Where is my mind? von mathilda (Challenge des KouKou-Fanzirkels) ================================================================================ Kapitel 2: Earl Grey (Einsamkeit) --------------------------------- Wasser blubbert im Kessel auf der Herdplatte, welche rot im Halbdunkel der kleinen Küche glüht. Es wird nie ganz dunkel in Tokio und so bleibt auch jetzt, um halb zwei Uhr nachts, und so ist es auch in meiner kleinen Küche nur dämmerig. Der gelbe Doppelbogen eines bekannten Fastfood-Restaurants lässt meine Hände papiern und tot erscheinen. In einigen Stunden werden sie kommen, doch jetzt bin ich allein. Der Regen trommelt gegen die Fensterscheibe, spielt seine eigene monotone, endlose Symphonie, begleitet vom leisen Surren des erwärmenden Wasser und dem hohlen Ticken der Küchenuhr. Ich sitze in meinem Stuhl und sehe die Wand an. Er und ich, Arm in Arm bei meiner Hochzeit auf dem Foto. Wir lachen beide obwohl wir geweint haben in der Nacht davor. Wir wussten, was diese Hochzeit bedeutete. Sie war Endpunkt für etwas was nicht sein durfte, dass nie war und doch mir das Wichtigste in meinem Leben. Ich liebte die Frau, die neben links neben mir steht und strahlt, du warst unser Trauzeuge, standest rechts von mir und littest, wie ich litt. Auch wenn ich sie liebte, so standest doch DU zu meiner Rechten, meine zweite Hälfte. Doch wir wussten, es ging nicht. Ich habe dich nur dieses eine Mal weinen gesehen…der Tag an dem wir gemeinsam weinten. Heute weine ich allein. Ich habe viele Falten bekommen, seit jenem Tag an dem das Foto aufgenommen wurde. Traurige und fröhliche Gedanken haben sie in meine Haut gegraben, doch keiner schien mir so traurig, wie der damalige, der heutige Anlass. Der Teekessel pfeift, doch seine klagende Stimme vermag es nicht mich aufzuscheuchen. Helle, gelb schimmernde Tränen zerschellen auf meiner knorrigen Hand. Ich fühle mich so alt wie seit langem nicht mehr. Ich könnte jetzt den Arzt rufen, doch was soll ich sagen? Er kann doch sowieso nicht mehr helfen. Soviel Ahnung habe ich nun doch. Das Leben ist komisch und leider endet es immer tödlich. So ist das. Ich weiß es. Ich weiß es seit langem, doch es ist etwas anderes, wenn es einen so überfällt. Irgendwann kann ich mich doch aufrappeln, schlurfe gemächlich die zwei Meter durch die Küche und wundere mich wie weit der Weg zum Herd ist. Ich gieße den Tee auf, es riecht nach der Parfumierung von Earl Grey, den mochte sie am liebsten. Sie sitzt neben an ihm Sessel, starrt aus ihren leeren Augen den ausgeschalteten Fernseher an. Sie hat einfach plötzlich aufgehört zu reden, zu atmen. Auf einmal war es ganz still. Und ich wusste dass sie gegangen war. Ob es ein schöner Tod war, weiß ich nicht. Eigentlich ist es ja auch egal, tot ist tot, egal ob schön oder nicht. Ich glaube ich sollte doch den Arzt rufen, jemand Offizielles muss ihren Tod feststellen Meine Hausschuhe schlappen langsam aber stetig Richtung Flur, wo das Telefon steht, eine ganze Weile dauert es, bis ich dort angekommen bin. Ich bin wirklich alt. Das tuten am anderem Ende der Leitung hört auf, als sich die raue Stimme des Hausarztes meldet. „Sie ist tot.“ Sage ich, es klingt härter als es soll…ich kann nicht daran ändern…aber ich leide darunter. Ich liebte sie, auch wenn sie nur die zweite Geige in meinem Herzen spielte. Sie war es, mit der ich mein Leben, mein Bett, meine Sorgen teilte. Ich sah wie Ihre Haare grau und ihre Augen milchig wurden, wie ihre Jugend verschwand und mit ihr meine eigene. Wir waren ein glückliches paar. Irgendwie. Trotzallem. Sie wusste es, dessen bin ich mir sicher, doch es war ihr egal solange ich sie liebte. Irgendwie. Er war weit weg, hatte Kinder und eine Frau, wie ich. Er nahm mich ihr nicht weg, er war zuerst da in meinem Herzen und er blieb es irgendwie… War weggezogen, nur ab und zu telefonierten wir und ich konnte seine Stimme hören und vorstellen, wie er da auf dem Sofa lag und sich streichelte, wie es mit mir gerne getan hätte und es doch nicht tat, nicht tun konnte. Ohne weiter darüber nachzudenken, wähle ich seine Nummer und höre wie der Anrufbeantworter anspringt. Kein Wunder, es ist immerhin mitten in der Nacht. „Kouichi.“ Sage ich brav nach „Piep“ mehr ist nicht nötig bei uns, er wird sofort hören, wie es mir geht. Ich lege auf, als es an der Tür klingelt, um den Arzt zu öffnen. Der Rest der Nacht ist anstrengend, der Arzt stellt den Totenschein aus und ich kann mich dazu durchringen meine drei Kinder anzurufen. Sie wollen kommen, dass will ich nicht, aber ich verbiete es ihnen nicht. Die drei haben ein Recht darauf ihre tote Mutter zusehen, auch wenn es der nun nichts mehr nützt. Ich will sie nicht hier haben, will allein sein, will trauern…nicht mit ihnen…mit ihm…vielleicht. „verstockter, alter Mann!“ würde sie sagen und den Kopf schütteln, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Der Arzt verbietet mir meinen Tee zu trinken, ich schimpfe leise und setzte mich in den Sessel, der bis vor kurzem die Leiche meiner Frau beherbergte. Es ist ihr Lieblingssessel, er riecht noch etwas nach ihr. Mittags wache ich auf, eine Klingel geht, ich schlurfe zur Tür, die Kinder wahrscheinlich. Ich schließe die drei Schlösser der Wohnungstür auf und reiße die Augen auf. „Kouji.“ sagt er und ich verstehe, wie damals, wie immer. Mein Gesicht findet Halt an seiner Schulter. So stehen wir da. Zwei alte Männer die weinen, wie die Kinder. Sie ist weg und es tut weh, er versteht und ist da. Ich bin nicht allein, wenigstens nicht für den Augenblick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)