Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 13: Kapitel 13 - Gedanken eines Verräters ------------------------------------------------- Kapitel 13 - Gedanken eines Verräters Nachdem Yoshida erfolglos noch einige Minuten im Straßengedränge nach seinem rothaarigen Zimmergenossen Ausschau gehalten hatte, kehrte er frustriert in die Herberge zurück. Er wollte sich eigentlich zum Nachdenken in sein stilles Zimmers zurückziehen, doch kaum im Kohagiya angekommen, musste er feststellen, dass er draußen auf der Strasse wohl mehr Ruhe gehabt hätte als hier. Überall im Gebäude standen die Samurai der Ishin Shishi in Gruppen herum und diskutierten lauthals über die aufregenden Ereignisse des Tages. Da die Patrioten mit ihren Aktionen gegen das Shogunat wohl wegen des hereinbrechenden Winters so eine Art Pause eingelegt hatten, hatten sie anscheinend nichts sinnvolleres zu tun, schlussfolgerte Yoshida missmutig. Hauptthema war natürlich der rätselhafte, rothaarige Junge. Die Männer, die vom Training zurückgekehrt waren, erzählten bereits eifrig ihren Kameraden von Kenshins atemraubender Darbietung seiner Schwertkunst im Dojo. Yoshida sah im Vorbeilaufen sogar zwei Männer, die Onakas Angriff auf Kenshin nachspielten, wobei der eine mit einer dramatischen Geste seine Schwertscheide dem anderen an den Hals hielt, der wiederum sein Gesicht in einer ängstlichen Grimasse verzerrte und röchelnd um Gnade bat. Yoshida hätte fast laut über diese Kabuki-würdige Vorstellung gelacht, wenn dieses Schauspiel nicht erschreckend nah an den wahren Tatsachen gelegen hätte. Yoshida musste sich eingestehen, dass er zwar aufrichtig Kenshins sagenhaften Umgang mit dem Schwert bewunderte – doch die plötzliche, fast schon übernatürliche Reaktion seines Zimmergenossen hatte ihn auch erschreckt. Ohne einen Blick über die Schulter war Himura wie der Blitz herumgefahren, als Osaka ihm in den Rücken fallen wollte – was für Instinkte musste ein Mensch beherrschen, um so schnell reagieren zu können? Und für eine kleine Sekunde nur hatte Yoshida genau wie all die anderen Männer im Dojo gedacht, Himura würde Iamatsu Onaka töten. Als er Kenshin angesehen und das plötzliche Glitzern in seinen Augen gesehen hatte, war er sich für einen kurzen Moment sicher gewesen, dass Blut fließen würde. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er schwören können, dass diese Gewissheit wie eine Aura von Himura aus durch das ganze Dojo pulsiert war. Er schauderte und versuchte sich zu trösten, in dem er sich einredete, dass es Onaka im schlimmsten Falle sogar recht geschehen wäre. Immerhin war der Kerl über alle Maßen arrogant und es war ein feiger Angriff in den Rücken gewesen. In Gedanken versunken schlängelte sich Yoshida durch die Ansammlungen tuschelnder Samurai und wollte gerade die Tür zu seinem Zimmer aufschieben, als ihn eine Hand auf der Schulter herumfahren ließ. „Daisuke!“ entfuhr es ihm überrascht. „Erschrecke mich nicht so!“ Yoshida versuchte, sein Herzklopfen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Anscheinend hatte ihn der Vorfall im Dojo doch mehr aufgeregt, als er es sich eingestehen wollte. Daisuke fixierte ihn mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ich habe in meinem Zimmer schon Platz gemacht.“ „Was?“ Yoshida brauchte etwas, bevor er verstand, worauf Daisuke hinaus wollte. „Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen, Daisuke, aber ich werde nicht in dein Zimmer ziehen. Ich bleibe bei Himura.“ Daisuke schlug mit der flachen Hand gegen den Türrahmen. „Yoshida, was willst du denn noch? Dein Zimmergenosse ist in Wahrheit ein kaltblütiger Hitokiri. Er hat dich die ganze Zeit hintergangen! Und wenn etwas bewiesen hat, dass er unberechenbar ist, dann doch der Vorfall vorhin mit Onaka. Alle sprechen schon davon.“ „Onaka ist ein Idiot. Er hat Kenshin herausgefordert.“ „Und das gibt ihm Grund dazu, ihm fast die Kehle aufzuschlitzen?!“ Yoshida holte tief Luft. „So war das doch gar nicht...“ „Natürlich nicht,“ schnaubte Daisuke. „Deswegen erzählen es auch alle Männer. Es hat sich schon überall herumgesprochen. Dein feiner Freund Himura, Katsuras Überbringer der „göttlichen Gerechtigkeit“, hätte heute fast einen aus den eigenen Reihen getötet!“ Yoshida machte protestieren den Mund auf und zu, doch entgegnen konnte er nichts. Auch er hatte das seltsame Funkeln in Kenshins Augen gesehen, während er Onaka sein Schwert an den Hals gedrückt hatte. Aber auch der Gesichtsausdruck von ihm, als er davon gestürmt war, hatte Bände gesprochen - anscheinend war Kenshin selbst über seine Reaktion genauso erschrocken gewesen wie alle anderen. „Warum willst du mit diesem Hitokiri weiterhin einen Raum teilen? Stört es dich nicht, neben einem Killer zu schlafen?“ „Nein,“ meinte Yoshida nur gelassen und kratze sich am Kinn. Sein Gegenüber schüttelte verständnislos den Kopf. „Entweder du bist dir sehr sicher oder du bist sehr, sehr dumm.“ Yoshida schnaufte ungehalten. „Denk doch, was du willst. Ich glaube jedenfalls, Kenshin hat gelogen.“ „Gelogen?“ blinzelte Daisuke etwas perplex. „Was meinst du damit?“ „Nun ja, ich denke nicht, dass er mir aus böser Absicht heraus die sogenannte Wahrheit verschwiegen hat. Ich denke...“ Yoshidas Stimme wurde leiser und er nuschelte mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner. „Ich denke, er wollte mich nur schützen. Er will lieber alles alleine auf seine Schultern nehmen und keinen mit rein ziehen...“ Daisuke schüttelte lachend den Kopf. „Oh Mann, wie kommst du denn auf diese bescheuerte Idee?“ Yoshida schnaubte wütend. „Du hast keine Ahnung, mein Freund. Außerdem,“ fauchte er beleidigt, als er sah, dass Daisuke weiterlachte, „geht dich das sowieso überhaupt gar nichts an! Du scheinst dich ja plötzlich ziemlich für Himura und mich zu interessieren.“ Daisukes Lachen wurde zu einem Hustenanfall. „Ich -“ keuchte er, als er wieder zu Atem kam, „- mache mir einfach nur Sorgen!“ „So?“ Yoshida zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Sieht dir gar nicht ähnlich.“ „Naja, ich... hey! Das war nicht sehr nett!“ „Aber die Wahrheit.“ Yoshida drehte sich zum Gehen um. Daisuke legte beschwichtigend den Arm um seinen Freund und hielt ihn zurück. „Es ist doch nur so: Ich will einfach wissen, in welcher Beziehung du zu Himura stehst. Wenn du trotz alledem sein Freund bist und ihm vertraust – gut! Dann akzeptiere ich deine Entscheidung und halte mich raus. Aber wenn du dir nicht ganz sicher mit ihm bist, dann kann ich nicht zulassen, dass du dich weiter mit ihm abgibst. Dann muss ich dich zwingen, ihm aus Weg zu gehen. Ich will nämlich nicht, dass dir etwas passiert. Du vertraust den Menschen zu leicht. Das ist deinen Schwäche!“ Yoshida schüttelte Daisukes Arm ab. „Glaubst du nicht, dass auch ich mir darüber die letzten Stunden den Kopf zerbrochen habe? Doch ich kann nicht anders handeln, denn ich vertraue ihm und ich weiß, dass auch er mir vertraut – wenn ich jetzt gehe, dann hab ich das Gefühl, ihn zu verraten.“ „Gut,“ nickte Daisuke plötzlich überraschend verständnisvoll. „Dann ist es besser, wenn du weiterhin ein Zimmer mit ihm teilst. Versuche einfach, ihn besser kennen zu lernen. Wenn du alles über ihn weißt, dann fühlst du dich bestimmt sicherer. Ich meine, er ist ja auch nur ein normaler Mensch mit Stärken und Schwächen...“ Yoshida lächelte, mehr erfreut als erstaunt über Daisukes unvermittelte Sinneswandlung. „Ich wusste gar nicht, dass du auch mal vernünftig sein kannst. Schön, dass wir einer Meinung sind.“ Dann ging er in Richtung Badehaus, wo nun endlich auch für ihn eine freie Wanne zur Verfügung stand, um den Staub der langen Rückreise nach Kyoto abzuwaschen. Die Sonne war bereits am Untergehen und es war wirklich ein langer, anstrengender Tag gewesen. Nachdem er sich gründlich abgerubbelt hatte, versenkte sich Yoshida genussvoll seufzend im heißen Wasser. Allmählich entspannte sich sein Körper und er begriff, wie sehr ihn dieser Tag körperlich und emotional gefordert hatte. Erst die lange Reise und dann die vielen, verstörenden Neuigkeiten. Und zu guter letzt das Fiasko im Dojo. Die Augen schließend versuchte Yoshida sich vorzustellen, was in seinem Zimmergenossen wohl vorgehen mochte. Das lange Gespräch vom frühen Nachmittag kam ihm wieder in den Sinn. Er war sich sicher, dass Himura, wenn er auch von nun an ein Hitokiri sein mochte, in erster Linie nur gute Absichten hatte. Yoshida erinnerte sich an seine hellen, blauen Augen und die Aura von Idealismus, die der Junge die ersten Tage nach seiner Ankunft in Kyoto ausgestrahlt hatte. Allerdings erinnerte er sich auch ziemlich deutlich an den ganz anderen Ausdruck in Himuras Augen, als er ihm gedroht hatte, er würde ihn töten, sollte er sich nicht von ihm fernhalten. Trotz des heißen Wassers bekam Yoshida eine Gänsehaut, als er sich fragte, ob das der Blick war, den auch Himuras Opfer zu spüren bekamen. Wie er es auch drehte und wendete, Himuras Aufgabe bestand darin, Menschen kaltblütig zu ermorden. Aber, und das war das absurde: Himura war kein Mörder. Auch wenn er selbst es so erscheinen lassen wollte. Grimmig starrte Yoshida durch den Dampf, der von seinem Bad aufstieg. „Baka,“ murmelte er in die Schwaden. „Freundschaft und Schwäche? Kenshin, wer hat dir diesen Schwachsinn nur eingetrichtert? Nur mit Freunden im Rücken ist man wirklich stark. Niemand kann alles alleine schaffen. Auch du nicht, du bist kein Übermensch!“ Sicher, sein kleines Schwerttraining vorhin schien das Gegenteil zu bezeugen. Das waren die absolut tödlichst ausgeführten Kata, die Yoshida je in seinem Leben gesehen hatte und die Geschwindigkeit war dem Begriff der „göttlichen Gerechtigkeit“ würdig. Himura, und das brachte Yoshida fast um den Verstand, liebte die Schwertkunst und ihre Perfektion, aber er hasste das Töten. Und trotzdem tat er es, aus reinem Pflichtgefühl. Wie konnte er das in sich vereinbaren, ohne zu zerbrechen? Eines war sicher, dachte Yoshida entschlossen, während er untertauchte und sich die letzten Staubkörner aus den Haaren wusch. Er würde Himura beistehen. Er würde ihm Halt bieten und nicht zulassen, dass er sich selber zu dem machte, was andere bereits von ihm dachten. Er würde, trotz aller Wiederstände um und in ihm, sein Freund bleiben. Er seufzte, als er aus dem warmen Wasser stieg und sich mit einem Handtuch abrubbelte. „Leichter gesagt als getan.“ -- Gelassen hatte Daisuke Yoshida hinterhergesehen, bevor er sich auf den Weg zu seinem eigenen Zimmer gemacht hatte. Doch in seinem Kopf überschlugen sich bereits die Gedanken. „Offensichtlich besteht zwischen Yoshida und Himura doch eine enge Verbindung“ , grübelte er. Bisher hatte geglaubt, ihre Freundschaft sei nur oberflächlich, aber Yoshidas Reaktion gerade eben hatte ihn eines Besseren belehrt. Daisuke kannte Yoshida jetzt seit knapp zwei Jahren. Sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und vor allem in ihrer Freizeit beim Würfeln oder Trinken viel Spaß zusammen gehabt. Vor allem die unkomplizierte, offene Art hatte Daisuke an Yoshida immer geschätzt. Natürlich war der Junge weder ein Taktiker noch ein guter Schwertkämpfer und durch seine tollpatschige Art hatte er sich schon oft vor den anderen Ishin Shishi zum Narren gemacht. Trotzdem gestand Daisuke ihm eine gute Menschenkenntnis zu. Wenn Yoshida sich also entschlossen hatte, dem Hitokiri die Treue zu halten, dann würde er das auch um jeden Preis tun. Denn das war der Punkt, den Yoshida unter den anderen Ishin Shishi auszeichnete: er stand zu seinen Entscheidungen und war absolut loyal. „Im Gegensatz zu mir,“ lächelte Daisuke zynisch in sich hinein. Vor knapp anderthalb Jahren, als er nach Kyoto gekommen war, da war er vielleicht auch noch so wie Yoshida gewesen. Überzeugt hatte er sich mit ihm und Buntaro zusammen der patriotischen Bewegung gegen das Bakufu angeschlossen. Doch zu viel war in der Zwischenzeit passiert, was nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Je mehr Blutvergießen er in dem aufkeimenden Bürgerkrieg erlebt hatte, desto mehr waren seine Ideale von ihm abgefallen wie die Schalen einer Zwiebel. Alles, was am Ende noch übrig geblieben war - der Kern seines Wesens - war sein Wille, diesen Krieg zu überleben. Längst war ihm egal geworden, welche Seite nun am Ende gewinnen mochte. Für ihn stand nur fest, dass er Japan hinter sich lassen wollte. Irgendwo ein neues Leben anfangen. Nur weg von diesem ständigen Wahnsinn. Sicher, es würde ihn besser schlafen lassen, wenn er wüsste, dass es Yoshida und Buntaro auch irgendwo gut ging. Doch wenn er sie opfern musste, um sich selbst zu retten, dann würde er es tun. Der einzige Mensch, der ihm je etwas bedeutet hatte, für den er sein Leben geopfert hätte, war schon tot. Verblutet in einer dreckigen Gasse in dieser verfluchten Stadt. Wenn noch mehr Menschen sterben mussten, damit er diese Hölle verlassen konnte, dann wäre das kein Problem für ihn. Alles, was an Gefühlen für andere Menschen in ihm gelebt hatte, war mit ihr zusammen gestorben. Schnell fuhr sich Daisuke mit der Hand über die Augen. Jetzt war nicht die Zeit für solche Gedanken. Jetzt war die Zeit um Ziele zu verwirklichen. Rasch ging er zum Zimmer seines Freundes Buntaro und schloss die Schiebetür hinter sich. „Und?“ Buntaro schien auf ihn gewartet zu haben. Daisuke setzt sich ihm gegenüber auf ein Kissen am Boden. „Anscheinend ist Yoshida trotz allem entschlossen, Himura die Freundschaft zu halten.“ „Das ist schlecht.“ Buntaro strich sich über die Augen. „Jetzt wird der Junge mit in die ganze Scheiße hineingezogen.“ Daisuke schaute seinen Freund verblüfft an. Seit wann benutzte Buntaro solche Kraftausdrücke? Mit einem Schulterzucken fuhr er fort. „Bis jetzt war die Schlüsselrolle unseres neuen Plans mein Platz in der Einheit von Izuka. Durch ihn und seine Komparsen erfahre ich jetzt immer die Aufträge und Einsatzorte von Himura.“ Buntaro nickte. „Und wenn die Lage günstig ist, dann verraten wir diese Informationen ans Shogunat. Nicht,“ ergänzte er mit einem schrägen Lächeln, „ohne danach mit einer reichen Belohnung spurlos zu verschwinden.“ „Genau!“ Daisuke stand auf und ging aufgeregt im Zimmer auf und ab. „Denn wenn man jemand mit diesem Verrat in Verbindung bringt, dann uns. Izuka ist ja nicht blöd – wenn etwas durchsickert, dann wird er früher oder später schlussfolgern, dass ich der Verräter bin. Die Sache mit Asakura und seinen Ninja war schon gefährlich genug. Ich habe nur noch einen Versuch, bevor ich auffliegen würde. Und du stehst damit auch unter Verdacht, denn du bist mit mir befreundet und warst mit Katsura unterwegs. Wer also sonst könnte die Reiseroute verraten haben?!“ Buntaro wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er fragte sich immer noch, was ihn vor wenigen Tagen zu dieser leichtsinnigen Aktion verleitet hatte. Es entsprach normalerweise nicht seiner Art, zu handeln, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Hatte er sich tatsächlich eingebildet, dass mit Katsura Kogoros Tod die Revolution plötzlich aufhören würde? Daisuke brachte ihn mit einem Fingerschnippen wieder von seinen Gedanken in die Realität zurück. „Unser Plan hat sich jetzt geändert. Dank Yoshida!“ Überrascht schaute Buntaro auf. „Yoshida? Außer ein paar nützlichen Informationen über Himura hat er doch kaum Nutzen für irgendjemanden.“ Daisuke schüttelte den Kopf. „Bist du auf den Kopf gefallen oder so was? Natürlich wird Yoshida genauso dran sein wie wir, wenn unser Verrat auffliegt. Denn er ist genauso mit uns wie mit Himura befreundet. Denkst du im ernst, es interessiert dann noch irgendjemanden, wer wie genau in den Verrat verwickelt war? Ein Killer - vermutlich sogar Himura selbst, wenn wir ihn nicht vorher erledigen können - wird auf uns alle drei angesetzt und damit ist für die Ishin Shishi die Sache erledigt.“ Eine neue Schweißperle rann Buntaro quer über die Stirn und kurz bevor sie ihren Lauf beenden und von seiner Nasenspitze tropfen konnte, wurde sie von zitternden Händen mit einem Taschentuch aufgefangen. „Die Sache gerät außer Kontrolle,“ stellte Buntaro schwer atmend fest. „Ständig sitzt uns jetzt dieser Clan aus Aizu im Nacken, dem wir unsere Informationen verkauft haben. Und sie sind ungeduldig, wollen mehr wissen über die Hitokiri, die Geheimverstecke, die Informanten und Anführer der Ishin Shishi. Ich kann zwar mein Leben für mich alleine riskieren, aber Yoshida in die Sache mit reinziehen? Das wollte ich nicht!“ Ausdruckslos starrte Daisuke auf seinen Freund hinunter. „Für solche Gefühlsduseleien ist es jetzt etwas spät. Yoshida spielt von nun an in unserem Plan eine Schlüsselrolle. Er wird der Köder sein!“ Daisukes Augen glitzerten unheilverheißend. Buntaro begegnete kalt dem Blick seines Freundes. „Unser Plan?“ wiederholte er, mit seiner tiefen Stimme jeden Buchstaben spitz betonend. „Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich in DEINEM Plan irgendein Wörtchen mitzureden hatte. Du erzählst mir nur die Hälfe von dem, was dir im Kopf herumspukt. Und ehrlich gesagt...“ Buntaro stand auf, steckte seine Schwerter in den Obi und tupfte noch ein letztes Mal seine feuchte Stirn ab. „Ehrlich gesagt, ich will gar nicht wissen, was genau du vorhast.“ Ohne einen weiteren Blick ging er aus dem Zimmer und für einen unbeteiligten Betrachter hätte sein Gang selbstbewusst wie eh und je gewirkt – doch Daisuke bemerkte die Hände, die sich nervös zuckend an seinem Gürtel festhakten. Außerdem hatte er Buntaro noch nie so viel schwitzen gesehen, nicht einmal im feucht-heißen Sommer, in dem sich Kyoto in einen Backofen zu verwandeln pflegte. Offensichtlich war sein Freund gerade dabei, seinen sonst so kühlen Kopf zu verlieren. Daisuke drehte sich grimmig um und schaute aus dem Fenster. Einzelne, wirbelnde Flocken stoben vorbei und begannen sich bereits auf dem hölzernen Fensterbrett zu sammeln. Er strich mit seinem Finger durch sie hindurch und sah zu, wie sich der Schnee durch die Wärme seiner Haut schnell in Wasser verwandelte. „Ich will meinen Kopf nicht verlieren,“ murmelte er dem Tropfen zu, der jetzt seinen Finger hinabrann, so wie es vorhin die Schweißperle auf Buntaros Stirn getan hatte. „Yoshida ist jetzt der einzige, der noch Zugang zu Himuras persönlicher Seite hat. Wenn Himura ihm tatsächlich vertrauen sollte...-“ Daisuke zerrieb den Wassertropfen in seiner Handfläche. „-...dann schnappt die Falle zu.“ Daisuke dachte an die unheimlichen, blauen Augen des Jungen. Es war erst wenige Tage her gewesen, als er selbst nicht einmal im Traum damit gerechnet hatte, dass dieser stille und schmächtig wirkende Rotschopf ein Hitokiri sein könnte. Merkwürdig - ja. Mädchenhaft - mein Gott – und irgendwie so zerbrechlich hatte er ausgesehen. Doch jetzt, nachdem er die ganze Wahrheit kannte, wollte sich Daisuke nicht länger täuschen lassen. Himura war ein Killer von Natur aus und er tarnte sich in der Gestalt eines unschuldigen Jungen. Nicht nur ein Killer, korrigierte er sich – Jemand, der schon mit knappen fünfzehn Jahren sein Schwert mit solch tödlicher Präzision führen konnte, musste ein Dämon sein. Daisuke schloss fröstelnd das Fenster. Wann war es ihm gedämmert, dass diese Revolution sinnlos war? Als er dastand, nachts in einer verlassenen Seitengasse des Gionviertels, alleine? Nichts, außer der Hitze des Alkohols im Kopf und noch den süßen Geruch des Mädchens in der Nase, das er gerade besucht hatte. Er sah ihr Gesicht vor sich, ihre leuchtenden, tiefschwarzen Augen und ihre helle Haut, so weiß und rein, wie der erste Schnee. Wie der erste Schnee zu Boden fallend, mit dem Dreck der Strasse und dem Blut zu einer schlammigen Masse verschmelzend. Sie war ihm nachgelaufen, an diesem Abend. Er hatte es nicht gemerkt, denn er war ein Eile gewesen. Bei ihr hatte er die Zeit fast vergessen und so hatte er rennen müssen, um noch den Treffpunkt der nächtlichen Überfallaktion der Ishin Shishi rechtzeitig zu erreichen. Viel zu spät hatte er bemerkt, dass sie ihm gefolgt war. Und sie ihr. Die Shinsengumi. Wie eine Horde blutrünstiger Dämonen waren sie in sekundenschnelle aus der dunklen Gasse hervorgeschossen, hatten Amasu – seine schneeweiße Amasu – mit einem beiläufigen Schwerthieb niedergehauen. Sie war die Geliebte eines Feindes. Sie war im Weg. Nur mit Mühe hatten er sich mit den anderen Ishin Shishi den Weg zum Fluss freikämpfen können. Die letzte Rettung war ein Sprung in die vom feuchten Sommerregen angeschwollenen Fluten gewesen. Als Daisuke keuchend und voller Schlamm einige Kilometer weiter schließlich Halt am Ufer gefunden und sich mit letzter Kraft auf die rettende Böschung gehievt hatte, schmeckte er plötzlich Salz. Es waren seine Tränen gewesen. Nach wenigen Tagen war er wieder im Einsatz, seine Verletzungen so gut wie geheilt. Wie immer hatte er gelacht, getrunken, gescherzt, die Fassade aufrecht erhalten - doch in ihm war alles Leben erloschen. Warum hatte sie die alte Ordnung stören müssen? Warum hatten sie eine Stadt wie Kyoto, die schon so viel Blutvergießen und Grauen erlebt hatte, abermals in ein blutiges Schlachtfeld verwandeln müssen? Warum hatte Amasu sterben müssen? Hätten sie alles beim Alten gelassen, dachte er voller Bitterkeit, wäre viel unschuldiges Blut verschont geblieben. Sicher, es hätte weiterhin Ungerechtigkeiten gegeben, aber kein Staat ist perfekt. Auch der Neue würde es nicht sein. Wenn alles, was sie taten, nur darin bestand, solche Menschen wie Himura auf den Plan zu rufen – Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken ihre Opfer aus dem Weg räumten als wären sie nur hinderliche Steine auf einer ansonsten glatten Fahrbahn – es widerte Daisuke an. Katsura Korogo, der Held der Revolution, benutzte halbwüchsige Kinder, um seine Feinde zu vernichten. Und dieser Mann wollte einen neuen Staat erschaffen? Frustriert schüttelte Daisuke den Kopf. Nein, nichts würde sich je ändern. Er wollte nichts mehr, als dieses gottverlassene Land nie mehr wiedersehen. Er half, die alte Ordnung wieder herzustellen. Er half, seine Freunde und Kampfesgenossen zu verraten. Na und? Früher oder später würde dieser lächerliche Aufstand sowieso fallen. Er würde es vorziehen, bis dahin weit weg zu sein. Mit dem Geld, dass er für die Auslieferung dieses Hitokiri bekommen würde, könnte er ein neues Leben anfangen. Fern von sinnlosem Blutvergießen. Und vielleicht würde er ein neues Mädchen wie Amasu kennen lernen. Eines war sicher: Er wollte diesen ganzen Sumpf, ganz Japan, sein ganzes altes Leben hinter sich lassen. Und bis dahin war er bereit, jede Sünde zu begehen, um dieses Ziel zu erreichen. Grimmig verließ er Buntaros Zimmer und ging in sein Eigenes. Er brauchte einen neuen Plan. Buntaro war nicht länger jemand, auf den er sich verlassen konnte. Jetzt blieb nur noch er selbst übrig. Er musste jetzt alle Fäden führen. -- Buntaro verfluchte sich selbst, wie so oft in den letzten Tagen, als er durch den Schneematsch von Kyotos Strassen stapfte. Alles, wofür er bisher gekämpft und sein Leben riskiert hatte schien sich wie der Schnee am Boden in einen schlammigen Brei zu verwandeln und dann aufzulösen. Er stürmte in die erstbeste Kneipe und bestellte sich warmen Sake. Was war nur mit ihm los? Es war noch nicht einmal Abend und er war kein großer Trinker, doch jetzt saß er da und hatte, ehe es zu merken, schon das zweite Schälchen hinuntergestürzt. Außerdem war er durchgeschwitzt – und das im Winter, ohne warmen Haori. Seufzend stelle er sein Schälchen ab. Es war die Reue, die ihn so quälte, und Angst. Reue, nicht richtig nachgedacht zu haben. Angst, dies mit dem Leben zu büßen. Vor fast einem halben Jahr, im Sommer, hatte ihm Daisuke das Leben gerettet. Sie kannten sich schon länger, waren seit über zwei Jahren so etwas wie Freunde gewesen. Doch in dieser Nacht hatte sich alles geändert. Buntaro war als Begleitschutz bei einem wichtigen Treffen zwischen zwei verschiedenen Clans der Choshuu-Fraktion eingeteilt gewesen. Auf dem Rückweg waren sie in einen Hinterhalt einer Einheit des Bakufu geraten. Bis an die Zähne bewaffnet waren diese Männer auf sie losgestürmt und hatten sie bald eingekreist. Buntaro konnte sich noch sehen, wie er – hoffnungslos unterlegen und bereits durch zwei tiefe Schnittwunden verletzt – versucht hatte, seinen Auftraggeber zu beschützen. In letzter Sekunde kam Daisuke mit einer Truppe Ishin Shishi an den Ort des Geschehens. Sie konnten ihre Angreifer in die Flucht schlagen, doch der Führer des einen Choshuu-Clans starb noch auf der Strasse an seinen Verletzungen. Daisuke hatte Buntaro heimgetragen und notdürftig verarztet. Während er sich um seine Wunden gekümmert hatte, hatten sie viel miteinander geredet. Daisuke hatte ihm von Amasu erzählt, seiner Geliebten, die er erst vor wenigen Wochen verloren hatte. Es war das erste Mal, dass er seinen Freund so emotional und ernst erlebt hatte. Buntaro bestellte eine weitere Flasche Sake. Genau wie Daisuke und Yoshida hatte er sich eher zufällig den Ishin Shishi angeschlossen. Sie alle drei waren als Ronin von Choshu aus nach Kyoto auf der Suche nach einer Anstellung angekommen, als die blutigen Unruhen, die bereits seit Ankunft der schwarzen Schiffe die Stadt immer wieder heimgesucht hatten, erneut heftiger denn je aufflammten. Sofort hatte ihnen ein Zweig des Choshuu-Clans Geld geboten und sie als Schwertkämpfer angeheuert. Yoshida war gleich dabei gewesen, denn er hatte schon immer aus persönlicher Erfahrung einen Groll gegen das Shogunat gehegt. Er selbst und Daisuke hatten das Geld nötiger gehabt als Idealismus. Doch dank seinem eigenen Eifer, seiner absoluten Loyalität gegenüber seinen Auftraggebern und seinen guten Schwertkünsten waren sie schließlich bald alle drei immer näher an den engsten Ring der Choshuu-Fraktion der Ishin Shishi gerückt. Bis sie schließlich vor wenigen Monaten direkt einer persönlichen Einheit von Katsura Kogoro unterstellt wurden. Buntaro erinnerte sich noch genau an die erste Begegnung mit diesem beeindruckenden Mann. Sie hatten eine kurze Unterhaltung, nicht lange, aber lange genug um ihn schwer zu beeindrucken. Katsura war ein Mann von messerscharfem Verstand, taktischem Geschick und Weitsicht. Seine Prinzipen und Ideale waren unverrückbar und radikal, doch nötig für die Veränderung Japans. Er war Katsura treu ergeben gefolgt, hatte mehr als einmal sein Leben für ihn riskiert, hatte alles getan, um einen neuen Staat so bald wie möglich herbeizuführen – bis er von den Attentätern hörte. Attentäter. Hitokiri – sie waren der Grund, warum Buntaro überhaupt von einem ehrbaren Samurai zum Ronin geworden war. Sein damaliger Lehnsherr und Freund hatte zu laut seine Abneigung gegen den Shogun kund getan. Wenige Tage später war er für immer verschwunden. Da man keine Leiche fand, war auch Buntaro das ehrbare Recht verwehrt gewesen, ihm in den Tod zu folgen. Von nun an hatte er als Ronin durch die Provinz streifen müssen. Es gab also für ihn mehr als nur die Motivation des Geldes, sich den Ishin Shishi in Kyoto anzuschließen. Er hatte auch gehofft, so die Ungerechtigkeiten, die seinem Lehnsherrn wiederfahren waren, wieder auszugleichen, diesen ehrlosen Tod durch die Hand eines namenlosen Hitokiris zu sühnen. Es war ein Schock für ihn gewesen, erfahren zu müssen, dass der Mann, den er bewunderte und mit Einsatz seines Lebens unterstütze, selbst solche schmutzigen Praktiken befürwortete. Katsura, den er als Taktiker und Diplomat schätzen gelernt hatte, versuchte, die Macht an sich zu reißen, in dem er alle seine Feinde hinterrücks ermorden ließ – und neuerdings sogar noch von halbwüchsigen Kindern wie Himura. Beim Trinken der zweiten Flasche wurde Buntaro endlich wieder etwas ruhiger. Er war dumm gewesen, sich, von seinen persönlichen Emotionen geleitet, auf diesen Verrat einzulassen, überlegte er. Doch Daisuke hatte sich als unerwarteter Verbündeter entpuppt, und schneller, als Buntaro die Sache überhaupt überdenken hatte können, waren sie schon in Kontakt mit einer für das Shogunat eingestellten Truppe aus Aizu getreten, den Aizu Munashidai. Diese Männer hatten ihnen versichert, sich auch nichts sehnlicher zu wünschen wie das Blutvergießen im Land zu beenden – und hatten betont, dass mit Katsura Kogoros Tod der Bürgerkrieg schnell ein Ende finden würde. Buntaro, der wusste, dass er in wenigen Wochen eine längere Reise mit Katsura nach Tosa antreten würde, hatte seine Chance gekommen gesehen. Er hatte sich eingebildet, mit Katsuras Tod ließe sich das kommende Blutvergießen verhindern und alles wieder zum Guten wenden. Doch die Revolution ließ sich nicht mehr aufhalten. Buntaro war wieder zu Verstand gekommen und er hätte sich am liebsten an Ort und Stelle selbst für seinen Verrat getötet. Er wollte nichts lieber, als aussteigen. Wie hatte er der Seite, der er sich angeschlossen hatte, nur so verraten können? Jegliche Ideale der Ehre und Treue, mit denen er großgezogen wurde, verleugnen können? Doch jetzt, wo ihm endlich alles gedämmert war, war es für eine Umkehr bereits zu spät. Die Aizu Munashidai übten immer mehr Druck auf sie aus und drohten, sie zu verraten, falls der Informationsfluss versiegen sollte. Buntaro hatte gehofft, durch Preisgabe der Reiseroute Katsuras dem ganzen Dilemma irgendwie entfliehen zu können, doch alles war schief gegangen. Und jetzt saß auch noch Yoshida mit im Boot, der von nichts eine Ahnung hatte. Mit der dritten Flasche versuchte Buntaro, seine Reue gegenüber seinem jüngeren Freund hinunterzuspülen. Das diese ganze vertrackte Sache vermutlich mit seinem eigenen Tod enden würde, war Buntaro in den letzten Tagen ziemlich klar geworden. Er glaubte schon längst nicht mehr so wie Daisuke daran, sich mit einer großen Geldsumme irgendwo absetzten zu können. Doch Yoshida hatte es nicht verdient, als Verräter zu sterben. Buntaro spürte die Hitze des Alkohols in sich, draußen war es bereits dunkel geworden. Er bestellte sich die vierte Flasche, doch mit jedem Schluck, den er trank, wurden die Schuldgefühle und die Scham in ihm schlimmer. Er hatte nicht geahnt, dass sich sein Freund Daisuke als so gewissenlos herausstellen würde. Er schien auf jeden Fall entschlossen, den größten Fisch, an den er herankommen konnte – Himura – ans Messer zu liefern und so seine eigene Haut zu retten. Buntaro schüttelte sich. Er würde nicht noch tiefer sinken. Ein Verräter an einer politischen Partei, das war eine Sache. Aber ein Verräter an einer Freundschaft – das konnte er einfach nicht mit mehr mit sich selbst vereinbaren. Sein Kopf drehte sich und irgendwie wurde ihm schlecht. Sein Leben war eine einzige Schande, jammerte er in sich hinein als er mühsam aufstand und auf die Strasse hinaus wankte. Dort traf ihn plötzlich die ganze Wucht des Alkohols und er erbrach sich. Mit tränenden Augen stand er an eine Hauswand gelehnt und beobachtete, wie sich seine Essensreste den Weg durch den schmelzenden Schneematsch in die Gosse bahnten. Er würde sterben, dass fühlte er niemals so deutlich wie jetzt. Dieser Verrat würde ihn das Leben kosten. Doch wenn er sein Leben schon opferte, dann sollte es die Sache wenigstens wert sein. Nur welche Sache? Der Kaiser oder das Shogunat? Sein Freund Yoshida oder das Leben eines Attentäters? Betrunken wie schon lange nicht mehr wankte Buntaro zurück zur Herberge. Er wusste, was er zu tun hatte, sobald er dort ankommen würde. -- Izuka saß im Kerzenschein an seinem Schreibtisch und ging noch einmal das durch, was er die letzten Stunden auf ein Blatt Papier gekritzelt hatte. Er war sich so gut wie sicher mit seinen Schlussfolgerungen. Grimmig umkreiste er mit schwarzer Tinte zwei Namen auf seinem Zettel. Dann zögerte er kurz, bevor er noch einen Dritten hinzufügte und ebenfalls einkreiste. Danach faltete er sorgfältig das Papier zusammen, drückte sein Siegel darauf und stand auf, rief einen Boten herein und schärfte ihm ein, die Dokumente Katsura Kogoro so schnell wie möglich zu überbringen. Als der gewissenhaft nickende Bote davongeeilt war, stand er auf und streckte sich, während er mit trägen Augen aus dem Fenster in den dunkler werdenden Himmel starrte. Überall das Gleiche, dachte er seufzend. Gute Menschen wurden zu fanatischen Terroristen. Böse Menschen plötzlich zu Hütern der Gerechtigkeit. Menschen mit Ehre und Stolz wurden zu Verrätern. Und Menschen ohne Idealen wurde die Treue geschworen. Und das Alles nur im Streben nach Macht. Und Geld. Meist waren es Personen aus den unteren Rängen, die sich von Bestechungsgeld korrumpieren ließen. Einfache Soldaten, die mir ihrem Sold gerade über die Runden kamen oder Söldner. Izuka lächelte milde. Die meisten Idioten verspielten ihr Leben für einen so geringen Betrag, das es fast schon lachhaft war. Wussten diese Stümper denn nicht, dass sich Verrat nur lohnt, wenn man Informationen preisgeben kann, die mehr als nur ein paar Ryo wert sind? Doch jetzt war die Situation prekärer, die Verräter waren gleich drei Samurai aus Katsura Kogoro direkt unterstehenden Einheiten. Das war nicht gut für das Vertrauen innerhalb der Truppe. Und Vertrauen war momentan alles, worauf sie bauen konnten. Die Bündnisse, die sie schon seit Monaten unter den größten Gefahren schlossen, basierten darauf – es gab nichts anderes als die mündliche Zusicherung durch ein Ehrenwort. Izuka seufzte. Er würde sich schon sehr bald um diese Angelegenheit kümmern müssen. Keine Zeit für den Chef der Geheimoperationen der Choshuu Ishin Shishi, sich auszuruhen. Nach dieser Sache musste die ganze Einheit umstrukturiert werden, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Und er würde noch einmal ein ernstes Wort mit Himura reden müssen. Izuka lächelte schief, wie immer, wenn er an diesen sonderbaren Jungen dachte. Er würde auch nicht mehr viel Zeit zum Ausruhen haben. Ein Berg von Arbeit wartete auf den jungen Hitokiri. Wo war er überhaupt? Izuka beschloss, ihn suchen zu gehen und sich jetzt gleich mit ihm zu unterhalten. Immerhin ging ihn die ganze Sache mehr an als alle anderen. Sich streckend verließ Izuka sein Zimmer und streifte durch die von der Abenddämmerung nur schwach beleuchteten Gänge der Herberge. Verdutzt stellte er fest, dass trotz der Abendstunden viele Männer anwesend waren. Sie standen oder saßen alle in Grüppchen in irgendwelchen dunklen Ecken. Immer, wenn Izuka vorbeilief, hörte er das Getuschel hastig verstummen. Dennoch konnte er öfters das Wort Battousai hören. Izuka zwirbelte seinen Schnauzbart. Diese verschwörerische Stimmung gefiel ihm ganz und gar nicht. Als er schließlich einige Männer nach Himura fragte, sahen sie ihn zwar vielwissend an, konnten ihm dann aber auch nicht sagen, wo genau er zu finden wäre. „Nach der Sache mit Onaka im Dojo hat ihn keiner mehr gesehen, Izuka-san,“ antwortete ihm einer der Samurai schulterzuckend. „Was meinst du damit, Uchida?“ fragte Izuka nach. Der Samurai druckste etwas herum, erzählte ihm aber dann doch, was sich am Nachmittag im Dojo ereignet hatte. Izuka hörte mit ausdrucksloser Miene zu. Ihn beschlich das ungute Gefühl, dass diese Sache noch ein Nachspiel haben würde. „Wo ist Onaka jetzt?“ fragte er ungehalten. Er würde keine eingebildeten Unruhestifter mehr in seiner Einheit dulden. Ein Grund mehr, hier alles so schnell wie möglich kräftig umzukrempeln. Uchida zuckte erneut die Schultern. „Wahrscheinlich was trinken auf diese Demütigung.“ Hilflos warf Izuka die Hände in die Luft. „Das gibt’s doch nicht! Da gibt man den Leuten hier mal eine Pause und sofort kommen alle auf dumme Gedanken!“ Uchida lachte. „Natürlich lässt sich ein erfahrener Schwertkämpfer nicht gerne von einem 15-Jährigen in die Schranken weisen. Doch du hast recht, Onaka war wirklich dumm.“ Sein Lächeln erlosch. „Hätte er sein Training gesehen... dann hätte er sich nicht mit Battousai angelegt.“ Schon wieder dieser Name. Izukas Augenbraue zuckte vor Erregung, als es ihm plötzlich von selbst dämmerte. Battousai. Ein Meister des Battoujutsu. Das konnte nur eine Person sein. Er selbst hatte Himura schon in Aktion gesehen, meistens jedoch das, was am Ende übrig blieb. Von allem, was er im letzten Monat gesehen hatte, war fast jede Attacke von Himuras mysteriösem Schwert-Stil ein Battoujutsu-Angriff. In welcher Kombination oder Stellung auch immer, Himura schaffte es, durch das Ziehen des Schwertes so schnell zuzuschlagen, dass seinem Gegner keine Zeit zum Parieren blieb und der Angriff absolut tödlich war. Anscheinend hatte er das den Männern auch bei seinem Training deutlich gemacht. Izukas Mund verzog sich während er bei sich dachte, „gut gemacht, Himura. Nichts bringt einem mehr Respekt ein als ein furchteinflössender Spitzname.“ Der rothaarige Junge musste seinen Rat, sich unnötige Fragen und Menschen vom Hals zu halten, beherzigt haben. Das war gut. Das war genau das, was man von einem guten Hitokiri erwarten würde. Izuka war überrascht, dass sich der Junge so gut in seiner Aufgabe einzufinden schien. Er hatte ihm am Anfang nicht mehr wie einen Monat gegeben. Jetzt war der eine Monat schon um und Himura war noch am Leben und nicht nur das – er war besten Weg, zu einem der gefürchtetsten Hitokiri der Revolution zu werden. „Er lernt schnell,“ überlegte Izuka. „Er befolgt bedingungslos den Befehlen, ohne Fragen zu stellen. Er tötet rasch und zuverlässig. Und bald wird er die wichtigste Lektion von allen lernen..." Izuka schenkte dem dunkelroten Abendhimmel ein besonders schiefes Lächeln. „...vertraue niemandem.“ -- Nächstes Kapitel: Die Verräter fliegen auf... und Kenshin soll sie eleminieren... Anmerkungen: Hallo und Gomen nasai für die lange Wartezeit :). Ich habe zur Zeit einfach Probleme, die Geschichte weiterzuschreiben, weil sie mir so stümperhaft vorkommt. Ich bin am Anfang voller Begeisterung in die Story hineingerauscht ohne mich viel um historische Fakten oder Details zu kümmern. Leider ist deshalb bei mir die Zeitlinie im Gegensatz zum Manga etwas verschoben (im Manga kommt Kenshin schon im Spätsommer nach Kyoto – bei mir erst im Herbst). Außerdem ärgert es mich, dass die Geschichte größtenteils in Kyoto spielt, ich aber selbst von Kyoto wenig Ahnung habe (ich erfinde immer alle Straßen und Stadtviertel, anstatt wirklich existierende zu nehmen – das hätte der Story mehr historische Tiefe verleiht). Leider kann ich das alles nicht mehr umändern und deswegen muss meine Geschichte in der Hinsicht etwas vage bleiben. Ich hoffe, dass sich die Leser, die mehr Ahnung als ich haben, sich daran nicht zu sehr stören sondern mir lieber Tipps geben *g*. Wie man sieht, versuche ich deswegen als Konsequenz, mehr Gewicht auf die Charaktere zu legen, ihre Handlungsmotivationen, Entwicklungen oder Veränderungen. Ich hoffe, ich konnte mit diesem Kapitel meinen erfundenen Personen mehr Glaubhaftigkeit und Tiefe verleihen. Kenshin kommt in diesem Kapitel persönlich gar nicht vor, aber von seinen Überzeugungen haben wir schon viel gehört und jetzt hat es mich interessiert, wie die Männer ihn sehen. Und wie sie ihm langsam durch einen neuen Namen und Geschichten seinen berüchtigten Ruf zu schaffen beginnen. Mir ist wichtig, das die Grundeinsicht dieser ganzen Geschichte, die ja auch der Begriff der „göttlichen Gerechtigkeit“ beinhaltet, rüber kommt: Nichts ist, wie es am Anfang zu sein scheint und: im Krieg gibt es weder schwarz noch weiß. Göttlich oder Dämonisch - das sind nur zwei Seiten einer Medaille. Lasst mich wissen, ob das einigermaßen gelungen ist!! LG, Ju-Chan aka Majin Mina Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)