Si le jour commence nouvellement von amacie (- Wenn der Tag neu beginnt -) ================================================================================ Kapitel 1: - Wenn der Tag neu beginnt - --------------------------------------- Wenn der Tag neu beginnt - Si le jour commence nouvellement - Paring: Athos/Aramis (Renée) Rating: PG Kategorie: leicht angedeutete Romanze Status: abgeschlossen Disclaimer: Nichts davon gehört mir – leider. Zusammenfassung: Nur wenige wissen von Aramis Geheimnis. Noch weniger kennen die Geschichte ihrer Vergangenheit, zumindest weit weniger als sie selber auch nur ahnt. ~*~ Kapitel I. »Du wirst diesen Lord heiraten, hast du mich verstanden?« Wütend knallte ein älterer, hochgewachsener Mann seine Teetasse vor sich auf den Tisch. Ein schluchzendes Wimmern war die einzige Antwort darauf. »Es sind bereits einige Monate seit seinem Tod vergangen, es wird langsam Zeit das du dich wieder unter Leute begibst.« »Es sind gerade mal drei Monate.« Die tränennasse Stimme wurde immer wieder mit einigen Hicksern unterbrochen. Die Wangen waren tränenverschmiert, die Haare hingen lose über den Schultern, welche in einem schwarzen, seidenen Kleid steckten. Alles in allem, machte die Person keinen allzu gefassten Eindruck auf die Nachricht ihres Onkels. »Ihr wart nicht verheiratet, nur verlobt. Es wäre ein Unding, wenn du ein volles Jahr um ihn trauern würdest wie eine richtige Ehefrau.« Seine Hände fuhren auf der Tischplatte entlang, während er diese in Richtung zu seiner Nichte umrundete. »Begreif doch, während François zwei Meter unter der Erde liegt, könntest du dir bereits eine gute Partie für deine Zukunft sichern.« Verärgert wandte er sich an seine Frau als er bemerkte, wie seine Nichte ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Fassungslosigkeit musterte. »Renée.« Ihre Tante trat hinter ihr und fasste sie beruhigend an den Schultern. »Dein Onkel will doch nur dein Bestes.« »Indem er mich verheiratet?« Ungläubig schüttelte sie die Hände ab und starrte abwechselnd immer wieder ihre Verwandten an. »Es soll also mein Bestes sein, indem ich mich dem Nächstbesten an den Hals werfe? Ist das eure Vorstellung von einem erfüllten Leben? Von meinem Leben?« »Nun ja.« Hilflos stammelnd blickte ihre Tante nur ihren Mann an. »Renée, versteh doch!«, ihr Onkel trat einen Schritt näher an sie heran. «Wir wollen dir doch nichts Böses. Du bist jung und aus guter Gesellschaft. Wir haben bereits einige gute Anfragen bezüglich deiner bekommen. Wir können es uns nicht leisten diese Männer abzulehnen. Der Sommer hat uns in diesem Jahr die Ernte unter den Händen verschwinden lassen. Wir haben finanziell keine anderen Möglichkeiten mehr.« »Aber meine Eltern…«, versuchte sie sich herauszuwinden. »Deine Eltern haben dir eine winzige Erbschaft hinterlassen, die bald aufgebraucht sein wird.« Ihr Onkel verschränkte die Arme vor seiner Brust und schaute grimmig auf sie hinab. Als sie seinem Blick nach einer Weile noch immer standhielt und sich nicht abwandte, wurde sein Blick wieder etwas weicher und er strich ihr seufzend eine widerspenstige blonde Locke hinter ihr Ohr. »Es tut mir leid meine Kleine, aber es wird für dich keine andere Möglichkeit geben. In gut vier Wochen wirst du bereits eine Braut sein.« `…Gute Partie für deine Zukunft…` `…Wir wollen nur dein Bestes…` `…Monate seit seinem Tod…` Die Worte hallten in ihrem Kopf, ohne dort auf Anerkennung oder Beachtung zu stoßen. Vor Stunden hatte sie ihre Arme um ihre Brust geschlungen und ihren Kopf gegen die Fensterscheibe gelegt, seitdem stand sie unbeweglich dort und starrte durch den Regen auf die feuchten Wiesen vor ihr. Regen. Er hatte kurz nach dem Streit mit ihren Pflegeeltern begonnen und nicht wieder aufgehört. Wieder einmal. Regen, viel Regen. Seit Wochen regnete es bereits. Das Getreide war ihnen praktisch auf dem offenen Feld ertrunken. War in die Erde eingedrungen und hatte den Pflanzen keine Möglichkeit gelassen zu wachsen und zu gedeihen. War zur Erde gefallen, als sie François zu seiner letzten Ruhestätte gebracht hatten. War auf das Haus geprasselt, indem er den Tod gefunden hatte. Regen. Der Gedanke war plötzlich da, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn die Sonne geschienen hätte. »Madame?« Ruckartig drehte sie sich zu der Gestalt um, die leise hinter sie geschlichen war und nun verschreckt zurückwich. »Madame, ich bin es nur, Christin.« »Natürlich. Entschuldige bitte.« Verwirrt lies sie sich in die gewohnte Stellung am Fenster zurückfallen und starrte wieder in den Regen hinaus. »Madame, bitte. Ihr müsst etwas essen.« Umsichtig stellte die Zofe ein Tablett mit dem Abendbrot auf eines der Beistelltische. »Ich mag nichts. Nimm es bitte wieder mit!«, flüsterte die Gestalt am Fenster ohne sich auch nur einmal umzudrehen. »Ihr müsst essen!«, beharrte ihre Zofe und begann ihr etwas Wein in ein Glas einzuschenken. »Euer Onkel und eure Tante machen sich Sorgen um euch. Sie befürchten, dass ihr krank werden könntet. Sie haben sogar für euch nach Pfarrer Lennart geschickt. Er wird heute Abend noch vorbeikommen.« »Und wozu?«,Widerstrebend drehte sich Renée zu ihr um. Obwohl sie das junge Mädchen ansah, hatte diese den Eindruck, als ob sie durch sie hindurchblicken würde. »Was soll mir das bringen?« »Er wird euch beruhigen. Erzählt ihm was euch bewegt, vor was ihr euch fürchtet.« An sie herantretend nahm sie eine Hand ihrer Herrin in ihre eigene und streichelte sie vorsichtig. »Erinnert euch an seine Rede zur Osterzeremonie. Er versteht es auf die Menschen einzugehen, sie zu erleuchten, ihnen den inneren Frieden zu geben.« »Und was ist mit dem Mörder von François? Geht er auch in die Messe um sich seinen Seelenfrieden abzuholen? An Weihnachten, an Ostern, an den Feiertagen? Wird er sich zusammen mit allen anderen niederknien und um Vergebung von seinen Sünden bitten, während er wahrscheinlich nicht mal im entferntesten ahnen kann, was er mit seiner Schuld anderen angetan hat?« Ihre Stimme schwoll an und hallte durch den Raum, wo sie langsam abebbte und nur noch als Schluchzen zurückblieb. »Aber Madame.« Hilflos stand sie ihrer Herrin gegenüber und wusste nicht was sie sagen sollte. »Christin?« »Ja, Madame?« »Ich will, dass sein Mörder gefasst wird«, flüsterte die junge Adelige und starrte ihrer Freundin ruhig in die Augen. »Wie?« Fassungslos starrte diese zurück und schüttelte nur verwirrt den Kopf. »Ich will, dass er gefasst wird«, wiederholte Renée noch einmal. »Ich will, das man nach ihm sucht, ihn einfängt und ihn bestraft.« »Aber… aber der Lieutenant war doch schon hier«, stotterte Christin verwirrt. »Er meinte das man diese Bande nicht mehr finden würde.« »Lieutenant? Wohl eher ein Sergant.« Wütend riss sie sich von ihrer Zofe los und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu wandern. »Ein Mann der sich höchstens dafür interessiert, von jedermann in dieser Stadt auf den Fall angesprochen zu werden und dabei doch selbst überhaupt kein Interesse daran hat. Nein, er wird mir nicht helfen können.« Plötzlich blieb sie mitten in dem Zimmer stehen und starrte eine Weile auf einem Punkt im Fußboden, bevor sie den Kopf hob und ihre Freundin ansah. »Wer ist in der nächst höheren Befehlsposition um ihn zu befehligen?« »Den Lieutenant?« Christin zuckte nachdenklich mit den Schultern. »Vermutlich schon der Inspektor nehme ich an.« Verwirrt blickte sie auf ihre Freundin, der zum ersten Mal seit Tagen ein kleines Lächeln gelang. »Renée…?« »Ich habe beschlossen den Rat meines Onkels anzunehmen, Christin«, murmelte sie. »Ich werde mich wieder einmal unter Leute begeben.« ~*~ Kapitel II. Paris war kein Vergleich zu ihrer alten Heimat, darüber machte sich Renée keine Illusionen. Ihr erster Kontakt mit einem Einwohner machte sie, als ein Mann in einem äußerst wackligen Wagen an ihr vorbeifuhr und ihr dabei Schlamm auf den Kleidsaum spritzte, nur um ihr wütend hinterher zurufen, das nächste Mal gefälligst schneller aus dem Weg zu gehen. Es hatte weder den sagenumwobenen Flair, noch den erhofften Glanz einer Hauptstadt. Dafür war es laut, stinkig und dreckig, die Menschen waren teilnahmslos, hektisch und unfreundlich. Paris war ein heruntergekommenes Loch, Renée liebte es. Unter all diesen fremden Menschen, wo sich keiner mehr um den Anderen scherte als irgendwie notwendig, war es ideal um völlig unerkannt unterzutauchen. Zielstrebig verfolgte Renée den Weg den ihr eine ältere Dame beschrieben hatte und wich eilig einigen schmutzigen Händen aus, die sich nach ihrem noch einigermaßen sauberen Kleid streckten, um ihr auf den Hintern zu hauen. Kopfschüttelnd lief sie weiter, bis sie schließlich vor einem großen Haus zum Stehen kam. Ehrfürchtig blickte sie an den Wänden aus Backstein nach oben und ließ die Geräusche die aus dem Innhof zu ihr herüberwehten, auf sich wirken. Kämpfgeschrei, Eisen das auf Eisen schlug, johlende Zurufe anderer Männer die ihre Kollegen anfeuerten. Eindeutig, sie war vor dem Haupthaus der Musketiere. Ihren knurrenden Magen ignorierend, trat sie etwas zögerlich durch das Tor und sah sich einer Gruppe von ungefähr 20 Mann gegenüber, die in einen Trainingskampf vertieft waren. Vereinzelt jedoch kam ein Pfiff aus der Gruppe zu ihr herüber und unbewusst beschleunigte sie ihre Schritte, als sich ihre Wangen rot färbten. Als die Tür der Eingangshalle hinter ihr zuschlug, konnte sie vereinzeltes Gelächter hören. Vorsichtig schaute sie sich in der großen Halle um, bis sie einen jungen Mann links von ihr, hinter einem Schreibtisch erblickte. Tief einatmend ging sie in seine Richtung und blieb direkt vor ihm stehen. Eine gute Weile verging, bevor er sich herabließ um von seiner Arbeit den Blick zu heben. »Ja?« »Ich möchte gerne zum Kapitän.« Misstrauisch beobachtete sie, wie seine Augen in Höhe ihrer Brust plötzlich stehen blieben. »Euer Name?« Die Schweinchenaugen huschten nun doch noch in Richtung ihres Gesichtes. »Renée de Herblay« »Habt ihr einen Termin?« Die Augen huschten wieder eine Etage tiefer. »Wenn es so wäre, hätte ich ihn da bestimmt nicht versteckt«, schnappte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ihr Gegenüber blinzelte zunächst etwas verwirrt, bevor er sie ebenfalls verärgert ansah und schlug schließlich sein Buch vor sich zu. »Kein Termin, kein Kapitän!« Er zuckte lediglich mit den Schultern. Ein paar blaue Augen blitzten ihn empört an, bevor sie sich wieder sammelte. »Schön, dann werde ich eben warten.« »Madame, ohne einen Termin wird der Kapitän euch nicht empfangen«, versuchte es der junge Musketier noch einmal. »Dann werde ich eben darauf warten, bis ein Termin bei ihm frei wird.« Sie schob die Unterlippe vor und machte keinerlei Anstalten zu verschwinden. »Das kann aber, fürchte ich etwas dauern.« Langsam begriff er, dass er dieses störrische Weibsbild nicht so schnell loswerden würde. »Ich könnte euch eine Nachricht in eurer Wohnung zukommen lassen, sobald ein Termin frei wird.« »Kein Kapitän, keine Abreise.« Renée hatte die Spielregeln die man anscheinend in Paris pflegte, erstaunlich schnell begriffen. Sehr zum Leidwesen ihres Mitspielers. »Madame, es kann Tage dauern bis der Kapitän einen freien Termin haben wird«, versuchte er sie schließlich einzuschüchtern. »Dann werde ich es mir eben gemütlich machen. Hier, direkt bei euch.« Ohne auf seine Aufforderung zu warten, lies sie sich auf einen der bereitstehenden Stühle nieder. »Und ich bin sicher, wir beide werden während dieser Zeit gut miteinander auskommen.« »Kapitän?« Die Schweinchenaugen lugten vorsichtig hinter der Tür hervor. »Ja?« De Tréville lies sich nicht einmal dazu herab, zu seinem Musketier aufzusehen. »Da ist Besuch für euch.« Vorsichtig schielte der Musketier hinter seine eigene Schulter, als erwartete er, dass sie plötzlich hinter ihm stehen könnte. »Soll später wieder kommen.« Er winkte nur ungeduldig mit seiner Hand in Richtung Türe. »Es ist eine junge Dame.« Es klang etwas wehleidig. »Eine junge Dame?« Verwirrt hielt der Kapitän in seiner Arbeit inne und blickte von seinem Brief auf. »Ist sie hübsch?« »Ja, Kapitän.« Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Musketiers breit, als er sah wie sein Kapitän sich aufrichtete und an seiner Kleidung herumzupfte. »Soll reinkommen!« Erwartungsvoll huschten die Augen des Kapitäns über das vielleicht nicht sauberste, aber zumindest recht adrette Kleid, indem eine junge Frau von vielleicht gerade einmal 16, oder 17 Jahren stecken mochte. Ihre blonden Haare fielen in leichten Locken über ihre Schultern und unter dem Hut konnte er zwei eindrucksvolle blaue Augen erkennen. Für de Tréville’s Geschmack eigentlich etwas zu jung. Hätte er Kinder gehabt, wären nun wohl väterliche Gefühle aufgekommen, so aber schwächten sie ab und wandelten sich lediglich in milde Neugierde um. »Willkommen Madame, ich bin der Hauptmann der Musketiere, Kapitän de Tréville.« Fürsorglich deutete er auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und nahm ebenfalls wieder Platz. »Es ist mir eine Ehre, euch kennenzulernen. Mein Name ist Renée de Herblay.« Ihren Manieren nach zu urteilen, schien sie aus einem guten Elternhaus zu kommen. Der Kapitän nickte wohlwollend und faltete seine Hände in seinem Schoß. »Nun Madame, wie kann ich euch behilflich sein?« »Ich möchte, dass ihr den Mörder meines Verlobten findet und gefangen nehmt!« Das war direkt, damit hatte der Hauptmann nun nicht gerechnet. Weder mit dem Anliegen, noch mit der direkten Art, mir der sie ihn ansprach. »Ich fürchte ich verstehe nicht.« »Mein Verlobter wurde vor knapp vier Monaten von einer maskierten Bande in seinem Haus überfallen und erstochen. Ich möchte das ihr diese Männer findet und festnehmt.« Ihre Stimme wirkte gefasst, ihre Sachlichkeit war geradezu beeindruckend. Dennoch entging dem Kapitän nicht, wie sich ihre Hände im Schoß verkrampften. »Madame, ich fürchte da seit ihr bei mir falsch. Das ist eine Angelegenheit der hiesigen Gendarmerie. Wir aber sind Musketiere.« »Ich weiß. Die Musketiere, welche für den Schutz des Königs und seiner Familie zuständig sind.« Sie nickte wissend. »So ist es Madame.« De Tréville war sich nicht wirklich sicher, ob sie verstand was er ihr eigentlich hatte sagen wollen. »Es hieß, ich sollte mit meinem Anliegen zu euch kommen«, klärte sie ihn direkt auf. Verwirrt runzelte der Kapitän seine Stirn. »Und wer genau hat das gesagt?« »Der Inspektor der hiesigen Gendarmerie, bei dem ich bereits war.« »Er sagte, ihr sollt zu uns kommen?« Wütend knirschte der Kapitän mit den Zähnen. Wenn er den Kerl in die Finger bekommen würde. »So ist es.« Erneut nickte sie. »Und sagte er auch warum?« »Er meinte, der Fall wäre zu groß für ihn und ich sollte mich deswegen an die Musketiere wenden«, rekapitulierte sie noch einmal. »Madame.« De Tréville kämpfte mit seinen eigenen Worten. »Ich fürchte, das ich euch mitteilen muss, dass der Inspektor euch deswegen angelogen hat.« »Angelogen?« Es klang weder verwirrt, noch verwundert. Eher misstrauisch. »Ich fürchte er wollte euch nur loswerden, weil er den Fall nicht übernehmen wollte. Vermutlich glaubte er… es würde… sich nicht rentieren.« »Es würde sich nicht rentieren?« Ihre Lippen pressten sich stärker aufeinander. »Und warum hat er mich dann zu euch geschickt?« »Nun vermutlich dachte er, dass ihr den Weg zu mir womöglich scheuen würdet.« Er sah wie sie wissend mit dem Kopf nickte. »Ja, das habe ich mir bereits gedacht«, gestand sie. »Ich dachte mir schon, dass er vermutlich davon ausgehen würde, das ich mich vor der Reise hierher scheuen würde.« »Reise?« Ungläubig fragte der Kapitän noch einmal nach. Das Polizeirevier war von ihm aus gesehen zwar am anderen Ende der Stadt, aber den Weg hierher gleich als Reise zu deklarieren erschien ihm doch etwas hoch. Langsam begann diese Geschichte ihm auf die Nerven zu gehen. »Ja, mit der Postkutsche, brauchte ich 17 Tage hierher.« »17 Tage?« De Tréville’s Augenbraunen kletterten nach oben. »Madame, wo genau kommt ihr eigentlich her?« »Aus einem kleinen Dorf, das in der Nähe von Brest liegt.« Der Kapitän blinzelte leicht verwirrt. »Brest? Liegt das nicht in der Bretagne?« »Ja.« »Madame.« Er lehnte sich etwas zu ihr nach vorne. »Wollt ihr mir etwa sagen, dass ihr von der Bretagne bis hierher nach Paris gekommen seit, nur wegen einer Bande von Kleinkriminellen?« »Nur?« Sie starrte ihn fassungslos an. »Diese Leute haben Menschen getötet, ist das etwas nicht Grund genug?« »Mädchen so läuft das aber hier nicht.« Ungeduldig stand der Kapitän nun von seinem Platz auf und ging zu seinem Fenster und deutete hinaus. »Hier in Paris vergeht kein Tag, an dem nicht irgendjemand tot in der Gosse liegt. Es sterben hunderte von ihnen am Tag in ganz Frankreich. Soll das etwa aufhören, indem ich euch ein paar meiner Leute gebe, sie bis nach Brest hetze und sie dort womöglich nur einen einzigen Mann gefangen nehmen lasse?« Verärgert wandte er sich um und blickte in ein ebenso wütendes Gesicht. »Ihr wollt mir also sagen, dass ihr mir nicht helfen werdet?!« Obwohl sie nicht laut wurde, waren ihre Worte so scharf gesprochen, wie er es selten von einer Frau gewohnt war. Eigentlich war es Tréville überhaupt nicht gewohnt, das irgendjemand so mit ihm sprach. Dementsprechend ungehalten wurde er nun auch deswegen. »Mädchen, es ist ja nicht so das ich euch nicht helfen will, aber ich kann es nun einmal nicht. Ich habe keine Männer dafür übrig.« »Fein.« Sie presste ihre Lippen zusammen und schien gerade durch ihn hindurchzusehen. »Dann werde ich mich eben selbst darum bemühen.« »Wie?« »Ich werde ihn selber fangen.« »Seit ihr verrückt«, brauste der Kapitän auf. »Da draußen läuft ein Mörder frei herum, der bereits zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat. Mindestens. Und ihr wollt einfach so alleine in Frankreich herumspazieren und ihn suchen? Habt ihr eine Vorstellung davon wie gefährlich das ist?« »Ja, jetzt weiß ich es.« »Was anscheinend nicht genug ist. Wie habt ihr euch das vorgestellt, wenn ihr ihn überhaupt finden solltet? Wollt ihr ihn freundlich bitten, mit euch zur nächsten Gendarmerie zu gehen? Ich sage euch, sobald ihr ihm gegenübersteht, hat euer letztes Stündlein geschlagen. Ihr könnt euch nicht verteidigen«, prophezeite der Kapitän. »Ich werde mich schon wehren.« »Ihr könnt nicht kämpfen.« »Das habe ich bis dahin gelernt.« »Macht euch doch nicht lächerlich, wer sollte euch denn das beibringen wollen?« Diese Vorstellung schien dem Kapitän geradezu utopisch. »Ihr.« Zum ersten Mal an diesem Tag, sah er ein echtes Lächeln von ihr und es gefiel ihm überhaupt nicht. Es enthielt einen Hauch von Wahnsinn. »Ich? Wieso sollte ich?« Es klang geradezu entsetzt. »Weil ihr gesagt habt, ihr wolltet mir gerne helfen«, versuchte sie ihn zu erinnern. »Das habe ich nie behauptet«, schnappte der Kapitän. »Doch habt ihr. Ihr sagtet, `es ist ja nicht so das ich euch nicht helfen will`, es bloß nicht könntet weil ihr nicht genügend Männer habt.« »Das hab ich doch nur gesagt, um euch loszuwerden«, ereiferte er sich nun wütend und lies sich wieder in seinen Sessel fallen. »Ihr meint, so wie es bereits der Inspektor mit mir getan hat?« Zufrieden beobachtete sie, wie der Hauptmann der Musketiere zumindest ein wenig beschämt aussah. »Gehe ich dann richtig in der Annahme, dass ihr euch die hoffnungslosen Fälle gegenseitig immer zukommen lasst?« Grummelnd knirschte de Tréville mit den Zähnen. »Es kommt nicht in Frage, dass ich euch bei eurer wahnwitzigen Idee auch noch unterstütze.« »Doch das werdet ihr.« »Sehe ich etwa wirklich danach aus?« »Nein«, gab Renée zu. Ihr Lächeln war sehr zu de Tréville’s Unmut leider immer noch auf ihrem Gesicht vorhanden. »Jedenfalls noch nicht.« »Und was glaubt ihr, wird mich dann umstimmen?« »Euer schlechtes Gewissen.« »Mein schlechtes Gewissen?« Er blickte sie ungläubig an. »Mädchen, glaubt ihr wirklich, dass ich noch einen Gedanken an euch verschwende, wenn ihr mein Büro verlassen habt? Ich habe besseres zu tun, als mich um Frauen wie euch zu scheren.« Er deutete auf seinen Schreibtisch, der mit Papieren und Mitschriften überhäuft war. »Spätestens heute Abend, sobald ich mich schlafen lege werde ich euch vergessen haben.« »Schon möglich.« Sie legte einige Fingerspitzen auf den schweren Arbeitstisch und lies sie entlang gleiten, während sie den Tisch umrundete und langsam immer näher auf den Kapitän zuging. »Aber spätestens dann wenn man meine Leiche gefunden hat, werdet ihr ein schlechtes Gewissen haben.« »Eure Leiche?«, kam es erstickt aus dem Sessel hervor. »Ihr sagtet doch selbst, dass dieser Mörder hier frei herumlaufen würde, dass er Menschen auf dem Gewissen hat. Zwei, mindestens. Wenn ich mich also auf die Suche nach ihm mache, fest entschlossen ihn zu finden und ihm dann plötzlich gegenüberstehe, alleine, schutzlos und mich nicht verteidigen kann… Spätestens, nachdem man ein paar Tage später meine Leiche gefunden haben wird, werdet ihr euch vorwerfen müssen, warum ihr mich habt gehen lassen, warum ihr mir nicht geholfen habt.« Mit jedem Wort rückte sie ein wenig näher an den Hauptmann heran. »Ihr sagtet doch, dass ihr euch wehren wolltet«, kam es etwas kleinlaut aus dem Sessel unter ihr. »Und ihr habt darauf erwidert, dass es mir nichts nutzen würde, weil ich nicht kämpfen könnte«, erinnerte sie ihn. »Aber warum wollt ihr dann überhaupt gehen, wenn ihr schon wisst wie es enden wird?« »Weil ich fest entschlossen bin«, knurrte sie. »Ich bin fest entschlossen ihn zu fangen und ihn zu töten. Und ihr Tréville werdet mir dabei helfen, ihr werdet mir beibringen wie man kämpft.« »Das ist Erpressung«, empörte er sich. »Nennen wir es doch mal, eine strategische Lösung, das klingt militärischer, wir sind hier doch immerhin bei den Musketieren.« »Ich… das kann ich nicht… das geht nicht.« Der Kapitän schnappte empört nach Luft. So dreist ihm die Worte im eigenen Mund herumzudrehen war bislang niemand. »Und warum nicht?« Ihre Frage hätte direkt unschuldig klingen können. »Ihr habt keine Ahnung vom kämpfen. Ihr habt noch nie eine Waffe in der Hand gehabt.« »Na und? Es heißt ja auch, `der Baum fällt nicht beim ersten Hieb`. Schon mal davon gehört?«, konterte sie. »Wollt ihr wirklich versuchen, mir mit Sprichwörtern zu imponieren?« Er richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und erhob sich. »Da kann ich mithalten, es heißt nämlich auch, ` Der Ton macht die Musik`.« (*) »Ich bin euch nicht fein genug, Tréville?« »Wohl eher nicht respektvoll genug. Es heißt immer noch Kapitän de Tréville, Hauptmann der Musketiere.« »Sobald ihr mir den Respekt gegenüberbringt der mir zusteht, werde ich euch den euren zukommen lassen«, schnaubte sie zurück. »Dazu wird es nicht kommen, vorher lasse ich euren feinen Hintern nämlich vor meine Türe hinauswerfen lassen«, warnte er sie. »Wir hatten eine Abmachung.« »Die ihr euch alleine zusammengereimt habt. Vergesst es und nun raus hier.« Er zeigte wütend auf seine Türe. »Ich kann es lernen. Ich werde es lernen.« »Ihr könnt mich um eine Arbeit bitten, wenn ihr euch über Nacht in einen Mann verwandelt haben solltet. Andernfalls will ich euch hier drin nicht wieder sehn, habt ihr mich verstanden?« Der letzte Satz war so laut gebrüllt, dass sich Renée sicher war, ihn auch noch unten im der großen Halle hören zu können. »Fein«, murmelte sie erbost und wandte sich zur Tür, nicht ohne sich vorher noch einmal zum Kapitän umzudrehen. »Dann bis morgen.« Und mit diesen Worten lies sie die Türe hinter sich zufallen. ~*~ Kapitel III. Eilig lief sie die Stufen hinunter. Der Tag war heute gänzlich anders gelaufen als sie erwartet hatte. Anstatt Hilfe von den Musketieren zu bekommen, hatte sie sich selbst zum Anwärter auf einen Musketierposten erhoben. Als die massive Türe der Hauptpforte hinter ihr zuschlug, kam ihr zudem eine weitere Erkenntnis. Als Frau bekam man bei den Musketieren mehr Aufmerksamkeit als einem lieb sein konnte. Sämtliche Augen der anwesenden Musketiere im Hof waren auf sie gerichtet, gefolgt von den einen oder anderen Zurufen, deren nicht jugendfreier Inhalt ihr wieder die Röte ins Gesicht trieb. Verärgert raffte sie ihr Kleid etwas nach oben und stieg hastig die restlichen Stufen hinunter und begab sich raschen Schrittes auf den Weg nach draußen. Eine Dame rannte nicht, sie bewegte sich höchstens etwas schneller als nötig. Renée war allerdings nahe dran, diese unausgesprochene Regel im wahrsten Sinne des Wortes schnellstmöglich zu brechen. Sie war dankbar, dass ihr wenigstens niemand den Weg versperrte. Die Musketiere waren nicht nur bekannt für ihre Loyalität zu seiner Majestät des Königs, sondern auch für ihre Leidenschaft für die weibliche Bevölkerung von Paris. Um nicht Gefahr zu laufen, auch bald zu den vielen Eroberungen zu zählen, eilte sie auf den Torbogen zu, dessen beide hölzernen Flügeltüren weit offen standen. Ohne weiter nach rechts und links zu blicken, hastete sie knapp am Tor vorbei und befand sich plötzlich direkt von Angesicht zu Angesicht mit einem Pferd. Man kann nicht genau sagen, wer sich mehr in diesem Moment erschreckte. Renée, das Pferd, oder dessen Besitzer, der verzweifelt versuchte sein Reittier wieder zu beruhigen, um nicht abgeworfen zu werden. »Verdammt!«, erklang es wütend unter einem mondänem Hut hervor, bevor der Reiter sein Pferd soweit beschwichtigen konnte, um abzusteigen. »Könnt ihr denn nicht aufpassen?«, fauchte er. Tiefschwarze Augen trafen auf zwei weit aufgerissene hellblaue Augen. Dem Musketier schien erst jetzt klarzuwerden wenn er überhaupt vor sich hatte, denn er starrte sie ebenso verwundert an, wie sie ihn. »Verzeihung, Madame.« Verwirrt tastete er nach seinem Hut und zog ihn herunter. Für die Musketiere war es nicht ungewöhnlich den einen, oder anderen Damenbesuch zu empfangen. In Gasthäusern, privaten Wohnungen, selbst bei der einen oder anderen Dienstschicht, konnte man die Leibgarde des Königs in Begleitung einer Dame antreffen. Frauen und Musketiere gehörten ebenso zusammen, wie die Musketiere zum König. Dass ihm allerdings eine junge Dame beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte, gerade weil sie aus dem Palais der Musketiere heraus schritt, hatte Athos bislang auch noch nicht erlebt. Konfus musterte er noch einmal die junge Dame vor ihm. Das schwarze Kleid war modern, wies aber bereits die ersten Makel einer langen Reise auf. Trotz des modischen Schnittes, irritierte es Athos ein wenig. Vielleicht lag es ja an der Farbe. Blonde Locken schlängelten sich über leicht bebenden Schultern, während er in funkelten Augen blickte und sich in diesem Anblick verlor. Oh ja, Athos hatte viele Frauen in seiner Zeit als Musketier gesehen. Doch zum ersten Mal in seinem Leben, nahm er sie auch wirklich wahr. Ihre Stimme riss ihn jedoch aus seiner Trance wieder heraus. »Verzeihung Monsieur. Wollt ihr mich noch länger bewundern, oder macht ihr mir nun den Weg frei?« Er blinkte verwirrt. Weder hatte er bemerkt, dass er sie nun schon seit geraumer Zeit äußerst unhöflich anstarrte, noch hatte er mit solch einem spitzen Kommentar gerechnet. Die Zügel seines Pferdes fest um seine Hand wickelnd, setzte er seinen Hut wieder auf und ging einen Schritt näher auf sie zu. »Kann ich euch vielleicht behilflich sein, Madame?« »Gewiss, ihr könnt mir endlich den Weg frei geben.« rekapitulierte sie noch einmal. »Natürlich.« Sein Pferd etwas näher an den Torbogen lenkend, bemerkte er, wie sie etwas zögerlich nach rechts und links blickte. »Verzeiht, Madame. Kann ich euch bei eurer Suche behilflich sein?« So schnell wollte er nicht aufgeben. Erstaunt wandte sie sich wieder zu ihm um. Sein Lächeln war warm und freundlich und veranlasste sie, einen winzigen Schritt näher wieder auf ihn zuzugehen. »Könnt ihr mir vielleicht einen guten Schneider hier in der Nähe nennen?« Ihre blauen Augen funkelten merkwürdig bei dieser Frage. Athos brachte nur ein Nicken zustande und streckte seinen linken Arm aus, um ihr die Richtung zu zeigen. »In der Rue St. Sulpice, befindet sich ein sehr kleiner, aber guter Laden von Mr. Prévert. Er ist zwar schon etwas älter, aber ich kann ihn sehr empfehlen. Kennt ihr ihn?« Vorsichtig versuchte er ihre Reaktion zu beobachteten. »Nein.« Sie schüttelte mit dem Kopf. »Ihr kommt wohl nicht von hier?« mutmaßte er. »Nein, durchaus nicht.« Ihr Blick hatte etwas wachsames, forschendes. »Verzeiht wenn ich das so sage, Madame, aber das merkt man.« Sein Hut wurde etwas nach oben gerückt, als sie verärgert einen Schmollmund zog. »Verzeiht wenn ich das so sage, Monsieur, aber wie ein Kompliment klingt das nicht gerade.« »Das liegt daran, dass es keines war«, offenbarte er ihr. »Oder weil ihr vielleicht nicht wisst, wie es richtig geht. In Brest weiß ein Herr zumindest wie man einer Dame den Hof macht.« »Ihr kommt aus Brest?«, fragte er verwundert. »Aus einer kleinen Ortschaft in der Nähe.« Eine Weile musterte er sie, dann zierte plötzlich ein offenherziges Lächeln sein Gesicht. Renée musste sich eingestehen, dass es ihm gut stand. »Ihr seit nicht aus Brest.« »Ach nein?« Sie blickte ihn misstrauisch an. »Und wie kommt ihr darauf?« Er zuckte leicht mit den Schultern und lächelte sie weiterhin freundlich an. »Wenn ihr aus Brest kommen würdet, hättet ihr es mir nicht verraten.« »Ist das nur eure Logik, oder die aller Männer hier in Paris?« »Wohl eher eine Eigenschaft die alle Damen in Paris hier anzuwenden wissen.« »Nun ich bin weder wie alle anderen, noch bin ich von hier. Von daher werdet ihr mir entweder Glauben schenken, oder weiter darüber grübeln müssen. Zeit scheint ihr dafür ja genug zu haben, wenn ihr eine völlig fremde Dame auf der Straße ansprechen könnt, anstatt eurer Arbeit nachzugehen. Guten Tag.« Und mit diesen Worten drehte sie sich von Athos fort und ging raschen Schrittes in die Richtung die er ihr gezeigt hatte. Versonnen starrte er ihr noch eine Weile nach, bis ihm plötzlich eine gewaltige Hand auf die Schulter klatschte und ihn fast in die Knie zwang. »Hast du dieses Prachtmädel gerade gesehen?« Porthos Stimme dröhnte nahe seinem linken Ohr voll Verzückung. »Ich sage dir Athos, die hatte Feuer im Blut. Hast du dieses Funkeln in ihren Augen gesehen?« Er machte sich nicht einmal die Mühe zu beobachten, ob sein Freund nickte. »Wo kam sie eigentlich her?« Athos blinzelte leicht verwirrt, als er sich endlich von dem Anblick der Straße lösen konnte und zu seinem Kollegen aufblickte. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern. »Ich vermute mal vom Kapitän. Übrigens sollst du gleich einmal zu ihm ins Büro kommen. Klang ein wenig ungehalten, wenn du mich fragst.« »Aha.« Athos Interesse an seinem Kapitän war schwindend klein. Stattdessen drückte er Porthos einfach die Zügel seines Pferdes in die Hand. »Sag ihm, ich bin gleich wieder da.« Und mit diesen Worten war er auch schon zwischen den kleinen Gassen von Paris verschwunden. »Ich sag’s ja, das Mädel hat Feuer im Blut.« Porthos schüttelte ungläubig über seinen Kollegen den Kopf. »Hoffentlich verbrennt er sich da nicht.« ~*~ Dass die Menschen in Paris nicht gerade dafür bekannt waren, besonders freundlich zu sein, hatte Renée ja bereits an ihrem ersten Tag erfahren. Dass sie dazu auch noch äußerst beweglich waren, durfte sie nun bei einem jungen Mann feststellen, den sie beim Hinausklettern aus einem Fenster im Obergeschoss eines Hauses beobachten konnte. Außer ihr schien dieses Phänomen aber niemanden weiter zu interessieren und so blieb sie in der kleinen Nebengasse einfach stehen und genoss das Schauspiel vor ihr. Für Renée die so etwas in ihrem kleinen Ort nie erlebt hatte, grenzte es schon fast an Akrobatik, eng verknüpft mit absolutem Leichtsinn, was sie da vor sich sah. Um diese Darbietung noch zu steigern, erschien nun auch noch der Kopf eines jungen Mädchens am Fenster, ängstlich beobachtend, wie der junge Mann sich am Fenstersims festklammerte und immer wieder prüfende Blicke nach unten Richtung Boden warf. Ein kleines Lächeln zierte Renée`s Gesicht, als ihr bewusst wurde, was genau sich da vor ihren Augen abspielte. Das Pärchen erinnerte sie ein wenig an ihre ersten Wochen mit François, frisch verliebt und voller Pläne. Nur das bei ihnen weder Leitern, noch Fenstersimse eine Rolle gespielt hatten. Langsam ging sie die Straße weiter in die Richtung, in der sie die Schneiderei von Mr. Prévert hoffte zu finden. Vereinzelte Schilder waren an den Häusern angebracht worden. In den meisten Fällen, vermutete Renée jedoch ein Gasthaus dahinter, die in Paris anscheinend im Überfluss zu finden waren. Es war kurz nach der Mittagszeit. Die meisten Frauen die sie auf der Straße sah, unterhielten sich angeregt untereinander, während die Kinder in den Gassen herumtollten und lachend und kreischend an ihr vorbeiliefen, um sich gegenseitig zu fangen. Renée beobachtete sie dabei das eine oder andere Mal, während ihre Suche nach wie vor der Schneiderei galt. Ein plötzlicher Stoß riss sie allerdings aus ihren Gedanken, und ließ sie einige Schritte nach vorne stolpern. Eine Hand umschloss ihren Oberarm und half ihr schließlich, nicht gegen die raue Backsteinmauer eines Hauses zu fallen. »Verzeiht Madame.« Der junge Mann ihr gegenüber zog schuldbewusst den Kopf ein und half ihr wieder gerade zu stehen, bevor er ihren Arm losließ. »Ich hatte euch nicht gesehen.« »Schon in Ordnung.« Renée runzelte etwas verwundert die Stirn. Das Gesicht des jungen Mannes kam ihr so bekannt vor. »Habt ihr euch etwas getan, kann ich euch helfen?« Er atmete erleichtert auf, als er sah das sie den Kopf schüttelte. »Mir geht es gut, danke.« Sie lächelte ihn freundlich an. »Aber ihr würdet mir sehr helfen, wenn ihr mir den Weg zu Mr. Prévert zeigen könntet.« »Ihr wollt zu meinem Meister?« Der junge Mann schien zunächst leicht überrascht, dann grinste er sie ofenherzig an. »Madame, da seid ihr an den Richtigen geraten. Ich bin sein Lehrling müsst ihr wissen.« »Tatsächlich?« Sie musste unweigerlich zurück lächeln. »Sind wir uns schon einmal irgendwo begegnet? Ihr kommt mir so bekannt vor.« »Ich, Madame?« Er schüttelte rasch den Kopf. »Nein, daran würde ich mich bestimmt erinnern.« Er betrachtete noch einmal aufmerksam ihr Gesicht, aber versuchte dann schließlich das Thema zu ändern. »Habt ihr eine Bestellung bei meinem Meister aufgegeben, oder wollt ihr etwas neu anfertigen lassen?« »Etwas Neues.« Renée kam erst jetzt der Gedanke, dass es wohl etwas schwierig werden dürfte, den Schneider von ihrer Idee zu überzeugen. »Etwas ganz neues.« »Dort vorne ist es.« Der junge Mann deutete auf ein unauffälliges Gebäude an einer Straßenecke, über dessen Tür eine große blecherne Schere hing. Von außen machte es einen einigermaßen gepflegten Eindruck. Sogar Blumen waren an einem Fenster unter dem Dach angebracht worden. »Jetzt weiß ich es wieder.« Renée blieb mitten zwischen zwei Schritten stehen und blickte ihren jungen Begleiter an, der sie nur verwirrt musterte. »Ihr seid der junge Mann, der vorhin aus dem Fenster geklettert ist. Gleich hier am Ende der Straße.« Sie blickte wieder in die Richtung aus der sie gekommen waren und bemerkte dabei eine andere Gestalt, die ihr eindeutig bekannt vorkam. Der Musketier von vorhin schien ihr offenbar zu folgen. Ruckartig drehte sie sich wieder zu dem jungen Schneiderlehrling um und hoffte, dass er nicht merkte, dass sie ihn gesehen hatte. »Madame.« Der angehende Schneider schien im Gesicht etwas farbloser geworden zu sein und seine Hände zitterten, als er ihre Finger zwischen seine Hände nahm. »Bitte, wenn ihr meinem Meister etwas davon erzählt…« Er wagte es anscheinend nicht einmal den Satz nur zu Ende zu bringen. Renée war klar, was dem jungen Mann dann blühen konnte. Geduldig versuchte sie seine Hände wieder von sich abzuschütteln, als ihr eine Idee kam. »Seit ihr schon lange bei Mr. Prévert als Lehrling tätig?« Ihr blauen Augen blitzten merkwürdig bei dieser Frage. »Ja, Madame«, kam es ziemlich kleinlaut zurück. »Und ich hoffte eigentlich auch noch etwas länger bei ihm bleiben zu können.« »Verstehe.« Sie nickte wissend mit dem Kopf. »Aber ihr könnt ihm bereits soweit zur Hand gehen, dass ihr ihm beim Abändern, oder nähen eines Kleidungsstückes helfen könnt?« »Natürlich.« Die Stimme schwankte zwischen ängstlicher Erwartung und aufrichtigem Stolz. »Die Augen meines Meisters sind leider nicht mehr so gut. Manchmal arbeite ich ihm sogar einige Sachen vor, damit er weitermachen kann.« »Und wenn ihr ihm vorgearbeitet habt, habt ihr anschließend genügend Zeit um aus fremden Fenstern zu klettern?« Betretendes Schweigen folgte darauf. »Ich nehme an, da euer Meister bis jetzt noch nichts davon gemerkt hat, habt ihr den Fenstersims in dessen Haus schon öfters nutzen können.« »Eigentlich war es immer die Hintertür.« Erstaunt bemerkte er, wie sie bei diesen Worten aufhorchte und sich ein deutliches Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete. »Habt ihr schon einmal von `Quid pro quo` gehört?« Sie war nicht wirklich verwundert, als er den Kopf schüttelte. »Das ist lateinisch und heißt soviel wie, eine Hand wäscht die andere. Schon einmal davon gehört?« ~*~ Seufzend schaute Athos kurz auf, als es an der Tür klopfte und er die breite Gestalt seines Freundes eintreten sah. »Na wie lief es?« Porthos hielt sich nicht mit langen Reden auf, sondern kam gleich zum Kernpunkt des Gespräches. Gespannt blickte er auf seinen Freund der halb hinter einem Stapel aus Papier verschwunden war. »Porthos, ich habe hier zu tun.« Seine Stimme klang leicht gereizt. »Das sehe ich«, kam die trockene Antwort zurück. »Der Kapitän scheint dir ja eine Menge Arbeit aufgehalst zu haben. Dieses Mal konnte Athos nichts darauf erwidern. Als er schließlich nach einigen Stunden vergeblichen Wartens vor dem Geschäft von Mr. Prévert aufgegeben hatte und zum Hauptquartier der Musketiere zurückgekehrt war, hatte ihn der Kapitän direkt hinter den großen, dunklen Schreibtisch geschoben und ihm die ehrenvolle Aufgabe übertragen, als sein Stellvertreter an diesem Tage zu wirken. Einschließlich aller anzufallenden Arbeiten versteht sich und das, so hatte Athos bald feststellen müssen, war nicht gerade wenig. Die Stimme von Porthos holte ihn wieder ein. »Du kannst mir ja erzählen was sie gesagt hat und nebenbei deine Arbeit erledigen.« Ein geradezu gönnerhaftes Angebot, in den Augen seines Kollegen. »Nichts.« Athos fuhr sich mit den Händen über die Augen und lies seine Stirn kurz in seinen Handballen ausruhen. »So sprachlos?« Porthos war beeindruckt. »Sie kam gar nicht dazu etwas zu sagen.« Das klang etwas kleinlaut. »Alter Schwerenöter.« Porthos zuckte vielsagend mit den Augenbrauen. »Sie war gar nicht da!« Die Stimme hinter dem Schreibtisch klang mühsam beherrscht. Eine kurze Stille breitete sich über dem Zimmer aus, bis sie durch ein lautes Klopfen an der Tür unterbrochen wurde. Ohne eine Antwort abzuwarten, tauchte ein junger Musketier hinter der Türe hervor und knallte wortlos einige Briefe auf den Tisch, bevor er wieder verschwand. Athos nahm sie auf, ohne sie sich noch einmal anzusehen und legte sie auf einen Haufen anderer ungelesener Briefe ab, der sich inzwischen zu einer beachtlichen Höhe gestapelt hatte. »Wie meinst du das? Sie war nicht da?« Porthos Stimme klang seltsam verwirrt. »Das soll…ich…also ich…« Die sonst so ruhige Stimme von Athos geriet ins stolpern. »Ich sah zwar wie sie in das Haus des Schneiders hineinging, aber nicht das sie wieder herauskam.« Sein Freund und Kollege musterte ihn eine Weile stumm, bevor er sich schließlich einen Stuhl schnappte und sich darauf niederließ. »Du bist ihr also bis zu einem Schneider gefolgt?« Athos nickte bestätigend mit dem Kopf. »Und hast gesehen, wie sie in die Schneiderei hineinging?« Wieder nur ein Kopfnicken. »Und dann?« Porthos schien die Schwierigkeit nicht zu verstehen. »Dann habe ich gewartet.« »Gewartet?« »Ja.« »Wo?« »Vor dem Haus.« »Wieso vor dem Haus?« Die beiden blickten sich gegenseitig verwirrt an. »Wieso bist du denn nicht hineingegangen?« Sein Freund konnte es einfach nicht verstehen. »Das wäre ja auch gar nicht auffällig gewesen«, schnaubte Athos hinter dem Papierberg hervor. »Was glaubst du, hätte sie dann wohl von mir gedacht?« »Das du an ihr interessiert bist!« Porthos Pranke knallte auf die Tischkante. »Warum bist du denn unverrichteter Dinge wieder abgehauen?« »Porthos, ich habe drei Stunden vor dem Laden gewartet. Drei Stunden!« Das war nun wirklich keine Selbstverständlichkeit. Schon gar nicht für einen sonst so erfolgsgewöhnten Musketier. »Na und? Hast du überhaupt eine Idee wie lange man in so einer Schneiderei braucht?« Nein, von solchen Dingen hatte Athos keine Ahnung. Essen, Kleider und Frauen waren eindeutig eher Porthos Gebiet. »Du meinst also, ich hätte länger warten sollen?« Athos war sich nicht wirklich sicher, ob er seinen Freund richtig verstanden hatte. »Ich meine, du hättest zu ihr reingehen sollen«, seufzte Porthos und schüttelte innerlich über den Misserfolg seines Freundes den Kopf. Es lag wohl heute an ihm, Athos wieder etwas aufzumuntern. »Wie sieht es aus, kommst du noch mit auf ein Bier?« Sein Satz war noch nicht einmal richtig ausgesprochen, als die Tür schon wieder aufsprang. »Monsieur Athos, diese Meldung kam gerade noch herein.« Der junge Musketier reichte ihm ein Schreiben und war damit auch schon wieder draußen. Seufzend nahm Athos das Schreiben auf, mühsam beherrscht nicht mit den Augen zu rollen, sondern einfach nur mit dem Kopf zu schütteln und blickte zu seinem Kollegen auf. So wie es aussah, versprach es noch ein langer Abend für ihn zu werden. ~*~ Kapitel IV. »Kapitän?« Ein paar Schweinchenaugen lugten vorsichtig hinter der Tür hervor. »Ja?« De Tréville lies sich nie dazu herab, zu seinem Musketier aufzusehen. »Da ist Besuch für euch.« Die Feder hielt erstarrt in ihrer Bewegung inne. Wieso kam ihm das Ganze nur so bekannt vor? Vorsichtig blickte der Kapitän auf. »Es ist doch wohl hoffentlich keine Frau.« »Nein, es ist ein junger Mann.« Verwirrt bemerkte der junge Musketier, wie sein Hauptmann erleichtert ausatmete. »Hat er einen Termin?« »Ja…nein… er meinte, ihr hättet zu ihm gesagt, er solle heute noch einmal vorbeikommen.« Hab ich das?« Verwirrt blickte er den Musketier an. Der Ärger des vergangen Tages hatte ihm schlimme Kopfschmerzen beschert. Letztendlich hatte er seinen Schreibtisch geräumt und Athos die Aufgaben als Stellvertreter übergeben, um sich ein paar Stunden hinlegen zu können. Vielleicht wurde der junge Mann von seinem bestem Musketier herbestellt. »Von mir aus. Soll eintreten!«, knirschte er zwischen den Zähnen hervor und war in Gedanken bereits wieder bei seinem mit Briefen überhäuften Schreibtisch. Als sich die Türe erneut wieder öffnete und schloss, war er immer noch dabei die neuste Aufstellung seiner Majestät durchzugehen. Erst als ein paar blauen Stiefel direkt vor seinem Schreibtisch zum stehen kamen, begnügte sich der Kapitän zu dem jungen Mann aufzusehen. Tadellos gekleidet in azurblauem Stoff, mit farblich passendem Hut und zurückgekämmten Haaren, stand eine ihm sehr bekannte Gestalt gegenüber, welche ihn gestern früh noch zur Weißglut getrieben hatte. »Ich bin hier, um euch um eine Arbeit zu bitten, Tréville.« Fassungslos starrte der Kapitän auf den Grund seiner gestrigen Kopfschmerzen und bewegte nur stumm die Lippen. »Sofern ich euch nun Mann genug bin.« Stumm starrte Athos auf den Bogen Papier in seinen Händen. Er hatte den Inhalt seit dem gestrigen Nachmittag so oft gelesen, dass er ihn mittlerweile auswendig kannte. Sobald der Kapitän sein Gespräch beendet hatte, würde er ihn darauf ansprechen. »Wie lange wird der Kapitän noch benötigen?« Er drehte sich zu dem jungen Musketier hinter dem Schreibtisch um und schaute ihn fragend an. »Ich denke nicht lange.« Der junge Mann zögerte, nicht wissend wie viele Informationen er preisgeben dürfte. »Ein neuer Anwärter ist bei ihm, vermutlich dürfte es nicht lange dauern.« Athos nickte wissend mit dem Kopf. Täglich kamen neue junge Männer aus dem ganzen Land angereist, um sich bei de Tréville vorzustellen. Für die meisten blieb es nur bei einer Begrüßung. Sein Kapitän hatte die Neigung dazu, seine Männer sehr sorgfältig auszuwählen. »Monsieur Athos?« Der junge Musketier vollführte einen regelmäßigen Tanz neben seinem Stuhl, während er auf der Stelle tänzelte und die Beine zusammenzwickte. »Ich… ich bin äh, gleich wieder da.« Zurück blieb ein verwunderter Musketier und ein leerer Schreibtisch. Kopfschüttelnd lies sich Athos auf dem Stuhl nieder und zog die Kerze etwas näher zu sich heran. Sein Blick fiel zurück auf das Schreiben in seinen Händen, welches gestern Nachmittag auf de Tréville’s Schreibtisch gelandet war. Es war fast wie eine der alltäglichen Vermisstenmeldung die sie jeden Tag erhielten. Fast. Athos hatte nur einen kurzen Blick auf die Zeichnung zu werfen brauchen, um die junge Frau zu erkennen, welche gestern so plötzlich in seinem Leben aufgetaucht und ebenso schnell wieder verschwunden war. Nachdem er den größten Teil des gestrigen Tages damit verbracht hatte etwas über sie in Erfahrung zu bringen, hatte er ohne etwas dafür tun zu müssen, plötzlich alle Informationen über sie in der Hand. Name, Herkunft und die persönliche Randnotiz eines Inspektors, dass sie vermutlich in Paris auftauchen könnte, nachdem er ihr zu verstehen gegeben hatte, dass der Tod ihres Verlobten vermutlich nie aufgeklärt werden würde. Aus diesem Grund hatte er die Meldung auch direkt an den Kapitän gesandt. Eine Botschaft die ihm vermitteln sollte, dass dieser sich nun mit dem Problem zu beschäftigen hatte. Seufzend strich sich Athos die Haare aus dem Gesicht, während er das Gemälde von ihr betrachtete. Sie hatte tatsächlich nicht gelogen, was ihren Wohnort anging. Irgendwie berührte ihn das ebenso stark, wie die Verwunderung, dass sie ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. »Goustard? Goustard!« Die Stimme des Kapitäns schallte ärgerlich von den Treppen zu ihm herunter. Die einzige Person die in der düsteren Halle darauf regierte, war sein bester Mann und Stellvertreter, der sich allerdings nur ahnungslos um die eigene Achse drehen konnte, um nach besagten Goustard Ausschau zu halten. Doch von dem jungen Mann fehlte noch jede Spur. »Ah, Athos.« Der Kapitän hatte ihn gesehen und winkte ihn zu sich heran. »Gut das du da bist, ich hab hier jemanden für dich.« Neben ihm tauchte eine schlanke Gestalt auf, die auf dem gleichen Treppenabsatz wie der Kapitän stehen blieb. Athos konnte anhand von Kleidung und Haltung abschätzen, dass es sich wohl um den neusten Zuwachs der Musketiere handelte und ahnte bereits was sein Hauptmann ihm zu sagen hatte. »Athos, ich stelle dir hier unseren neusten Musketieranwärter vor.« Mit seiner linken Hand schob er den jungen Mann etwas weiter nach vorne ins Kerzenlicht. Eine Weile starrte Athos einfach versonnen auf die schlanke Gestalt vor ihm. Als er auch kurz darauf nichts tat, außer ihn anzustarren, entschloss sich der Kapitän einzugreifen. »Sein Name ist... Aramis.« Er schien über den Namen etwas zu stolpern. »Ich hatte gehofft, du könntest ihn ein wenig hier herumführen und ihm alles einmal zeigen.« Mit anderen Worten, der Kapitän hatte weder die Zeit, noch die Geduld um sich darum zu kümmern. Diese wertvolle Aufgabe blieb dafür an Athos hängen. »Wo steckt eigentlich Goustard?« Nachdem immer noch keine Reaktion von seinem sonst so zuverlässigen Musketier kam, schien es der Kapitän nun doch für klüger zu halten, das Thema kurzzeitig zu wechseln. »Wer?« Athos blinzelte verwirrt und riss seinen Blick schließlich von seinem neuen Kollegen los. »Der junge Mann, der eigentlich hinter diesen Schreibtisch gehört.« Es klang wie ein gefährliches Knurren. Athos hielt es für umsichtiger, dem Kapitän einfach nur die richtige Richtung zu zeigen. Beide Musketiere verfielen in kollektives Schweigen, während sie den schweren Stiefeln des Kapitäns hinterher blickten. Schließlich gelang es Athos das Schweigen zu brechen. »So du bist also … ein neuer Anwärter bei uns.« Zwischen absoluter Ungläubigkeit, machte sich nun auch permanente Neugierde in ihm breit. »Offensichtlich.« Er sah wie ihr Blick von ihm immer wieder weghuschte. Offenbar hatte sie ihn ebenfalls wiedererkannt. Der schwarzhaarige Musketier entschloss sich schließlich für die Flucht nach vorne. »Ich bin übrigens Athos.« Er tippte als Gruß kurz an seinen Hut. »Aramis.« Sie nickte ihm kurz zu und blickte sich nochmals flüchtig in der Halle um. »Also an wen kann ich mich nun wenden, wenn es um … um das Training mit dem Degen geht?« Athos bemerkte wie ihre Hände dabei leicht zitterten, überging es aber gekonnt und zeigte auf die offen stehende Türe hinter ihr. »Wenn du auf den Hof nach draußen gehst, wende dich einfach an Porthos, er wird dir schon jemanden zuteilen.« Er versuchte die voluminöse Gestalt seines Freundes mit den Händen darzustellen und erntete dafür ein Lächeln von ihr. »Verstehe.« Ihr Blick glitt zu der Tür nach draußen, als seine Stimme sie noch einmal aufhielt. »Du musst dich gut mit dem Kapitän verstanden haben.« Athos war nicht gewillt sie schon so schnell und ohne ein paar Antworten gehen zu lassen.«Er ist sehr wählerisch was neue Anwärter bei den Musketieren angeht.« »Ich hatte gute Argumente«, erwiderte sie nur. »Stichhaltige?« »Wohl eher schlagkräftige!« Der Kapitän war unbemerkt hinter ihn getreten und klopfte seinem Musketier aufmunternd auf die Schulter, bevor er sich wieder auf dem Weg zu seinem Büro machte. »Sieh dich vor Athos, er schlägt mit dem geflügelten Wort nur so um sich.« »Tatsächlich?« Er hob erstaunt die Augenbrauen an und lächelte sie nachsichtig an. »Die einzigen Dinge, mit denen wir uns hier schlagen, sind eigentlich unsere Waffen.« »Ach wirklich?« Aramis tat erstaunt. »Klingt sehr aufregend.« Offensichtlich genoss sie die Unterhaltung mit Athos immer mehr. »Wohl eher gefährlich«, wies er den jungen Rekruten zurecht. »Du weist wohl wovon du sprichst«, mutmaßte sie. »Durchaus. Aber du brauchst dir keine Sorge zu machen, dass dir etwas zustoßen könnte. Viele der Ärzte wohnen praktischerweise hier in der direkten Nachbarschaft.« »Wahrscheinlich gerade deswegen«, murmelte sie nicht gerade leise. »Ich würde es allerdings vorziehen die Begegnung mit Ärzten zu vermeiden.« Athos blinzelte belustigt. Er konnte sich ganz genau vorstellen, warum sie einen solchen Zwischenfall vermeiden wollte. »Du hast wohl kein großes Vertrauen in die Heilkunst.« » Die meisten Menschen sterben an ihren Ärzten, nicht an ihren Krankheiten,« konterte Aramis. Zu ihrem Erstaunen fing ihr Gegenüber zu lachen an. »Der Kapitän warnte mich ja bereits, das du eine Leidenschaft für Redewendungen aller Art hast.« Er lächelte sie nochmals an und reichte ihr anschließend seine Hand, bevor er sich von ihr wegdrehte und wieder Platz hinter dem Schreibtisch nahm. Interessiert beobachtete er, wie sie noch etwas zögerlich auf die Tür zum Hof hinaus zuging. »Aramis.« Etwas verwirrt stoppte der junge Musketier und blickte wieder zu ihm nach hinten. »Hattest du eigentlich jemals vor Musketier zu werden?« Er merkte, wie sie bei dieser Frage zögerte. »Offen gesagt nein,« gestand sie nach einer Weile und blickte zum Treppenaufgang des Kapitäns hinauf, wobei ihre Mundwinkel leicht zuckten. »Ehrlich gesagt, hat es sich eher zufällig ergeben.« Athos nickte wissend mit dem Kopf und schützte Verständnis vor. »Ich bin sicher, das es dir bei uns gefallen wird.« »Greifst du auf eine mutwillige Ahnung zurück?«, feixte sie schmunzelnd und sah ihn hinter dem Schreibtisch den Kopf schütteln. »Wo denkst du hin. Nur auf eine deiner geliebten Sprichwörter. Immerhin heißt es ja auch: Ein gut erlernter Beruf, ist mehr wert als ein großes Erbe.« Amüsiert beobachtete er, wie sie leicht zusammenzuckte und ihn verdutzt ansah. Während er das Blatt neben sich erneut wieder aufnahm, zwinkerte er ihr noch einmal fröhlich zu, bevor er augenscheinlich Interesse an der Schreibtischarbeit vortäuschte. Als er den Kopf noch einmal hob sah er, wie sie ihn verschmitz anlächelte und ergeben den Kopf neigte. »Touché «, murmelte sie, gerade einmal laut genug, dass er es hören konnte. Dann wanderte ihr Blick nach draußen auf den Hof, auf dem sich bereits die ersten Musketiere für ihren Dienst bereitmachten. Ab heute würde sie ebenso dazugehören. Sie holte noch einmal tief Luft, dann trat sie aus der kühlen, dunklen Halle hinaus in den warmen Sonnenschein. Athos saß noch eine Weile hinter dem Schreibtisch und beobachtete die weit offen stehende Türe, bevor er sich dem Papier in seinen Händen zuwandte. Das Bild einer gesuchten jungen Frau blickte ihm entgegen. Hinter diesem Bild steckte eine Vergangenheit. Eine Vergangenheit die von dieser jungen Frau nun gegen eine neue Zukunft eingetauscht worden war. Seufzend betrachtete er es noch kurz, dann hielt er es weit genug hoch, dass es in die Reichweite der knisternden Kerze gelangte und die Flammen bald darauf an ihrer neuen Nahrung leckten. Das Leben von Aramis, hatte mit diesem Tag neu begonnen. (*)Original: "C'est le ton qui fait la musique Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)