Hinotama von Turbofreak (Teil VI der "Späte Erkenntnis"-Reihe) ================================================================================ Kapitel 6: Schutzengel ---------------------- So, Ende im Gelände... Das ist das letzte Kapitel von Hinotama. Nach einer schlaflosen Nacht packte sich Laura zusammen und verließ Sabers Wohnung. Mit dabei hatte sie den kleinen Matthew. Er war aufgewacht, nachdem Saber sie verlassen hatte. Als der kleine Mann auch noch gemerkt hatte, dass er alleine mit Laura war, hatte er immer wieder herzzerreißend aufgeweint und „Papa!“ geflüstert. Die Japanerin hatte ihn stundenlang auf dem Arm durch die Wohnung getragen, ihn gewiegt und ihm gut zugesprochen. Sie fragte sich, ob es auch Synthia manchmal so mit ihrem Sohn ging. Immerhin weinte er nicht nach seiner Mama sondern nach dem Papa. Matthew weinte sich die Seele nach seinem Vater aus dem Leib. Die Rechtsanwaltsgehilfin befürchtete, dass dies mit ein Grund für die Trennung von Saber und Synthia war. Ganz sicher waren Synthia nach den ersten Nächten die Ideen ausgegangen, um Matt zu beruhigen. Und mit der Unbeholfenheit und Ratlosigkeit war die Wut auf Saber gekommen. Der kleine Junge würde sich nicht die Nächte mit Weinen um die Ohren schlagen, wäre sein Vater bei ihm. Laura überlegte, ob Synthia diese Probleme auch jetzt noch, nach der Trennung von Saber, mit Matthew hatte. Für die schwarzhaarige Frau war es vorstellbar, immerhin hing der kleine Mann an Saber. Gedankenverloren spazierte sie mit Matthew auf dem Arm durch die Straßen Richtung Stadtrand. Es war noch früh an diesem Morgen, es waren kaum Autos unterwegs und die Luft roch von der Nacht gereinigt und taufrisch. Der Wind hatte etwas aufgefrischt, aber er brachte angenehmere Temperaturen mit sich. Ihr Weg führte sie zur Ranch der Familie Wilcox, Laura wollte nach Robin sehen. Sicherlich ging es ihr nicht gut. Ihr Mann war mitten in der Nacht überstürzt aufgebrochen, niemand wusste, was genau los war und die blonde Lehrerin war mit einem kleinen Kind alleine gelassen worden. Laura sah in Robin eine sehr gute Freundin, sie hatte sich auf Anhieb mit ihr verstanden. Auch, wenn sie sich nicht besonders ähnlich waren, so teilten sie doch grundlegende Ansichten. Laura ahnte, dass Colts Frau nun viel Zuspruch brauchen würde und Hilfe. Hilfe, die sie nur von ihr und Fireball bekommen konnte, Synthia würde der blonden Frau wohl kaum noch zur Seite stehen. Die Asiatin schritt die Einfahrt entlang. Sie sah Robin schon auf dem Treppenabsatz des Hauses sitzen, mit einer Decke um die Schultern geschlungen. Wahrscheinlich hatte sie sich seit Colts Abschied nicht vom Fleck bewegt. Die Blondine sah zerrüttet aus, mitgenommen und völlig erledigt. Laura beschleunigte den Schritt instinktiv. Die Freundin brauchte jemanden zum Anlehnen. Behände setzte sie sich neben Robin auf die Treppe, nahm Matthew auf den Schoß und strich mit der freien Hand über Robins aschblondes Haar. Sie hauchte: „Sie kommen heil und gesund zurück. Ich weiß es.“ Entgegen ihrer Natur warf sich Robin in Lauras Arme. Sie begann bitterlich zu schluchzen und ihre Tränen wollten nicht versiegen. Zitternd hielt sie sich an Laura fest und biss sich auf die Lippen. Immer wieder schüttelte Robin den Kopf. Sie heulte auf: „Ich will meinen Mann zurück haben. Colt soll wieder nachhause kommen.“ Laura entschied sich dafür, Matt auf den Boden zu setzen und ihn beim Krabbeln zu beobachten. Als sie endlich beide Hände frei hatte, schloss sie Robin in die Arme und versuchte, Colts Frau zu beruhigen. Es war schwer. Sehr schwer. Denn Laura konnte die Gefühle und Wünsche ihrer Freundin verstehen. Auch sie hatte sie alle. Laura wollte Saber gesund und munter wieder bei ihnen wissen, vermisste ihn schmerzlich und machte sich unendliche Sorgen um ihn. Doch Laura durfte diese Gefühle nicht zulassen. Sie durfte sich um Saber maximal solche Sorgen machen, wie um Colt oder April, das war ihr klar. Zumindest vom Kopf her, das Herz vermeldete da ganz andere Töne. Die drei würden ganz sicher zu ihnen zurückkommen. Laura wusste es. Selbst mit dem größtmöglichen Einsatz konnte Saber seine Siegchancen an einer Hand abzählen, wenn er denn eine Hand frei gehabt hätte. Der Schotte hatte alle Hände voll damit zu tun, nicht von einem Geschoss der Outrider getroffen zu werden. Bisher hatte Gattler noch nicht eingegriffen, aber auch so verlangten die unerbittlichen Angriffe dem Highlander alles ab. Langsam begann er daran zu zweifeln, dass die Verstärkung zu ihm kommen würde. Lange schon hatte sich niemand mehr über Funk bei ihm gemeldet und einen kurzen Lagebericht abgegeben. Saber ging davon aus, dass auch die anderen drei hart an der Grenze des Machbaren schrammten. Allmählich zeigten sich auch die ersten Ermüdungserscheinungen bei ihm. Es war anstrengend, die Outrider auf Distanz zu halten, von zurückschlagen und einen Sieg erringen, war noch lange keine Rede. Wieder musste er einem Jumper ausweichen. Während Saber mit vollem Einsatz durchzog und mit dem Säbel das Schiff samt Piloten aufschlitzte, verlor er den Halt auf Steed. Er war aus dem Sattel gerutscht, hatte den Halt auf den Steigbügeln verloren und drohte vom Pferd zu fallen. Mit der freien Hand schaffte es Saber gerade noch rechtzeitig, die Zügel zu fassen zu kriegen und sich daran festzuhalten. Als der Jumper neben ihm in Flammen aufging, griff auch die zweite Hand nach den Zügeln. Schwer atmend zog sich Saber wieder auf das Pferd. Er bedankte sich mit einem leichten Tätscheln bei Steed, der sich ruhig verhalten hatte und Saber somit eine unsanfte Landung erspart hatte. Doch der Schotte hatte keine Zeit zum Verschnaufen. Schon kamen zwei neue Hyperjumper auf ihn und sein Ross zugeflogen. Entschlossen, niemals aufzugeben, umfasste Saber sein Schwert so fest er nur konnte. Es war seine einzige Waffe um zu überleben. Colts Broncobuster geriet gehörig ins Trudeln. Immer wieder trafen ihn Streifschüsse der unzähligen Jumper, die ihm in den Canyon gefolgt waren. Er konnte sie ums Verrecken nicht abschütteln. Und dann trübte noch jemand seine Gedanken ein. Colt konnte sich nicht richtig auf seine Arbeit konzentrieren. Jean-Claude schürte mit giftigen Funksprüchen das böse Blut in Colt. Immer wieder versetzte er ihm Spitzen und der Outrider genoss es in vollen Zügen. Er hätte damals schon wissen müssen, wie man Colt aus der Bahn warf, dann hätte er das viel früher schon getan. Aber ihm genügte auch die Rache, die er im Moment bekam. Von seinem sicheren Platz aus beobachtete Jean-Claude, wie sich Colt gegen die Übermacht der Outrider zur Wehr setzte. Erhaben gab er Colt einen Tipp: „Mit Angsthasespielen erreichst du bei uns nichts, Kuhhirte. Gib auf und du hast vielleicht das große Glück, deine Frau und dein liebreizendes kleines Töchterchen noch einmal sehen zu dürfen.“ Colt krallte die Finger um seine Steuerung. Aufgeben?! Er, niemals! Eben weil er seine Frau und seine Kinder wieder sehen wollte, durfte und konnte er nicht aufgeben. Er versuchte die Jumper in Fehler zu locken, damit sie an den Felsen zerschellten, denn die Munition war ihm schon vor einigen Minuten ausgegangen. Doch Colt musste selbst höllisch aufpassen, nicht einen Vorsprung des Canyons zu küssen, die Gedanken an zuhause trübten seine Konzentration. Er wollte zu Robin und Jessica zurück. Der Cowboy wollte seine Kinder aufwachsen sehen und mit Robin gemeinsam alt werden. Und dafür musste er durchhalten. Wieder flog er eine riskante Schleife, hängte die Hyperjumper kurzfristig ab, nur um sie wenig später wieder hinter sich zu lokalisieren. Er hatte so viele feindliche Signale auf seinem Radar, dass er sich langsam fragte, ob er seine Freunde noch ausmachen konnte, wenn sie in seine Nähe kamen. Aber so, wie es im Moment aussah, standen die Chancen mehr als schlecht, die drei noch einmal zu Gesicht zu bekommen. „Geh, und sieh nach, ob er es auch wirklich nicht überlebt hat. Sollte er noch atmen, bring es zu Ende!“, Jesse schloss den Funkkanal zu seinem Verbündeten wieder. Ramrod war vor ihm in Flammen aufgegangen, der alte Friedenswächter lag in Schutt und Asche, so wie es das Ausbildungslager tat. Und hoffentlich war Fireball mit dem großen Cowboy unter gegangen. Da von Ramrod ganz sicher keine Gefahr mehr ausging, ließ Jesse den neuen Friedenswächter wieder transformieren und landete ihn sicher abseits der Kämpfe. Das große Kampfschiff war geräumig, viel gewaltiger als Ramrod es gewesen war. Und dennoch. Wieder war das Raumschiff für vier Personen konzipiert worden, das bemerkte man bereits beim Eintreten. Im Grunde genommen, so empfand es Jesse, war dieses Schiff nur die größere und auf Hochglanz polierte Ausgabe der Ramrodinfanterie. Er erkannte kaum Unterschiede zu dem zerstörten Schiff, lediglich das größere Platzangebot und die andere Lackierung. Schwarz war out, Platin war die neue Modefarbe im Kavallerie Oberkommando. Als ob Farben etwas an der Stärke der Maschine ändern würden! Wie töricht waren die Kavalleristen eigentlich? Jesses Grinsen wurde immer herablassender. Wieder kniete er sich zu April hinunter. Sanft strich er ihr die Haare aus dem Gesicht, fuhr die Konturen ihres Antlitzes nach. Sie war schön, viel zu schön, um überhaupt wahr zu sein. Sein sehnlichster Traum war es immer gewesen, April an seiner Seite zu haben. Und jedes Mal aufs Neue war der Traum wie eine Seifenblase zerplatzt. Fireball hatte dazwischen gefunkt, war quasi die Nadel für seine Seifenblase gewesen. Aber nun, endlich, konnte er sich sicher sein, dass der vermaledeite Rennfahrer ins Gras gebissen hatte. Er stand ihm nicht mehr im Weg, nie wieder. April gehörte ihm, ihm alleine. Dieser Gedanke jagte Jesse wohlige Schauer über den Rücken. Er malte sich bereits aus, was er mit April alles machte. Leise, aber mit einem dreckigen Unterton in der Stimme, hauchte er ihr ins Ohr: „Ich habe es genossen dabei zuzusehen, wie Fireball stirbt. Es war den ein oder anderen Blick durchaus wert, liebste April.“ Laura und Robin entschlossen sich dazu, im Laufe des Vormittags nach Fireball zu sehen. Der Freund war des nächtens genauso verlassen worden, wie die beiden Frauen. Aber er hatte sich bisher noch nicht gemeldet. Laura wettete darauf, Shinji auf der Dachterrasse sitzen zu finden. Oder aber er tigerte auf der geräumigen Dachterrasse auf und ab und zog ein undefinierbares Gesicht. Sie konnte sich genau vorstellen, welche Gefühle in Fireball gerade hausen mussten, umso weniger verstand sie, weshalb er sie bisher noch nicht angerufen hatte. Er musste vor Sorge beinahe platzen. Die zierliche Asiatin schloss die Wohnung auf und ließ Robin mit den beiden Kindern eintreten. Es war verdächtig ruhig. Unsicher sah sich Laura um, in der Wohnung war er nicht. Er musste also wirklich auf der Dachterrasse sein Unwesen treiben. Laura wunderte sich, die Küche und das Wohnzimmer sahen aus, als wäre die Wohnung überstürzt verlassen worden, die große Glasfront war völlig verschlossen. Fireball konnte ergo auch nicht auf der Terrasse sein. Aber wo war er dann? „Der Junge wird doch nicht mitgeflogen sein?“, Robins Frage war mehr eine Feststellung. Sie umschloss die Hand ihrer kleinen Tochter fester und hielt Matthew enger am Körper. Colt hatte ihr versprochen, dass Fireball hier bliebe und den beiden Frauen zur Seite stehen würde. Die Angst der blonden Frau schlug in Wut um. Nun kam sie sich zu allem Überfluss auch noch abgeschoben vor. Kopfschüttelnd und aufgebracht blickte sie zu Laura: „Diese Unvernunft kann ihm nichts und niemand austreiben.“ Auch Laura ertappte sich dabei, wie sie langsam aber sicher stinksauer auf Fireball wurde. Weshalb ging er mit den Star Sheriffs mit? Es gab so viele Gründe, weshalb er hier bleiben hätte sollen. Nicht zuletzt, weil Robin und ihr wesentlich wohler gewesen wäre, wenn zumindest der pensionierte Rennfahrer bei ihnen geblieben wäre. Aber nein, der Herr stürzte sich viel lieber in ein riskantes, waghalsiges und vollkommen unsinniges Abenteuer! Hatte er nichts dazu gelernt? Schnaubend ließ sich Laura auf die rote Couch nieder: „Komm du mir nachhause, Shinji Hikari!“ Ratlos blickten sich die beiden Frauen daraufhin an. Sie wussten nicht recht weiter. Sie waren alleine, hatten niemanden außer sich selbst, der ihnen half. Robin war zudem noch schwanger, vor allem sie hätte einen Mann bei sich gebraucht, um sich sicherer und besser aufgehoben zu fühlen. Der Hormonhaushalt von Robin spielte verrückt, so wie er es bei jeder schwangeren Frau tat, im Minutentakt schwankte ihre Laune aus unerfindlichen Gründen. Aber gerade war sie eindeutig und zu Recht sauer auf ihren gemeinsamen Freund. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten und zu bangen. In aller Eile überdachte Laura die wichtigsten Punkte. Das Um und Auf war jetzt, alles irgendwie am Laufen zu halten. Ein kurzer Blick zu Robin und Laura war klar: „Ich bleibe solange bei dir, bis die Chaoten wieder da sind, Robin.“ Jeden Tag würden sie den drei verlassenen Wohnungen von April, Saber und Fireball einen kurzen Besuch abstatten, damit der Briefkasten nicht überquoll und die Blumen nicht verwelkten. Und dann war da noch ein unliebsames Aufgabengebiet, das Laura am liebsten ganz auf Robin übertragen hätte. Matthew. Genau genommen war es die Mutter des kleinen Mannes. Laura musste Matthew an diesem Abend überpünktlichst bei Synthia absetzen, aber alles in der Japanerin sträubte sich. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Wie sollte sie ihr nur erklären, weshalb sie Matthew brachte und nicht Saber? Staub. Überall war nichts als Dreck und Staub. Doch da lugte was aus dem Sand. Es war eine Hand. Tomas zog seinen Blaster und trat auf die einsame Hand zu. Sah nicht mehr übertrieben lebendig aus, aber wahrscheinlich war der Rest noch dran. Sollte sich noch etwas bewegen, schoss er einfach noch einmal darauf. Jesse hatte Recht behalten. Der Rennfahrer war dieses Mal wirklich ins Reich der Toten übergetreten. Und irgendwie breitete sich ein unbefriedigendes Gefühl in Tomas aus. Jesse Blue hatte Fireball umgebracht, nicht er. Tomas hatte seine Rache wieder nicht bekommen. Mit den Schuhspitzen schob er neben der Hand etwas Sand weg, ja, es war definitiv der Körper noch am Arm dran. Ohne sich zu bücken, drehte er mit einem gezielten Ausheber den bewusstlosen Körper auf den Rücken. „Es ist vorbei, Shinji Hikari, Mechaniker aus Tokio.“, mit versteinerter Miene musterte er den leblosen Polizisten. Endlich war er am Ziel seiner Träume angekommen, aber Tomas empfand keine Genugtuung. Zu gerne hätte er Fireball die Lichter ausgeblasen. „Hoppla!“, Saber verlor sein Schwert im Getümmel. Da blieb nur noch seine Winchester. Hastig versuchte der blonde Recke, sie mit einer Hand aus der Satteltasche zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Außer der Kraft verließ ihn mittlerweile auch die Geschicklichkeit ein wenig. Also musste er Steeds Zügel loslassen und mit der zweiten Hand nachhelfen. Ein gefährliches Unterfangen. Doch ganz ohne Verteidigung würde er es auch nicht schaffen. Saber würde kämpfen, bis zum Umfallen, wenn es sein musste. Er war den Armeen von Gattler alleine nicht gewachsen, aber Hilfe war weit und breit nicht in Sicht. Saber hatte nicht einmal die Zeit gehabt, sich nach dem Getöse umzudrehen, das Ramrod in seine Einzelteile zerlegt hatte. Der Schotte hatte keine Zeit gehabt, sich darum auch noch zu kümmern. Im nächsten Augenblick hatte Saber unglaubliches Glück gehabt. Weil er seine Waffe nicht so ohne weiteres aus der Halterung bekommen hatte, hatte er sich mit dem Oberkörper auf Steed gelehnt, um besser hantieren zu können. Genau in diesem Moment hatte ein Gleiter abgedrückt. Der Schuss verfehlte Saber um Haaresbreite. Als er hinter ihm im Boden einschlug, drehte Saber den Kopf nach hinten und keuchte: „Jetzt hab ich langsam aber keine Lust mehr auf diese Metzchen!“ Der Cowboy flog immer wieder im Zickzack um seine Angreifer in Fehler zu locken. Aber wirklich dezimieren wollten sie sich nicht lassen. Der Kuhhirte schwitzte Blut und Wasser unter seinem Helm, langsam ging ihm sein Allerwertester auf Grundeis und seine Funksprüche Richtung Ramrod verhallten ungehört. Ramrod antwortete nicht, April hatte sich schon selbst mit Problemen abgemeldet, blieb eigentlich nur noch einer, der dem Texaner das Leder retten konnte. Und prompt wechselte Colt die Funkfrequenz, immer darauf bedacht, nicht doch nebenbei ein oder zwei Jumper zu erledigen. Stöhnend fragte er an: „Hey, Oberheld? Hier ist deine bezaubernde Aushilfe! Komm her und hilf mir die Genies wieder in ihre Flaschen zu wünschen.“ Es knackte ein paar Mal unangenehm in der Leitung und Colt kassierte einen unschönen Treffer. Er trudelte auf einen Felsen zu, konnte seinen Bronco aber noch rechtzeitig abfangen. Nun hieß es endgültig raus aus dem Canyon. Hoffentlich meldete sich der Schwertschwinger wenigstens, wenn auf den Rennfahrer schon kein Verlass war. „Ich hoffe, du willst mir jetzt nicht meine Memos, die auf meinem Schreibtisch liegen, vorlesen, Colt. Dafür hab ich nämlich keine Zeit.“, Sabers Stimme ertönte in Colts Ohren. Noch ehe er etwas antworten konnte, erfragte sich der Anführer Colts Position. Der Schotte schrie: „Ich befinde mich ein bisschen südlich von dir, Kumpel. Schlag den Weg in wärmere Gefilde ein und komm mir entgegen.“ Der Scharfschütze verstand sofort: „Mach ich doch glatt, mach ich das doch! Hör mal, bevor uns ein anderes Schicksal ereilt: Du ziehst nach unten weg und ich nach oben, sonst stehen wir uns im Weg.“ Der Kuhhirte schöpfte neue Hoffnung. Beide, er und Saber, würden eine Meute an Verfolgern hinter sich herziehen. Es war ihre einzige Chance, sich derer zu entledigen, auf Hilfe konnten sie nicht mehr warten. Zumal sie eigentlich die Hilfe für das Oberkommando gewesen wären. „Hkm… Verdammt, war das knapp!“, er hustete und keuchte, als er das Bewusstsein wieder erlangte. Wären ihm doch beinahe alle Lichtlein ausgegangen. Der Japaner wusste nicht, wie er es noch aus Ramrod geschafft hatte, aber die Tatsache, dass er hier im Sand lag und schon ausgebuddelt worden war, empfand er schon mal als sehr positiv. Hustend setzte er sich auf, schüttelte den meisten Staub ab und fuhr sich über die Augen, die voller Sand waren und die er noch nicht richtig aufgebracht hatte. Am liebsten allerdings hätte er sich den Sand gleich wieder Kübelweise in die Augen geschaufelt, als er sein neues Aufgabengebiet zu sehen bekam. Er blinzelte direkt in den Lauf einer Waffe. Das war nicht die Art von Begrüßung, die Fireball erhofft hatte. Mit zusammengekniffenen Augen lugte er an der Waffe vorbei. Grummelnd ließ er sich schließlich vernehmen: „Du schon wieder! Zwei Mal einbuchten reicht dir wohl nicht.“ „Steh auf und spar dir die Luft, Shinji!“, ungeduldig drückte er Fireball den Lauf gegen die Stirn. Er würde nicht lange fackeln. Tomas bekam seine Chance zur Rache, der zähe Polizist gab ihm noch einmal einen Lichtblick. Der Rennfahrer war vom Regen in die Traufe geraten. Aber wenigstens war er dieses Mal weich dabei gelandet und noch machte der Rücken keinerlei Probleme. Fireball brauchte einige Augenblicke, bis er die Lage richtig einschätzen konnte. Er und Tomas waren allein auf weiter Flur. Allerdings, und da verwettete Fireball alles, was ihm lieb und teuer war, darauf, war Jesse Blue mit dem glänzenden Etwas nicht weit weg. Schon beim letzten Mal hatten sie ihm gemeinsam aufgelauert, dieses Mal würde es nicht recht viel anders sein. Kurzerhand streckte Fireball seinem Widersacher die Hand entgegen und lächelte: „Dann hilf mir bitte. Das Aufstehen klappt leider nicht so wie es sollte.“ Ewig schien sie schon hier zu stehen, mit einem Kind auf dem Arm. Noch einmal warf sie einen Hilfesuchenden Blick zu ihrer Begleiterin. Das Donnerwetter konnte sich Laura schon lebhaft ausmalen. Sie stellte es sich in etwa so vor, wie Synthias Ausraster auf der Beerdigung vor wenigen Monaten erst, nur gewürzt mit mehr Biss und die verletzenden Worte würden in diesem Fall für sie bestimmt sein. Endlich öffnete die Ehefrau von Saber die Tür zum ehemals gemeinsamen Haus. Laura war überpünktlich gewesen, aber das war nicht der einzige Grund für Synthias verblüfftes Gesicht. Fragend sah sie an den beiden Frauen mit den Kindern vorbei, aber der blonde Recke war nicht zu entdecken. Deshalb widmete sich die ehemalige Kindergärtnerin wieder dem Babysitter. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zischte Laura an: „Weshalb bringst du Matthew? Hatte der Herr Papa keine Zeit?“ Laura sank unweigerlich zusammen. Synthia sprach abfällig über Saber, das hätte sie ihr niemals zugetraut. Immer, wenn sie die schwarzhaarige Frau und Saber in Japan getroffen hatte, war Synthia eine ruhige, gut erzogene und hilfsbereite Frau gewesen. Sie hatte Verständnis gehabt, ja sogar für Fireball. Synthia war die einzige gewesen, die verstanden hatte, dass Fireball nicht alles auf einmal verarbeiten konnte. Wo war dieses Verständnis geblieben? Wie kalt war diese Frau in den letzten Monaten nur geworden? Synthia griff nach Matthew und nahm ihn fest in den Arm. Sie seufzte unterdrückt und sah dann Robin an, da sie von Laura noch immer keine brauchbare Antwort bekommen hatte: „Also, wo ist der edle Recke? Ist er mit Colt und Fireball derart abgestürzt, dass er immer noch nicht wieder nüchtern ist, oder ruft die ach so wichtige Pflicht nach meinem Gatten?“ Robin wollte gerade zu einer Predigt ansetzen. Ihre Jungs stürzten nicht ab und wenn doch, dann auf der Ranch der Familie Wilcox. Robin war kurz davor, laut zu werden, sah ihre ehemalige Freundin nicht, dass sie beide nur aus einem Grund hier waren? Saber konnte Matt nicht bringen, weil er mit ihrem Mann und April und Fireball zusammen das Neue Grenzland retten musste! Es gab höhere Ziele als das familiäre Glück. Gab es keinen Frieden im neuen Grenzland, konnte es auch keine glücklichen Familien geben, war das der Frau von Saber noch nicht bewusst? Robin machte bereits den Mund auf, aber noch ehe sie laut werden hätte können, war sie bereits unterbrochen worden. Laura hob ihre offene Hand und bedeutete Robin so, nichts zu sagen. Die Situation würde so oder so eskalieren, das lag bereits in der Luft. Aber wenigstens sollte sich Robin nicht noch mehr mit Synthia zerstreiten. Die Freundschaft der beiden Frauen stand ohnehin auf der Kippe. Denn, wie sollte es anders sein, Robin stand voll und ganz hinter Saber, das hieß aber gleichzeitig für sie, dass sie Synthia kein Bisschen verstand. Und das, obwohl sich die beiden Frauen vor noch nicht allzu langer Zeit sehr gut vertragen hatten. Die Asiatin erklärte diplomatisch: „Synthia, bitte hör zu. Die Star Sheriffs sind mitten in der Nacht zu einem Notruf beordert worden. Es geht um sehr viele unschuldige Menschenleben. Er hat mich gebeten, auf euer Kind solange Acht zu geben und Matthew gesund und munter wieder bei seiner Mutter abzugeben.“ Ehrliche, aber diplomatische Worte waren nicht immer der Garant für ein erfolgreiches Gespräch. Entgegen aller Erwartungen hatte Synthia ihrer Nachfolgerin aufmerksam zugehört. Leise und drohend erhob sie die Stimme: „Und er konnte Matt nur zu dir bringen?“ Synthia tat ihre Vermutung auf ihre Weise kund. Saber war nicht mitten in der Nacht plötzlich vor Lauras Tür gestanden, das war nicht seine Art. Da wäre es wahrscheinlicher gewesen, dass ihr treuer Gatte den kleinen Bengel bei Robin abgegeben hätte. Die schwarzhaarige Frau war nicht verwundert darüber, Laura auf Yuma zu sehen. Viele Bekannte und Freunde hatten ihr Gerüchte zugetragen. Fireball wäre wieder nach Yuma gezogen, mit einem zierlichen, hübschen Mädchen im Schlepptau. Zierlich und hübsch mochte Laura ja sein, aber sie hing nicht in Fireballs, sondern in den Netzen ihres Mannes. Synthia war sich sicher, Saber hielt es mit der Treue nicht. Laura war in dieser Nacht bei ihrem Mann gewesen, sonst hätte er Matt nämlich mitten in der Nacht zu ihr zurückgebracht. Der Schotte hätte sie aus ihren Träumen gerissen, ganz sicher. Robin setzte sich auf die Treppe, neben Synthia und Laura. Die eine stand an der Türschwelle, die andere am Ende des Weges, der zum Haus führte. Die Lehrerin konnte nicht mehr stehen, ihre Beine waren schwer und sie fühlte sich nicht wohl. Etwas war bei dieser Schwangerschaft anders, als bei der letzten. Sie hatte Angst. Angst um ihren Mann und um das ungeborene. Laura strich sich die Haare hinter die Ohren zurück. Ihre halblangen, glatten Haare wurden immer wieder vom Wind verweht. Sie betrachtete Sabers Frau eingehend. Die Asiatin konnte Synthia nicht anlügen, das durfte sie nicht. Alles andere wäre nicht fair ihr gegenüber gewesen. Mit viel Respekt trat Laura einen Schritt auf Synthia zu. Wahrheitsgemäß antwortete sie: „Nein, das hat er nicht.“, Laura schöpfte neuen Mut, denn Synthia nickte lediglich. Sie fuhr fort und erklärte Sabers Frau, weshalb sie beim Schotten gewesen war: „Saber kommt sehr schwer damit zurecht, dass ihr beide euch getrennt habt, Synthia. Er vermisst Matthew, da hilft es auch nicht, wenn er ihn jedes Wochenende sehen kann. Ihm fehlt seine Familie… Auch du fehlst ihm.“ Synthia schloss seufzend die Augen. Das konnte sie schlicht und einfach nicht glauben. Kopfschüttelnd nahm sie die Tür in die Hand und trat ins Haus: „Das soll ich dir glauben? Der Frau, wegen der mich Saber verlassen hat?“ Robin sprang auf. Sie wollte Synthia eine Predigt halten, das war einfach nicht wahr. Aber nur ein schnaubender Laut verließ Robins Mund. Sie durfte sich nicht einmischen, es ging sie schließlich nichts an. Der Ehezwist war eine Angelegenheit zwischen Synthia und ihrem Mann, weder Laura noch die blonde Lehrerin durften einschreiten. Sie umschloss Lauras Hand fester. Auch, wenn Fireballs ehemalige Freundin eine ruhige und überlegte Frau, aber hier war sie befangen. Niemanden war entgangen, dass sich die junge Asiatin in Saber verguckt hatte. Sie drückte ihre Hand fester, Laura durfte sich auf keinen Streit einlassen. Die zierliche Asiatin senkte den Blick. Laura tat Synthias Aussage unendlich weh, es verletzte sie. Weil es nicht wahr war. Laura hatte nicht den Platz von Synthia eingenommen, war nicht in ihre Ehe eingedrungen. Die Kindergärtnerin hatte ihren Mann aus dem gemeinsamen Haus geworfen, hatte es ihm übel genommen, dass er seine Arbeit gewissenhaft erledigte. Und nun unterstellte sie Fireballs Jugendfreundin, sie hätte den Zwist in die völlig zerrüttete Ehe gebracht. Laura kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht. Leise, aber zitternd gab sie klein bei: „Saber wird wieder zurückkommen, bestimmt sogar.“ Synthia schnappte nach Luft: „Er soll dort bleiben, wo der Pfeffer wächst. Saber hat in diesem Haus nichts mehr zu suchen.“ Das war zuviel für die zierliche Frau. Ungestüm riss sie sich von Robins Hand los und krallte die Hände in ihren weiten Rock. Mit blitzenden Augen berichtigte sie Synthias Worte: „Weil du ihn rausgeworfen hast, Synthia! Saber würde jeder Zeit wieder zurückkommen. Er lässt niemanden im Stich, das würde er niemals tun.“ Sie verteidigte den blonden Recken auf Gedeih und Verderb. Niemand hatte das Recht, Saber Gleichgültigkeit oder sonst etwas zu unterstellen. Der Schotte war die treueste Seele im ganzen Universum. Es war unklug, wenn nicht sogar töricht von Laura, nun mit seiner Frau einen Streit vom Zaun zu brechen, aber sie hatte in den letzten Monaten soviel gehört und gesehen, sie konnte nicht einfach nur dastehen und zu allem „Ja“ und „Amen“ sagen. Die Tür zum Riderhaus flog krachend wieder auf und Synthia stand blitzschnell wieder auf dem Absatz der Treppe. Ihre Stichworte waren gefallen, Laura hatte die unterkühlte Kindergärtnerin aufgestachelt. Synthia schluckte. Emotionsgeladen wie selten, verteidigte sie ihre Ansicht: „Er lässt niemanden im Stich? Nein? Was macht er dann mit Matt, mit seiner Familie? Saber lässt sein Kind alleine! Er fliegt lieber mit seinen Freunden durch die Gegend, anstatt bei seiner Familie zu sein und sich um seinen Sohn zu kümmern. Matthew zählt für ihn überhaupt nicht.“ Robin wich einige Schritte zur Seite. Synthia war fuchsteufelswild. Eine Frau, die ihre Familie zu retten versuchte, sah in Robins Augen zwar anders aus, aber sie erkannte im Blindflug, dass Synthia genau das versuchte. Sabers Gattin wollte ihrem Mann eine Lektion erteilen, hatte gehofft, dass er um sie und seinen Sohn kämpfte, aber das hatte er in ihren Augen nicht. Saber hatte ihren unbarmherzigen Test nicht bestanden. Und Laura trat eine Stufe nach oben. Sie ließ sich von Synthia nicht wie ein dummes Schuldmädchen vorführen. Sie war ohnehin nicht die Größte, aber von oben herab musste sie sich auch nicht behandeln lassen. Sie stemmte die Arme in die Hüften, bedachte Matt mit einem entschuldigenden Blick und beging die Todsünde. Sie setzte sich für Saber ein. Mit fester Stimme brachte sie hervor: „Saber kämpft für ein friedliches und sicheres Zuhause. Er kämpft nicht, weil er ein Held sein will, sondern weil er seinem Sohn eine sichere Zukunft schenken will. Nichts anderes versucht Saber. Warum willst du denn nur nicht sehen, dass dein Mann all das nur für seine Familie tut? Warum tust du ihm das an und untergräbst seine grundehrlichen Prinzipien?“ Wow. Laura hatte wohl zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert, wie sie gleich nach ihrem Statement verwundert feststellte. Synthia sah sie mit großen Augen an. Verschreckt trat sie wieder einen Schritt nach hinten. Was war nur in sie gefahren? Ihre dunklen Augen ruhten Momente auf Laura. Sie konnte nicht einordnen, was sie gerade empfand. War es Wut über Sabers kaltes Verhalten, Schmerz über die Ignoranz, die ihr Mann an den Tag legte oder Kummer, ihn nicht so gut zu kennen wie Laura? Synthia wurde schlagartig klar, dass sie in Saber niemals all das gesehen hatte, was Laura ihr gerade vorhielt. Woher nahm sich dieses junge Ding das Recht heraus, ihr ihre Absichten zu erläutern? Sabers Frau rang plötzlich mit den Tränen, aber sie wusste nicht, weshalb. Um ihre Überraschung zu überspielen, schlug Synthia eine andere Richtung ein. Halbherzig warf sie der Freundin ihres Mannes vor: „Für seine Familie? Du träumst wohl. Saber ist für alle da. Ja, der große Held hat ein großes Herz und hilft jedem, nur für seinen Sohn ist er nicht da. Saber steht ohne zu zögern jemanden wie Fireball bei, aber nicht seinem Sohn!“ Synthias Argumentation ging nun auf den Grundstein der Schwierigkeiten los. Fireball. Seit der Rennfahrer diesen schrecklichen Unfall gehabt hatte, war Saber immer für ihn da gewesen. Ganz gleich, ob der Japaner um Hilfe gebeten hatte oder nicht. Saber hatte alles für seinen Freund aufs Spiel gesetzt, war ohne zu überlegen zur Beerdigung von seiner Mutter gefahren, anstatt zuhause zu bleiben und zu versuchen, seine Ehe wieder in Ordnung zu bringen. Hätte Saber doch nur ein einziges Mal gesagt, dass die Familie das Wichtigste für ihn war, hätte er ihr doch nur ein Mal gezeigt, dass er Matt und sie nicht mutterseelenalleine lassen wollte, sie hätte ihn sofort zurückgenommen. Doch von Saber waren keine derartigen Aktionen gekommen. Er war stur seiner Pflicht im Oberkommando nachgekommen, hatte mit einer Freude wieder auf Ramrod gedient. Die Familie existierte für Saber nicht. Ihre Enttäuschung überwog in diesem Moment. Egal, was noch gesagt oder getan wurde, es war zu spät. Für die Rettung ihrer Ehe war es zu spät, der Zug war schon lange abgefahren. Noch einmal richtete Synthia ihren Blick auf Laura. Saber hatte sich schon getröstet. Mit einer Frau, die ihr augenscheinlich einiges voraus hatte. Synthia schluckte schwer. Es war Zeit den Mann loszulassen. Laura begehrte unterdessen auf. Niemand durfte in einem Satz gleich zwei ihrer Freunde anfeinden. Die beiden Männer waren die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, niemand durfte es sich anmaßen, so über sie zu urteilen. Die Japanerin schnappte: „Das glaub ich ja wohl nicht! Hätte Saber deiner Meinung nach seinem besten Freund nicht beistehen dürfen? Fireball hat Sabers Hilfe dringend gebraucht, das weißt du.“ „Fireball ist alt genug um sein Leben endlich selbst in den Griff zu bekommen. Matthew nicht! Sein Sohn braucht jetzt einen Vater und nicht in zehn Jahren. Jetzt muss er für Matt da sein und nicht erst, wenn er aus dem Gröbsten raus ist. Verstehst du?“, Synthia standen die Tränen in den Augen, als sie ins Haus stürmte und die Tür hinter sich zuschlug. „Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels!“, Colt jubelte in den Funkverkehr, als er eine Wolke von Outridern vor sich ausmachen konnte. Denn vorne weg flog ein schwarzes Robotpferd mit einem schwarz gekleideten Reiter. Glucksend und vollter Hoffnung schob Colt seinen Steuerknüppel nach vor um seinen Broncobuster noch ein bisschen mehr zu beschleunigen. „Pass auf, dass aus dem Tunnel keine Sackgasse wird, Kumpel!“, auch Saber konnte Colt mit einer Unzahl von Verfolgern ausmachen. Hoffentlich brachten sie ihr kleines Kunststück gut über die Bühne. Jesse musterte den Komplizen, der seine wertvolle Fracht vor sich hertrieb. Der Kerl stand ja noch! Und das auf seinen eigenen zwei Beinen! Grimmig verzog Jesse das Gesicht zu einer Fratze. Er hatte eigentlich mit Fireball Puzzle spielen wollen, aber wieder einmal machte ihm der Rennfahrer einen Strich durch die Rechnung. Aber na gut, er kannte noch eine Vielzahl grausamer Foltermethoden und –spielchen. Er lächelte Tomas und Fireball entgegen: „Wird man dich nie los? Du bist ja schlimmer als eine Katze, die nippelt nach neun vergeudeten Leben wenigstens ab und du willst uns immer noch nicht verlassen.“ Fireball spürte die Mündung der Waffe ganz deutlich in seinem Nacken. Das Metall war kalt, aber im Vergleich zu Jesse Blues Lachen noch richtig warm. Kurz überflogen Fireballs Augen den Raum. Schon an der Rampe unten hatte der Japaner das Gefühl gehabt, auf Ramrod zu stehen, der Kontrollraum bestätigte ihm sein Gefühl abermals. Das Schiff war größer und offensichtlich auch neuer als der schwarze Ramrod. Gehörte das Kampfschiff am Ende zum Oberkommando? Es besaß eine große Glasfront, drei Satteleinheiten vorne und eine hinter der mittleren hinten, die mit dem Rücken zur Glasfront stand. Ja, das konnte Ramrod in Neu sein. Fireball seufzte und machte eine ausschweifende Handbewegung: „Mach dir nichts vor, Jesse. Du brauchst mich. Ohne Erzfeind fehlt dir jegliche Lebensaufgabe und du hättest keinen Grund mehr weiterzuleben.“, ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Bis seine dunklen Augen April wahrnahmen. Seine Miene verdunkelte sich und die Augen gaben einen Vorgeschmack auf seine Worte. Jesse fiel sofort auf, wo Fireballs Augen hängen geblieben waren. Es war ein erhebendes Gefühl. Er hatte etwas, was der Rennfahrer um jeden Preis haben wollte, es aber niemals besitzen würde. Selbstgefällig ging er neben April auf die Knie, drehte sich wirsch ihr Gesicht herum und gab der Blondine einen aufdringlichen Kuss. Egal, wie sehr diese sich ekelte und wegdrehte, sein beinharter Griff gab sie nicht frei. Überheblich lachend versetzte er Fireball einen verbalen Tiefschlag erster Güte: „Sieh her, Rennsemmel. So holt man sich, was man haben will. Es ist ganz einfach. Du musst sie nur von deinen Vorzügen überzeugen.“, er machte eine kurze Pause, in der er Fireball, der inzwischen von Tomas zurückgehalten wurde, abschätzend musterte. Abfällig korrigierte sich der Blauhaarige selbst: „Ach nein, warte! Du hast keine Vorzüge, wovon solltest du sie überzeugen können? Du erbärmlicher Krüppel, zu nichts zu gebrauchen. Und trotzdem willst du nicht sterben. Das werden wir ändern.“ Jesse befahl Tomas, Fireball endlich zu fesseln und ihn irgendwo anzuketten. Er kannte den pensionierten Rennfahrer nur zu gut. Fireball mochte zwar verkrüppelt sein und erheblich schwächer als vor ein paar Jahren, aber die Wut und Rage verliehen dem schmächtigen Jungen ungeahnte Kräfte. Wenn Tomas nicht aufpasste, würde der kleine Japaner jeden unachtsamen Moment sofort zur Flucht nutzen. Saber flog im Zickzackkurs auf Colt zu. Immer wieder musste er Laserschüssen seiner Verfolger ausweichen. Zusätzlich kamen nun auch noch Schüsse direkt auf ihn zu. Und zwar jene, die für Colt bestimmt waren, den Scharfschützen jedoch verfehlt hatten. Der Schotte freute sich zwar, dass Colt die Schüsse nicht getroffen hatten, aber er verfluchte es, weil er seine Aufmerksamkeit nun auch nach vorne richten musste. Saber atmete schwer aus, er war bereits ausgezehrt. Aber das Wort aufgeben kam in seinem Wortschatz genauso wenig vor, wie in dem seiner Freunde. Er würde kämpfen, solange, bis er von seinem Ross fiel und leblos im Sand liegen blieb. Seine Gedanken rotierten. Zum ersten Mal, nun, da Aussicht auf ein schnelles Ende bestand, dachte Saber an die anderen beiden. Wo war April und was war mit Ramrod passiert? Ihr Friedenswächter war nicht mehr hier. War Fireball in ein Gefecht außerhalb verwickelt worden, weil er in der Umgebung nicht mehr auszumachen war? Sorgen griffen in Saber wie Buschfeuer um sich. April hatte sich schon lange nicht mehr über Funk bei ihnen gemeldet. Auch von ihr war nichts mehr zu sehen gewesen. Hoffentlich war der liebgewonnen Kameradin nichts zugestoßen. „Au, verdammt!“, irritiert griff sich Saber an die rechte Schulter. Er war unachtsam gewesen. Der brennende Schmerz durchfuhr ihn wie ein Blitz. Ein Laser hatte ihn gestreift! Saber ließ vor Schmerz die Zügel von Steed los, er konnte sie mit der rechten nicht mehr halten. Es war nur ein Streifschuss, aber der war schmerzhaft genug. Keuchend funkte Saber: „Colt? Hast du die Güte noch einen Zahn zuzulegen? Mir geht langsam die Puste aus.“ „Aber selbstverfreilich! Und nicht vergessen: Gut festhalten und nach unten wegtauchen, Boss.“, Colt gab seinem Bronco die Sporen. Er hatte sehen können, was passiert war. Nun war es wirklich an der Zeit, dem Ganzen ein Ende zu bereiten, bevor einer der Star Sheriffs noch ernsthaften Schaden erlitt. Tomas zog an der linken Hand des Rennfahrers und wollte ihn an die Satteleinheit fesseln. Nachdem die Gegenwehr vor wenigen Minuten völlig ausgeblieben war und Fireball Hilfe beim Aufstehen gebraucht hatte, war Tomas unvorsichtig. Fireball war auf dem Weg hierher öfter ins Wanken geraten, Tomas glaubte fest daran, dass der Rennfahrer dieses Mal keine Gefahr darstellte. Doch er hatte sich getäuscht. Ruckartig drehte sich Fireball herum, schlug Tomas die geballte Faust direkt auf die Nasenwurzel und hebelte ihn von den Füßen. Der Rennfahrer riss sich los und hechtete auf Jesse Blue und April zu. Dafür würde der Verräter bezahlen müssen. Er konnte mit April nicht einfach machen, was er wollte! April hatte aus den Augenwinkeln beobachtet, was geschehen war. Sie war die ganze Zeit über leise gewesen, hatte sich nicht zu irgendwelchen Kommentaren hinreißen lassen. Bis Fireball in Begleitung von Tomas eingetreten war, hatte die Blondine noch mit ihrem Schiksal gehadert. Sie hatte wirklich gedacht, den Japaner für immer verloren zu haben. Nun aber hatte sie neuen Mut gefasst. Der Kampf war ausgeglichen, es standen sich jeweils zwei Kontrahenten gegenüber. April würde sich von ein paar Fesseln nicht aufhalten lassen. Sie würde Fireball einen kleinen Vorteil verschaffen. Mit einem gezielten Tritt. „Du kleine Wildkatze!“, Jesse sank auf den Knien zusammen. Aprils Absatz hatte die empfindlichste Stelle getroffen. Auch der Überläufer war nur ein Mann, wie April lächelnd feststellte. Fireball riss Jesse von hinten auf den Boden und verpasste ihm eine Gerade. Die Wut und Angst hatten in ihm unbändige Kräfte hervorgerufen. Er würde es bereuen, ganz sicher, weil er diese Anstrengung nicht gewöhnt war, aber es war allemal besser, als dabei zusehen zu müssen, wie Jesse Blue seiner Freundin Schmerzen zufügte. Der Japaner beugte sich über Jesse Blue und drückte diesen mit aller Kraft rücklings auf den Boden. Jesse fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er schmeckte Blut. Der verdammte kleine Rennfahrer hatte ihm die Lippe aufgeschlagen. Das schrie nach Rache. Es war dem Überläufer vollkommen egal, wo sich Fireball in dem Moment befand, der vermaledeite Aushilfspilot hätte auch auf ihm liegen können, er verschaffte sich den Platz, den er brauchte. Mit zwei gezielten, wuchtigen Schlägen gegen die Brust des Rennfahrers trieb er Fireball von sich. Jesse war dabei sofort aufgefallen, was Tomas sträflich vernachlässigt hatte. Der Krüppel war nicht mehr ganz so schwach, wie noch vor wenigen Monaten. Dieses Stehaufmännchen hatte sich wieder aufgerappelt, dabei war Fireball bei ihrem letzten Aufeinandertreffen dem Tod noch wesentlich näher gewesen, als dem Leben. Das Funkeln in den Augen verriet Jesse eindeutig, dass Fireball neuen Lebensmut hatte. Aber egal. Nachdem sein Komplize vom Boden nicht mehr hochkam und verzweifelt nach Luft rang, musste er es selbst in die Hand nehmen. Fireball mochte zwar den ersten Treffer gelandet haben, aber er würde ihn umbringen. Der Japaner hatte keine Chance. Fireball kam auf seinem Hintern zum Sitzen, nachdem Jesse ihm auf die Brust geschlagen hatte. Der Treffer hatte gesessen. Das gab aus der Distanz wieder ein nettes Andenken von Jesse Blue. Fireball rieb sich kurz die getroffene Stelle, ehe er sich mit beiden Händen auf dem Boden abstützte und wieder aufstand. Er verfluchte in dem Moment seine enorme Steifheit in den Gliedern, die er nach wie vor hatte, vor allem im Rücken, aber es würde ihn nicht daran hindern, Jesse Blue eins vor den Latz zu knallen. Sie hatten mehr als nur eine Rechnung offen. Immer wieder waren Jesse Blue und er im Laufe der Jahre aneinandergeraten, der Krieg zwischen den beiden war persönlich geworden. Nachdem der Verräter gemerkt hatte, dass April ihn aus nur einem Grund hatte abblitzen lassen, war Fireball sein erklärtes Lieblingsziel geworden. Seine Nachforschungen hatten die Wut nur noch mehr geschürt. Fireball, dieser vom Glück verwöhnte Nichtsnutz, hatte ihm seinen Platz im Oberkommando streitig gemacht, hatte ihm das Mädchen weggenommen, das er geliebt hatte. Egal, was die Rennsemmel auch anfasste, es verwandelte sich in Gold und er, der immer hart für alles gearbeitet hatte, war leer ausgegangen. Nicht zuletzt deswegen hasste Jesse Blue den Rennfahrer. Ein schmutziges Lächeln umspielte seine Lippen, als er Fireball verbal angriff. Er hatte ihr letztes Zusammentreffen nicht vergessen: „Ist sie es überhaupt wert, Fireball? Sie liebt dich nicht, das wird sie niemals. Was sollte sie auch mit einem wie dir? Ist sie es trotzdem wert, dass du für sie in den Tod gehst?“ Der Blauhaarige hatte inzwischen sicheren Stand, er wartete nur auf eine unüberlegte Reaktion von Fireball. Jesse spekulierte auf den Hitzkopf, auf den normalerweise immer Verlass war. Man brauchte Fireball nur richtig zu reizen, dann würde er etwas Unüberlegtes tun und darauf verließ sich Jesse. Sein herablassendes, kaltes Lächeln wurde immer größer. Seine Augen betrachteten den Erzrivalen eingehend. Wirklich erbärmlich. Fireball war ein Schatten seiner selbst geworden, wie Jesse amüsiert feststellte. Egal, ob der Rennfahrer stärker geworden war als noch bei ihrem letzten Aufeinandertreffen, er war ihm nicht gewachsen. Der schmächtige, kleine Rennfahrer. Wie sollte Jesse ihn bloß ernst nehmen? Stand der Japaner doch in einer schwarzen Trainingshose und einem schlabbrigen, viel zu weitem T-Shirt vor ihm. Eine erbärmliche Gestalt. Ein belustigendes Zucken umspielte Jesses Mundwinkel. Doch Fireball war reifer geworden. Er war nicht mehr der hitzköpfige Pilot von einst. Fireball war erwachsen geworden, hatte dazugelernt. Die Schule des Lebens war hart genug für den ehemaligen Piloten gewesen, und nun trug sie Früchte. Er würde sich bestimmt nicht noch einmal das Kreuz von Jesse Blue brechen lassen. Fireball brachte sich in eine standfeste Position und hob beide Arme auf Brusthöhe an. Während er den linken Arm abwinkelte, streckte er den rechten aus und machte mit der Hand eine auf sich winkende Bewegung. Er forderte Jesse Blue auf: „Worauf wartest du noch, Jesse? Wenn du dich beeilst, hast du vielleicht noch eine Chance, mich endlich umzubringen und aus dem Weg zu schaffen.“ Doch Jesse Blue formte lediglich ein noch herablassenderes Lächeln. Er schritt auf Fireball zu, großkotzig wie eh und je: „Und das soll mich beeindrucken? Komm schon, Milchreisbubi, mit Yogaübungen kannst du mich maximal einschläfern, aber nicht besiegen.“ April warf immer wieder ein Auge auf die beiden Streithähne und auf Tomas. Der schien sich langsam wieder zu fangen und darauf wartete Jesse. Der Überläufer würde Fireball nicht anfassen, bis nicht endlich Tomas hinter ihm stand und ihn unterstützen würde. Jesse machte sich die Hände nicht schmutzig. Das hatte er niemals getan. Inzwischen war die Blondine ganz froh, dass ihr keine Aufmerksamkeit zuteil wurde. Der neue Friedenswächter war noch nicht fertiggestellt. Das sollte Aprils Rettung werden. Die Satteleinheiten hatten allesamt noch scharfe Kanten, sie hätten erst abgeschliffen werden sollen, nachdem die Technik einwandfrei funktionierte. April begrüßte diesen Wink des Schicksals. Sie war nur mit einem Seil angebunden worden, nicht in Ketten gelegt. April war aufgestanden und rieb ihre Fesseln mit so viel Zugkraft wie nur möglich an der Kante. Mit Wohlwollen beobachtete sie den Fortschritt, die Kante war so scharf, dass sie das Seil förmlich durchschnitten. Ruhig sah sich April immer wieder um, sie versuchte die Lage richtig einzuschätzen. Als Tomas zu Boden gegangen war, hatte er seinen Blaster fallen lassen. Der war nicht allzu weit weg von Lauras kriminellem Bruder, aber der achtete nicht darauf. Sobald sie frei war, würde sie Fireball helfen. Gemeinsam würden sie den beiden Bösewichten Herr werden, ganz sicher. Und dann mussten sie dringend Colt und Saber suchen. Jesse blickte über Fireballs Schulter hinweg. Tomas stand bereits wieder. So bedächtig er voher auf Fireball zugegangen war, so blitzschnell reagierte er nun auf die nahende Verstärkung. Es würde Jesse das größte Vergnügen sein, Fireball umzunieten. Wie eine Dampfwalze warf er sich auf Fireball und brachte diesen somit zu Fall. Nun lag Jesse über Fireball und der kleine Rennfahrer würde sich nicht mehr wehren können. Hoffentlich hatte ihm die Wucht des Aufpralls etwas gebrochen. Jesse griff sofort nach der Kehle des Rennfahrers. Fehlte ihm die Luft, brauchte er keine Gegenwehr mehr zu erwarten. Fireball hatte Glück im Unglück. Obwohl Jesse ihn mit voller Wucht umgestoßen hatte und ihn zu allem Überfluss noch auf den Rücken befördert hatte, war er glimpflich davongekommen. Durch den breiten Stand, den er sich vorhin noch vorsichtshalber verschafft hatte, hatte sich Fireball nach hinten abrollen können. Die Kraft des Aufpralls war dadurch wesentlich schwächer geworden. Aber Jesse war schwer und als der nach seiner Kehle griff, hörte für Fireball der Spaß auf. Mit aller Kraft schob er seine Arme zwischen die von Jesse und drückte sie weg. Jesses Hände verfehlten ihr Ziel kläglich, beide rammten in den Boden neben Fireballs Hals. So nahe wollte Fireball seinem Kontrahenten nicht kommen. Jesse beugte sich über ihn und zwar so dicht, dass er Jesses aufgeheizten Atem im Gesicht spüren konnte. Fireball nahm alle Kraft zusammen, die er aufbringen konnte und drückte Jesse die flache rechte Hand ins Gesicht. Er drückte ihn so weit wie möglich von sich weg. Jesses Kopf musste dieser Bewegung zwangsläufig folgen, ebenso wie der Oberkörper des Überläufers. Fireball keuchte: „Runter von mir, das find ich nicht erotisch!“ Jesse hatte sich dagegenstemmen wollen, doch die Hand war wider Erwarten stärker als sein Nacken gewesen. Widerwillig richtete sich Jesse Blue auf, nur um im nächsten Moment Fireballs Hand von seinem Gesicht zu schlagen. Immer noch lag der Japaner unter ihm, und da würde er auch bleiben, wenn es nach Jesse ging. Er drückte Fireball beide Knie so fest wie möglich in die Seiten, das würde dem Krüppel nicht schmecken. Fireball war schwächer als Jesse, um vieles, auch, wenn er sein kleiner Konter gerade gelungen war. Das war Fireballs letztes Aufbäumen, wie Jesse versprach: „Sag ‚Auf Wiedersehen’ zu dieser Welt, Rennsemmel!“ Der Blauhaarige drückte die Knie so fest wie möglich in die Seiten, er konnte den Widerstand der Rippen deutlich spüren. Fireballs Gesichtsausdruck dazu bestätigte seine Theorie. Das tat höllisch weh. Wieder beugte er sich über seinen Widersacher und drückte ihm mit der rechten Hand den Kiefer zusammen. „Das rate ich dir nicht, Jesse!“, April drückte ihm die Mündung des Blaster an die Schläfen. Noch im richtigen Moment war sie an den Blaster gekommen, hatte Tomas damit noch einmal schön auf die ohnehin schon stark ledierte Nasenwurzel geschlagen und den somit für die nächsten paar Minuten außer Gefecht gesetzt. April war eine sensible Frau und hatte oft Bedenken, körperliche Gewalt anzuwenden, doch wenn es drauf ankam, konnte die zierliche Blondine schon zulangen. In diesem Fall ging es um den Mann, mit dem April noch viele Abende verbringen wollte und das war es allemal wert, den Blauhaarigen mit einer Waffe zu bedrohen. Bedächtig, weil ihm gerade nichts anderes übrig blieb, lockerte Jesse seine Umklammerung und stand auf. Sein durchtriebendes Lächeln jedoch verriet, dass er sich nicht geschlagen geben würde. Die blonde Frau vor ihm konnte ohnehin nicht abdrücken, das wusste er noch. Er hob bereitwillig die Hände und gestand: „Ich bin beeindruckt, liebste April. Du musst Fireball das Leben retten, sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein? Verkehrte Welt ist das bei euch beiden.“ Von unten schnaubte Fireball verächtlich. Großartig! Genau das hatte er für seinen perfekten Tag noch gebraucht. Ein Kommentar von Jesse Blue, der sich ganz klar äußerte. Fireball hatte sehrwohl verstanden, dass Jesse, wenn er denn von einer Beziehung zwischen April und dem Rennfahrer ausging, die Meinung vertrat, April hätte die Hosen an. Der Frieden hielt an Board des neuen Friedenswächters allerdings nicht lange an. Jesse würde niemals aufgeben. Ungeachtet der Waffe, die ihm an den Kopf gehalten wurde, holte er noch einmal zu einem kräftigen Tritt aus. Fireball lag noch immer unter ihm und Jesse Blue hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Die Schwachstelle des Japaners war mehr als offensichtlich. Die Kraft fehlte dem ehemaligen Rennfahrer aufgrund seines mehrfach operierten Rückens. Und wenn es nach Jesse ging, konnte er sich gleich einen neuen Termin für die nächste Operation geben lassen. So fest er nur konnte, trat Jesse zu, April konnte von ihrer Warte aus nicht mehr einschreiten. Blitzschnell schossen Fireballs Hände auf den herannahenden Fuß zu und umklammerten ihn. Noch während er den Fuß zu fassen bekam, drehte er seinen Körper von der Gefahr weg. Ohne richtig zu überlegen, übernahmen Fireballs Reflexe alles weitere. Vom Wegdrehen hatte Fireball genug Schwung mitnehmen können, seine Hände hielten den Fuß seines Angreifers fest umschlossen und drehten ihn nach außen weg. Fireball verdrehte Jesse den Knöchel auf schmerzhafte Weise und brachte seinen Rivalen zu Fall. Während Jesse mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Hosenboden saß und nach seinem verletzten Knöchel griff, raffte sich Fireball auf und trat mit einem fiesen Lächeln auf das dazugehörige Schienbein. Er grinste Jesse an: „Na, tut’s gut?“ Schmerzerfüllt verzog Jesse das Gesicht. Ein Laut würde seine Lippen nicht verlassen, diese Genugtuung würde er dem verhinderten Star Sheriff niemals geben. Jesse verfluchte sich für den Fehler, Fireball unterschätzt zu haben. Der Rücken mochte kaputt sein, aber seine Reaktionen, die ihn für den Job als Piloten damals empfohlen hatten, waren noch da gewesen. Fireball drehte sich zu April. Er nahm ihr den Blaster ab, sie fühlte sich mit einer Waffe in der Hand niemals wohl und umarmte sie kurz. Ein gehauchtes „Danke“ verließ seine Lippen, ehe er sich Jesse wieder zuwandte und ihn hochzerrte. April drehte sich weg und ging auf Tomas zu. Der saß auf dem Boden neben der hinteren Satteleinheit und versuchte vergebens, die Blutung zu stoppen, die die zertrümmerte Nasenwurzel verursachte. Er hatte nicht nur sich eingesaut, sondern auch den Boden rings um sich. Obwohl auch April den neuen Friedenswächter bisher nur von Berichten und einigen Fotos gesehen hatte, fand sie sich hier schon zurecht. Fireballs Gefühl hatte ihn nicht getäuscht, es war ein neuer Ramrod, alles befand sich noch an Ort und Stelle von der Lage her, allerdings eine oder zwei Nummern größer. Auch der Verwahrungsraum war dort, wo er auf Ramrod gewesen war. Jesse kam nicht daran vorbei, Fireball noch einmal einen Seitenhieb zu verpassen, als dieser ihn in die Zelle zu Tomas stieß. Er knurrte den Rennfahrer an: „Wir beide tragen das noch einmal fair aus. Irgendwann. Ohne deine Beschützerin, Reiskocher.“ Colt zog den Steuerknüppel mit aller Gewalt zu sich, damit er so steil wie nur irgendwie möglich aufstieg und schloss die Augen. Das letzte, was er gesehen hatte, war der Recke gewesen, direkt vor seiner Nase. Dann hatte er mit aller Macht nach oben hin weggezogen, im sprichwörtlich letzten Augenblick. Nun vernahm er lautes Krachen und Explosionen unter sich. Er hatte es geschafft, er war in Sicherheit. Aber was war mit Saber? Hatte er rechtzeitig nach unten weggezogen? Mit zitternder Stimme funkte Colt nach seinem Boss und Kameraden: „Hey, Säbelschwinger? Wie schaut’s aus, ist noch alles dran?“ Saber rappelte sich gerade wieder auf, als ihn Colts Funkspruch erreichte. Ja, nach unten wegtauchen war schon eine clevere Idee gewesen, aber keiner von beiden hatte dabei bedacht, dass unten auch zwangsläufig bedeutete, dass Boden in der Nähe war. Saber war mit Steed unsanft und mit viel zu viel Schwung aufgekommen. Er war vom Pferd gefallen und buchstäblich im Dreck gelandet. Aber er war aus dem Gröbsten raus, denn die Outrider hatten sich alle selbst abgeschossen. Saber griff sich an die verletzte Schulter und sprintet geduckt zu seinem Pferd, das bereits wieder auf allen vieren stand. Erleichtert meldete er sich bei Colt: „Weiß nicht, Kumpel. Ich hatte noch keine Gelegenheit, meine Knochen zu zählen. Lass uns hier abhauen und zusehen, dass wir April und unseren Krankenständler auftreiben.“ Colt flog über Saber hinweg, endlich hatte er den Schotten gefunden. Kein einziger Jumper hatte diese Attacke überlebt. Überhaupt war es still rund um sie geworden. Etwas weiter entfernt kämpften noch einige Kavalleristen gegen Outrider, aber ansonsten war die Gefahr gebannt. Die Schlacht schien geschlagen, aber wo zum Kuckuck waren April und Fireball abgeblieben? Die Blondine und Nova waren nicht auszumachen und auch vom Rennfahrer und dem nicht ganz so leicht aus den Augen zu verlierenden Ramrod fehlte jede Spur. Nicht nur, um Saber Zuversicht zu geben, sondern auch um sich selbst Mut vorzugaukeln, spöttelte Colt: „Die zwei sitzen bestimmt schon bei General Whitehawk im Büro und halten ein nettes Schwätzchen, während wir uns hier abrackern müssen, Boss.“ „Na, wenn du das sagst, muss ich es ja fast glauben.“, Saber saß wieder einigermaßen fest im Sattel und ließ Steed zu Broncobuster aufsteigen. Auch Saber ließ seinen Blick über die Steppe Alamos gleiten. Es rauchte und qualmte überall, soweit das Auge reichte kam Alamo einem riesigen Schlachtfeld gleich. Seine blauen Augen gingen in Richtung Himmel. Nichts. Kein Kommandoschiff der Outrider, aber auch kein Ramrod in Sicht. Unbehagen stieg in Saber auf. Es musste etwas passiert sein. „Na, das hat ja schon fast professionell ausgesehen!“, Fireball lachte herausfordernd in den Funkverkehr von Colt und Saber. Er und April hatten den platinfarbenen Friedenswächter gestartet, nachdem sie Jesse und Tomas sicher verstaut hatten und hatten sich auf die Suche nach ihren Freunden gemacht. Sie hatten das waghalsige Manöver noch erleben können, auch wenn sie beinahe zu weit weg dafür gewesen waren. Erleichtert rutschte Saber auf dem Sattel nach hinten. Ein Teil der Anspannung fiel ab. Er war am Ende mit seinen Kräften und egal, was noch kam, er wollte nur noch an Board. Hinter seinen leichtfüßigen Worten verbarg Saber die Mühe, die es ihn mittlerweile kostete, auf dem Rücken des Pferdes zu bleiben. Er schäkerte: „Sind ja die Helden, Fireball. War eine unserer leichtesten Übungen.“ „Dann kommt mal rein in die gute Stube.“, April öffnete mit einem Lächeln die Rampe und ließ den Recken und den Scharfschützen endlich an Baord gehen. Sie waren sicherlich erschöpft und ausgezehrt, nach einem solchen Kampf wie diesem. Es war knapp gewesen, mal wieder. Ohne zu zögern nahmen die beiden Männer das Angebot an. Sie waren so fix und alle, dass ihnen an diesem Tag nichts mehr auffiel. Weder die fremde Farbe noch die größere Gestalt des Friedenswächters machte die beiden Neuankömmlinge stutzig. Sie ließen sich in ihre Satteleinheiten fallen und nahmen die Helme ab. Sie brauchten ungefilterte Luft, sonst erstickten sie noch. Saber fühlte nach seiner Schulter und drehte den Kopf auf die getroffene Stelle. Es war wirklich halb so schlimm. Sein Kampfanzug hatte das Schlimmste verhindert. Es war nur schmerzhaft für ihn. Zuhause würde er einen Arzt aufsuchen und sie verletzte Schulter einbandagieren lassen. Er war einen Blick auf seine Freunde. Colt schwitzte, der Schweiß rann ihm in großen Tropfen über die Stirn, aber er war gesund. Dem Scharfschützen war nichts geschehen, alles andere hätte er Robin nicht erklären wollen. Die mittlere Satteleinheit war staubig und schmutzig. War der Rennfahrer am Ende doch von Board gegangen? Saber zog eine Augenbraue hoch, das würde Fireball auf dem Rückflug noch erklären müssen. Ein kurzer Blick auf April über die Schulter hinweg. Sie sah mitgenommen aus. Hatte sie etwa geweint? Ihre Augen waren gerötet, es deutete alles darauf hin. Ihre langen Haare waren durcheinander, auch April hatte mit vollem Einsatz gekämpft. Aber allen vieren ging es gut, sie hatten es überstanden und dem Neuen Grenzland wieder einen wertvollen Dienst erbracht. „Ab Richtung Heimat, Fireball.“, Saber gab den Befehl zur Heimreise und lehnte sich in seine Satteleinheit zurück. Nur nachhause. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)