Heart Over Mind von Sitar-sama ================================================================================ Kapitel 14: Kapitel 11 ---------------------- „Chrys, wir müssen jetzt los! Ich hab’ den Tisch für halb acht!“ –„Du hast den ganzen Laden ab halb acht, meinst du.“ –„Ja. Stimmt. Siehst übrigens klasse aus. Musst mal den Kragen richten, ansonsten … joa, das wird ’ne heiße Nacht.“ –„So besser?“ –„Nee, noch nicht. Lass mich mal.“ –„Mmh … spar dir das für später auf.“ –„Sehe ich jetzt aber nicht ein. Ich küss’ dich, wenn ich das will.“ –„Das weiß ich doch. Ich möchte auch nur, dass du deine Hand da wegnimmst. Du möchtest nicht zu spät ins ‚Dry’ kommen, Forte. Das hast du gesagt.“ –„Schon gut. Dann fahr den Computer runter. Sag’ mal, was würdest du davon halten, wenn wir …?“ –„Ich kann ’s mir denken. Du willst die große Suite im ‚Rihambra’ heute Nacht.“ –„Irrtum. Ich habe die große Suite im ‚Rihambra’ heute Nacht.“ –„Öhm …“ –„Da biste platt, was?! Pack ein was wir brauchen und dann los. Das Manuskript kann bis Morgen warten.“ Der nächste Morgen: Sonntag gegen halb zehn, Lautes Radio, Tellerklappern.“ „Wenn ich gewusst hätte, dass Morgen der Jahrestag ist, hätte ich dich nicht dreimal rangenommen und die Finger von den Mojitos gelassen.“ –„Forte, du bist doch vor der Bar im ‚Rihambra’ gewarnt worden. Die machen die besten Mojitos der Stadt.“ –„Woher weißt du?“ –„Von einem anderen meiner anderen Klienten. Du bist schließlich nicht der Einzige.“ –„Och, komm schon. Tu nicht so kühl.“ –„Das ist doch mein Beruf. Und du … Du bist mein Lover.“ –„Dein Longtime-Lover.“ –„Ja und der Grund diesen Ring zu tragen.“ –„Ich will dir ja keinen Grund geben den abzulegen. Danke für die schöne Nacht, mein Lieber. Ich werde meinen Ring auch immer tragen.“ –„Ist das, weil du einen Kater hast oder wirst du jetzt sentimental?“ –„Nein, Chrys. Ich sag’ dir nur was ich denke. Bin nur ein bisschen dizzelig.“ –„Lass das bloß meinen Vater beim Essen nicht sehen. Der denkt sonst wieder, dass er unerwünscht ist dabei kommt er extra aus der Zentralen Hauptstadt hier rüber gefahren.“ „Wieder mit dem Zug? Du hast ihm doch das Erste-Klasse-Ticket für den Flug geschickt, oder?! Ich versteh’ nicht warum er immer noch lieber Zug fährt.“ –„Das ist sein Ritual, glaub ich. Geht doch schon seit Jahren so.“ –„Na gut. Wann kommt der Zug an? Muss ich doch wissen damit wir ihn abholen können.“ –„14:43 kommt der Zug am Hauptbahnhof an. Dann noch ’ne halbe Stunde …“ –„Können wir ihn nicht einfach am Hauptbahnhof auflesen?“ –„Du weißt doch wie das läuft. Er fährt bis Zehnte Straße und geht dann den Rest zu Fuß. Wir werden einfach zu Hause bleiben und warten … Wie jedes Jahr. Du kannst die Vase schon mal auf den Tisch stellen.“ –„Ist schon so gut wie erledigt. Dann werde ich gleich mal weiterschreiben. Oder was meinst du?“ –„Damit ließe sich die Zeit sicher am besten totschlagen, denke ich.“ ~~ Kapitel 11 Damit war schon mal geklärt wen ich in West City um mich haben würde. Das war gut. Mein Magen machte wieder dieses vertraute Kneifen, das ich nur zu gut kannte, wenn ich verknallt und scharf auf meine Eroberung war. Aber ich hatte weder Gummis noch sonst was im Haus. Das … war schlecht. Wenn er mich weiter so reizte, würde ich nicht länger von ihm lassen können. Nun wurde mir wieder heiß. Ich konnte ihm doch unmöglich an die Eier gehen, ich meine, er ist ein Kerl. Bwah! Ich klinge wie eins von diesen schüchternen Girlies. Dabei hatte ich doch schon alles gesehen und alles getan. Er war ein unheimlich lieber Junge und ging so unbedarft mit dem Thema um. Ein bisschen ungeschickt, aber das gefiel mir. Er war alles was sie nicht war. Sie hatte die Beziehung unter Kontrolle und mich dazu. Dann hing sie mit den anderen Jungs ab und fing an zu kiffen. Nun, wie es endete, wissen Sie ja schon. Ich aß nur als Alibi und es tat mir Leid, dass ich ihn schon wieder abgewürgt hatte. Er legte es förmlich darauf an, obwohl er nicht wusste was er da tat. Es war erbärmlich ihn ständig zu vertrösten. Das machte die Spannung in meiner Hose nur noch größer. Ich nahm eine andere Remote und schaltete auf einen Sportsender, wo ein Bericht über die Soccer World League lief. Chrys sah verspannt auf den Fernseher und seufzte. Er wurde immer verspannter je mehr Zeit verging. Nach einer Weile konnte ich es nicht mehr mitansehen. Ich zog ihn zu mir rüber und massierte seine Schultern und seinen Nacken. Er zuckte bei der ersten Berührung zusammen bevor er doch locker ließ. Er stöhnte erleichtert und ließ mich machen. Sein Hals knackte, als er sich zu mir drehte. „Danke“, flüsterte er. Ich grinste. „Kannst du öfter von mir haben. Musst nur fragen.“ Er lehnte sich gegen meine Brust und ich nutzte die Chance um an ihm zu schnuppern. Er roch auch ohne die Pheromone gut. Das gab meiner Erektion einen zusätzlichen Boost. „Oh-oh“, machte ich. „Was meinst du?“, fragte er leise, denn anscheinend war er kurz davor einzuschlafen. „Ach, nichts. Lass mich mal ‘ne Runde frische Luft schnappen. Ich gebe dir ‘ne Decke. Du siehst müde aus.“ –„Es geht schon. Ich komm’ mit.“ Er gähnte. „Nee, lass mal. Ich hab’ dich fürs Erste genug geschlaucht. Das Schlimmste steht dir noch bevor.“ Ich gab ihm die Decke vom anderen Ende der Couch. Chrys lächelte müde. Ich meinte, dass er bemerkt hatte wie ich mein riesiges Horn zurück hinter meine Hosenknöpfe brachte. Ich ging erst hinaus, als seine Brille auf dem Tisch lag und er sich aus der Couch ausgestreckt hatte. Draußen war es warm und ich streckte mich. Es war eindeutig Sommer, aber kein gewöhnlicher Tag seit meiner Trennung. Alles bis auf den Sport hatte ich aufgegeben und meine Umgebung wirkte dumpf und leer, hatte an Intensität verloren. Ich ließ mich auf eine der gepolsterten Gartenliegen fallen. Meine Fantasie sprang zurück unter die Dusche und tat wozu ich in der Realität den Mut nicht aufbrachte. Okay, okay! Ich geb ‘s ja schon zu. Ich hatte eine Weile beschissene Depressionen. So. Damit Sie nicht denken, dass ich eventuell doch Drogen genommen habe, während ich noch jung war. Ich hätte verdammte Tabletten nehmen sollen, aber das wollte ich nicht. Das zum Thema Intensität von was auch immer. Ich war krank vor Liebe und diese Krankheit – bevor ich endgültig in Sentimentalität zerfließe – besserte sich endlich. Ich nahm den süßen Duft der Blumen wieder wahr ebenso wie das Geräusch der Bienen. Also tat ich wozu ich hier raus gekommen war und es fühlte sich viel besser an als zuvor. Jetzt hatte er wirklich was gut bei mir. Deal hin oder her, damit war es für mich nicht erledigt. Ich wollte, dass er noch lange Zeit bei mir blieb. Ich wusch mir die Hände am Gartenschlauch und ging wieder hinein. Im Haus war es dunkler und kühler. Meine Haut prickelte. Ich war auf dem besten Wege wieder normal zu werden. So normal wie man eben werden konnte, wenn man das fühlte was ich fühlte. Ich wurde lila. Wollte ihn in den Arm nehmen, weil ich mich bedanken wollte. Stattdessen setzte ich mich auf den Sessel und las Englischvokabeln. Als ich das nächste mal auf meine Armbanduhr sah, war es schon Viertel vor sechs und Zeit rüber zu latschen. Vorsichtig stieß ich ihn an der linken Schulter an. „Aufwachen …“, flüsterte ich. Chrys’ linker Arm fiel von der Couch, als er sich auf den Bauch drehte. „Nur noch ein paar Minuten, Paps“, murmelte er. „Du kannst nicht ewig weiterpennen. Auf Verspätungen stehen meine Eltern gar nicht“, sagte ich etwas lauter und sah zu wie sich seine Augen langsam öffneten bevor er kerzengerade da saß vor Schreck. „Hey! Es ist alles in Ordnung. Du weißt doch hoffentlich noch wo du bist, oder?!“ Er schluckte und setzte seine Brille wieder auf. „Ja … Ich denke, ich weiß wo ich bin“, stammelte er und räusperte sich. Ich zog einen Mundwinkel hoch und betrachtete sein Gesicht. Ich mochte den dreigliedrigen Ohrschmuck, den er trug. Es passte zu ihm. „Bist du bereit dem Grauen entgegen zu treten?“, witzelte ich. „Weiß ich nicht. Da hab’ ich doch ein bisschen Angst“, gab er kleinlaut zu. „Beantworte nur ihre Fragen, aber über uns musst du schweigen. Ich will nicht, dass sie mir dich wieder ausreden.“ –„Ich versprech ‘s“, lächelte er und hob die Beine von der Couch damit ich mich daneben setzen konnte. „Meinst du, das mit uns wird funktionieren?“, fragte er und suchte meine rechte Hand. Ich gab sie ihm. „Hm … Klar doch“, entgegnete ich und stand auf, zog ihn auf die Beine und in meine Arme. Er fühlte sich vom Schlafen ganz warm an und ich genoss das kribbelige Gefühl meiner kalten Hände gegen seine Rücken. „Also los“, grinste ich und ging zur Tür. Er steckte seine Tropfen in die linke Hosentasche und folgte mir nach kurzem Zögern. „Lass deinen Mantel mal hier. Ist doch warm draußen. Außerdem weiß ich nicht warum du dieses schwere Ding immer mit dir rumschleppst.“ Ich klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter, die am Tag zuvor den Schlag eingefangen hatte. Er sah mich ängstlich an., als ich die Tür absperrte. „Ich hab’ dir echt Angst gemacht, was?! Sie werden dich schon nicht auffressen.“ –„Du hast gut reden.“ –„Nee, hab’ ich nicht. Ich muss mir Gedanken machen, ob Dad und Sineo die Klappe halten können. Wenn nicht, wird’s für mich brandgefährlich. Dann muss ich doch noch ein Schuljahr an der Militärakademie abreißen, wie Mom mir gedroht hat.“ Chrys sah aus als wollte er sich jetzt schon dafür entschuldigen, dass der Abend in einem Desaster endete. Dafür waren aber andere zuständig. So viel war gleich klar. Auf dem Weg zum Haupthaus sprachen wir kein Wort. Wir mussten - wie es bei uns zu offiziellen Geschichten üblich war - den Haupteingang benutzen, wo ich klingelte, obwohl ich doch ganz bequem hätte aufschließen können. Elsa – unser Hausmädchen – öffnete mit versteinerter Miene wie es das Protokoll verlangte. Blödes Protokoll. Es war vollkommener Blödsinn aber meine Mutter bestand drauf. Wir waren doch kein Stück adelig, aber sie wollte zeigen was wir hatten und wie wir wohnten. Protzen. Angeben. Nennen Sie es wie Sie wollen. Wir waren reich, okay, aber dieser Tumult war zu viel. Das Rivar-Anwesen erinnerte unter ihrem Einfluss mehr und mehr dem Satan Mansion im Norden der Stadt. Zu viel. Definitiv. Schluss. Aus. Elsa war endzwanzig und eigentlich ganz ansehnlich, aber nicht mein Typ. Sie gehörte zu denen, die man regelmäßig in den Pausen beim Telefonieren erwischte. Sie bimmelte mit der kleinen Glocke an ihrem Schürzensaum. Wie immer würde nun einer unserer vier Butler erscheinen und uns ins untere Wohnzimmer führen. Und wie immer geschah auch genau das. Glücklicherweise ließ sich Sineo nichts anmerken, als er uns führte. Angekommen, wurden wir angewiesen uns nebeneinander auf die Couch zu setzen. „Darf ich den jungen Herren etwas zu trinken bringen?“, fragte er steif. „Bring mir ‘n Bier“, grinste ich. Chrys lehnte das Angebot ab. „Sehr wohl“, entgegnete Sineo und machte sich zur Küche auf. Ich wusste, es würde erst weitergehen, wenn ich mein Bier bekommen hatte. Chrys wischte sich nervös seine Hände an der Hose ab. „Hätt’ ich mir ‘nen Martini bestellen sollen – geschüttelt, nicht gerührt?! Das war um uns etwas Zeit zu verschaffen. Nimm mal gleich so ‘n paar von deinen Tropfen, sonst kippst du gleich um.“ –„Ist nicht nötig“, entgegnete er tonlos. „Wär’ aber besser. Mein Alter rauch ziemlich heftige Zigarren. Du siehst jetzt schon nicht mehr aus wie der junge Frühling. So ‘n bisschen blass um die Nase.“ Er schluckte hart und nahm sicherheitshalber doch welche ein. Einen Augenblick später stellte Sineo das Bier auf einem Untersetzer auf dem Couchtisch ab. Chrys wurde lila, als Sineo uns zuzwinkerte. Ich kapierte es erst nicht und sah unseren Butler prüfend an ehe ich’s begriff. „Warum weiß er davon?“, fragte er leise und ich hörte die Panik in seiner Stimme. Er wurde noch ein bisschen blasser. „Ich werde jetzt Ihren Herrn Vater herein bitten. Entschuldigen Sie mich“, sagte Sineo so steif wie zuvor und ging wieder. „Wir brauchen ihn als unseren Verbündeten. Außerdem ist er ein guter Freund von mir. Er kann für uns Augen und Ohren offen halten“, flüsterte ich zurück. „Wer flüstert, der lügt, Forte“, grinste mein Vater mit seiner Lesebrille auf der Nase und ließ sich von Sineo eine von seinen fiesen Zigarren geben, die er selbst schnitt und mit einem Streichholz entzündete. Dann ließ er sich in den Sessel an Chrys’ Seite fallen. Chrys schob ihm wortlos den Aschenbecher aus der Mitte des Tisches rüber. „Danke. Sehr aufmerksam“, grinste mein Vater mit der Zigarre zwischen den Zähnen. Während er paffte, versuchte ich seine Züge zu lesen. Chrys hielt sich die linke Hand vor den Mund und hustete kräftig. Ich saß daneben und hatte Angst, dass er gleich am Rauch erstickte. Vater legte die Zigarre auf den Rand des Aschenbechers und grinste mich an. Gleich würde es rund gehen. „Ich möchte mich bei Ihnen für die Unannehmlichkeiten von vorhin entschuldigen“, hustete Chrys und streckte meinem Vater die rechte Hand entgegen. Dabei sahen sie sich direkt an. Nun wurde Vater lila und ich verkniff mir zu lachen. Das war hart, kann ich Ihnen sagen. „Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen, junger Mann Ich hätte Sie nicht auf diese Weise erschrecken dürfen“, entgegnete Vater und schüttelte Chrys’ Hand, nahm dann einen weiteren Zug seiner Zigarre. „Darf ich mal Ihren Ausweis sehen? Ich tue das nicht gerne, aber nach den Vorfällen des letzten Monats ist es zur Gewohnheit geworden Fortes Besucher zu überprüfen.“ Chrys sah mich fragend an. Ich verzog das Gesicht und senkte den Kopf. „Ja, mach nur“, sagte ich tonlos und hängte noch ein theatralisches Seufzen hinten dran. Chrys zog seinen Personalausweis aus seiner Brieftasche und gab ihn Vater. Der überprüfte Vorder- und Rückseite, rieb das Material und gab den Ausweis zurück. „Wollte schon fragen, ob du ‘ne Lupe brauchst“, grummelte ich. „Nicht nötig, Sohn. Der Ausweis ist echt und der Junge auch.“ Ich dachte: „Und wie echt der ist.“ Ich wurde lila bei dem Gedanken, dass ich was Vater gesehen hatte, sogar anfassen konnte. Das war schon wieder gefährlich und so trank ich mein Bier auf ex um mich abzukühlen. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und rülpste. Vater schüttelte den Kopf. „Benimm dich“, grinste er. Meine Mutter hätte einen riesigen Aufstand angezettelt deswegen, aber Vater war nicht so was mir Tausendmal lieber war. Er nahm seine Lesebrille ab, mit der er in den Raum gekommen war und steckte sie in seine Brusttasche. „Vielleicht können Sie aus meinem Sohn einen besseren Menschen machen“, witzelte er. Chrys kratzte sich verlegen am Kopf. Er wollte etwas sagen, aber ich unterbrach ihn. „Dad, das ist Quatsch! Wir sind keine Menschen. Keiner von uns dreien und sein Vater auch nicht! Erzähl doch nicht so was!“ –„Das ist doch nur eine Redensart. Du weißt doch was ich meine.“ Ich knurrte leise. „Sie scheinen mir ein ganz verständiger Junge zu sein. Sie wissen doch sicher worauf ich hinaus will, nicht wahr?!“ –„Ich … ähm … Ja … Ich denke schon, dass ich es weiß“, stotterte Chrys mit lila Gesicht. „Sag mal, wie kommst du darauf solche Fragen zu stellen?“, warf ich dagegen. „Solche Fragen kann ich euch nur stellen, wenn deine Mutter und deine Schwester nicht in Hörweite sind.“ –„Na gut.“ Ich lehnte mich auf der Couch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Also, dann Klartext. Mögen Sie meinen Sohn?“ –„Was?!“, fauchte ich. Ich spürte wie bei dieser Frage meine Gesichtszüge entgleisten. Chrys hielt für einen guten langen Moment den Atem an. „Ja, das tue ich. Ich mag ihn sogar sehr“, atmete er aus und sah mich an als hätte ich ihm dafür eine verpassen müssen. „Das wollte ich wissen“, grinste Vater, nahm seine Zigarre und lehnte sich zurück. „Ich habe Ihre Adresse gelesen. Wo liegt das genau? Ich kann’s mir gerade beim besten Willen nicht vorstellen.“ –„Ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Buchladen an der Fünfzehnten kennen. Der Laden gehört meinem Vater.“ –„Wenn ich mich recht erinnere … Ach, das waren die zwölftausend Zenie Mietschulden.“ Chrys wurde noch blasser, obwohl ich dachte, es ginge nicht mehr schlimmer. „Autsch“, machte ich. Was für ein unglaublicher Fehltritt war das denn bitte?! „Zwölftausend? Ich wusste ja, dass es schlimm ist …“, schniefte er. Ich hätte ihn gerne in den Arm genommen, stattdessen fing ich ‘ne neue Diskussion mit Vater an. „Wenn ich kein Benehmen gelernt habe, liegt das nur daran, weil du immer mit der Tür ins Haus fallen musst!“, fauchte ich. „Kannst du ihnen nicht einen Tel der Schulden erlassen? So etwa alles?!“ –„Du bist wohl kaum in der Position um hier irgendwelche Forderungen zu stellen, mein Lieber!“ –„Du hast doch keine Ahnung wie runtergekommen das Haus ist, in dem die Familie wohnt! Und das alles nur, weil ihr downtown den Arsch nicht hoch kriegt!“ Schweigen. „Ist schon gut … Streiten Sie sich nicht“, schniefte Chrys und wischte sich die Tränen weg. „Sie werden Ihr Geld schon noch bekommen, Herr Rivar. Der Scheck ist schon in der Post.“ Ich hatte mich so sehr aufgeregt, dass ich aufgesprungen war um noch viel lauter zu brüllen. Aber der Zorn wurde nun ersetzt durch - ich weiß nicht wie ich’s anders bezeichnen soll - Hilflosigkeit. Das ganze schöne Preisgeld ging nun zurück an die Firma, aber es reichte längst nicht um die Schulden zu tilgen. „Ich würde euch beiden gerne zusehen wie ihr euch zerfetzt, aber es wird Zeit fürs Dinner“, sagte Mutter ruhig, als sie im Türrahmen erschien. „Natürlich, Liebes. Aber dieser Streit ist beendet. Die Sitzung heut Vormittag hat schon mehr als genug Kraft gekostet.“ Vater wuchtete sich aus dem Sessel und folgte meiner Mutter ins Esszimmer. Ich ließ mich wieder auf die Couch fallen. „So viel Geld können wir beim besten Willen nicht aufbringen. Verdammt! Hätte ich das gewusst … Ich glaube, ich würde mich …“ –„Denk so was nicht mal. Wenn mir etwas einfällt, werd’ ich dir helfen, Chrys. Aber jetzt hast du’s mal erlebt. So geht’s hier immer zu.“ –„Du hättest dich aber nicht mit deinem Vater anlegen dürfen. Der ist doch bestimmt immer noch wütend auf dich. Ist doch in Wirklichkeit meine Schuld.“ –„Ach, Quatsch. Dad weiß doch wie’s gemeint war. Er findet ‘s geil mich auf die Palme zu bringen. Er mag dich. Hab’ ich gleich gesehen.“ –„Warum sagt er dann so was?“ –„Das Haus ist nur ein Posten für ihn. Uns gehören Immobilien in der ganzen Stadt und wenn er’s sich nicht anders merken kann, ist das sein Problem. Ich entschuldige mich für ihn.“ Chrys seufzte und ich streichelte ihm über den Rücken. „Na ja, ist schon gut. Ich hätte es eh früher oder später erfahren.“ Er lehnte sich gegen meine Schulter. Langsam bekam er auch wieder Farbe im Gesicht. „Danke, dass du ehrlich bist was mich betrifft. Das mag ich an dir.“ –„Ach, das meinst du. Ja. Das war die Wahrheit.“ Er wurde lila und wich meinem Blick aus. „Denke dann, dass ich die Flirtphase damit eindeutig abgeschlossen habe, nicht?!“, grinste ich und half ihm auf die Füße. Jetzt suchte er für einen Moment den Augenkontakt. „Das hast du wohl“, sagte er leise. „Na, kleiner Bruder, darf ich Sihai jetzt verraten, dass sie mit ihrer Vermutung Recht hatte?“, piekte Meiko von der Tür aus. Ich rollte mit den Augen und zeigte auf sie. „Darf ich vorstellen? Chrys, das ist Meiko, der dritte Teil der Katastrophe“, sagte ich trocken. „Du bist doch hier die viel größere Katastrophe. Weiß Mom schon, dass du dich jetzt auf Jungs verlegt hast?!“ –„Was mach’ ich denn?! Bloß, weil dieses Jahr kein Mädchen gewonnen hat, machst du mir jetzt ‘ne Szene, oder was?! Du hast ‘nen Sockenschuss!“ –„Und du hast deine Tabletten nicht genommen!“ –„Für was denn, bitte schön?!“ –„Für deine grenzenlose Blödheit, du depressiver Quatschkopf!“ Ich zeigte ihr den Mittelfinger. „Du kannst mich!“ –„Das bietest du besser einem deiner Kumpels an!“ –„Halt die Klappe! Ich sabotier’ dein Leben auch nicht!“ –„Nee, stimmt! Außer, dass meine Freundinnen schon über mich lachen!“ –„Du hast Freundinnen? Wie?! Nicht nur eine? Oder ist Axis jetzt ein Mädchen?!“ –„Ach, Forte, deine Feinde sind meine Freunde!“ Sie grinste fies, weil ich darauf keine Antwort mehr hatte. Sineo erschien hinter ihr und räusperte sich. „Darf ich um etwas Mäßigung bitten, Fräulein Meiko? Sie und die jungen Herren werden bei Tisch gewünscht.“ Meiko seufzte und ging ins Esszimmer. Was mit Vater Spaß war, war mit ihr bitterer Ernst. Wir drei stießen gleichzeitig ein erleichtertes Seufzen aus. „Ihr müsst euch echt zusammenreißen. Nicht anfassen, nicht ansehen. Dann kommt ihr vielleicht davon“, sagte Sineo. Chrys und ich nickten. Meiko hatte ihm noch mehr Angst gemacht als Vater vorher. „Einen Moment noch“, bat ich und Sineo ging. „Ich wär’ am liebsten auch woanders, glaub mir“, flüsterte ich und nahm seine Hände. Sie zitterten vor Angst. „Du, ich kann das nicht“, flüsterte er zurück. „Geht nicht anders. Wir müssen jetzt da rüber und den Abend hinter uns bringen. Da hilft alles nicht.“ Ich ließ widerwillig seine Hände los und ging vor, wartete an der Tür bis er mir folgte. Am Esszimmer angekommen musste ich ihn wieder protokollmäßig vor mir eintreten lassen. Sineo bot ihm den Platz gegenüber von Mutter an. Vater saß wie immer an der Stirnseite des Tisches und Meiko saß ihm gegenüber. Ich saß - und das mochte ich am allerwenigsten - zwar neben Chrys, aber an Meikos Seite. Sie bohrte mir erst mal aus reiner Gehässigkeit den Hohen Absatz ihres linken Schuhs in den rechten Fuß. Ich zischte vor Schmerzen und funkelte sie böse an. Sie grinste bloß. „Forte und Meiko, gebt endlich Ruhe“, sagte Mutter trocken und trank einen Schluck Weißwein. Ich ließ mir nicht anmerken wie sehr der Fuß nach dieser Attacke schmerzte. Chrys sah verschüchtert auf seinen Platzteller. „Kopf hoch, Junge. Wie fühlen Sie sich?“, fragte Mutter. „Zuallererst möchte ich mich bei Ihnen für die Einladung bedanken“, sagte er leise. „Keine Ursache“, antwortete Vater für sie. „Grins nicht so blöd“, zischte ich Meiko an. „Weißt du was dein Problem ist, kleiner Bruder?!“ –„Ja. Das weiß ich. Mein Problem bist du.“ Ich trat ihr vor’s Schienbein und sie schrie auf. „Bastard!“ –„Zicke!“ Vater schlug mit der Faust auf den Tisch. Chrys zuckte ängstlich zusammen. „Könnt ihr euch das für später aufheben, Kinder?! Das alles schon vor dem Hauptgericht … Wer hat angefangen?“ Ich zeigte auf Meiko und sie zeigte auf mich. „Ich würde mich darüber freuen, wenn ihr zwei euch ein Mal altersgemäß benehmen könntet“, stöhnte Mutter genervt und orderte sich schon vor dem Salat ein zweites Glas Wein. Als der Salat kam, herrschte eine Weile stilles Kauen. Ich sah zu wie Chrys die Paprika aus seinem Salat sortierte, also machte ich es ihm nach. Vater seufzte und langte zu Mutters rechtem Ellenbogen rüber. Das bedeutete, dass sie den Abend etwas abkürzen wollten. Ich streckte Meiko die Zunge raus und aß auf was nach dem Sortieren noch übrig geblieben war. Sie würde mich nicht verpetzen können, wenn unsere Eltern mit sich selbst beschäftigt waren. Sie würden ihr schlicht gar nicht zuhören. Dann wurde die Vorspeise ab- und der Hauptgang aufgetragen. „Sagen Sie, warum habe ich Sie noch nie bei der Mannschaft gesehen?“, fragte Mutter. „Er spielt kein Fußball, Mom“, antwortete ich und trank von der Cola, die ich mir geordert hatte. „Forte, er kann auch selber antworten“, sagte sie vorwurfsvoll. „Sorry“, grummelte ich. „Verzeihen Sie. Ich darf nicht spielen, weil ich leider Asthmatiker bin“, entgegnete Chrys leise. „Das tut mir Leid für Sie“, gab sie zurück. Chrys seufzte und sah betreten auf seine Knie. Dafür bekam sie einen Pluspunkt von mir. Sie versuchte nett zu sein. „Dann ist es ja noch schlimmer als ich gedacht hab’!“, lachte Meiko. „Was meinst du damit?“, fragte Mutter. „Sie hat nur gedacht, Mom. Darf ich ihr jetzt den Nobelpreis überreichen?“, witzelte ich. Vater lachte. „Der war gut, Junge!“ Meiko wurde ganz rot im Gesicht. „Dad, du bist doof“, quengelte sie. „Arcus, Meiko und Forte, ihr seid echt nicht zu gebrauchen. Unser Gast denkt jetzt sonst was über uns.“ Mutter rollte mit dem Augen. Chrys wurde lila und lächelte dünn. „Nein, nein. Es ist schon in Ordnung.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, weil er die ganze Zeit zuhörte. Das war immer noch weit entfernt von unserer üblichen Lautstärke. Also hielt ich während des übrigen Abends Meiko auf Trab und Vater flirtete mit Mutter. Nach dem Nachtisch und diversen Gläsern Wein später entspannte sich die Lage endlich ein bisschen. Mom und Meiko hatten sich schon mit Wein abgefüllt, als sich Vater eine neue Zigarre anzündete. „Probieren Sie doch mal ein Glas Brandy. Gibt Ihnen sicher wieder etwas Farbe ins Gesicht“, grinste Vater und drückte Chrys eines der beiden viertelvollen Brandygläser in die Hände. Ich hatte mich wieder aufs Biertrinken verlegt und sah nur aus dem Augenwinkel wie er das Glas mit einem Zug leerte. Ich machte große Augen und dachte, dass er sich vielleicht den Magen verdorben hatte. Das blöde Zeug war mir viel zu stark. Einige Minuten später waren seine Wangen vom Alkohol lila geworden. Das sah aber noch viel ungesünder aus. Der Alk war ihm blitzartig in den Kopf gestiegen. „Nicht so hastig, junger Freund“, grinste Vater und stelle sein inzwischen ebenfalls leeres Glas auf dem Tisch ab. „ich glaube, der Abend ist beendet. Dürfen wir aufstehen?“, fragte ich. „Natürlich dürft ihr das. Ich werde sehen, dass Alvarez mir mit dem Frauen hilft und dann ist hier Schicht im Schacht. Wegen der Sache mit den Schulden sprechen wir uns noch mal“, antwortete Vater, stand auf und nahm Mutter in den Arm. Sie hickste und winkte schwach zum Abschied. Meiko machte eine Geste, dass ich doch endlich verschwinden sollte und stützte ihren schweren Kopf mit einem Arm am Tisch ab. „Komm mit“, forderte ich, aber Chrys konnte kaum noch auf den Beinen stehen. „Meinst du, du bringst ihn noch bis nach drüben, Junge? Ist besser du behältst ihn heute Nacht da. Ruf’ noch bei seinen Eltern an, ja?! Aber sag ihnen nicht, dass er betrunken ist, sonst machen sie sich nur Sorgen“, sagte Vater besorgt. „Ich denke, das klappt schon Wie schwer kann er schon sein?! Habt ihr Morgen Bock auf Brunch? Dann können wir uns noch mal nüchtern über die Schuldengeschichte unterhalten. Tut mir Leid wegen vorhin.“ –„Danke, aber du hast schon Recht. Ich werde Montag das Haus ansehen und zusehen, dass ich den Kerl von der Sanierungsstelle an die Strippe bekomme. Musst mir aber versprechen, dass du lernst. Egal was, Hauptsache ich lande nicht wieder für Wochen auf der Couch. Klar?!“ –„Ist klar. Gute Nacht.“ Chrys’ Augen gingen nur noch halb auf. Der würde von selber nirgendwo mehr hingehen. „Komm her, Schnapsleiche“, grinste ich und nahm ihn Huckepack. Meiko bekam einen üblen Lachflash. „Reiß dich zusammen und würg mich nicht“, ächzte ich und machte mich durch den Seiteneingang zum Poolhaus davon. Als die Tür ins Schloss fiel, seufzte ich erleichtert. Ich mochte wie er gegen meinen Rücken drückte und wie leise er an meinem rechten Ohr atmete. Das jagte mir bei jedem Schritt einen Schauer über den Rücken. An der Tür musste ich ihn allerdings absetzen um aufzusperren. „Du hast Glück, dass ich nicht so einer bin, der ‘s ausnutzt, wenn die Beute betrunken ist“, sagte ich ernst. „Warum nicht?“, murmelte er und stolperte mir in die Arme. „Weil ich nicht so vorgehe. Darum. In der Hinsicht bin ich gut erzogen.“ Davon mal ab, dass sich nach dem ganzen Alk so und so nichts mehr rühren würde. Wieder vertröstet. Verdammt! „Mir ist übel“, murmelte er. „Ich steck’ dich jetzt gnadenlos ins Bett, kapische?!“ –„Kommst du mit?“ Ich seufzte. „Nein. Dafür wirst du mir noch dankbar sein. Ich möchte, dass du gesund und nüchtern bist.“ Ich stützte ihn bis zur Stufe hinunter in den Wohnbereich und gab der Tür einen Tritt damit sie zu schnappte. Dann nahm ich ihn wieder auf den Rücken. Ich konnte ihm nicht böse sein. Dafür mochte ich ihn einfach viel zu gerne. Er hatte sich gut geschlagen bei meinen Eltern. Im Schlafzimmer legte ich ihn aufs Bett. Nun bekam er die Augen gar nicht mehr auf. Umständlich knöpfte er sein Hemd auf und zog die Hose aus. Dann ließ er sich nach hinten fallen. Ich kämpfte mit mir. Einerseits turnte es mich unheimlich an wie er da lag. Andererseits war es nicht richtig mich an ihn heranzumachen, während er im Rausch war. „Magst du mich nicht mehr?“, fragte er benommen. „Wie kommst du denn auf so was?! Natürlich mag ich dich.“ Hatte ich das gerade wirklich gesagt? „Das ist schön“, flüsterte er und kratzte sich am Bauch. „Ich bleibe so lange bei dir bis du eingeschlafen bist, okay?!“ Er nickte und schlüpfte mit letzter Kraft aus seinem Hemd bevor die Arme zu schwer wurden. Ich hob seine Beine ins Bett und deckte ihn zu, nahm ihm seine Brille ab und legte sie auf den Nachttisch. „Ich hab’s vermasselt“, murmelte er und machte ein ausgesprochen trauriges Gesicht. „Hey, du hast gar nichts vermasselt. Ich will bloß nicht mit dir schlafen, weil du betrunken bist. Wenn ich’s tät, würdest du mich dafür hassen. Du bedeutest mir so viel, dass ich abwarten werde was passiert.“ Er zog einen Mundwinkel hoch und wirkte etwas erleichterter. „Aber ich darf dich doch ein bisschen anfassen, während ich abwarte, ja?! Dann fällt ‘s mir leichter.“ –„Mhm“, machte er und rutschte ein Stück zur Seite. Ich stieg aus meinen Jeans und warf das Hemd auf den Sessel. Schon steckte ich mit ihm unter der Decke. Ich klatschte in die Hände und das Oberlicht schaltete sich aus, dafür ging die Nachttischlampe an. Für einen Moment sah ich nur in sein Gesicht. Dann langte ich rüber und küsste ihn auf den Mund. Plötzlich schwang sein rechter Arm rum und setzte mich in dieser Position fest. Erst sah ich ihn noch verwundert an, denn ich konnte nicht anders als den Kuss zu vertiefen. Seine Hand war an meinem glatten Hinterkopf, an meinem Nacken, an meinen langen spitzen Ohren. Ich kämpfte mit mir um die Kontrolle zu behalten. Wollte ihm sagen, dass er langsam machen sollte, aber ich konnte in dem Moment nicht aufhören zu küssen. Ehe ich mich versah, lag ich halb auf ihm drauf meine freie Hand an seinem rechten Oberschenkel auf dem Weg in seine Shorts. Er bäumte sich unter mir auf, als ich die Innenseite des Oberschenkels berührte. „Ich kann’s nicht“, stöhnte er und brachte die Augen einen Spalt weit auf. Ich lächelte. „Ist okay. Mach dir keine Sorgen. Ich lauf’ dir nicht weg. Versuch’ zu schlafen. Es ist alles gut“, sagte ich leise und ließ ihn los. Chrys seufzte und rollte sich auf seine rechte Seite. Ich knipste das Lämpchen aus und horchte in die Dunkelheit. Als er eingeschlafen war, überlegte ich und entschied, nicht im Wohnzimmer zu schlafen. Dazu war ich selber schon zu müde und im Bett neben ihm war es wunderbar warm, also drehte ich mich auf meine linke Seite und schlief ebenfalls ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)