Der Elfenkönig von myrys84 ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel II - Der Sturm --------------------------------- Kapitel II Der Sturm Ryan hatte schon so gut wie aufgegeben. Zwei Tage stapfte er nun schon durch dieses ewige weiße Nichts. Trotz seiner dicken Winterkleidung hatte er wohl schon ein paar Erfrierungen und er fühlte sich, als könnten ihn seine Beine nicht mehr weiter tragen. Nun wusste er, wie es Menschen ging, die sich in der Wüste verirrten. Sie liefen nur im Kreis, weil sie nichts hatten, woran sie sich orientieren konnten. Ihm ging es genauso. Gott sei Dank war er bei den Pfadfindern gewesen, wo er gelernt hatte, wie man sich im Schnee eine Unterkunft baut, um nicht zu erfrieren. Sein Vorrat an Schokoriegeln in seinem Rucksack, den er sich noch kurz vor Arbeitsantritt beschafft hatte, hatte ihm bisher das Leben gerettet, doch viel war nicht mehr übrig. Über mangelndes Wasser hingegen konnte er sich beim besten Willen nicht beschweren, es war ja überall. Plötzlich glaubte er, etwas vor sich zu erkennen. Was war es? Er kniff die Augen zusammen und spähte hin. Ein Berg oder nur ein Fels? Jedenfalls ragte da etwas Graues aus dem eintönigen Weiß in den ebenso weißen Himmel. Anscheinend hatte er sich doch nicht nur im Kreis bewegt. Schwankend hielt er auf das graue Etwas zu. Sacht rieselten ein paar Flocken herab. Bald würde es wieder heftig schneien. ***** "Ein Sturm zieht auf", sagte Mahon. "Wir sollten zur Höhle zurückkehren." "Lass uns noch etwas weitersuchen", gab Nifredil zurück. "Ich weiß, wir werden noch etwas finden, bevor der Sturm losbricht." "Es schneit bereits. Wenn, dann müssen wir innerhalb kürzester Zeit fündig werden, sonst verschluckt uns der Sturm", gab Mahon zu bedenken. "Ich weiß", antwortete der blonde Elf und kaute auf seiner Unterlippe. "Kannst du denn wirklich nichts erkennen?", fragte er. "Ich werde es noch einmal versuchen, aber erwartet Euch nicht zu viel", räumte der General ein und spähte in die Weite der Eiswüste hinaus. Hinter ihnen erhob sich der Graue Riese. So nannten die Elfen den einsamen Berg inmitten der Eiswüste. Obwohl Berg zuviel gesagt wäre. Es war lediglich eine steile Anhöhe, die an einen schlafenden Riesen erinnerte. Im Inneren war die Anhöhe von vielen kleinen Höhlen durchzogen, in denen man Zuflucht suchen konnte. Nifredil selbst suchte den Horizont mit seinen scharfen, himmelblauen Augen ab. Plötzlich stieß er einen kleinen Freudenschrei aus. "Mahon, ich glaube da ist was!", rief er aufgeregt. In diesen Augenblicken wurde Mahon nur zu deutlich klar, dass der König eben doch noch ein Elfling von knapp achtundneunzig Jahren war. Seit er vor fünfzig Jahren den Thron bestiegen hatte, war seine Kindheit ziemlich den Bach hinunter gegangen, obwohl der kleine Nifredil schon immer ziemlich erwachsen für sein Alter gewesen war. "Siehst du es nicht?", fragte Nifredil und zappelte auf seinem Sattel hin und her, was sein Pferd ziemlich kalt ließ, dafür aber Mahon ganz nervös machte. "Da ist ein kleiner roter Punkt! Kuck doch mal!" Er zeigte weit hinaus und da sah auch Mahon, was er meinte. Tatsächlich. Ein kleiner roter Punkt schien sich vor ihnen zu bewegen. Aber was es war, das konnte er nicht genau sagen. Plötzlich verschwand der Punkt hinter einer Düne und tauchte nicht mehr auf. "Los, da reiten wir hin. So weit ist es nicht!", rief der König und ritt im Galopp voraus. 'Wie seine Mutter', dachte Mahon und folgte ihm. Als sie an der Stelle ankamen, an der sie das kleine rote Etwas zum letzten Mal gesehen hatten, staunten sie nicht schlecht. Vor ihnen im Schnee lag, zusammengebrochen und am Ende seiner Kräfte… "Ein Mensch", hauchte Nifredil, der zum ersten Mal einen solchen sah. Irgendetwas klingelte da bei Mahon, doch er kam nicht darauf, was es war. "Sieht aus, als würde er noch leben", stellte er nüchtern fest. "Wir müssen ihn in Sicherheit bringen", sagte Nifredil und schickte sich an, abzusteigen, doch Mahon hielt ihn zurück. "Wir wissen nicht, ob er Freund oder Feind ist", sagte er. "Ist doch egal. Er stirbt wenn wir ihm nicht helfen", beharrte Nifredil und stieg ab, um den Fremden auf sein Pferd zu laden. Ihm fiel auf, dass er erstaunlich schwer war. Als er ihn endlich mit Mahons Hilfe im Sattel hatte, schwang er sich hinter ihm aufs Pferd und sie ritten so schnell sie konnten zurück zum Grauen Riesen, denn der Schneefall war schon erheblich stärker geworden. Draußen tobte bereits der Sturm als Nifredil im Schein einer Fackel den Fremden vor sich betrachtete. So einen Menschen hatte er noch nie gesehen. Er kannte ein paar Menschen aus dem Norden. Die waren groß, schlank und hatten helle Haare und Augen. Sie sahen fast ein wenig wie Elfen aus. Der hier jedoch war anders. Wie alt mochte er sein? Anscheinend nicht viel älter als er selbst. Seine Haut war leicht bräunlich und sein Haar dunkelbraun und leicht gelockt. Er hatte ein hübsches Gesicht. Ein kräftiges Kinn, eine lange, schmale Nase und einen schönen Mund. Die Oberlippe war fast ein wenig schmal, aber insgesamt musste Nifredil feststellen, dass er ihm gefiel. "Wohl einer von den südlichen Völkern", vermutete Mahon. "Er hat merkwürdige Kleidung an", meinte Nifredil. "So einen Stoff habe ich noch nie gesehen." "Ich denke nicht, dass das jetzt etwas zur Sache tut. Wir müssen ihn ohnehin ausziehen, um festzustellen, ob er Wunden oder Erfrierungen hat", erklärte der General und begann unverzüglich damit, ihren Gast zu entkleiden. Je mehr er von der glatten Haut freilegte, desto zappeliger wurde Nifredil. Er hätte es wohl nie zugegeben, doch er fand den Fremden immer interessanter. Diesen Umstand schob er seiner noch fast kindlichen Neugier zu. "Ich weißt auch nicht, was das für Kleidung ist, jedenfalls hat sie es geschafft, zu verhindern, dass seine Erfrierungen so schlimm sind, wie ich befürchtet hatte. Sie sind nur ganz leicht. Das kriegen wir mit etwas Salbe hin", meinte Mahon schließlich. "Sein Gesicht ist so rot", sagte Nifredil und schaute den Mann vor sich neugierig an. "Das kommt weil er Fieber hat. Wir müssen ihm Medizin einflößen, aber erst einmal packen wir ihn warm ein", beschloss der General. Also betteten sie ihn auf mehreren Schichten von Decken und wickelten ihn in ihre eigenen Fellumhänge ein, weil es in der Höhle nicht so kalt war, dass sie sie dringend brauchten. "Ich werde seine Tasche und seine Kleider untersuchen. Ihr flößt ihm die Medizin ein", bestimmte Mahon und reichte dem König ein Fläschchen mit übel schmeckender Kräutermedizin. Nifredil verzog angewidert das Gesicht. "Muss ich?", fragte er. "Ja. Als Kind hat es Euch ja auch nicht umgebracht, oder? Außerdem müsst Ihr sie diesmal nicht schlucken", erwiderte sein Berater knapp. "Wie du meinst", gab Nifredil nach und nahm einen Schluck in den Mund. Anschließend öffnete er leicht die Lippen des Fremden und flößte ihm die Medizin ein. "Wurgh. Die ist total bitter", beschwerte er sich. "Muss aber sein. Kommt her und seht Euch das an." Nifredil kam herüber zu seinem General und bestaunte die vielen Dinge, die vor ihm auf dem Höhlenboden lagen. "Was sind das für Zauberdinger?", fragte er atemlos. "Weiß ich nicht. Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, dass sie nichts Gutes bedeuten", antwortete Mahon. Der blonde Elf nahm einen der Gegenstände auf. Er war klein, flach und hatte eine lange Schnur daran, die sich in zwei weitere Schnüre teilte und an deren Enden sich komische harte Knubbel befanden. Auf dem Gegenstand selbst waren verschiedene Knöpfe. Einen davon drückte er. Ein kleines Licht auf dem Apparat leuchtete auf und verkündete etwas in einer Schrift, die er nicht lesen konnte. Ihm war, als würde er leise etwas hören. Es kam aus den Knubbeln am Ende der Schnüre. Er nahm einen der Knubbel und hielt ihn sich ans Ohr. Erschrocken warf er das Gerät von sich. Lauter Krach schallte ihm entgegen. Ein fürchterliches Gekreische und eine tiefe, knurrende Stimme. Diese Laute machten ihm Angst. "Ich hab doch gesagt, dass wir die Finger davon lassen sollten", meckerte Mahon und betrachtete das Teil vor ihnen. Beide trauten sich nicht recht, es anzufassen. So ließen sie es eine Weile vor sich hin schreien, bis es schließlich von selber schwieg. "Ist wohl besser, wenn wir den Rest nicht anfassen", stellte Nifredil, vom ersten Schock kuriert, fest. "Wer weiß, was das für ein Werk der Dunklen Mächte ist." "Sollen wir ihn wieder raus in die Eiswüste werfen?", fragte Mahon ganz ernst. "Nein! Er bleibt hier!", erhob Nifredil lauthals Einspruch. Der Fremde rührte sich im Schlaf und sofort war der junge Elf bei ihm und beugte sich über ihn. Doch anscheinend hatte er nur schlecht geträumt, denn er rollte sich auf die andere Seite und schlief weiter. "Es geht ihm schon besser", bemerkte Mahon, nachdem er die Temperatur gefühlt hatte. "Aber ich schätze, ein paar Tage wird es schon dauern, bis er wieder zu sich kommt." "Was meinst du, ob er vielleicht der Drachenritter ist?", fragte der König vorsichtig, während er dem Fremden eine dicke, dunkle Locke aus dem Gesicht schob. "Sollte mich wundern. Für einen Krieger der Stärke, die ein Drachenreiter haben muss, ist er zu mager", gab der General zur Antwort. "Hast Recht", stimmte Nifredil zu. "Ich glaube, wir legen uns besser auch hin." Drei Tage lang blieben sie in der Höhle. Immer wieder versorgten sie abwechselnd die Wunden des Mannes und in regelmäßigen Abständen flößte Nifredil ihm die Medizin gegen das Fieber ein. Am vierten Tag nahm er wieder einen Schluck von dem bitteren Trank in den Mund und flößte sie dem Fremden ein, als er plötzlich vor Schreck zusammenzuckte. Der Druck seiner Lippen wurde erwidert und auf einmal war da eine freche Zunge, die sich forschend vortastete. Erschrocken und entsetzt wich Nifredil zurück und starrte den Fremden an. "Was ist passiert, Majestät?", fragte Mahon, dem die Reaktion seines Herrn natürlich nicht entgangen war. "Er… Er hat… etwas ganz Komisches… gemacht", antwortete der Blonde zögernd. "Was hat er getan?", fragte der General schnaubend, denn er ahnte Schreckliches. "Seine Lippen haben auf meine gedrückt und dann… war da seine Zunge in meinem…" "Ich bring ihn um!", rief Mahon und wollte sich auf den Dunkelhaarigen stürzen, doch Nifredil hielt ihn mit großer Mühe und vollem Körpereinsatz zurück. "Jetzt warte doch, Mahon! Du kannst ihn doch nicht einfach…", schnaufte er. Der Fremde rührte sich im Schlaf und öffnete langsam und vorsichtig die Augen. Nifredil ließ Mahon los und beugte sich über ihn. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, schlug sein Herz schneller. Sanfte braune Augen blickten ihn an. Noch nie zuvor hatte er dunkle Augen gesehen. Der Blick des Mannes unter ihm hielt ihn gefangen und ein leicht rötlicher Schimmer legte sich über seine Wangen. Der Fremde lächelte freundlich. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er konnte nur leicht krächzen. Dennoch verstand Nifredil ihn. Er sagte: "Mein wunderschöner, rettender Engel." Er hob eine Hand und berührte vorsichtig eine von Nifredils langen hellblonden Haarsträhnen, die ihm über die Schulter fielen. Dann sank er wieder in Schlaf. "Was hat er gesagt?", fragte Mahon. "Er hat mich Engel genannt. Schöner Engel. Weißt du, was das ist?", wollte Nifredil wissen. Das Rot auf seinem Gesicht war noch etwas dunkler geworden. Er fand ihn also schön. Auf einmal war ihm ganz warm ums Herz. "Keine Ahnung. Vielleicht ein Wort in seiner Sprache für Elf?", mutmaßte der Berater. Er war selbst ein wenig überrascht, dass sie anscheinend dieselbe Sprache sprachen. "Er hat die Gemeinsprache benutzt", erklärte Nifredil. "Vielleicht hat sein Volk eigene Begriffe, das wäre durchaus möglich." "Wo waren wir eigentlich gerade?", überlegte der General. "Ach so, ich wollte ihn umbringen." "Das wirst du schön bleiben lassen. Ich verbiete es dir", beschloss der König und deckte den Fremden, dessen Namen sie immer noch nicht kannten, noch ein Stück zu. In der Nacht wachte Nifredil plötzlich auf. Ein unbestimmtes Gefühl hatte ihn geweckt. Er blickte hinüber zu dem Mann mit den braunen Augen. Überrascht stellte er fest, dass dieser wach war und dass sein Blick auf ihm ruhte. Einige Augenblicke sahen sie sich nur schweigend an, musterten den jeweils anderen leicht misstrauisch. Ihre Blicke trafen sich und sofort war der junge Elfenkönig wieder wie gebannt. "Du bist wach?", stellte er fest, um die Stille zu durchbrechen. "Schon eine ganze Weile", antwortete der Fremde. "Warum hast du mich nicht geweckt?", fragte Nifredil und ging zu ihm. Dort setzte er sich neben ihn. "Brauchst du etwas?", wollte er freundlich wissen. "Wasser oder etwas zu essen vielleicht?" "Zugegeben, ich hab ein bisschen Hunger", gab der Fremde zu. "Aber zuerst einmal bin ich neugierig. Wie heißt du?", fragte er ohne Umschweife. "Öh, Nifredil", antwortete der Blonde und errötete wieder leicht. Er konnte dem Blick des Mannes einfach nicht lange standhalten. "Nifredil ad Alfalas." "Aha. Darf ich dich Nifredil nennen?", fragte der Mann mit einer Stimme, die dem Elfen eine wohlige Gänsehaut bescherte. Er nickte. "Und wie ist dein Name?", erkundigte er sich. "Ryan O'Farrell. Du darfst Ryan zu mir sagen, okay?" Nifredil hatte keine Ahnung, was "oukei" heißen sollte, aber er nickte. Wieder fühlte er Ryans Blick auf sich ruhen. "Nifredil?", begann Ryan und lehnte sich zu ihm herüber. Der Elf fühlte seinen Atem an seinem Ohr und erschauderte leicht. "Ich hab immer noch Hunger." "Oh, warte kurz, ich hol dir was." Er sprang auf und suchte schnell etwas Essbares zusammen. Sein Herz raste und sein Gesicht glühte vor Hitze. 'Süß, der Kleine', dachte Ryan und lächelte in sich hinein. 'Sieht fast ein bisschen mädchenhaft aus, aber echt süß. Wo bin ich hier eigentlich? Ach, was soll's. Ich frag ihn morgen.' "Hier, bitte", sagte Nifredil und stellte vor ihm etwas Käse, ein Stück Brot und einen Krug Wasser ab. "Danke, sehr nett von dir", antwortete Ryan mit einem strahlenden Lächeln. "Gern geschehen", flüsterte Nifredil und beobachtete ihn beim Essen. "Nachdem ich jetzt voll gefuttert bin, denke ich, ich leg mich wieder hin", beschloss Ryan nachdem er fertig war. Nifredil machte sich wieder auf den Weg zu seiner Schlafstätte, da rief ihn der Mensch zurück. "Sag mal, frierst du nicht, so mit nur einer einzigen Decke?" "Du warst krank und hast alle Decken gebraucht", antwortete der Elf. "Hier, du kannst eine zurück haben", sagte Ryan und gab ihm einen der Fellumhänge. Noch ehe sich Nifredil richtig bedanken konnte, war der Dunkelhaarige auch schon wieder eingeschlafen. Zurück bei seinem Schlafplatz stellte er fest, dass der Umhang noch ganz warm war. Mit rotem Gesicht und laut klopfendem Herzen legte er sich hin und hüllte sich ein. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder eingeschlafen war. ^^^^^ Zu der Zeit, als Mahon und Nifredil den Fremden in der Höhle versorgten, zogen noch zwei weitere Gruppen in der Eiswüste umher. Kaneth, oberster Heerführer der Dunkelelfen und eine kleine Schar von Wächtern hatten sich auf den Weg gemacht, nach dem Drachenreiter zu suchen, von dessen Ankunft die Sterne gezeugt hatten. Ihre schwarzen, kräftigen Pferde pflügten sich durch den hohen Schnee. Plötzlich hielten sie inne und Kaneth horchte wie gebannt auf die Stimmen im Wind. "Was hört Ihr, Herr?", fragte einer der Wächter. Seine Antwort war knapp und prägnant: "Orks." In der Tat stapften, nicht weit von den Dunkelelfen entfernt, einige der kräftigsten Orks durch die weiße Landschaft. Sie hatten etwas gefunden, das sie ihrem großen Herrscher, dem Herrn der Finsternis, bringen würden. Es hatte unter etlichem Schnee gelegen und doch hatten sie es gefunden. Ihr Anführer hielt seine Nase in den Wind und schnupperte. "Ich rieche Elfen", knurrte er. Und da sahen sie sie schon von weitem. Die Kinder der Abenddämmerung, die Dunkelelfen, die sich deutlich am Horizont abzeichneten. Ragnar, der Anführer der Orks, betrachtete sich die Neuankömmlinge genauer. Irgendwie mochte er die dunkle Brut nicht. Noch weniger als die weiße. Bei den Weißen wusste man als einigermaßen intelligenter Ork immerhin, dass sie gut waren. Bei den Dunklen konnte man sich da nie so sicher sein. "Du, Ragnar, ich glaube, wir sollten zusehen, dass wir von hier wegkommen", knurrte sein zweiter Mann. "Wieso denn? Immerhin sagt der Boss, dass wir uns bemühen sollen, mit den Kerlen da klarzukommen. Sollen uns ja schließlich beim Kampf gegen die Weißen beistehen." Kaneth traute den Orks nicht. In ihren Gesichtern konnte man nicht lesen, so wie in denen von Menschen oder denen der anderen Elfen, seien es nun Hoch- oder Dunkelelfen. "Herr, vielleicht sollten wir umkehren", schlug einer der Wächter vor, der links neben ihm ritt. "Wenn wir uns mit ihnen anlegen, dann kann es passieren, dass wir unterliegen. Sie sind uns überlegen, so ungern ich das auch zugebe." "Ragnar, die glotzen uns so blöd an. Ich glaub, wir verschwinden wirklich besser. Die sind stärker als wir, vor allem mit ihren Gäulen." Ragnar knurrte ärgerlich. "Stimmt", gab er schließlich zu. "Immerhin haben wir, was wir wollten. Jungs, wir kehren um!" Damit kehrten sie den Dunkelelfen den Rücken zu und marschierten zurück in Richtung Dhub. "Sie kehren um. Wollen wohl nichts mit uns zu tun haben", murmelte Kaneth. "Merkwürdig ist es schon. Aber was soll's. Kehren wir zurück zur Felsenburg. Dort erwartet man uns sicher bereits", beschloss er. So wendeten sie ihre Pferde und machten sich auf den Rückweg. Kaneth bemerkte es nicht, dass sich die Wächter hinter ihm besorgte Blicke zuwarfen. Ihr Prinz würde mit leeren Händen zurückkehren. Das würde seinen Vater sicherlich erzürnen. Sie konnten sich jetzt schon vorstellen, wie er toben würde, wenn er erfuhr, dass sie nichts, aber auch gar nichts gefunden hatten. Der Drachenreiter und sämtliche Hinweise auf ihn waren ihnen durch die Lappen gegangen. ***** Ryan wurde unsanft wachgerüttelt. Nein, das war nicht der hübsche Blonde. Das war der andere, der mit der knurrigen Stimme. Widerstrebend öffnete er die Augen. "Na also. Ich dachte schon, Ihr wacht nie auf. Los, steht auf, wir müssen aufbrechen", meckerte der Mann mit den schwarzen Haaren und schaute ihn dabei so finster an, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. "Ist ja gut. Ich steh schon auf", knautschte Ryan und rappelte sich hoch. Der Dunkelhaarige erhob sich und ließ ihn zurück. Noch leicht verschlafen blickte er sich um. Wo war Nifredil? Dieses Gesicht hätte er beim Aufwachen viel lieber gesehen. Der Blonde war eindeutig hübscher als der andere und weitaus freundlicher obendrein. Andererseits musste er bei genauerer Betrachtung feststellen, dass der andere Kerl, der, der ihn auch ab und zu gepflegt hatte, trotz der markanteren Gesichtszüge und der kräftigeren Statur nicht weniger schlecht aussah. Sein nachtschwarzes Haar war so lang, dass es ihm bis zu den Hüften reichte und sein Gesicht war, obwohl es streng dreinblickte, interessant. Der junge Mann reckte und streckte sich, wobei ihm etwas auffiel. Geschockt rief er: "Wo sind meine Klamotten?" "Falls Ihr Euere Kleidung meint, die befindet sich hier. Allerdings würde ich euch raten, die nicht anzulegen, wenn Ihr nicht wie ein Narr wirken wollt", antwortete der andere. "Und was dann? Soll ich als Nacktfrosch rumlaufen oder was?" "Natürlich nicht. Das wäre noch ungebührlicher. Hier." Er warf ihm ein Bündel zu, welches Ryan entfaltete. Er fand ein Hemd, eine Weste, ziemlich eng erscheinende Hosen und wollene Strümpfe. "Die sind auch noch für Euch!", rief ihm der Dunkelhaarige zu und warf ihm ein Paar Stiefel zu, von denen ihn einer schmerzhaft am Kopf traf. "Aua. Das tut doch weh", protestierte er. "Außerdem, wer sind Sie überhaupt?" "Zieht Euch an und hört auf zu jammern. Im Übrigen, mein Name ist Mahon. Und der Euere?" "Ryan O'Farrell. Ryan, wenn Sie wollen", antwortete er und zog sich schweigend an. Erstaunt stellte er fest, dass ihm die Sachen ziemlich gut passten. Auch Mahon konnte nicht umhin, das zu bemerken. Er hätte nie erwartet, dass seine Kleider dem Fremden so gut passen würden. Er war anscheinend doch kräftiger gebaut, als er es auf den ersten Blick hin gedacht hätte. Auch war er nicht so unmuskulös wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Ryan fühlte sich erstaunlich wohl in den für ihn doch etwas ungewohnten Klamotten. Als er gerade in den zweiten Stiefel, die ihm ein wenig zu groß waren, schlüpfte, betrat Nifredil die Höhle. Er blieb einen Augenblick verdutzt stehen und musterte ihn. "Die Sachen stehen dir", stellte er fest. Ryan merkte, dass er sich über dieses Kompliment ziemlich freute. Eigentlich war es ihm herzlich egal, wenn ihm ein Kerl sagte, dass ihm etwas stand. Bei IHM jedoch war das anders. "Sie sind anscheinend weiter gezogen", wandte sich der Blonde nun an Mahon. "Dennoch halte ich es für besser, wenn wir nicht länger hier verweilen. "Da stimme ich Euch voll und ganz zu, Ma…", begann Mahon, doch Nifredil drückte ihm eine Hand auf den Mund. "Mahon, ich möchte dich darum bitten, wieder so mit mir zu reden wie du es getan hast als ich noch ein kleiner Junge war", sagte er. Dann nahm er die Hand weg. "Warum das denn?", erkundigte sich der General mit zweifelndem Blick. "Wegen ihm. Ich bin nicht sicher, was ich von ihm halten soll. Er verwirrt mich. Ich denke, es ist besser, wenn er noch nichts über meinen Rang weiß. Du verstehst?", erklärte Nifredil. "Selbstverständlich. Also haltet Ihr… hältst du ihn für einen möglichen Spion?" "Ich weiß nicht. Aus irgendeinem Grund möchte ich nicht, dass er weiß, dass ich der König der Hochelfen bin. Noch nicht. Er wird es erfahren, aber erst, wenn wir zurück in Bàn sind." "Wie du willst", gab Mahon zähneknirschend zu. Es behagte ihm nicht, seinen Herrn so formlos anzusprechen. Das hatte er seit über fünfzig Jahren nicht mehr getan. Doch Nifredil lächelte ihm aufmunternd zu und wandte sich dann an Ryan. "Wie fühlst du dich?", fragte er mit einem freundlichen Lächeln. "Gut. Soweit", antwortete dieser. "Ich gehe mal davon aus, dass du reiten kannst", meinte Nifredil. Was? Reiten? Wo war er denn hier gelandet? Das einzige, das er jemals unter dem Hintern gehabt hatte, das den Namen eines Pferdes trug, war ein Mustang. Er schüttelte den Kopf. "Wirklich nicht?", fragte der Blonde. Wieder konnte er nur den Kopf schütteln. "Nein", sagte er schließlich, "hab's nie gelernt." 'Als ob mich das jetzt überraschen würde', dachte Mahon. "Macht nichts", grinste Nifredil. "Du wirst dir sowieso ein Pferd mit mir teilen müssen. Ich dachte nur, es wäre vorteilhaft, wenn du reiten könntest, denn dann würdest du sicherer im Sattel sitzen." "Mit dir auf ein Pferd?", platzte es aus Ryan hervor. Ungläubig starrte er sein Gegenüber an. "Ja. Mit mir. Eigentlich wollte Mahon, dass du mit ihm reitest, aber ich hab Angst, dass er dich herunter wirft. Damit mein ich das Pferd, nicht Mahon", fügte er hastig hinzu. "Aha." Das war alles, was Ryan sagen konnte. Draußen vor der Höhle standen zwei prächtige Pferde. Eines war braun, das andere weiß. Mahon schwang sich gekonnt auf das braune, Nifredil ging zu dem Schimmel. Behände schwang er sich in den Sattel. "Jetzt du", sagte er zu Ryan, der, in einen der Fellumhänge gehüllt, dastand und die großen Tiere anstarrte, als hätte er noch nie welche gesehen. "Ich helfe dir", sagte der Blonde und reichte ihm eine Hand. Zögernd ging Ryan auf das riesige Tier zu. Seine Definition von Pferd war bisher immer: Vorne beißt es, hinten tritt es und in der Mitte ist es unbequem. Aber endlich gab er seinem Herzen einen Stoß und ehe er sich versah saß er hinter Nifredil und hielt sich fast krampfhaft an ihm fest. "Also dann, ab nach Bàn", meinte Nifredil und sie setzten sich in Bewegung. Schnell verfielen sie in Galopp um wie Schatten die Weite der Eiswüste hinter sich zu lassen und in frühlingshaftere Gefilde einzutauchen. _________________________________________________________________________________ So, dann wünsche ich jetzt mal allen Leserinnen frohe Weihnachten - ähm, Ostern. Erkenntnis des Tages: Gott sei Dank sind Ostereier bunt. XD In dem Sinne, bis zum nächsten Mal. Hosted by Animexx e.V. 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