Maulwürfe und andere Chaoten von Karopapier (Ja, der Titel wird definitiv noch geändert!) ================================================================================ Kapitel 5: Teil 5: Jonas ------------------------ Das erste, was Jonas merkte, war dass die Schmerzen nachgelassen hatten. Sie waren noch da, aber es war leichter geworden sie zu ignorieren. Langsam setzte er sich auf und fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. "Oh man", murmelte er, dann stand er vorsichtig auf und stützte sich an der Wand ab. Das Drehen um ihn herum ließ schnell nach und der aufdringliche Geruch von Erbrochenem rief ihm den Mülleimer zurück ins Gedächtnis. Zögerlich beugte er sich nach vorne, um die Spuren seines Anfalls zu beseitigen. Wie lange er ohnmächtig gewesen war, wusste er nicht, aber er musste eine recht lange Zeit gelegen haben. Alles, woran er sich noch klar erinnern konnte, waren unsägliche Schmerzen gewesen, die immer schlimmer geworden waren, um zu einem trügerischen Pochen abzuklingen und schließlich wieder hochzukochen. Er fühlte sich, als wäre er gerade von einem Trip durch die Hölle zurückgekehrt. Und wahrscheinlich liege ich da noch nicht mal so falsch, dachte er ironisch. Eimer ausspülen, Eimer abtrocknen. Eiskalte Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er im Bad war. Er musste irgendwie verschwinden, möglichst schnell, möglichst glaubhaft. Er wusste, wohin er gehen musste, aber zuerst musste er zusehen dass er ungesehen aus dem Haus kam. Ohne dass er es merkte bewegte er sich schneller. Zuerst brachte er den Eimer zurück in sein Büro, dann sah er sich um. Eine Tasche. Er brauchte eine Tasche, nicht zu groß, sie durfte ihn nicht behindern. Aber gewisse Dinge hier mussten einfach verschwinden, Jonas konnte nicht alles einfach so hier lassen. Zu gefährlich. Er riss die Schranktür auf und zog seine Tennistasche heraus. Dabei fielen seine Trainingsjacke und seine Schuhe herunter und er zögerte kurz: Niemand würde hinterher wissen, was wirklich passiert war, solange er jetzt nicht absoluten Unsinn machte. Mit Schwung beförderte er kurzerhand den gesamten Schrankinhalt auf den Boden, riss die Schubladen seines Nachttischs heraus, nahm seinen Ausweis, Bankkarte, Geld und alles Weitere von Wert, das er darin finden konnte, und stopfte sie in eine kleine Einkaufstüte, um hinterher den Rest auf den Haufen zu schleudern. Sein Adrenalinpegel stieg, während er auch in den anderen Zimmern nach diesem Muster Chaos verbreitete. Wertvolles landete in seiner Tüte, alles andere auf dem Boden. Nur in seinem Trainingsraum und im Wohnzimmer machte er Halt und ging vorsichtiger vor. Die CDs verstaute er sorgfältig in der Tasche, ebenso eine kleine Kladde mit der Aufschrift “Arabisch”. Stifte und ein Block folgten, bevor er den Spiegel zerschlug. Das verzerrte Abbild seines Gesichts starrte mit entschlossenem Blick auf seinen Unterarm, an dem langsam warmes Blut herabfloss. Als genug Blut ausgetreten war und es langsam aber sicher auf den Boden zu tropfen drohte, ließ er sich gegen die weiße Wand fallen. Im letzten Moment stütze er sich seitlich ab, sodass er im Hinunterrutschen einen roten, breiten Streifen auf der Tapete hinterließ. Es brannte, aber er achtete nicht darauf. Es war nicht wichtig, also musste er es ignorieren können. Jetzt war nicht die Zeit, um überempfindlich zu werden. Zufrieden nickend betrachtete er sein Werk und schlang geistesabwesend einen Stofffetzen um die Wunde, um nicht auch im restlichen Haus Blut zu hinterlassen. Sein Blick wanderte abwesend durch das Zimmer, aber außer seinem kleinen Waffenschrank war hier nichts mehr. Nur noch die Musikanlage, die einsam an der Wand aufgehängt war. Die Musikanlage, für die er so lange gespart hatte... Er riss sie von der Wand. Funken sprühten und brannten sich ihm in die Handflächen, dennoch erreichte er nicht mehr als eine leichte Schieflage seitens der Boxen. Unentschlossen drehte er sich zum übrigen Zimmer um, aber er sah nichts, das er hätte verwenden können. Mit ein paar Schritten war er bei seinem Waffenschrank und riss die Tür heraus. Den Schlüssel brauchte er jetzt eh nie wieder und bis er ihn in dem Chaos gefunden hätte, wären Ewigkeiten vergangen. Innen befanden sich ein großes, wundervoll verziertes Katana, ein Schlagstock, zwei Dolche und ein Stab, an dem mit viel Geschick an beiden Enden jeweils eine scharfe Metallspitze angebracht war. Jonas nahm alles heraus und band es an der Seite seiner Sporttasche fest. Auf dem Rückweg schlug er mit der Tasche so fest er konnte gegen das, was einmal seine Anlage gewesen war. Noch bevor er die Tür erreicht hatte hörte er das Scheppern und Klirren hinter ihm, als die Verankerung endgültig ihren Geist aufgab. Im Wohnzimmer legte er die Tasche auf den Boden bei der Eingangstür, nahm einen der Dolche aus der Scheide und schlitzte den Bezug seines Sofas auf. Wie besessen stach er immer und immer wieder zu, bis das Polster in alle Richtungen spritzte. Bei dem Bücherregal angekommen, begnügte er sich damit, seine Tagebücher herauszunehmen und das Regal umzustürzen, das mit einem lauten Krachen auf die Glasscheibe seines Couchtisches fiel. Das Tagebuch landete bei den CDs, bevor er sich seiner Vitrine mit Swarovsky-Figuren widmete. Nichts hielt seiner Zerstörungswut stand, selbst die Deckenlampe wurde nicht verschont. Erst das leise Klopfen an der Tür brachte ihn wieder zur Besinnung und die kalte Entschlossenheit in ihm wich einer nicht weniger kalten, berechnenden Seite von ihm. “Herr Redler?”, fragte eine unsichere Stimme gedämpft durch das Holz. “Herr Redler, ist alles in Ordnung?” Jonas antwortete nicht. Statt dessen öffnete er leise die Balkontür, spähte vorsichtig hinab in den kleinen Garten hinter dem Haus und vergewisserte sich schließlich, dass hinter den Fenstern niemand stand, der ihn beobachten konnte. Da der kleine Garten von hohen Bäumen umgeben war, hatte er nicht viel zu befürchten, aber sicher war sicher. Erst, als er überzeugt war, dass niemand ihn sehen konnte, schwang er sich über das kleine Geländer auf das Gras. Er hörte gerade noch, wie hinter ihm jemand auf eine zweite Person einredete, während diese antwortete und sich am Schloss zu schaffen machte, bevor er endgültig mit der Dunkelheit verschmolz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)