Aramis und die Musketiere von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Ein Entschluss reift ------------------------------- Wunderschönes ebenmäßiges Gesicht, dunkelbraune Augen, in denen man versinken konnte, blondes leicht gewelltes Haar, bis zur Schulter herabfallend. Versonnen betrachtete Fabienne das Gemälde. An wen erinnerte sie dieses Bild nur? „Saga de Valinar“ stand darunter geschrieben. Sie musste Monsieur d’Herblay unbedingt fragen, was es mit diesem geheimnisvollen Kunstwerk auf sich hatte. Unsanft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. „Wie kann man nur solch einen Wirbel veranstalten; und alles wegen einer Hochzeit?“ René ließ sich seufzend in den nächsten Sessel sinken. Seine Wangen besaßen einen rosigen Hauch und er war außer Atem. Den ganzen Tag wuselte die gesamte Familie d’Herblay herum und bereitete das bevorstehende Fest vor. Sie rückten Tische, stellten Stühle, dekorierten die Räume, putzten Pferde und Kutschen, und und und. Jeder auf dem Landsitz freute sich auf die bevorstehende Hochzeit des Ziehsohnes René und der bezaubernden Tochter des nicht weit entfernten Gestüts Fabienne de Jarjaye. Fabienne deutete auf das Gemälde „Wer ist das?“ fragte sie. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Es sieht dir unheimlich ähnlich.“ René war skeptisch. „Naja, etwas zu perfekt für einen normalen Menschen. Außerdem habe ich kein blondes Haar, sondern braunes.“ Trotzdem. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Er studierte das Bild von Nahem. „Es ist von 1349. Es kann mir gar nicht ähnlich sehen. Da war ich noch nicht mal in der Planung.“ Grinste er, während er wieder zurückging. „Weißt du noch, wie wir uns kennen lernten?“ René zog Fabienne liebevoll zu sich. Sie lächelte:“ Ich kann mich da zaghaft an ein süßes Fohlen erinnern, welches einem jungen Mann hinterher lief. Immer wenn er uns besuchen kam, um die Pferde zuzureiten, klebte jenes schwarze Fohlen an seinen Fersen.“ „Nun ja, man muss noch erwähnen, dass jener junge Mann vor allem der hübschen Gestütstochter wegen kam.“ René küsste seiner Verlobten auf die Stirn. „Tja und dann war das Fohlen auf einmal weg…“ „Dein Onkel hatte genau den Moment abgepasst, an dem du kamst und das Fohlen zu euch nach Hause geführt, während wir dich ablenkten. Du wolltest trotzdem Chambeau zureiten und arbeiten.“ fiel Fabienne ihm lachend ins Wort. „Das war der traurigste sechzehnte Geburtstag, den ich erlebte. Ich kann mich gar nicht mehr an deine und deiner Eltern Ausreden erinnern, so abwesend war ich.“ sinnierte er. „Und dein einziger.“ René guckte irritiert. „wie…?“ „Na, bist du noch mal sechzehn geworden?“ Sie gluckste. Er drückte ihr schnell einen Kuss auf den Mund. „Als ich nach Hause kam, erzählte ich meinem Onkel sofort von dem traurigen Ereignis. Aber er sagte nur, ich solle mal in den Stall gehen. Die Pferde füttern. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich war, dass er so reagierte und ging los. Als ich an der letzten Box angekommen war, guckten mich zwei schwarze Augen an und mein Herz blieb vor Schreck stehen. Da war mein geliebtes Fohlen. Bei uns zu Hause. Ich glaube, so schnell bin ich noch nie zu euch gerannt. Ich habe nicht mal dran gedacht einfach ein Pferd zu satteln und rüber zu reiten, ich bin einfach losgerannt.“ Sie mussten lachen. „Als ich dich sah, deine Haare zerzaust, mit hochrotem Kopf, dachte ich erst, es sei etwas Fürchterliches passiert. Aber als du erzähltest, was los war, konnten wir uns gar nicht mehr halten vor lachen, nachdem wir dir den Plan unserer Eltern preisgaben.“ „An dem Abend merkte ich, dass ich über beide Ohren in dich verliebt war.“ René schaute in die Ferne. „Und irgendwie wurden wir unzertrennlich. Du, deine schwarze Stute und ich.“ Fabienne fuhr ihm durch die Haare. „Weißt du noch, wie wir sie getauft haben?“ „Wir haben sie an unseren See geführt und mit unseren Händen das Wasser über ihren Kopf geschüttet, weil wir nicht wussten, ob sie Wasser mag.“ „Hm, und sie stürmt in den See und planscht.“ René machte eine Bewegung, als ob er das Wasser abschütteln wollte, in das er hineingezogen wurde. „So wurde aus unserem kleinen schwarzen Fohlen eine edle Stute namens Fenena.“ Fabienne strich sich ihre langen dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und betrachtete ihren zukünftigen Ehemann. Immer wieder wurde ihr in solchen Situationen bewusst, welch ein Glück Gott ihr zuteil werden ließ, dass sie solch einen Mann ihren Verlobten nennen durfte. In seinen braunen Augen blitzten zugleich Sanftmut und Schalk und ließen sie jedes Mal in ihnen versinken. Mit seiner unendlichen Geduld und Geschicklichkeit schaffte er es, jedes Pferd zu Händeln. Auch Fenena hatte er selbst zugeritten. Die Stute gehorchte ihm im Schlaf und schien seine Gedanken zu ahnen. Sie liebte seinen Humor, jedoch auch seine Ernsthaftigkeit, Dinge anzugehen und durchzustehen. Sie liebte einfach alles an ihm. Fabienne hatte gar nicht bemerkt, dass René sie mittlerweile ebenfalls musterte und schrak zurück, als sie seinem Blick begegnete. „Aus dem Land der Träume zurück?“ Ehe sie antworten konnte, war es mit der kurzen Ruhe vorbei. „Los, los, was sitzt ihr Turteltäubchen hier rum? Es gibt bald Essen. Morgen fangen die Feierlichkeiten an und wir wollen noch einmal alles durchgehen…“ Madame d’Herblay wollte die Beiden zu den Anderen in den Hof scheuchen, als Fabienne das Bild wieder einfiel. „Madame, wisst ihr, wer auf dem Gemälde dort portraitiert ist?“ Diese wurde sichtlich nervös. „Das weiß ich leider auch nicht genau. Angeblich eine Frau vom Volk der Valinar. Und jetzt raus mit euch.“ René wunderte sich über das Verhalten seiner Tante, merkte aber, dass Nachhaken keinen Sinn hatte. „Deiner Tante war die Frage sichtlich unangenehm. Hast du das bemerkt?“ Fabiennes Neugier war geweckt. Ihr Verlobter nickte. „So habe ich sie bei einer eigentlich harmlosen Frage noch nicht erlebt.“ Er hob die Schultern. „Merkwürdig…“ René saß auf seinem Bett und dachte über das Gemälde nach. Warum war seine Tante so unhöflich geworden? Wer war das Volk der Valinar? Warum stand „Saga“ darunter geschrieben? Wenn es eine Sage war, weshalb reagierte sie so übertrieben? Er erinnerte sich, im Haus mal ein Buch gesehen zu haben, das von einem Elbenvolk handelte, welches Valinar genannt wurde. Da aber alle Elben ausgestorben waren, bzw. zu den grauen Anfurten geflüchtet waren, hatte es ihn nicht weiter interessiert. In dieser Welt gab es keine Elben mehr. Ihre Zeit war vorüber. Er schob diese Gedanken von die sich und wollte sich umziehen, als er Hufgeklapper hörte. Aus dem Fenster schauend, erkannte er seinen Bruder Pierre. Wo war er nur so spät noch gewesen? Na ja, er ritt öfter bei Sonnenuntergang über die Wiesen des Anwesens. Er liebte seine Familie, auch wenn sie nicht seine leibliche Familie war. Seine Eltern kamen ums Leben, als René fünf Jahre alt wurde. So nahmen ihn sein Onkel und seine Tante bei sich auf. Ihr zwei Jahre älterer Sohn Pierre ist ihm sein bester Freund und wie ein Bruder. Und wird er auch immer sein, sagte sich René. Was hatten sie nicht alles zusammen erlebt. Viel Blödsinn hatten sie verzapft. Versucht auf Kühen und Schweinen zu reiten, bis sie es dann doch bei Pferden belassen haben. Im Dunkeln heimlich Verstecken gespielt und erst später gemerkt, dass das vermeintlich tolle Versteck irgendwie von Ameisen bevölkert wurde. Oder einmal hatte sich Pierre auf den Sattel seines Pferdes gestellt und sich auf einen Ast geschwungen. Oben angekommen war der Abstand zum Boden dann doch höher als angenommen. Das war ein Akt, ihn wieder runter zu holen… Auf einmal hörte René den Tumult. Sofort auf den Beinen rannte er nach unten. Was er sah, beunruhigte ihn. Pierre diskutierte mit einem uniformierten Gardisten des Kardinals. Sein Onkel war nicht zu sehen und seine Tante flüchtete mit den Hausmädchen in die obere Etage. Das sah nach Ärger aus. Er stellte sich zu seinem Bruder. „Was ist denn los?“ „Sie wollen unbedingt wissen, wo Fabienne und ihre Eltern sind. Dringende Nachrichten. Angeblich wären sie auf ihrem Gestüt gewesen, hätten aber niemanden vorgefunden.“ Pierre war genauso nervös wie René. „Jetzt denken die Soldaten, die Familie de Jarjaye wäre bei uns. Schließlich ist die Hochzeit und bevorstehende Zusammenführung der beiden Familien kein Geheimnis mehr.“ René schüttelte den Kopf. „Sie haben ihren Hof allein gelassen? Die Pferde? Das glaube ich nicht. Nicht freiwillig.“ Sie schauten sich an. „Ich reite sofort hin.“ René lief zum Stall. Ohne Sattel, nur mit Halfter ritt er davon. Auf dem Gestüt seiner Verlobten angekommen, erschrak er. Es war zu ruhig. Kein Diener, keine Personen waren zu sehen. Nun, es war Nacht und die Bewohner könnten schlafen. Es waren jedoch nicht einmal die Hunde zu sehen. Und die begrüßten sonst jeden Besucher mit freudigem Gebelle. René merkte, wie er anfing zu zittern, als er in das Herrenhaus eintrat. Alles war still … „Totenstille“ dachte er unwillkürlich. Seine rechte Hand legte sich um den Griff seines Degens. In der Linken umklammerte er den Dolch. Langsam schlich er weiter, immer in Angst ein Geräusch zu verursachen und sich zu verraten. „Wem soll ich mich denn verraten?“ fragte er sich. „Es ist doch niemand hier.“ Aber er fühlte, dass er Unrecht hatte. Plötzlich stieß er gegen einen Widerstand. Was er sah, ließ ihn zurück taumeln. Vor ihm lag der geliebte Hund Fabiennes. Sein schwarzes Fell war Blutüberströmt. An seiner Kehle klaffte eine große Wunde, wie von einem Degenstreich. Die Augen des treuen Tieres waren weit aufgerissen. René schluckte. Dieser einst so verspielte Hund hatte wohl versucht seine Herren zu verteidigen… „Mein Gott, was ist hier nur vorgegangen?“ Er tastete sich vorwärts. Hier unten war niemand… Da! War das nicht ein wimmern? Er folgte dem Geräusch und fand eines der Hausmädchen hinter einer Truhe versteckt. Als diese ihn sah, schluchzte sie auf und stolperte in seine Arme. „Oh Chavalier d’Herblay! Ich bin so froh euch zu sehen… Sie sind einfach über uns hergefallen... Madame de Jarjaye hat sich mit uns in den oberen Etagen versteckt, doch sie haben uns gefunden… Madame de Jarjaye rief uns zu, wir sollen wegrennen. Wir haben es versucht, wir hatten solche Angst…aber sie haben auf uns geschossen… Zwei sind entkommen, die Anderen haben sie erschossen. Ich hatte mich hier verschanzt.“ Sie zitterte am ganzen Körper, als sie die grausamen Momente noch einmal durchlebte. „Wir waren mit Essen fertig, als die Garde des Kardinals hereinstürmte. Als sie Graf de de Jarjaye entdeckten nahmen sie ihn mit. Ich weiß nicht, was sie mit ihm vorhaben.“ Nun weinte das Mädchen hemmungslos. René nahm sie behutsam in die Arme. Nach einer Weile fragte er: „Wo sind Fabienne und ihre Mutter?“ angespannt wartete er auf die Antwort. „Sie sind nicht mit runter gekommen.“ Ängstlich starrte sie die Treppe hinauf. Wohl wissend was diese Antwort bedeutete. „Es tut mir so Leid…“ Aber das hörte René schon nicht mehr, als er die Treppe nach oben zu den Schlafgemächern stürmte. Vor der Tür seiner Verlobten blieb er stehen. Zögernd streckte er die Hand aus. Entschlossen stieß er sie auf und… Das Zimmer war leer. In einem ersten Anflug von Erleichterung seufzte René auf. Langsam ging er weiter und stoppte vor dem Gemach seiner zukünftigen Schwiegermutter. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, jedoch nicht ein solches Blutbad. Madame de Jarjaye wurde regelrecht hingerichtet. Sie war mit unzähligen Messerstichen übersät. Seine Augen suchten Fabienne. Sie lag in ihrem Bett und schien zu schlafen. Ihr Gesicht war unversehrt, die Decke lag bis zur Brust gezogen. Freudig eilte er zu ihr und schloss sie in seine Arme, als ihm auffiel, wie blas seine Liebste war. Besorgt zog er sie näher zu sich, wodurch die Decke verrutschte. Ihm stockte der Atem. Die Kugel hatte wohl ihr Herz getroffen. Eine einzige wohlplazierte Kugel. Er drückte sie schluchzend an sich und merkte, dass sie noch atmete. „René…“ es war nur noch ein Flüstern. „Schweig bitte. Ich bringe dich zu einem Arzt. Du schaffst das…“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Männer des Kardinals, sie haben meine Familie getötet…“ Sie hustete. René wollte das nicht hören. „Wir…“ „Ich werde dich immer lieben. Wir werden uns in einer anderen Welt wieder sehen. Ich weiß es. Ich werde auf dich warten. Bitte, ich flehe dich an, kämpfe für das Recht und finde die Übeltäter. Bitte folge mir nicht nach, denn sonst sehen wir uns nie wieder…“René wusste, dass sie Angst hatte, er würde sich selbst umbringen und dafür in die Hölle müssen. „Er küsste sie, Tränen rannen seine Wangen hinab. „Ich verspreche dir, alles was ich tue, geschieht für dich. Ich liebe dich.“ Hier saß er nun, dabei, das Liebste, was er hatte für immer zu verlieren. „Bitte geh nicht von mir. Verlass mich nicht. Ich brauche dich doch…“ Er blieb noch lange. Er hielt ihre Hand, als ihr Atem schwächer wurde. Als ihre Atemzüge noch seltener wurden, flüsterte er: „Ich liebe dich.“ Er küsste ihren Mund. Er hielt sie immer noch in den Armen, als ihr Atem still wurde und ihr Herz aufhörte zu schlagen. Er hatte nur noch einen Gedanken. Rache Kapitel 2: René d'Herblay wird Musketier ---------------------------------------- Während er über die Wiesen galoppierte, musste er immer an die Bestürzung seiner Tante denken, als er ihnen seinen Entschluss mitteilte. „Musketier zu werden, ist aller Ehren wert.“ Lobte ihn sein Onkel. „Wir hatten doch eher auf eine kirchliche Laufbahn gehofft, aber…“ Madame d’Herblay seufzte. „Du lässt dich ja doch nicht von deinem Plan abbringen.“ meinte Pierre. René schüttelte den Kopf. „Mein Entschluss steht fest. Es war ihr letzter Wunsch.“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Langsam wunderte es ihn, dass er überhaupt noch welche hatte. Monsieur d’Herblay umarmte seinen geliebten Sohn. „Nun denn, folge deiner Bestimmung. Gott wird dich leiten.“ So hatte er seine bequemste aber doch edle Kleidung angelegt und Fenena gesattelt. Er kümmerte sich stets selbst um sie. Kein Stallbursche durfte seine wertvolle Stute anfassen. Bevor er in die Stadt hineinritt, sammelte er noch einmal seine Gedanken. Den Brief seines Onkels an Monsier Treville, welcher ein angeheirateter Verwandter war, steckte sicher in seiner Tasche. Fenena stand abgesattelt am Bach und schlürfte das frische Wasser, während René etwas Abseits an einen Baum lehnte. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als zwei Männer vor ihm standen, die wie aus dem Nichts gekommen zu sein schienen. „Was macht ein so hübscher Jüngling hier ganz allein vor Paris?“ René musterte seinen Gegenüber, welcher von kräftiger Gestalt war. „Er hat vor dem Corps der Musketiere beizutreten.“ Die Männer grinsten. „Kann denn eine solch zarte Gestalt überhaupt kämpfen?“ „Kann er…“ René wollte auffahren. „Schon gut.“ Beschwichtigte der Andere. Jener war edler Abstammung und offenbar gewohnt in korrekter Haltung vor Männern zu stehen. Seine dunklen Haare fielen glatt auf die Schultern. „Das Pferd, was wollt ihr dafür haben.“ Unwillkürlich sprach er René als Person der Oberschicht an. Der Erste blinzelte verwundert zu seinem Kameraden. Dieser war verwundert über sich selbst, war aber ob der Anmut und Eleganz des jungen Burschen überzeugt, einen Adligen vor sich zu haben. „Das Pferd ist nicht zu verkaufen. Solch einen Preis könntet ihr nicht mal in euren kühnsten Träumen aufbringen.“ René schaute die beiden Männer wütend an. „Lasst mich durch, ich muss weiter.“ Er ging zu seiner Stute, sattelte sie und wollte aufsteigen. „Ihr wisst, dass ihr andernorts jetzt entweder Tod wäret, oder in einem Duell euer Leben verteidigen müsstet.“ René schaute dem edlen Mann genau in die Augen. „Ja.“ sprach, stieg auf und war verschwunden. Der Kräftige gluckste: „Hast du so was schon gesehen? Von dem Knaben kann man wohl kaum sagen, er hätte keinen Mut! “ Der Größere starrte fasziniert hinter unserem jungen Freund her. „Diese Augen…Wer war das?“ Sein älterer Kamerad fuhr sich durch seine spärliche Haarpracht. „Solch eine Erscheinung ist mir bisher in Paris noch nicht über den Weg gelaufen.“ Der Jüngere Mann strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich glaube, wir werden uns wieder sehen. Nein, ich bin mir sicher.“ René d’Herblay war inzwischen in Paris angekommen und ritt durch die Gassen. Neugierig betrachtete er seine Umgebung. „Hier werde ich also in den nächsten Jahren leben.“ Murmelte er vor sich hin. Auch er wurde von den Menschen in Paris begutachtet. Es war nicht alltäglich ein solch schönes Paar durch die Straßen reiten zu sehen. Bewundernd blieben die Leute stehen. Die Einen wegen des herrlichen Tieres, die Damen mehr von der Anmut seines Reiters angezogen. René ritt mit Bedacht und langsam und lächelte ab und an herunter, was ihm die Sympathie der Menschen einbrachte. Zu oft erlebten sie Adlige, die auf ihren Pferden, oder in ihren Kutschen die Straßen daher gerast kamen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Manchmal blieb ihnen nur der rettende Sprung an den Rand, weil es die Adligen nicht scherte, wer oder was im Weg war. Schließlich kam er zu dem Hauptquartier der Musketiere. Nachdem er Fenena abgesattelt und dafür gesorgt hatte, dass sie frisches Wasser bekam, nahm er seinen Brief und machte sich auf, Monsieur Treville zu suchen. Unterwegs kamen ihm Musketiere entgegen, manche hatten es eilig, andere schlenderten durch die Flure. Doch trotz ihrer Beschäftigkeit wurden sie auf die Person aufmerksam, welche suchend durch die Gänge irrte. Schließlich fand er das Zimmer des Hauptmanns. Nachdem er angeklopft hatte und von drinnen ein kräftiges „Ja bitte“ ertönte, trat er ein. Monsieur Treville sog leise die Luft ein, als er erkannte, wer den Raum betrat. `Nun hat es also begonnen.’ „Tretet ein.“ begrüßte er seinen Besucher laut. „Was führt euch zu mir?“ „Guten Tag, Monsieur. Mein Name ist Chevalier René d’Herblay. Mein Anliegen ist es Musketier des Königs zu werden. Mit diesem Empfehlungsschreiben meines Onkels, Monsieur Richard d’Herblay machte ich mich auf den Weg, um mich vorzustellen.“ Noch immer in den Anblick des jungen Mannes vertieft nahm der Hauptmann den versiegelten Brief entgegen. Nachdem er gelesen hatte, forderte er René auf ihm zu folgen. Auf dem Übungsplatz der Musketiere zog er seinen Degen. „Nun, dann zeig mir mal, ob du würdig bist in den Corps der Musketiere aufgenommen zu werden.“ Schnell hatten sich neugierige Musketiere um die beiden versammelt Es war immer interessant einen Bewerber beim ersten Duell zu bewerten. „Unser Hauptmann kämpft persönlich gegen den Neuen.“ „Woher weißt du, dass er angenommen ist?“ fragte ein Blonder. „Monsieur Treville kämpft nur gegen Gegner, von denen er sich sicher ist, dass sie bestehen.“ Antwortete der Gefragte. Es ging los. Anfänglich noch zögernd, sich bewusst seiend, wem er gegenüber stand, wurden Renés Paraden immer sicherer. Immer wieder brachte er den Hauptmann durch geniale Attacken ins Schleudern. Trotz allem focht er mit einer Eleganz und Besonnenheit, die die Umstehenden ein ums andere Mal anerkennend nicken ließ. Natürlich konnte René nicht wissen, dass auch unsere beiden Kameraden von vorhin staunend zuschauten. „Er setzt unserem Hauptmann ja ganz schön zu.“ Grinste der Kräftige. Sein Freund pflichtete ihm überrascht bei. „Ich hätte nicht gedacht, dass er so hervorragend Fechten kann.“ Nun erreichte der Kampf seinen Höhepunkt. Monsieur Treville griff René in einer irren Geschwindigkeit an, so dass dieser sich nur durch eine Drehung zur Seite retten konnte. Gleichzeitig kniete er sich mit einem Knie auf die Erde, was ihn scheinbar verwundbar machte. Der Hauptmann drehte sich blitzschnell um und wollte René von hinten angreifen. Doch dieser, immer noch kniend, richtete seinen Oberkörper auf und drehte seine rechte Hand so nach innen, das er seinen Degen unter seiner rechten Achsel hindurch schieben konnte. Dann streckte er den Arm nach hinten, womit plötzlich eine tödliche Spitze in die Luft ragte. Die Musketiere hielten den Atem an. Damit hatte keiner gerechnet. Auch sein Gegner nicht. Er versuchte noch zu stoppen, hatte aber keine Chance mehr… als es auf einmal klirrte. Alle guckten gebannt zu den Beiden Kämpfenden. René hatte seinen Degen fallen lassen, als er merkte, dass Monsier Treville keine Möglichkeit mehr hatte auszuweichen. Er rollte sich zur Seite, um den Hauptmann den Weg frei zu machen. Es war Totenstille. „Alle Achtung junger Mann. In einem richtigen Duell hättet ihr euren Gegner in die Degenspitze laufen lassen. Er hätte keine Chance gehabt zu reagieren. Ihr habt mich besiegt.“ Begeistert applaudierten die Umstehenden. Auch unsere beiden Freunde waren sprachlos. „Monsieur Treville ist einer der besten Fechtmeister im Land. Wo hat dieser Jüngling nur Fechten gelernt?“ Am nächsten Tag wurden die Männer verlesen, welche neu in den Corps der Musketiere aufgenommen wurden. Als Monsieur Monay, er war Stellvertretender Hauptmann, fertig gelesen hatte trat Monsieur Treville vor. „Mir wird heute die Ehre zuteil einen jungen Mann in den Corps der Musketiere aufzunehmen, welcher es als erster Bewerber geschafft hat mich zu besiegen.“ Ein Raunen ging durch die Menge. „Sein Name ist Chevalier René d’Herblay. Er ist ein genialer Fechtkünstler. Es ist uns eine Ehre, ihn einen Musketier nennen zu dürfen.“ Er ging zu seinem neuen Schützling, holte ihn auf das Podest und reichte ihm die Hand. „Ab jetzt werdet ihr alles was ihr tut, im Namen des Königs ausführen. Ihr seid nun ein Musketier und werdet von diesem Tag an den Namen Aramis tragen.“ Da stand er nun. Strahlend schön, seinem Ziel von Vergeltung einen großen Schritt näher. Überglücklich wandte er sich dem Hauptmann zu. „Vielen Dank. Es ist mir eine Ehre unter Euch dienen zu dürfen.“ Treville nickte. „Seid jedoch wachsam. Es gibt viele Menschen, die auf euch neidisch sein werden. Seid immer auf der Hut vor dem Bösen.“ flüsterte er Aramis ins Ohr. Laut rief er: „Athos, Portos, meine besten Männer, nehmt euch des jungen Musketiers an. Er wird eure Hilfe sicher brauchen.“ Man kann sich vorstellen, wie überrascht unser René war, als er die beiden Herannahenden erkannte. Der edle Mann verbeugte sich. „Mein Name ist Athos. Und das ist Portos.“ Er deutete auf seinen kräftigen Freund. „So ist es unser Schicksal, dass wir uns noch mal begegnen.“ Kapitel 3: Unsere Helden werden komplett ---------------------------------------- Athos, Portos und unser neuer Musketier Aramis schlenderten durch die Gassen von Paris auf der Suche nach einem Zimmer. „Seht mal, hier kann man auf die Seine gucken. Vielleicht finden wir hier ein Zimmer.“ Aramis schaute sich um. „Kommt.“ Schon war er in der nächsten Kneipe verschwunden. „Was, hat er jetzt etwa Hunger?“ Athos klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Nicht immer von dir auf Andere schließen.“ Sie beeilten sich Aramis zu folgen. Der Wirt erkannte Athos und Portos und begrüßte die drei herzlich. „Unser Freund sucht eine Bleibe.“ Athos deutete auf Aramis. „Könnt ihr uns jemanden empfehlen?“ Der Angesprochene musterte unseren Musketier. „Mein Name ist René d’Herblay. Ich bin ein ehrbarer Mann.“ Er wurde langsam ungeduldig. Der Wirt überlegte. Einerseits glaubte er in unserem Freund aufgrund seines hübschen Äußeren einem Weiberhelden gegenüber zu stehen, andererseits schätzte er Athos sehr und konnte sich nicht vorstellen, dass Athos so jemanden als Freund bezeichnen würde. Außerdem schien er nicht arm zu sein. „Ich glaube Monsieur Gironde hat noch Zimmer frei. Aber ich glaube nicht, dass er sehr mit wechselnden Frauenbesuch einverstanden wäre.“ Er versuchte eine Regung in Aramis Blick zu erkennen. „Danke, wie finde ich das Haus?“ Nachdem sie den Weg wussten, verließen sie das Gasthaus. „Was glaubt er eigentlich, wen er vor sich hatte? Wechselnde Frauen…?“ Aramis Augen blitzten Athos an, welcher überrascht von Aramis Ausbruch stehen blieb. „Er meinte es nicht so. Er hat nur deine Erscheinung gesehen und für ihn logische Schlussfolgerungen getroffen.“ „Dann ist er ein dummer Mensch.“ Ereiferte sich Aramis. „Jemanden nur nach seinem Äußeren zu urteilen.“ Portos mischte sich ein. „Du kannst dich sicher nicht beklagen, was das weibliche Geschlecht angeht. Wie viele Frauen hattest du schon. 10? 20?“ Er grinste Aramis an. „Eine.“ Antwortete dieser leise. Betroffen sahen sich Athos und Portos an. Jetzt waren sie wohl zu weit gegangen. Schnell liefen sie hinter ihm her. „Es tut mir leid.“ Schnaufte Portos. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Aramis blickte ihn mit einem wehmütigen Ausdruck in den Augen an. „Schon gut.“ Er deutete auf ein schönes großes Haus. „Hier muss es sein.“ Athos klopfte. Ein stattlicher Herr, älteren Jahrgangs öffnete die Tür. „Sie wünschen?“ „Bonjour, Monsieur Gironde. Der Wirt des Gasthauses „La bone Chantal“ Monsieur Limaine sagte uns, dass ihr noch ein Zimmer frei hättet. Mein Freund hier sucht nämlich eines.“ Wieder wurde Aramis gemustert. Diesmal schien sein Betrachter allerdings angetan. „So kommt doch herein meine Herren.“ Durch eine eindrucksvolle Halle ging es in einen kleinen Wohnbereich. „Setzt euch Monsieur Athos.“ Aramis fiel verwundert auf, dass sich Athos gar nicht vorgestellt hatte. Und trotzdem wusste dieser Mann dessen Name. Später darauf angesprochen meinte Athos: „Es ist manchmal von Vorteil einer der besten Musketiere des Königs zu sein. Da genießt man durchaus gewisse Privilegien“ Zurück zu unseren Freunden. „Ihr sucht also ein Zimmer… Monsieur…“ „Aramis“ antwortete dieser. „Hm. Ich hätte da eins. Aber ob ihr es bezahlen könnt…?“ „Ich bin ein d’Herblay. Ich denke über den Preis kann man einig werden.“ „Nun gut, sagen wir 20 Taler im Monat. Und keine Frauenbesuche.“ Aramis verdrehte die Augen. Bevor er jedoch antworten konnte, runzelte Athos die Stirn. „Das ist nun wahrlich etwas viel. 15 Taler im Monat wären angemessen.“ „20 Taler und keinen weniger.“ Aramis legte dem Herrn einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch. „17 Taler und einen Monat im Voraus.“ Athos warf ihm einen überraschten Blick zu. Auch Monsieur Gironde blinzelte auf den vor ihm liegenden Beutel. „Ihr versteht es Geschäfte zu Ende zu bringen.“ Meinte er. „Kommt ich zeige euch euer Zimmer, Monsieur Aramis.“ Triumphierend grinste dieser seine beiden Kameraden an und folgte seinem neuen Hausherren. Als sie das Zimmer betraten, waren alle drei sehr erfreut. Es war sehr groß und hell. Vor allem hatte man einen wunderschönen Blick auf die Seine. Es gab sogar ein angrenzendes, mit einer Tür verbundenes Badezimmer. „Das gefällt mir sehr gut. Für wie lange kann ich hier wohnen bleiben?“ fragte Aramis. „Solange ihr wollt.“ Und so sollte Aramis seinen Ersatzvater gefunden haben. Es waren einige Wochen ins Land gegangen. Aramis lebte sich sehr gut ein und hatte innige Freundschaft mit Athos geschlossen. Eines Abends saß er am Fenster, betrachtete die Seine und hing seinen Gedanken nach, als es klopfte. „Aramis? Athos ist gekommen.“ Verwundert drehte er sich um. Mit so spätem Besuch hatte er nicht mehr gerechnet. Nachdem die beiden Freunde sich umarmt und begrüßt hatten, bot Aramis Athos einen Platz an und setzte sich wieder ans Fenster. „Was ist los mit dir?“ Athos musterte seinen Freund besorgt. In den letzten Tagen war Aramis noch stiller als sonst. Dieser reagierte nicht. „Aramis…“ Athos legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich vermisse meinen Onkel, meine Tante, meine Heimat. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir doch so schwer fallen würde, sie zu vergessen.“ Aramis sah Athos an. Der musste sich regelrecht dazu zwingen, seinen Blick von Aramis Augen loszusagen. Noch nie hatte ihn ein Mensch so fasziniert wie dieser neue Musketier. „Du sollst deine Familie nicht vergessen. Sie werden immer einen Platz in deinem Herzen haben. Aber dies hier ist dein neues Leben. Behalte das Vergangene in guter Erinnerung, aber lasse sie los. Wenn du dem König ein guter Musketier sein willst, darfst du dich nicht von alten Gefühlen überwältigen lassen. Sonst wirst du verletzlich. Sehe mit festen Mut und Glauben deinen neuen Aufgaben entgegen. Und du wirst bestehen“ Athos setzte sich wieder. „Danke“ Aramis wusste, dass sein Freund Recht hatte. Aber er konnte sie einfach nicht loslassen… Nicht Fabienne… „Warum bist du eigentlich Musketier geworden?“ Aramis stockte. Da war sie. Die Frage, vor der er die ganze Zeit Angst hatte. Angst dass sie ihm gestellt wurde und er noch einmal alles durchleben müsse. Athos spürte, dass er einen schlimmen Punkt in der Vergangenheit seines jungen Kameraden getroffen haben musste. „Du musst es mir nicht erzählen.“ Aramis schnappte nach Luft. Nachdem er tief durchgeatmet hatte sagte er: „Eines Tages werde ich bereit sein dir zu erzählen, warum ich nach Paris aufgebrochen bin.“ Er wusste, dass er es jetzt noch nicht war. Einige Wochen später ritt ein junger Gascogner auf einem derart komischen Klepper durch Paris, dass sich die Menschen über das Paar amüsierten. Jenes Pferd war ein Falbe, 13 Jahre alt und mit 15 Taler das Einzige, was des Reiters Vater diesem auf seinen Weg mitgeben konnte. Der Reiter war ein sehr junger Mann von ca. 18 Jahren mit langen dunklen Haaren, welcher (wie damals unser junger hübscher Freund d’Herblay) auf dem weg zu Monsieur Treville war. Auch er hatte ein Schreiben seines Vaters einstecken. Nachdem er sein Pferd nahe des Hauptquartiers der Musketiere untergestellt hatte, machte er sich zu Fuß auf den Weg, Paris zu erkunden. Schließlich kam er auf einen Markt. Nach einer Weile bemerkte er die Unruhe vor ihm. Neugierig ging er näher. Er sah einen kleinen Jungen, der einen Laib Brot in den Händen hielt und weinte. Ein Adliger hielt ihn am Arm. „Du wolltest das Brot stehlen. Dafür musst du bestraft werden. Eine Tracht Prügel wäre angebracht.“ „Ich wollte es für meine Mutter und meine Geschwister. Wir hatten seid Tagen kein Brot mehr.“ Schluchzte der Knabe, inzwischen von dem Mann losgelassen. Das schien dem Adligen egal zu sein. Er hob die Reitpeitsche und wollte auf den Jungen einschlagen, als die Menge plötzlich zurückwich. Auch unser Gascogner hielt den Atem an, als er den jungen Mann wahrnahm. Dieser stellte sich zwischen den Jungen und den rasenden Adligen. „Nehmt sofort die Peitsche runter, Comte de Lorge.“ Trotz der angespannten Haltung strahlte seine Stimme eine unglaubliche Ruhe und Sanftheit aus. Automatisch ließ der Angesprochene die Hand sinken. „Chevalier d’Herblay. Ihr in Paris?“Sie schienen sich zu kennen. Der Comte wandte sich wieder dem Jungen zu, der sich zitternd hinter seinem Retter versteckte. „Diese Bauerntölpel müssen bestraft werden.“ Dennoch blieb er an seinem Platz stehen, als er dem entschlossenen Blick seines Gegenübers begegnete. „Bevor ihr ein wehrloses kleines Kind schlagt, müsst ihr es mit mir aufnehmen.“ Der Hinzugetretene zog seinen Degen. Eben noch aufgebracht, wurde der Comte nun bleich. „Ihr stellt euch auf die Seite des einfachen Volkes und gegen Euresgleichen?“ Anmutig schüttelte sein Gegner den Kopf. „Ich stelle mich auf die Seite der Gerechtigkeit. Und es ist Unrecht einen wehrlosen Menschen zu schlagen. Ganz gleich, welchem Stand er angehört.“ „Ihr wisst, dass in Paris Duelle verboten sind.“ „Ich gehe auch nicht davon aus, dass ihr eines anstrebt.“ Unser Gascogner konnte den Blick nicht von dieser Szenerie lassen. Wie alt mochte dieser junge Chevalier sein, dass er sich so wagemutig einem offensichtlich Erfahrenen und wütenden Comte entgegen stellte. Von seiner Gestalt wirkte er eher zerbrechlich, als dass er ein guter Fechter wäre. Seine Ausstrahlung jedoch wirkte auf den Gascogner fast überirdisch. Sein Gegner hatte schlicht und einfach vergessen, dass er eigentlich Kämpfen wollte. So drehte er sich wütend um und ritt davon. Der kleine Junge klammerte sich noch immer an seinen Schutzengel. Dieser hockte sich vor den Jungen und gab ihm ein Geldstück. „Jetzt kannst du das Brot bezahlen. Aber sei auf der Hut. Stehle nie wieder etwas. Nicht immer hast du Glück und kommst ungeschoren davon.“ Der Kleine nickte. „Vielen Dank, Monsieur, ich werde euch auf ewig zu Dank verpflichtet sein.“ „Verdammt, er wird immer beliebter. Das wird Kardinal Richelieu nicht gefallen.“ Zwei Gardisten des Kardinals schlichen sich ebenfalls vom Markt. Und auch unser junger Gascogner verließ den Marktplatz. Noch ganz benommen von dem eben Gesehenen wurde ihm eins bewusst. Diesen jungen Chevalier würde er wahrscheinlich nie wieder vergessen. Inzwischen war der Gascogner im Hauptquartier der Musketiere gewesen und hatte sich bei Monsieur de Treville vorgestellt. Nach dem Probeduell mit einem Musketier, welches der Bewerber mehr durch Wahnsinn denn durch Verstand gewann, hieß es Warten. Jetzt war es an ihm sich durch weitere Taten als würdiger Musketier zu erweisen. Am gleichen Abend spazierte unser Gascogner durch das nächtliche Paris, um von der Kneipe in sein Zimmer zu gelangen, als er von irgendwoher Stimmen vernahm. Nicht darauf achtend lief er weiter, als er Gesprächsfetzen aufschnappte. „Der Kardinal hat es befohlen. Willst du dich gegen einen Befehl des Kardinals stellen?“ „Nein, aber ich möchte auch nicht gegen den besten Mann der Musketiere kämpfen und mein Leben hinwerfen.“ „Du sollst auch nicht kämpfen. Wir greifen ihn aus dem Hinterhalt an und betäuben ihn mit dem Mittel, das wir vom Kardinal bekommen haben.“ zischte der Erste. „Du denkst doch nicht, dass das so einfach wäre. Er weiß sich zu wehren.“ Jammerte der Andere. „Mann, reiß dich zusammen. Wenn wir ihn im Dunkeln vor seiner Wohnung auflauern und ihn sofort angreifen, hat er keine große Chance sich zu wehren. Und jetzt geh nach Hause. Wir treffen uns morgen um die Zeit vor Aramis Wohnung.“ Die Zwielichten Gestalten entfernten sich. Unser unfreiwilliger Zuhörer war noch erstarrt vor Schreck. Hatte er doch eine geplante Entführung mit angehört, konnte sie aber nicht verhindern, da er nicht wusste, um wen es sich handelte. In seinem Zimmer angekommen ging er noch mal das mitgehörte durch. „Kardinal Richelieu… betäuben… Musketier… genau! Sein Name war Aramis.“ Er sprang auf. „Das ist es. Ich gehe morgen zu den Musketieren aufs Übungsgelände und versuche herauszufinden, wer dieser Aramis ist.“ Vor Aufregung konnte er die Nacht kaum schlafen. Inständigst hoffte er, diese Entführung vereiteln zu können. Am nächsten Morgen war er früh auf den Beinen und begab sich zum Hauptquartier der Musketiere. Er stürmte zu dem Zimmer von Monsieur Treville und trommelte gegen die Tür. Mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen. „Wer macht denn hier so …ach! Monsieur D’Artagnan. Was…“ „Gibt es hier bei den Musketieren einen Aramis?“ Verwundert stutzte der Hauptmann. „Aber ja, den gibt es. Was…?“ „Danke!“ Schon stürmte unser Gascogner den Flur entlang und die Treppe hinunter. In seiner Eile polterte er ziemlich unsanft mit einem Musketier zusammen, der einen nicht sehr gnädigen Fluch ausstieß. „Entschuldigung, ich bin in Eile.“ „Dann solltet ihr eure Augen dorthin richten, wohin ihr zu Laufen gedenkt und nicht auf den Boden.“ D’Artagnan stammelte etwas vor sich hin. „Wohin denn so eilig?“ Der Kräftige Mann, den wir bereits als Portos kennen lernten, stellte sich ihm in den Weg. „Eine Entführung verhindern.“ Weg war er. Verwundert blickten Portos und der hinzugekommene Athos hinter der davon eilenden Gestalt her. „Was war das?“ Athos guckte Portos belustigt an. „Keine Ahnung. Er will eine Entführung verhindern.“ Er kratzte sich am Kopf. „Wahrscheinlich die seiner Liebsten von deren eifersüchtigen Ehemann.“ Lachend lehnten sie sich aus dem Fenster und sahen den Grund ihrer Belustigung davon rennen. Am Tor des Hauptquartiers blieb D’Artagnan stehen und überlegte, wieso er eigentlich weggerannt war, obwohl er mittlerweile ein halbes Dutzend Musketiere hätte fragen können, wer Aramis ist. Mittlerweile war Aramis zu den beiden noch flachsenden Freunden gestoßen. Als sie ihn sahen, wurden sie allerdings sofort todernst. Aramis hielt sich die linke Schulter. Durch seine Finger sickerte Blut und er wankte bedenklich. „Mein Gott, was ist passiert?“ Athos stützte seinen in die Knie sackenden Freund . „Da waren zwei Männer… Sie gehörten zur Garde des Kardinals.“ Inzwischen kam auch Treville herbei, der von Portos geholt wurde. „Einer griff ohne Grund an. Als ich mich verteidigte, kam der Andere von hinten.“ Aramis lehnte sich erschöpft an die Wand. „Ruft einen Arzt.“ Treville schickte einen vorbei kommenden Musketier. „Er verliert zu viel Blut.“ Aramis wurde schwindlig. „Irgendwie passte ich nicht auf und der Erste stieß mir seinen Degen in die Schulter. Allerdings konnte ich den Anderen töten. Der, der mich verwundete ist entkommen.“ Er schaute auf seine blutige Hand. „Die Wunde scheint doch ziemlich tief zu sein.“ Aramis zuckte vor Schmerz zusammen, als Athos sich die Wunde näher anschaute. Seine Freunde begleiteten ihn ins Krankenzimmer. Der Arzt gab Aramis ein schmerzstillendes Mittel, so dass dieser einschlafen konnte und sah besorgt zu Treville. „Was ist an ihm, das die Männer des Kardinals Befehl erhalten ihn auf offener Straße ohne Grund zu töten.“ Die Drei erwiderten seinen Blick erschrocken. „Wenn sie es gekonnt hätten, hätten des Kardinals Gardisten Aramis getötet.“ Der Arzt sah Treville in die Augen. „Ihr wisst es genauso gut wie ich.“ Betroffenes Schweigen. Athos betrachtete seinen verletzten Freund. So wie er da lag, so friedlich. Etwas umgab ihn. Es war, als befände sich eine unsichtbare Aura um Aramis, die ihn beim Kampf behütet hatte und die ihn auch in diesem Moment behütete. Natürlich war es Unsinn. Aber Athos konnte sich dieser Vorstellung nicht entledigen. Inzwischen hatte D’Artagnan (von der ganzen Aufregung im Hauptquartier nichts mitbekommen) herausgefunden, wo die Wohnung dieses Aramis lag. Also legte er sich die ganze Nacht auf die Lauer, immer bereit, der aus der Tür kommenden Person zu Hilfe zu eilen. Er konnte ja nicht wissen, dass dort in den nächsten Stunden niemand herauskam, der seiner eher spärlichen Beschreibung entsprach. Er wusste nur: Ein junger hübscher Bursche sollte er sein, dieser Aramis. Das traf wahrscheinlich auf mehrere Pariser Bewohner zu, dachte D’Artagnan resignierend. Also ging er am nächsten Vormittag nach Hause und holte den fehlenden Schlaf nach. Nach zwei Tagen erhielt er Nachricht von Treville, dieser wolle ihn sprechen. Da unser Freund dachte, es handle sich um die Ernennung zum Musketier, hatte er es unheimlich eilig ins Hauptquartier zu kommen. Doch Treville hatte eine ganz andere Sache auf dem Herzen. In dem Zimmer des Hauptmanns befanden sich noch zwei weitere Männer. „D’Artagnan. Schön, dass ihr so schnell hier sein konntet. Es gibt ein Problem.“ D’Artagnan strich sich eine dunkle Strähne aus seinem kantigen Gesicht. „Ihre Majestät der König hat morgen Mittag eine Kundgebung auf dem Marktplatz anberaumt. Normalerweise schicke ich nur meine besten Männer zu solch Personenbezogenen Aufträgen. Leider ist mein bester Musketier noch nicht voll einsatzfähig. Er wird aber aufgrund seiner Gabe der Vermittlung präsent sein. Daher brauche ich einen zusätzlichen, noch nicht eingesetzten Mann. Die anderen Musketiere sichern den Marktplatz und Paris. Daher blieb mir nur die Wahl der Neubewerber. Eure Fechtkunst überzeugte mich, dass ihr am besten ausgebildet seid von den neuen Anwärtern. Daher werdet ihr mit Athos, Portos und Aramis des Königs persönliche Leibwache bilden.“ D’Artagnans Puls raste. Aramis. Endlich lernte er die Person kennen, die er beschützen wollte. „Athos, Portos.“ Peinlich berührt erkannte unser Jüngling Portos, als den von ihm angerempelten Musketier. „Wir werden ihn im Auge behalten.“ Grinste dieser und schlug ihn auf die Schulter. Athos begriff. „Aha, das ist also der ungestüme Raser in den Hallen des Hauptquartiers. Soso.“ Er salutierte vor seinem Kapitän. „Wir werden unsere beiden Sorgenkinder im Auge behalten.“ Versicherte er. „Wir treffen uns punkt zwölf auf dem Marktplatz.“ Irritiert schielte D’Artagnan zu dem ihm noch unbekanntem Musketier. Aramis? Ein Sorgenkind? Es wurde alles immer mysteriöser, anstatt Antworten bekam er nur neue Fragen. Aber seine Vorfreude auf den so allseits beliebten wie hervorragenden Musketier stieg mit jeder Minute. Athos und Portos warteten schon, als D’Artagnan zu dem vereinbarten Treffpunkt kam. „Wir werden uns folgendermaßen aufteilen, Aramis steht vorne links am Rand auf dem Podest. Ich stehe mittig rechts und ihr zwei direkt vor dem Podest.“ Athos schaute sich um. „Wo bleibt er denn?“ Portos wandte sich an D’Artagnan. „Aramis ist ein Diplomat. Er sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Daher kommt er oft zu spät, weil er aufgehalten wurde. Er hasst Ungerechtigkeit. Egal, ob von einem Bauern begangen, oder von einem Adligen.“ Sofort kam unserem Gascogner der Chevalier mit dem kleinen Jungen in den Sinn. Athos Aufmerksamkeit richtete sich an D’Artagnan vorbei. „Ah, Aramis.“ Athos war sichtlich erleichtert. „Darf ich vorstellen? Das ist ein Neubewerber Namens D’Artagnan und dies Aramis.“ D’Artagnan drehte sich herum und hätte fast einen Herzstillstand erlitten. „Ihr seid Aramis?“ Er konnte es nicht fassen. Wie sehr hatte er gehofft jenen Chevalier wieder zu begegnen. Doch in seinen kühnsten Träumen wäre er nicht auf die Idee gekommen, dass eben jener Chevalier und Aramis ein und dieselbe Person sind. Vor ihm stand wahrhaftig jener hingebungsvolle Beschützer des kleinen Jungen. Er verstand jetzt erst die Reaktion des Comte. Geduldig warteten die drei Freunde, bis D’Artagnan wieder ansprechbar wurde. „Alles wieder in grünen Bereich?“ grinste Portos ihn an. D’Artagnan nickte. „Aramis, was macht deine Schulter?“ Athos und Aramis schienen eine besondere Verbindung zueinander zu haben. „Frag nicht.“ Aramis verzog das Gesicht. „So still kann ich sie gar nicht halten, als das sie nicht Schmerzen bereitete.“ Nach dem ersten Schock, bemerkte unser neuer Freund erst Aramis Verletzung an dessen Schulter. „Woher habt ihr diese Wunde?“ fragte er erschrocken. Die Anderen guckten ihn erstaunt an. „Ich wurde unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Gardisten des Kardinals. Sie planten eine Entführung. Und das Opfer solltet ihr sein.“ Aramis runzelte die Stirn. „In der Tat wurde mir die Wunde bei einem Kampf mit zwei Männern des Kardinals zugefügt. Ich war nur einen Moment unachtsam…Merkwürdig“ „Das kann kein Zufall sein.“ Portos sah nachdenklich aus. „Aber sie wollten euch vor eurer Wohnung abfangen und betäuben. Aber es kam niemand. Ich habe die ganze Nacht Wache gehalten.“ Aramis holte zischend Luft. „Woher…“ „Ich war bei Treville, habe danach Portos umgerannt und irgendwie rausbekommen, wo ihr euer Zimmer habt.“ Athos nickte anerkennend mit dem Kopf. „Gewitzt ist er, unser Gascogner.“ Aramis durchdrang D’Artagnan förmlich mit seinem Blick. „Warum wolltet ihr die Entführung eines euch unbekannten Mannes verhindern?“ Dieser senkte den Kopf. „Ich habe euch auf dem Marktplatz gesehen. Als ihr den kleinen Jungen beschützt habt.“ Er erzählte Athos und Portos die ihnen noch unbekannte Geschichte. „So viel Ehrbarkeit imponierte mir und eure Person selbst faszinierte mich. Als ich dann hörte, dass diese Männer jemanden entführen wollten, musste ich an Euch denken. Ich wollte ebenso handeln. Jeder kleine Schritt gegen das Böse, fügt sich irgendwann zu einem großen Ganzen zusammen.“ Aramis verneigte sich vor D’Atagnan. „Solch Handeln ist aller Ehren wert. Es wäre mir ein Vergnügen euch meinen Freund nennen zu dürfen.“ Athos pflichtete Aramis bei. „Ab jetzt heißt es: vereint im Leben und im Tod.“ D’Artagnan strahlte. „Einer für alle!“ „Alle für einen!“ Kapitel 4: gemeinsame Abenteuer ------------------------------- „Habt ihr schon gehört?“ Portos stürmte an den Tisch von Aramis und Athos. „Kardinal Richelieu wurde vom König zum Prinzipalminister ernannt.“ D’Artagnan hatte sich Nachschub geholt und setzte sich zu seinen Freunden. „Gerade erst hat er ihn wieder in den Staatsrat geholt…“ Er schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Aramis Augen funkelten vor Zorn. „Wie kann man einem solchen Teufel einen solchen Posten zukommen lassen?“ Er schlang sein Essen runter. „Wer weiß was der König dafür von der Kirche bekommt.“ Grummelte Athos. „Eigentlich hat die Kirche es nicht nötig sich Ämter im Staat zu kaufen.“ Aramis’ Sanftmut war dahin. „Die Kirche sollte allein Gott dienen und nicht dem Staat.“ „Das hat sie doch noch nie gemacht.“ Bemerkte Athos. Aramis warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Bevor wir in theologische Streitgespräche ausufern habe ich Befehl euch zu Treville zu schicken.“ Portos schaute Athos und D’Artagnan ernst an. Athos runzelte die Stirn. „Wir haben doch gar nichts ausgefressen. Jedenfalls ich nicht“ D’Artagnan warf Athos einen entrüsteten Blick zu. „Aber ich wohl?“ Sie standen auf und machten sich auf den Weg. Aramis und Portos blieben grinsend bei ihrem Essen. „Merkwürdig, dass wir allein bestellt sind.“ Athos pflichtete seinem Freund bei. „Irgendwie beunruhigt mich das.“ Bei ihrem Hauptmann angekommen, klopften sie an dessen Tür und wurden hereingeholt. „Gut, dass ihr da seid.“ Treville schaute unsere Freunde ernst an.“ Mit Portos habe ich schon gesprochen.“ Er holte tief Luft. „Es geht um Aramis.“ Erschrocken wechselten die Musketiere einen Blick. „Was ist mit ihm?“ „Mein Spitzel in der Garde des Kardinals sagte mir, Kardinal Richelieu hätte seinen Männern befohlen, seiner habhaft zu werden.“ Athos versteifte sich unwillkürlich. „ Lebendig!“ beschwichtigte Treville ihn. „Aber warum?“ fragte D’Artagnan. „Was hat er getan?“ Sein Kapitän seufzte. „Nichts. Das ist ja das Schlimme. Er läuft einfach nur durch die Gegend und das Volk liebt ihn. Mit solchen Menschen hatte der Kardinal schon immer seine Probleme.“ Irgendwie hatte Athos das Gefühl, dass das nicht alles war. Treville stand auf. „Als Aramis damals mein Zimmer betrat, wurde mir klar, dass der Kampf zwischen Richelieu und den letzten Nachkommen der Valinar in seinen Höhepunkt gipfelt.“ Nun verstanden unsere Freunde gar nichts mehr. Treville war jedoch nicht gewillt, mehr Worte darüber zu verlieren. Er hatte schon zuviel gesagt. „Ich möchte euch bitten, Aramis im Auge zu behalten. Achtet auf verdächtige Personen, die ihm zu Nahe kommen, oder auch nur beobachten. Mein Spitzel ist weiterhin bei der Garde des Kardinals im Dienst.“ Auf Athos fragenden Blick antwortete er „Auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen.“ Beunruhigt von dem Gespräch verließen unsere tapferen Musketiere ihren Hauptmann. Die Musketiere des Königs wurden auf den Exerzierplatz bestellt. „Es herrscht Krieg. Die Rebellen machen Paris unsicher. Für die Musketiere gilt absolute Ausgangssperre. Jeder übernachtet hier und hält sich kampfbereit.“ Treville drehte sich rum und verschwand. „Na toll.“ Stöhnte D’Artagnan. „Was? Wir hatten wohl eine Verabredung mit einer bezaubernden jungen Dame gehabt.“ Aramis grinste breit. „Du hast ja solche Probleme nicht.“ Muffelte der Gascogner. „Das stimmt. Meine Verabredungen sind auch nicht verheiratet, so dass sie heimlich stattfinden müssen. Daher habe ich gewisse Handlungsfreiheiten.“ Schmunzelte Aramis. Die Anderen mussten ebenfalls schmunzeln. „Tja, unser Aramis ist gewiefter, als man denkt.“ Witzelte Athos, um sich kurz darauf mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen. Mitten in der Nacht ertönte das Horn. Vor Schreck fiel Portos aus dem Bett, von dessen Krach Athos; D’Artagnan uns Aramis senkrecht im Bett saßen. „Es geht los.“ Mit einer für Portos untypischen Wendigkeit war er aufgesprungen, hatte sich angezogen, seinen Degen geschnappt und rannte los. Die Anderen folgten ihm. „Verteilt euch in den Straßen und greift die Rebellen an. Jedoch nicht in kleineren Gruppen als vier Mann.“ Treville wünschte seinen Musketieren Glück. „Ihr wisst, dass es hier um Leben und Tod geht. Die Rebellen kämpfen ums Überleben und töten jeden, der es wagt sich ihnen in den Weg zu stellen.“ Die Musketiere zogen mit mulmigen Gefühlen los. Auch unseren vier Freunden war unwohl. „Auf in den Kampf.“ Portos eilte voran. „Es sind doch Menschen aus dem einfachen Volk.“ Warf Aramis ein. „Wir sollen unerfahrene, wahrscheinlich schlecht bewaffnete Menschen angreifen? Sie haben doch keine Chance.“ Athos wusste, in welch einem Gewissenskonflikt sein Freund sich befand. „Wir werden uns nur gegen bewaffnete uns angreifende Rebellen verteidigen.“ Versuchte er seinem Kameraden die auf ihn zu kommende Situation zu erleichtern. Dieser wusste, dass es nicht dabei bleiben würde, sagte aber nichts. Schon bald kamen ihnen die ersten Rebellen entgegen. „Seht, der König kann gegen uns nichts mehr ausrichten. Also holt er sich seine Soldaten zu Hilfe.“ Grölten sie. „Greift sie an!“ Unsere Freunde stellten sich auf einen Kampf ein, als einer von ihnen rief. „Wartet, das sind Musketiere. Sie kämpfen nur, wenn wir sie angreifen. Lassen wir sie in Ruhe, tun sie uns auch nichts.“ Ein Anderer pflichtete ihm bei. „Er hat Recht. Das sind nicht die Teufelshunde vom Kardinal.“ Erleichtert steckte Athos seinen Degen wieder in die Scheide. Die Rebellen gingen an ihnen vorbei. Leise flüsterte einer der Rebellen „Aramis war dabei. Er würde nie ohne Grund angreifen.“ Dieser lächelte in sich hinein. Bei den Nächsten hatten sie nicht so viel Glück. Ohne Vorwarnung griffen sie mit Stöcken an. Manche führten auch Degen, die wahrscheinlich geraubt waren. „Ah, wir haben die Ehre gegen die vier berühmten Musketiere zu kämpfen.“ Tönte es. „Zeigen wir ihnen, dass wir kämpfen können.“ Gleich zwei sprangen Portos an, der Einen mit seiner Faust niederstreckte, den Anderen den Degenknauf gegen den Kopf rammte, dass dieser bewusstlos umfiel. Wütend über diesen leichten Sieg des Gegners wollten die anderen Rebellen ihre Freunde verteidigen. Ehe er sich versah hatte Athos einen Schlag gegen den Arm bekommen. Fluchend zischte er auf und entledigte sich des Angreifers, indem er ihn mit einer Hand festhielt und mit der Anderen in den Bauch hieb. Sein Gegner krümmte sich zusammen. Trotzdem griff er noch mal an. Diesmal schlug Athos ihm ins Gesicht und zuckte selbst zusammen, als er dessen Nase brechen hörte. D’Artagnan kämpfte mit einem Rebellen, der zwar einen Degen in der Hand hatte, sich aber durch seine eigene Ungeschicklichkeit selbst im Weg stand. Schließlich konnte ihm er ihm den Degen entnehmen und warf diesen im hohen Bogen weg, so dass sein ehemaliger Besitzer hinterher rannte. Auch Aramis wurde angegriffen. Allerdings mit Fäusten, so dass er seinem Gegner hin und wieder mal eine langte, dass dieser sich immer wieder aufrappeln musste. Auf einmal kamen den schon anwesenden Rebellen noch Andere zu Hilfe. Athos sah sich wieder einem unbeholfenen Kollegen gegenüber, D’Artagnan ebenfalls, Aramis’ Gegner bekam Hilfe von einem Mann, der mit einem Stock bewaffnet war. Portos sah gleich drei Rebellen auf ihn zustürmen. Unsere Freunde kämpften nicht härter als nötig, da keiner seinen Gegner töten wollte, was den Kampf allerdings unnötig hinausschob. Irgendwann wurde es Portos zu bunt, er holte mit seinem Degen aus und verletzte einen seiner Angreifer an der Schulter. Jetzt wurden auch die Rebellen aggressiver. Aramis’ Gegner hatten jetzt beide einen Stock und versuchten auf ihn ein zu schlagen. Aramis wehrte sich, wollte aber nicht zum Angriff mit dem Degen übergehen. Er konnte einem Rebellen dessen Stock abnehmen, wodurch der Andere freie Bahn bekam. Mit voller Wucht traf er Aramis in die Rippen. Dieser keuchte und verlor das Gleichgewicht. D’Artagnan bemerkte die Situation und konnte seinen Freund noch festhalten, bevor dieser stolperte. Dieser hielt sich nach Luft schnappend die Seite. „Alles in Ordnung?“ Portos hatte sich seiner Angreifer entledigt. Aramis nickte „Es geht schon wieder.“ „Sie wissen gar nicht, was sie anrichten. Wir würden gar nicht gegen sie kämpfen, wenn sie einfach abgehauen wären.“ Schimpfte Athos ungehalten und schlug seinem Gegner mit dem Degen ins Genick. Dieser kippte lautlos nach vorn. „Mein Gott, seht nur!“ Portos zeigte nach hinten. „Sie haben sogar Musketen.“ Ungläubig drehten sich die Musketiere um. „Tatsächlich. Sind die verrückt? Die wissen doch gar nicht, wie man mit den Waffen umgeht.“ Athos wich zurück. „Wenn da auf einmal ein Schuss losgeht…“ Aramis war entsetzt. „Sie können sich gegenseitig umbringen, so wie sie die Waffen halten.“ Athos blieb plötzlich stehen und zielte auf die Rebellen. „Bleibt stehen und werft die Musketen weg.“ „Das hättet ihr wohl gerne.“ Schrieen diese. „Ihr legt eure weg und wir lassen euch am Leben.“ Zwei der Rebellen zielten nun ebenfalls. Athos schoss einem die Muskete aus der Hand. Dieser fluchte und wimmerte. Da erscholl ein zweiter Schuss. D’Artagnan schaute genau hin, aber er konnte nicht erkennen, wer den zweiten Schuss abgegeben hatte. „Wir haben Sie erwischt!“ Die Rebellen jubelten. Erschrocken bemerkte D’Artagnan aus dem Augenwinkel wie Athos zu Boden ging. Dieser spürte nur den stechenden Schmerz in seinem linken Bein, welches unter ihm weg knickte. Portos kniete sich neben Athos. „Mein Gott.“ Aramis rannte zu seinem Freund, während D’Artagnan mit seiner Muskete den Schützen tötete. Dadurch verängstigt flohen die übrigen Rebellen. Athos stand mit Portos Hilfe schon wieder auf den Beinen. Vor Schmerz aufstöhnend versuchte er zu laufen. Er stolperte immer wieder, oder rutschte mit dem verletzten Bein weg. „Das wird nichts.“ Athos musste sich setzen. „Ich schaffe das nicht.“ Er war kreidebleich und schien mit der Bewusstlosigkeit zu kämpfen. Der Blutverlust machte sich bemerkbar. „Geht allein. Ich komme nach.“ Portos winkte ab. „Nichts da. Ich bleibe bei dir. Aramis und D’Artagnan sollen vorgehen und Treville bescheid geben.“ Die beiden Angesprochenen nickten. „In Ordnung. Bitte seid vorsichtig.“ Dann gingen sie Richtung Hauptquartier. Athos stützte sich auf Portos und langsam liefen sie zurück. Aramis und D’Artagnan versuchten die Rebellen zu umgehen und ihnen auszuweichen. Möglichst schnell wollten sie im Hauptquartier sein. Auf einmal stolperte D’Artagnan über etwas und fiel auf die Knie. Fluchend wollte er sich wieder aufrichten, als ihm die Klinge eines Degens am Hals berührte. Aramis, das Missgeschick seines Freundes nicht bemerkend, war schon ein Stück voraus. Verwundert über das Fehlen seines Kameraden wollte er zurückeilen, als er am Arm festgehalten wurde. „Lasst mich los. Was soll denn das?“ Wütend wandte er sich seinem Gegner zu. Dieser hielt eine Muskete auf ihn gerichtet. Erschrocken schaute Aramis zu D’Artagnan und sah ihn mit dem Degen bedroht. Er überlegte, ob er zu seiner Waffe greifen sollte, sah aber davon ab. Entweder hatte sein Gegner ihn vorher erschossen, oder D’Artagnan würde seinen Kopf verlieren. Sie hatten keine Chance. D’Artagnan sah, wie der neben Aramis stehende Mann plötzlich seine Muskete hob. Blitzschnell schlug er diesen ins Genick. Ohne dass er im geringsten reagieren konnte, sank sein Freund nieder. Bewegungslos lag er auf dem Pflaster. „So, jetzt haben wir dich endlich.“ D’Artagnan wunderte sich noch über die Worte des Mannes, als er merkte, dass der Degen von seinem Hals entfernt wurde. Er sah sich um und blickte in ein grobes bärtiges Gesicht. Seine Arme wurden ziemlich grob nach hinten gedreht und man fesselte ihn. Hilflos musste unser Gascogner mit ansehen, wie sie Aramis in eine Kutsche legten und davon fuhren. „Wir haben ihn.“ Der Mann vor dem Altar nickte zufrieden, ließ sich aber nicht von seinem Gebet abhalten. „Wo ist er?“ „Im Kerker.“ Fügte der Große hinzu. „Ihr werdet reich belohnt.“ Die Männer entfernten sich. Gut, dass er die Drecksarbeit nicht von seinen Gardisten ausführen ließ. Wenn am Ende irgendetwas schief gehen sollte, würde er die beiden Männer nicht mehr kennen. „Hier seid ihr.“ Eine sanfte Frauenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Ihr wolltet euch eigentlich um ihn kümmern.“ Kardinal Richelieu drehte sich um. „Er war eure Aufgabe.“ Kalt sahen seine Augen auf die zarte Gestalt. „Ihr habt damals Athos ins Verderben gestoßen. Warum gelingt es euch dieses Mal nicht?“ Langsam wurde er wütend. Demütig stand sie vor ihm. „Ich habe versucht an ihn ran zu kommen, aber ist vorsichtig.“ Verächtlich winkte Richelieu ab. „Ihr habt euren Pakt mit dem Teufel mit Blut unterzeichnet, Mylady. Also werdet ihr wohl die Macht besitzen einen Musketier zu erledigen.“ Mit lodernden Hass sah er diese Frau, die nur seine Marionette war an. „Ihr wisst am Besten, dass er nicht nur ein einfacher Musketier ist. Athos war ein leichtes Spiel, weil er nicht die Stärke Gottes besitzt, wie der Chevalier. Ihr wisst selbst, wie schwer es gegen seinesgleichen zu kämpfen ist. Sie haben mehr Macht, als wir beide zusammen.“ Anne de Breul funkelte ihren Gebieter an. „Lasst mir mehr Zeit.“ Damit schritt sie aus der Kirche. Nachdenklich schritt er die Treppen zu den Verliesen hinunter. So lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. So viele Jahrhunderte schon. Er hatte schon einmal so Nahe vor der Vernichtung von Elben und Menschen gestanden. Aber dieser dumme Hobbit musste ja alles kaputt machen. Auch damals hatte ihm ein Elb geholfen. Sauron war einfach nicht stark genug. Luzifer fluchte. Wie konnte es sein, dass diese Geschöpfe es immer wieder schafften, ihn, den Teufel persönlich zu besiegen? So brach die Herrschaft der Menschen an. Er dachte, er hätte die Elben wenigstens vertrieben. Aber dann tauchten diese zwei Wesen in der Provence auf. Ihr sah man an, dass sie von den Valinar abstammte (zumindest, wenn man wusste, dass dieses Volk wirklich einmal existierte und nicht nur eine Sage ware). Bei ihm konnte man sich streiten, ob er ein reiner Valinar , oder doch nur ein Mischwesen war. Und dann sah er ihn. Sie hatte einen Jungen. Ein reines Wesen. Man sah es, man spürte es. Diese Vollkommenheit hatten nicht einmal Elben. Nur die Valinar waren nahezu vollkommen. Sowohl äußerlich als auch charakterlich. Und sie waren fast unverwundbar. Sie konnten nur sterben, wenn Gott es vorsah, oder wenn sie das Gift einer ganz bestimmten Pflanze in ihrem Körper hatten. Glücklicherweise wusste er den Ort, an dem diese Pflanze wächst und so starben die Beiden früher, als vorgesehen. Natürlich hatte er damit den Zorn Gottes auf sich gezogen, aber das passierte andauernd. Es gäbe keinen Gott, gäbe es den Teufel nicht – allerdings auch umgekehrt. Aber so hatte er nichts zu befürchten. Leider schien das Paar etwas geahnt zu haben und gab das Kind einem Bruder von ihm, welcher aber nur ein Mensch war. So verlor er den Jungen aus den Augen. Bis er ihn eines Tages in Ile-de-France wieder sah. Mittlerweile war er bei seinem neuen Gefangenen angekommen. Dieser schien schwer verwundet zu sein, denn er war voller Blut. Seine Augen waren geschlossen. Er nahm ihm die Fesseln ab. Fliehen oder kämpfen konnte er sowieso nicht. Dann betrachtete er seinen Gegenüber. Nicht einmal er konnte sich der Macht Gottes, die der Schwerverletzte ausstrahlte entziehen. Sie war unheimlich stark. Und das, obwohl sein Träger nichts von ihr wusste! Er hatte Recht gehabt. Der Tag seines Triumphes ist nahe. Mit diesem Trumpf in der Hand würde er bald das ganze Volk Frankreichs hinter ihm stehen haben. Der König würde ihn zum Papst ernennen müssen. Und dann konnte die Herrschaft des Bösen endlich beginnen… Wenn diese Frau jetzt nur keinen Fehler begann. Mittlerweile waren Athos und Portos im Hauptquartier eingetroffen. Überrascht mussten sie erfahren, dass weder Aramis noch D’Artagnan bisher angekommen waren. Während Athos von einem Arzt behandelt wurde, machte sich Portos beunruhigt auf den Weg, seine Freunde zu suchen. Irgendwo in einer Gasse kam ihm eine merkwürdig daher laufende Gestalt entgegen. Erschrocken erkannte er den gefesselten D’Artagnan. Schnell löste er ihm diese. „Bin ich froh dich zu sehen.“ Der Gascogner hielt sich die schmerzenden Handgelenke. „Sie haben Aramis!“ Portos zuckte zusammen. „Wer?“ Sein Freund hob die Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Antortete er kläglich. „Die Männer hatten Mäntel an. Ich konnte sie nicht erkennen.“ „Verdammt.“ Portos stürmte los. „Schnell zu Athos.“ Ratlos saßen sie auf ihrem Zimmer und überlegten ihre weitere Vorgehensweise. „Wir müssen ihn befreien.“ D’Artagnan machte sich Vorwürfe, dass er seinen Freund nicht beschützen konnte. Athos bemerkte dies. „Dich trifft keine Schuld. Du konntest nichts ausrichten.“ Er legte seinem Kameraden die Hand auf die Schulter. „Wir müssen besonnen handeln.“ Portos pflichtete ihm bei. „Wenn wir einfach so zu Kardinal Richelieu wandern und ihn auffordern Aramis heraus zu geben, sind wir hundertprozentig in dessen Falle getappt.“ Sie setzten sich wieder. „Wer weiß, was er mit Aramis anstellt.“ Langsam bekam D’Artagnan es mit der Angst zu tun. „Wenn er ihn nun foltert…“ Athos versuchte die Lage zu beruhigen. „Mal sachte, wir können davon ausgehen, dass er ihn nicht töten wird. Treville sagte damals, Richelieu will ihn lebend.“ Die Anderen nickten. Trotz allem war dies nur geringer Trost. Was, wenn Richelieu das bekommen hatte, was er wollte und Aramis nicht mehr brauchte? Was wollte Richelieu überhaupt von Aramis? „Wir müssen zu Monsieur Treville und herausbekommen, was es mit unserem hübschen Freund auf sich hat.“ Portos stand auf. „Los!“ Aramis blinzelte. Um ihn herum war es finster. Er hatte höllische Kopfschmerzen. Allerdings bemerkte er, dass man ihm seine Fesseln abgenommen hatte. Sein Bein pochte, als er sich versuchte aufzurichten. Benommen fiel er wieder zurück. Wo war er ? Wer waren die Männer gewesen? Sie hatten keine Uniformen der Kardinalsgarde an. Wieder schwindelig geworden, sank er in einen traumlosen Schlaf. Kardinal Richelieu zischte seine Männer an. „Verlegt ihn in den Pavillon bei Versailles. Legt ihn auf den Karren und reitet los. Hier ist er zu gefährlich.“ „Aber er ist doch bewusstlos.“ Protestierten die Männer. „Wie kann er uns da gefährlich werden?“ Sie sahen nicht ein, warum sie zwei Stunden in sumpfiges Gebiet reiten sollten, nur um einen Gefangenen dort hin zu bringen. In Richelieus Blick loderten Höllenfeuer. „Ihr wisst gar nicht, wie gefährlich er ist. Bringt ihn weg. Das ist ein Befehl!“ Die Männer, erschrocken von dem Hass in Richelieus Augen machten sich schleunigst davon. Die wütende Gestalt wandte sich ab. „Noch weiß er zum Glück selbst nicht, wie gefährlich er ist.“ Als er wieder aufwachte fror Aramis. Er lag in einem Pavillon, der an allen Seiten offen war, wodurch kalte Luft hinein drang. Ziemlich ungeschützt lag er, der Witterung ausgesetzt auf dem Boden. Warum hatten sie ihn hierher gebracht? Sollte er hier erfrieren? Vor Kälte zitternd drückte er sich an die Wand. Wie sollte man ihn hier nur finden? War das sein Schicksaal? Monsieur Treville erwartete unsere drei Freunde bereits. „Gerade wurde ein Brief von Kardinal Richelieu an mich überbracht.“ Das gebrochene Siegel deutete darauf hin, dass der Hauptmann den Brief bereits gelesen hatte. „In dem Schreiben steht, er habe Aramis. Es ginge ihm den Umständen entsprechend.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Er verlangt, dass die Musketiere der Garde des Kardinals unterstellt werden sollen, sonst sterbe Aramis.“ Athos warf seinem Kapitän einen entsetzten Blick zu. „Das ist doch nicht möglich.“ „Weiter steht, seine Freunde brauchten nicht nach ihm zu suchen, da er an einem Ort gebracht wurde, den noch niemand kennt.“ Unsere Musketiere waren verzweifelt. Sie konnten tatsächlich nichts tun. „Was ist den da unten nur los?“ Portos schaute aus dem Fenster. „Irgendwas ist im Pferdestall“ Athos sprang auf. „Fenena. Kommt mit!“ D’Artagnan und Portos verstanden nicht, was ihr Kamerad meinte und bemühten sich ihm zu folgen. Im Stall herrschte Chaos. Fenena stieg und keilte gegen die Boxwände. „Athos jubelte auf. „Freunde, sattelt geschwind eure Pferde! Fenena wird uns zu Aramis führen.“ Er scheuchte die anderen Musketiere aus dem Stall. Nachdem die Drei ihre Pferde gesattelt und aufgezäumt hatten, öffnete Athos die Box der tobenden Stute. Blitzschnell schwang er sich auf sein Pferd. „Folgt ihr, schnell!“ Verwirrt galoppierten D’Artagnan und Portos hinter Aramis’ Pferd her. Aramis hatte keine Kraft mehr. Fieberkrämpfe durchschüttelten ihn. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass seine Freunde auf Fenena aufmerksam wurden und ihr folgen würden. Sonst war er verloren. Alleine kam er nicht mehr weg. Auch nicht mit Hilfe seiner treuen Stute. Vergeblich mühte er sich nicht das Bewusstsein zu verlieren. Nach knapp zwei Stunden rasendem Galopp, fiel die Stute in Schritt. Langsam tänzelte sie durch das sumpfige Grasland, um nicht einzusinken. Ihre Flanken bebten. Da entdeckte Athos auf einmal einen Pavillon. Fenena wieherte, lief aber genauso vorsichtig weiter, bis sie das kleine Gebäude erreicht hatten. Was unsere Freunde sahen, verschlug ihnen den Atem. Aramis lag bewusstlos auf dem Boden. Sein Gesicht, wie auch sein linkes Bein waren blutüberströmt. Nach Deckung suchend musste er sich an die Wand gedrückt haben. Er zitterte am ganzen Körper, war aber total durchgeschwitzt. „Mein Gott, er hat Wundfieber.“ Athos traten Tränen in die Augen. „Was haben sie nur mit dir gemacht.“ Vorsichtig hob er ihn auf und setzte ihn vor sich aufs Pferd. „Keinerlei Wachen.“ D’Artagnan suchte die Umgebung ab. „Herrje, wo sind wir denn nur?“ Portos zuckte ratlos mit den Schultern. Woher sollten unsere Freunde wissen, dass hier später einmal das prächtigste Schloss Frankreichs entstehen sollte. „Wir hätten ihn auch nie gefunden, wenn Fenena nicht gewesen wäre.“ Athos wendete und folgte der Stute durch den Sumpf. „Woher wusstest du, was im Stall passiert war?“ fragte ihn Portos, als sie zurück ritten. „Aramis zeigte es mir einmal, als die Pferde auf der Wiese standen. Er sagte ich solle gut aufpassen. Dann gingen wir ins Hauptquartier. Ihr wisst wie weit das entfernt ist.“ D’Artagnan und Portos nickten. „Er pfiff eine wunderschöne Melodie. Kurze Zeit später hörte ich Hufgetrappel. Und da kam seine herrliche Stute hocherhobenen Hauptes um die Ecke getrabt. Triumphierend grinste Aramis mich an. Ich war einfach nur sprachlos. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Egal, wie weit Aramis und Fenena voneinander getrennt sind, sie spürt, wenn ihr Herr diese Melodie pfeift und kommt sofort.“ In seinen Armen atmete Aramis nur noch schwach. Sie mussten sich beeilen. Der Arzt konnte die Freunde beruhigen. „Er wird bald wieder auf den Beinen sein. Jemand hat seine Schussverletzung behandelt, so dass sie sich nicht entzündete, was ihm das Leben rettete. Das Fieber kommt durch die Unterkühlung und wird vergehen. Aramis muss einen mächtigen Schutzengel haben.“ Mit diesen Worten verließ der Arzt das Zimmer unserer Musketiere. Durch die Rebellen war immer noch Ausgangssperre und die Vier blieben auf ihrem Zimmer und bewachten Aramis. Treville gestattete, dass einer der drei Freunde bei Aramis blieb und die anderen Beiden mit zwei Kollegen versuchten, die Rebellen zu bekämpfen. Schließlich konnten die diese verjagt werden und einige Anführer in die Bastille gebracht werden. So war die Gefahr eines Aufstandes durch die Rebellen erst einmal gebannt. „Durst. Ich hab Durst.“ Aramis versuchte sich aufzurichten. Sein Kopf dröhnte immer noch und sein Bein schmerzte. Aber ihm war wenigstens nicht mehr so kalt. Freudig kamen Portos und D’Artagnan auf ihn zu. „Wir sind ja wieder unter den Lebenden!“ Portos gab ihm etwas zu trinken. „Langsam, deine Kehle muss sich erst wieder an das Wasser gewöhnen.“ Aramis nippte an dem gereichten Becher. „Wie geht es dir?“ D’Artagnan setzte sich zu seinem Freund. „Wir dachten schon, du wachst gar nicht mehr auf.“ Aramis warf ihm einen überraschten Blick zu. „Wieso? Wie lange habe ich denn geschlafen?“ „Fast eine Woche.“ Portos stellte den Becher auf den Tisch. „Zum Glück warst du nicht lange in Richelieus Fängen.“ Aramis senkte den Kopf. „Also doch der Kardinal. Die Männer, die uns angriffen hatten keine Uniformen an, so dass ich sie nicht zuordnen konnte.“ Er betastete seine Schläfe. „Als wir dich fanden, dachten wir du wärst tot. Du lagst da, alles voller Blut.“ Portos musste bei den Bildern immer noch mit einer Welle des Zorns kämpfen. „Aber dann sahen wir, dass du im Wundfieber lagst.“ Portos seufzte. „Ich glaube, ich war noch nie so erleichtert jemanden im Wundfieber zu sehen. So wussten wir wenigstens, du lebst.“ D’Artagnan nickte. „Hm, aber nicht wie lange noch.“ Portos warf seinem Freund einen beschwörenden Blick zu, doch Aramis hatte bereits begriffen. Erschrocken schaute er D’Artagnan an. „So schlimm…“ Leise öffnete sich die Tür und Athos betrat das Zimmer. „Du bist wach!“ Polternd fiel die Tür ins Schloss. Er eilte auf Aramis zu und umarmte ihn herzlich. Athos war überglücklich seinen Schützling und besten Freund wieder zu haben. Kapitel 5: überraschende Hilfe eines Erzengels ---------------------------------------------- Nach einigen Tagen war Aramis wieder auf den Beinen. Wenn auch noch geschwächt, bestand er darauf dem Fechttraining beizuwohnen. Ab und zu focht er einen kurzen aber technisch perfekten Kampf mit Athos oder D’Artagnan, musste aber meist aufgrund seiner Schmerzen im Bein aufgeben. Monsieur Treville lobte seine Musketiere und gab bekannt, dass die Ausgangssperre bis auf weiteres aufgehoben war. „Der König lädt zu einem Ball am Samstag. Er würde sich sehr freuen, die vier Musketiere außerhalb des Dienstes begrüßen zu dürfen.“ D’Artagnan feixte. „Wir sollen auf einen Ball ihrer Majestät? In Zivil?“ Athos verbeugte sich. „Es ist uns eine Ehre.“ Am Tage des Balls hatten sich unsere vier Freunde ausgemacht direkt zum Ball zu gehen. Sie würden sich schon finden. D’Artagnan war als erstes da. Schließlich konnte er es kaum erwarten die hübsche Kammerzofe ihrer Majestät der Königin wieder zu sehen. Etwas später kamen Athos und Portos. Auch sie unterhielten sich angeregt mit einigen Gesellschaftsdamen der Königin. „Wo bleibt Aramis?“ Athos wurde unruhig. „Wir hätten ihn nicht allein gehen lassen dürfen.“ Portos wollte gerade etwas erwidern, als Aramis in der Tür stand. Athos konnte seinen Blick nicht abwenden. Natürlich wusste er, dass sein Freund außergewöhnlich gut aussehend war; und zu diesem Ball hatten sie alle ihre besten Gewänder angelegt. So auch Aramis. Auch D’Artagnan, der ihm entgegen gelaufen kam bemerkte. „Du siehst umwerfend aus.“ Aramis musste lachen. „Ich bin doch keine Frau. Aber vielen Dank für die Blumen.“ Er fasste seinen Kameraden am Arm und ging auf unsere anderen beiden Musketiere zu. „Seid ihr schon lange hier?“ Athos und Portos schüttelten den Kopf. Aramis verdrehte die Augen. „Nun kriegt euch mal wieder ein. Ich kann das nächste Mal auch in Lumpen kommen.“ „Würde dir auch nichts schaden.“ Grinste Portos. „Du könntest auch nackt kommen…“ „Und die Damen würden ihn gar nicht mehr gehen lassen.“ Kicherte Athos. Ehe Aramis zurück schießen konnte, traten ihre Majestäten der König und die Königin ein. Alle verbeugten sich. Als das Königspaar an seinem Thron angekommen war, setzte sich die Königin, während der König die Hand hob. „Ich möchte gerne einen persönlichen Dank an unsere vier Musketiere Athos, Aramis, Portos und D’Artagnan aussprechen, die sich für das Volk Frankreichs in höchste Gefahr begeben haben. Durch ihren mutigen Einsatz konnten die Rebellen vertrieben werden.“ Die Ballgäste applaudierten. Der König winkte unsere Freunde zu sich. „Hiermit spreche ich euch meinen tiefsten Dank aus.“ Jeder bekam einen kleinen Lederbeutel mit 100 Talern gefüllt. Das war viel Geld. „Der Verdienst ist nicht nur uns zuzuschreiben, sondern auch unseren Kollegen.“ Aramis verneigte sich. Ludwig XIII fasste ihn an die Schulter. „Ich bin außerordentlich erleichtert, dass euch nichts Schlimmeres passiert ist. Wir hatten sehr viel Sorge um euch.“ Aramis schaute seinem König fest in die Augen. „Ich danke euch.“ Er senkte den Kopf. Als unsere drei Freunde ein wenig Abseits standen, D’Artagnan war mit Constance verschwunden, fiel Aramis’ Blick auf eine ihm unbekannte dunkelhaarige Schönheit. Immer wieder musste er zu ihr schauen. Schließlich fiel es nicht nur Athos, sondern auch Portos auf. „Wen hast du dir denn ausgeguckt?“ Portos linste unauffällig hinüber. Athos nickte anerkennend. „Unser junger Freund hat Geschmack.“ Aramis errötete. „Wer ist sie? Ich habe sie noch nie auf einem Ball gesehen.“ „Du hast doch nie auf Frauen geachtet.“ Athos gluckste. „Und wenn sie dir fast auf die Füße getreten sind, um deine Aufmerksamkeit zu erhaschen.“ Portos legte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Ich glaube, sie ist eine der neuen Kammerzofen ihrer Majestät der Königin.“ „Man müsste wohl mal Constance fragen.“ Unterdessen fiel auch jener jungen auserwählten Dame auf, dass höchst interessante Männer dem Ball beiwohnten. Ihre Freundinnen schwärmten von Aramis und Athos, während sie gar nicht hin hörte. Verstohlen suchte sie diesen eleganten anmutigen und sehr süßen Musketier, welcher eben vom König ausgezeichnet wurde. „Wen suchst du denn die ganze Zeit?“ Ihre Freundinnen wurden neugierig. Sie schielte zu unserem beliebten Musketier. Ihre Freundinnen verdrehten verzückt die Augen. „Das ist Aramis. Aber den kannst du vergessen.“ Erschrocken schaute unsere verzückte Kammerzofe auf ihre Freundin. „Ist er vergeben?“ Unwillkürlich krampfte sich ihre Kehle zusammen. „Nein, aber ausgerechnet er ist der Schwierigste der Musketiere. Er hat zwar viele Frauen, die ihn anbeten und mit denen er redet, aber er lässt keine an sich ran. Nicht mal einen Kuss kann man ihm entlocken.“ Eine andere Freundin seufzt. „Dabei ist er so schnuckelig.“ Unsere junge Dame strich sich eine herabgefallene Strähne aus ihrem Gesicht und suchte abermals den Blick unseres Musketiers. Als er sie genau in diesem Moment anschaute, zuckte sie freudig erregt zusammen. Seine Augen hatten etwas unergründliches. Jetzt wurde er von seinem Gesprächspartner abgelenkt. Aramis wandte sich wieder Athos zu. Dieser lächelte ihn an. „Komm, gehen wir ein Stück an die Luft.“ Sie wollten Portos bescheid geben, konnten ihn aber nirgends sehen. Sie schritten durch die wunderschöne gepflegte Parkanlage. Versonnen schaute Aramis sich den klaren Sternenhimmel an. Sein Freund blieb vor ihm stehen. „Kann es sein, dass sich unser lieber Aramis soeben verliebt hat?“ Dieser nickte langsam. „Ich glaube ja.“ Sie setzten sich auf eine Bank. Aramis holte tief Luft. „Ich möchte dir erzählen, warum ich Musketier wurde. Nun war er bereit. Und so konnte er sein Leid endlich mit seinem besten Freund teilen. Athos hörte einfach nur zu. Ein paar Monate später fand das große Reiterduell statt. Zehn Musketiere traten gegen zehn Gardisten des Kardinals an. Ein Reiterduell wurde immer Mann gegen Mann zu Pferde ausgetragen. Beim Kampf mit der Lanze kam es auf Zielgenauigkeit und Geschicklichkeit des Reiters an, beim Kampf mit dem Degen auf die Wendigkeit des Pferdes, Beherrschung der Fechtkunst und das perfekte Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd. „Na schon aufgeregt?“ Athos legte D’Artagnan die Hand auf die Schulter. Dieser nickte. „Das ist mein erstes Reiterduell. Wo ist Aramis?“ „“Hier!“ erscholl es hinter einem Pferdehintern. Aramis putzte seine Stute, so dass ihr lackschwarzes Fell noch mehr glänzte. „Mann, was freue ich mich mal wieder an einem Reiterduell teilnehmen zu können.“ Sie bekamen Besuch. „Durch Schönheit gewinnt ihr hier nichts, Aramis.“ Jussac baute sich vor ihm auf. „An eurer Stelle würde ich mal trainieren.“ Aramis machte sich nicht die Mühe seine Arbeit zu unterbrechen. „Danke für euren gut gemeinten Rat. Falls ich nach dem Kampf noch lebe, werde ich ihn vielleicht beherzigen.“ Athos und D’Artagnan grinsten sich an. Jussac wollte nicht so einfach aufgeben. „Euren Grünschnabel habt ihr auch mitgenommen?“ Verächtlich schaute er zu D’Artagnan. Bevor dieser auffahren konnte entgegnete Athos „Was wollt ihr Jussac? Schlagen könnt ihr euch auf dem Schlachtfeld. Aber nicht hier.“ Wütend verließ der Hauptmann des Kardinals den Stall. „Es gibt niemanden, dem ich mehr die Visage polieren würde, als ihm.“ Schimpfte Aramis. „So etwas aus deinem Munde?“ Überrascht versuchte Athos seinen Freund hinter dessen Pferd ausfindig zu machen. Alle Reiter wurden auf den Turnierplatz bestellt. Dort begrüßte man sich förmlich und bekam seinen Gegner zugeteilt. Unsere drei Freunde bekamen ihnen unbekannte Gardisten zugesprochen. Mittlerweile waren die Zuschauerplätze gefüllt, auch die Ehrenplätze der königlichen Familie und der Kaptäne beider Truppen waren belegt. Als sie ihre Pferde fertig hatten kam ihnen Portos entgegen. „Ich wollte euch Dreien viel Glück wünschen. Habt Acht. Die Garde des Kardinals kämpft nie mit fairen Mitteln. Rechnet immer mit einer Finte.“ Die Anderen nickten. Nachdem vier Reiterpaare dran waren, von denen zweimal Musketiere gewonnen hatten und zweimal Gardisten des Kardinals, kam Athos an die Reihe. Auch er meisterte sein Duell mit Bravour. Beeindruckend war vor allem das Zusammenspiel mit seinem Wallach. Danach folgten Aramis und D’Artagnan, welcher allerdings verlor. So waren in der zweiten Runde nur noch zehn Teilnehmer. Sechs Musketiere und vier Gardisten. Auch hier kamen unsere beiden Freunde, allerdings auch Jussac weiter. Da eine ungerade Zahl zustande kam, wurden zwei Paare ausgelost, welche gegeneinander antraten. Aus diesen Gewinnern wurde einer ausgelost, der gegen den übrig gebliebenen fünften Mann kämpfen musste. So wollte es das Schicksal, das Jussac und Aramis gewannen, das Los jedoch entschied, Aramis müsse gegen den fünften Mann kämpfen. Athos. Natürlich waren unsere Freunde alles andere als begeistert, aber so waren die Regeln. In einem packenden Kampf zweier fast gleich starker Gegner mit dem Degen ging Aramis schließlich als Sieger hervor. Das bedeutete, das Aramis im Finale auf Jussac traf. Das Turnier wurde zugunsten der zwei unterbrochen, dass sie kurze Verschnaufpause einlegen konnten. „Dein Wunsch soll dir erfüllt werden.“ Feixte Athos auf Aramis’ Bemerkung im Stall anspielend. Aramis nickte, vom Duell mit Athos noch ziemlich außer Atem. „Dem werde ich zeigen, was ein Degenstreich ist.“ „Aber eigentlich ist das doch unfair.“ Warf Portos ein, der zu seinen Freunden hinzugetreten kam. „Aramis hat ein Duell mehr als Jussac auszufechten.“ Aramis zuckte die Schultern. „Ich werde trotzdem gewinnen.“ Meinte er grimmig. Athos blinzelte. Das waren ja ganz neue Töne von Aramis. Sonst war er eher zurückhaltend mit seinen Äußerungen. Er musste jedoch zugeben, dass ihm dieser etwas selbstbewusstere Aramis nicht unsympathisch war. „Du wirst es schaffen.“ Davon war Athos überzeugt, obwohl Jussac zu den besten Fechtmeistern des Landes gehörte. Nachdem Athos seinen Freund allerdings bei seinem Probeduell gegen Treville gesehen hatte, räumte er Aramis gute Chancen ein zu gewinnen. Die Duellanten wurden aufgefordert auf den Turnierplatz zu kommen. Aramis wollte gerade losreiten, als sein Hauptmann Fenenas Zügel festhielt. „Viel Glück mein Sohn. Für die Ehre der Musketiere.“ Lächelnd senkte Aramis sein Haupt. „Einer für Alle!“ „Alle für Einen“ Auf dem Turnierplatz wartete bereits sein Gegner. „Na, noch mal hübsch gemacht?“ spottete dieser. „Euch wird euer Hochmut noch vergehen.“ Aramis ritt zum Ausgangspunkt für das Duell und nahm die Lanze auf. Ihre Majestät der König schoss in die Luft, womit das Duell beginnen konnte. Beide setzten ihre Pferde in Bewegung. Als sie aufeinander stießen, trafen beide so gut, dass keiner auf seinem Pferd blieb. Dieses Duell ging also unentschieden aus. Die Zuschauer warteten gespannt auf das alles entscheidende Duell. Jeder schwang sich auf sein Pferd. Unser edler Musketier auf seinen herrlichen Rappen, Jussac auf dessen gut trainierten Schimmel. Nun standen sich die zwei so unterschiedlichen Gegner gegenüber. Der Eine immer ruhig und kontrolliert kämpfend, der Andere ein Hitzkopf. Wieder schoss Ludwig XIII. in die Luft. Übereifrig stieg Aramis Stute in die Luft und schlug mit den Vorderhufen aus. Jussac wich aus und griff seinen Gegner von hinten an. Aramis duckte sich unter dem Degen, wendete Fenena und griff nun seinerseits an. Allerdings hob er seinen Degen erst kurz vor Jussacs Pferd, wodurch dieses erschrak und seitlich ausbrach. Dadurch war dessen Reiter ohne Deckung, was unser Musketier sofort ausnutzte und ihn mit seinem Degen am Arm verletzte. Begeistert applaudierte die Menge. Wütend lenkte Jussac sein Pferd in Richtung Aramis. Dieser ritt ihm entgegen. Kurz bevor die beiden Duellanten aufeinander trafen, stellte der Musketier seine Stute leicht schräg, stoppte und hielt die blanke Degenspitze Richtung Jussac. Dieser völlig überrascht von dem Manöver, konnte geradeso ausweichen und den Angriff abwehren. „Unser Hauptmann des Kardinals wird langsam ungeduldig.“ Raunte Athos D’Artagnan zu. „Genau das provoziert Aramis.“ Dieser ließ seinen Gegner mehrmals ins Leere reiten, ohne diesen jedoch anzugreifen. Als sich beide wieder gegenüber standen galoppierte Aramis plötzlich in die entgegengesetzte Richtung. Die Zuschauer waren verwirrt. Jussac folgte ihm, als Aramis sein Pferd in einem Bogen lenkte, abrupt stoppte und Fenena im fast rechten Winkel auf den Gardisten zu trieb. Dadurch kreuzte er den Weg Jussacs so, dass dessen Pferd nach rechts ausweichen musste, um das ihm auf einmal im Weg stehende Hindernis nicht umzurennen. Alles ging so blitzschnell, dass Jussac keine Zeit zur Reaktion hatte und sich somit nicht mehr im Sattel halten holten. „Potzblitz.“ Portos klatschte in die Hände. „Schaut euch das an.“ Er grinste. „Ich hätte nicht gedacht, dass sein Pferd so wendig und schnell ist.“ Athos nickte zustimmend. „Die Beiden verstehen sich blind. Da reicht der kleinste Befehl und das Pferd agiert.“ Gespannt wandten sich die Freunde wieder dem Geschehen auf dem Turnierplatz zu. Da Jussacs Pferd davon galoppierte hielt Aramis seine Stute an und stieg ab. Die Menge jubelte. Der Kampf ging weiter, obwohl Aramis bereits gewonnen hätte, da Jussac vom Pferd gefallen war. Jussac griff ohne große Taktik an, wodurch es Aramis ein Leichtes war, ihn zu parieren. Als er jedoch angreifen wollte machte Jussac einen Schritt zur Seite und ließ den Fuß stehen, so dass Aramis drüber stolperte und stürzte. Dadurch beging Jussac den gleichen Fehler wie damals Treville und griff den Musketier von hinten an. Dieser drehte sich blitzschnell um und stach zu. Jussac riss die Augen auf und fiel auf die Knie. Die Degenspitze hatte sich in dessen Bauch gebohrt. Aramis stand wieder auf und zog seine Waffe aus dem Körper des Verwundeten. Dieser richtete sich mit Gebrüll auf und stürmte auf seinen Gegner zu. Dieser wehrte den Angriff mit seinem Degen ab. Plötzlich spürte er den stechenden Schmerz in der Brust. Ungläubig blickte er an sich herunter und starrte auf den glänzenden Griff des Dolches, den ihn Jussac ins Herz gestoßen hatte. Entsetzt sah er seinem Gegner in die Augen. Aramis taumelte und brach in die Knie. Er keuchte. Zitternd umklammerte seine Hand den Dolch. Auf dem Platz war es Totenstille. Jussac zog den Dolch mit Genuss wieder aus Aramis Brust. „Sagte ich dir nicht, du solltest lieber trainieren?“ Selbstgefällig betrachtete Jussac seinen jungen Gegner. Selbst im Augenblick des Todes schien dieser Musketier nichts von seiner Schönheit zu verlieren. Der Hauptmann der Gardisten hatte gesiegt. Aramis merkte, wie ihm das Blut durch die Finger rann und sein Herz schwächer schlug. Sein Atem röchelte. Blut lief über seine Lippen. „Aramis!!!!!!!!!!!!!“ Athos schlug sich durch die Menge. Er war gerade rechtzeitig bei ihm um ihn aufzufangen. „Aramis halte durch. Wir holen einen Arzt.“ Auch Treville war zu ihnen geeilt. „Das war eine Falle.“ D’Artagnan war fassungslos. Auch Portos stand starr vor Schreck. „Mein Gott, schreckt denn der Kardinal vor nichts zurück?“ Auch auf dem Turnierplatz herrschte Verzweiflung. „Bitte Aramis, halte durch.“ Athos hielt den Kopf seines Freundes, sah dass dieser unsagbare Schmerzen litt und konnte ihm doch nicht helfen. Was sollte er nur machen? Aramis bekam immer schlechter Luft. Er versuchte zu sprechen, aber Athos schüttelte den Kopf. „Nicht. Du darfst jetzt nicht sprechen.“ Plötzlich konnte er seine Tränen nicht mehr zurück halten. „Bitte, o Herr, lass ihn nicht sterben.“ Auf einmal kam eine Gestalt hinzu, welche von niemandem bisher gesehen wurde. Sie war hochgewachsen, hatte blondes Haar und war wie von einem hellen Licht umgeben. „Lasst mich zu ihm.“ Unwillkürlich machten die Anderen Platz. Athos zögerte, seinen Freund zu verlassen. „Keine Angst, ich möchte deinem Freund helfen.“ Jussac war bleich geworden und fing an zu zittern. „Ich habe euch gewarnt.“ Sprach die Gestalt mit donnernder Stimme. „Niemand von euch kann ein Geschöpf unseresgleichen vernichten. Weder du, noch dein Herr Luzifer!“ Athos schluckte. Ein Geschöpf unseresgleichen? War Aramis ein Geschöpf Gottes? Sagte er nicht immer, wir alle seien Geschöpfe Gottes? Athos war verwirrt. „Ich bin Gabriel.“ Erklärte die Gestalt Athos und kniete vor Aramis. „Ein Erzengel. Aramis ist sozusagen ein Schützling von mir.“ Athos wollte nicht verstehen, was er da hörte. Gabriel hielt seine Hände über Aramis Verletzung. Wie durch ein Wunder schloss sich die Wunde wieder. Aramis atmete wieder gleichmäßig. „René d’Herblay wuchs bei seinem Onkel und bei seiner Tante auf, weil seine Eltern ums Leben kamen, als er fünf Jahre alt war. Allerdings weiß er nicht, dass seine Eltern vergiftet wurden und vor allem nicht von wem.“ Athos begriff. „Kardinal Richelieu.“ Gabriel nickte. „Von Luzifer, in der Gestalt Kardinal Richelieus. Sie sind eins.“ Gabriel schaute Athos tief in die Seele. „Renés Eltern waren Geschöpfe der Valinar.“ Athos stockte der Atem. „Einer Sage nach sind die Valinar die letzten Nachfahren des Elbenvolkes, welche Mittelerde bewohnten. Nach ihrem Untergang sind die meisten Elben zu den grauen Anfurten gefahren. Doch einige wenige Elben sind auf der Erde geblieben, als sie zu dem wurde, was sie jetzt ist.“ Gabriel nickte. „Und das waren die Valinar.“ Er deutete auf Aramis. „Habt ihr euch nie gefragt, wie es kommen kann, dass ein Mensch so vollkommen, so perfekt sein kann? Mit nur so wenigen Schwächen?“ „Doch“ Athos nickte. „Niemand konnte sich seiner Ausstrahlung entziehen. Es war, als besäße er eine unsichtbare Aura, die ihn umspielte. Als wäre eine Macht in ihm, die er selbst nicht begreifen konnte.“ „Kann er auch nicht. Er weiß nichts von seinen Kräften. Auch nichts von seiner Herkunft und schon gar nicht von seiner Bestimmung.“ Gabriel stand auf. „Euer Freund lebt. Es ist ihm nicht bestimmt durch die Hand Luzifers, oder einer seiner Handlanger zu sterben.“ Gabriel wusste um die Verantwortung, die er dem Musketier auftrug. „Eure Aufgabe wird es sein, ihn niemals aus den Augen zu lassen. Euer Freund Aramis ist der letzte Nachkomme der Valinar, Athos.“ Er wandte sich Jussac zu. „Und er wird euer Schicksal sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)