Peek~a~boo von Tei (■Ein Blick hinter die Kulissen■) ================================================================================ Kapitel 4: 望むものはもう何もないさ ----------------------- *auf Datum guck* Etwas über einen Monat seit dem letzten Kapitel… Sorry, dass es wieder so lange gedauert hat (aber ich war schneller als beim letzten Mal!^^) m(._.)m Dafür ist dieses Kapitel auch das Längste bisher – 10 Seiten in Word und knapp 5000 Wörter, ich hoffe, dass ist eine kleine Entschädigung für die Wartezeit!^^ Vielen lieben Dank an Kaoru (auch für’s Betan), Katze Morle und SanakoTatenaka für Kommis *eine Runde Kekse ausgeb* Ich hoffe, ich habe mit dem 4. Kapitel in etwa euren Geschmack getroffen und hoffe, ihr habt alle viel Spaß beim Lesen! ■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□ Es war weit nach Mitternacht, Gackt tippte auf vielleicht zwei oder drei Uhr, und er war noch immer hellwach. Seufzend tastete er mit der linken Hand nach seinen vier Handys, die er vorhin, nachdem You eingeschlafen war, aus seinem Arbeitszimmer geholt hatte und nun auf der Bettdecke, auf seinem Bauch, lagen. Ryu hatte noch nicht angerufen - ein Grund mehr, warum er nicht schlafen konnte. Sollte er vielleicht doch noch eine Schlaftabletten nehmen, um wenigstens noch ein wenig zu schlafen? Vielleicht würde er dann nicht mehr frustriert die Decke anstarren… andererseits musste er in ein paar Stunden sowieso wieder aufstehen. Jetzt noch eine Tablette zu nehmen, würde bedeuten, dass er dann vermutlich nicht aus dem Bett kam. Außerdem war You da - Gackt wollte nicht, dass er mitbekam, dass er schon wieder Schlafprobleme hatte. Er würde sich nur noch mehr Sorgen um ihn machen, als er sowieso schon tat. Das plötzliche Vibrieren auf seinem Bauch ließ Gackt zusammenzucken. Hastig griff er nach dem Mobiltelefon, das vibrierend und blinkend auf sich aufmerksam machte. Er klappte es auf, registrierte nur am Rande, dass Ryus Name im Display stand, und drückte auf die grüne Hörertaste. "Ja?!" Obwohl Gackt gedämpft sprach um You nicht zu wecken, konnte man deutlich seine Aufregung heraushören. "Gakkun?" "Ja. Hast du mit ihm geredet?" "Geredet ist wohl untertrieben", entgegnete der Schlagzeuger und seufzte. "Er hat wirklich alle Register gezogen, um mich und Shizuka davon zu überzeugen, dass er es unter keinen Umständen macht…" Erneut seufzte Ryu auf - die letzten Stunden waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. "Und? Geht er auf das Dach?" "Es ist unmöglich, ihn dort hoch zu bewegen. Seine Angst ist viel zu groß. Er würde eine Panikattacke bekommen und wäre unfähig auch nur einen Akkord zu spielen." Gackts Hoffnung war mit jedem Wort weiter gen Nullpunkt gesunken. Chacha war doch auch mit geritten, warum stellte er sich dann jetzt so bei diesem Dach an? "Allerdings…" Ryu machte absichtlich eine Pause, um den Sänger auf die Folter zu spannen, der wieder einen kleinen Lichtschimmer im Dunkeln sah. "Chacha hat letztendlich zugestimmt, es mit einer Konfrontationstherapie zu probieren… aber nachdem wir nur ein paar Tage Zeit haben, ist es fraglich, ob es klappt…" "Das heißt, es besteht zumindest eine Chance!" "An deiner Stelle würde ich meine Hoffnung aber nicht zu hoch setzen", bremste Ryu Gackts Enthusiasmus. "Er hat schon zahlreiche Therapien angefangen, aber sie nie zu Ende gemacht..." "Zumindest besteht nun eine kleine Chance... ne, Ryu? Vielen Dank! Ich weiß das, was du und Shizuka macht, sehr zu schätzen." "Schon in Ordnung. Aber Gakkun…" "Was?" "… mach‘ ihn nicht kaputt." "… was meinst du damit?" "So wie ich es sage… er ist in den letzten Jahren immer wieder über seinen Schatten gesprungen, weil du es von ihm gefordert hast, aber jeder hat irgendwann einmal seine Grenze erreicht…" Bewusst legte Ryu eine Pause ein, um Gackts Reaktion abzuwarten, doch alles was er hörte, war, dass der Sänger mehrmals schluckte. "… er will aufhören, Gackt!" "Wa-!!!!" Schnelle schlug sich Gackt die Hand vor den Mund, um You nicht zu wecken. "Er ist sich nicht sicher, aber er denkt auf jeden Fall darüber nach… deswegen war er in den letzten Wochen auch so angespannt." "… … …" "Gakkun?" "Danke, Ryu-kun… wir sehen uns dann bei den Proben!" Abrupt legte der Sänger auf und starrte an die Decke. Machte er seinen Leadgitarristen wirklich kaputt? Zwang er ihn tatsächlich immer wieder zu Sachen, die er eigentlich gar nicht machen wollte? OK, er musste ihn häufig zu Sachen überreden, die die anderen einfach so machten. You und Ju-Ken hatte er zum Beispiel überhaupt nicht dazu überreden müssen, bei der Platinum Box VII mitzumachen, während er mehrere Stunden lang auf Chacha hatte einreden müssen, ehe dieser schließlich zögernd eingewilligt hatte. Eigentlich war es ja geplant gewesen, dass er, wie You, beide Tage ritt, aber nachdem er am ersten Abend dann eine Blase am Finger gehabt hatte, hatte Gackt die Ausrede, er könne damit unmöglich noch einmal reiten, ohne die kommenden Aufnahmen im Studio zu gefährden, durchgehen lassen. Letztendlich war er schon glücklich gewesen, dass Chacha wenigstens diesen einen Tag durchgezogen hatte. Wenn er so nachdachte, dann musste er den Gitarristen wirklich häufig zu Sachen überreden… Und was meinte Ryu überhaupt damit, dass Chacha daran dachte, aufzuhören?! Was sollte er denn ohne seinen kleinen Grashüpfer, seine verschmuste Grinsekatze tun? Das alles schrie geradezu nach einem einem Gespräch unter vier Augen - als wenn er davon in letzter Zeit nicht schon genug gehabt hätte! Die Frage war nun, sollte er gleich mit ihm reden oder bis zur nächsten Probe warten? Gackt würde heute sowieso nicht mehr zum Schlafen kommen, also konnte er das auch gleich tun. Vorsichtig, bedacht, You nicht aufzuwecken, der friedlich vor sich hinschlummerte, stand er auf und verschwand ins angrenzende Bad, wo er sich kurz frisch machte und wieder die Kontaktlinsen einsetzte. Nachdem er nicht wirklich darauf geachtet hatte, welchen Behälter er nahm, erwischte er den, den You beschlagnahmt hatte. Verwirrt darüber, weshalb plötzlich alles so unscharf war, blinzelte er mehrmals und versuchte, etwas im Spiegel zu erkennen - ein aussichtsloses Unterfangen. "So unscharf wie alles ist, müssen das Yous Kontaktlinsen sein… meine Güte, Nii-chan ist ja wirklich blinder als ein Maulwurf!" Er fischte die weichen Linsen wieder aus seinen Augen heraus, spülte sie kurz mit einem Lösungsmittel und gab sie zurück in den Behälter. Anschließend nahm er den nächsten und probierte die Kontaktlinsen, die sich darin befanden. Es waren einfache, nicht gefärbte, aber das störte ihn jetzt nicht - Hauptsache er sah scharf. Nach einer Katzenwäsche, die Mei neidisch machen würde, fuhr er sich mit der Hand kurz über das Kinn, entschied aber, dass es reichen würde sich am Abend zu rasieren. Ein bisschen Make-up und keiner würde die dunklen Schatten, die sich langsam aber sicher auf seinem Gesicht bildeten, wahrnehmen. Zusätzlich konnte er so seine Augenringe vertuschen. Noch ein wenig Maskara, mit dem Kamm einmal durch die Haare und voila, er war ausgehfertig. Das einzige was er nun noch brauchte, waren Klamotten. Leise tapste er zurück in Schlafzimmer und in seinen begehbaren Kleiderschrank. Relativ schnell hatte er sich für einen Tanga mit Leopardenmuster, einer schwarzen Baggyhose und einem dunkelgrünen Sweatshirt mit der Aufschrift "I’m too sexy for my shirt" entschieden. Ursprünglich war das Shirt ja als Gag von Ju-Ken gedacht gewesen, aber er mochte es - entsprach es doch der Wahrheit. Auf Socken verzichtete er, da er Flip Flops anziehen wollte. Fehlte also nur noch der obligatorische Schmuck und seine große, schwarze Sonnenbrille. Als er fertig war, musterte er sich kurz - wirklich nicht länger als zwei Minuten - im Spiegel, ehe er sich den Notizblock und den Gelschreiber schnappte, die beide auf dem Flügel, der seinen begehbaren Kleiderschrank schmückte, lagen, und eine kurze Nachricht für You schrieb. "Bin bei Cha - musst dir keine Sorgen machen! Hab dich lieb! G. P.S.: Wenn ich nicht da sein sollte, wenn du gehst, kannst du die Tiere noch füttern?! Und wenn Eneru wieder irgendwelche Hinterlassenschaften gemacht hat, dann schreib Nee-chan noch einen Zettel, dass sie sie weg machen soll (sie kommt heute sowieso vorbei). P.P.S.: Fühl dich wie zuhause!!" Er las sich die Notiz noch einmal kurz durch und schlich dann zum Bett. Dort angekommen, riss er den selbstklebenden Zettel ab und klebte ihn You auf die Stirn. "Da sollte er ihn auf jeden Fall finden - auch ohne Kontaktlinsen und Brille!" Nur zu gut konnte sich Gackt an die letzten Mal erinnern, als er seinem besten Freund eine Nachricht hinterlassen hatte: er hatte sie nie bekommen, da ein Luftzug sie entweder verweht hatte, You sie aus Versehen weggeschmissen hatte, ohne sie zu lesen, oder seine Tiere sie als Spielzeug angesehen und in die Mangel genommen hatten. Nein, dass war definitiv die beste Lösung! So würde You den Zettel auf jeden Fall finden. Rasch steckte Gackt noch seine Handys ein und verließ dann das Schlafzimmer. So leise wie möglich ging er im Dunklen ins Erdgeschoss, nahm seine Autoschlüssel und zog Jacken und Schuhe an. Anschließend verließ er das Haus durch eine Verbindungstür, die ihn direkt in die große Garage mit seinen Autos führte. Während er zu seinem besonderen Liebling, einem roten Thunderbird, Baujahr 73, ging, öffnete er per Fernbedienung schon einmal das Garagentor. Schon fast genießerisch setzte er sich in den hellbraunen Ledersitz, startete den Motor und fuhr rückwärts hinaus. In der Einfahrt wendete er erst einmal, was sich als etwas schwieriger herausstellte, als normalerweise, da Yous BMW im Weg stand. Aber nach einigem Rangieren hatte er den Wagen so, wie er ihn wollte und fuhr im Schritttempo zu einem großen, schmiedeeisernen Tor, das die Einfahrt zu seinem Grundstück versperrte. Doch ein weiterer Knopfdruck auf der Fernbedienung reichte aus, dass es sich lautlos öffnete und er hinaus fahren konnte. Bevor er sich anschnallte und beschleunigte, schloss er es ferngesteuert. Normalerweise kalkulierte Gackt mehr als eine Stunde Fahrzeit ein, wenn er von Yokohama aus nach Minato-ku wollte, obwohl die Strecke nicht sonderlich weit war. Aber heute Nacht rechnete er maximal mit einer Dreiviertelstunde - der Pendlerverkehr würde erst in gut zwei Stunden beginnen und die meisten Clubs, Restaurants und Bars hatten inzwischen zu. Ein Großteil der Leute lag wahrscheinlich noch in ihren Betten und schliefen friedlich vor sich hin, sodass die Straßen, verglichen mit dem Verkehrsaufkommen am Tage, geradezu leer waren. Zudem war er noch nie jemand gewesen, der es mit Geschwindigkeitsbegrenzungen allzu ernst nahm. Sie waren für ihn mehr so etwas wie eine Richtgeschwindigkeit. So war es auch nicht verwunderlich, dass Gackt nach etwa einer halben Stunde bereits im Tokyo Twin Park ankam. Er suchte sich einen der raren Parkplätze in der Umgebung und ging dann zum linken Flügel. Kurz legte er den Kopf in den Nacken und zählte die Stockwerke. "… 36… 38… und es brennt noch Licht! Also ist er noch wach." Weshalb Chacha mit seiner Höheangst im achtunddreißigsten Stock wohnte, hatte er nie so recht verstanden… aber er musste schließlich nicht alles verstehen. Seiner Meinung nach war es trotz allem Verschwendung. Es war immerhin nicht so, dass der Gitarrist die atemberaubende Aussicht genießen würde. Fast immer hatte er die Fenster verhangen und der Balkon, der einen wunderbaren Blick auf den Tokyo Tower bot, war Gackts Wissen nach selbst nach vier Jahren noch vollkommen ungenutzt. Er betrat das großzügige Foyer und ging direkt zur Rezeption, die ihn stets an ein Hotel erinnerte. Auch jetzt, zu dieser frühen Morgenstunde, war sie bereits von einer jungen Japanerin im dunklen Dress besetzt. Der Sänger kannte sie von früheren Besuchen und schenkte ihr ein Lächeln, als er zu ihr trat. "Ich möchte gerne zu Fujimura-san." "Natürlich, Gackt-san", antwortete sie mit einer Verbeugung und öffnete mit einem Knopfdruck die verglasten Türen, die zu den Aufzügen führten. "Soll ich Fujimura-san Bescheid geben, dass sie kommen?" "Ist nicht nötig!" Er verabschiedete sich mit einem kurzen Winken, betrat dann einen der Aufzüge und drückte auf die 38. Es dauerte keine 3 Minuten und er kam in der gewünschten Etage an. Als er zur Wohnungstür ging und klingelte ließ er sich noch einmal durch den Kopf gehen, was Ryu ihm gesagt hatte. Unterdessen saß Chacha zusammengekauert auf dem Balkon und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Sein Rücken war gegen das Geländer gelehnt und er zitterte am ganzen Körper - dies lag nicht unbedingt daran, dass die Nacht kühl war. Er war vor knapp einer Stunde nachhause gekommen und wollte eigentlich nur noch ins Bett. Doch dann war er am Balkon vorbeigegangen und ihm war der Gedanke gekommen, doch einmal hinauszugehen. Am kommenden Morgen würde er ja sowieso mit Shizuka an seiner Höhenangst wieder einmal arbeiten. Warum sollte er also nicht gleich damit anfangen?! Chacha hörte das Klingen, doch er regierte nicht darauf. Stattdessen starrte er auf seine rechte Hand, in der er eine Zigarette hielt, und die er immer wieder zu seinem Mund hinführte. In Gedanken spielte er immer wieder das Gespräch mit Shizuka und Ryu durch. Stundenlang hatten sie mit ihm geredet, auf ihn eingeredet, ehe er letztendlich einfach zu allem Ja und Amen gesagt hatte, nur damit er seine Ruhe hatte und das Chaos in ihm ordnen konnte. Chaos - genau das beherrschte ihn momentan. Wie sollte er ihnen denn bitteschön die Frage beantworten, ob er wirklich aufhören wollte, wenn er es selbst nicht wusste?! Ja, er wusste, dass die Performance auf dem Dach an sich ungefährlich war - sonst hätte Gackt es schließlich nicht vorgeschlagen - aber er hatte trotz allem Panik davor! Es war hoch und es ging tief hinunter. Er wollte nicht auf den Wolkenkratzer, aber er musste! Wie genau Shizuka es anstellen wollte, dass er seine Angst verlor, wusste er nicht. Immerhin hatte er schon sooft eine Therapie abgebrochen und es war nicht so, dass sie massig Zeit hätten - um genau zu sein, gerade einmal eine Woche - und er kannte seine Höhenangst nur zu gut, um zu wissen, dass das nie im Leben ausreichen würde, damit er sich auf dem Dach so weit wohl fühlen würde, dass er in der Lage wäre zu spielen. "Chacha! Wo zum -" Nachdem sein Klingeln ignoriert worden war, hatte sich Gackt mit dem Zweitschlüssel Einlass verschafft. Die offene Balkontür hatte sein Interesse geweckt, sodass er hinausspähte und seinen Gitarristen und Produzenten entdeckte. "Chacha, was zum Teufel tust du hier draußen?!" Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber Chacha auf dem Balkon vorzufinden gehörte definitiv nicht dazu! Als der Ältere nicht wirklich reagierte, nahm er ihm die Zigarette weg und vernichtete sie im Aschenbecher. Anschließend zog er ihn hoch und dirigierte ihn ins Wohnzimmer, wo er ihn auf eine weiße Ledercouch drückte. "Man, man, man, du bist ja ein totaler Eiszapfen! Was hast du denn da draußen überhaupt gemacht?“ "… geraucht…" Toll, er konnte also noch sprechen! Das bedeutete zumindest, dass sein Gehirn noch nicht eingefroren war. "Seit wann tust du das auf dem Balkon? Du machst doch sonst immer einen großen Bogen darum… dass du dich auf dem Balkon gewagt hast, gleicht ja schon einem Suizidversuch!" Gackt war leicht durch den Wind, aber wer konnte es ihm verübeln, er fand schließlich nicht täglich seinen Gitarristen, der unter akuter Akrophobie litt, auf einem Balkon im achtunddreißigsten Stock vor. "Auf den Balkon darf ich also nicht, aber auf das Dach eines Hochhauses schon?!", entgegnete Chacha und fixierte ihn; dabei klang er barscher als gewollt. An sich war er einfach nur hundemüde. Er wollte ins Bett und am besten einen Monat lang schlafen und nicht mit Gackt über irgendwelchen Unsinn diskutieren. Leider war es schon immer so gewesen, dass der Sänger gern die Dinge beredete, über die, seiner Meinung nach, auch geschwiegen werden konnte. "So war das nicht gemeint!!", verteidigte sich Gackt und schob seine Sonnenbrille auf den Kopf. "Ich war einfach nur geschockt, dich dort draußen vorzufinden!" Er ließ sich Cha gegenüber in einen Sessel fallen. "Ich wollte lediglich nachdenken – alleine!" Das letzte Wort betonte er besonders, in der Hoffnung, dass Gackt den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen würde. Leider reichte bei ihm häufig noch nicht einmal eine Dachlatte aus… dies lag allerdings weniger daran, dass der Sänger besonders begriffsstutzig war, sondern eher an seiner ausgefeilten Technik, solche Hiebe zu ignorieren. Und genau das tat er auch dieses Mal wieder: kaum dass er bequem gesessen hatte, stand er auch schon wieder auf und ging in Chachas Küche, um Tee zu kochen. Der Gitarrist wusste, dass dies der Anfang einer sehr, sehr, sehr langen Nacht werden würde. "Also, was hat dich geritten, dass du freiwillig da hinaus bist?", hakte Gackt erneut nach, als er das Wasser erhitzte und eine Teekanne, sowie eine Metalldose und zwei Tassen aus einem Hängeschrank hervorholte. "In ein paar Stunden muss ich sowieso mit Shizuka auf ein Hochhaus, also kann ich hier schon einmal anfangen…", entgegnete Chacha und drehte sich um, sodass er ihn durch den Durchgang fixieren konnte. "Du warst völlig weggetreten! Du hast überhaupt nicht regiert!!" "Ich war in Gedanken versunken", verteidigte sich der Gitarrist. "Außerdem ist das normal bei Höhenangst!" Er drehte sich wieder um und starrte an die Wand. Unterdessen goss Gackt den Tee auf und setzte das Sieb in die Kanne ein, sodass sie später nicht auf Teeblättern herum kauen mussten. Anschließend nahm er das Gefäß, sowie die Tassen und ging zurück ins Wohnzimmer. Er stellte alles auf einem kleinen Glastischchen ab, das zwischen dem Sofa und dem Sessel stand. Doch anstatt sich wieder hinzusetzen, ging er vor Chacha in die Hocke und verschränkte seine Arme auf dessen Knien. "Ne… was ist in den letzten Monaten zwischen uns schief gelaufen, Cha?" "Was meinst du?" "Du weißt sehr gut, was ich meine… … Liegt es daran, dass ich in den letzten Monaten die Band mehr oder weniger vernachlässigt habe? Liegt es daran, dass es heuer keine Tour gab?" "Nein… zumindest nicht direkt…", entgegnete Chacha und drehte den Kopf weg, sodass er ihn nicht anschauen musste. "Es ist… … nichts…" Ein Seufzen entkam dem Sänger, als er wieder aufstand und sich neben seinen Gitarristen setzte. "Du willst wegen ‚nichts‘dann also auch aufhören?" Würde Chacha ihn ansehen, würde er den verletzten und traurigen Blick sehen, der Gackts Augen zierte. "Ryu, du alte Plaudertasche! Und mir immer vorwerfen, ich wäre so eine Tratschtante – na warte, Alter… das kriegst du irgendwann zurück!" "Ich hatte dir damals versprochen dir zu helfen, bis du die Bühne verlässt." "Du hast noch nie ein Versprechen gebrochen, seit ich dich kenne, und du wirst auch jetzt nicht damit anfangen, deswegen benimmst du dich seit Wochen wie das letzte Arschloch, in der Hoffnung, dass ich dich feuere!" "Das hast du gesagt, nicht ich", entgegnete Chacha, auch wenn er wusste, dass Gackt den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. "Stimmt, aber Ryu hat es mehr oder weniger angedeutet und er hat das garantiert von dir!" Daraufhin hüllte sich der Gitarrist in Schweigen, schenkte sich Tee ein und fand großes Interesse an der Tasse. Gackt hingegen spürte, wie sein Temperament langsam anfing zu brodeln und sich immer mehr dem Siedepunkt näherte. Letztendlich ließ er es überkochen - so wie er es auch schon die letzten Wochen immer zugelassen hatte, wenn er mit Chacha unter vier Augen geredet hatte. Er stand auf und stellte sich so vor ihn, dass der Ältere ihn ansehen musste, egal wie sehr er den Kopf wegdrehen wollte. "Okay, ich habe es auf die sanfte Tour versucht, aber das scheint bei dir ja nicht zu ziehen! Also lass uns Klartext reden: Du willst aufhören, weshalb auch immer, aber du willst nicht den ersten Schritt tun. Stattdessen meckerst, maulst und zickst du herum, dass es nicht mehr schön ist, in der Hoffnung, dass ich dir die Entscheidung, die du selbst nicht treffen kannst, abnehme!" Wie immer war Gackts Stimme sehr leise, aber er brauchte die Stimme auch nicht zu heben - Chacha konnte auch so die Wut, die Enttäuschung und den Schmerz über sein Verhalten heraushören. "Wenn du aufhören willst, dann sag es mir ins Gesicht! Sag: ‚Gackt, ich steig aus!‘ Sag, dass du nicht mehr willst! Sag, dass du die Nase vom JOB und von mir voll hast! Wenn du das nicht tust, dann lass ich dich nicht gehen! Du bist mein Freund, Yukihiro - in all den Jahren habe ich dir immer vertraut und stets auf dich gebaut. Ohne deine Erfahrung und deine Kontakte wären wir heute vielleicht nicht da, wo wir sind. Wenn du mir sagst, dass du gehen willst, dann lass ich dich gehen - zwar schweren Herzens, aber ich würde dich ziehen lassen. Wenn du mir das aber nicht sagst, dann entlasse ich dich nicht aus dem Versprechen! Wenn dir etwas an meinem Verhalten oder meinen Entscheidungen nicht passt, dann sag es mir, so wie du das früher immer getan hast!" "... Nicht alles ist immer so einfach, wie du glaubst, Gakkun…", seufzte Chacha und blickte zu ihm hoch. "Ich kann es nicht erklären, ich verstehe es ja selbst nicht einmal… es ist einfach so ein Gefühl…" "Hat es etwas mit mir oder den Jungs zu tun?", wollte Gackt wissen und ging wieder vor ihm in die Hocke. Als Antwort erhielt er daraufhin nur ein Kopfschütteln und ein verzweifeltes Auflachen. "Ich könnte es bejahen, ich könnte es verneinen… um dir eine ehrliche Antwort zu geben, müsste ich mich ja erst einmal selbst verstehen…" Erneut seufzte der Gitarrist auf, strich sich durch die Haare und schüttelte leicht den Kopf - allerdings mehr über sich selbst, als über Gackt. Unterdessen musterte der Sänger ihn und musste feststellen, wie klein und verloren Chacha aussah. Mehr aus Reflex heraus krabbelte er zwischen die Beine des anderen, schlang die Arme um dessen Taille und drückte ihn an sich. Zuerst zuckte Cha regelrecht zusammen, weil er damit nicht gerechnet hatte, doch dann entspannte er sich, legte seine sehnigen Hände auf Gackts breite Schultern und beugte sich nach vorne, sodass seine hohe Stirn Gackts Hinterkopf berührte. "… weißt du noch, was ich 2003 gesagt habe? ", fragte er schließlich leise. Der Sänger überlegte, doch 03 war schon wieder so lange her und es war so viel in den letzten vier Jahren geschehen, dass er sich nicht mehr wirklich daran erinnern konnte. Daher schüttelte er letztendlich leicht den Kopf und verstärkte den Druck seiner Arme ein wenig. "Ich meinte, dass ich an einem neuen Album arbeiten würde, sobald sich die Gelegenheit geben würde… und während du Samurai gespielt hast, hätte ich schließlich genug Zeit gehabt, aber ich habe noch nicht einmal einen einzigen Song geschafft… nicht einmal einen einzigen Song in einem dreiviertel Jahr… was sagt das schon über mich aus, hm?" Nur zu deutlich konnte man die Frustration aus seiner Stimme heraushören. Gackt antwortete nicht darauf - was hätte er auch sagen sollen? - und beschränkte sich lediglich auf ein kurzes, verständiges Nicken, ehe er nach mehrminütigem Schweigen zu einer Antwort ansetzte: „Jeder von uns hat irgendwann einmal ein Krea-Tief… aber darüber kommt man auch hinweg!" "Hm…" "Ne, Cha… wenn du wirklich aufhören willst, dann akzeptiere ich das, aber denk bitte noch einmal ausgiebig darüber nach und sag mir nach dem Auftritt dann Bescheid, ok?!" "Hm… okinii[1], Gakun… und sorry für die letzten Wochen – ich war wohl ein ziemliches Arschloch…", sagte der Gitarrist leise und sah dem Jüngeren dabei zögernd in die Augen, der ihn schelmisch angrinste. "Nicht mehr, als sonst auch!" Für einen Moment schien Chachamaru empört die Luft einzusaugen und ähnelte dabei irgendwie sehr einem Fisch, der unter Sauerstoffmangel an die Oberfläche kam. Doch der Gitarrist hatte sich schnell wieder gefangen, verpasste dem Sänger eine Kopfnuss und nahm ihn in den Schwitzkasten. Halbherzig setzte sich dieser zur Wehr, amüsierte sich aber viel zu sehr darüber, endlich einmal wieder mit seiner "großen Schwester" herumzubalgen. Manchmal fiel es Gackt schwer, seine Beziehung zu dem Älteren genau zu definieren. Einerseits war er sein Associate Producer, der ihn finanziell und kreativ unterstützte, andererseits war Chacha eben auch einfach nur Chacha – wahrscheinlich genauso durchgeknallt wie Gackt selbst und oft genauso kindsköpfig wie der Jüngere. Ständige Neckerein, wie der Sänger sie sonst immer nur mit seinen Geschwistern hatte, standen bei ihnen an der Tagesordnung. Und genau diesen Punkt hatte er in den letzten Wochen vermisst. Cha war im Studio gewesen, hatte seinen Job gemacht und den mauligen Produzenten gespielt, der mit nichts zufrieden war und jeden angiftete, der zum falschen Zeitpunkt atmete. Ja, Gackt hatte es vermisst mit seiner kleinen Grinsekatze, wie er den Gitarristen oft betitelte, zu spielen. Umso erleichterter war er, dass sein Kommentar nicht dazu geführt hatte, dass Chacha wieder seinen „Charme“ versprühte, sondern ihn etwas aufgelockert hatte. Sehr schnell hatte er sich befreit und Cha vom Sofa heruntergezogen. Lachend stürzte er sich auf ihn und kitzelte ihn gehörig durch, was dazu führte, dass sich der Andere glucksend und keuchend unter ihm wand und mit Händen und Füßen um sich schlug. Mit den Zehen versuchte er an Gackts Fußsohlen zu kommen, da dies die einzige Stelle war, wo Kitzeln bei diesem einen Sinn machte. Kurz erwischte er ihn dort und der Sänger bekam eine Ahnung von Chas Plan. Innerhalb weniger Sekunden hatte er von ihm abgelassen, war aufgesprungen und hatte die Flucht ergriffen, denn wenn es etwas gab, dass er partout nicht ausstehen konnte, so war es, wenn seine Füße malträtiert wurden - selbst seine Fans wussten das nach der Platinum Box VII. "Flucht ist sinnlos!", rief Chacha ihm hinterher und nahm die Verfolgung auf, bei der er die Frustration der letzten Monate vergaß. Ihr Katz-und-Maus-Spiel dauerte bestimmt 10 Minuten, in denen sie lachend und keuchend hintereinander her rannten. „Du kriegst mich nie, alter Mann!!“ Im Zick-Zack ging es vom Wohnzimmer in die Küche und nach einem kurzen Abstecher ins Esszimmer zurück in den Wohnbereich. „Das denkst aber auch nur du, bakayaree!!“[2] Sie umrundeten mehrmals die Sitzecke, ehe Gackt glucksend ins Schlafzimmer verschwand, was sich jedoch als großer Fehler herausstellte. Chacha musste einkaufen gewesen sein, zumindest sorgten Dutzende Einkaufstüten von Dolce&Gabana, Gucci und Versage dafür, dass der Sänger nicht so vorwärts kam, wie er wollte. Der Kleinere nutzte dies natürlich aus, warf sich auf den Anderen und gemeinsam landeten sie auf Chachamarus Bett, wobei Gackt ein „Itai“[3] verlauten ließ, da er natürlich in Mitten der Gürtelsammlung des Gitarristen hatte landen müssen – und Gürtelschnallen im Rücken zu haben, war eindeutig nicht angenehm. Ebenso wenig hatte er es gerne, wenn sich Nieten – wenn auch relativ stumpfe –in seinen Hals bohrten. "Hab dich!!" Breit grinsend lag der zierliche Bandleader vom JOB auf Gackt und rappelte sich auf, sodass er auf dessen Bauch saß. " Ok, Ok, ich ergebe mich..." Das hatte er zwar von Anfang an geplant gehabt, aber das musste der Andere ja nicht unbedingt wissen. Zudem genoss er es viel zu sehr, ihn endlich einmal wieder so ausgelassen zu sehen. Gut, er war zwar eigentlich der Daddy[4] vom JOB und sorgte eigentlich immer dafür, dass die Dinge ihren geregelten Gang gingen und alle brav machten, was sie sollten, aber gleichzeitig war er auch immer Gackts engster Verbündeter gewesen, wenn es darum ging, gezielt Unsinn zu treiben und sich irgendwelche Gags zu erlauben. "Kluges Gaku-chan! Und was ist mit dem ‚alten Mann‘? Nimmst du das auch zurück oder muss ich mir eine extra Bestrafung für dich ausdenken?" Nur allzu deutlich war der Schalk aus Chachamarus Stimme herauszuhören, als er seinen Sieg auskostete. Wann kam es schließlich schon einmal vor, dass man Gackt besiegen konnte? Richtig, den Tag konnte man sich rot im Kalendar anstreichen, also war es nur angebracht, diesen Triumph so lange wie möglich zu genießen – natürlich voll und ganz auf Kosten des anderen! Bei der extremen Verniedlichung seines Namens grummelte der Sänger etwas, unterließ es aber sich darüber zu beschweren. Am Ende kam der Andere noch auf die Idee, ihn mit zehntausend Gürteln am Bett zu fesseln und ihn an den Füßen zu kitzeln. "Hätte denn dieser überaus gut aussehende Jungspund, den ich nicht älter als 20 schätzen würde, die Güte, von meinem Magen herunterzugehen?" "Willst du damit sage, ich bin fett und ein Schwergewicht?!?" Gedanklich ohrfeigte sich Gackt gerade selbst und versuchte im letzten Moment die Kurve zu kratzen, indem er beteuerte, was für ein Fliegengewicht Chacha war – was noch nicht einmal gelogen war! „… aber die wenigen Kilos, die du wiegst, Cha, spür ich nur zu deutlich auf meinem Abendessen und wenn du nicht willst, dass ich wiederkäue, dann wäre es wirklich lieb von dir, wenn du deinen süßen Hintern von mir runter bewegst!“ Ohne die Reaktion oder die Antwort des anderen abzuwarten, hob er ihn einfach von sich herunter . "Ich wäre schon runter gegangen...", entgegnete Chacha und kuschelten sich an den Sänger. "… ich will schließlich nicht, dass du mir ins Bett kotzt!" Kurz auflachend legte er einen Arm um den Kleineren und drückte ihn etwas an sich, nur um zwei Sekunden später eine Hand auf seiner Stirn zu spüren. "Was...?" „Fieber hast du keines…", murmelte der Gitarrist in seinen nicht vorhandenen Bart und hatte sich im nächsten Moment wieder aufgesetzt, wobei er Gackt streng ansah und die Hände in die Hüften stemmte. "Wer bist du und was hast du mit meinem PuPu angestellt?" "Meinst du, weil ich zu Abend gegessen habe?", fragte der Jüngere lachend und gab auch gleich die Antwort darauf: "You war da.“ "Ach so…" Damit zufrieden legte sich Chachamaru wieder in die Kissen und rutschte nah an den Anderen heran, sodass er ihn als Kuscheltier missbrauchen konnte. Seufzend schloss er die Augen und schmatzte mehrmals genüsslich, als er eine bequeme Position suchte. "Willst du schlafen?", stellte Gackt die äußerst intelligente Frage. "Das hatte ich vor, seit du hier bist", entgegnete Cha und schlang einen Arm um Gackts Taille. "… und entweder du bist jetzt still und schläfst auch… oder du machst noch ganz schnell die Fliege…" Der Sänger dachte kurz darüber nach, doch als er ihm antworten wollte, musste er feststellen, dass der Ältere bereits weggedämmert war. Sollte er nun riskieren, ihn wieder aufzuwecken, wenn er aufstehen würde oder sollte er einfach liegen bleiben? Ob er nun aufgrund von Schlaflosigkeit seine Zimmerdecke anstarrte oder Chachas war ja letztendlich egal… Somit blieb Gackt liegen und fischte erst einmal alle Gürtel unter sich hervor. Als das erledigt war und er deutlich bequemer lag, waren leider nur wenige Minuten vergangen. Endlos viele würden wohl noch folgen – das dachte er zumindest, doch keine Viertel Stunde später war auch er eingeschlafen. [1] okinii = Kansai Dialekt für Arigatou, bed. Danke [2] bakayaree = Kansai Dialekt, bed. in etwa so viel wie „verfluchter Mistkerl“ (Chacha betitelt Gackt ganz gerne mal damit) [3] Itai = Jap. für „Aua“, „Autsch“, ein Laut der Schmerzäußerung [4] Laut Gackt ist Chachamaru der Daddy der Band und You die Mama, wobei Chacha meint, dass You der Papa ist ■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□■□ Und nächstes Mal… Nun, da ihn nur noch eine Dreiviertelstunde von dem verhassten Hochhaus trennte, merkte er, wie er nervös wurde. Seine Hände zitterten, sein Gesicht war blass, ihm war schlecht und an die Bauchschmerzen, die ihn quälten, wollte er gar nicht erst denken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)