. Welche Regeln? Und weshalb sollte er Regeln aufstellen? Colt entschied sich dafür, nicht zu neugierig zu sein und mit Fireball gemeinsam in den Aufenthaltsraum zu gehen. Die anderen beiden hatten sich schließlich auch schon dort eingefunden. Während sich April um den Kaffee kümmerte und Saber aus einem der Vorratsschränke schon den ersten Kuchen mopste, setzte sich Fireball an den Tisch und Colt suchte das Geschirr zusammen. Schweigen lag über dem Aufenthaltsraum. Bevor Saber sich mit dem Kuchen an den Tisch setzte, entschied sich Fireball noch schnell dafür, ihm das Attest nicht zu geben, weshalb er es in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Alle nahmen ihre alten Plätze ein und bedienten sich am Nachmittagskaffee. Saber und Colt, die sich gegenüber saßen, hatten kein Problem damit, ein Gespräch anzufangen. Die beiden Männer brachten einfach mal ihren neuen Piloten auf den aktuellen Stand der Dinge und forderten ihn nach gut einer Stunde zur selben Prozedur auf. Mittlerweile hatten sich die Kuchenteller geleert und auch die Kaffeetassen waren nicht mehr voll. Fireball legte die Hände auf den Tisch und verzog das Gesicht. So sehr er sich auch bemühte, die Situation für völlig normal anzusehen, so saß ihm doch immer im Hinterkopf Commander Eagle, der wieder alles daran setzen würde, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Mit einem leisen Seufzen begann er schließlich seinen Freunden zu erzählen: „Ich war gerade dabei, mich auf einige Prüfungen vorzubereiten. In einigen Wochen sollte ich zu meinen Examen antreten. …Aber na ja, jetzt bin ich hier.“ Der Japaner hatte weder Saber noch Colt jemals erzählt, dass er erneut mit einer Ausbildung begonnen hatte, weshalb beide nun umso verdutzter schauten. Aber es hätte ihnen auch klar sein müssen, denn immerhin war Fireball jemand, der Stillstand nicht aushielt, sei es nun in privater oder beruflicher Hinsicht. Colt runzelte die Stirn und drehte seine Kaffeetasse im Kreis. Er betrachtete aufmerksam, wie das bräunliche Gesöff in der Tasse Wellen schlug und sich träge wieder beruhigte, wenn er aufhörte, die Tasse zu drehen und zu schieben. Verstohlen blinzelte Colt in die Runde. Seit sie den Rennfahrer abgeholt hatten, schwiegen sich April und Fireball schon an, und er und Saber durften versuchen, die beiden wieder aneinander anzunähern. Colt wurde immer bewusster, was seine Bedingung bedeutete. Es war nicht mehr wie damals. Auch, wenn sie alle vier hier an Board waren, so würde es niemals mehr das selbe sein. Saber und er waren Familienväter und verheiratet. Sie sollten sich gar keiner Gefahr mehr aussetzen und dennoch hatten sie gleich die Hände in die Höhe gerissen, als es darum ging, den Vogel zu besetzen. Und April und Fireball? Von dem vertrauten Verhältnis, das die beiden mal zueinander hatten, war gar nichts mehr da. Alles, was da noch war, war dieses eisige sich anschweigen und das machte Colt die größten Sorgen. Wenn die beiden nicht miteinander sprachen, würden sie auch nicht miteinander arbeiten können und das brachte wiederum auch ihn und den Säbelschwinger in Gefahr. Saber hatte sich mit dem Rücken an die Lehne gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Aber es war keine abwehrende Haltung, sondern eher eine nachdenkliche. Sabers Gesichtsausdruck war durchaus entspannt, aber man konnte ihm schon an der Nasenspitze ansehen, dass seine Gedanken rotierten. Als er sich mit der rechten Hand auch noch ans Kinn fuhr, konnte jedermann deutlich erkennen, wie angestrengt er über irgendwelche Dinge nachdachte. Saber fuhr sich kurz darauf mit der rechten auch durch seine Haare und dann blickte er Fireball direkt in die Augen. Wenn er ihn jetzt nicht fragte, würde er später wohl kaum noch die Zeit dafür aufbringen können: „Sag mal, Fireball. Wie in Dreiteufelsnamen hat dich Commander Eagle wieder an Board gebracht?“ Die Neugier war endgültig geweckt. Auch Colt und April richteten ihre Blicke auf den jüngsten in der Runde. Seine innere Unruhe ließ sich Fireball nicht mehr anmerken, mittlerweile hatte er gelernt, diese sehr gut zu verbergen und zu kontrollieren. Er umfasste seine Kaffeetasse mit beiden Händen erklärte ihnen: „Nicht der Commander hat mich wieder hierher gebracht, es war der General. Vor drei Tagen hat er mich angerufen und mich um einen Gefallen gebeten…“ … Kurz nach dem Abendessen, als Hiromi und Shinji schon auf der Couch saßen, schreckte sie ein Telefonat noch einmal auf. Mürrisch holte sich Shinji sein Gerät und hob ab. Erschrocken war er gleich weiter in die Küche gegangen und nicht zurück auf die Couch. Er begrüßte seinen Gesprächspartner während er die Tür schloss: „Guten Abend, General.“ Der grauhaarige Mann lächelte ihm freundlich entgegen: „Hallo, Fireball. Ich hoffe, ich störe dich gerade nicht.“ Da Commander Eagle dem alten General nicht alles erzählt hatte, tastete dieser sich auch nicht besonders feinfühlig heran. Charles hatte ihm lediglich gesagt, er und der junge Hikari würden sich nicht mehr verstehen, weil sie Streitigkeiten gehabt hätten und deshalb könne er ihn auch nicht selbst darum bitten. Shinji schüttelte knapp den Kopf: „Nein, bin schon von der Arbeit zuhause. Ich hab alle Zeit der Welt für Sie, General Whitehawk.“ Whitehawk brachte sein Anliegen kurz und bündig vor, wofür er vorerst Schweigen erntete. Überrumpelt von der Bitte, setzte sich Fireball erst einmal auf den Küchentisch. Minutenlang starrte er auf den kleinen Bildschirm ohne dem General eine Antwort geben zu können. Schlussendlich brachte er traurig hervor: „Selbst wenn ich wollte, General, ich kann nicht wieder zu Ramrod zurück.“ Der General runzelte die Stirn, er hatte die Worte richtig gedeutet: „Also, du willst gar nicht zurück zu Ramrod? Liegt es an deinen Schwierigkeiten mit dem Oberkommando?“ Verwirrt fuhr sich Fireball durch die Haare. Was wusste der General? Der General konnte gar nichts wissen, so schoss es Fireball augenblicklich durch den Kopf, ansonsten hätte es schon viel eher Radau im Oberkommando gegeben. Wahrscheinlich hatte ihm der Commander irgendeine Geschichte erzählt, die auch gleichzeitig erklärte, weshalb von den anderen drei Star Sheriffs niemand in der Lage war, sich bei ihm zu melden. Missmutig brachte Fireball deshalb seine Lage dar: „Sir, ich kann hier nicht weg. Ich befinde mich gerade in der Ausbildung zum Kriminalkommissar. Ich glaube kaum, dass sie mich gehen lassen. Außerdem, General, und das sag ich Ihnen jetzt, weil ich Sie immer geschätzt habe, hab ich keine Lust mehr auf die ewigen Diskussionen mit Commander Eagle. Der kann mir gestohlen bleiben.“ Whitehawk sah Fireball fragend und irgendwie verletzt an. Er war so scharfe Töne von Fireball nicht gewöhnt. Unweigerlich fielen ihm Sabers Worte ein, als er Fireball zum ersten Mal beschrieben hatte. Der junge Japaner hatte das Herz am rechten Fleck, man musste ihn nur richtig zu packen wissen. Und deshalb setzte der General am wunden Punkt an: „Deine Freunde brauchen dich, Fireball. Du kannst sie nicht im Stich lassen. Und wegen deinen Problemen mit Charles lässt sich bestimmt eine Lösung finden.“ „Ich wüsste da auch schon eine, General, aber ich glaube kaum, dass das so clever wäre,“ Fireball sparte sich die Details, er konnte dem General ja kaum sagen, dass sie Charles endlich in Pension schicken sollten. Was sollte er nur tun? Fireball wollte weder weg aus Tokio und von der Polizei, noch wollte er seine Freunde im Stich lassen. Sie würden ihn brauchen, das war sicher. Murrend fragte er den General: „Jetzt bin ich seit gut Ding drei Jahren nicht mehr im Oberkommando, warum haben sie es immer noch nicht geschafft, einen neuen Piloten zu finden?“ Auch darauf hatte Whitehawk eine Antwort parat. Er erklärte dem Hitzkopf, dass die Bedrohung die letzten Jahre praktisch nicht vorhanden war, erst seit einigen Wochen würden Outrider wieder ihr Unwesen treiben und die drei Star Sheriffs hätten sich auf die Schnelle auf keinen neuen Piloten einigen können. Er bat Fireball noch einmal eindringlich: „Bitte, Fireball. Unterstütz die drei wenigstens ein paar Monate, bis sie ausführlich Gelegenheit dazu hatten, einen Bewerber für die Stelle auszuwählen. Du wirst auch nicht mehr unter Commander Eagles Befehl stehen. Das verspreche ich dir.“ Nachdenklich massierte sich Fireball die Schläfen, ehe er sich zu einer Antwort durchringen konnte… Saber nickte anerkennend: „Der alte Fuchs hat Verhandlungsgeschick, das muss man ihm lassen.“ April allerdings fand keine Worte. Irgendwie war sie fest davon ausgegangen, dass Fireball zumindest eine Spur freiwillig gekommen war. Dass er General Whitehawk lediglich einen Gefallen erwies, verletzte sie. Sie hatte das Gefühl, alles hing mit ihr zusammen und sie konnte nicht anders, als erneut darüber nachzudenken, was wohl passiert wäre, stünde diese unglückselige Nacht nicht zwischen ihnen. Stirnrunzelnd fragte sie sich, was ihr Vater dem General bloß erzählt hatte, dass dieser so ganz und gar nicht stutzig geworden war. Es musste wohl Schicksal sein, den ehemaligen Rennfahrer wieder an Board zu haben. Colt hingegen musste sich zusammenreißen, um sich nicht laut lachend auf die Schenkel zu klopfen. Allmählich erst verstand er die Bedeutung der so witzig klingenden Worte und schlussendlich wurde ihm auch klar, dass der Rennfahrer nicht ewig bleiben würde. Verdutzt blinzelte er ihn an: „Wie bitte? In einem halben Jahr müssen wir dich wieder zuhause abliefern?“ „Ja, und bitte wenn’s geht ohne Verletzungen oder sonstigen Traumata.“ Fireball hatte keine Miene bei diesen Worten verzogen. Er hatte inzwischen keine Probleme mehr damit, manche Sachen mit Humor zu sehen. Aber vorerst testete er aus, wie viel Humor seine Freunde in der Beziehung verstanden. Augenscheinlich taten sie sich wesentlich schwerer damit als er selbst, weshalb er nach einigen Augenblicken meinte: „Keine Bange, Leute. Auf mich gibt’s keine Garantie mehr. Aber wie gesagt, in einem halben Jahr möchte ich wieder in Tokio einlaufen. Spätestens dann.“ „Vollkoffer!“, Colt schlug ihm mit der Faust gegen die Schulter und setzte ein empörtes Gesicht auf. Nachdem auch er den Witz endlich verstanden hatte, zeigte sich auf seinem Gesicht auch ein Lächeln. Aber nur ein kleines und das hielt nicht lange aus. Der Kuhtreiber störte sich einfach viel zu sehr an der Tatsache, dass Fireball in sechs Monaten wieder ging und er damit absolut keine Probleme hatte. Es schien tatsächlich so, als würde der junge Polizist nur seine Pflicht erfüllen. April stand unvermittelt auf. Immer noch hatte sie kein Wort mit Fireball gewechselt. Nun griff sie nach dem gebrauchten Geschirr und brachte es zur Anrichte zurück. Sie fühlte sich in Fireballs Gegenwart nicht wohl. Es schien ihr, als würde er sie mit seinen Blicken und Gesten strafen. Er schien sie für alles zu strafen, sei es, weil sie mit ihm angebandelt hatte oder weil sie ihn im Stich gelassen hatte. Missmutig strich sie sich ihren Pony aus der Stirn. Das konnte ja ein tolles halbes Jahr werden, wenn das so weiterging, wie es angefangen hatte. April schmiedete schon die wildesten Pläne, wie sie Fireball aus dem Weg gehen konnte. Ihr war klar, dass sie und Fireball riesigen Gesprächsbedarf hatten, aber sie wollte und konnte nicht mit ihm reden. Nein, sie war einfach zu feig. Da am Tisch saß eines ihrer Probleme, das andere saß ja zuhause und würde ihr auch durchs Telefon die Hölle heiß machen, wenn Chris erst erfuhr, wer da noch an Board war. Tage vergingen, bis sich alle endlich auf Ramrod eingelebt hatten. Jeder machte sich tagsüber mit seinen neuen Aufgaben vertraut, aber es blieb auch genügend Zeit für sich selbst. Während Colt mit Feuereifer seine Waffensysteme überprüfte, hin und wieder über den armen Kerl fluchte, der vor ihm die Arbeit als Tester auf Ramrod übernommen hatte, hatte April Fireball kurz in die verbesserte Steuerung eingewiesen. Und die Einweisung war wirklich kurz gewesen. Aber Fireball machte es nichts aus, immerhin hatte er so eine zeitfüllende Aufgabe und April hatte schließlich viel mit Saber zu klären und zu besprechen. Wie der Neuankömmling schnell festgestellt hatte, strotzte der Friedenswächter nur so von Fehlern und Fehlfunktionen. Wenn sich der Arbeitstag dann dem Ende neigte, speisten die vier meist noch miteinander und gingen dann ihre eigenen Wege, soweit das auf dem Schiff möglich war. Oft allerdings fanden sie sich im Gemeinschaftsraum zusammen, um zu quatschen oder Karten zu spielen. Was dabei aber immer einen schweren und dichten Schatten über die gemütliche Stimmung legte, war das eisige Schweigen zwischen April und Fireball. Bis Colt eines Abends der Kragen platzte. Plötzlich sprang er auf, packte Fireball am Arm und stieß einen Finger in Aprils Richtung: „Ich halt’s nicht mehr aus! Schlagt euch von mir aus die Köppe ein, schreit euch an, aber macht was! Arrh, es ist mit euch zum Haare ausreißen, ist es!“ Drei Paar Augen starrten Colt verwundert an. Aber Sabers blaue Augen klatschten still Beifall, denn auch ihn brachte diese Situation schier zur Verzweiflung. Zwar hätte er das Thema feinfühliger angepackt, aber im Endeffekt hätte er auch nichts anderes gesagt, als Colt. Fireballs dunkle Augen blitzten Colt verächtlich an, als würde er tatsächlich bald jemanden den Kopf einschlagen, er schlug sie aber schnell nieder, als er Colts Worte verstand. Aprils glasblaue Augen funkelten den Kuhhirten an. Sie war die einzige, die Widerworte fand, und die waren nicht von schlechten Eltern: „Du bist der erste, der Stress macht, wenn wir uns anschreien würden, Kuhtreiber. Ich glaube kaum, dass du erleben willst, wie ich laut werde!“ Aus Reflex ließ er Fireballs Arm los und polterte gegen die Freundin. Colt wusste selbst nicht, was in ihn gefahren war, aber er dachte, wenn er April nur genug aus der Reserve locken würde, würde sie vielleicht keine Scheu mehr haben, mit dem Japaner zu reden. Und während sich der Kuhhirte und die Blondine in den Haaren lagen, nickte Fireball seinem Boss leicht lächelnd zu und verkrümelte sich in sein Zimmer. Die Gelegenheit schien günstig, sich unbemerkt aus dem Staub zu machen und ins Bett zu gehen. Saber hob nur die Schultern und deutete somit seine Zweifel an, dass dieses Verschwinden ungeahndet bleiben würde. Er würde zwar nicht aufspringen und die zwei Streithähne darauf aufmerksam machen, aber er würde April und Colt auch nicht anlügen, wenn sie ihn nach Fireballs Verbleib fragten. Der Clinch ging in die nächste Runde. Während Colt sich endlich am Ziel sah und sich todsicher war, dass April mit Fireball reden würde, hackte April an Colts Aussagen herum. Sie sah keinen Fehler an ihrem Benehmen, verteidigte sich immer wieder aufs Neue, dass sie nicht schuld an dem wortkargen Japaner sei und echauffierte sich über Colts Art, ihr das alles unter die Nase zu reiben. Der Kuhhirte moserte: „Du drehst mir schon wieder das Wort im Mund um, du blondes Gift! Ich hab nie behauptet, dass du Schuld bist an der frostigen Stimmung. Zumindest nicht alleine. …Verdammt und zugenäht! Bereinigt das endlich, bevor wir in einen Hinterhalt geraten und wir alle wegen dem Blödsinn in Lebensgefahr schweben. Das kann doch nicht so schwer sein.“ Der letzte Satz von Colt war lediglich eine Zugabe gewesen. Er wusste selbst, wie schwer es wirklich war und immer wieder dankte er dem lieben Gott im Himmel, dass er solche Probleme nie mit Robin hatte. Verglichen mit der Misere, die April und der Rennfahrer ausbaden sollten, waren seine Streitereien mit Robin harmlos. Colt fixierte seinen Blick auf die Hände, die April in die Hüften gestemmt hatte. Sie stand vor ihm und versuchte sich vergebens größer zu machen als sie tatsächlich war. Ihre Stirn war zerfurcht von Falten, Zornesfalten um genau zu sein, und ihre Lippen waren nicht mehr als zwei dünne Schlitze. Wenn sie nun noch die Luft anhalten würde und ihr Gesicht rot anlaufen würde, wäre sie das perfekte Abbild eines Giftzwerges. Colt begann daraufhin lauthals zu lachen, obwohl er es sich so gerne verkniffen hätte. Aber der Gedanke bohrte sich durch seinen Kopf bis hin zum letzten Winkel und je mehr er sich das Bild in seinem Geiste vorstellte, desto komischer fand er es. Diesen Titel würde die Freundin so schnell nicht mehr loswerden. Lachend setzte er sich wieder hin: „Wenn mich jemand fragen würde, wie ein Giftzwerg aussieht, ich würde dich als einen beschreiben, würde ich!“ Kaum hatte er ausgesprochen, was er dachte, bekam Colt gleich eine herzhafte Kopfnuss von April. Von Saber erntete er wieder nur Blicke. Aber dieses Mal konnte der Kuhhirte nicht genau sagen, was sie zu bedeuten hatten. Bewunderte sein Boss ihn etwa, weil er das tatsächlich laut gesagt hatte oder hielt er ihn für vollkommen durchgedreht? Die Blondine, die Colt gerade die Kopfnuss verpasst hatte, schien nun endgültig zu platzen. Sie stand vor ihm, die Hände zu Fäusten geballt und diese wild gestikulierend in der Luft herum schwingend. Wahrscheinlich würde er von dieser Frau eine Predigt kassieren, wie er sie noch nie zuvor gehört hatte. Aber Colt sah der Sache gelassen entgegen. Wenigstens hatte er April zum Nachdenken gebracht und ihr die Augen geöffnet. Saber räusperte sich verlegen, als April dem Kuhtreiber zum hundertsten Mal einen Armleuchter schimpfte. So sehr er die kleine Diskussion auch genossen hatte, immerhin lenkte sie ihn von seinen eigenen Problemen ab, langsam wurde es wieder Zeit für ernsthaftere Dinge. In seinen Augen hatte Colts Art die Dinge zu formulieren, nicht den gewünschten Effekt erzielt und so sah sich Saber genötigt, einzugreifen. Auch, wenn er es nie zugeben würde, Colt hatte Recht. Griffen die Outrider an, bevor April und Fireball alles geklärt hatten, würde Ramrod III alt aussehen. Er schloss kurz die Augen und hob anschließend seine rechte Hand nachdenklich zur Nase: „Beruhige dich bitte wieder, April. Colt hat es nicht so gemeint.“ Schnaubend setzte sich April auf ihre vier Buchstaben und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Sie traktierte Saber mit ihren Blicken und wartete darauf, dass auch er gleich anfing, wie Colt. Aber der Schotte stellte es wesentlich klüger an. Er deutete auf die Tür hinter sich, ohne sich umzusehen und murmelte: „Der Grund für deinen Streit mit Colt ist schon nach dem ersten Satz raus gegangen. Vielleicht solltest du besser ihm all das an den Kopf werfen, was du Colt gerade erzählt hast, dann kann er sich rechtfertigen.“ April hatte sich diese Aufforderung nicht zweimal sagen lassen, war nickend aufgestanden und hatte den Gemeinschaftsraum verlassen. Zielstrebig hielt sie auf das einzige Zimmer auf Ramrod zu, das sie immer schon gemieden hatte. Wut breitete sich in April aus. Je näher sie der Tür kam, desto stärker empfand sie dieses Gefühl. Aber sie wusste nicht, worauf oder weshalb sie wirklich sauer war. War sie wütend darüber, dass sich Fireball und sie so offensichtlich verhalten hatten, dass sogar Colt es bemerkt hatte oder war sie einfach nur sauer darauf, dass sie ihre Aufmerksamkeit tatsächlich Fireball widmen musste, um den Seelenfrieden auf Ramrod zu wahren? Zornig strich sich die Blondine die Haare aus dem Gesicht und trat ohne zu klopfen ein, dafür aber mit einem verächtlichen Schnauben. Für gewöhnlich war April ein sehr feinfühliger Mensch, der auch die Privatsphäre von anderen Menschen respektierte. Allerdings verabschiedete sich ihr klarer Menschenverstand und ihre feinfühlige Ader immer schon im Ansatz, wenn es um den jungen Mann im Zimmer ging. April wusste selbst nicht mehr genau, weshalb sie mit ihm nicht umgehen konnte, wie mit jedem anderen Freund auch. Immerhin war die Geschichte zwischen ihr und Matchbox nie auch nur annähernd an einen Punkt gelangt, den man Beziehung nennen konnte und die Schwierigkeiten waren mittlerweile eigentlich aus der Welt geschafft worden. Das versuchte sich zumindest April glaubhaft zu machen. Auf alle Fälle stand sie nun im Zimmer und ihr Puls war auf hundertachtzig. Aber außer ihr selbst schien es niemanden aufzufallen. Der Rennfahrer hatte April gar nicht eintreten gehört, was daran lag, dass April sehr leise ins Zimmer geschlichen war und der Pilot gerade ein Buch las. Alleine das war schon wieder ein Punkt, der April aufzuregen schien. Fireball kratzte das alles nicht im Geringsten, auch wenn es ihn betraf. Der Kerl hatte die Ruhe weg und war lesen gegangen anstatt sich Colts Rede zu stellen! Und dass er sie jetzt nicht mal kommen gehört hatte, brachte das Fass vollends zum Überlaufen. April schmiss die Tür förmlich zu und räusperte sich auffällig. Keine Reaktion darauf. Nun keifte sie Fireball an. Auf einen lautstarken Vorwurf würde er doch wohl reagieren: „Du hast vielleicht Nerven! Verziehst dich einfach und lässt mich den Mist alleine ausbaden, den du angezettelt hast! Du bist ein verdammter Feigling, Fireball!“ „Mag schon sein,“ Fireball sah von seinem Buch nicht auf, als er April in einem ruhigen Ton seine Antwort präsentierte. Er hatte absolut keine Lust, mit der Blondine um diese Uhrzeit auch noch einen Streit auszutragen. Vor zehn Minuten hatte er ein kurzes Telefonat mit Seiji und Kommandant Tomoei geführt, das keine guten Neuigkeiten hervor gebracht hatte. Er saß nun also hier, versuchte sich auf sein Buch zu konzentrieren und wollte April so gut wie möglich ausweichen. Aber die junge Frau ließ sich nicht abwimmeln oder mit so einer Antwort abspeisen. Colt hatte Recht, die Differenzen gehörten so schnell als möglich aus der Welt geschafft und das hieß für April dann, wenn sie es wollte und nicht, wann der Herr gerade Zeit hatte! Sie giftete ihn also an, während sie auf sein Bett zuging: „Am ersten Tag stellst du uns schon in Aussicht, dass du in spätestens einem halben Jahr wieder weg bist. Warum bist du dann überhaupt gekommen? Von mir aus hättest du da bleiben können, von wo du hergekommen bist! Wir brauchen dich hier nicht! Niemand braucht dich!“ „Touchè! Würdet ihr mich nicht brauchen, wäre ich nicht hier. Ihr drei wart nicht fähig, in all den Jahren einen anderen Piloten zu finden. Ich frage mich, weshalb das so ist. Ich glaube, du bist einfach nur sauer, weil du in der Sache überstimmt und übergangen worden bist, Süße.“ April fuhr schier aus der Haut. Der Kerl vor ihr besaß auch noch die Unverfrorenheit, sie immer noch Süße zu nennen. Das hatte er früher getan, weil er sie gern hatte. Aber nun war es nicht mehr angebracht, schon gar nicht mit demselben sanften und beruhigenden Tonfall, wie er es gerade eben getan hatte. Sie war nicht mehr seine Süße! Ab diesem Zeitpunkt war Fireball selbst an dem schuld, was passieren würde. Unberechenbar stapfte April weiter auf ihn zu und schrie fast außer sich: „Ich geb’ dir gleich Saures, wenn du nicht endlich mit dem Schwachsinn aufhörst!“ Jedoch blieb die gewünschte Reaktion abermals aus, der Japaner sah sie nicht mal an. Er steckte die Nase lieber wieder in sein Buch und grinste vor sich hin. Zumindest kam es April so vor, als würde er in sich hineinlachen. Sie hatte das Gefühl, sie machte sich vor ihm gerade komplett zum Narren. Und das brachte sie nur noch mehr auf die Palme. Langsam keimte sogar Hass in ihr auf. Unbeherrscht schlug sie ihm das Buch aus der Hand: „Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“ „Spätestens jetzt würde ich offiziell bestätigen, dass du Charles’ Tochter bist, April,“ seine Anspielung hatte er in einem nüchternen Ton verpackt und seine dunkelbraunen Augen folgten dem Buch, das in einem hohen Bogen ans Ende des Bettes flog. Er mochte April, aber wenn er ihr Benehmen überdachte, war er sich nicht sicher, ob da noch Liebe mit im Spiel war. Hätte man ihn vor zehn Minuten gefragt, hätte er wahrscheinlich die Antwort gegeben, sie mehr als alles andere auf der Welt zu lieben. Aber im Augenblick würde er solche Prognosen nicht mehr so voreilig abgeben. Notgedrungen, weil April diese Konfrontation herbeizusehnen schien und ihn ohnehin nicht mehr in Ruhe lassen würde, setzte sich der junge Mann auf. Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen rechtfertigte er seine Worte: „Früher hat es dich auch nicht gestört, wenn ich dich Süße genannt habe.“ Stinksauer riss April die Hände in die Höhe und ihre Worte überschlugen sich fast vor lauter Wut: „Früher warst du auch nur ein halb so großes Arschloch wie heute! Du hast nicht mehr das Recht, mich irgendwas zu nennen! Deine Kosenamen kannst du dir sonst wohin stecken! Hast du mich verstanden?“ Ja, nun war definitiv eine gewisse Ähnlichkeit zu Commander Eagle zu erkennen. Fireball blinzelte und sein Lächeln machte einem nichts sagenden Gesichtsausdruck Platz. Er hatte nur versucht, eine etwas angenehmere Gesprächsatmosphäre zu schaffen und sie keifte ihn an, als hätte er Gott weiß was für Dinge gesagt! April fuhr Fireball derartig an, dass er Ramrod am liebsten gleich wieder verlassen hätte. Sie wollte ihn nicht, damit hatte er sich nach all den Nieder- und Rückschlägen der letzten Jahre abgefunden. Womit Fireball nicht klar kam, war die Tatsache, dass April offenbar auch an einer Freundschaft nichts mehr lag. Sie wollte ihn nicht hier haben, sie wollte ihn nicht sehen und eigentlich wollte sie auch nicht mit ihm reden. Aber wahrscheinlich hatte der Cowboy April solange getriezt, bis sie die Wurzel allen Übels ziehen wollte. „Bin ja nicht taub!“, brummte er gereizt. Sollte er so dreist sein und April fragen, weshalb sie eigentlich hier war? Seit sie den Mund aufgemacht hatte, schimpfte sie ihn alles Mögliche, aber der Japaner hatte keine Idee, warum das so war. Insgeheim schalt er sich selbst einen Deppen, wäre er im Gemeinschaftsraum geblieben, wüsste er, weshalb die Blondine vor ihm am liebsten aus der Haut fahren würde. Vorsichtig setzte er deshalb also an: „Weshalb wolltest du mich sprechen, April?“ Die Augen der jungen Frau wurden zuerst größer, verengten sich dann aber zu zwei funkelnden Schlitzen. Weshalb stellte sich ihr Gegenüber dümmer als er war? Immer mehr Zorn flammte in April auf und langsam war sie sich nicht mehr sicher, ob Fireball das überleben würde, wenn sie erst vollends in Rage kam. Drohend zischte sie: „Ich bin hier, weil du verdammter Feigling keinen Mumm hast um mit mir zu reden! Du gehst mir ständig aus dem Weg und bringst das ganze Klima hier an Board zum Kippen!“ „A…ha“, verständnisvoll nickte Fireball. Also war er wieder der Sündenbock für alles. Traurig musterte er April. Er wusste ja selbst, dass er ihr die letzten Tage vehement aus dem Weg gegangen war, aber sie hatte sich in der Hinsicht auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Du bringst nicht mehr als ‚Aha’ heraus? …Kannst du uns allen nicht den Gefallen tun und endlich gehen? Ich will dich nicht mehr sehen, nie wieder!“, ohne über ihre Worte nachzudenken, hatte sie diese in die Welt hinausgeschrieen, direkt in Fireballs trauriges Gesicht. April hatte keine Lust mehr Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen, auf ihre nahm schließlich auch niemand Rücksicht. Einerseits erleichtert, auf der anderen Seite aber tief erschüttert über ihre eigene Art, wandte sich April wieder der Tür zu. In diesem Moment stand Fireball auf und legte April zögerlich eine Hand auf die Schulter. Er berührte die Frau kaum und dennoch hätte er am liebsten sofort zurückgezuckt. Denn plötzlich war Commander Eagles Stimme in seinem Unterbewusstsein wieder wach geworden und schrie ihm entgegen, wie viel Ärger er dafür bekommen würde. Verwundert drehte sich April wieder zu Fireball um. Sie hatte nicht erwartet, dass der junge Rennfahrer eine Reaktion auf ihr Benehmen zeigen würde, immerhin hatte er sich die letzten Tage schon unauffällig und irgendwie unterkühlt verhalten. Mit großen blauen Augen blickte sie ihn an. Als Fireball in Aprils Augen blickte, ließ er sie sofort wieder los. Irgendwie hatte er Angst vor April, was wohl an ihrem Verhalten von vorhin lag und daran, dass auch Commander Eagle ihn oft nur angesehen hatte, bevor er losgepoltert hatte. Instinktiv ließ er also seine Hand mit der zweiten hinter seinem Rücken verschwinden und wackelte zwei Schritte zurück. Aber die Augen von ihr lassen konnte er nicht. Jedes Mal wieder verlor er sich in ihren tiefblauen Augen. All der Ärger und der Zorn waren plötzlich verpufft, als sie Fireballs kuschende Geste einordnen konnte. Nun schämte sie sich zutiefst über ihr Verhalten. Sie musste ihrem Vater wirklich sehr ähnlich geworden sein. Sofort erinnerte sich April an Fireballs Zusammenbruch im Krankenhaus damals und all die unterdrückte Traurigkeit von damals fand ihren Weg nach oben. Fireball wurde die Situation immer unangenehmer, es war erträglicher gewesen, als sie ihn noch angefaucht hatte. Was sollte er bloß tun, was nur sagen, damit diese Situation und seine durcheinander geratene Gefühlswelt wieder halbwegs normal wurden? Als erstes zwang sich Fireball dazu, April nicht mehr anzusehen und der zweite Schritt war das Thema zu wechseln. Aber dummerweise fiel ihm nichts anderes ein als: „Wie geht’s eigentlich Chris so?“ Das kurze Intermezzo eines Waffenstillstandes war so schnell vorbei wie es gekommen war. Ihr Freund war nicht gerade das Thema, worüber April im Moment sprechen wollte. Und schon gar nicht wollte sie das mit dem Mann, der ihre Gefühle aus reiner Gewohnheit zu verletzten schien. Neuerlich stieg Zorn in April auf, aber kein Zorn auf Fireball oder auf seine Frage, sondern Zorn auf Chris, der sie nicht verstehen wollte. Nur war der gerade nicht da, also hielt als Ventil wieder der zweite Rennfahrer her. Sie brummte leise: „Was fragst du mich das? Kann ja schließlich nicht riechen, was er so treibt!“ „Oh“, verlegen blickte Fireball an die kahle Wand hinter April, er hatte blindlings wieder ein Fettnäpfchen erwischt. Niemand hatte ihm gesagt, dass bei April und Chris Eiszeit herrschte. Unsicher seufzte er und fuhr sich durch die Haare. Bevor jedoch wieder eisiges Schweigen einsetzen konnte, ging April auf Fireball zu und fragte: „Woher weißt du es?“ Sie hatte nicht vergessen, dass Colt, Saber und ihre Frauen dem jungen Polizisten nicht erzählt hatten, was sie mit Chris machte. Und da Fireball das Thema angeschnitten hatte, konnte sie nun auch endlich ihrer Neugierde freien Lauf lassen. Colt hatte sich damals geweigert, April zu erklären, woher Fireball die Info hatte. „Woher ich…?“, kopfschüttelnd wehrte Fireball ab. Er wollte es April nicht sagen, er wollte nicht einmal daran denken. Immerhin hatte er sich an diesem Tag wegen April und Chris so hundeelend gefühlt, dass er am liebsten gestorben wäre. Hätte Laura ihn damals nicht aufgelesen, wäre er wahrscheinlich dort sitzen geblieben und hätte sich durch den Regen den Tod geholt. Fordernd machte April noch ein paar Schritte auf Fireball zu, aber Antwort erhielt sie trotzdem keine. Sie fragte sich, weshalb er ihr nicht sagte, wer sein Informant gewesen war. Als April ihn schon ein zweites Mal zu einer Antwort auffordern wollte, erkannte sie den traurigen Blick. April musste Fireball mit ihrem Verhalten unendlich wehgetan haben. Klar, zuerst versprach sie ihm hoch und heilig, in Japan zu blieben und dann flog sie nachhause und angelte sich einen seiner Freunde! Schuldbewusst senkte April den Blick, als ihr endlich bewusst wurde, wie schändlich sie sich über all die Monate und mittlerweile schon Jahre verhalten hatte. Sie hob die Schultern an, wagte aber nicht, etwas zu sagen. April stand einfach nur da und blinzelte Fireball immer wieder an. Immer war sie davon ausgegangen, Fireball wäre an allem Schuld, zumindest war sie zu dieser Haltung übergegangen. Zu dieser Erkenntnis war sie nach den ersten Monaten gekommen, nachdem sie und der gezeichnete Mann vor ihr im Krankenhaus nur noch gestritten hatten und er sie schließlich zu Chris geschickt hatte. Nach Aprils anfänglichen Schuldgefühlen waren diese langsam verschwunden und hatten Enttäuschung und Gram Platz gemacht, bis all ihre Gefühle für Fireball stetig ins Gegenteil umgeschlagen hatten. Nun aber stand sie hier, hatte vorhin noch eine riesige Wut im Bauch gehabt. April stand vor Fireball, ihre Gefühle begannen überhand zu nehmen. Plötzlich drangen sie wieder an die Oberfläche und flüsterten April unaufhörlich zu, wie sehr sie den Kerl mit den haselnussbraunen Augen doch liebte. Auch, wenn sich sein Aussehen verändert hatte, er gewachsen war, so war er immer noch der Mann, in den sich April damals unsterblich verliebt hatte. Besorgt blinzelte Colt zu Saber hinüber, der mit ihm an der Zimmertür stand und gespannt lauschte. Er flüsterte schließlich: „Warum zum Henker sind die jetzt so ruhig? Ob sie ihn umgebracht hat?“ Kopfschüttelnd verneinte Saber. April würde Fireball nichts tun, oder auch umgekehrt. Er erklärte Colt im Flüstern, dass sich die zwei wahrscheinlich in eine Ecke gestritten hatten und nun einfach keiner von beiden wusste, was er dem anderen noch vorhalten konnte. Damit war für Saber die Sache erledigt. Keine zwei Minuten, nachdem April gegangen war, waren Colt und er aufgesprungen und ihr nachgelaufen. Beide hatten ein Ohr an Fireballs Zimmertür gelegt und aufmerksam zugehört. Ja, sie waren neugierig gewesen, ob es die beiden jemals schaffen würden, sich wieder zu vertragen. Obwohl es ansonsten nicht Sabers Art war, jemanden zu belauschen, er wollte aus erster Hand erfahren, was weiter passierte. Bis heute verstand der blonde Schotten nicht, weshalb sich die zwei nicht einmal ansehen konnten. Nun aber, da sich die beiden Streithähne anschwiegen, ging Saber davon aus, dass das Spektakel, das den Alltag an Board aufgelockert hatte, ein Ende gefunden hatte. Er verschwand in seinem Quartier und ließ Colt stehen. Saber ließ sich an der Tür seines Quartiers zu Boden sinken. Er zog die Beine an, umschlang sie mit seinen Armen und legte den Kopf darauf. Immer, wenn er alleine war, übermannte ihn in letzter Zeit die Traurigkeit. Der Schotte hatte es nicht geschafft, seinen Streit mit Synthia vor seiner Abreise beizulegen. Und es brach ihm das Herz. Saber fürchtete, seine geliebte Frau nicht mehr zuhause vorzufinden, wenn er wieder nachhause kam. Er hatte unsagbare Angst davor, Synthia für immer zu verlieren. Sie und seinen Sohn. Auch Matthew hatte die Unruhe und die Anspannung seiner Eltern in den letzten Wochen bemerkt. Er wollte nicht mehr einschlafen, weinte öfter als sonst und ließ sich kaum beruhigen. Saber fragte sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hätte vielleicht besser bei seiner Familie bleiben sollen. Die anderen drei würden doch sicherlich auch ohne ihn zurecht kommen. Doch das war nicht wahr, das wusste Saber. Es war Commander Eagles Wunsch gewesen, das alte Team der Star Sheriffs wieder auf Ramrod zu wissen, auch wenn der eine Hausmann, der andere Polizist und der letzte im Bunde Ausbildner geworden waren. Charles setzte unerhörtes Vertrauen in diese Besatzung und Saber hätte es nie gewagt, dieses Vertrauen zu enttäuschen, alleine schon, weil die Beziehung zu seinem Vorgesetzten die letzten Jahre genug gelitten hatte. Aber war das ein Grund, die Beziehung zu seiner Frau aufs Spiel zu setzen? Unsicherheit machte sich in Fireball breit. April hatte mitten im Satz vorhin abgebrochen und seitdem sah sie ihn so seltsam an. Warum konnte er die Körpersprache jeder anderen Frau deuten nur die von April nicht? Würde sie gleich lospoltern oder würde sie heulend aus dem Zimmer stürmen, weil er sie daran erinnert hatte, dass in ihrem Paradies gerade dicke Orkanwolken am Himmel hingen? Verwirrt schloss Fireball einen Moment die Augen und atmete tief durch. Anschließend setzte er sich wieder ins Bett, so langes Stehen war er immer noch nicht gewohnt. Warum hatte er noch mal zugesagt, die drei hierbei zu unterstützen? Fireball dachte an die Daheimgebliebenen. Seiji hatte ihm vorhin am Telefon zwar versichert, dass es seiner Mutter gut ging, aber was war mit Laura? Sie war seit Wochen nicht aufzufinden. Wieder stiegen Vorwürfe in ihm auf, nicht gut genug auf die Freundin aufgepasst zu haben. Langsam musste er sich mit dem Gedanken anfreunden, Laura nie wieder zu sehen. Todunglücklich, überhaupt auf den Gedanken gekommen zu sein, Laura nie wieder zu sehen, schlug Fireball die Hände vor die Augen. Vor ihm stand immer noch April und er wollte eigentlich nur eines: Wieder nachhause. Er konnte es nicht! Er konnte hier nicht blöd herumsitzen und darauf warten, dass seine Kollegen Laura fanden. Behutsam setzte sich April neben Fireball aufs Bett. Sachte und ebenso verunsichert, wie Fireball, strich sie ihm über die Haare. April fühlte sich plötzlich so wohl in Fireballs Nähe, fast als wäre nie etwas geschehen. Ihre Fingerspitzen nahmen die Narbe auf der Kopfhaut wahr. Fireball wiederum spürte ihre sanfte Berührung und hob den Kopf. Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen und blickte April fragend an. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass die Blondine längst gegangen war, aber da hatte er sich wieder einmal getäuscht. Er bemerkte ihren liebevollen Blick und wusste gar nicht, wie ihm geschah. April fand endlich ihre Sprache wieder. Sie lächelte Fireball an: „Du hast dich gut gemacht, Fireball.“ „Wie bitte?“, tausende Fragezeichen standen in Fireballs Blick geschrieben, nachdem er Aprils Bemerkung gehört hatte. Wie kam sie darauf? Meinte sie das etwa ernst, oder versuchte sie ihn aus der Reserve zu locken? April stemmte ihre Arme hinter ihrem Körper ins Bett und lehnte sich zurück. Ihre langen blonden Haare fielen weich von ihren Schultern, als sie den Kopf in den Nacken legte und an die Decke blickte. Mit einem zarten Lächeln im Gesicht erklärte sie ihm: „Du darfst nicht vergessen, ich habe dich das letzte Mal im Krankenhaus in Tokio gesehen, Fireball. Im Vergleich zu damals rennst du schon wieder wie ein Marathonläufer durch die Gegend. Zwar noch wackelig auf den Beinen, aber du gehst ohne Krücken. Außerdem hast du dich äußerlich um hundertachtzig Grad gedreht.“ „Willst du jetzt auch noch meinen Haarschnitt bekritteln? Das haben die anderen zwei schon gemacht“, Fireball verstand nicht, weshalb seine Freunde aus Yuma alle ein Problem mit den kurzen Haaren hatten. In Tokio fanden alle, er würde damit frischer aussehen und hier meinten seine Kumpels allesamt, er wäre nicht mehr er selbst. Zumindest Colt hatte ihm das ins Gesicht gesagt. Er hatte Fireball gesagt, wie wenig das Äußere und sein Verhalten an Fireball erinnerten. Der Kuhhirte hatte ihm erklärt, dass sie ihn so nicht kannten. Und deshalb reagierte Fireball auf Aprils Bemerkung wegen seines Äußeren nun gereizt. Aber die Blondine schüttelte den Kopf: „Nein, ich finde, du siehst damit endlich erwachsen aus. Ich wundere mich nur über den Verbleib deiner weißen Hosen.“ Sie wandte den Blick von der Decke ab und lächelte Fireball zu. Dieser schüttelte lachend den Kopf und deutete April, dass er ihr das bestimmt nicht erklären würde. Beide lächelten sich an. Sie fühlten sich unbeschwert und frei. Die Blondine verließ ihre Position im Bett und setzte sich im Schneidersitz hin. Zwei glasklare, strahlende Augen musterten Fireball von oben bis unten. Sanft strich Aprils Hand über Fireballs Wange, hinunter zu seinem Hals. Sie fühlte seine weiche Haut und in ihrem Bauch breitete sich eine unglaubliche Gefühlsexplosion aus. April schloss die Augen. Sie ließ sich nur von ihren Gefühlen führen und hoffte auf eine ebenso positive Reaktion von Fireballs Seiten. Sie stupste Fireball leicht mit ihrer Nasenspitze an, und ihre beiden Hände zogen ihm das T-Shirt über den Kopf. Fireball konnte kaum fassen, was passierte, aber er hatte in dem Moment, als April ihm übers Gesicht gestrichen war, schon den Verstand ausgeschalten und seinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Er zog April behutsam näher zu sich, nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)