Go away... von Yumicho (... 'cause you've stolen my heart.) ================================================================================ Kapitel 2: Tears. ----------------- Dean wusste nicht, wie spät es war, als er mit zittrigen Fingern nach dem Schlüssel in seiner Tasche suchte. Bestimmt war es schon weit nach Mitternacht. Hoffentlich machte Sam sich keine Sorgen... Bei dem Gedanken an seinen kleinen Bruder stiegen Dean die Tränen erneut in die Augen. Er musste unbedingt ungesehen in die Wohnung kommen. Wie Sam wohl reagieren würde, wenn er ihn so zu Gesicht bekam? Völlig fertig, am ganzen Leibe zitternd, verdreckt, betrunken. Und vor allem dieses Gefühl, das er hatte. Er fühlte sich so fürchterlich schmutzig... Dean schluckte, stieg in den Impala und fuhr los. Langsam. Weil er nach Hause wollte und irgendwie doch nicht. Er wollte Sam nicht über den Weg laufen. Obwohl er ihn jetzt brauchte. Er wollte von Sam in den Arm genommen werden. Und er wollte ihn nicht berühren, weil er Angst davor hatte, ihn zu beschmutzen. „Sam...“, murmelte er leise, als er die dunklen Straßen äußerst vorsichtig entlang fuhr, da er ja immer noch sturzbetrunken war. Genaugenommen durfte er in seinem Zustand gar nicht fahren, aber irgendwie musste er schließlich nach Hause kommen. Und seinen Wagen wollte er nicht stehen lassen. Und außerdem... Wer würde ihn denn mitnehmen, geschweige denn nach Hause fahren wollen? So, wie er aussah? Er strich sich die tränenbenetzten Wangen trocken und fuhr etwas langsamer, als vor einigen Minuten. Er hatte eine solche Angst, wie er sie noch nie gehabt hatte. Wirklich nie. Bei keinem ihrer Aufträge... Der Sechsundzwanzigjährige schluckte schwer, als er in eine Gegend kam, die ihm äußerst bekannt vorkam. Jetzt musste er nur noch da vorne abbiegen, dann würde er vor der Wohnung stehen, die er sich mit Sam teilte. Seinem geliebten Bruder. Klick. Ein leiser Laut ertönte, als Dean den Schlüssel so vorsichtig wie nur möglich in das Schlüsselloch zwängte. Mit dem ganzen Alkohol im Blut war das gar nicht so leicht, außerdem war es stockdunkel und er wollte das Licht nicht anmachen. Langsam drückte er die Türe auf, nachdem er sie aufgeschlossen hatte, dann trat er auf Zehenspitzen ein. Alles wankte vor seinen Augen, als er das Holz langsam wieder einschnappen ließ. Puh. So weit war er also schon mal. Jetzt nur nicht Sam aufwecken. Leise schlich sich Dean in das Badezimmer, zog sich hastig Shirt und Hose aus. Duschen würde er jetzt nicht mehr, dafür war er einfach zu schwach und er wollte Sam ja nicht aufwecken. Seufzend betrachtete er sein fertiges Spiegelbild, so gut es ihm eben in der Dunkelheit möglich war. Er sah einfach nur schrecklich aus. Mit einer schwachen Bewegung fuhr er sich über das Gesicht, als er sich wieder umdrehte und zur Türe stapfte. Doch das war scheinbar ein Fehler. Denn als er den Flur betrat stand Sam ihm plötzlich gegenüber. Mit einem äußerst wütenden Gesichtsaudruck. „Verdammt, wo warst du!?“, schrie er Dean dann auch schon an. Dieser jedoch, sah Sam nur verdattert an, war nicht fähig, auch nur ein Wort zu sagen. Sam sah gar nicht müde aus... Hatte er etwa – allen Ernstes – so lange auf Dean gewartet? Nein, das konnte doch nicht wahr sein... „Hey! Ich rede mit dir!“ Dean hob seinen Kopf und sah Sam verständnislos an. Er wollte weg hier, einfach nur weg. Zum Glück war es gerade so dunkel, dass er ihn kaum erkennen konnte. „Lass mich...“, flüsterte er, als er Sam beiseite schob und sich an ihm vorbeidrängte. Richtung Schlafzimmer tappte. Einfach nur ins Bett... Schlafen... Und morgen würde alles besser aussehen. Ganz einfach. Doch da hatte er sich gewaltig geschnitten. Er zuckte zusammen, als Sam ihn plötzlich am Handgelenk packte, ihn zu sich umdrehte. Sorge stand in seinem Blick, meinte Dean in der Dunkelheit zu erkennen. Jedoch war die Sorge nicht allein. Die Wut in seinen Augen war nicht zu übersehen. „Du sollst mir zuhören! Was ist denn nur los mit dir?“ Sams Griff um Deans Handgelenk wurde auf einmal fester. Er kniff die Augen zusammen, wandte das Gesicht ab. Und sprach. Leise, weil seine Stimme einfach nicht mehr hergeben wollte. Und außerdem würde Sam seiner Stimme bestimmt anmerken, dass er geweint hatte. Und das wollte er nicht. „Nichts ist. Ich bin einfach nur müde... Also lass mich los.“ Er zerrte ein wenig unbeholfen an seinem Arm, wollte sich losmachen, doch dann schaltete Sam urplötzlich das Licht an. Sofort senkte Dean seinen Kopf. Er wollte nicht, dass Sam ihn ansah. Ihn, dieses schmutzige Etwas... Er hatte sich nicht wehren können, gegen diesen Widerlichen... „Oh mein Gott.“ Dean schluckte augenblicklich, als er Sams nächste Worte vernahm. „Was ist passiert?“ Gefragter schüttelte bloß den Kopf, als er spürte, wie ihm erneut die Tränen kamen. Und diesmal konnte er sie auch nicht zurückhalten, sie liefen ihm einfach über die Wangen. Haltlos. „Bitte, lass mich...“, schluchzte Dean, als er sich losriss und an dem völlig entsetzten Sam vorbeistürmte, direkt ins Schlafzimmer. Er ließ sich auf das Bett fallen, zog sich die Decke über die Ohren und zitterte, konnte es nicht verhindern. Dean hörte auch nicht, wie Sam langsam ins Zimmer kam. Dean sah auch nicht, dass Sams Blick auf ihm lag. Dean spürte auch nicht, dass Sam sich vorsichtig neben ihn sinken ließ und ihm beruhigend über den Arm strich. „Dean... Was ist passiert...?“ ‚Ich wurde vergewaltigt. Das ist passiert.’ Er schluchzte leise, anstatt seinem Bruder zu antworten. Und dieser zog ihn bloß sanft in seine Arme. Dean riss die Augen auf, starrte aus dem Fenster. Was sollte das? War er nicht mehr sauer auf ihn? Oder war er das vielmehr nie gewesen? „Dean, bitte... ich spüre das doch…” Dieses Flehende in seiner Stimme... „Ich... ich... er hat mich...“ Weiter kam er nicht, da überrollte ihn erneut ein heftiger Tränenschwall. Sam blickte ihn erschrocken an. Er konnte nichts sagen, konnte nur starren. Auf Deans Rücken. Ein Keuchen durchbrach die Stille für eine Sekunde, dann regte sich erneut nichts mehr. Dean vergrub das Gesicht im Kissen und weinte haltlos weiter, als er Sams Wärme spürte, die sich schützend über ihn legte. „Es tut mir Leid“, flüsterte der Sechsundzwanzigjährige. „Hass mich bitte nicht.“ Dann spürte er, wie Sam seinen Kopf hob und ihn ansah. „Ich? Dich hassen? Du spinnst. Du bist doch mein Bruder...“ Er strich Dean beruhigend durchs Haar, dann über die Wange. „Und du musst wissen, dass ich immer für dich da bin, wenn etwas ist. Aber... jetzt schlaf erst mal, morgen reden wir weiter... Und dann fahren wir da hin und du zeigst mir diesen Typen. Den mach ich fertig.“ Auf Deans Lippen stahl sich ein flüchtiges Lächeln. „Danke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)