Where is my mind? von mathilda (Challenge des KouKou-Fanzirkels) ================================================================================ Kapitel 6: Kein Weg zurück [Trauer] ----------------------------------- Ich sage offen, es ist nicht einfach dein Bruder zu sein. Jeder kennt dich, kennt dein bloßes Hinterteil, das du irgendwann mal im Rausch bei irgendeiner Verleihung ausgepackt hast. Und da unsere Hintern nun mal vom genetischen Standpunkt aus identisch sind, kennen sie auch den meinen. Sie wissen, wie ich klingen würde, wenn ich Drogen nehmen würde, wie dunkel meine Augen glitzern würden, wie meine Tränen und mein Lachen aussehen würden. Deshalb lache ich nicht mehr und nicht mal Kaffee genehmige ich mir. Oft werden wir verwechselt. Sie verlangen deine Autogramme, Umarmungen, Babys von mir oder lachen dich aus und zeigen mit dem Finger auf mich. Einmal hat mich eine Frau geweint, ich hätte ihre Tochter verführt Drogen zu nehmen. Egal wo ich hingehe, die erste Frage ist, warum ich mir die Haare geschnitten habe. Niemand mag glauben, dass ich seit über zehn Jahren dieselbe Frisur trage. Manchmal möchte ich mein Gesicht zerkratzen, bis es voller Narben ist. Ich will es mit Säure entstellen oder verbrennen, um dir nicht mehr ähnlich sehen zu können. Ich hasse es. Ertrage nicht, dass es dem meines größten Fluches so ähnlich sieht. Und doch kann ich es nicht. Ich hasse dich, denke ich, während ich mich mit möglichst ausdruckslosem Gesicht durch die Reporterwolke vor meinem Haus schlängle. Sie glauben, ich würde ihnen etwas über dich erzählen. Aber da haben sie sich geschnitten. Es genügt, dass du dich selbst verraten hast, da muss ich es nicht auch noch tun. Ich will keinen Profit aus deinem Absturz schlagen, ich bin nicht SIE…,die dich mir weggenommen haben. Ich liebe dich, mein Bruder. Ich will nur dein Bestes, will das echte Kouji-Lachen sehen, nicht die koksverzerrte Fratze. Will deine Stimme hören, wenn du sie bewusst einsetzt und klar artikulieren kannst. Ich habe es geliebt dich singen zu hören. Nicht was ich an dir mehr geneidet und bewundert habe, als dein Talent für Musik, das ich trotz aller Ähnlichkeit nicht habe. Du warst immer der Begabtere von uns. Du wurdest Sänger, wurdest berühmt, trafst interessante Leute und bereistest die Welt. Und ich? Ich wurde Sachbearbeiter für Bauangelegenheiten in der Stadtverwaltung Tokio, einer von vielen. Ein Schreibtischhengst. Ein Papiertiger. Ja, ich habe dich beneidet und vielleicht war das der Fehler, den ich nie wieder gut machen kann. Ich sitze im Auto, muss aufpassen niemand von den ganzen Paparazzi um zu brettern. Das ist aber auch wirklich halsbrecherisch, wie die sich da vor meinen Kühler stellen und versuchen Fotos zu schießen. Verstehen sie denn nicht, wer ich bin? Nur ein kleiner Beamter, mehr nicht! Ich hätte bei dir bleiben müssen, hätte aufpassen müssen, dass sich keine falschen Menschen an dich heran machen. Das sie nicht kommen und dich dir selbst entziehen. Sie redeten von deinem Genie und wollten dich fallen sehen. Wollten sehen wie der von Charisma und Ideen beflügelte Ikarus mit brennenden Schwingen ins Bodenlose stürzt. Ich hätte dich auffangen, dir einen Netz knüpfen oder dir einen Fallschirm mitgeben müssen. Aber ich ließ dich allein. Und dafür hasse ich mich. Ich hasse dich. Will dein Gesicht nicht tragen, will nicht sehen, was aus dir geworden ist und dadurch aus mir. Ich habe Angst. Wirst du, wie beim letzten Besuch in der Rehabilitationsklinik, nicht ansprechbar sein? Wirst du weinen? Oder wirst du mir mit diesem fürchterlichen Lachen entgegenkommen, dass ich so sehr hasse? Jedes Mal wenn ich es sehe, möchte ich es aus deinem Gesicht schlagen. Früher verstand ich dich mit einem Blick. Ich sah dir in die Augen und ich konnte fast spüren, wie deine Gedanken meinen Kopf durchströmten. Heute bist du unberechenbar für mich, mein Bruder. Vor der Klinik stehen wieder jede Menge Menschen. Sie wollen Fotos. Eigentlich von dir, aber von mir ist auch okay, man kann ja immer noch behaupten ich wäre du. Einige Sicherheitsschleusen muss ich über mich ergehen lassen und ich bin froh darüber. Was würde es bringen ihn rehabilitieren zu wollen, wenn einfach für seine „Freunde“ wäre, Drogen oder ähnliches hinein zu schmuggeln. Und schließlich sehe ich dich, mein Bruder. Du siehst aus, als habe man die Schutzlosigkeit eines kleinen Kindes mit der Verlebtheit eines Greises vereint. Du sitzt auf einer gepolsterten Bank und wartest, stehst nicht auf, um mich zu begrüßen. „Ichi!“ wimmerst du und klingst als würdest du nach einer Mutter rufen. Eine Mutter, die du nie hattest. Ich kann nichts sagen, komme einfach der stummen Bitte deiner Hände nach und umarme dich. Du weinst nicht. Du drückst mich an dich, ziehst mich zugleich mit irritierender Kraft neben dich auf die Bank. Ich bin froh kein irres Glitzern in deinen Augen. Deine Pupillen verdecken nicht mehr deine Iris und als du mich ansiehst, ist dein Blick fast wie früher, als du noch „mein“ Kouji warst. Doch es ist nicht mehr so wie früher und „meinen“ Kouji gibt es gar nicht mehr. Deine Augen sind so traurig und müde, all die Energie, die sie zum Leuchten gebracht haben ist fort. Früher dachte ich wenn du mich anblicktest, würde etwas von dem strahlenden Licht in deiner Persönlichkeit durch deine Augen hindurch scheinen. Als würde man eine bunte Lampe einen Raum erfüllen und vor dem Fenster könnte man das strahlende Farbenspiel im Inneren erahnen. Doch nun ist die Lampe erloschen. Sie haben meinen Kouji, meinen Bruder, ausgeknipst. Einfach so. Du weinst nicht. Aber ich tue es. Es gibt keinen Weg zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)