Heart Over Mind von Sitar-sama ================================================================================ Kapitel 17: Kapitel 14 ---------------------- *Telefonklingeln, Abheben* „Forte Vaidur-Rivar?!“ –„ …“ –„Nein … Nein …“ –„ …“ –„Klär das Montag mit meinem Management ab. Es bring nichts, wenn du noch ein duzend Mal hier anrufst. Von mir bekommst du keine Zusage.“ –„ …“ –„Aha … Nein … Das will ich gar nicht wissen.“ –„ …“ –„So, so … Nee, das hat mir schon bei dem letzten Shooting nicht gepasst.“ –„ …“ –„Sei doch nicht so verdammt aufdringlich!“ –„ …“ –„Ja …“ –„ …“ –„Nein, der hört nicht mit. Ich werden mich nicht noch mal darauf einlassen.“ -“ …“ –„Du, ausgerechnet du sagst mir wie unprofessionell diese Einstellung ist?! Ist dir das Silikon in den Kopf gestiegen?!“ –„ …“ –„Hör doch auf!“ –„ …“ –„Lüg nicht! Ist doch wirklich kein Geheimnis.“ –„ …“ –„Warum fragst du das?! Da müsste ich mal drüber nachdenken.“ –„ …“ –„Och, da würde mir einiges einfallen.“ -“ …“ –„Interessiert mich wirklich nicht. Was regst du dich so auf? Du hast mit der Agentur so und so keinen Vertrag.“ –„ …“ –„Natürlich werde ich dafür sorgen, dass du gar nicht erst einen bekommst.“ –„ …“ –„Na und?! Was willst du dagegen tun? Die Bilder sind augenblicklich im Papierkorb gelandet.“ –„ …“ –„Nein. Ich hatte meine Hände da nicht mit im Spiel.“ –„ …“ –„Musst du immer auf Tatsachen herumreiten?“ –„ …“ –„Jetzt halt mal den Ball flach, ja?! Beschimpf mich aber lass ihn außen vor! Das Gremium aller Partner hat das beschlossen!“ –„ …“ –„Bloß weil er ein Senior-Partner ist? Biste bekloppt?!“ –„ …“ –„Ja, das ist wohl nicht dein Problem! Dann geifert eben einer weniger deinen Plastikbrüsten hinterher.“ –„ …“ –„Ach, leck mich!“ –„ …“ –„Davon bin ich überzeugt. Ich will dich überhaupt nicht anfassen, du blöde Kuh! Das stand so im Script. Geht das nicht in dein Hirn?“ –„ …“ –„Mensch, ich bin verheiratet! War's das jetzt?!“ –„ …“ –„Ja, da bin ich sehr stolz drauf. Nerv bei einer anderen Agentur rum. Und Tschüß!“ *Türöffnen* „Was ist denn los, Forte?“ –„Entschuldige. Ich wollte dich nicht stören.“ –„Ist schon gut. Ich war sowieso gerade mit dem Lesen fertig. Wer ruft hier auf einen Sonntag Nachmittags an, dass du so an die Decke gehst?“ –„Isis.“ –„Weil wir das Shooting gecanceled haben, nehme ich an.“ –„Stell mich bitte nie wieder mit dieser Person vor die Kamera. Niemals.“ –„Das wird sich schon irgendwie drehen lassen.“ –„Danke, Chrys. Rettest mir wieder mal meinen Arsch. Montag ruft sie in der Agentur an.“ –„Wir werden nicht da sein.“ –„Oh? Wieso?“ –„Wir haben morgen um halb zehn einen Termin bei Doktor Rubinn. Dann gehen wir mit meinem Vater etwas essen und danach auf den Friedhof.“ –„Ich dachte, Olivias Praxis ist Montags geschlossen?“ –„Morgen nicht. Also nicht für uns …“ –„Ich muss mich setzen. Du hast ihr brühwarm von unserem Kinderwunsch erzählt?!“ –„Nicht direkt. Ich habe in einem Nebensatz das Wort ‚Fertilität’ fallen lassen. Du weißt doch, wie neugierig sie ist. Darauf ist sie sofort angesprungen und hat mir einen Termin aufgedrückt.“ –„Sehr berechenbar, nicht?! Aber, dass du es wirklich fertig bringst und sie anrufst … Das tust du jetzt aber nicht für mich, oder?! Ich möchte es nicht, wenn du es mir nur recht machen willst.“ –„Nein. Ich habe es getan, weil wir beide es wollen. Es ist auch nicht so, dass Paps mich jetzt dazu angestachelt hätte. Das war meine eigene Entscheidung diesen Termin auszumachen.“ –„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Sag mir, dass es kein Traum ist, Chrys.“ –„Nein, du träumst nicht. So gerührt von etwas erlebe ich dich selten.“ –„Kannst du dir vorstellen wie glücklich du mich mit deiner Entscheidung machst?“ –„Ungefähr so glücklich wie du mich damals mit dem Antrag gemacht hast. Nun wein’ doch nicht gleich. Das muss Paps nicht unbedingt sehen.“ –„Oh … Hatte ich ganz vergessen. Wie willst du ihm verklickern, dass wir Vormittags für ein paar Stunden verschwinden? Er wird doch wissen wollen wohin wir gehen und wenn du ihm erzählst, dass wir gemeinsam zu einem Arzttermin müssen, macht er sich sicher noch mehr Sorgen um dich.“ –„Ich sage, wir treffen uns mit dem Verleger auf einen Kaffee im Verlag. Das ist durchaus glaubwürdig.“ –„Du lügst deinen Vater an?“ –„Es ist nur eine kleine Notlüge bis wir Gewissheit haben. Ich möchte nicht noch weiter gelöchert werden.“ –„Lass dich küssen.“ –„Oh … Oh … Du hast doch gesagt, dass du hier nicht willst.“ –„Ich darf doch meine Meinung ändern.“ *Klopfen an der Tür, Eintreten* „Mist.“ –„Steck dein Hemd wieder in die Hose.“ –„Oh! Ich komme wohl ungelegen, nicht?!“ –„Öhm … Paps … So ist das nicht. Forte wollte bloß einen Bluterguss untersuchen.“ –Ich bin doch nicht so dumm und erkenne nicht was das werden sollte. Chrys, du konntest noch nie gut lügen. Ihr habt euch dafür entschieden. Ich sehe es an deiner Nasenspitze.“ –„Schau mich nicht an. Für mich siehst du aus wie immer. Ciasto, wie kommen Sie darauf?“ –„Das ist ganz einfach. Mein Sohn entscheidet immer mit dem Herzen. Das hat sich nie geändert.“ –„Na gut. Dann wollten wir uns eben gerade die Couch versauen.“ –„Ist schon gut. Das hier ist schließlich eure Wohnung.“ –„Bist du jetzt beleidigt, Paps?“ –„Nein. Ich freue mich für euch. Das sind wunderbare Nachrichten, Jungs.“ –„Danke, Paps.“ –„Okay. Ich bevorzuge Chinesisch heute. Hat noch jemand Hunger? Das muss doch gefeiert werden.“ –„Nichts dagegen.“ –„Von meiner Seite auch nicht, Jungs. Bestellt aber keinen Hund.“ –„Hund? Ach so! Du wirst dich wundern. Der Bote ist ein Hund.“ –„Chrys, du hast die Pointe versaut.“ –„Ist doch egal. Ich werde jetzt weitertippen bis das Essen kommt.“ ~~ Kapitel 14 Ich fühlte mich verloren und betrogen. Das aus Rivars Mund zu erfahren, war für mich ungleich schlimmer als es gar nicht zu wissen. Ich wollte nach Hause, musste nach Hause um herauszufinden wie bitter die Wahrheit wirklich war. Während sich meine Tränen frei einen Weg bahnten, sah ich, dass Forte die Wut über die unbedachte Äußerung seines Vaters zurück biss. Die ganze Zeit versuchte er Schaden von mir abzuwenden, aber darauf war auch er nicht vorbereitet gewesen. Mehr denn je wünschte ich mir nicht zu existieren. Zitternd stand ich auf und wandte den Blick ab. Forte knurrte seinen Vater verächtlich an bevor er etwas tat, das ich nicht erwartet hatte. Er kam zu mir und nahm mich vor den Augen seines Vaters in die Arme. „Komm. Ich bringe dich nach Hause“, sagte Forte sanft und streichelte meinen Rücken. „Entschuldigt. Ich wusste nicht, dass er so reagieren würde“, sagte Fortes Vater betroffen. „Du …! Siehst du was du angerichtet hast?! Hättest du nicht ein bisschen mehr Feingefühl zeigen können?!“, brüllte Forte. „Bring mich bloß von hier weg“, schluchzte ich. Ohne weitere zornige Worte zu verlieren, verließen das Hauptgebäude des Anwesens. Auf halbem Weg zum Bungalow wurde mir einen Moment schwarz vor Augen. Mein Herz raste. Er nahm mich wieder in die Arme. „Hey, Chrys, gib’ nicht auf, okay?! Ich bringe dich zum Auto. Warte da. Ich hole deine Sachen.“ –„Ja“, nickte ich erschöpft. Wie konnte meine Mutter nicht meine Mutter sein? Ich verstand es nicht. Sie war doch für mich da gewesen seit ich denken konnte. Ich liebte sie doch und bisher war ich davon ausgegangen, dass sie mich auch liebte. Was glaubte der da oben für ein krankes Spiel mit mir spielen zu können? Was sollte dieser ganze Wahnsinn? Obwohl Arcus Rivar den Mund gerne weit aufmachte, sprach er doch immer die Wahrheit. Forte stützte mich die letzten Meter zum Wagen und ließ mich einsteigen. Ich atmete schwer, bekam kaum Luft. „Dummer, alter Mann“, knurrte Forte im Weggehen und meinte damit seinen Vater. Mir war mit einem Mal unglaublich kalt. Meine Zähne klapperten und die Tränen liefen ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Nach ein paar Minuten, die mir wie Stunden vorkamen, kehrte Forte zurück. Wortlos hängte er mir meinen Mantel um, als er sah wie sehr ich zitterte. Eilig warf er die anderen Sachen in den Kofferraum bevor er einstig. Bevor er sich anschnallte, streichelte er mir noch über meine linke Wange und ich lehnte mich dankbar dagegen. Er stutzte und fühlte meine Stirn. Er biss sich auf die Lippe, gurtete sich an und jagte seinen Wagen mit quietschenden Reifen vom Parkplatz auf die Straße. „Hättest du nicht ‘nen Ton sagen können?“, fragte er besorgt. „Ich weiß nicht was du meinst“, hustete ich. Forte seufzte. „Kein Wunder, dass du so frierst. Du hast Fieber.“ Ich fühlte innerlich nichts, doch dann fühlte ich selbst meine Stirn. „So ein Mist“, schimpfte ich resignierend und lehnte mich im Sitz zurück. Wieder mal kam alles zusammen was nicht zusammentreffen durfte. „Wie du aussiehst, sollte ich dich lieber gleich ins Krankenhaus bringen anstatt nach Hause.“ Ich antwortete nicht, denn ich war zu sehr mit dem Atmen beschäftigt, das mir immer schwerer fiel. Downtown scheuchte er das Auto über eine Wochenends stille Baustelle um den Weg abzukürzen. „Weißt du wie gefährlich das ist was ich hier mache?!“, grummelte er und preschte haarscharf an der anderen Seite durch den Ausgang im Bretterzaun. „Danke“, keuchte ich nur. „Sturkopf“, murmelte er. Ich seufzte. „Du bist krank, Mann! Warum willst du jetzt nicht ins Krankenhaus?!“, fauchte er nun. Ich wollte ihm beinahe an den Kopf werfen, dass ich mir weder das Krankenhaus noch Fehltage in der Schule leisten konnte. Das eine, weil wir es uns finanziell nicht leisten konnten und das andere, weil wir bald mit Klausuren und den Abschlussprüfungen konfrontiert würden. Aber ich konnte es nicht. Minuten später legte er in unserer Einfahrt eine halsbrecherische Vollbremsung hin. Ich hatte meine letzten Körperkräfte gesammelt und rannte zur Hintertür des Hauses, schloss auf und stürmte ohne die Tür hinter mir zu schließen hinauf in den ersten Stock. Während Vater im Badezimmer kramte, wetzte ich vorbei und ohne anzuklopfen ins Elternschlafzimmer. Sie saß auf dem Bett und zog sich die Schuhe vom Spazieren gehen aus. Sie lächelte, aber ich war nicht aus dem Konzept zu bringen. „Erzähl mir wie ich geboren wurde! Ich möchte das jetzt wissen! Erzähl’ mir meinetwegen von der Nacht, in der ihr mich verbrochen habt! Ich möchte jetzt die Wahrheit wissen!“, fauchte ich sie an. Ich zitterte wieder. Sie sah mich erst verständnislos an bevor sie traurig wurde. „Chrys, ich wollte damit noch etwas warten. Setz’ dich zu mir“, hauchte sie. „Nein, danke! Ich stehe lieber!“, knurrte ich und ging vor ihr auf und ab. „Du wolltest warten?! Warten bis einer wie Arcus Rivar kommt und sagt was Sache ist, oder wie?! Du hättest es mir sagen müssen! Paps hätte es mir sagen müssen! Wie bin ich geboren worden? Nun sag’ schon!“, brüllte ich und war den Tränen wieder nahe. Sie schloss die Augen und seufzte. Ich atmete wieder schwer. Das Schreien hatte mich eine Menge Kraft gekostet. „Sie müssen ihm die Wahrheit sagen. Ich würde es auch gerne hören. Denken Sie schnell. Er hat Fieber und ich würde vorziehen ihn ins Krankenhaus zu bringen“, sagte eine bekannte Stimme. Ich ruckte herum und sah Forte mit meinem Rucksack im Türrahmen stehen. Ich wankte einen Schritt auf ihn zu. „Ma’am, ich mache keine Witze. Ich kann dafür sorgen, dass er die beste Behandlung und Betreuung von der Spezialistin bekommt.“ –„Olivia Rubinn?“, fragte sie und hustete. Er nickte und ich tat noch einen Schritt auf ihn zu. „Sie ahnen was ich empfinde. Lassen Sie nicht zu, dass Ihrem Sohn etwas passiert.“ Noch ein Schritt. „Ich habe keine Mutter“, sagte ich tonlos. Die Worte dröhnten durch meinen Kopf. Alles drehte sich. „Das sehe ich mir nicht länger an. Ich bringe Chrys ins Krankenhaus. Erklären Sie es uns bitte später. Ich werde hier nicht rumstehen und zusehen wie Ihr Sohn sich quält, weil ich ihn …“ Plötzlich war alles schwarz. „Nun ist es passiert“, dachte ich. „Der Vorhang ist gefallen.“ Dumpf kam die Erinnerung zurück. Ich war gestürzt, als ich ohnmächtig wurde, doch war ich nicht hart auf dem Boden aufgeschlagen. Jemand hatte mich aufgefangen. Dort war dieser Geruch, den ich so mochte. Ich dachte an … Ja, in diesem Traum dachte ich an Forte. Ich wusste nun aus ganzem Herzen, dass ich ihm dieses „Ich liebe dich“ ins Gesicht sagen wollte. Mühsam wehrte ich mich gegen die Dunkelheit. Ich wollte doch aufwachen, es ihm sagen, aber meine Augen blieben geschlossen und ich war umgeben von allerlei piependen und summenden Gerätschaften. „Ich denke, wir können den Tubus jetzt entfernen“, sagte eine ruhige, wohlklingende Frauenstimme. Ich röchelte und würgte, als der Beatmungsschlauch aus meiner Luftröhre gezogen wurde. Jemand andere zog mir je ein Pflaster von den Lidern und seufzte. Die schmale Hand der Frau strich über die Narbe an meiner linken Wange. „Armer Junge. Musstest schon so viel leiden“, sagte sie sanft. „Doktor O., was hat er denn nun? Können Sie nicht was tun?“, fragte die andere Person. Ich kannte die Stimme. Forte. „Immer noch Doktor Rubinn für dich, junger Mann.“ –„Ja, ja. Ist ja schon gut. Was hat jetzt?“ –„Es ist eine Pneumonie, die durch Pilzsporen verursacht wird.“ –„Und im Klartext? Pilzsporen hab’ ich verstanden, aber sonst …“ –„Dein Freund hat eine schwere, Sporeninduzierte Lungenentzündung. Ich gebe ihm ein verträgliches Antibiotikum gegen die Entzündung und ein Fungizid gegen den Pilz. Es ist nicht ansteckend so lange du den Mundschutz trägst. Entspann dich. Er spricht gut darauf an.“ Die Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Ich fühlte wie meine rechte Hand vom Platz neben der Decke genommen wurde. Sie ruhte nun in Fortes Händen nahe an seinem Gesicht, denn ich konnte seinen Atem spüren. „Ich hätte dich gerne auch davor beschützt, aber ich hab’s vergeigt. Entschuldige. Bestimmt willst du die Wahrheit nicht hören, aber wenn sie es nicht tut, werde ich sie dir sagen. Du bist genau wie ich vor zwanzig Jahren aus einem Ei geschlüpft, dass dein Vater ausgespuckt hat. Widerlich, nicht?! Aber es ist mir egal. Ich hoffe so, dass du mich hören kannst und mich verstehst. Mich interessiert nicht wer und was ich bin so lange ich mit dir zusammen sein kann“, weinte er leise. Ich fühlte seine Lippen durch den Mundschutz meine Hand küssen. „Doktor O. sagt, dass du einige Tage hier bleiben musst. Mach dir keine Gedanken. Ich bezahle für deine Behandlung. Ich werde jeden Tag nach der Schule nach dir sehen. Ob ich dir die Hausaufgaben bringe, überlege ich mir noch mal. Du hast Bettruhe verordnet bekommen. Außer zum Klo laufen, darfst du wohl nichts weiter. Genier’ dich nicht nach Hilfe zu klingeln, wenn du was brauchst.“ Ich ächzte und öffnete meine Augen einen Spalt weit. Ich sah einen verschwommenen Farbenbrei und mehr nicht. Mein Kopf kippte von seiner Position in der Mitte des Kissens nach Rechts. Mehr schlecht als recht fokussierte ich die Gestalt, die an meinem Bett saß. Die Infusionsnadel piekte auf meinen Handrücken stach, als ich es bewerkstelligte meine Finger zu bewegen damit sie sich um eine der Hände schlossen. Ich gab ein angestrengtes Stöhnen von mir. Forte seufzte erleichtert. „Hey!“, lächelte er. „Du hast uns bös’ erschreckt. Fast wärst du … Bei allen verkorksten Göttern im Universum, Chrys, ich bin so glücklich, dass du noch lebst.“ Ich sah ihn an und langsam wurde meine Sicht besser. „Hey“, ächzte ich kraftlos und brachte ein dünnes Lächeln zustande. Er fragte nicht, ob er meine Eltern holen sollte. Ich wollte sie nicht sehen, alle beide nicht und Forte wusste warum. „Ich gebe dir mal war zu trinken. So ’n Schlauch im Hals ist sicher fies“, sagte er, stand auf und zapfte etwas Wasser in den Zahnputzbecher ab. Ich räusperte mich und hustete. „Mach langsam. Guck! Mit der Fernbedienung kannst du das Kopfteil von Bett bewegen und mit der anderen hier …“ Er drückte auf eine der Tasten. „ … Hast du allerfeinstes Kabelfernsehen.“ Ich hätte gerne gelacht und mich gefreut, aber es war als lagerten kiloweise Felsbrocken auf meiner Brust. Er kam mit dem Becher zurück und stellte das Kopfteil so ein, dass ich halb saß und halb lag. „Ja, mir ist schon aufgefallen, dass du mich weder richtig sehen noch deine Arme heben kannst“, grinste er was ich nicht richtig erkennen konnte, weil er doch den Mundschutz trug. Nun setzte mir Forte gespielt umständlich meine Brille auf und flößte mir einen Schluck von dem kalten Wasser ein. Wenn es schon gegen das Kratzen nicht half, wirkte es doch gegen den Gummischlauchgeschmack im Mund. „Im Augenblick bekommst du alles was du brauchst über den Schlauch an deiner Hand, aber Doktor O. sagt, dass die ein Schluck Wasser nicht schaden wird“, erklärte er und deutete auf den Infusionsbeutel, der an einem Halter über mir hing. Egal, ob er Witze riss, in seinen Augen sah ich wie traurig er wirklich war. Ich hatte gehört wie er vorher geweint hatte, aber nun überspielte er seine wahren Gefühle. Er wollte mich aufheitern, doch in der Nacht im Schlaf würde er seine Fassade fallen lassen müssen. Es klopfte und ohne auf Antwort zu warten betrat eine kleine Frau mit schulterlangen, roten Haaren den Raum. Ihren Kittel hatte sie zugeknöpft. Auch sie trug einen Mundschutz. Deswegen las ich ihre Besorgnis aus dem Grün ihrer Augen. Sie eilte an meine linke Seite, zückte ihr Stethoskop aus der Kitteltasche, nahm die Blutdruckmanschette, die auf einem der Geräte lag und legte sie mir an. Sie pumpte sie auf und tauschte dann blicke mit ihrer Armbanduhr und dem Druckmessgerät aus. „Zu niedrig“, murmelte sie. „Doc, er ist wach“, sagte Forte und nahm meine Hand. „Ausgezeichnet. Ich gebe gleich seinen Eltern Bescheid. Sie sitzen draußen im Wartebereich und möchten ihn sicher gerne sehen“, entgegnete sie und wandte sich zum Gehen. Ich drückte Fortes Hand so fest ich konnte. „Nein! Ich meine … Seine Mutter ist schwer herzkrank. Sie sollte sich nicht der Gefahr aussetzen such anzustecken. Sagen Sie ihnen, dass es ihm besser geht, aber er schläft noch.“ –„Ich lüge seine Eltern nicht an, Forte. Dafür müsstest du mir schon einen plausiblen Grund geben.“ –„Ich erkläre es Ihnen später. Im Augenblick würde ein Treffen mit ihnen alles nur noch schlimmer machen. Das müssen Sie verstehen.“ Sie seufzte und verließ den Raum. „Danke“, flüsterte ich und wollte zu einen weiteren Satz ansetzen, als er den Zeigefinger an die Lippen legte und mir damit bedeutete nicht mehr zu sprechen. „Ich muss mal eben zu Hause anrufen und durchgeben wo ich bin. Weißt schon. Handys sind in Krankenhäusern verboten.“ Forte stand auf und ging hinaus um ein Telefon zu finden. Ich schloss die Augen und döste. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und aufgeregtes Reden drang zu mir herüber. „Sie können nicht einfach da rein! Hier, setzen Sie wenigstens einen Mundschutz auf!, rief die Ärztin und zwei paar Schritte näherten sich dem Bett. „Lassen Sie ihn schlafen. Das Antibiotikum macht ihn sehr müde“, sagte sie sanfter. „Chrys, Junge, hörst du mich?“, fragte die andere Person, die ich als meinen Vater identifizierte. „Paps“, hauchte ich, hielt die Augen aber geschlossen. „Na gut. Strapazieren Sie ihn nicht zu sehr. Ihr Sohn hat immer noch hohes Fieber und sollte sich nicht aufregen. Sein Kreislauf läuft nur auf Sparflamme.“ –„Das werde ich nicht, Doktor Rubinn“, entgegnete Vater folgsam und setzte sich auf den Stuhl, auf dem zuvor Forte gesessen hatte. Sie verließ den Raum abermals. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Chrys. Dein Freund hat mir erzählt was vorgefallen ist. Er muss dich wirklich gerne haben, wenn er sogar bereit ist die Kosten zu übernehmen bis du wieder gesund bist. Deine Mutter lässt dich grüßen. Es tut ihr sehr Leid, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Dann bist du eben aus einem Ei geschlüpft. Das macht doch nichts. Wir lieben dich doch beide. Sie ist doch deine Mutter, Junge. Sie liebt dich doch nicht weniger, weil du nicht ihres Blutes bist.“ Ach, guter, alter Paps. Er konnte Dinge immer so hinstellen, dass sie an Schrecken verloren. Ich fühlte Tränen in meinen verquollenen Augen aufsteigen. Ich wollte weinen, aber daraus wurde nur Husten, der mich halb sitzend noch mehr schüttelte als er im Liegen getan hätte. Mein Vater hielt mich an der Schulter damit ich mich doch wieder beruhigte. Langsam ebbte der Husten ab, aber die Tränen blieben. „Ich bringe dir Morgen was du brauchst. Auch ein schönes, neues Buch, wenn du magst. Ich habe ein Buch über Sagen des Universums, das dir gefallen wird. Schlaf jetzt. Ich schicke dir Forte wieder ins Zimmer, wenn ich ihm auf dem Flur begegne. Wir lieben dich doch beide, Junge.“ Ich glaubte ihm. Bis auf dieses eine Mal hatte er mich nie belogen. Erschöpft nach dem Hustenanfall schlief ich ein. ~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)