Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 - Ankunft in Kyoto --------------------------------------- Divine Justice 2. Kapitel – Ankunft in Kyoto Kenshin betritt zum ersten Mal die große Stadt Kyoto und lernt die Männer der Ishin Shishi kennen. Eigentlich scheint er sich von ihnen nicht groß zu unterscheiden... oder? Schüchtern betrat Kenshin hinter Katsura die unauffällige Herberge, die den Ishin-Shishi in Kyoto Unterschlupf bot. Er wollte eigentlich nur noch allein sein und das gerade Erlebte verarbeiten. So viele Menschen! So viele Häuser! Er hatte zwar von seinem Meister Geschichten über Kyoto und andere Städte gehört, aber die tatsächliche Größe dieser Stadt hätte er sich selbst in seinen Träumen nicht vorstellen können – einfach weil er es noch nie mit seinen eigenen Augen gesehen hatte. „Na mein Junge, was machst du denn für große Augen? Wohl das erste Mal für dich in der Stadt?“ „Hm?“ fragend drehte sich Kenshin zu der älteren Frau um, die ihn freundlich angesprochen hatte. „Hallo, ich bin Okami-san, die Wirtin dieser Herberge“. Sie lächelte und kleine Fältchen zeigten sich bereits in ihrem immer noch sehr schönen Gesicht. „Konnichiwa Okami-san, Ich bin Kenshin, freut mich sie kennen zu lernen!“ erwiderte Kenshin während er sich höflich verbeugte. Erfreut über die guten Manieren des Jungen klatschte Okami-san die Hände zusammen. „Es freut mich, das Katsura-sama an uns gedacht hat und uns so einen netten, aufmerksamen jungen Mann mitbringt!“ Sie packte den verwirrt dreinschauenden Kenshin bei den Schultern und begann, ihn über den Innenhof zu schieben. „Wir können hier jede helfende Hand gut gebrauchen, es kommen immer mehr Samurai und wir haben kaum Personal, um alle gut zu versorgen. Komm, ich zeig dir deinen Schlafplatz bei dem anderen Dienstpersonal, dann kannst du mir gleich zur Hand gehen...“ Verzweifelt schielte Kenshin in Richtung Katsura, der lachend herbeieilte und ihn aus den Armen der geschäftigen Gastwirtin befreite. „Okami-san!“ schmunzelte er, „Kenshin gehört nicht zum Dienstpersonal. Zumindest nicht zu deinem.“ Verwirrt blickte Okami zwischen dem offensichtlich von der Gesamtsituation total überforderten Kenshin und Katsura hin und her. Dann verdunkelte sich ihr Gesicht plötzlich. „Ich wusste nicht, das jetzt auch schon Kinder für die Ishin Shishi kämpfen müssen...“ „Oh nein, Kenshin ist kein Kind mehr!“ lachte Katsura. „ Er ist schon 14 und damit volljährig.“ Mit diesen Worten bugsierte er Kenshin an Okami vorbei ins Innere der Herberge. Mit zusammengekniffenen Augen blieb Okami im Innenhof zurück. „Mit 14 Jahren ist er trotzdem noch ein Kind.“ D och ihr blieb keine Zeit, sich viele Gedanken zu machen. Die ankommenden Männer mussten untergebracht, das Gepäck verstaut und Vorräte eingekauft werden. „Aki, Kiku! Wo sind diese albernen Mädchen schon wieder? Wenn man sie mal braucht, sind sie verschwunden!“ Ärgerlich stapfte sie auf der Suche nach ihren Dienstmägden davon. -- Kenshin unterdessen ertrug geduldig den Spott und die Witze, die auf ihn niederprasselten, kaum dass er den Versammlungsraum betreten hatte. Die vielen Samurai schüchterten ihn etwas ein, doch ihre bissigen Worte über seine Haare, seine Größe und sein Alter ließ er an sich abprallen. Er hatte sich schon gedacht, dass das hier nicht anders wie bei der Kihei-tai sein würde. Und Katsura hatte ihn vorgewarnt. „Deine Gefährten in Kyoto sind nicht so wie die Männer der Kihei-tai,“ waren seien Worte gewesen. „Das hier sind keine Bauern und Händler. Das hier sind alles Samurai bzw. Ronin. Sie haben ihren Stolz, viele von ihnen haben lange Familienstammbäume. Das ist für Samurai sehr wichtig. Doch du darfst dich nicht einschüchtern lassen. Denn als Regierender der Provinz Choshuu habe ich das Recht, jeden den ich will in den Stand eines Samurai zu erheben. Und da du hier in Kyoto wichtige Aufgaben zu erfüllen hast, ist es unabdingbar, das auch mit dir zu tun. Die Männer werden dich auch nur als Samurai als einer der ihren akzeptieren.“ Kenshin hatte große Augen gemacht. Samurai? Er? Während Katsura seine Begrüßungsrede an die Männer hielt, versuchte sich Kenshin unauffällig in irgendeine Ecke zu setzen. Er mochte es nicht, von den Männern teils belustigt, teils argwöhnisch beobachtet zu werden. Dankbar folgte Kenshin der Aufforderung ein paar freundlich aussehenden Jungen, die nicht viel älter als er zu sein schienen, sich zu ihnen zu setzten. Er hörte zwar immer noch Gesprächsfetzen über seine Haare, sein Alter und seinen Bezug zu Katsura, aber der aufmunternde Blick des jungen Mannes neben ihm ließ etwas Zuversicht in ihm aufkeimen. „Beachte sie einfach nicht.“ Der Junge konnte kaum Älter als 17 sein. Er trug seine schwarzen Haare in der typischen Samurai-Frisur hochgesteckt, und ein paar widerspenstige Fransen seines Ponys fielen ihm in sein Gesicht. Er machte einen sehr netten und sympatischen Eindruck und war offenbar sehr redselig „Als ich vor einem halben Jahr hier ankam, haben auch alle über mich gewitzelt, weil ich der jüngste war und kaum mehr 1.60 Meter groß. Zum Glück hat sich das in den letzten Monaten geändert, wie du sehen kannst!“ Stolz setzte er sich gerade hin und reckte seinen Kopf in die Höhe. „Also besteht auch für dich noch Hoffnung! Ich bin übrigends Yoshida Omi.“ „Kenshin... Himura.“ Sein neuer Nachnahme fühlte sich noch ungewohnt auf seinen Lippen an. Auf dem Weg nach Kyoto hatte er sich mit Katsura auf diesen Namen geeinigt. Denn wenn er ein Samurai sein sollte, dann bräuchte er natürlich auch einen Nachnahmen. „Freut mich Kenshin,“ lächelte Yoshida. „Du bist gerade aus Choshu mit Katsura- sama hier angekommen? Hast dich wahrscheinlich bei der Kihei-tai gemeldet, was? Hier sind schon einige Ronin, die auf diesem Weg hierher gefunden haben.“ Kenshin nickte. Yoshida stellte die zwei restlichen Männer am Tisch Kenshin vor. „Das sind Buntaro und Daisuke.“ Die beiden nickten Kenshin freundlich zu, wobei Daisuke schelmisch zwinkerte, Buntaro jedoch eher der etwas reserviertere und ernstere Typ zu sein schien. „Wir waren alle Ronin und haben uns hier kennen gelernt,“ plapperte Yushido fröhlich weiter. Auch wenn sie finster blicken, die zwei sind schon in Ordnung, die haben mich damals auch nicht geärgert, obwohl ich so deine Statur hatte... na ja rote Haare hatte ich zum Glück nicht, dass macht es nicht gerade leichter für dich, ne?...“ „Hm...“ Kenshin fragte sich gerade, ob er Yoshida wirklich nett fand. Aber als Katsura seine kurze Begrüßungsrede beendet hatte, wurde er von den Dreien ins Gespräch verwickelt und sie behandelten ihn alle, trotz Altersunterschiede, wie einen Erwachsenen. Kenshin genoss dieses neue Gefühl – sein Meister hatte ihn nie auch nur ansatzweise so ernst genommen wie diese Männer hier. Nach einer Weile zerstreuten sich die Gruppen und Yoshida bekam den Auftrag, Kenshin die Unterkunft und sein Zimmer zu zeigen. „Wir sind zur Zeit knapp an Räumen,“ erklärte er, während sie in das obere Stockwerk der Herberge gingen, in denen sich die einzelnen Zimmer der Männer befanden. „Deswegen müssen wir die Zimmer doppelt belegen. Ich war bis jetzt noch allein, deswegen kannst du zu mir ins Zimmer.“ Kenshin freute sich. Es wäre ihm unangenehm gewesen, mit jemand völlig Fremden ein Zimmer teilen zu müssen. Doch Yoshida machte einen netten Eindruck. -- Die erste Nacht in Kyoto. Kenshin lag noch lange wach auf seinem Futon. So viele Eindrücke auf einmal... Nachdem er zu Yoshida ins Zimmer quartiert worden war, waren sie mit Buntaro und Daisuke in die Stadt gegangen. Yoshida hatte den Auftrag, für Kenshin ein paar Sachen abzuholen und Buntaro und Daisuke begleiteten sie ein Stück, bis sie dann mit einem verschmitzen Lächeln in Richtung Gion-Viertel abbogen. „Was haben die beiden denn heut noch vor? Daisuke meinte so seltsam lächelnd, er müsse heute auch noch jemandem etwas besorgen...“ „Ähem,“ hüstelte Yoshida peinlich berührt, „hast du das nicht verstanden? Naah, egal. Die beiden sind ins Gion-Viertel gegangen. Da werden sie heute Nacht nicht viel schlafen...“ „Wieso? Ist es da so gefährlich?“ Yoshida lachte. „Auf gewisse Weise ist es dort für einen Mann sehr gefährlich. Er kann schnell um seinen Verstand gebracht werden.“ Beim Anblick von Kenshins immer noch verständnislosem Gesicht rollte er mit den Augen. „Landei. Das Gion-Viertel ist ein Vergnügungsviertel. Also...sie schlafen nicht weil sie... hm, wie soll ich dir das erklären...“. Die Röte stieg ihm nun ins Gesicht, während er herumdruckste und nach den richtigen Worten suchte. „Entschuldigung,“ beeilte sich Kenshin zu sagen, „ich wollte nicht unhöflich sein und nach Dingen fragen, die mich nichts angehen...“ „Ach was, nicht so schlimm. Du wirst schon früh genug herausfinden, was man im Gion-Viertel alles macht...“. „Ja, wahrscheinlich. Katsura hat zu mir gesagt, ich soll mir die nächsten Tage Kyoto genau anschauen.“ „So hat er das?“ Yoshida bemühte sich, seine Frage beiläufig klingen zu lassen, doch innerlich war er schon neugierig. „Was denkt sich Katsura bloß?“ grübelte er auf dem Rückweg zur Herberge. „Bring einen Jungen mit, irgendwo aus einem abgeschiedenen Dorf, nach Kyoto, wo es nachts Blut regnet. Einen Jungen, der keine Ahnung hat, der naiv ist... und dann gibt er ihm auch noch die Ehre, mit ihm persönliche Gespräche zu führen. Nur eine Handvoll Samurai hier haben bisher diese Ehre genossen, mich ausgeschlossen. Warum? Was will Katsura mit ihm?“ „Neh, Kenshin?“ fragte Yoshida in belanglosem Ton, „Warum hat dich den Katsura mit nach Kyoto gebracht? Du bist ja doch noch ziemlich jung. Hat er dir dich schon in eine der Einheiten eingeteilt? Als Leibwache taugst du bestimmt nicht viel, da nehmen die lieber große, klobige Kerle wie Katagai-san. Aber du scheinst eher klein und wendig zu sein, damit würdest du gut zu Izuka-sans Spionen passen. Aber du kommst ja nicht aus der Stadt, hat also auch wenig Sinn. AH!“ Strahlend schlug sich Yoshida die Faust in die Hand. „Jetzt hab ich’s! Du bist in einem der übrigen Einsatzkommandos eingeteilt?“ „Ähm...“ Kenshin kratzte sich verlegen den Kopf. Das erwartungsvolle Leuchten in Yoshida’s Augen erlosch wie eine erstickte Kerzenflamme. „Du hast also keine Ahnung?“ Stellte er ungläubig fest. „Ich weiß es nicht genau...“ antwortete Kenshin, im Stillen dachte er sich, dass er die Antwort wohl bereits in zwei Tagen erhalten würde, denn dann wollte ihm Katsura sein Daisho, das traditionelle Schwerterpaar der Samurai, überreichen und ihn damit als vollwertiges Mitglied der Ishin Shishi akzeptieren. „Ich denke,“ sprach Kenshin weiter, „.ich werde kämpfen, genau wie ihr...Also ich meine, was auch immer ihr hier macht. Gegen das Shogunat kämpfen. Solche Sachen...“ „Solche Sachen...?!“ Der Junge hat wirklich keine Ahnung. Yoshida fühlte sich verantwortlich, ihn aufzuklären. „Naja, ihr kämpft gegen das Shogunat. Gegen die Unterdrückung und für die schwachen Menschen!“ „Ja, das ist die Grundidee. Das solltest du auch immer im Hinterkopf behalten. Aber hier in Kyoto ist die Sache nicht so einfach. Es ist gefährlich, sich dem Shogunat in den Weg zu stellen. Wir Ishin Shishi sind noch nicht in die Öffentlichkeit getreten. Jeder weiß schon seit Jahren, dass Choshuu für den Kaiser und gegen den Shogun eingestellt ist. Deswegen haben uns ja die anderen mächtigen Familienclans vom kaiserlichen Hof vertrieben, um uns unserer Macht zu berauben. Daher verläuft der Kampf jetzt vorerst im Dunkeln.“ „Nachts?“ „Baka! Heimlich meine ich. Wir sabotieren das Shogunat. Weißt du, das Prinzip ist so: Wir können bisher nur kleine Schritte unternehmen, noch ist das Shogunat zu mächtig. Wenn wir als Provinz offen vorgehen würden, dann würden uns die Bakufu-Armeen in den Staub stampfen, da sie uns zahlenmäßig weit überlegen sind. Unsere Strategie sieht anders aus. Wir verwandeln Kyoto, die Stadt des Kaisers, in einen Unruhe-Herd. Wenn der Shogun es nicht einmal schafft, eine einzige Stadt unter Kontrolle zu bringen, werden die anderen Familien erkennen, wie geschwächt die Regierung ist und sich auf unsere Seite stellen. Dann können wir endlich den Kaiser wieder als rechtmäßigen Regenten des Landes einsetzten und somit den Unruhen ein Ende machen.“ „Uh? Du weißt aber viel über Politik, Yoshida!“ Bewundernd schaute Kenshin zu seinem verlegen lächelnden Begleiter auf. „Hm... jaaah, ich höre immer zu, wenn Katagai und die älteren Samurai diskutieren,“ gestand Yoshida leicht gerötet aber dennoch stolz. „Es geht ja schließlich um die Zukunft des Landes, da muss man ja wissen, für was genau man eigentlich kämpft, oder nicht?“ Kenshin nickte. Auch er hatte mit seinem Meister bis vor wenigen Tagen noch über die politische Situation des Landes philosophiert. Hiko hatte ihm stets davon abgeraten, sich in solche Dinge einzumischen. Yoshida klopfte sich unterdessen auf die Brust und sprach weltmännisch weiter. „Die Ereignisse in Kyoto wirken sich unmittelbar auf den Rest des Landes aus. Wenn wir hier erfolgreich sind, Bündnisse festigen, Pläne schmieden, dann haben wir schon die Hälfte gewonnen. Der Rest ist dann nur noch Krieg.“ Kenshin ließ die Worte in sich einsickern. Also war hier die Quelle. Kyoto war die Möglichkeit, etwas zu verändern. „Und was machst du, Yoshida?“ fragte er neugierig. Er wollte sich unbedingt ein Bild von den Aufgaben machen, die jetzt auf ihn warteten. Er war so froh wie noch nie, sein Schwert Katsura angeboten zu haben. „Ich gehöre ja noch zu den jüngeren Ishin Shishi. Wir haben unsere eigenen Einheiten und meist einfachere Aufträge. Kleine Fische des Shogunats abfangen, die uns ausspionieren wollen. Uns Mittelsmänner, Symphatisanten und Spione sichern, Informationen beschaffen. Ab und zu auch Personenschutz, wenn wichtige Treffen stattfinden. Zulieferungen an das Shogunat sabotieren. Da wird’s dann schon gefährlicher, das machen meist die erfahreneren Samurai, weil es oft zu kleineren Scharmützeln mit Soldaten des Bakufu kommt. Oder schlimmstenfalls mit den Shinsengumi.“ „Shinsengumi?“ fragte Kenshin neugierig. Er hatte bereits auf dem Weg nach Kyoto die Männer über diese spezielle Truppe von Schwertkämpfern reden hören und stets waren ihre Stimmen plötzlich hasserfüllt und zornig geworden. „Ja, diese Hunde...“ Auch Yoshidas Stimme wurde plötzlich bebend und er ballte seine Hände zur Faust. „Sie versuchen, die Ruhe und Ordnung in Kyoto wieder herzustellen. Wenn sie uns erwischen, dann fackeln sie nicht lange und töten alle auf der Stelle – leider sind sie darin ziemlich gut. Wenn du auf sie triffst, ist es meistens dein Ende. Außerdem kämpfen die Schweine nur als Gruppe, da hast du alleine keine Chance.“ „Wie viele Mann sind den so in einer Gruppe?“ „Naja, bestenfalls zwischen acht und zehn, schlimmstenfalls sind es 20 oder sogar noch mehr! Das macht auch keinen Unterschied mehr!“ Kenshin schüttelte den Kopf. „Es macht keinen Unterschied, ob es ein oder zwei Männer mehr sind, acht oder zehn ist fast dasselbe. Wohingegen 20 oder 30 schon problematisch werden.“ „Problematisch?“ Japste Yoshida. „Tödlich nenn ich das! Du willst mir doch nicht erzählen du alleine es mit acht oder zehn oder von mir aus auch zwölf von den verdammten Hurensöhnen aufnehmen kannst? Die beste Taktik ist da der Rückzug!“ „Da hast du wahrscheinlich recht,“ nickte Kenshin. „Ja, das will ich aber meinen!“ Yoshida war über Kenshins Kommentar äußerst beunruhigt. „Komm ja nicht auf die hirnrissige Idee, es mit denen aufzunehmen. Keine Schwerttechnik, die ich kenne, ist gut genug, um zehn Männer auf einmal zu besiegen.“ Kenshin starrte in den Nachthimmel. Er wollte Yoshida nicht noch mehr beunruhigen und schwieg deshalb lieber über die Fähigkeiten der Hiten-Mitsurugi-Schule. Er hatte gelernt, wie mit zehn oder 20 Gegnern fertig zu werden war – allerdings hatte er es noch nie in der Praxis versucht. „Naja, wo war ich?“ Yoshida hatte sich offenbar wieder gesammelt. Da gab es natürlich auch noch die auf der Schattenseite der Revolution... Männer die für Geld... aber dass musste er Kenshin nicht gleich zu Anfang erzählen. Das würde ihm nur Angst machen. „Ja genau, also bei den Kämpfereinheiten... da geht es oftmals ziemlich zur Sache. Da bist du bestimmt nicht gleich zu Anfang eingeteilt, die wollen immer Leute mit Erfahrung.“ „Und...wenn es trotzdem zu Kämpfen kommt?“ fragte Kenshin atemlos. „Naja, dann kämpfen wir. Was sonst?“ „Musstest du schon einmal kämpfen?... töten?“ Zögernd antwortete Yoshida auf diese unerwartete Frage. „Ja, das musste ich einmal. Unsere geheime Mission – wir sollten einen Reistransport, der als Bestechungsgeld des Shoguns für die Gunst gewisser Kaufleute geplant war, abfangen – wurde verraten und wir wurden überfallen. Was blieb anderes übrig, als zu kämpfen?“ Abwesend blickte er hoch zu den Sternen, die bereits am Himmel glitzerten und erzählte mit leiser Stimme weiter. „Ich... zog mein Schwert und einen Augenblick später war schon alles vorbei. Wir waren in der Überzahl, die Angreifer hatten nicht mit so Vielen von uns gerechnet und waren auch noch schlecht bewaffnet. Einer rannte genau auf mich zu und ich wusste, jetzt geht es um mein Leben. Ich hab einfach zugeschlagen, meinen Schwerttechnik ist eher jämmerlich, aber ich hab ihn erwischt... Ich meine, sonst hätte er mich getötet. Also mir blieb keine Wahl. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich brauchte Stunden, um das Zittern meiner Hände wieder unter Kontrolle zu bringen. Die ganze Zeit sah ich noch sein Gesicht vor mir...“. Seine Stimme verlor sich in der kühlen Nachtluft. Sie legten den restlichen Weg zur Herberge schweigend zurück, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Im Zimmer angekommen ergriff Yoshida wieder das Wort. „Ich wollte dir vorhin keine Angst machen, Kenshin...“ „Das hast du nicht Yoshida. Ich weiß, auf was ich mich eingelassen habe.“ Grimmig packte Kenshin sein Schwert. „Ich weiß, das es manchmal nicht anders geht. Für ein friedliches Japan, für das Glück der einfachen Menschen – da muss man Dinge tun, die einem nicht gefallen.“ „Du hast recht.“ Auch Yoshida machten diese Worte wieder Mut. Wie gut es tat, Kenshin kennen gelernt zu haben. „Dein Idealismus ist wirklich herzerfrischend!“ lachte er. „Weißt du, wenn man eine Weile hier ist, dann hat man das Ziel nicht mehr so klar vor Augen. Manchmal scheint alles im Chaos zu versinken. Versprich mir, dass du dein Ziel nie aus den Augen verlierst, egal was du tun musst!“ Lächelnd nickte Kenshin. „Und wer weiß...“ fügte Yoshida hinzu, „wahrscheinlich kommst du deines Alters wegen sogar in die Einheit von Daisuke, Buntaro und mir!“ „Das wäre schön.“ Zwei Tage noch... zwei Tage warten, bevor er endlich das tun konnte, wofür er seinen Meister verlassen hatte. Wären diese Tage doch nur schon um... -- „Und Kenshin? Hast du getan, was ich dir aufgetragen habe?“ Gehorsam nickte Kenshin. „Hai, Katsura-sama. Ich habe mir Kyoto gründlich angeschaut. Zwei Tage reichen zwar nicht, um jeden Winkel zu kennen, aber im großen und ganzen habe ich einen Überblick.“ Überblick war wohl untertrieben. Fotographisch hatte Kenshin die verzwickten und verwinkelten Gassen Kyotos in seinem Gedächtnis festgehalten. Am Tag hatte er zu Fuß die Strassen erkundet, die Viertel und die lockeren Wohnsiedlungen am bergigen Stadtrand. Nachts war er unauffällig wie ein Schatten von Dach zu Dach gesprungen und hatte das System der Straßen von oben erkundet- das hatte Spaß gemacht und ihn an Hikos Training im Wald erinnert. Eigentlich war es ziemlich leicht gewesen, sich in dem schachbrett-artig geordneten System an Strassen zurechtzufinden. Es gab viele Brücken und auch viele Gärten in der Stadt. Nur in den ältesten Teilen waren die Viertel kleinteiliger strukturiert, die Häuser enger gedrängt und oftmals hab es versteckte Hinterhöfe und auch versteckte Wege, auf die ihn Yoshida aufmerksam gemacht hatte. Leichte röte stieg in seinem Gesicht auf, als er sich an das Gion-Viertel erinnerte. Ja, jetzt hatte er die Umschreibung „Vergnügungsviertel“ verstanden. Katsura nickte anerkennend. „Gut. Ich habe mich nicht in dir getäuscht. Dann ist es jetzt soweit!“ Er hob das verschnürte Päckchen neben sich auf und schob es Kenshin hin. „Hier ist deine Choshu-Uniform. Die trägst du immer bei Einsätzen, damit du für Freund und Feind eindeutig erkennbar ist. Für ahnungslose Außenstehende bist du allerdings nicht zu erkennen, denn es ist nicht wirklich eine Uniform sondern es sind einfach nur unsere Farben, Dunkelblau und Grau, an denen man uns erkennen kann. Ich habe Okami-san gebeten, dir noch eine Ersatzuniform und ein paar zivile Kleidungsstücke ins Zimmer zu legen.“ „Arigatou, Katsura-san“ bedankte sich Kenshin artig nahm das Päckchen ehrfürchtig in Besitz. Dann blieb sein Blick auf dem hängen, was Katsura als nächstes vom Boden aufhob und vor ihn legte. „Himura Kenshin, hiermit überreiche ich dir dein Daisho. Damit bist du nun offiziell ein Samurai Choshus. Trage deinen Namen und deine Schwerter mit Ehre!“ Mit einer leichten Verbeugung überreichte Katsura Kenshin erst das Wakizashi, dann das Katana. Kenshin stand auf und verbeugte sich tief. „Arigatou gozaimashita.“ Flüsterte er, seine leuchtenden Augen immer noch auf das Schwerterpaar gerichtet. Katsura lächelte etwas wehmütig und stand auf. „Du kannst jetzt gehen! Morgen werden wir deinen ersten Auftrag besprechen.“ Mit weichen Knien und vielen Verbeugungen verließ Kenshin das Zimmer, das Bündel mit der Uniform und die zwei Schwerter in den Armen. Mit pochendem Herzen hastete er zu seinem Zimmer, musste aber enttäuscht feststellen, dass Yoshida nicht da war. Ehrfürchtig legte er das Daisho auf seinen Futon und betrachtete es. Das Schwert war immer noch das Selbe, das sein Meister Hiko ihm damals in den Bergen gegeben hatte. Katsura hatte es gleich am ersten Tag zu dem Schwertschmied Arai Shakku bringen lassen, dessen Ruf wohl ziemlich gut war. Dieser hatte nun dem Schwert eine neue, schwere Scheide gegeben, den Griff erneuert und passend dazu ein Wakizashi entworfen, sodass die beiden Schwerter nun ein Paar ergaben. „Ich bin ein Samurai, ein Samurai Choshus...“ flüsterte er aufgeregt und als Yoshida ein paar Stunden später leise ins Zimmer schlich sah er Kenshin fest und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht schlafen – die Schwerter im Arm. -- Am nächsten Morgen konnte Kenshin gar nicht schnell genug Frühstücken. „Na, du schlingst ja herunter,“ bemerkte Daisuke. „Hast du es so eilig?“ „Er bekommt heut seine Anweisungen von Katsura-sama.“ Erklärte Yoshida an Kenshins Stelle, da dieser gerade den Mund vollgestopft hatte. „Von Katsura? Naah, ihr scheint ja dicke Freunde zu sein, was? So oft wie du schon mit Katsura geredet hast...“. Kenshin entging nicht der neidische Unterton in Daisukes Frage. Doch bevor er etwas antworteten konnte, sagte Yoshida: „Er ist halt mit Katsura hergekommen und auch noch jung. Wahrscheinlich soll er für Katsura ein paar persönliche Dinge erledigen.“ „Persönlich?“ Daisuke zog die Augenbrauen hoch und lächelte boshaft. „Wie persönlich? Sehr persönlich? Sozusagen intim...Aua, Hey!“ „Baka!“ Yoshida hatte Daisuke mit einer gezielten Kopfnuss zum Schweigen gebracht und dankte im Stillen den Göttern, dass Kenshin noch zu grün hinter den Ohren war, um sexuelle Anspielungen zu verstehen. „Wäsche waschen, Sachen einkaufen... da hast du ja Übung,“ warf jetzt Buntaro ein „Du hast ja schon die letzten zwei Tage wie ein Dienstbote gearbeitet.“ Kenshin ärgerte sich und er schluckte schnell sein Essen hinunter. „Was ist daran so schlimm? Okami-san hat mir gesagt, dass hier zur Zeit zu wenig Personal ist, und da hab ich mir gedacht, ich helfe. Das ist doch nicht...“ „Ist ja schon gut, Kenshin,“ beschwichtige Yoshida. „Weißt du, die meisten Samurai halten sich für so was zu fein.“ Er warf einen giftigen Seitenblick auf Buntaro. „Ein Wunder, dass sie alleine ihren Hakama binden können.“ „Ah, ich wette, du hast Hintergedanken!“ lachte Daisuke. „Die zwei hübschen Mädchen, wie heißen sie doch noch gleich? Aki und Kiku oder so... na, die sind doch auch in der Küche. Da hilft natürlich Kenshin gerne mal, Hackt Holz, macht Feuer, um die Mädchen zu beeindrucken. Hehe du Fuchs“. Er verpasste Kenshin einen Klaps auf den Rücken, der sich daraufhin verschluckte und rosa anlief. „Oro... das ist nicht so wie du denkst, Daisuke...“ Leider kam gerade zu diesem Moment Kiku an ihrem Tisch vorbei und warf Kenshin einen schmachtenden Blick zu und Kenshins Gesichtsfarbe wechselte von rosa zu tiefrot. „Natürlich, Kenshin...“ lachten die Männer. „Alles ganz harmlos... Mensch Kenshin, du Frauenheld! Buntaro und ich müssen dafür nach Gion gehen und Geld bezahlen. Tja, da kann man nichts machen...“ schloss Daisuke resigniert. Kenshin beeilte sich, den plötzlich viel zu warm gewordenen Frühstücksraum zu verlassen. --- Wegen seiner Aufregung, in wenigen Stunden erneut Katsura zu treffen und seine zukünftige Aufgabe zu erfahren, ging Kenshin in den Hof, um seine Kata zu üben. Die verschiedenen Schwierigkeitsstufen der Hiten-Mitsurugi-Technik durchzugehen und ganz in den Schwertschwüngen aufzugehen beruhigte ihn immer. Die meisten Männer waren noch beim Frühstück. Die Herberge hatte zwar ein Dojo, aber nach der peinlichen Situation beim Frühstück wollte Kenshin lieber an der frischen Luft sein. Außerdem, um alle seine Kata zu üben wäre dort die Deckenhöhe zu niedrig. Er nahm sein Wakizashi aus dem Gürtel und legte es zur Seite. Mit zwei Schwertern umzugehen würde er sich erst später beibringen. Langsam begann er mit den Aufwärmübungen. Sein altes Katana floss wie flüssiger Stahl aus der neuen Scheide und glänzte in der Morgensonne. Wie immer, wenn er seine Kata durchging, befiel Kenshin eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit. Er war konzentriert bis in die letzte Faser seines Körpers, aber nicht angespannt. Locker flossen die Bewegungen, als ob das Schwert ein Teil seines Körpers wäre. Immer schneller flog das Schwert durch die Luft als Kenshin die Stufen seines Kata durchging. Bei den schnellsten Techniken war kaum mehr als ein kurzes Aufblitzen des Schwertes in der Sonne erkennbar. Kenshin war so vertieft, das er die Männer, die inzwischen ihr Frühstück beendet hatten und sich nun mit offenen Mündern um den Innenhof versammelten, gar nicht wahr nahm. Er beendete sein Kata mit einem Furiosen Ryu Tsui Sen und erst als er die letzten sanften Schwertschwünge zur Entspannung abgeschlossen hatte, sah er die Männer auf der Veranda stehen und ihn anstarren. Wie peinlich... er lief schon wieder rot an. „Ah, gomen...“ murmelte er halblaut. „Ich wollte keinen beim Frühstück stören...“ Schnell ging er an den Männern vorbei, die ihm wortlos Platz machten und hastete in Richtung Katsuras Zimmer. Hinter sich hörte er Geflüster einsetzten. „Nani? Hast du das gesehen?“ „Gesehen!? Er war so schnell, das man gar nichts sehen konnte!“ „Was war das denn?“ „Kami-sama..... das nicht normal.“ „Was ist das für ein Junge?“ Misstrauisch sahen sie ihm hinterher, als er im Gebäude verschwand. Kenshin versuchte seine Ohren vor dem erneuten Spötteleien zu schließen. Üben denn nicht auch andere im Innenhof? Gestern hatte er doch welche gesehen. So schlecht war sein Kata doch nicht gewesen. Ja, er hatte nicht alles gegeben, die Zeit hatte ja auch nicht gereicht. Mussten die anderen da gleich so entsetzt schauen? -- Nächstes Kapitel: Kenshin erfährt endlich, warum Katsura Kogoro ihn nach Kyoto geholt hat. Und er lernt, was göttliche Gerechtigkeit wirklich bedeutet... Worterklärungen: -sama – Ehrenvolle Endung Baka – Idiot Hakama und Gi – Samurai-Hose zum Binden und passendes Kimono-Oberteil Daisho – Schwerterpaar, bestehend aus dem Katana (Schwert) und Wakizashi (Kurzschwert) Arigatou gozaimashita – ganz besonders viel Dankeschön Kata – Schwerttechnik-Training mit den verschiedenen Schwerttechniken der jeweiligen Schule. Gomen – Sorry Nani? – Was? Kami-sama! – Du Ällmächtiger! Herr im Himmel! Bei den Göttern! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)