Good Enough von Minerva_Noctua (TaKa/YuKa) ================================================================================ Kapitel 3: Cloud Nine --------------------- KAPITEL 3: CLOUD NINE Eine seltsame Taubheit umhüllte ihn, ließ ihn den Schmerz vergessen. Schlafen, träumen, nicht mehr sein, um doch mehr zu sein. Ein angenehmes Gefühl, dieses Vergessen. Keine Gedanken mehr, um nur so frei zu sein. Doch plötzlich riss es ihn aus der wohltuenden Betäubung. Und scharfer Schmerz lief seine Wirbelsäule wie Glut hinab und verbrannte ihn. If you wanna live, let live if you wanna go, let go I’m not afraid to dream – to sleep, sleep forever I don’t need to touch the sky I just wanna feel that high and you refuse to lift me Es war nun schon gute zwei Wochen her, seit sein Flugzeug am Moskauer Flughafen gelandet war und ihn hier ausgesetzt hatte. Ja, ausgesetzt! So kam sich Kai wirklich vor. Nicht, dass er sich daran störte jeden Tag nichts anderes zu tun, als in dem Apartment Bryans und Talas darauf zu warten, dass ersterer von der Arbeit am Abend heimkam und letzterer endlich wieder aus dem Koma – welches Kai selber verschuldet hatte - erwachte. Warum er das tat? Diese Frage sollte unbeantwortet bleiben. Zumindest empfand Bryan seine Anwesenheit als sehr hilfreich, obgleich Kai nicht wirklich verstand, weshalb. Er tat schließlich nichts. Weder besorgte er den Haushalt, noch konnte man ihn als seelischen Beistand bezeichnen. Wie dem auch sei. Jetzt befand er sich mit Bryan gerade im Krankenhaus und wartete auf den Arzt. Tala war wie durch ein Wunder doch noch erwacht. Ja, sehr wohl, doch noch. Eigentlich fehlte dem blauäugigen Russen nicht wirklich etwas. Die Schusswunde verheilte ganz gut und den Blutverlust hatte der Organismus dank der Ärzte auch gut überstanden. Was nicht gut war – und darum ging es – war der miserable Kampfgeist des lieben Patienten, der dafür gesorgt hatte, dass er nicht von selber gewollt hatte zu atmen. Kai hörte dem großen, schlanken Mann im Arztkittel nur am Rande zu. Das einzige, was der Phönix wissen musste, war, dass Tala aus dem Koma erwacht war. Das Blabla über dessen seelische Verfassung, die dem armen Arzt so wahnsinnig zusetzte, interessierte ihn weniger. Guess it wasn’t real after all guess it wasn’t real all along if I fall and all is lost it’s where I belong Alles war verschwommen. Ein Meer aus dunklen, viel zu intensiven Farben. Jedes Geräusch so verzerrt und undeutlich und dennoch so furchtbar grell. Sein Körper schmerzte wie unter Milliarden Nadelstichen. Doch es verblasste. Eigentlich spürte er nichts. Nur diese gähnende, alles verzerrende Leere ihn ihm und sein schlagendes Herz, dass sich mit jedem Zusammenziehen und Ausdehnen über ihn lustig zu machen schien. Plötzlich legte sich etwas auf seine Stirn. Ein bekanntes Gefühl durchflutete ihn. Und als Tala es fertig brachte seine Augen zu öffnen und vom hellen Licht geblendet wurde, hörte er die bekannte Stimme: „Tala. Gut dich endlich wieder unter den Lebenden zu wissen.“ Bryan stand über ihn gebeugt, blickte ihm in die Augen, dass konnte der junge Wolf nun erkennen. Unter den Lebenden. War das so, huh? Doch er wollte – abgesehen davon, dass er nicht wusste, ob er konnte – Bryan nicht die Erleichterung nehmen, welche seine smaragdgrünen Augen widerspiegelten. Tala öffnete seinen Mund, doch drang kein Laut aus seiner wunden Kehle. „Ist schon gut.“, kommentierte der Falke den stummen Versuch, „Du musst dich ausruhen, damit du schnell wieder auf die Beine kommst!“ Pure Zuversicht ging von den ruhigen Augen aus, dennoch wusste Tala, auch in diesem lädierten Zustand, hinter die Fassade seines Freundes zu blicken. Als Bryan das skeptische Funkeln in den trüben Augen sah, fühlte er sich ertappt und versuchte es mit einem Lächeln zu überspielen. Der Wolf fühlte sich dadurch in seiner Annahme nur bestätigt. Unendlich müde brachte er ein Lächeln zustande und schloss wieder die Augen. Kai, der diese Szene von der Tür aus beobachtet hatte, sah überrascht, wie sich Bryan über den Rothaarigen beugte und ihm einen leichten Kuss auf die Stirn gab: „Werde bitte wieder gesund.“ Damit richtete er sich wieder auf und ging auf Kai zu. Mit einem Nicken bedeutete er, dass sie gehen sollten. „Vielleicht“ , begann Bryan vor der Tür, „solltest du bei ihm bleiben. Ich muss zum Unterricht und danach werde ich dich abholen.“ Kai begegnete dem bestimmenden Blick mit einem Verächtlichen: „Und du meinst, er wird sich freuen, wenn er wieder aufwacht und mein Gesicht sieht?!“ „Deswegen bist du da.“ Ohne den Phönix auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sich Bryan um und ließ ihn einfach stehen. If you wanna live, let live if you wanna go, let go I’m never gonna be your sweet, sweet surrender Als sich der Graublauhaarige wieder ins düstere Zimmer begab und sich auf den Stuhl setzte, kochte er nur so vor Wut. Wie konnte sich Bryan nur erdreisten über ihn zu bestimmen! Verächtlich schnaubte Kai, als er seine Arme wie gewohnt vor der Brust verschränkte und die Beine übereinander schlug. Natürlich war dies nicht gerade die Art von Behandlung, die er kannte, geschweige denn sich gefallen ließ, aber das allein, war nicht der wirkliche Grund für seinen Ärger. Und das schlimmste an der Sache war, dass Kai sich dem vollauf bewusst war. Genauso, wie er wusste, dass er sich mit Absicht daran aufhängte, um nicht über die wahre Ursache, seines Zustandes nachdenken zu müssen. Wer gab den schon gerne zu, sich zu fürchten? In seinen Gedanken verloren, bemerkte Kai nicht wie die Zeit verging. Er spürte noch nicht einmal das blaue Augenpaar, das nun schon einige Minuten auf ihm lag. Guess it wasn’t real after all guess it wasn’t real all along Als Tala wieder aufgewacht war, hatte er schon befürchtet, Bryan sei immer noch da, um ihn zu bewachen, doch sobald er seinen Kopf ein Stück nach links gedreht hatte, fand er dort nicht den Falken, sondern den Phönix vor. Ein grundlegender Unterschied, der seinen Körper schmerzhaft verkrampfen ließ. Als sich sein Herzschlag wieder verlangsamte, erkannte der Rothaarige, dass Kai ihn glücklicherweise noch nicht bemerkt hatte. Ungewöhnlich für den aufmerksamen Blader. Skeptisch musterte Tala den Jungen, der gut zwei Meter etwas schräg links neben einem Tisch auf einem Stuhl saß, welcher zum Bett gedreht war. Sein Blick haftete stur am Boden, die rubinroten Augen seltsam leer. Tala stutze. Das erste und letzte Mal, dass der Wolf Kai so gesehen hatte, war damals gewesen, als sie beide vor dem Grab seiner Eltern gestanden hatten. Nachdem Kai erfahren hatte, wo seine Eltern begraben worden waren, hatte er eines Nachts aus der Abtei fliehen wollen, um sie zu besuchen. Tala hatte natürlich bemerkt, dass sich der Kleinere wegschleichen wollte und war ihm heimlich gefolgt. Tollpatschig und verängstigt wie der junge Kai manchmal sein konnte, wäre er fast erwischt worden, wenn der Wolf nicht da gewesen wäre, um ihn hinter eine Ecke zu ziehen. Der junge Phönix war damals in die Abtei gekommen, weil seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Er hatte nie erfahren, was da damals wirklich passiert war, noch hatte er gewusst, wo seine Eltern beerdigt worden waren. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er wie durch Zufall mitbekommen hatte, wie ein Trainer sich darüber beschwerte, dass er sich wieder um die Grabpflege der toten Hiwatari-Tochter und ihres Mannes kümmern musste. Und nun hatte sich der kleine Halbrusse in den Kopf gesetzt, genau jenes Grab zu finden, obwohl es fast einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen geglichen hatte. In Moskau gab es einige große Friedhöfe mit unzähligen Grabmahlen. Abgesehen davon, dass die nicht gerade nebeneinander lagen, es stockfinstre Nacht war und aus allen Kannen schüttete. Dennoch konnte Tala seinen Freund nicht von dem Vorhaben abbringen und war letztendlich mit ihm auf die Suche gegangen. Um halb fünf Uhr morgens und nach fast sechs Stunden des Umherirrens, hatten sie es endlich auf dem zweiten Friedhof gefunden. Die beiden, aus weißem Marmor bestehenden Grabsteine zeigten deutlich die Aufschrift: Shisato Hiwatari und Nikita Slowchenko. Tala würde nie den Ausdruck in Kais Augen vergessen können. Nämlich gar keinen. Einfach leer. Nichts. Der damals Siebenjährige war erst, als sie wieder in der Abtei und sicher in ihren Zimmern waren, zusammengebrochen und hatte sich zitternd und weinend an den jungen Wolf gekrallt. Das war einer dieser Momente gewesen, in denen Talas Beschützerinstinkt so mächtig geworden war, dass er sich geschworen hatte für immer dafür zu sorgen, dass der kleine Phönix nie mehr so würde leiden müssen. Das mit dem Beschützen und überhaupt, die Geschichte mit dem beste Freunde für immer bleiben, war gründlich missglückt. Allerdings war es nicht er, sondern eher Kai gewesen, der davon nichts mehr zu wissen wollen schien. Aber was spielte das jetzt schon noch für eine Rolle? If I fall and all is lost no light to lead the way remember that all alone is where I belong Tala schüttelte gedanklich den Kopf. Die Vergangenheit tat nichts mehr zur Sache. Vergangen war vergangen Punkt. Es brachte nichts über sie nachzudenken. Zumindest nicht, wenn sie für die jetzige Realität nicht von Relevanz war. Und in diesem Fall, war sie das definitiv nicht mehr. Kai hatte alles, was vor seinem elften Lebensjahr geschehen ist aus seinen Gedanken verbannt und so auch ihn, den kleinen rothaarigen Jungen, der sein bester Freund gewesen war. Wenn es nach Kai ging, so waren sie sich bei der Weltmeisterschaft, damals in Moskau, das erste Mal begegnet. Die Enttäuschung und Verzweiflung, die der Wolf empfunden hatte und die Kai wohl auch nicht unberührt gelassen hatte, zählte nicht. Als hätte sie nie existiert, ging es dem Rothaarigen durch den Kopf. Wahrscheinlich bemitleidete sich der Phönix gerade selber dafür, dass er in dieser vermaledeiten Stadt war, nur um mitanzusehen, wie Tala nach seiner Vorstellung hin bodenlos versagte. Wahrscheinlich war genau dies der Grund für die Leere in den rubinroten Augen. Nichts anderes. Was sollte es denn sonst schon sein? Dem Wolf fiel nichts ein. Nicht, nachdem er begriffen hatte, dass Kai nur noch arroganter und ignoranter geworden war. Um diese Veränderung an Kai zu erkennen, bedurfte es keine Menschenkenntnis, sondern lediglich zwei funktionierende Augen und ein halbwegs waches Gehirn, das in der Lage war, das Gesehene zu verarbeiten. Aber am Ende lief es für Tala ohnehin immer auf dasselbe hinaus: Es spielte keine Rolle mehr. In a dream will you give your love to me beg my broken heart to beat save my life change my mind Langsam wurde es Tala zu viel. Die Wut, welche sich in seinem Inneren ausbreitete, veranlasste ihn dazu, versuchen zu wollen, sich bemerkbar zu machen. Langsam spannten sich die Muskeln in seinem linken Arm an, schafften es über die Schwerkraft hinwegzukommen und diesen anzuheben. Zwar brannte alles wie Feuer, aber immerhin funktionierte es. Zumindest schaffte Tala so seinen Arm fast 30 Zentimeter hoch zu heben, ehe der Schmerz zu unerträglich wurde und er kraftlos zurück fiel. Allerdings hatte es gereicht, um auf sich Aufmerksam zu machen... Kai zuckte zusammen, als er die Bewegung bemerkte. Wie aus der Trance gerissen starrte der Graublauhaarige in die eisblauen Augen Tala’s, welche sich nahezu ausdruckslos in die seinen bohrten. „Tala.“ Angesprochener zog eine Augenbraue bei diesem Anblick nach oben. So wie Kai ihn total überrumpelt anstarrte... Er hätte darüber gelacht, wenn er nicht gewusst hätte, dass das recht schmerzhaft für ihn ausgegangen wäre. Als Kai dann auch noch seinen Namen so ..., ja, irgendwie seltsam aussprach, wurde der Wolf neugierig. Ein Kai Hiwatari schutzlos überrascht? Das war eindeutig mal interessant. Woran der Graublauhaarige gedacht hatte? So bemüht gleichgültig und neutral Kai versuchte nach außen hin zu wirken, so unsicher und zittrig fühlte er sich eigentlich. Und er hatte so das unangenehme Gefühl, Tala durchschaute ihn... Plötzlich bewegte der Wolf seine Hand, machte ein Zeichen, dass Kai näher kommen sollte. Innerlich zögerlich, doch äußerlich kühl stand dieser tatsächlich auf und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Der Phönix war wie versteinert – wie eine willenlose Puppe - unterbrach den Blickkontakt allerdings nicht. Der Rothaarige musterte die rubinfarbenen Augen eingehend. Sie wirkten kalt, doch etwas lag in ihnen. Ein Funken „irgendetwas“. Doch genau dieser Funken ließ Talas Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber ein bisschen zur Seite rücken. Diese alles einnehmende Taubheit in ihm konnte er ertragen. Es war ja nicht so, dass er sie nicht kannte. Auch wenn Tala zudem keinen wirklichen Sinn im Leben sah, so konnte es ja doch noch etwas weitergehen. Irgendwann würde es schon zu Ende sein. Doch bis dahin... Schon einmal hatte so ein komischer Funken „irgendetwas“ sein Leben verändert. Keine Hoffnung, sondern Neugierde und der Wunsch eine Art Gerechtigkeit zu finden, ließen Tala diesen Entschluss fassen. If I fall and all is lost no light to lead the way remember that all alone is where I belong Der Wolf brach den Blickkontakt und sah auf seine geöffnete Handfläche. Kai folgte seinem Blick und ohne genauer darüber nachzudenken, tat er das, was bei so einer Geste üblich war: Er legte seine Hand in die des Rothaarigen, worauf Tala seine Finger um diese schloss. ____________________________________________________________________________________________________________________ Nach diesem Kapitel frage ich mich fast schon selber: Was verspricht sich Tala von seiner Suche? Über Kommentare würde ich mich sehr freuen! Bye Minerva Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)