Lie to me von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 1: ----------- So, weil die eine FF nicht so wollte, wie ich, hat sich auch prompt eine Schreibblockade eingestellt. Aber: nicht bei dieser. Das hier ist das Werk einer Woche, nachdem eine blöde Idee zugebissen hat. Sie ist fertig und mein besonderer Dank gilt dabei Collie, die quasi als Coautorin hieran mitgearbeitet hat. Ohne sie wären die Dialoge nur halb so gut geworden. Aber lest selbst. Lie to me „Ich hab keine Lust mehr darauf, April!“, der junge Mann warf die Hände in die Höhe und stapfte vom Wohnzimmer ins Vorhaus. Ein weiterer schöner Abend ging in Streit auf. Sie konnte ihm keine Vorschriften machen, es war immerhin sein Leben! Stocksauer riss er die Wohnungstür auf und stürmte aus der gemeinsamen Wohnung: „Wenn ich wiederkomme, hast du deine Sachen gepackt und bist verschwunden!“ Kein halbes Jahr hatte ihre Beziehung gedauert, kein halbes Jahr war die letzte Schlacht geschlagen. Der Alltag hatte das junge Paar schneller eingeholt, als ihr gemeinsames Leben tatsächlich Alltag geworden war. April war auf Yuma geblieben, im Kavallerie Oberkommando. Sie war wieder Wissenschaftlerin geworden, ging regelmäßigen Arbeitszeiten nach. Während Fireball sich gegen eine Karriere beim Oberkommando entschieden hatte, es war ihm wichtiger gewesen, an Aprils Seite sein zu können, was dank der Vorschriften nicht gegangen wäre. So war aus dem Japaner wieder der schnellste Rennfahrer aller Zeiten geworden. Mit dem Haken, dass er kaum in Yuma war und April deswegen auch nur alle zwei Wochen zu Gesicht bekam. Anfangs waren sie vor Sehnsucht nacheinander beinahe vergangen, doch schnell hatte April ihm ein Ultimatum gestellt. Zuerst hatte sie ihn nur gebeten in Yuma zu bleiben, aber dann war eine Forderung daraus geworden. Immerhin wohnten sie zusammen und April wollte ihn hier bei sich haben. Aber Fireball ließ sich nicht einsperren. Je forscher April in ihrer Forderung wurde, desto aggressiver reagierte Fireball darauf. An diesem Abend war es zu einem endgültigen Bruch gekommen. So sehr er April liebte, er konnte nicht dauerhaft an einem Ort leben. Er war es nicht gewohnt und er sehnte sich auch nicht wirklich nach einem Zuhause. Für ihn war ein Wochenende mit April eine nette Abwechslung zu seinem stressigen Job. Doch anstatt zu entspannen, wenn er bei ihr war, regte sie ihn auf, machte ihn mit ihrem ständigen Klammern noch wahnsinnig! Sie wollte ihn einsperren, ihm seine Freiheit nehmen. Mit Bauchschmerzen vor Wut klemmte er sich hinter das Steuer seines Wagens und fuhr aus der Tiefgarage. Nie im Leben hätte er gedacht, dass seine Beziehung mit April in einem solchen Desaster endete. Sie war früher nicht so ein anhängliches Mädchen gewesen, auf Ramrod hatte sie ihn immer verstanden. Warum tat sie das jetzt nicht mehr? Vielleicht war sein Kumpel noch zuhause, der ihn auf andere Gedanken brachte. Unschlüssig starrte April auf die geschlossene Wohnungstür. Das war dann wohl ein lautstarkes „Nein!“ von Fireball gewesen. Und es war das vorzeitige Aus für ihre Beziehung gewesen. Tränen kullerten April über die Wangen, während sie ihre sieben Sachen zusammensuchte. Sie würde gehen, seine Wohnung verlassen und ihm die Schlüsselkarte unten ins Postfach legen. Eigentlich hatte sie gehofft, er würde sie ausreden lassen, sie erklären lassen, weshalb sie ihn hier auf Yuma haben wollte. Aber der Hitzkopf hatte nur ‚sesshaft werden’ gehört und war gleich die Decke hochgegangen. Es schien April, als hätte Fireball unglaubliche Bindungsängste, so fluchtartig, wie er der Beziehung danach auch schon den Gnadenstoß versetzt hatte. April schluckte schwer, aber sie würde es auch alleine schaffen. Sie würde mit Colts und Sabers Hilfe alleine ein Leben aufbauen können. Und schließlich hatte sie auch noch ihren Vater, der ihr beistand. Es war schade, dass sie sich so getrennt hatten, aber besser sie hatten es jetzt beendet, als später. Die Jahre zogen ins Land, Fireball hatte den Kontakt zu seinen Freunden nach der Beziehung mit April völlig abgebrochen. Er hielt es für besser, weder Colt noch Saber zwischen die Stühle zu setzen und außerdem war er so selten auf Yuma, dass er manchmal auch die Zeit für einen kurzen Freundschaftsbesuch nicht hatte. Seine Karriere als Rennfahrer schwächte lange nicht ab, Jahr um Jahr heimste er den Titel des Weltmeisters ein. Aber richtig glücklich war er darüber nie. Ihm fehlte was. Es fehlte ihm ein Zuhause, jemand der auf ihn wartete. Der herrliche Sommertag lud zu einem Spaziergang im Park ein. Endlich mal ein Tag frei und Fireball würde den an der frischen Luft verbringen, hier auf Yuma. Seine freie Zeit würde er aber nicht alleine vertrödeln, deshalb rief er kurzerhand seinen Kollegen an, der sich vor kurzem erst eine Wohnung in Yuma gekauft hatte. Zusammen zogen sie durch die Straßen und während Fireball den Stadtführer spielte und seinem Freund, Chris, die wichtigsten Bauwerke zeigte, alberten sie herum. Die beiden Männer waren eingefleischte Single, sie hatten gelernt, in ihrem Beruf auf Frau und Kind zu verzichten. Was aber nicht zwangsläufig hieß, dass sie Frauen nicht auch mal ansehen würden oder sich mit ihnen verabredeten. Im Park angekommen, lümmelten sich die beiden an das Ufer des Sees und ließen Gott einen guten Mann sein. Die dreiwöchige Rennpause tat beiden gut, der eine war ausgepowerter als der andere. Chris schob die Hände unter den Kopf und seufzte: „Eine Wohltat! Endlich Ruhe, endlich keine Boxenluder und endlich kein Scott, der einen zu pushen versucht.“ „Der versucht nur dich zu pushen, Chris!“, Fireball schloss die Augen, die Sonne blendete ihn trotz der dunklen Sonnenbrille, während er Chris damit aufzog, dass neben ihm ein siebenmaliger Weltmeister lag. In all den Jahren hatte sich Fireball nicht großartig geändert. Seine Frisur war immer noch halblang und kaum zu bändigen, von seinen roten Shirts hatte er sich auch noch nicht trennen können. Aber von seinem Blaster hatte er sich getrennt. Seit Jahren herrschte Frieden im Neuen Grenzland, seine Waffe lag entladen und gesichert in einer Schublade. Er brauchte sie nicht mehr. Chris schüttelte lachend den Kopf. Der Schwätzer hatte auch auf alles eine Antwort. Er war erst vor zwei Jahren zu Fireballs Team gestoßen, aber sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und waren schnell dicke Freunde geworden. Für diesen Abend hatten sie sich schon fest vorgenommen, das Nachtleben von Yuma unsicher zu machen. Beide waren gleich alt, knapp ein viertel Jahrhundert, und nicht gerade von der ruhigen Sorte. Im Park waren an einem solchen Tag viele Familien unterwegs, viele Mütter mit ihren Kindern. Dementsprechend war die Geräuschkulisse, aber es war trotzdem eine Abwechslung zu den dröhnenden Motoren der Racer. Chris bekam plötzlich einen Fußball auf den Kopf geschossen. Erschrocken richtete er sich auf, griff nach dem Ball und verzog grimmig das Gesicht: „Diese Fratzen!“ Auch Fireball setzte sich auf. Er sah sich um, entdeckte aber nur einen kleinen Jungen, der auf sie zugerannt kam. Lächelnd nahm er Chris den Ball ab und beruhigte ihn: „Lass ihn, Chris. Das war keine Absicht.“ Der Japaner mochte Kinder unheimlich gerne, solange sie nicht seine eigenen waren, wie er öfter als einmal schon betont hatte. Der dunkelhaarige Junge kam auf sie zugerannt und rief ihnen entgegen: „Hey! Kann ich meinen Ball wieder haben?“ Fireball stand auf und kickte den Ball zu seinem Besitzer. Es verblüffte ihn, wie sehr ihn der Junge an sich selbst in dem Alter erinnerte. Er war auch so ein kleiner frecher Zwerg gewesen. Schulterzuckend bedachte er Chris mit einem Blick und fragte den kleinen asiatischen Jungen: „Na, brauchst du noch Spieler, Kleiner?“ „Ich darf nicht mit Fremden spielen. Mum verbietet es.“, der kleine Dreikäsehoch zog einen Schmollmund, offenbar hätte er die zwei Erwachsenen gerne beim Spielen dabei gehabt. Die waren nicht so mürrisch wie andere Leute hier im Park. Chris beugte sich zu dem Jungen hinunter und fragte: „Wer ist denn deine Mami? Hol sie mal rüber und wir fragen sie, ob wir mitspielen dürfen.“ Der Junge machte auf dem Absatz kehrt und stob davon, nur um kurz darauf mit seiner Mutter im Schlepptau zurückzukommen. Stolz präsentierte er seine beiden neuen Freunde: „Mum? Darf ich mit den beiden spielen, die sind total freundlich?“ Der dunkelblonde Mann zog die Augenbrauen hoch, so eine hübsche Mammi hatte er noch nie gesehen. Bei der würde er sich glatt überlegen, ob er nicht einen Versuch startete, sie um den Finger zu wickeln. Sie war schlank, unheimlich attraktiv und die großen, blauen Augen eine Wucht. Das mit dem Überlegen hatte sich bei Chris in Windeseile aber schon erledigt, er streckte der Frau galant die Hand entgegen und begann sie schon zu umgarnen. Vielleicht war ein netter Abend mit der jungen Mutter drin, wenn er sich richtig anstellte. Fireball indes brachte minutenlang kein Wort heraus. Ungläubig blinzelte er von der Blondine auf den kleinen Jungen, der in etwa sieben Jahre alt sein dürfte. Er begann zu rechnen und zu grübeln, aber die Rechnung ging ihm nicht auf. Unsicher verlagerte Fireball sein Gewicht etwas nach hinten, er schob die Sonnenbrille nach oben und klemmte sie in seinen wuscheligen Haaren fest. Seine großen, braunen Augen blieben schließlich an Aprils wasserblauen Augen hängen. April... Die junge Mutter hielt ihren Sohn an der Hand und blickte gedankenverloren an Chris, der direkt vor ihr stand und sich schon angeregt mit ihr unterhielt, vorbei. Als der Begleiter von Chris die Sonnenbrille von den Augen nahm, umschloss April die Hand ihres Sohnes unweigerlich fester. Ihr Herz begann zu rasen und sie bekam Angst. So lange hatte sie ihn nicht gesehen, aber sie wusste, dass sein impulsives Gemüt wahrscheinlich kein bisschen leiser geworden war. April fürchtete sich vor einem möglichen Ausbruch. Ein dicker Kloß saß Fireball im Hals, er verstand gar nichts. Mum? Aber der Junge sah ihr gar nicht ähnlich. Der kleine Zwerg sah eher aus wie das Kind eines Japaners. Die dunklen Haare, die asiatische Augenform, dazu noch ein Paar fast schwarzer Augen, lediglich die Hautfarbe war etwas zu blass, wie Fireball erkannte. Der Kloß wurde immer größer, allmählich bekam er eine wage Vorstellung und eine Ahnung, wer der Vater von Aprils kleinem Dreikäsehoch war. Fireball schüttelte vehement den Kopf. Das konnte nicht sein! Sie hatte niemals etwas gesagt. Nein, das war unmöglich. Endlich brachte er den Mund auf und murmelte seiner ehemaligen großen Liebe entgegen: „April, du...?“ April senkte verlegen den Blick und wich Fireball aus: „Ja, ich... Lange nicht gesehen, Matchbox.“ Die Blondine wusste nicht, was sie sagen oder wie sie sich verhalten sollte, die Situation war ihr so unangenehm, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre. All die Jahre hatte sie Fireball nicht vergessen können, aber den Mut, ihn einfach mal anzurufen, hatte sie auch nicht aufgebracht. Was hätte sie ihm denn auch sagen sollen? Sie hatten damals alles geklärt. Es hatte nicht mehr zu besprechen gegeben, jeder war seine eigenen Wege gegangen. „Wie? Ihr beide kennt euch?“, Chris fuhr zu Fireball herum und riss entsetzt die Augen auf. So unterkühlt, wie die Begrüßung zwischen den beiden ausgefallen war, dürften sie sich nicht mehr allzu gerne haben. Damit hatte sich der Versuch, die hübsche Mutter zu einem Date zu überreden auch erledigt. Dem Eindruck, den Chris gerade hatte, nach waren die beiden mal ein Paar gewesen und die Exfreundin eines Kumpels war für den Rennfahrer mindestens genauso ein Tabu, wie die aktuelle. Fireball stotterte, während er auf April deutete: „Ja... Wir waren damals zusammen im Oberkommando.“ Unangenehmes Schweigen folgte, in dem es April die Tränen in die Augen trieb. Er sagte seinem Freund nicht einmal, dass sie für eine Zeit lang zumindest ein glückliches Paar gewesen waren. Die Liebe zu ihr, die er ihr damals geschworen hatte, war wohl nicht so groß gewesen. Schließlich drückte April kurz die Hand ihres Sohnes und forderte ihn auf: „Komm, es wird Zeit. Deine Hausaufgaben machen sich schließlich nicht von alleine.“ April glaubte sich aus der unangenehmen Situation gerettet, denn ihr kleiner Junge kam ohne Widerworte mit. Er winkte den beiden Männern schon und verabschiedete sich: „Das nächste Mal mach ich euch fertig! Man sieht sich, tschüss!“ Während sich Chris herrlich über den kleinen Mann amüsierte, verging Fireball das Lächeln gänzlich. Er war zu langsam gewesen, um zu reagieren, um mit ihr zu reden und jetzt war sie auch schon weg. Kopfschüttelnd setzte er die Sonnenbrille wieder auf seinen Platz und ließ sich ins Gras fallen. Chris schlug ihm mit der Faust leicht gegen die Schulter und lachte: „Die Kleine war ja ein süßes Ding. Und so wie’s aussieht, hätte sie sich durchaus zu Asiaten hingezogen gefühlt. Wie hast du’s bloß geschafft, es bei der zu vermasseln?“ Fireball antwortete seinem Kumpel nicht, er hatte im Augenblick ganz andere Probleme. So lange hatte er April nicht mehr gesehen, sie war damals tatsächlich ausgezogen gewesen, als er am nächsten Morgen volltrunken nachhause gekommen war. Und sie war nicht mehr zurückgekommen. Nie mehr. So oft hatte er sich die letzten Jahre gefragt, ob er sie nicht mal anrufen sollte, sich mit ihr treffen sollte, wenn er auf Yuma war, doch nie hatte er den Mut aufgebracht, es tatsächlich zu tun. Und dann traf er sie heute wieder, mit einem Sohn, der wohl kurz nach ihrem Beziehungsende entstanden sein dürfte. April hatte sich mit ihrem Jungen noch daran gemacht, die Hausaufgaben für den nächsten Tag auszuarbeiten, ihm dabei zumindest zu helfen. Danach war es auch schon Zeit für das Abendessen gewesen. Die kleine Familie hatte einen fest geregelten Tagesablauf, anders konnte diese zwei Mann Mannschaft nicht funktionieren. Alles war gut durchdacht und ausgeklügelt, und trotzdem war April eine liebevolle Mutter. Auch, wenn es manchmal frustrierend war, den Bengel alleine groß zu ziehen, so wollte sie ihn doch keinen Tag missen. Er schenkte ihr Freude und brachte eine Menge Abwechslung in ihr Leben. Die ersten Monate nach seiner Geburt waren eine schwere Belastungsprobe für April gewesen, aber Dank ihrer Freunde hatte sie auch das überstanden. Kurz nach neun hatte sie es endlich geschafft, den kleinen Wirbelwind ins Bett zu stecken und ihn dazu zu bringen, endlich einzuschlafen. Jeden Abend erzählte sie ihm vor dem Einschlafen Geschichten von den legendären Star Sheriffs und ihrem großen Kampfschiff Ramrod. Für ihn waren es tolle, abenteuerliche Geschichten, für April schöne Erinnerungen, die niemals zurückkamen. Als er eingeschlafen war, verließ April leise das Zimmer. Sie setzte sich in die Küche und machte sich eine Tasse Tee. Die junge Frau wollte den Tag ruhig ausklingen lassen, Fireball wieder zu sehen, hatte sie genug aus dem Gleichgewicht gebracht. Zu ihrem Tee nahm sie auch ein Buch zur Hand, eine wissenschaftliche Abhandlung über Wurmlöcher, die sie schon einige Zeit studierte. Als es plötzlich an der Tür klingelte, schreckte April aus ihren Gedanken hoch. Verwundert blinzelte sie an die Digitalanzeige der Mikrowelle, wer konnte um diese Uhrzeit noch zu ihr wollen? Hoffentlich war Jonas davon nicht wach geworden, der Junge würde sonst wieder eine Stunde lang nicht mehr einschlafen. Hastig legte April das Buch verkehrt auf den Tisch, damit sie die Seite nicht verblätterte und ging zur Tür. Ihr Gesichtsausdruck wurde hart, als sie den jungen Mann von heute Nachmittag vor ihrer Tür stehend vorfand. Sie begrüßte ihn kühl: „Kann ich dir helfen?“ Sie hätte ihm am liebsten die Tür vor der Nase zugeschlagen, aber April hatte es nicht fertig gebracht. Sie war viel zu überrascht gewesen, den Rennfahrer vor ihrer Wohnungstür zu sehen. Somit hatte sie ihre Chance, ihm aus dem Weg zu gehen, vertan, noch bevor sie den ersten richtigen Satz miteinander gewechselt hatten. Fireball hatte die ganze Geschichte seit ihrem unglücklichen Zusammentreffen nicht mehr in Ruhe gelassen. Deshalb hatte er kurzerhand den Abend mit Chris gecancelt und hatte im Oberkommando nach Aprils Adresse gefragt. Ewig hatte er im Treppenhaus mit sich gehadert, ob er sie noch aufsuchen sollte, oder lieber wieder gehen sollte. Schlussendlich hatte er sich doch getraut. Aber nachdem er so herzlich von ihr empfangen worden war, wäre Fireball am liebsten gleich wieder gegangen. Mit einem unschuldigen, aber aufgesetzten, Lächeln deutete er in die Wohnung: „Wir haben uns lange nicht gesehen, April. Ich dachte, es wäre ganz nett, wenn wir uns mal zusammensetzen und miteinander reden.“ April öffnete die Tür gerade soweit, dass jemand von Fireballs Statur durchschlüpfen konnte, und gab den Weg in ihre Wohnung frei. Sie nahm Fireball die schwarze Lederjacke ab und zeigte ihm den Weg in die Küche. Die Blondine wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte, es war seltsam, Fireball in der Wohnung zu haben. Sieben Jahre hatte sie ihn weder gesehen noch gesprochen und nun, nach all den Jahren wollte er plötzlich reden. Ohne ihn zu fragen, stellte sie eine weitere Tasse auf den Küchentisch und schenkte Tee ein. Fireball behagte das unterkühlte Verhalten von April nicht, sie hatte noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt. Vielleicht, so schoss es ihm durch den Kopf, hatte er sie damals zu sehr verletzt. Mit wesentlich mehr Verständnis, das ihm dieser Gedanke bescherte, bedankte er sich für das Getränk und setzte sich auf den Stuhl. Er linste auf das Buch, las sich den Titel durch und schmunzelte direkt. Immer noch war die Blondine eine kleine Wissenschaftsmaus. Die Frau würde wohl nie ein Buch mit wissenschaftlichen Texten aus der Hand legen. Als auch April Platz genommen hatte, musterte er sie kurz, danach aufmerksam die Küche. Sie hatte sich schön eingerichtet, wie er feststellte. April hatte ein gutes Auge für Wohnlichkeit, das hatte sie damals schon, nicht umsonst hatte er sie seine Wohnung einrichten lassen. Wieder ruhten seine Augen auf ihr. Schließlich umfassten seine Hände die Tasse, er wusste nicht recht, wo er sie sonst hintun sollte und begann leise: „Der Kleine heute im Park war deiner?“ April nickte leicht. Sie konnte ja schlecht antworten und ihm sagen, dass es auch sein kleiner war. Ihr Blick ging immer wieder zur Tür, sie hoffte wirklich, dass Jonas nicht durch das Läuten wach geworden war. Würde er den Besuch auch noch zu Gesicht kriegen, ginge er wahrscheinlich gar nicht mehr ins Bett. Auf dem Nachhauseweg hatte er sie heute schon gelöchert, woher sie den Mann kannte. Ihre Ausweichmanöver diesbezüglich waren nicht übertrieben geschickt gewesen, aber für einen siebenjährigen hatten sie gerade noch gereicht. Mit einem leichten Lächeln fuhr Fireball fort: „Schlägt aber nicht grad nach den Eagles. Dein Kleiner wär’ wohl bald ein Japaner geworden.“ April biss sich auf die Lippen. Das fing ja gut an! Ihre Hände begannen leicht zu zittern, deshalb versteckte sie sie kurzerhand unter dem Tisch. Fireball hatte die Wahrheit schon beinahe ausgesprochen, aber sie offenbar nicht verstanden. Er schien es nicht begriffen zu haben. April seufzte: „Das ist wohl wahr. Er kommt eher nach seinem Dad.“ „Das sieht man.“, Fireball lächelte etwas breiter. Langsam wurde ihm die Situation etwas angenehmer, April schien nur am Anfang ein bisschen eingeschnappt gewesen zu sein. Aber nun glaubte er, dass sie ihn nicht gleich wieder achtkantig raus warf, wenn er den Mund aufmachte. Mit dem nötigen Selbstbewusstsein und dem Abstand, den er sich selbst lange einreden musste, zu ihrer Beziehung, stellte er fest: „Du scheinst ja Gefallen an Asiaten gefunden zu haben.“, kurz horchte Fireball in die Wohnung, aber bis auf sie beide schien niemand hier zu sein. Deshalb fragte er: „Ist sein Dad gar nicht da?“ Warum tat sich nie ein Loch auf, in dem man verschwinden konnte, wenn man es am nötigsten brauchte? April hätte sich beinahe an ihrem Tee verschluckt, sie konnte Fireball doch schlecht ins Gesicht lügen. Schüchtern senkte sie den Blick, sie konnte Fireball dabei nicht ansehen und flüsterte: „Nein. Aber er ist in der Nähe.“ „Oh.“, Fireball hatte sofort verstanden, was April ihm da so diplomatisch erklärt hatte. Zumindest glaubte er, es kapiert zu haben. Er war ihr gerade ziemlich auf den Schlips getreten, wie er feststellte. Deshalb murmelte er mitfühlend: „Dann hat das also auch nicht gehalten?“ April wusste nicht, was sie nun sagen sollte. Es tat ihr immer noch weh, wenn sie an damals dachte, immerhin war ihre Beziehung so lautstark untergegangen, dass man locker ein Drama daraus hätte machen können. Am besten, sie griff auf Standardsätze für solche Fälle zurück. April drehte mit einer Hand das Buch auf dem Tisch herum und antwortete: „Die Beziehung ist ziemlich unschön in die Brüche gegangen. War keine gute Zeit damals.“ Sein Beschützerinstinkt meldete sich unverzüglich. Fireball konnte für den Menschen, der April und ein kleines Kind zurückließ, keinerlei Verständnis aufbringen. In seinen Augen sollte der Idiot, der seine Familie leichtfertig im Stich ließ, gevierteilt werden. Er mochte April immer noch, nach all den Jahren hatte sich an seinen Gefühlen für sie nicht viel geändert, und wenn sie ihm erzählte, dass sie von einem Mann schlecht behandelt worden war, regte ihn das maßlos auf. Fireball brummte: „Wie kann der Esel dich und den kleinen Racker bloß alleine lassen? Der tickt doch nicht ganz sauber!“ April verzog die Mundwinkel und biss sich abermals auf die Lippen. So komisch es auch klang, aber es war nicht witzig. Sie durfte nicht lachen. Das ganze hier war schließlich traurig genug. Fireball hatte nichts, aber schon gar nichts begriffen und gelernt. Traurig und auch tadelnd hob April die Hände in die Höhe. Plötzlich war ihr nicht mehr nach lachen zumute, sie war kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. Es tat ihr weh, weil sie wusste, was nun kam, wenn sie ihm die Wahrheit sagte. Sie sah Fireball schon vor sich, wie er wahrscheinlich die halbvolle Tasse gegen die Wand schmiss. Leise, den Kopf von ihm abgewandt, hauchte sie: „Das musst du doch am besten wissen, Fireball.“ Verdutzt stellte Fireball die Tasse auf den Tisch und hob schützend die Hände vor die Brust. Beinahe schon empört über Aprils letzte Worte maulte er: „Wie bitte? Weshalb ich?!“ Unendliche Enttäuschung schwang in Aprils Stimme mit, als sie ihm wieder in die Augen sah: „Denk doch nach, Fireball. …Denk nach.“, ihre Augen füllten sich mit Tränen, genau den selben, verständnislosen Blick hatte er ihr auch damals zugeworfen, als sie ihn gebeten hatte, auf Yuma zu bleiben. Er würde es nie verstehen, nie lernen. Sie schluckte die Tränen hinunter und stand auf. April suchte ein Foto von Jonas heraus, das sie Fireball hinlegte. Mit zittriger Stimme forderte sie ihn auf, sich das Bild anzusehen: „Wem sieht er denn ähnlich, Fireball?“ Ungläubig nahm Fireball das Bild in seine Hände und betrachtete es eingehend. Mit jedem Augenblick, den er das Bild länger fixierte, desto eher erkannte er sich selbst in dem Jungen. Deshalb hatte er ihn auf Anhieb an ihn selbst erinnert. Aber anstatt, dass sich seine Miene auflockerte, wurde sie finster. Seine Augen begannen zu funkeln, seine Hände umschlossen das Bild ärgerlich. All die Jahre hatte er nichts von seinem Kind gewusst, April hatte ihm nie etwas davon gesagt! Sie hatte zugelassen, dass der Junge ohne Vater aufwuchs. Stocksauer, weil er sich an seine eigene Kindheit erinnerte und wie sehr er sich immer einen Vater gewünscht hatte, blaffte er April an: „Wie konntest du das nur tun, April? Verdammt, weshalb hast du mir nichts gesagt?!“ Aufgebracht setzte sich April zur Wehr. Fireball war hier der einzige, der keine Vorwürfe machen durfte, er war schließlich derjenige gewesen, der die Beziehung lautstark in den Wind geschossen hatte! April fuhr ihn an, ihre verletzten, vergrabenen und unterdrückten Gefühle der letzten Jahre ließen sich diese Anfeindung nicht bieten: „Was hätte ich dir denn sagen sollen? Du hast mir nie zugehört, wenn ich was gesagt habe. Du bist doch immer sofort die Wände hoch gelaufen, wenn ich etwas zu dir gesagt habe. Erinnerst du dich nicht mehr? Ich sollte meine Sachen gepackt haben und aus deiner Wohnung verschwunden sein, wenn du wieder kämst! Du hast mich rausgeworfen, warum also hätte ich dir noch was sagen sollen?!“ Schon waren die alten Zeiten wieder auferstanden. Genauso war es früher jedes Wochenende zugegangen, bevor Fireball den Schlussstrich gezogen hatte. Sie waren laut geworden, hatten sich die unmöglichsten Dinge an den Kopf geknallt und darüber vergessen, was sie füreinander fühlten. Fireball schob die Tasse von sich, energisch und unglaublich wütend. Lautstark rechtfertigte er sich für sein Verhalten damals: „Wie wäre es mit der Wahrheit?! Verflucht und zugenäht, du hast immer nur von mir verlangt, bei dir zu bleiben, aber nie weshalb! Woher sollte ich bitte wissen, dass du ein Kind kriegst? Soll ich das riechen, oder was?!“, stinksauer fuhr er sich durch die Haare. Er verstand so vieles gerade nicht, dass sich all das in Zorn und Verzweiflung entlud: „Als ich gestern schlafen gegangen bin, war die Welt noch in Ordnung und heute hab ich plötzlich einen Sohn!“ April funkelte Fireball wütend an und zischte: „Schrei und fluch gefälligst nicht so! Jonas schläft schon.“, Fireball war kein bisschen leiser geworden, wie April dank ihrer guten Ohren schnell gemerkt hatte. Sie strafte ihn mit ihren Blicken, aber besonders tat sie das mit ihren anschließenden Worten. Sie schossen wie giftige Pfeile aus ihr heraus: „Du hast so derart allergisch auf alles reagiert, was mit Beziehung und Bindung zu tun hatte, was hätte es da geholfen, wenn ich es dir gesagt hätte? Natürlich wollte ich, dass du bei mir bleibst, weil ich dich geliebt habe. Du hättest doch mal, statt vor lauter Bindungsangst an die Decke zu gehen, fragen können, weshalb ich dich bei mir haben wollte. Aber wie bei allem, was dir Angst macht, ist vernünftig reden dann nicht mehr drin. Zu guter letzt musste ich einsehen, dass du deine Freiheit mir vorziehst.“ „Jonas?“, ungläubig wiederholte Fireball den Namen seines Sohnes. Kurze Zeit schwieg der Rennfahrer überfahren. Das alles war ihm gerade viel zu viel, er hatte ja noch nicht mal richtig verdaut, dass er einen Sohn hatte, wie sollte er da mit April darüber reden, weshalb das alles damals so schrecklich schief gegangen war? Unweigerlich zog Fireball eine leicht säuerliche Schnute und maulte: „Du warst damals ein richtiger Klammeraffe, das hat mit Bindungsängsten absolut nichts zu tun gehabt. Ich hab das nicht ausgehalten. So warst du auf Ramrod nie, so warst du auch am Anfang unserer Beziehung nicht. Es war mir einfach… viel zu nah. Du hast mich damit fast erstickt.“, im Grunde hatte er April damit bestätigt, was sie vorhin gesagt hatte. Kopfschüttelnd machte er wieder einen Sprung in die Gegenwart: „Warum zum Henker hast du mich dann nicht angerufen? Du weißt genauso gut, wie ich, dass ich mich vor meinen Pflichten nicht drücke!“ April nickte und antwortete sarkastisch: „Klar. Ich ruf dich an und sag dir das, was ich dir nicht einmal ins Gesicht sagen konnte. Deine Angst vor einer Beziehung hätte doch alles nur noch schlimmer gemacht. Und so ist alles gut gelaufen! Du hattest deine Freiheit. Du kannst Rennen fahren und dich mit Boxenludern vergnügen. Ich habe Jonas. Wie du siehst, wird mein Kind auch sehr gut ohne dich groß. Ich brauche dich nicht, Jonas braucht dich auch nicht!“ April erschrak einen Augenblick über sich selbst, als sie sich selbst reden hörte. Sie warf Fireball all die Dinge an den Kopf, die sie nachts oft nicht schlafen hatten lassen. Die Blondine wusste sehr wohl, dass Jonas einen Vater brauchte, aber ihre verletzten Gefühle ließen nicht zu, dass diese Aufgabe der leibliche Vater übernahm. Sie glaubte ganz fest daran, dass sie das richtige tat. Jonas war nicht Fireballs Kind, das war er niemals gewesen. Fireball fuhr mit jedem Wort zusammen. Als sie von Jonas auch noch als ‚ihr’ Kind sprach, kniff der Rennfahrer die Augen zusammen. Sie entschied über seinen und über den Kopf des Kindes hinweg, ob es einen Vater brauchte. Es machte ihn rasend. Er war doch da! Weshalb sollte ein Kind ohne Vater aufwachsen, wenn es doch einen hatte? Fireball knurrte: „Sag mal, was denkst du eigentlich von mir?“, sie konnte sich das Recht nicht herausnehmen, ihn für sein ausschweifendes Leben schlecht zu machen, er hatte von seinem Kind bis vor wenigen Minuten nichts gewusst. Verletzt, aufgebracht und auch ertappt, weil er tatsächlich ein Problem mit festen Bindungen hatte, maulte er weiter: „Wie konntest du mir nur all die Jahre mein Kind vorenthalten?! …Aber so ist es natürlich besser gewesen! Mir einfach nichts davon zu sagen und alle Welt in dem Glauben lassen, dass ich meine Familie im Stich lasse! Ist das die Rache? Ist das die Rache dafür, dass ich…“, Fireball konnte es nicht aussprechen. Er wollte April nicht noch mehr Bestätigung für seine Unfähigkeit, in einer Partnerschaft zu leben, geben. „Red ich chinesisch mit dir?“, April seufzte. Sie stemmte die Arme in die Hüften und blitzte Fireball herausfordernd an. Sie verteidigte ihre Entscheidung, wie ein wildes Tier seine Beute: „Ich sagte dir doch schon, dass ich das getan habe, was das Beste war. Glaubst du, Jonas oder uns beiden hätte es gut getan, wenn du nur wegen deiner Pflichtgefühle bei uns geblieben wärst?“ Entmutigt plumpste Fireball auf seinen Stuhl hinab. Mit hochgezogenen Augenbrauen fragte er April um Rat. Allerdings nicht sehr freundlich: „Und wie jetzt weiter? Soll ich wieder gehen, mit dem Wissen, dass ich einen Sohn habe?“, Fireball fuhr sich abermals durch die Haare und keuchte: „Verdammt, April! Wie hast du dir das vorgestellt?!“ Auch April setzte sich wieder. Sie zuckte mit den Schultern und meinte gelassen: „Warum solltest du bleiben wollen?“ April provozierte Fireball mit ihrer ruhigen Stimme. Sie wollte ihn nicht mehr an ihrer Seite haben, sie wollte nicht, dass er die Vaterrolle noch übernahm. Sein Leben war doch alleine so perfekt gelaufen, da störten Frau und Kind doch nur. Sie waren nur ein Klotz am Bein. April verschränkte die Arme vor der Brust. Fireball sollte gehen und sie wieder in Ruhe ihr Leben leben lassen! Fireball hielt die Luft an und biss sich auf die Lippen. In Sekundenschnelle versteinerte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Augen starrten stur geradeaus, als er schnaubte: „Wegen dir und dem Kind vielleicht?!“ Sarkasmus war das erste Anzeichen dafür, dass es bald ungemütlich in Fireballs Nähe wurde. Aber April ignorierte diese Hinweise. Sie legte stattdessen noch einmal einen nach, indem sie erklärte: „Wozu denn? Du hast sieben Jahre keinen einzigen Gedanken an mich verschwendet, weshalb solltest du jetzt damit anfangen? Geh und amüsier dich weiterhin.“ In diesem Augenblick hatte April die Grenze überschritten. Woher wollte sie wissen, woran er die letzten Jahre gedacht hatte und woran nicht?! Fuchsteufelswild schlug Fireball mit der Faust auf den Tisch. April konnte nicht in sein Innerstes sehen. Sie konnte nicht wissen, wie er sich manchmal gefühlt hatte. Es machte ihn schier wahnsinnig, dass sie ihm unterstellte, er hätte während all der Jahre nicht ein einziges Mal an sie gedacht. Schon wieder einiges lauter als vorher, schimpfte er: „Woher willst du wissen, wie viele Gedanken ich in all den Jahren an dich verschwendet habe?! Du hast es nicht gesehen und du kannst es nicht fühlen, woher willst du es also wissen?“ Energisch wischte April mit einer Hand über den Tisch. Sie sah Fireball dabei direkt an, er würde gleich die Retourkutsche für seine lächerlichen Argumente aufgetischt bekommen: „Wenn du auch nur einen einzigen Gedanken an mich verschwendet hättest, warum hast du dann nie angerufen? Warum hast du dich dann nie gemeldet?“ Fireball krallte die Hände um die Tasse, als er frustriert schnaubte: „Was hätte ich dir denn sagen sollen? Dass ich dich …vermisse und dass es mir Leid tut? Um dir im nächsten Satz gleich unter die Nase zu reiben, dass ich trotzdem weiterhin mit dem Rennzirkus umhertingeln werde?“, boshaft formte sich ein Lächeln um Fireballs Lippen: „Das hätt ich zu gern gesehen. Deine Reaktion darauf, wenn ich dir das sage.“ Gegen ihren Willen huschte April ein kurzes Lächeln über die Lippen. Soso, er hatte sie also vermisst. Weshalb hatte der Idiot ihr gegenüber dann nie den Mund aufgebracht? April verpasste ihm gleich den nächsten Tiefschlag. Sie brachte nun seine eigenen Argumente gegen ihn vor: „Du hättest das selbe sagen können, wie ich. Nämlich die Wahrheit, die du auch von mir gefordert hast.“ Bitterböse schnellte Fireballs Oberkörper nach vor. Das musste er sich nicht gefallen lassen: „Als ob du mir die Wahrheit geglaubt hättest. Das tust du doch noch nicht einmal jetzt!“ April verhöhnte ihn und stieß ihm mit Freunden immer wieder das Messer in offene Wunden. Er fühlte sich schon schlecht genug, dem Jungen Jahre lang kein Vater gewesen zu sein, April nie angerufen zu haben und ihr zu sagen, wie sehr er sie in manchen Nächten vermisste, da musste sie ihm nicht auch noch seine Wahrheit strittig machen! Fireballs Nerven lagen blank, bei der nächsten Kleinigkeit würde er explodieren, das spürte er ganz deutlich. „Fireball.“, Aprils Blick wurde traurig, ihre Augen blickten in die Tasse: „Wie soll ich dir irgendwas glauben, was du sagst? Ganz besonders das kann ich dir nicht glauben, nachdem du dich nie gemeldet hast.“ Nein, in diese Worte konnte April wirklich keinen Glauben setzen. Es klang zu sehr aus der Luft gegriffen, was Fireball von ihr verlangte. Sie hatte oft aus der Presse gelesen, wie sprunghaft Fireball von einem Mädchen zum nächsten wechselte, weshalb sollte er wirklich auch nur einen Augenblick lang an sie gedacht haben? Jetzt fuhr Fireball beinahe aus der Haut. Er achtete nicht mehr darauf, was er sagte, oder wie er es sagte, er schrie April abermals an: „Ich hatte ja auch kein Kind, von dem du nichts weißt! …Verdammt, April! Ich hatte keinen Grund dich anzurufen. Unsere Beziehung war zu Ende. Welchen Sinn hätte es gemacht, dich um eine zweite Chance anzuflehen, weil ich dich einfach nicht vergessen kann?“, entsetzt hielt Fireball inne. Was hatte er da grade gesagt? Was war er eigentlich für ein Rindvieh ihr noch einen Punkt zu geben, an dem sie ihn aufknöpfen konnte? Sofort korrigierte Fireball seinen letzten Satz: „Äh… konnte? …Sag mir einfach, was du jetzt von mir willst, April. Aber sag mir nicht, dass ich mich aus dem Leben von Jonas raushalten soll! Er ist auch mein Sohn und er braucht einen Vater. Er hat wenigstens einen Vater, nicht wie ich. Du kannst ihm nicht noch länger seinen Vater vorenthalten!“ Aprils Augen fixierten den Japaner in diesem Moment wieder. Sie funkelte ihn wütend an. Er hatte nicht das Recht Forderungen zu stellen: „Klar mach ich das. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich Jonas vorstelle! Was soll ich ihm deiner Meinung nach sagen? ‚Ach, Spätzchen, das ist übrigens dein Dad.’“, April deutete mit einer Hand in Richtung des Kinderzimmers. Ihre Stimme triefte vor verletztem Stolz und Bitterkeit. Sie würde nicht nachgeben, nicht weil er es sich gerade in den Kopf gesetzt hatte: „Was glaubst du, wie gut es Jonas dann geht? Nein, ganz sicher nicht. …Ob es dir passt, oder nicht, Fire, du wirst wieder gehen, weil es das Beste für mich,“, April ertappte sich rechtzeitig dabei, wie sie gerade im Begriff war, Fireball ihre Gefühle offen zu legen und fügte noch hinzu: „und Jonas ist. Du hast in diesem Familienverband nichts verloren.“ Der Rennfahrer sprang vom Stuhl hoch. Er ballte die Hände zu Fäusten und blitzte auf seine ehemalige Freundin hinab. Wusste sie nicht, was sie ihrem Kind da antat? Es war für ihn selbst schrecklich gewesen, ohne Vater aufwachsen zu müssen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Sein Vater war gestorben. Jonas aber hatte einen Vater und sollte dennoch ohne einen aufwachsen. Vor Wut überschlug sich seine Stimme fast: „Das passt mir ganz und gar nicht! Ich werde nicht gehen und ich kann nicht gehen, April. …Glaubst du wirklich, dass ich für meine Fehler nicht einstehe?! Du kannst mich nicht einfach außen vor lassen, nur weil ich dir Weiß Gott was angetan habe. Ein Kind braucht einen Vater und eine Mutter, du kannst mich nicht einfach davon ausschließen. Das kannst du nicht. Das darfst du ganz einfach nicht!“ April atmete tief durch. Das alles brachte doch nichts! Fireball war viel zu aufgebracht um vernünftig mit ihm reden zu können, er zog sie sogar noch mit in seinen Strudel hinein. April konnte spüren, wie sie auch immer wütender wurde, Fireball hatte definitiv nicht das Recht, ihre Entscheidungen zu kritisieren. Ihre Entscheidungen waren richtig gewesen. Sie versuchte sich zu beruhigen. Auch sie stand auf. April schob Fireball an den Schultern ins Vorhaus. Leise zischte sie: „Hör doch bitte endlich auf zu schreien! Jonas schläft und das soll er auch. …Wir beide sprechen uns wieder, wenn du dich beruhigt hast. Im Moment hat das alles so keinen Sinn. Ruf mich an, wenn dein Blutdruck wieder normal ist.“ Einige Meter ließ sich Fireball vor April herschieben, plötzlich jedoch stemmte er sich gegen die Arme von April. Er drehte sich zu ihr um, funkelte sie wütend an und brummte leise: „Du kannst mich jetzt nicht einfach rauswerfen! Was gedenkst du jetzt zu tun?“ April schnaubte leise: „Das weiß ich nicht, Fire. Fakt ist, ich hab nicht damit gerechnet, dich jemals wieder zu sehen. Ich muss erst eine Nacht drüber schlafen. Lass uns einfach noch mal drüber reden, wenn du endlich wieder zur Vernunft gekommen bist.“ „Dass ich jemals wieder was?“, Fireball riss erbost die Augen auf, seine Stimme war erfüllt von Zorn, aber da sie nun im Vorhaus standen, beschränkte sich der Rennfahrer auch aufs Flüstern: „Ist dir klar, was du für einen Stuss redest? Ich wohne in Yuma, sogar immer noch in der selben Wohnung!“, resignierend hob Fireball die Schultern an. Plötzlich schob sich ihm ein anderer unangenehmer Gedanke in den Kopf: „Ich freu mich jetzt schon tierisch auf die Vorträge von Colt und Saber. Das kann ja heiter werden… Danke, Süße!“, Fireball verzog mürrisch das Gesicht und versetzte nun auch April mal einen unschönen Schlag unter die Gürtellinie: „Schonender hättest du es mir vor sieben Jahren auch nicht sagen können.“ April stiegen die Tränen in die Augen, es versetzte ihr einen Stich ins Herz. Ihren Kosenamen hatte sie so lange nicht mehr aus seinem Mund gehört und dann sprach er ihn so zynisch aus. Er verletzte sie ohne dass es ihm auffiel. April drückte ihm die Jacke in die Hände und schob ihn aus der Tür: „Geh jetzt einfach. …Bitte geh! Und ruf an, wenn du dich selbst wieder ertragen kannst.“ Fireball schnaubte verächtlich: „Verdammt noch mal!“ Aber er legte keinen weiteren Protest mehr ein. Ihm war nicht aufgefallen, dass April bei ihren letzten Worten mit den Tränen zu kämpfen hatte, er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, nicht wieder zu schreien und zu fluchen. Wie hatte sie ihm das nur all die Jahre verschweigen können? Stocksauer zog er die Tür hinter sich zu und warf sich die Jacke um die Schultern. Bloß raus in die frische, kühle Nachluft! April sank an der geschlossenen Tür hinab. Sie zog die Beine an und schlang die Arme darum. Sie versteckte ihr Gesicht und weinte stumm in sich hinein. Dieser Abend war schmerzhaft gewesen. Aber April wusste nicht, ob er schlimmer gewesen war, als ihre Trennung vor sieben Jahren. Sie versuchte stundenlang, sich wieder zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. Alles, was sie die letzten Jahre erfolgreich verdrängt hatte, schob sich wieder an die Oberfläche und verursachte Weinkrämpfe, die sich nicht lindern ließen. April hatte an diesem Abend gemerkt, weshalb ihr die Trennung damals so weh getan hatte. Es waren weniger ihre Gefühle gewesen, als der unbändige Zorn des Rennfahrers. Noch immer konnte er mit Gefühlen nicht umgehen, weder mit seinen eigenen, noch mit denen von anderen. Als ob der letzte Abend ruhig und beschaulich verlaufen war, machte April am nächsten Morgen für den Sohnemann das Frühstück und brachte ihn anschließend in die Schule. Gedankenverloren gab sie ihrem Kind vor der Schule einen kurzen Kuss und ermahnte ihn: „Sei brav, Jonas!“ April fühlte sich an diesem Tag hundeelend, sie hatte letzte Nacht kaum schlafen können. Ob das von nun an immer so laufen würde, wenn sie Fireball über den Weg lief? Die Blondine entschied sich, die Arbeit an diesem Tag von zuhause aus zu machen und sich den halben Tag im Labor des Oberkommandos zu schenken. Mit den Gedanken bei den Worten, die letzte Nacht gefallen waren, begann sie, die Wohnung aufzuräumen. Fireball war tatsächlich noch immer in seiner alten Wohnung im Stadtzentrum. April hätte alles verwettet, dass er aus Yuma weggezogen war, nachdem er sie rausgeworfen hatte. Sie konnte ihm immer noch vieles nicht verzeihen, vor allem nicht, was er letzte Nacht gesagt hatte. Fireball brauchte nicht zu glauben, dass er nach sieben Jahren noch irgendwelche Rechte hatte oder Forderungen gegen sie richten konnte. Er hatte sich selbst damals gegen sie entschieden, jetzt brauchte er seine Entscheidung nicht mehr zu korrigieren. Sollte er doch bei seinen Boxenludern bleiben und denen schöne Augen machen! Sie brauchte ihn nicht, jetzt nicht mehr. Damals, als sie ihn gebeten hatte, bei ihr in Yuma zu bleiben, da hätte sie ihn gebraucht. Aber nicht mehr heute. Jonas war längst schon aus dem Gröbsten heraus, und endlich hatte er auch aufgehört, nach einem Vater zu fragen. Bei seiner Einschulung hatte er gemerkt, dass er das einzige Kind war, das nur einen Elternteil hatte und natürlich war dann erstmals die Frage aufgekommen, wieso er keinen Papa hatte. April verzog mürrisch das Gesicht. Es war nervenaufreibend gewesen, Jonas zu erklären, dass sein Vater sich nicht um ihn kümmern konnte. Sie hatte ihm erzählt, sein Dad würde viel reisen und einen gefährlichen Job machen und deshalb konnte er ihn nie besuchen. Geschickt hatte sie sich damit aus der Affäre gezogen, denn immerhin war der Job eines Rennfahrers nicht ungefährlich und reisen musste man auch viel. Aber natürlich war das eigentlich kein Grund, sich nicht um sein Kind kümmern zu können. Vielleicht, wenn er einmal alt genug war, um es zu verstehen, würde sie Jonas die Wahrheit über seinen Vater sagen. Sie würde ihm eines Tages ganz sicher erzählen, dass sein Vater nicht gewusst hatte, dass es ihn gab, weil die Beziehung schon am Anfang in die Brüche gegangen war. Die letzte Nacht war Fireball in der Stadt herumgeirrt, ohne Ziel und ohne Plan. Er hatte gehofft, dass ihm der kalte Wind die trüben und verworrenen Gedanken wegblies, aber das hatte er nicht. Immer noch konnte er deshalb nach Sonnenaufgang nicht einordnen, was passiert war. Er war Vater? Aber wie? Eines war ihm klar, er wollte den Jungen sehen. April durfte ihm sein Kind nicht länger vorenthalten, das hatte sie schon zu lange getan. Er musste mit ihr noch einmal darüber reden, möglichst aber in Ruhe. Es brachte nichts, laut zu werden. Das prallte an der Blondine ab, das hatte es immer getan. Seine Ausbrüche hatten sie nie beeindruckt. Andere hätten schon bei den ersten Anzeichen für lautstarken Streit den Kopf eingezogen. April nicht. Sie war ihm immer stolz gegenüber getreten, manchmal hatte sie ihn sogar noch absichtlich provoziert. Schließlich fand er sich an diesem nicht mehr ganz taufrischen Vormittag mit einer Tüte Brötchen vor Aprils Wohnungstür wieder. Unsicher klingelte er und machte sich darauf gefasst, dass sie ihm irgendwas über den Kopf zog, wenn sie ihn sah. Als April ihm skeptisch die Tür öffnete, streckte er die Hand mit den Brötchen in ihre Richtung und zögerte kurz: „Hey. Was hältst du von Frühstück? Als kleine Entschuldigung für gestern?“ April verschränkte die Arme vor der Brust und rollte die Augen nach oben. Sie blickte kurz zur weißen Decke empor, um ihre Gefühle nicht überhand nehmen zu lassen. Sie war verwirrt und durcheinander. Die letzte Nacht hatte sich nicht nur der Vater von Jonas gemeldet, sondern auch ihr Exfreund, der ihr das Herz gebrochen hatte. Sie hatte ihn damals abgöttisch geliebt, aber heute saß der Schmerz über seine Abfuhr wesentlich tiefer, als die Gefühle für ihn. Sie sah ihn wieder an und murrte: „Hab schon gefrühstückt.“ Kopfschüttelnd erinnerte sie sich daran, wie spät er jeden Morgen damals schon aus dem Bett gekommen war, wenn er zuhause war. Dementsprechend spät hatte er auch immer gefrühstückt. Er würde sich nie ändern, egal was er auch sagte oder auch passieren würde. „Oh.“, enttäuscht ließ Fireball seine Hand wieder sinken. Die Frau war kühler als die kälteste Nacht in der Antarktis. Dennoch, er stand nun schon hier, gehen würde er nicht mehr. Schon gar nicht ließ er sich von ihr abspeisen. Deshalb nickte er kurz in die Wohnung: „Hast du trotzdem Zeit für mich?“ April machte ihm abermals Platz um einzutreten. Sie brummte genervt: „Wenn’s sein muss.“ Sie wusste, dass sie ihn nicht einfach wieder wegschicken konnte, das würde nur noch mehr Trouble geben, vor allem für sie. Dieses Mal nahm sie Fireball die Brötchen ab, die Jacke sollte er gefälligst selbst aufhängen. Sie ging voraus in die Küche und fragte ihn distanziert: „Darf es eine Tasse Kaffee sein?“ „Wie gut ist dein Kaffee?“, Fireball stand verunsichert und unschlüssig im Flur. Sie behandelte ihn wie einen wildfremden Menschen. Aber wahrscheinlich zu Recht. Sie hatte ihn sieben Jahre nicht gesehen und er hatte sie sitzen lassen. Trotzdem tat es Fireball weh. Sie wusste ja nicht, wie viele Nächte er sie sich in sein Bett gewünscht hatte, einfach nur, weil er neben ihr einschlafen hatte wollen. April drehte sich im Türrahmen noch einmal nach ihm um, ihr war aufgefallen, dass er ihr nicht gefolgt war. Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihrem Ex, wieder in die Küche zu gehen, den Weg würde er wohl finden, noch dazu, wo sie ohnehin vorausgegangen war. Ihre Stimme klang hart: „Wie früher.“ Fireball atmete tief durch und setzte sich in Bewegung. Er versuchte, sich zu benehmen, als wäre er bei einer guten Freundin und nicht bei der Frau, die ihm plötzlich einen siebenjährigen Jungen vor die Nase hielt und behauptete, es wäre seiner. Vielleicht würde sich Aprils Stimmung heben, wenn er mit gutem Beispiel und einem netten Lächeln voranging: „Na, wenn das so ist. Kann ich eine große Tasse haben?“ Die Blondine griff im Schrank nach der Zuckerdose, die verschwand für gewöhnlich nach dem Frühstück immer dort, damit Jonas nicht auf dumme Gedanken kam und damit zu spielen anfing. April hatte es geschafft, sich vehement gegen einen Kaffeeautomaten zu wehren, sie liebte die gute alte Thermoskanne heiß und innig. Sie setzte schweigend den Kaffee auf und stellte die Zuckerdose mit Nachdruck und einem fiesen Kommentar vor Fireball auf den Tisch: „Du kriegst den Hals nie voll, was?“, im Nachhinein tat es ihr schon wieder leid, aber unglaubliche Wut und Enttäuschung hatten sie kaum schlafen lassen. Wenn sie diese Wut noch weiter in sich hineinfressen würde, platzte sie. April drehte sich zum Kühlschrank: „Immer noch mit zwei Stück Zucker und einem Schuss Milch?“ Verlegen beobachtete Fireball, wie ihm April die halbvolle Milchflasche auf den Tisch stellte. Er nickte leicht: „Du hast es nicht vergessen.“, Fireball hatte erwartet, dass sie alles aus ihrem Gedächtnis verbannt hatte, auch seine Angewohnheiten, so, wie sie sich ihm gegenüber verhielt. Es überraschte ihn, aber gleichzeitig setzte sein Herzschlag einen Moment lang aus. Um sich selbst von dem seltsamen Gedanken abzulenken, April würde ihn vielleicht doch noch ein klein wenig mögen, brachte er die Sprache auf das gemeinsame Kind. Fireball trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum und begann: „Und? Jonas drückt die Schulbank?“ Während das Wasser durch die Kaffeemaschine dampfte, setzte sich April auf ihren Stuhl. Sie verschränkte die Arme wieder vor der Brust, überschlug die Beine und blinzelte Fireball an. Ihr Gesichtsausdruck war immer noch kalt. Es schien, als bereue sie es, ihn jemals kennen gelernt zu haben. Ihre Worte verstärkten den Eindruck: „Nein, hab ich nicht. …Und ja, er ist in der Schule. Er ist ganz gut.“ Jonas ging nicht übertrieben gern zur Schule, aber welcher sieben Jahre alte Junge tat das schon. Er war ein guter Schüler, lernte sehr leicht, aber war manchmal ein fauler und sturer Esel. Bis jetzt hatte es April aber noch immer geschafft, ihm ins Gewissen zu reden, ordentlich zu lernen. Er verstand schon jetzt, dass es wichtig war, gut in der Schule zu sein, auch wenn man es nicht gerne tat oder gerne hinging. Auf Fireballs Gesicht stahl sich ein kleines Lächeln davon. Er war ein unglaublich fauler Schüler gewesen, immer. Aber er hatte leicht gelernt und mit dem nötigen Quäntchen Ehrgeiz, das ihn dann doch ab und an erwischt hatte, hatte er sein Abi ganz gut über die Bühne gebracht. Ein bisschen unvorsichtig wagte er einen kleinen Scherz: „Und du bist dir sicher, dass er meiner ist? Ich war nämlich… ein extrem fauler Schüler.“ Das Lächeln verschwand schneller wieder, als es sich an die Oberfläche getraut hatte, als er Aprils wütenden Blick auffing. Verzagt zog Fireball die Augenbrauen zusammen, der Spruch dürfte in die falsche Richtung losgegangen sein. Aprils Augen schienen zu glühen. Wütend über den doofen Spruch stand sie auf und knallte Fireball kurz darauf zwei Tassen auf den Tisch. Sie funkelte ihn dabei bitterböse an: „Er hat auch was von mir.“, sauer fügte sie hinzu: „Gott sei Dank.“ Der Rennfahrer kniff die Augen zusammen, als er das Klirren der Tassen hörte. Die Frau hatte ja durchaus noch Pfeffer im Hintern, so stürmisch wie sie sein konnte! Fireball öffnete zögerlich seine Augen und entschuldigte sich kleinlaut: „Sorry… Es ist nur, es klingt so ungewohnt.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen!“, April ließ die Tassen los und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Mit jedem weiteren Atemzug wurde April zynischer, ihre Bitterkeit und ihr Zorn brachten sie dazu, Fireball Dinge an den Kopf zu werfen, die sie im Normalfall nie zu ihm gesagt hätte: „So was flüstern dir deine knapp bekleideten Boxenluder sicher nicht ins Ohr.“ Flugs krallten sich Fireballs Finger in die Tischplatte, während seine Augen die Blondine am liebsten massakriert hätten. Sie strafte ihn, strafte ihn mit solchen Worten, für alles, was er die letzten Jahre getan hatte. Nur leider hatte April dabei sein Temperament vergessen und die Tatsache, dass er seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Bei keiner Frau hatte er bis jetzt das gefunden, was er gesucht hatte, keine hatte ihm die Angst nehmen können, sich auch mal auf andere verlassen zu können und sich jemanden anzuvertrauen. Mit einem gespielten Grinsen antwortete er: „Die bringen eh keine zwei zusammenhängenden Sätze heraus.“ „Ja.“, April setzte sich im Stuhl aufrecht hin, drückte den Rücken durch, damit ihr Dekoltee mit ihren Vorzügen besser zur Geltung kam und schürzte die Lippen. Überspitzt imitierte sie Fireballs Begleitdamen: „Die müssen in der Regel auch nur ‚Ja!’ und ‚Oh, Fireball’ beherrschen.“ Sie hatte die Worte so lustvoll sie nur konnte ausgesprochen, Fireball sollte wissen, was sie genau meinte. Der Rennfahrer verdrehte genervt die Augen, das war nicht die feine englische Art gewesen, die er eigentlich von April gewohnt war. Eingeschnappt blaffte er: „Ja, danke. Deine Darbietung war sehr überzeugend. Warum hast du das im Bett nie gesagt?“, ohne darüber nachzudenken, war Fireball dieser Vorwurf herausgerutscht. Das hätte er sich sparen können. Er hatte das unheimlich schlechte Gefühl, dass das alles in eine Schlammschlacht ausarten konnte und er hatte es mit seinem unüberlegten Spruch auch noch heraufbeschworen. Fireball maulte: „Kannst du jetzt zwei Minuten aufhören, mich zu piesacken?“ Die Blondine stieß die Luft aus ihren Lungen und setzte sich wieder normal auf den Stuhl. Sie atmete tief durch, verschränkte abermals die Arme vor der Brust. Ihre abweisende Haltung sollte den Abstand zwischen sich und Fireball gewährleisten. Sie durfte seine Sprüche nicht allzu persönlich nehmen, aber sie glaubte, dass jedes Mal, wenn er den Mund aufmachte, einer dieser Sprüche kam, bei denen sie am liebsten heulend zusammenbrechen würde. Mit dem nötigen Ernst forderte sie ihn auf: „Also, was willst du?“ „Mich entschuldigen.“, kam die patzige, aber ehrliche Antwort von Fireball. Mürrisch begann er, seine Tasse am Henkel um die eigene Achse zu drehen, während sein verstimmter Blick auf April ruhte. Er knurrte: „Aber ich überlege, ob ich das nicht lieber bleiben lasse.“ Fireball war sauer auf April, weil er es nicht vertrug, dass sie ihm dauernd seine Liebeleien mit geistig nicht so gesegneten, dafür aber umso kurvenreicheren Damen unter die Nase rieb. Er war selbst nicht stolz darauf, vor allem deswegen, weil er die meisten davon weniger als einen Tag kannte, bevor er sich mit ihnen einließ, nur um sie am nächsten Morgen gleich wieder abzuservieren. Überlegen grinste die Blondine. Sie spürte, wie sich eine gewisse Genugtuung in ihr breit machte, wenn sie Fireball so ankeifte und ihm mit den leichten Mädchen vor den Kopf stieß. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die Kaffeemaschine: „Ich lass dir die Zeit zum Überlegen, bis der Kaffee fertig ist. Bis dahin weißt du hoffentlich, was du willst.“ Wieder war der Zynismus in ihrer Stimme nicht zu überhören gewesen, sie ließ all ihren Kummer und ihre Wut an Fireball aus. Demonstrativ griff April nach ihren Unterlagen, die sie auf dem Tisch ausgebreitet hatte und drehte sich von Fireball weg. Sie versuchte zumindest, mit ihrer Arbeit weiterzukommen, doch der Rennfahrer brachte sie zu sehr durcheinander. Die Gefühle von damals vermischten sich mit Zorn und Wut und ließen April keinen klaren Gedanken fassen. Sie starrte auf das Blatt vor sich, und versuchte krampfhaft, ihre Berechnungen zu kontrollieren. Aber sie fühlte Fireballs Blick auf sich ruhen, was sie immens verunsicherte. April schien ihn zu ignorieren. Es machte Fireball nervös und unsicher. Nie hatte ihn jemand in dem Maße verunsichert, wie es April tat. Und es behagte ihm nicht. Sie stand ihm eigentlich nicht nahe genug, um ihn verunsichern zu können, und dennoch schaffte sie das spielend. Sie brauchte ihm nur den Blickkontakt verweigern und schon gab sie ihm das Gefühl, der größte Versager weit und breit zu sein. Immer wieder fühlte sich Fireball in Aprils Umgebung hilf- und schutzlos und er hatte keine Ahnung, woran das lag. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck knurrte er: „Kannst du mir auch mal wieder in die Augen schauen, wenn ich mit dir rede?“, Als April ihn wieder kalt und undurchdringlich ansah, wurde seine Stimmlage unsicher, und er senkte verhalten den Blick: „Es tut mir leid, April.“ Sauer stieß April die Luft aus und fuhr den verunsicherten Rennfahrer an: „Was tut dir leid? Etwa, wie unschön du dich damals von mir getrennt hast? Oder dass du mich wieder getroffen hast?“, sie wollte ihm noch ‚Oder, dass du mir ein Kind gemacht hast?’ sagen, aber das brachte April nicht über die Lippen. Sie liebte Jonas und wollte ihn keinen Tag missen. Alles, was es zu bereuen gab, aber das ganz sicher nicht. Ramrods ehemaliger Pilot sah stur zu Boden und murmelte. Auch, wenn er die Wahrheit sprach, es klang nicht ernst gemeint: „Alles einfach. …Hätte ich es gewusst, wäre ich für dich und Jonas da gewesen.“ In Aprils Ohren klang das wieder wie ein Vorwurf. Und alles was Recht war, Fireball brauchte ihr auf diese Tour gar nicht zu kommen! Sie hatte keine Fehler gemacht und er brauchte nicht zu glauben, dass sie sich von ihm ein schlechtes Gewissen einreden ließ. Wieder lehnte sie sich im Stuhl zurück, verschränkte erneut die Arme vor der Brust und feindete Fireball ganz offen an: „Ich wollte, und ich will noch immer nicht, dass du aus Pflichtgefühl bleibst. Kinder spüren das und es tut ihnen nicht gut.“ Fireball rückte mit dem Stuhl vom Tisch zurück, damit er die Arme auf die Oberschenkel stützen konnte. Zerknirscht ließ er den Kopf hängen, rieb sich abgekämpft über die Augen und anschließend über den Wuschelkopf. Er dachte daran, was ihm all die Jahre nicht gut getan hatte und es machte ihn unendlich traurig. Oft war er einsam gewesen, hatte sich April an seine Seite gewünscht. Was war mit ihr? Melancholisch flüsterte er: „Und dir? Tut es dir gut, alleine zu sein, niemanden an deiner Seite zu haben, der dir beisteht?“ Verdattert fuhr April ein Stück zurück. Weshalb sah er sie nun so an? War er am Ende wirklich traurig darüber, alleine gewesen zu sein? April konnte es nicht glauben. Sie redete sich ein, dass er sie testen wollte, so musste es sein. Obwohl ihr die Tränen in den Augen standen, sie hatte tatsächlich viele Nächte einen Vater für Jonas und einen Freund in ihrem Leben vermisst. Sie schluckte die Tränen tapfer hinunter und argumentierte: „Ich bin nicht allein. Ich habe Jonas. Und du,“, April wurde wieder forscher: „hast deine Bettgeschichten. Du bist also auch nicht allein.“ Aufgebracht richtete sich Fireball wieder auf und funkelte April zornig an: „Weil ich die haben will!“, verbittert stellte er gleich darauf fest: „Ich hab mich wohl verhalten, wie der größte Idiot.“ „Du bist der größte Idiot.“, April bestätigte ihm seine Aussage ohne Gefühlsregung. Für sie war es erwiesen, dass er einer war. Wieder ging sie auf seine Bettgeschichten ein, den Sarkasmus in seiner Stimme überging sie einfach, als sie ihn herausforderte: „Wenn dir die Häschen doch lieber sind, als ich, weshalb bist du überhaupt hier? Ich bin ganz sicher keines von denen. Und bilde dir ja nicht ein, dass du mich noch einmal rumkriegst!“ Den letzten Satz hatte April eher für ihre eigene Motivation gebraucht, denn offen gestanden, hatte sie die Angst, dass er sie mit seinen braunen Augen jederzeit wieder um den Finger wickeln konnte. Das hatte sie gemerkt, als er sie vorhin von unten herauf angesehen hatte. April musste sich zusammen reißen, um nicht wieder auf ihn hereinzufallen. Einmal sollte reichen. Fireballs Augen funkelten wütend. Sein Ärger ließ sich kaum in Worte fassen, dennoch versuchte er, April den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er blaffte sie an: „Weil ich dich rumkriegen will!“, es war nicht ganz die Wahrheit, aber energisch genug, um glaubhaft zu sein. Irgendwie musste Fireball versuchen, die Diskussion mit April wieder auf sachlicher Ebene zu führen, er war schließlich nicht wegen ihr, sondern wegen Jonas hier. Er atmete schwer aus und begann noch einmal, dieses Mal aber ruhiger: „Ich… Lässt sich denn keine Möglichkeit finden, ihm ein Vater zu sein, April?“ Deshalb war Fireball hier. Nur Jonas war der Grund, weshalb er die Blondine noch einmal aufgesucht hatte, darauf besann sich Fireball allmählich wieder. Er durfte nicht zulassen, dass April Jonas den Vater verheimlichte. Es war ihm wichtig, dass sein Kind mit einem Vater aufwuchs, weil er nur allzu gut wusste, wie furchtbar eine Kindheit ohne einen sein konnte. April seufzte genervt. Fireball war stur und engstirnig wie eh und je. Sie erklärte ihm händeringend: „Wie stellst du dir das vor? Ich hab dir gestern schon gesagt, dass das nicht von heute auf morgen geht… Du warst ihm sieben Jahre lang kein Vater-,“ Fireball unterbrach sie energisch: „Weil du es mir nicht gesagt hast!“, schnell sah er ein, dass laut zu werden nicht der richtige Weg war. Einsichtig legte Fireball die Hände auf den Tisch und murmelte frustriert: „Warum kann nie was ohne Komplikationen verlaufen?“ April sah eine weitere Chance, Salz in die Wunden zu reiben. Fireball machte es ihr an diesem Tag unsagbar einfach. Er gab ihr immer wieder schöne Vorlagen, an die sie nahtlos anknüpfen konnte. Schnippisch konterte sie: „Wir hätten keine Komplikationen, wenn du nicht so verdammt unfähig wärst, tiefe Gefühle zuzulassen und dich auf Beziehungen einzulassen!“ Das war wieder ein Tiefschlag erster Güte gewesen. April war direkt stolz auf sich, Fireball so gekonnt eins vor den Latz geknallt zu haben. Endlich konnte sie ihm all das zurückgeben, was er ihr damals angetan hatte. Immerhin war seine Kälte und Gleichgültigkeit, sein verdammter Drang zur Freiheit und Unabhängigkeit der Grund dafür, weshalb er nie etwas von seinem Kind erfahren hatte. Zufrieden lächelnd stand April auf, als keine Antwort von ihrem Gegenüber kam. Sie brachte die Thermoskanne an den Tisch, schenkte Fireball mit einem fiesen Grinsen ein, dann sich selbst. Sachte stellte sie dieses Mal die Kanne auf den Tisch, ehe sie Fireball die Milch in die Tasse goss, ihm zwei Stück Zucker hineinfallen ließ und umrührte. Sie schob ihm die Tasse entgegen und verstaute die Milch wieder im Kühlschrank. Danach richtete sie sich ihren Kaffe, ein Stück Zucker und ohne Milch, ehe sie sich wieder setzte. Sie genoss die Früchte ihres guten Konters in vollen Zügen. Fireball war nicht in der Lage, etwas zu erwidern, er schluckte nur und bemühte sich, nicht aufs Atmen zu vergessen. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Wie angewurzelt saß er auf seinem Stuhl, die Hände zu Fäusten geballt und den Blick auf die Füße gerichtet. April beobachtete ihn eine Weile, ihre Laune stieg mit jedem Moment, den sie Fireball so regungslos dort sitzen sah. Nie war es ihr gelungen, ihn sprachlos zu machen, dabei war es so einfach, wie sie grinsend feststellte. Sie glaubte fest daran, dass sie ihm etwas von dem, was er ihr angetan hatte, zurückgeben konnte. Langsam entschied sich April, Fireball von seiner Schmach und seiner Starre zu erlösen. Selbstsicher begann sie: „Und? Was hast du jetzt vor? Hast du überhaupt Zeit, dich um Jonas zu kümmern? Oder hast du dein Erbgut noch woanders verstreut, ohne es zu wissen?“ April konnte richtig bissig sein. Aber Fireball hatte es nicht anders verdient, er sollte ruhig mal ein bisschen bluten für sein Unvermögen, eine feste Bindung einzugehen. Der Rennfahrer erwachte langsam aus seiner Starre. Er griff nach der Kaffeetasse, die ihm April vor die Nase gestellt hatte und kippte sich die halbe Tasse gleich runter. Er musste damit seine Frustration und bösen Bemerkungen, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter spülen. Wütend funkelte er April danach an: „Haha, das wüsst ich.“, weiter ging er auf ihre Provokationen nicht ein, wer wusste, was sonst alles durch ihre Wohnung flog. Fireball gestand: „Das mit der Zeit, ist so `ne Sache. Ich bin immer noch viel unterwegs. Aber ich will ihn sehen. Ich will ihm ein Vater sein.“ Giftig feindete April Fireball an: „Hast du nicht gestern gesagt, ein Kind bräuchte einen Vater? Väter sind aber anwesend! Sie sind da, wenn ihr Kind sie braucht. Und du scheinst da nicht reinzufallen, weil du nie da bist.“, angriffslustig setzte sie noch einen in Bezug auf seine endlosen Liebschaften nach: „Und telefonier die endlose Liste deiner Verflossenen ab, nur um sicherzugehen, dass sie wenigstens intelligent genug sind, zu verhüten.“ Eigentlich ertrug April bloß den Gedanken nicht, dass sie damals an einen Kerl geraten war, der die Frauen reihenweise flach legte, aber nicht in der Lage war, länger bei einer zu bleiben. April wusste aus der Presse, dass Fireball es, keine vier Wochen nach ihrer Beziehung, gleich wieder hatte krachen lassen. Er hatte in den letzten Jahren so viele Gespielinnen angehäuft, dass April daran zweifelte, dass er auch nur von einem Bruchteil noch den Namen kannte. Und tief in ihrem Inneren war sie eifersüchtig. Ein kleines Flämmchen Eifersucht loderte in ihr, weil all die Weiber zumindest eine Nacht lang das bekamen, was sie sich immer wieder von Fireball gewünscht hatte. Seine Nähe. Genervt zog Fireball die Schultern nach oben. Er würde auch dieses Mal nicht auf ihre dämlichen Sprüche eingehen und dazu etwas erwidern, denn sonst flog innerhalb der nächsten fünf Minuten tatsächlich noch irgendwas gegen die Wand. Krampfhaft versuchte Fireball, am eigentlichen Thema zu bleiben: „Ich würde es zumindest versuchen. …Hör mal, April. Ich bin die nächsten drei Wochen zuhause. Wenn du mir die Chance gibst, dann bin ich mir auch sicher, dass ich auch später im Rennzirkus zurückstecken könnte. Ich glaube, das kann ich mir leisten. Aber ich kann nicht von vornherein sagen, dass ich kürzer trete, wenn du mir nicht die Chance lässt, es dir zu beweisen. Nur tust du das grad nicht.“ April atmete schwer aus und musterte Fireball frustriert: „Das kann ich nur, wenn du auch zuverlässig bist. Du musst da sein, wenn Jonas dich braucht. Und ich bezweifle derzeit stark, dass du das bist. Denk an Jonas und wie er sich fühlt, wenn du nicht da bist, weil du mit dem Rennzirkus rumgondelst oder wieder auf irgendeinem Boxenluder liegst.“ Fireball schlug kraftvoll mit der Faust auf den Tisch. Seine konsequente Umgehung des Themas Boxenluder hatte April offenbar dazu verführt, ihm immer weiter eins reinzuwürgen. Bei jedem Kommentar hatte sie das nun fallen lassen und jetzt platzte ihm der Kragen. Nur, weil er nichts dazu sagen wollte, hieß das nicht, dass das ein Freifahrtschein für sie war und dass es ihm egal war, wenn sie ihn dauernd so offen anfeindete. Fireball schrie beinahe mit April: „Kannst du jetzt endlich damit aufhören, verflucht?! Warum kommst du dauernd auf diese Flittchen zu sprechen? Ich bin hier, weil ich mit dir über Jonas reden will und ihm ein Vater sein will und nicht darüber, mit wem ich wo, wann was hatte oder habe!“ Erschrocken zuckte April zusammen. Fireball war aufgestanden und hatte die Faust direkt vor ihr auf den Tisch gehauen und das auch noch mit einer solchen Wucht, dass die Tassen klirrten, weil sie vom Tisch gehoben worden waren. April drehte vor Schreck den Kopf von Fireball weg und hob die Hände vor den Kopf. Es sah aus, als hätte sie Angst, dass Fireball ausholen konnte. Nachdem Fireball die Hand wieder zurückgezogen hatte, wurde April auch wieder mutiger. Kaltschnäuzig antwortete sie dem kochenden Rennfahrer: „Weil etwaige Folgen deiner Bekanntschaften auch ihn betreffen könnten. Was denkst du, wie Jonas aus der Wäsche guckt, wenn eines Tages eine von deinen Eulen bei uns auf der Matte steht und Alimente will?“ Für April war alles verständlich und nachvollziehbar, was sie sagte. Für sie war es einleuchtend und logisch. Der Rennfahrer sollte einmal wenigstens seinen Kopf benutzen, wozu hatte er ihn denn? „Hör jetzt endlich auf damit!“, stinksauer fauchte Fireball seine ehemalige Freundin an. Sie hielt ihm andauernd einen Spiegel vors Gesicht und was er darin sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Sie sagte ihm immer wieder mit ihren gehässigen Kommentaren, was für ein Rumtreiber er die letzten Jahre gewesen war. Es tat ihm weh, auch wenn’s die Wahrheit war, er wollte sie nicht hören. Nicht aus ihrem Mund. Spätestens jetzt zückte auch Fireball die unschönen Floskeln und Phrasen: „Als ob du die letzten Jahre keusch warst!“ Das ging April nun zu weit. Was ging ihn ihr weiteres Leben an?! Und vor allem deshalb ging es April zu weit, weil es sie daran erinnerte, wie schwer es war, einen Mann kennen zu lernen, der vor einem kleinen Kind nicht gleich wieder die Flucht ergriff. Sie giftete Fireball an: „Mit einem Kind auf dem Arm wirkt man auf Männer plötzlich nicht mehr so anziehend.“ Fireballs Hitzkopf nahm in dem Moment volle Fahrt auf: „Es hat dir auch keiner befohlen-“, im letzten Augenblick konnte er seine Zunge noch zügeln. Er war gerade im Begriff gewesen, April hässliche Dinge an den Kopf zu werfen. Dinge, die man keiner Frau an den Kopf werfen durfte, egal wie wütend und rasend sie einen machte. Im allerletzten Augenblick riss er seine Argumentation in eine andere Richtung: „Das kann durchaus an deiner großen Klappe liegen, April. Daran schon mal gedacht? Du schlägst mit dem Mundwerk so ziemlich jeden in die Flucht und das spielend, wie ich anmerken darf!“ Langsam erhob sich April von ihrem Platz. Sie stellte sich vor Fireball, verschränkte wieder die Arme vor der Brust und blickte ihn kalt an. Ihre Miene blieb hart, als sie eiskalt hauchte: „Warum bist du dann noch da?“ April stand direkt vor Fireball, zwischen die beiden passte im Moment maximal ein dünnes Telefonbuch. Verwirrt starrte Fireball auf April, er sah ihr in die kalten, blauen Augen. Ihr Blick hielt seinem mühelos stand, aber was noch viel schlimmer war, sie schien ihm geradewegs in die Seele zu blicken. Da war sie wieder, diese undefinierbare Angst vor Nähe. Fireball eiste seinen Blick von April los und trat einige Schritte zurück. Aufgebracht maulte er: „Und du wunderst dich, weshalb ich nicht bei dir bleiben wollte! …Bei deiner Liebe.“ Der letzte Satz war triefend zynisch gewesen, als wollte er April unterstellen, dass sie ihn nie geliebt hatte. Blitzschnell senkte die Blondine den Blick zu Boden, denn ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Gefühle für ihn waren immer echt gewesen. Und sie waren unglaublich schmerzhaft gewesen, sie hatte ihm niemals was vorgegaukelt. Aprils Stimme erstickte beinahe an der Traurigkeit und den Tränen, die sich in ihren Augen sammelten: „Bei meiner Liebe?“, sie schniefte kurz, um die Tränen bloß nicht vor ihm zu weinen: „Du hattest meine Liebe, Freundchen, du wolltest sie nur nie.“ April atmete mehrmals tief durch, sie wollte nicht vor Fireball weinen. Sie wollte ihm die Genugtuung nicht geben, er sollte nicht sehen, dass er es geschafft hatte, sie zu verletzen. Sie versuchte alles, um nicht zu weinen, doch schon beim nächsten Wimpernschlag lösten sich die Tränen von ihren Augen und kullerten ihre Wangen hinunter. Sie kam sich so hilflos in diesem Moment vor, und sie wollte nicht hilflos sein. April durfte nicht hilflos sein! Mit eingezogenem Kopf beobachtete Fireball, welchen Schaden er wieder angerichtet hatte. Sie konnte ihm kaum in die Augen schauen, als sie den Blick von ihm abwandte und offensichtlich zu weinen begann, schloss er sie instinktiv in seine Arme. Er wollte sie trösten. Fireball ertrug es schlichtweg nicht, dass April seinetwegen weinte. Er umarmte sie zärtlich, strich ihr immer wieder die Haare nach hinten. Selbst unendlich traurig, legte Fireball den Kopf in den Nacken und hauchte: „Es tut mir leid, April. Ich wollte dir nicht wehtun, es tut mir so leid.“ April hingegen wollte Fireball nicht in ihrer Nähe haben, sie wehrte sich gegen seine Umarmung, als würde er sie damit verbrennen. Sie ertrug seine Berührungen nicht, denn all der Schmerz und der Kummer der vergangenen Jahre brachen in diesem Augenblick über sie herein. Kraftlos schüttelte April den Kopf, den sie zu Boden gesenkt hatte, während sie auf seine Brust trommelte und schluchzte: „Du Idiot! Du verdammter Idiot!“ Unweigerlich schloss Fireball seine Arme fester um April. Er konnte sie in diesem Zustand nicht loslassen, immerhin, dessen war er sich bewusst, war er für das Unglück gerade verantwortlich. Und außerdem hatte er Angst, dass April einfach auf den Boden sackte, wenn er sie nun losließ. Sie trommelte ihm kraftlos auf die Brust, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Raunen. Dieser Streit hatte April alle Kraft gekostet, die sie noch gehabt hatte. Fireball gab ihr einen kleinen Kuss auf den Scheitel, vielleicht würden Zärtlichkeiten und beruhigende Worte der Blondine helfen. Auf alle Fälle aber halfen sie ihm. Denn nicht nur April kämpfte mit den Tränen, auch ihm blutete das Herz. Fireball flüsterte: „Es tut mir so leid, Süße. So unendlich leid. Ich wollte dich nie verletzen, weil ich… weil ich dich…“, der Japaner konnte ihr in diesem Moment nicht sagen, dass er sie liebte. Es wollte ihm nicht über die Lippen, weil er sich nicht eingestehen wollte. Er wollte sich nicht eingestehen, wie sehr er sie geliebt hatte und wie sehr er sie immer noch liebte. Stattdessen erklärte er leise: „Ich konnte dich nicht vergessen, Süße. Auch nicht unsere gemeinsame Zeit… Ich bin so ein verdammter Esel.“ Keiner wusste, wie lange sie so dagestanden hatten, die Zeit schien stehen geblieben zu sein. April tat es so ungeheuer gut, endlich weinen zu dürfen, endlich auch einmal schwach sein zu dürfen. Sie war lange eine starke Frau gewesen, das musste sie, für Jonas. Als April sich beruhigte, wurde ihr plötzlich bewusst, vor wem sie sich die Blöße gegeben hatte. Sie hatte sich ausgerechnet Fireball an den Hals geworfen, dem Mann, den sie nie wieder an sich heran lassen hatte wollen. Sie wischte sich die letzten Tränenspuren aus dem Gesicht und befreite sich schließlich aus seiner Umarmung. Er sollte nicht glauben, dass er sie jederzeit wieder zurückhaben könnte. Darauf brauchte er sich nichts einzubilden. April warf einen Blick zur Uhr. In einer Stunde würde sie Jonas aus der Schule abholen. Sie atmete noch einmal tief durch und setzte sich auf ihren Stuhl, zu ihrer Tasse Kaffe. Sie richtete die Augen auf ihre Unterlagen und murmelte: „Wenn du Zeit hast, kannst du von mir aus heute mit mir Jonas aus der Schule abholen. Aber überstürz es nicht. Du bist einfach ein alter Freund von mir.“ Fireball ging auf ihr Friedensangebot ein. Wie angewurzelt hatte er ihre Bewegungen verfolgt, eigentlich hatte er sie nicht loslassen wollen. Es war ein schönes, warmes Gefühl gewesen, April im Arm zu haben. Er hatte es vermisst. Widerstrebend setzte auch Fireball sich wieder und nickte: „Gut. Wie gesagt, ich bin die nächsten drei Wochen hier auf Yuma, hab also dementsprechend Zeit.“ Ruhig nickte April: „Hier hast du deine Chance. Ich schlage vor, du nützt sie.“ Die nächsten eineinhalb Wochen war Fireball Dauergast bei April und Jonas. Der kleine Junge hatte von vornherein keine Bedenken gehabt, mit Fireball etwas zu unternehmen, ganz im Gegensatz zu April. Sie war skeptisch gewesen, wenn nicht sogar übervorsichtig. Immerhin wusste sie, dass Fireball bald wieder zurück in den Rennsport ging, der Sommerurlaub war für ihn beinahe vorbei. Aber sie sah mit jedem Tag, wie viel Mühe sich Fireball gab. Und Jonas hatte den alten Freund von Mama schnell in sein Herz geschlossen. Noch musste Jonas vormittags die Schulbank drücken, die Sommerferien würden erst in zwei Wochen beginnen. Aber die Schule war erträglicher, wenn man wusste, dass man danach abgeholt wurde. Jeden Tag warteten Fireball und April gemeinsam vor der Schule auf den kleinen Spross. April und der Rennfahrer hatten sich am Anfang schwer getan, zueinander wieder ein einigermaßen gutes Verhältnis aufzubauen, aber zumindest in Jonas’ Nähe waren sie erwachsen genug, sich ihre Kindereien und Streitereien zu sparen. Das verlagerten sie meistens auf den Vormittag. Sie verbrachten viel Zeit miteinander, Jonas hatte einen Heidenspaß mit seinem neuen Freund. Fireball wurde selbst manchmal wieder zu einem Kind, wenn er mit Jonas herumtollte. April steckte Jonas gerade in die Falle, während sie Fireball aufgetragen hatte, solange in der Küche zu bleiben und für sie Tee zu machen. Sie deckte ihn liebevoll zu und erzählte ihm noch eine kleine Geschichte. Danach drückte sie ihm einen Kuss auf die Wangen und flüsterte: „Schlaf gut, Jonas.“ Doch ihr Junge dachte nicht ans einschlafen. Er wurschtelte seine Arme unter der Bettdecke hervor und blinzelte seine Mutter an: „Mama?“ April beugte sich noch einmal zu Jonas hinab und nickte. Sie hatte keine Ahnung, was ihr kleiner noch wollen konnte, das war nicht seine Art, mit Fragen solange zu warten, bis er im Bett lag. Normalerweise wollte er Antworten immer auf der Stelle haben. Die Ungeduld seines Vaters hatte er. Jonas setzte sich auf. Seine dunklen Augen sahen seine Mutter aufmerksam an, als er unschuldig fragte: „Ich mag Fireball. Warum bleibt er nicht bei uns?“ April blieb das Herz stehen, als sie die Frage von ihrem Sohn vernahm. Was sollte sie ihm bloß sagen? Der kleine sprach ihr aus der Seele, denn mittlerweile hatte sie sich an Fireballs Anwesenheit gewöhnt, hatte ihn wieder gerne um sich. Aber sie wusste, dass es nicht von Dauer war, es konnte nichts von Dauer sein, was mit Fireball zu tun hatte. Traurig flüsterte April, während sie ihren Sohn wieder ins Bett drückte: „Weil er nicht kann, Jonas. …Fireball macht nur Urlaub bei uns.“ Der Junge zog einen Schmollmund und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Er beharrte darauf: „Aber er soll da bleiben! So, wie es jetzt ist, ist es doch toll, warum soll er wieder gehen wollen? Ich will, dass er da bleibt, bei mir und auch bei dir, Mummy.“ April schüttelte den Kopf, sie konnte Jonas nicht länger ansehen. Sie war den Tränen nahe, ihr kleiner Sohn tat genau das, was sie befürchtet hatte. Er hatte Fireball viel zu sehr in sein Herz geschlossen, hatte sich viel zu schnell daran gewöhnt, dass Fireball mit ihm und seiner Mutter unterwegs war. Seit einigen Tagen blieb Fireball sogar noch bis spät in die Nacht in der Wohnung, obwohl Jonas um spätestens neun schlafen sollte. Und Jonas hatte das bemerkt. Er hatte sofort gemerkt, dass sich Fireball und seine Mutter viel zu erzählen hatten, weil der neu gewonnene Freund nicht mehr gleich nach dem Abendessen nachhause ging. Standhaft erklärte April ihrem Sohn ein weiteres Mal: „Fireball kann nicht dableiben, Jonas. Auch, wenn du oder ich das gerne möchten. Er hat Verpflichtungen, wie alle anderen auch. Aber er wird dich sicher wieder besuchen kommen, wenn er in Yuma ist. Versprochen.“ Der Schmollmund von Jonas wurde zwar nicht kleiner, aber die bockige Haltung legte er ab. Grummelnd legte er sich endlich schlafen, gegen seine Mama hatte er wieder einmal keine guten Karten gehabt. Sie war in ihrer Argumentation und ihrem Erziehungsstil unschlagbar. Sie hatte ihr Kind im Griff, und nicht es sie. April drückte dem kleinen Ebenbild seines Vaters noch einen kurzen Kuss auf die Stirn und ging aus dem Zimmer. Als sie die Tür leise schloss, bemerkte sie, dass Fireball an der Wand neben der Tür lehnte und offenbar ihr Gespräch mit Jonas belauscht hatte. Sein Gesichtsausdruck gab keine Auskunft darüber, was er dachte, er lehnte einfach mit dem Rücken gegen der Wand und hielt die Arme hinten verschränkt. Sie warf ihm einen bösen Blick zu, als sie an ihm vorbeiging. Wäre er nicht eines Tages vor ihr gestanden, hätte sie diesen Schlamassel nun nicht. Jonas würde nie fragen, ob Fireball hier bliebe, wenn er ihn nicht getroffen hätte. Schweigend folgte Fireball der Blondine in die Küche. Es dauerte eine Weile, bis sich Fireball endlich traute, ein Gespräch mit ihr zu beginnen. Er hatte tatsächlich gehört, worum Jonas seine Mutter gebeten hatte. Und es tat ihm weh. Die letzten paar Tage hatten sie es endlich geschafft, sich wieder besser zu verstehen und ein paar schöne Tage miteinander zu verbringen, so wie es sich für eine kleine Familie gehörte. Doch ihre Zeit lief langsam ab. Fireballs Urlaub neigte sich immer mehr dem Ende zu, langsam aber sicher brauchte er einen klaren Standpunkt von April, was er weiter tun sollte. Fireball hatte noch nie einen derart erfüllten Urlaub wie diesen verbracht, auch wenn er mit April an manchen Vormittagen, wenn Jonas in der Schule saß, unangenehme und hässliche Diskussionen geführt hatte. Er sprach sie darauf an, was er gehört hatte. Und er machte dabei nicht den Fehler, den Wunsch des kleinen Mannes einfach abzutun. Fireball erklärte April auch, dass er gerne bei ihr und Jonas war. An diesem Nachmittag hatte er dem Bengel sogar bei den Hausaufgaben geholfen, während April das Abendessen für sie gekocht hatte. Er war also durchaus dazu in der Lage, väterliche Pflichten genauso zu erfüllen, wie mit Jonas zu spielen und herumzualbern. Eines allerdings tat Fireball nicht. Er mischte sich nicht in Aprils Erziehung ein, das wagte er nicht. Wenn April Jonas etwas verbot, dann hatte das einen guten Grund und Fireball unterstützte sie dabei. April schnaubte immer wieder frustriert. Sie brauchte Fireball nicht zu sagen, dass es auch ihr nicht gefiel, wenn er wieder ging. Dank Jonas hatte April auch wieder einen besseren Draht zu Fireball, was aber gleichzeitig hieß, dass sie seine Gegenwart verunsicherte und sie aus dem Gleichgewicht brachte. April verstand ihre Gefühle nicht, sie wollte sie nicht verstehen. Und wenn sie Fireball nun nahe legte, zuzusehen, dass er wenigstens in regelmäßigen Abständen nach Yuma kam, konnte sie alles auf Jonas schieben. Sie konnte verschweigen, dass auch sie es sich wünschte, Fireball wieder öfter zu sehen. Fireball kam spät, aber gut gelaunt, an diesem Vormittag zu April. Er hatte vom Vorabend noch Geschirr in der Küche gehabt, das er noch aufgeräumt wissen wollte, bevor er zu April fuhr. April und Jonas hatten ihn gestern besucht und waren zum Abendessen geblieben. Während sich die beiden Erwachsenen gut unterhalten hatten, war Jonas neben ihnen eingeschlafen. Fireball hatte ihn in sein Schlafzimmer getragen, ihn dort in sein Bett gelegt, damit sie ihn nicht versehentlich weckten. Sie waren den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen, deshalb war Jonas noch vor der üblichen Zeit eingeschlafen. Fireball und April hatten sich noch einige Stunden im Wohnzimmer um die Ohren geschlagen, bevor der Rennfahrer die beiden nachhause brachte. Und dementsprechend hatte die Wohnung an diesem Morgen ausgesehen. Nach langer Zeit hatte sie wieder mal bewohnt ausgesehen, wie Fireball beim sporadischen Frühstück bemerkt hatte. Er war ansonsten immer alleine hier gewesen und das einzige, was an gebrauchtem Geschirr normalerweise in der Spüle stand, waren eine Kaffeetasse und Gläser. Zum Essen war Fireball nämlich grundsätzlich ausgegangen. Aprils Wohnungstür war nicht abgeschlossen, also trat er ein, nachdem er geklingelt hatte. Fröhlich grüßte er in die leere Wohnung, während er sich die Schuhe am Eingang auszog: „Hey, April!“ Stirnrunzelnd trat Fireball in die Küche, als April ihm nicht geantwortet hatte. War sie etwa grad nicht da? Er klopfte an der geschlossenen Küchentür und trat ein. April saß am Küchentisch, eine Zeitung aufgeschlagen und las einen Bericht, der ihr offenbar um diese Uhrzeit auch noch nicht gefiel. Denn ihr Gesichtsausdruck war wütend. Wenn Fireball es nicht besser gewusst hätte, hätte er behauptet, sie war so sauer, weil ihre Lieblingsmannschaft ein Fußballspiel verloren hatte. Aber da April Fußball nicht ausstehen konnte und auch sonst nicht am Sport interessiert war, wunderte er sich, weshalb sie ausgerechnet über dem Sportteil eine solche Miene zog. Wie selbstverständlich setzte sich Fireball zu April dazu und sprach sie noch mal an: „Hey! Yuma an April… Bist du noch nicht wach?“ Sein spitzbübisches Lächeln gefiel April an diesem Vormittag absolut nicht. Mit einer Hand deutete sie Fireball, den Mund zu halten, während sie auf die andere ihren Kopf stützte und den Bericht zu Ende las. Immer ärgerlicher wurde ihr Gesichtsausdruck und ihr Puls schnellte in die Höhe. Schlussendlich schob sie wütend die Zeitung von sich, direkt zu Fireball hinüber. Sie funkelte ihn an und nörgelte: „Was soll das?!“ „Was soll was?“, unwissend linste Fireball auf die Zeitung hinab. Er verstand kein Wort und vor allem verstand er nicht, weshalb April sauer auf ihn war, er hatte doch nichts gemacht! Nachdem er die Überschrift gelesen hatte und die Fotos überflogen hatte, war Fireball klar, was April aufregte. Auf einem Foto war er zu sehen, wie er Jonas auf dem Arm hielt und April schelmisch anlächelte. Schockiert, weil die Überschrift derart vieldeutig war, vertiefte sich auch Fireball in den Artikel. „Jüngster Weltmeister aller Zeiten nützt die aufgezwungene Rennpause für einen Familienurlaub“ In dem Artikel wurde lang und breit geschildert, was er die letzten Tage gemacht hatte und das dabei immer die hübsche Blondine und deren Kind an seiner Seite gewesen waren. Und natürlich war den Journalisten aufgefallen, dass der kleine Junge verblüffende Ähnlichkeit mit dem Rennfahrer hatte, was sie auf die wildesten Spekulationen brachte. Wegen solcher Geschichten hatte sich Fireball vor Jahren abgewöhnt, eine Zeitung zu lesen. Es hatte ihn immer maßlos aufgeregt, wenn sie wieder eine Geschichte über ihn gedruckt hatten, die teils erstunken und erlogen war. Aber gerade solche Storys brachten die Auflagenzahl zum Explodieren und ein erfolgreicher Rennfahrer verkaufte sich wesentlich besser, als einer, der dauernd aus der letzten Reihe startete und doch nie das Ziel zu sehen bekam. Fireball schüttelte den Kopf und keuchte, ehe er April ansah. Die Blondine riss ihm gleich den Kopf ab, so wütend fixierte sie ihn. Als April gemerkt hatte, dass Fireball den Bericht gelesen hatte, nahm sie die Zeitung vom Tisch und zerknüllte das Papier, ehe sie es in den Papierkorb warf. Sie war stinksauer. Jetzt wusste alle Welt, was Sache war und wenn sie Pech hatte, würde Jonas das auch zu Gesicht bekommen! Aprils Stimme überschlug sich fast: „Verdammt noch mal, macht dir das Spaß, Fireball?! Musst du alles in die Öffentlichkeit tragen?“ Fireball kippte fast vom Stuhl, als April ihn angefahren hatte. Erstens war sie laut wie noch nie zuvor und zweitens dachte sie allen ernstes, dass er das eingefädelt hatte. Aber das hatte er nicht. Fireball musste mit der Presse leben, durch seine atemberaubende Karriere war er direkt ins Rampenlicht gestoßen worden. Und er ging mit den Journalisten so um, wie die meisten aus seiner Branche. Er ignorierte sie und versuchte trotz deren ständiger Anwesenheit sein privates Leben zu leben. Fireball hatte weder gewusst noch gewollt, dass seine ersten Schritte mit seinem Sohn an die Öffentlichkeit gerieten. Aber wie sollte er April davon überzeugen? Er brauchte sie nur anzusehen, da wusste er, dass sie ihn in der Luft zerreißen würde, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte. Unsicher setzte er an: „April, ich wusste nicht-.“ April schnitt ihm das Wort ab: „Lüg mich doch nicht an! Klar hast du das gewusst! Du bist so ein verdammter Idiot, Fireball! Was soll ich Jonas sagen? Soll ich ihm sagen, dass du nicht sein Papa bist, auch wenn alle anderen das behaupten?! Herrgott, du elender Schwachkopf! Was verstehst du an meinen Worten ‚das bleibt unter uns’ nicht?“ April stieg die Zornesröte ins Gesicht, immer mehr regte sie sich darüber auf und ließ sich nicht davon abbringen, dass Fireball das alles gewusst hatte. Immer mehr Schimpfwörter sprudelten aus ihr heraus und alle Schuld lud sie auf Fireball. Der setzte nach einer halben Ewigkeit noch einmal dazu an, sich zu verteidigen. Er unterbrach sie kurzerhand: „Aber ich kann doch gar nichts dafür!“ Verzweifelt streckte er die Hände von sich, deutete auf die zerknüllte Zeitung und hoffte inständig, dass sich April wieder beruhigte. Die Blondine aber dachte nicht daran. Sie war außer sich und Fireballs Verhalten machte es nicht besser. Im Gegenteil, es machte sie noch rasender. Das, was er da sagte, glaubte er doch selbst nicht. Immer noch war April so laut, dass Fireball darauf wettete, dass man sie im Treppenhaus auch noch hören konnte, als sie ihn anschrie: „Verkauf mich doch nicht für blöd, Fireball! Du hast es genau gewusst. Deine scheinheilige Tour kannst du dir verkneifen! Was kriegst du eigentlich dafür? Ich meine, was kriegst du sonst noch dafür, außer einen schönen Imagewandel, der dich in der Beliebtheitsskala wieder nach oben schießen lässt?“, April war felsenfest davon überzeugt, dass Fireball das alles inszeniert hatte. Er hatte sich bestimmt mit dem Käseblatt abgesprochen! Woher hätten die sonst gewusst, wo sie ihn in Yuma suchen sollten? April stand auf, sie wollte und konnte sich nicht beruhigen: „Ziehen die billigen Schlampen in der Zeitung nicht mehr? Du bist so eine linke Bazille, das glaub ich doch einfach nicht!“ Fireball ballte die Hände zu Fäusten und kniff wütend die Augen zusammen. Er keifte sie an, aber im Vergleich zu Aprils Stimme war seine leise und drohend: „Was denkst du eigentlich von mir? Was ich dafür krieg?! Dir sind wohl grade sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Warum sollte ich das tun, warum?!“ Hatte sie denn nicht gemerkt, dass er die Zeit mit Jonas und ihr wirklich genossen hatte? Spürte sie denn nicht, was die letzten Tage in ihm vorgegangen war? Fireball hatte keine Sekunde daran gedacht, dass sie nicht unbeobachtet gewesen waren, wie denn auch? Diese Boulevardjournalisten hatten ihre ganz eigenen Methoden, um an Storys ranzukommen. Fireball tat Aprils Unterstellung unheimlich weh, denn er war gerne mit Jonas und ihr unterwegs gewesen. Er hatte es getan, weil er bei ihnen sein wollte, und nicht, weil er mal wieder eine gute Story abseits seiner Erfolge brauchte. April stieß den Zeigefinger in seine Richtung. Was für eine Frage! Natürlich wusste sie, warum er das getan hatte. Sie schnauzte: „Weil du es genießt! Du genießt es in der Öffentlichkeit zu stehen! Und es ist eine prima Gelegenheit, sich dafür zu rächen, dass ich dir von Jonas nichts erzählt hab. Ja, ich hab dir nichts von ihm erzählt, weil ich wusste, dass du uns nicht haben wolltest! Wir passen nicht in dein Leben!“ April hatte viel in den letzten Jahren über Fireball in der Zeitung lesen können. Vor allem über seine Frauenbekanntschaften und es vermittelte ihr den Eindruck, dass Fireball gerne im Mittelpunkt stand. Der Rennfahrer schien im Blitzlichtgewitter aufzublühen, die Journalisten geradezu zu lieben. Schmerzhaft erinnerte sich April an jedes einzelne Gesicht, das einmal neben Fireball auf einem Foto zu sehen gewesen war. Fast wöchentlich hatte er die Frauen ausgemustert und ausgetauscht. Keine war vor ihm sicher. Fireball riss die Augen auf: „Was soll ich?!“, er verstand kein Wort. Aufgrund seiner Ausblendungsstrategie, aus Prinzip einfach keine Zeitung mehr zu lesen, hatte er gar nichts mitgekriegt, was alles über ihn geschrieben worden war. Wie gesagt, Fireball blendete die Presse aus seinem Leben aus, sonst dürfte er sich ja nicht einmal mehr vor die Tür trauen. Er hatte nie gedacht, dass ihm das mal auf den Kopf fallen könnte. Eher war er davon ausgegangen, dass es die Journalisten irgendwann leid waren, ihm hinterher zuschnüffeln. Unwirsch ging er schließlich auf Aprils Anschuldigung ein: „Ich will mich nicht rächen und schon gar nicht dafür. Da hätte ich ganz andere Gründe mich bei dir zu revanchieren und bestimmt viel bessere Methoden! Außerdem ist das für meinen Ruf wesentlich schlechter, als für deinen!“ In dem Artikel war die Vermutung ausgesprochen worden, Fireball würde in absehbarer Zeit einen Rücktritt aus dem Geschäft erwägen und das waren Dinge, die sein Boss bestimmt nicht gerne hörte. Das hatte Fireball mit seinem Ruf gemeint. Sein Job konnte durch einen so blöden Artikel zu wackeln anfangen. Kein Rennstall beherbergte gerne Familienväter, die waren in der Regel vorsichtiger und damit nicht mehr so schnell, wie Junggesellen, auf denen keine Verantwortung ruhte. April, geblendet von Wut und auch Schmerz, giftete Fireball an. Sie dachte an einen ganz anderen Ruf, der Fireball an jeden Ort vorauseilte: „War ja klar, dass dir dein Ruf viel wichtiger ist, du verfluchter Schürzenjäger. Was ist mit Jonas, du verdammter Egoist? Mit dem hat das alles wohl gar nichts zu tun!“ April knallte Fireball so viele Dinge vor den Kopf, die sie ihm all die Jahre schon mal sagen wollte, was sie aber dank ihrer guten Erziehung und ihres Anstandes nie getan hatte. Aber nun ging es um ihren Sohn! Da konnte sie nicht einfach ruhig sitzen bleiben und Fireball auch noch Recht geben. Aprils Worte hatten gesessen. Fireball zog sich das Herz in der Brust zusammen, aber den Triumph gönnte er April nicht. Er fauchte: „Herrgott noch mal, April! Ich weiß, dass es schlecht für Jonas ist. Aber was soll ich denn machen? Ich hab’s nicht geschrieben.“ Die Blondine fühlte, wie ihr das Blut durch die Adern schoss, es begann in Wallung zu geraten. Aber im schlechten Sinne. Sie kochte und brodelte im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr war heiß, der Zorn trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, als sie schrie: „Tu was dagegen! Die können schließlich nicht einfach irgendwas drucken, was nicht wahr ist. Du hast auch ein Recht auf Privatsphäre, aber daran scheint dir nichts zu liegen. Du bist der einzige Sportler, von dem man beinahe jeden Tag was über seine Bettgeschichten lesen kann, und das seit Jahren!“ Gut, da hatte April vielleicht übertrieben, aber tatsächlich hatte sie viel mehr Geschichten über Fireball als über irgendeinen anderen Rennfahrer lesen können. Vielleicht war es ihr aber auch nur nicht aufgefallen, dass auch andere Sportler eher mit privaten Details als mit ihrem Erfolg glänzten. Aber das war April im Augenblick auch egal. Sie war wütend auf Fireball, unendlich sauer auf seine dämliche Einstellung, auf diese Gleichgültigkeit. Dem war alles egal! Ihre Beziehung war ihm egal gewesen und nun war es ihm mindestens genauso egal, wenn Jonas und sie in die Öffentlichkeit gerieten. Sie verfluchte sich, warum war sie nur damals auf Fireball reingefallen? In ihren Augen gab es im Augenblick keinen größeren Idioten in diesem Universum, als den Japaner vor ihr. Fireball konnte auf Aprils Argumente nicht eingehen, was sollte er bestreiten, was er nicht wusste und was, wenn er es sich eingestand, auch noch wahr war? Nun stand auch er wieder auf. Der Rennfahrer lehnte sich mit den Armen gegen den Stuhl und stützte somit seinen Oberkörper ab. Eindringlich sah er April an und versuchte, sie zu verunsichern: „Was willst du denn machen, April? Sie verklagen? …Viel Spaß dabei. Es ist längst geschrieben und gedruckt. Die Leute haben’s gelesen und sich ihren Teil gedacht.“, kurz pausierte er und musterte April. Sie schien genau das, was er gesagt hatte, zu wollen. Entnervt schnaubte er: „Oh, bitte! Sei doch nicht so naiv und blauäugig, April!“ Er hielt sich dabei die rechte Hand vor die Augen, das konnte er kaum glauben. Alleine, wenn er an die Bilder in dem Artikel dachte, musste Fireball den Kopf schütteln. Die sprachen eine eindeutige Sprache, die Ausführungen der Reporter waren nur schmückendes Beiwerk. Was wollte April daran dementieren oder verklagen? Die Leute hatten sich längst eine Meinung darüber gebildet, egal ob April oder er was dagegen unternahmen. Es war zu spät, viel zu spät. „Naiv?!“, April kreischte angegriffen auf: „Ich bin nicht naiv! Hier geht es um das Wohl meines Sohnes, das du spielerisch in den Wind schießt, wenn du zulässt, dass jeder was über ihn lesen kann! Jeder wird sehen, dass er der Sohn eines schamlosen Schwerenöters ist. Du ruinierst sein Leben damit.“ Keuchend richtete sich Fireball auf. April wurde immer mehr zu einer richtigen Giftspritze, wie er am eigenen Leib zu spüren bekam. Er wusste, was sie vorhatte, aber das konnte sie sich gleich wieder aus dem Kopf schlagen: „Dein Sohn? Plötzlich ist er wieder dein Sohn, weil irgendwas nicht so gelaufen ist, wie es sollte! Dafür kannst du ihn mir nicht wieder wegnehmen. Es war verflucht noch mal nicht meine Schuld. Das kannst du nicht machen, April. Ich warne dich!“ Zwei funkelnde Schlitze glühten April an, während er sich drohend vor ihr aufbaute. Fireball schnaubte wie ein Dampfross, alles was Recht war, aber sie durfte ihm Jonas nicht wieder verbieten! Er wollte ihn nach wie vor sehen, ihm ein Vater sein. Es war Fireball im Moment das wichtigste überhaupt in seinem Leben. Da hatte er endlich eine sinnvolle Aufgabe, einen Grund, sein Leben in den Griff zu kriegen, und April verbot es ihm. April gab nicht nach. Auch sie plusterte sich auf und stieß ihm die flache Hand gegen die Brust: „Du warnst mich?“, sie hatte vor Fireball keine Angst, niemals! Danach stieß sie Fireball unsanft Richtung Tür und fuhr ihn an: „Verschwinde! Bilde dir nicht ein, dass du hier noch einmal aufzutauchen brauchst. Lass Jonas und mich in Ruhe.“ Fireball trat nur einen Schritt zurück, ans Gehen dachte er gleich gar nicht. Er riss die Arme in die Höhe und blaffte April ziemlich lautstark an: „Was willst du Jonas denn sagen? Dass wir uns wegen so einem Blödsinn nicht mehr sehen?“ Oh ja, er wusste, dass Jonas ihn mochte und vielleicht brachte das April zur Vernunft. Aber weit gefehlt. Die Blondine wollte Fireball nicht mehr sehen und sie versuchte alles, um ihn aus der Wohnung zu bekommen. Er brauchte ihr nicht zu drohen und was sie Jonas erzählen würde, war auch nicht sein Problem! April hatte erkannt, dass auch Fireball Jonas in sein Herz geschlossen hatte. Sie würde ihm sein Herz aus Stein aus der Brust reißen. Er sollte sehen, wie höllisch weh es tat, verletzt zu werden. Er schien damit ja noch keinerlei Erfahrung gemacht zu haben. April setzte sich wieder auf den Stuhl. Schnippisch begann sie: „Du kannst deine Pflichtgefühle stecken lassen, Matchbox.“, sie sprach seinen Spitznamen so abfällig aus, dass ihr dabei selber fast Angst und Bange wurde. Sie war eine verletzte Frau und nur deshalb griff sie zu diesem Mittel. April wusste, dass es weder fair noch schön war, aber auch sie hatte Recht auf ihre Rache. Sie zuckte mit den Schultern: „Jonas ist nicht dein Kind. Sein Dad ist bloß auch so einer wie du gewesen.“ Fireball blieb das Herz bei Aprils Worten stehen. Bloß? Sie ging damit viel zu weit, weil es Fireball tatsächlich das Herz aus der Brust riss. Er liebte Jonas, er war sein kleiner Junge. Und er verkraftete den Gedanken nicht, dass April nicht treu gewesen sein konnte. Er hatte sie geliebt. Er hatte sie mit Haut und Haaren geliebt und sie niemals betrogen. Sie durfte ihm das nicht angetan haben. Das war das schlimmste, was jemals passieren konnte. Er atmete schwer aus, er durfte April nicht sehen lassen, wie es ihm gerade den Boden unter den Füßen wegzog. Im Augenblick war es wesentlich schlimmer für ihn, dass April ihn betrogen haben könnte, als dass Jonas nicht sein Kind war. Fireball keuchte aufgebracht: „Ich hab dir doch viel zu weh getan, als dass du mit einem ins Bett steigen kannst, der mir auch nur im Entferntesten ähnlich sieht!“, da war sie wieder, die Wahrheit, die sich keiner eingestehen wollte und die niemand aussprach. Die nächsten Minuten würden hässlich, das spürte Fireball. Die nächsten Minuten würden beide in ihrem unglaublichen Zorn den anderen noch mehr verletzen, als sie es damals schon getan hatten. Fireball tobte: „Nie im Leben könntest du dich noch mit einem wie mir einlassen, das weiß ich. Also lüg mich nicht an, April!“ „Was du nicht alles weißt.“, April schenkte ihm ein kühles, beinahe grausames, Lächeln. Unbeirrbar fuhr sie dabei fort, Fireball seine Worte und Taten heimzuzahlen: „Vielleicht hat er mich nachts getröstet, wenn du wieder mal wochenlang nicht da warst. Noch lange bevor du Manns genug warst, die Beziehung zu beenden.“ Kreidebleich hielt Fireball in seiner Bewegung inne. Sie hatte es tatsächlich getan! Instinktiv griff er nach dem Gegenstand, der ihm am nächsten stand. Er musste sich irgendwo festhalten. Fireball stieß die Luft unregelmäßig aus, diese Worte taten mehr weh, als alles andere zusammen. Was hatte er ihr nur getan? Unfähig, das Bild, das sich gerade in seinem Kopf von April und einem anderen Kerl manifestierte, zu verdrängen, flüsterte er: „Das ist nicht wahr. Sag, dass das nicht wahr ist, April!“ Triumphierend verbreiterte sich Aprils Grinsen. Hoffentlich tat es auch nur annähernd so weh, wie es den Anschein hatte. Sie wünschte es Fireball in diesem Moment. Sie wünschte es ihm mehr als alles andere. Wenn sie ihn schon nicht mit der Wahrheit dazu brachte, endlich katholisch zu werden, dann vielleicht mit einer Lüge diesen Ausmaßes. Dass er aber damit bewies, wie sehr er sie eigentlich geliebt hatte, sah April in diesem Moment nicht. Fireballs Weltbild hatte sich gerade den Bach hinunter verabschiedet. Er hätte alles darauf gewettet, dass April eine treue Seele war. Aber das war sie nicht gewesen. Fireball schluckte schwer und gestand: „Das hätt ich nie von dir gedacht.“ Gleichgültig hob April die Schultern: „Ich hätte auch so vieles nicht von dir gedacht und trotzdem hast du’s getan.“, ernster und bitter enttäuscht erklärte sie: „Ich hätte zum Beispiel niemals gedacht, dass dir unsere Beziehung nichts wert war. Kaum vier Wochen, nachdem du dich von mir getrennt hattest, hast du schon alles flachgelegt, was nicht schnell genug auf der Flucht war.“ Da war wieder die Verbitterung in Aprils Worten. Sie hatte so viele Nächte wach in ihrem Bett gelegen und gehofft, dass alles nur ein böser Traum war. Aber sie war nie daraus aufgewacht. Fireball hatte wirklich alles so extrem ausgelebt, wie es in der Zeitung gestanden hatte. Sie wusste es nicht besser und es hatte sie tief enttäuscht. Sie war ihm nichts wert gewesen. Sie war eine von vielen für ihn gewesen und all das ließ sie ihn jetzt büßen. Wiederum verbat sie ihm den Kontakt zu Jonas, ein weiteres Mal stieß sie ihm ein Messer in die Brust, als sie ihm sagte, dass sie sich mit einem anderen Japaner vergnügt hätte, während er nicht zuhause gewesen war. Natürlich war es erstunken und erlogen, doch April wollte Fireball leiden sehen. Sie wollte sehen, wie ihm sein verdammtes, unbeschwertes Lächeln verging. Irgendwann fand Fireball allerdings die Kraft, sich gegen April wieder zu wehren. Er hatte ihr lange genug zugehört und zusehen müssen, welche Freude es ihr bereitete, seinem Herzen beim Brechen zuzusehen. Als sie ihm ein weiteres Mal unter die Nase hielt, dass er Jonas nicht mehr sehen durfte und dass sie offenbar keine nette Abwechslung zu den Boxenludern war, weil er sonst sicherlich öfter nachhause gekommen wäre, fuhr Fireballs Hand nach hinten. Er hatte ausgeholt, doch zuschlagen konnte er nicht. Er hätte April niemals schlagen können, egal, was sie auch immer sagte. Gefährlich zischte er: „Halt den Mund! Halt endlich den Mund, April!“ Erschrocken drehte April den Körper von Fireball weg. Ohne darüber nachzudenken, hielt sie die Hände vors Gesicht. Als sie aber keinen Schlag verspürte, ermutigte sie das, aus ihrer Deckung wieder aufzutauchen. Fireball hatte sich nicht getraut, er würde eine Frau nie schlagen. Wieder mutiger und vor allem herausfordernd, sah sie ihm in die braunen Augen: „Was? War das ein bisschen zu nahe an der Wahrheit, dass du mich neben deinen Gespielinnen im Rennzirkus gehalten hast?“ Jetzt unterstellte sie ihm auch noch die Untreue! Das schlug dem vollen Fass den Boden aus. Fireballs Hand schnellte auf den Tisch hinunter. Es knallte, dass April beinahe Angst hatte, der Tisch könnte Schaden genommen haben. Wutentbrannt schrie Fireball. Auch er konnte ihr wehtun, das Spiel konnte man zu zweit auch spielen: „Das war ungefähr so nahe an der Wahrheit, wie meine Gefühle für dich echt waren!“ In diesem Augenblick war aus dem Spiel für April wieder bitterer Ernst geworden. Sie wusste, dass er nicht untreu gewesen war. Das wiederum hieß allerdings auch, dass er sie gerade nicht angelogen haben konnte. Fireball hatte sie nie geliebt! Auch, wenn April diese Befürchtung selbst oft gehabt hatte, die Bestätigung von Fireball zu erhalten, war ein kleiner Weltuntergang. Sie hatte ihn geliebt, sie hatte die Zeit mit ihm genossen, aber er nicht. Aprils Augen füllten sich mit Tränen. Sie stammelte: „Ich wusste es. Als du mir befohlen hast zu gehen, da hab ich gewusst, dass du mich nicht liebst.“ Im nächsten Moment tat es Fireball wieder leid, April angeblafft zu haben. Aber es war ohnehin zu spät und er würde jetzt bestimmt nicht zurückstecken. Dafür war er viel zu stur. Und dafür war er viel zu aufgebracht. Er herrschte sie an: „Ach, denk doch, was du willst!“ April wies abermals auf die Tür. Fireball sollte endlich gehen, bevor sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Ohne ihn anzusehen, befahl sie: „Geh. Und wage es ja nicht, hier noch einmal aufzutauchen.“ Der Körper des Rennfahrers drehte sich tatsächlich Richtung Tür. Aber er war fest entschlossen: „Ich werde mir Jonas von dir nicht verbieten lassen, das verspreche ich dir.“ Trotzig kam es von April: „Er ist nicht dein Sohn.“ Aber es klang wenig überzeugend, denn Aprils Stimme erstarb beinahe. Jeden Moment würde sie heulend am Tisch zusammenbrechen, warum ging er nicht endlich? Mit zornig funkelnden Augen fuhr Fireball noch einmal herum: „Das werden wir ja sehen! Ich lass mich von dir nicht anlügen, April. Und wenn wir uns im Guten nicht einigen können, dann verspreche ich dir, sehen wir uns vor Gericht wieder.“ Es war Fireball todernst. Er würde um Jonas kämpfen, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. „Turbo.“ Fireballs Herz war geradewegs in tausende winzige Teile zersprungen, als er Aprils flehende und unendlich traurige Stimme gehört hatte. Aber er war zu stolz und viel zu stur, als dass er nun wieder zu ihr hingehen könnte, und sie tröstend in den Arm nahm. Demonstrativ drehte er sich von ihr weg, schloss die Augen und ballte die Händen zu Fäusten: „Nenn mich nicht so.“ April hatte erkannt, welchen Schaden sie gerade angerichtet hatte. Sie hatte immer vermeiden wollen, dass ein Sorgerechtsstreit vor Gericht ausgetragen wurde, auf dem Rücken von Jonas. Aber mit ihrer Lüge hatte sie Fireball keine andere Wahl gelassen. Todunglücklich, verzweifelt und tränenerstickt hauchte sie ein weiteres Mal: „Turbo... Bitte nicht... Tu das nicht.“ Fireball verschwand im Flur der Wohnung. Noch einmal war sein Herz zersprungen, dieses Mal in noch kleinere Teile als zuvor. Er durfte sie bloß nicht ansehen. Fireball wusste, dass es aus und vorbei mit ihm war, wenn er sie auch noch weinen sah. Keifend zog er sich die Schuhe an, ehe er die Wohnungstür aufmachte und klarstellte: „Dann hör gefälligst auf, ihn mir wegnehmen zu wollen!“ Die Tür fiel beinahe aus den Angeln, so schwungvoll hatte Fireball sie zugeschlagen. April brach weinend am Küchentisch zusammen. Was hatte sie nur angerichtet? Was hatte sie getan? Sie konnte sich lange nicht beruhigen. Immer, wenn sie gerade dachte, es würde wieder besser werden, erinnerte sie sich daran, wie schrecklich die Erkenntnis war, dass Fireball sie niemals geliebt hatte. Wieder begann sie zu schluchzen und niemand war da. Niemand war da, der sie in den Arm nahm und sie streichelte. Das Lächeln auf Jonas’ Gesicht wurde immer kleiner, je näher er seiner Mutter an diesem Tag kam. Die letzten Tage hatte sie ihn immer gemeinsam mit Fireball von der Schule abgeholt, heute stand sie plötzlich alleine hier und wartete auf ihn. Skeptisch lief der kleine Junge seiner Mutter in die Arme, um gleich nach der Begrüßung mit der Tür ins Haus zu fallen: „Wo ist Fireball?“ April hatte Stunden gebraucht, um sich endlich wieder zu fangen. Der erste Satz ihres Sprösslings hatte allerdings schon ausgereicht, um ihr wieder die Tränen in die Augen zu treiben. Sie kniete sich zu Jonas hinab und erklärte: „Er hat heute leider keine Zeit, Jonas. Er kommt dich ein andermal wieder besuchen.“ Sie konnte Fireballs Namen nicht aussprechen, es fiel der Blondine schon schwer genug ihren Sohn anzulügen. Die beiden hatten sich ausgemacht, sich niemals anzulügen und nun tat sie es doch. Gerade sie als Mutter dürfte ihm nicht ins Gesicht lügen. Aber es ging nicht anders. April wusste nicht, wie sie ihm hätte erklären sollen, dass sie Fireball rausgeworfen hatte. Verstimmt zog der dunkeläugige Junge die Augenbrauen hoch. Der ganze Tag war seltsam. Seine Schulkameraden hatten ihn in den Pausen gepiesackt und ihn immer wieder gefragt, ob es wahr war, was ihre Eltern über seine Mutter und Fireball in der Zeitung hatten lesen können. Es hatte Jonas verwirrt. Und nun holte ihn seine Mutter wieder alleine von der Schule ab. Jonas verstand die Welt nicht mehr. Wieder fragte er seine Mutter: „Wo ist Papa? Warum ist er nicht mitgekommen?“ April verlor fast das Gleichgewicht. Überfahren schüttelte sie den Kopf und fragte ausweichend: „Wer? Jonas, wen meinst du denn?“ „Fireball!“, Jonas war überzeugt davon, dass die anderen Kinder Recht hatten. Und außerdem wollte er unbedingt einen Papa haben. Nicht nur für sich, sondern auch für seine Mama. Jonas wollte, dass einer kam und seine Mama glücklich machte. Verständnislos erklärte er: „Er ist doch jetzt mein Papa.“ In Aprils Augen stiegen wieder die Tränen auf, die sie die letzten Stunden so erfolgreich hinuntergekämpft hatte. Es hatte keine drei Wochen gedauert, da nannte Jonas Fireball schon seinen Papa. Es brach April das Herz. Es hob ihre Welt aus den Angeln, Fireball war kein Vater für Jonas. Nicht nur, weil er nie da war, weil er nie da sein würde, auch, weil er sie beide nicht haben wollte. April schloss kurz die Augen um sich wieder zu beruhigen. Sie stand tapfer auf, nahm Jonas an der Hand und ging mit ihm vom Schulhof: „Ach, Spätzchen… Fireball ist nicht dein Papa. Er kann doch gar nicht hier bleiben, hier bei uns. Er muss wieder arbeiten gehen.“ Die Erklärung genügte dem kleinen Ebenbild von Fireball überhaupt nicht. Arbeiten gehen musste jeder andere Erwachsene auch. Das wusste Jonas. Alle Eltern seiner Klassenkameraden gingen arbeiten und bei denen waren die Papas alle zuhause. Warum seiner also nicht? Grummelnd blieb Jonas stehen und zog seine Hand unter Aprils hervor. So stur, wie sein Vater sein konnte, funkelte er die Mama an: „Warum?“ „Fireball ist Rennfahrer, Jonas. Er war doch nur zu Besuch hier in Yuma.“, weshalb wollte ihr Kind sie nicht verstehen? Alles andere nahm der kleine Fratz schließlich auch immer als gegeben hin, wenn sie es ihm einmal erklärt hatte. Seufzend fügte April noch hinzu: „Aber er kommt dich ganz oft besuchen, versprochen.“ Wieder griff sie nach der Hand ihres Kindes. Doch der verschränkte trotzig die Arme vor der Brust, beide Hände unter die Achseln geklemmt, damit seine Mutter bloß keine greifen konnte. Er zog einen Schmollmund und stapfte mit dem Fuß energisch auf. Er erzählte seiner Mutter seine Wahrheit, die er gerne hätte: „Er soll da bleiben. Er hat es versprochen!“ „Spätzchen.“, selbst todunglücklich über die missliche Lage, in der sich ihr Sohn befand, flüsterte sie: „Fireball kann nicht da bleiben. Sein Urlaub ist fast vorbei.“ Einfacher konnte sie Jonas nicht erklären, weshalb er den Japaner nicht mehr sehen konnte. April wünschte sich, die Zeit zurückzudrehen. Sie hätte Fireball niemals sagen dürfen, dass Jonas sein Kind war. Sie hätte sich und ihrem Jungen soviel Leid und Kummer erspart. Sie hätte sich noch mal ein gebrochenes Herz erspart. Aber sie war zu blauäugig gewesen, hatte gedacht, dass Fireball dazugelernt hatte, wo er doch von selbst vor ihrer Tür gelandet war. So musste sie Jonas erklären, dass Fireball nicht bleiben würde. Zorn bahnte sich seinen Weg, als April endlich mitbekam, dass Fireball Jonas das Blaue vom Himmel versprochen hatte. Dafür würde er die Quittung kassieren! Jonas gab so schnell nicht auf. Er zupfte seine Mutter am Rock: „Lass uns Fireball besuchen gehen, Mama! Er sagt dir sicher, dass er mir versprochen hat, hier zu bleiben.“ April nützte die Gelegenheit und griff nach der Hand ihres Sohnes. Sie setzte sich in Bewegung und schüttelte heftig den Kopf. Sie würden ganz sicher nicht zu dem alten Ekel gehen. April wollte ihn nicht mehr sehen. Nie wieder. Und schon gar nicht wollte sie, dass sich Jonas noch mehr an ihn gewöhnte, als er es bereits getan hatte. Jonas hatte die Kopfbewegung seiner Mutter gesehen und erkannte die Richtung, in die sie ihn zog. Das war die falsche Richtung! Er wollte nicht nachhause, er wollte zu Fireball. Sofort stemmte er sich gegen seine Mutter, brachte sie somit zum Stehen bleiben. Jonas war nie ein ungehorsames Kind gewesen, deshalb verwunderte es April um so mehr. Die Trotzphase hatten Kinder doch normalerweise mit drei oder vier Jahren. Aufgebracht riss sich Jonas von seiner Mutter los und lief davon. Er schrie wütend: „Ich hasse dich, Mama! Ich will doch nur zu Papa!“ April konnte nicht mehr schnell genug reagieren. Sie bekam Jonas nicht mehr zu fassen und ehe sie sich’s versah, war der Junge im Getümmel der Großstadt untergetaucht. Mit glitzernden Augen rief sie: „Jonas! Jonas bleib da!“ Fireball staunte nicht schlecht, als der Taxifahrer, der ihn gerade aus seiner Wohnung nach unten geholt hatte, seine Fracht preisgab. Verblüfft bezahlte er den Taxifahrer und sah Jonas mit großen Augen an. Das war eine Überraschung. Fireball nahm Jonas an der Hand und brachte ihn zu sich in die Wohnung. Er überlegte fieberhaft, wie der Junge plötzlich zu ihm kam und dann auch noch mit dem Taxi, ohne April. Aber er kam auf keine Lösung. Fireball war von dem Streit mit April immer noch total durch den Wind, er hatte am Bettrand gesessen und versucht, nicht mehr daran zu denken. Aber es war ihm nicht gelungen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, hatte er April mit einem anderen Kerl im Bett herumtollen gesehen. Nun stand er mit dem Kind im Flur und versuchte, die Situation irgendwie in den Griff zu kriegen. Zuerst fragte er nach seiner Mutter, denn der Rennfahrer hatte Bedenken, dass sie überhaupt gewollt hatte, dass Jonas zu ihm kam. Aber nachdem ihm der Kleine versicherte, dass April in der Stadt war und ihrer Shoppingwut frönte, war das Thema auch schon wieder gegessen. Kopfschüttelnd lächelte er, April hatte sich diesbezüglich nicht geändert. Shoppen war immer noch ihre Seelenkur. Fireball nahm Jonas den Schulranzen ab und setzte sich mit ihm ins Wohnzimmer. Er stellte ihm ein Glas Saft vor die Nase und runzelte die Stirn: „Wann kommt sie dich wieder holen?“ Der kleine Junge rutschte auf dem Sofa umher, es war wohl nicht so unwahrscheinlich, dass April jeden Moment auftauchen konnte. Er wollte seine Mama aber nicht mehr sehen. Immerhin wusste er, dass es Ärger, großen Ärger, geben würde, weil er einfach weggelaufen war. Unschuldig wich er aus: „Wenn sie mit einkaufen fertig ist.“ Breit grinsend lehnte sich Fireball zurück: „Na, das kann noch eine Weile dauern!“, nach einem kurzen Blick zur Uhr wusste er, dass es mindestens noch bis Sonnenuntergang dauern konnte, ehe April ihren Jungen abholte. Sie würde es wohl ausnützen, wenn sie ungestört einkaufen gehen konnte. Fragend richtete Fireball seine Augen auf den kleinen Mann, der er es sich auf dem Sofa bereits bequem gemacht hatte und neugierig das Wohnzimmer betrachtete. Überall in dem Zimmer standen Pokale, Fotos und kleine Rennautos. Von Blumen, welche seine Mama in großer Zahl im Fenster stehen hatte, war in Fireballs Wohnung gar nichts zu sehen. Das verwunderte Jonas, weil doch alle gerne Blumen in der Wohnung hatten. Zumindest wusste er es nicht besser und außerdem kannte er bis jetzt nur Haushalte, die viele Blumen und Pflanzen beherbergten. Schulterzuckend begutachtete Jonas die vielen kleinen Autos. Da fiel ihm wieder ein, was Fireball ihm versprochen hatte. Mit großen, unschuldigen und vor allem treu dreinblickenden Kinderaugen fragte er: „Du, Fireball? Können wir heute schon Go-Kart fahren gehen?“ Mit leicht roten Ohren, weil seine Gedanken in dem Augenblick so eindeutig gewesen waren, stand Fireball auf und nickte: „Klar, Champ! Ich kenn den Besitzer der Bahn ganz gut, da lässt sich bestimmt ein Weg finden, ein paar Runden zu drehen.“ Fireball hatte sich gerade dabei ertappt, dass Jonas vielleicht doch seiner war. Immerhin, und das war bei der Frage von ihm deutlich geworden, hatte sein kleines Ebenbild auch Benzin im Blut, zumindest ein bisschen. Die beiden standen also auf und zogen sich an. Während sich Fireball die schwarze Jacke umlegte, begutachtete Jonas ein kleines Modellauto, das im Flur auf einer Kommode stand. Weil er es aber nicht gut sehen konnte, stieg er auf die Zehenspitzen und hielt sich an einer Schublade fest, die auch prompt nachgab und aufging. Verdattert gingen die Augen der Bewegung nach, Jonas hatte nicht damit gerechnet, dass sie nachgeben würde, und schauten direkt auf ein Foto von seiner Mama und Fireball. Von nun an war das Auto nebensächlich. Jonas griff nach dem Foto und drehte sich zu Fireball um. Das musste ihm sein neuer Freund erklären. Weil Fireball gerade nach dem Wagenschlüssel am Schlüsselbrett griff und Jonas nicht beachtete, zupfte er kurzerhand am Hosenbein und fragte: „Du? Warum küsst ihr euch da? Du und Mama.“ „Wie bitte, was?“, Fireball wäre beinahe tot umgefallen, so hatte er sich bei dieser Frage erschrocken. Was meinte der kleine Dreikäsehoch? Und wie um alles in der Welt kam er auf so eine Frage? Die braunen Augen blickten zu Jonas hinab und danach ungläubig auf das Foto, das ihm der Junge unschuldig lächelnd entgegen hielt. Wie war Jonas an das Bild gekommen? Die Augen wanderten weiter und entdeckten des Rätsels Lösung: Die offene Schublade. Noch ehe Fireball irgendwas hätte sagen können, bekam er in einer kindlichen, simplen Weise erklärt, was Jonas daraus ablesen konnte: „Wart ihr mal zwei Verliebte?“ Gerne hätte Fireball dem kleinen Knirps die Wahrheit gesagt, denn das Bild sprach eine so eindeutige Sprache, dass Lügen ohnehin keinen Sinn machte, aber er hatte es April versprochen. Und egal wie wütend, sauer oder verletzt er auch war, Fireball konnte dieses Versprechen nicht einfach ignorieren. Der Rennfahrer nahm Jonas das Bild aus der Hand und lächelte ihn unschuldig an: „Wir waren gute Freunde, deine Mama und ich.“ War zwar nicht gelogen, aber im Angesicht dieses Fotos auch nicht die Wahrheit. Fireball tat es weh, Jonas anzuflunkern, aber noch mehr Streit mit April wollte er auf keinen Fall riskieren. Sie würde ihn lynchen, wenn der kleine Mann vor ihm ausplauderte, dass Fireball ihm gesagt hatte, er wäre sein Papa. In wenigen Tagen würde er ohnehin wieder weg müssen, der Urlaub war fast vorbei und nach dem Zoff heute morgen wusste Fireball, dass er in der Wohnung der Blondine nicht mehr aufzutauchen brauchte und gefälligst wieder sein altes Leben führen sollte. Aber Fireball konnte das nicht. Sein Blick wurde immer trauriger, je länger er Jonas ansah. Er konnte nicht mehr einfach gehen und so tun, als wäre das ein Urlaub wie jeder andere auch gewesen. Jonas’ Augen wurden immer enger, sein Blick verfinsterte sich mit jeder Sekunde, die ihm Fireball auswich. Er wusste es besser, sein Freund log ihn an. Besserwisserisch, aber vor allem mit der kindlichen Gewissheit, dass manche Dinge nur Verliebte taten, stellte er klar: „Du flunkerst! Colt und Robin halten sich auch oft so im Arm wie du und Mama da und die sind zwei Verliebte! Deswegen hat Robin jetzt auch so einen großen Bauch.“ Fireballs Augen blickten traurig auf das Bild, als er den Kopf schüttelte und Jonas noch einmal versicherte: „Auch Freunde können sich so umarmen, Kleiner.“ Und wieder hatte er gelogen. Fireball zog sich das Herz in der Brust zusammen. Niemals hatte er April so im Arm gehalten, wie auf dem Bild, als sie nur Freunde gewesen waren. Obwohl er selbst wusste, wie unklug es war, auf das Foto zu schauen, Fireball linste trotzdem kurz darauf. Es hatte mindestens so lange in der Schublade gelegen, wie er seine Gefühle vergraben und weggesperrt hatte. Nämlich Jahre. Er hatte sie geliebt, das war für Fireball so sicher wie das Amen im Gebet, aber er hatte nie gewusst, wie er mit seinen Gefühlen für sie umgehen sollte, hatte Probleme damit gehabt, sich auf sie einzulassen. Daran war die Beziehung zerbrochen. Fireball schluckte schwer, denn nach dem Zoff von heute morgen schob sich ihm beim Anblick dieses Bildes die Frage in den Kopf, ob sie ihn zu diesem Zeitpunkt schon betrogen hatte. „Nein, tun sie nicht!“, die Miniaturausgabe des Sturkopfes war felsenfest von dem überzeugt, was er schon gesehen hatte und was er wusste. Sogar seine Mutter hatte ihm einmal gesagt, dass sich nur zwei, die sich sehr lieb hatten, so im Arm hielten und sich so ansahen, wie es Robin und Colt immer wieder taten. Da brauchte ihm sein neu gewonnener Freund nicht das Gegenteil zu erzählen. Die Gedanken des Jungen gingen aber noch weiter. Wenn sich so nur zwei Verliebte im Arm hielten und das taten, was auch Colt und Robin taten, dann mussten auch Fireball und seine Mama das getan haben. Unvermittelt stupste er Fireball wieder an und fragte: „Hast du Mama auch einen großen Bauch gemacht?“ Fireball blieb der Mund offen stehen und auf den Autoschlüssel in seiner Hand hatte er auch für einen Moment vergessen. Die Schlüssel landeten laut scheppernd auf dem Fliesenboden. Der Rennfahrer suchte nach Worten, am besten nach einer Antwort, aber er konnte in dem Moment gar nichts sagen. Er fühlte sich lediglich ertappt und erwischt. Verdattert stammelte Fireball schließlich: „Ob ich…? Wie kommst du denn bloß darauf?“ Passierte das etwa nur bei Robin und Colt? Jonas wünschte sich nichts sehnlicher als einen Papa und am liebsten einen wie Fireball. Aber sein Wunsch schien sich nicht zu erfüllen. Aus irgendeinem Grund hatte seine Mama beschlossen, den Freund, bei dem er im Flur stand, wegzuschicken. Sonst hätte er ihn doch heute genauso wieder aus der Schule abgeholt. Warum wollte seine Mama nicht, dass Fireball sein Papa war? Die dunklen Augen füllten sich mit Tränen und der Gesichtsausdruck von Jonas wurde unendlich traurig. Er krallte die Hände in seine Hosen und murmelte: „Aber das passiert bei Verliebten. Und ich… ich möchte doch so gerne, dass du mein Papa bist und bei mir und Mama bleibst.“ Fireball kniete sich zu Jonas hinunter. Der Japaner wäre am liebsten gestorben, es war schrecklich, den kleinen Wildfang weinen zu sehen. Denn Jonas weinte nicht, weil er verärgert oder sauer über etwas war, er weinte, weil sein sehnlichster Wunsch zerplatzte. Fireball sah sich selbst in Jonas. Auch er war ein Kind gewesen, das sich einen Vater gewünscht hatte. Es brach Fireball das Herz. Er schloss Jonas in seine Arme und erklärte ihm: „Ich wäre gern dein Papa, Jonas. …Ehrlich …Aber.“, auch Fireballs Augen füllten sich mit Tränen. Er hatte April versprochen, es Jonas nicht zu sagen. Und er durfte sie nicht noch wütender machen, er wollte sie nicht noch wütender machen. Weinend schlang Jonas seine Arme um Fireballs Hals. Er schob sich an Fireball und hielt sich an ihm fest. Unglücklich schluchzte der Kleine: „Bitte sag, dass du mein Papa bist, bitte.“ Es war sein sehnlichster Wunsch, Jonas wollte einen Papa für sich und seine Mama. Fireball schloss die Augen und drückte Jonas. Er hatte doch einen Vater! Der Rennfahrer strich dem kleinen Jungen beruhigend über den Rücken, hielt ihn fest. Er war sich sicher, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Er konnte Jonas nicht sagen, dass er einen Vater hatte, dass sein Vater vor ihm kniete. Es tat Fireball so unheimlich weh. Er sah den Jungen leiden, weil er vor Jahren die falsche Entscheidung getroffen hatte. Fireball durfte der simplen Bitte von Jonas nicht nachgeben, obwohl er gerne einfach nur genickt hätte und Jonas bestätigt hatte, was sein Herz schon lange wusste. Der Rennfahrer konnte fühlen, dass Jonas die Antwort auf all seine Fragen im Herzen trug. Tapfer schüttelte Fireball den Kopf und log ein weiteres Mal: „Das kann ich nicht, Kleiner. …Glaub mir, deine Mum findet einen besseren Dad für dich, einen besseren als ich es jemals sein könnte.“ Fireball schluckte die Tränen hinunter, aber sein Herzschlag schien ihn zu verraten. Jonas drückte sich immer mehr an ihn, schlang seine kleinen Arme immer fester um Fireball. Auch Jonas schüttelte seinen Kopf, seine Tränen versiegten allmählich wieder. Er glaubte fest daran, dass es wahr wurde, wenn er es sich nur genug wünschte. Und Fireball wollte doch sein Papa sein. Er musste nur Mama davon überzeugen. Neuer Mut flammte in Jonas auf, als er murmelte: „Ich will aber keinen anderen. …Fireball, bitte.“, Jonas richtete sich auf und sah dem großen Asiaten in die Augen. Seine großen braunen Augen waren vom Weinen ganz rot und immer noch mit Tränen gefüllt. Jonas ließ die Schultern hängen und flüsterte: „Papa.“ Das war eindeutig der Gnadenstoß gewesen. Heute Morgen die Beichte von April, dass sie ihm nicht treu gewesen war und jetzt auch noch die Worte von Jonas hören zu müssen. Fireball wechselte von der hockenden Position in die sitzende. Traurig setzte er sich im Schneidersitz mit dem Rücken zur Tür und zog Jonas zu sich auf den Schoß. Gerade, als er dem kleinen Jungen mit den braunen Haaren erklären wollte, dass Fireball niemals sein Vater sein konnte, weil er nicht da war und weil April das nicht wollen würde, da stieß die Blondine die Tür mit voller Wucht auf. Sie knallte Fireball die Tür auf den Hinterkopf und den Rücken, weil sie ihn nicht gesehen hatte. Als sie den Widerstand spürte, ließ April die Tür sofort los. Aufgebracht und ohne Begrüßung trat sie ein und erkundigte sich: „Wo ist Jonas?“ Der Junge sprang sofort auf und winkte seiner Mutter unschuldig grinsend. Fireball hielt sich den Kopf und stand ebenfalls auf. Das tat höllisch weh, die Türkante war härter als sein Sturkopf gewesen. Grummelnd deutete Fireball auf Jonas: „Da. Wo soll er sonst sein?“ Nachdem der Vormittag schon nicht so gelaufen war, wie er hätte sollen und Jonas zu Mittag auch noch abgehauen war, war Aprils Stimmung schlecht wie selten zuvor. Sie hatte vor Angst um Jonas schon die wildesten und abwegigsten Gedanken im Kopf gehabt. Ihr Herz war schwer und überladen mit Emotionen und Gefühlen, die Fireball verursacht hatte. April war an diesem Tag schon alles gewesen, von sauer und aufgebracht, über todtraurig und verzweifelt bis hin zu ängstlich und verunsichert war alles dabei gewesen. Auch ein Gefühl, das sie lange Jahre nicht gespürt hatte, war dabei gewesen. Und das war das schlimmste von allen gewesen. April hatte erneut erlebt, wie ihr Herz in Stücke gerissen worden war und das war etwas gewesen, was sie nie mehr hatte erleben wollen. Gereizt reagierte sie deshalb auf Fireballs Aussage: „Das sehe ich. Was macht er hier?“ Sie war zwar erleichtert, Jonas wohlbehalten und gesund wieder zu finden, aber sie war sauer, weil sie ihn ausgerechnet bei Fireball gefunden hatte. Jonas hätte doch genauso gut zu Colt oder zu ihrem Vater laufen können, oder auch zu Saber, aber er war hierher gelaufen. Instinktiv war Jonas zu dem Mann gelaufen, der ihm eigentlich ein Vater sein sollte. April schnaubte bei dem Gedanken, dass Fireball kein Vater war. Der Rennfahrer hatte in Windeseile wieder eine meterdicke Mauer um sich herum aufgebaut. Bevor April gekommen war, hatte er sich unglaublich schlecht gefühlt, vor allem deswegen, weil so viele Gefühle wieder an die Oberfläche gekommen waren, die Fireball nicht zuordnen konnte. Aber kaum war April hereingekommen, war das alles wieder gut verschlossen und unter einer dicken Schicht Gefühlskälte und Zorn versteckt. Fireball brummte: „Du hast ihn doch zu mir geschickt. Hast du etwa schon in so jungen Jahren Alzheimer?“ April griff nach Jonas’ Hand und lotste ihn ins Wohnzimmer. Er sollte sich aufs Sofa setzen und mit den Hausaufgaben anfangen, während sie mit Fireball noch etwas zu besprochen hatte. Die Blondine war auf Fireball nicht gut zu sprechen und sie würde ihm jetzt eine Lektion erteilen, aber Jonas sollte nicht dabei sein. Ihr Kind sollte nicht sehen, wie grob und verletzend Erwachsene sein konnten, es gehörte sich nicht, vor Kindern laut zu werden und zu streiten. Und April kannte Fireball. Der würde garantiert auch neben Jonas laut werden und mit Wörtern aufwarten, die nicht für die Ohren von kleinen Kindern geeignet waren. Nicht ganz ohne Widerworte ließ sich Jonas im Wohnzimmer nieder. Aber er begann nicht mit den Hausaufgaben, das brauchte seine Mama gar nicht zu glauben. Er schlich stattdessen lieber zur geschlossenen Tür und lauschte. Jonas wollte unbedingt wissen, was seine Mutter und Fireball zu bereden hatten. Während sich Fireball die Jacke wieder auszog, es war ihm klar, dass das Go-Kart Fahren gestrichen war, verschränkte April die Arme vor der Brust und funkelte Fireball an. Sie wartete noch geduldig, bis der Chaot auch seine Schlüssel vom Fußboden aufgehoben hatte, ehe sie sauer begann, ihn anzufahren: „Alzheimer? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich Jonas noch zu dir schicke, nach allem, was passiert ist? Also, spuck’s schon aus, Fireball. Wie kommt er zu dir in die Wohnung? Hast du ihn aufgelesen, als er mir weggelaufen ist?“ Der Rennfahrer hob skeptisch die Augenbrauen. Das roch doch geradezu nach einer Lüge, die ihm Jonas aufgetischt hatte. Seine Intuition hatte ihn also nicht im Stich gelassen, als er seine Bedenken wegen April geäußert hatte. Sie würde Jonas tatsächlich nicht mehr zu ihm lassen, das konnte Fireball aus ihrem Blick einwandfrei ablesen. Er verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die nun geschlossene Wohnungstür: „Er ist was? Zu mir hat er gesagt, du wärst einkaufen und hättest ihn hergeschickt.“ April klopfte mit dem Absatz ihrer Schuhe ungeduldig auf den Fliesenboden, was ein klackendes Geräusch erzeugte. Das war ja ein starkes Stück. Jetzt begann Jonas auch noch zu lügen! So ähnlich sollte er seinem Vater nicht werden, schon gar nicht in dieser Hinsicht. Säuerlich gab sie deshalb von sich: „Das stimmt nicht. Ich musste Jonas leider erklären, dass du ihm falsche Versprechungen gemacht hast.“, wütend stieß sie den Hacken auf die Bodenfliese: „Wie konntest du das nur machen?“ April überlegte kurz, ehe sie fort fuhr: „Er hat dich also angelogen. Ich frage mich, von wem er das wohl hat?“ April verdrängte geschickt, dass sie ihren Sohn zuerst belogen hatte, denn immerhin war das eine Notlüge gewesen. Und der Japaner ihr gegenüber log schließlich dauernd, dass sich die Balken bogen. In ihren Augen war es seine Schuld gewesen. Neuerlich entfachte ein Streit zwischen den beiden. Es ging einfach nicht anders und wieder kamen die beiden schließlich an den Punkt, der sowohl Fireball als auch April schwer zu schaffen machte. Nur blieben die Worte nicht so harmlos. Fireball überkreuzte die Füße, mit den Händen fuhr er sich durch die Haare. April hielt ihm vor, dass er sie dauernd belogen und betrogen hatte, es immer noch tat. Von seinem Versprechen, für Jonas da sein zu wollen, war sie im Null Komma Nix wieder bei einem anderen Thema gelandet. April zischte: „Was soll ich Jonas sagen, wenn du nicht da bist, obwohl du’s ihm versprochen hast? Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass du dich im Rennzirkus wieder mit den billigen Flittchen umgibst, die dir jeden Wunsch von den Augen ablesen und alles mit sich machen lassen. Soll ich ihm sagen, dass du grad keine Zeit für ihn hast, weil du mit deiner neuen Freundin allerhand Stellungen ausprobierst?“ Der hatte gesessen, das musste Fireball neidlos anerkennen. Aber das hieß noch lange nicht, dass er deswegen nichts mehr zu sagen hatte. Keifend stieß er sich von der Tür ab und trat auf April zu: „Wie wär’s, wenn du mit deiner Argumentation ausnahmsweise mal über der Gürtellinie bleiben würdest? Das hat mit Jonas nichts zu tun! Und wenigstens gehe ich nicht fremd, wenn wir schon beim Thema sind, Fräulein.“ April stieß Fireball von sich, der ihr bis auf wenige Zentimeter herangekommen war. Beißend verschaffte sie sich den nötigen Abstand, um ihn auch weiterhin persönlich anzugreifen und sich all den Frust von der Seele zu schreien: „Ja, toll, was für ein Argument! Du bleibst ja auch bei keiner länger als eine Nacht! Für die Leistung hättest du garantiert einen Orden verdient.“ Sofort umschloss Fireball die Hand von April, die ihn weggestoßen hatte. Alles münzte sie auf ihn um, er konnte es nicht mehr hören. Stocksauer stieß er ihre Hand zurück und keifte: „Ich treib’s wenigstens nicht hinterrücks, Süße. Die Mädels wissen alle, worauf sie sich eingelassen haben. Nur ich hab’s bei dir offensichtlich nicht gewusst.“ Die Tatsache machte Fireball traurig, aber seine Stimme blieb hart. Er würde April nicht zeigen, wie sehr es ihn verletzte, dass sie ihm nicht treu gewesen war. Die Blondine aber verstand kein einziges Wort. Vor Sorge um Jonas hatte sie vergessen, welche Worte an diesem Vormittag gefallen waren und warum sie Fireball schlussendlich aus der Wohnung geworfen hatte. April war ewig in der Stadt umhergeirrt, hatte nach Jonas telefoniert und ihn gesucht. Nein, da hatte sie wahrlich keine Nerven gehabt, auch noch den Streit von heute Morgen in allen Einzelheiten in ihr Gedächtnis aufzunehmen. Verwirrt zog April dieses Mal die Augenbrauen hoch: „Was?“ „Und jetzt ziehst du wieder die Unschuldsnummer ab?!“, Fireball wurde schlichtweg aufbrausend. Zuerst trieb sie ihm das Messer ins Herz und nun stritt sie wieder alles ab? Nicht mit ihm, er ließ sich nicht alles gefallen: „Du enttäuscht mich, April. Nachdem es dir doch vorhin noch solchen Spaß gemacht hat, mir deine kleinen Abenteuer mit einem anderen unter die Nase zu reiben.“ Heiß glühend fiel es April bei Fireballs lautstarken Erinnerungshilfen schließlich wieder ein. Da hatte sie ganz schön was angezettelt. Aber April hatte gerade keine Nerven mehr für die Aufrechterhaltung ihrer Lüge. Gleichgültig gestand sie: „Das war gelogen. Eine Lüge. So wie deine Liebe eine Lüge war.“ Wieder schrieen sich die beiden an, wiesen sich gegenseitig die Schuld zu und blieben bei ihrer Wortwahl nicht immer jugendfrei. April warf Fireball zu guter Letzt ihre Handtasche an den Kopf und tobte wie niemals zuvor. Die beiden standen voreinander und schenkten sich keine Verschnaufpause. April überragte Fireball dank ihrer Highheels ein wenig, was sie ihn auch spüren ließ. Da sie normalerweise annähernd die selbe Größe hatten, standen sie auch im Streit auf der selben Höhe und niemand konnte auf den anderen hinabblicken. Aber nun war April im psychologischen Vorteil. Sie konnte tatsächlich die Augen auf ihn hinab richten und sie zeigte ihm auch in ihren Worten, wie sehr sie ihn erniedrigen wollte. „Mama! Papa! Bitte habt euch wieder lieb, bitte!“, Jonas hatte sich zwischen die beiden Streithähne gedrängelt und richtete seine großen Augen auf April. Der Junge war Streit nicht gewohnt und vor allem hatte er nie erlebt, dass seine Mama laut und zornig wurde. Es machte ihm schlichtweg Angst. Überrascht hob April Jonas auf ihren Arm, sie mussten ziemlich laut gewesen sein, wenn er wieder aus dem Wohnzimmer gekommen war und sie so verunsichert ansah. Die Blondine strich ihrem Spross über die Wange und stellte gleich eines richtig. Jonas sollte nicht auf dumme Gedanken kommen und sich das ‚Papa’ auch noch angewöhnen: „Fireball ist nicht dein Papa, Jonas. Und wie kommst du überhaupt darauf, dass er und ich uns wieder lieb haben sollen?“ Der kleine Junge zappelte und versuchte an das Bild zu gelangen, das hinter April und ihm auf der Kommode lag. April folgte den Bewegungen von Jonas, sie hatte schnell erkannt, dass er ihr was zeigen wollte. Er nahm das Foto in die Hände und hielt es seiner Mutter genau vor die Augen: „Deswegen! Du und Fireball habt euch lieb gehabt. Ihr sollt euch wieder so lieb haben, wie auf dem Bild, Mama, bitte.“ Jonas war zwar von Haus aus ein gut und höflich erzogenes Kind, aber April bemerkte, dass es ihm sehr wichtig war, dass Fireball und sie sich zumindest wieder vertrugen. Ihr Sohn bat selten um etwas so eindringlich. Genauer gesagt, hatte er noch nie so eindringlich und unnachgiebig um etwas gebeten, wie gerade eben. Die Blondine starrte auf das Bild, ihr Blick wurde traurig. Erinnerungen, die sie längst vergessen hatte, drangen nach oben. Sie nahm Jonas das Bild ab und betrachtete es schweigend. Sie musterte die beiden Menschen, die darauf abgebildet waren. Es waren sie und der Rennfahrer gewesen. April sah in die beiden Gesichter, die Stirn an Stirn aneinander lehnten und sich tief in die Augen schauten. Sie war damals so glücklich mit ihm gewesen und April konnte nicht glauben, dass er ihr das alles nur vorgespielt hatte. Sie schloss kurz die Augen, ließ die Hand mit dem Bild nach unten sinken und erklärte Jonas schließlich: „Das ist schon so lange her, Spätzchen. Es ist schon fast nicht mehr wahr.“ Aprils Augen wanderten zu Fireball, der bis jetzt erstaunlicher Weise den Mund gehalten hatte. Er stand vor ihr, die Augen zum Boden niedergeschlagen, er schien zu wissen, was auf ihn zukam. Die Blondine streckte ihm das Bild entgegen: „Wo hat er das überhaupt her?“ Als sie mit Jonas gesprochen hatte, war ihre Stimme warm und liebevoll gewesen, kaum aber hatte sich April an Fireball gewandt, war sie wieder kalt und unnahbar geworden. Ohne sie anzusehen, griff er nach dem Foto und zog es unter ihrem festen Griff hervor. Er schritt an ihr vorbei und legte es zurück in die Schublade. Der Rennfahrer wollte mit ihr jetzt keine Diskussion führen, weshalb er ein solches Foto auch nach so langer Zeit immer noch hatte. Sie würde es nicht verstehen und sie würde deswegen wieder Streit anfangen. April hatte sich in Fireballs Richtung gedreht, als er zur Kommode gegangen war. Neugierig hatte sie in die offene Schublade gespäht. Völlig überrascht stellte April fest, dass das nicht das einzige Foto von ihnen gewesen war, was noch in der Wohnung des Rennfahrers verweilte. In der Schublade lag ein ganzer Stapel alter Fotos, sogar ihre Kette mit dem Kometensplitter lag darin, daneben noch ihr alter Wohnungsschlüssel mit dem Schlüsselanhänger in Form eines kleinen Engels. April hätte niemals gedacht, dass er irgendwas aufbewahren würde, was ihn an sie erinnern könnte. Bei ihrem ersten Besuch gestern hatte sie noch gedacht, alles wäre aus der Wohnung verbannt worden, was an eine Beziehung hätte erinnern können. Sie hatte kein einziges Bild an der Wand oder in der Glasvitrine sehen können. Verständnislos, aber auch verunsichert, deutete April auf die geöffnete Schublade und deren Inhalt: „Weshalb hast du das alles behalten?“ „Ich hätte wohl eher mal aufräumen sollen.“ Fireball schob die Lade wieder zu und lächelte April unsicher an. Genau das hatte er befürchtet. Entweder riss sie ihn nun in Stücke und verhöhnte ihn oder aber sie stellte unangenehme Fragen, die Fireball selbst nicht beantworten konnte. Und zwar würde er sie nicht beantworten können, weil er seine Gefühle nicht offen legen konnte. Seine Gefühle für April gingen niemanden etwas an, am allerwenigsten die Frau, die vor ihm stand und die all diese Gefühle hervor rief. Ausweichend grinste er, vielleicht konnte er die Debatte noch mal in eine lautere Richtung herumreißen: „Weißt du… ich war …zu beschäftigt. Und zwar …mit der …äh Hasenjagd.“ Er log, Fireball log so derart ungeschickt, dass es jedermann aufgefallen wäre. Und so war es auch April ein leichtes, ihn dieser Lüge zu überführen. Man konnte es Fireball an der Nasenspitze ansehen, wenn er log. Die Blondine lächelte leicht. Aber sie war nach wie vor verunsichert. Sie hatte keine Ahnung, woran es lag, aber die Tatsache, dass Fireball alles aufbewahrt hatte, was an ihre gemeinsame Zeit erinnerte, verunsicherte sie. Es passte nicht zu dem, was der Rennfahrer die letzten Jahre gelebt hatte, es passte nicht zu dem, was er ihr gesagt hatte. Kein einziges Mal war in den letzten drei Wochen erwähnt worden, dass er mit der Trennung Probleme gehabt hatte. April wusste nicht, wie sie es einordnen musste. Aber sie wollte Gewissheit. Sie wollte wissen, was es damit nun auf sich hatte und was die Wahrheit war. Hinterlistig grinste April: „Soso, die Hasenjagd…“, sie machte eine kurze Pause und deutete noch einmal auf die Schublade: „Du warst noch nie ein besonders geschickter Lügner, Matchbox.“ Wieder wich Fireball aus. Er schnappte: „Du dafür ein umso grausamerer.“ Es schwang Schmerz in Fireballs Stimme mit, es behagte ihm immer noch nicht sonderlich. Sie spielte mit seinen Gefühlen, wie es ihr gerade passte und wenn er nicht aufpasste, fing sie gleich wieder damit an. Sie hatte die Fotos gesehen, ihre Kette und wenn sie nur halb so klug war wie sonst auch, würde sie verstehen, weshalb das alles dort in der Schublade vor sich hin vegetierte. Dieses Mal richtete April den Blick betroffen zu Boden. Sie hatte wohl einen ordentlich wunden Punkt erwischt. Aber sie hatte nur diesen einen Ausweg gesehen. Sie war doch in dem Moment ebenso verletzt gewesen und hatte kein Bisschen davon in seinen Augen, in seiner Stimme oder seinem Verhalten erahnen können. Ehrlich, aber ziemlich leise, gestand sie: „Weil du mir wehgetan hast, du Esel.“ Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Eher mit einer lautstarken Verleumdung. Deshalb lehnte sich Fireball mit dem Becken und den Händen an die Kommode und stützte sich dort ab. Die Stimmung war wohl wieder ehrlicher zwischen den beiden geworden. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er den Kopf senkte und ebenfalls flüsterte. Er hatte niemals wollen, dass er April Schmerzen zufügte. Das hatte sie nach allem nicht verdient, immerhin war sie die einzige Frau gewesen, die ihm immer wieder Halt gegeben hatte und die für ihn da gewesen war. Er entschuldigte sich in einem aufrichtigen Tonfall bei ihr: „Das wollte ich so nicht.“ Wie so vieles im Leben lag es nicht nur am Tonfall, sondern auch an den Worten selbst. April hatte die Tonlage komplett ignoriert, aber seine Worte hatte sie sich gemerkt. Verstimmt setzte sie Jonas ab und brummte: „Wie hast du’s dann wollen? Wolltest du mich noch mehr verletzen?“ Fireball griff nach Aprils Hand und drückte sie. Er hatte eben gespürt, wie sehr er sie wirklich verletzt hatte und wie traurig sie war. Das hatte er nicht wollen, niemals. Sachte drückte er ihre Hand und erinnerte sie beinahe schüchtern an das, was er ihr einmal versprochen hatte: „Was soll das, April? Ich hab dir überhaupt nie wehtun wollen, das solltest du wissen.“ Aber das reichte April als Entschuldigung nicht aus. Sie war bedrückt, alles wurde ihr plötzlich zu viel. Die Blondine riss sich von Fireballs Hand los, er sollte sie gefälligst nicht anfassen. Sie wusste so schon nicht, was sie denken oder fühlen sollte, seine Nähe und seine Berührungen machten es nicht besser. Eines jedoch fühlte April. Sie fühlte den Schmerz ganz deutlich, den jedes einzelne Wort, jede seiner Taten in ihrem Herzen hinterlassen hatte. April zuckte mit den Schultern und blaffte Fireball zynisch an: „Woher hätte ich das wissen sollen? Du hast mir doch am laufenden Band wehgetan.“, mit Tränen in den Augen fügte sie hinzu: „Du tust es immer noch.“ Gerade eben tat er es wieder. Er brauchte April nur mit diesen braunen Augen anzusehen, da fühlte sie sich ihm schutzlos ausgeliefert. Fireball würde ihr wieder das Herz brechen, sie wieder im Stich lassen, wenn sie ihn brauchen würde. Der Rennfahrer hob den Kopf und musterte April. Was hatte er da bloß angerichtet? Plötzlich erkannte er, dass er nicht der einzige gewesen war, der viele Nächte wach im Bett gelegen hatte. Er war nicht alleine mit seinem Kummer gewesen. Aber der Sturschädel in ihm ließ nicht zu, dass er ihr das gestand. Fireball goss noch einmal Öl ins Feuer, für die Lüge mit dem Fremdgehen sollte sie büßen. Er hob seine Hand leicht und maulte: „Tja, dann würde ich nach reichlicher Überlegung behaupten, wir sind quitt. Du hast dich die letzten Tage kein Bisschen besser verhalten als du es mir gerade vorhältst.“ Aprils Blutdruck schnellte augenblicklich wieder in die Höhe. Sie war bei weitem nicht so grausam gewesen, wie Fireball. Sie hatte ihn nur einmal kurz angelogen, er hingegen hatte ihr seine Gefühle monatelang vorgespielt und sie hingehalten! Fireball war in ihren Augen gerade nicht fair. Niemals würde sie ihm die schlaflosen Nächte und Heulkrämpfe heimzahlen können, das war ein Ding der Unmöglichkeit. Je verletzter April darüber war, desto gemeiner fielen ihre Kommentare aus. Sie hob eine Augenbraue, verschränkte die Arme vor der Brust und wertete Fireball abermals mit ihren Worten ab: „Wie kann man jemanden wie dir überhaupt wehtun? Jemanden, der keine Gefühle hat?“ Es war Aprils völliger Ernst, Fireball hatte keine Gefühle. Er kannte keine Gefühle außer Zorn, was anderes hatte er ihr nie gezeigt. Sie hatte Fireball niemals traurig gesehen, nie spüren können, dass ihm etwas zu schaffen machte. Und gerade eben hatte er ihr noch einen Beweis dafür geliefert. Jeder andere hätte zu den Fotos in der Schublade was gesagt, Fireball nicht. Er hatte sie nur wieder weggeschlossen. „Keine Gefühle, also, ja?“, Fireball kratzte sich an der Stirn. Gerade eben weil er Gefühle hatte, hatte er April niemals vergessen können, hatte ihr Gesicht jeden Abend im Schlaf gesehen. Wenn das nur jemand tat, der keine Gefühle hatte, dann war er tatsächlich gefühllos. Hatte sie die Fotos denn nicht gesehen? Oder wollte sie nicht sehen, dass nicht nur sie manchmal traurig war? Fireball reagierte allergisch auf das Wort ‚Gefühle’, egal in welchem Zusammenhang. Schnaubend riss er deswegen die Schublade wieder auf und warf April die Fotos entgegen: „Denk doch, was du willst!“ Die Wohnzimmertür flog schwungvoll zu und der Rennfahrer verschwand auf der Terrasse. April hatte ihm den Weg zur Wohnungstür verstellt, ansonsten wäre er überhaupt aus der Wohnung gestürmt. Aber an ihr vorbeizurauschen, hatte er nicht fertig gebracht, er ging jeder Konfrontation mit ihr aus dem Weg. April strich Jonas über den Kopf und schickte ihn aus dem Flur: „Geh spielen, Jonas.“ Sie wollte nicht vor ihrem Sohn weinen, das konnte sie nicht. Jonas nickte nur. Er hatte das Schauspiel zwischen seiner Mutter und Fireball verfolgen können, aber er hatte es nicht verstanden. Er war viel zu jung um zu verstehen, was seine Mutter und der Rennfahrer besprochen hatten. Aber eines hatte er sehr wohl kapiert. Fireball und seine Mutter haben sich vor langer Zeit wirklich mal lieb gehabt. Jonas riskierte noch einen Blick auf seine Mama. Mittlerweile kniete sie inmitten der Fotos, die ihr Fireball entgegen geworfen hatte. Sie hob jedes einzelne auf und sah es an. Aber ihr Blick wurde immer trauriger und schließlich fing April hemmungslos zu weinen an. Das war das erste Mal, dass Jonas seine Mutter weinen sah. Und es gab im Augenblick für den Jungen nichts schlimmeres, als die Mama weinen zu sehen. Wenn einer seine Mama trösten konnte, dann Fireball. Er stob davon und suchte in der Wohnung nach seinem Freund. Die blonde Frau heulte sich schon zum zweiten Mal an diesem Tag die Augen aus dem Kopf. Es war schrecklich. All die Fotos und Bilder waren Zeugen einer glücklichen Zeit. Einer Zeit, die lange vorüber war, die niemals zurückkommen würde. Nach und nach hob sie sie auf, schlichtete sie zusammen und hielt sich vor, sich endlich erwachsen zu benehmen. Doch es half nichts. Mit jedem Blick, den sie auf eines der Bilder warf, wurde sie trauriger und verzweifelter. Sie hatte Fireball geliebt, das tat sie immer noch. Und deshalb konnte sie nicht aufhören zu weinen. Ihre Tränen ließen sich nicht zügeln, nicht bremsen. April würde an ihren Gefühlen noch zerbrechen, so schien es ihr jedenfalls. Fireball stand auf der Terrasse und biss sich auf die Lippen. Das war wieder der falsche Weg gewesen, das wusste er. Er hätte April vielleicht irgendeinen Blödsinn sagen sollen, aber ihr ganz sicher nicht die Bilder hinwerfen. Entweder hatte er ihr gerade wirklich noch einmal das Herz gebrochen, oder aber sie sah, wie miserabel er mit ihrer Trennung fertig geworden war. Entweder hatte sie Jonas genommen und war gegangen, oder sie schlichtete die Bilder wieder zusammen und warf mit dem Sohnemann einen Blick in die Vergangenheit. Der Rennfahrer verschränkte die Arme vor der Brust und reckte den Kopf in den Wind. Aber es half nichts. Allerhand Gefühle drängten nach oben und verwirrten ihn. Und sie machten ihn traurig. Fireball bekam Angst, dass er gerade die letzte Chance vertan hatte, um Jonas ein Vater sein zu dürfen. Er hatte neben dem Jungen mit April gestritten, ihn Dinge hören lassen, die man neben Kindern nicht sagte. Seine Chancen standen wohl schlechter als null. „Die Mama weint! …Papa, sie weint.“, Jonas stieß Fireball an, weil er ihn offenbar nicht bemerkt hatte. Sein großer Freund sollte was unternehmen und machen, dass die Mama wieder glücklich wurde. Und Jonas wusste tief in seinem Herzen, dass nur Fireball seine Mama glücklich machen konnte. Traurig, aber nicht überrascht, drehte sich Fireball zu Jonas hinab. Er strich Jonas über den Kopf und sah ihn lange an. Fireball schwieg. Er hätte wissen müssen, dass April weinte, wenn er ihr im Affekt wieder wehtat. Mit einem Trost spendenden Lächeln versicherte er dem kleinen Eagle: „Das geht vorbei, Jonas. …Lass sie fünf Minuten alleine und April hört auf zu weinen.“ Jonas jedoch blieb hartnäckig. Immerhin hatte er etwas gesehen, das Fireball nicht gesehen hatte. Energisch zupfte er an Fireballs rotem T-Shirt und bestand darauf: „Nein, tut sie nicht. Mama hat sich alle Bilder angesehen und immer mehr geweint. …Papa, bitte!“, die großen Kinderaugen bekamen Angst um die Mutter: „Mach, dass sie aufhört. Papa!“ Fireball atmete tief durch, ehe er Jonas hoch hob. Wenn der Rennfahrer eines wusste, dann war es die Tatsache, dass April ihn nicht mehr sehen wollte. Ihm war klar, dass Jonas Angst um seine Mutter hatte, wahrscheinlich hatte er bis zum heutigen Tag niemals gesehen, dass einer so mit April verfuhr, wie es Fireball gerade getan hatte. Es tat Fireball leid, aber er würde noch wesentlich mehr kaputt machen, wenn er nun zu ihr ging. Er setzte Jonas kurzerhand auf einen Stuhl und ging vor ihm in die Knie. Nun waren beide auf gleicher Höhe und Fireball erklärte ihm: „Jonas, wenn ich jetzt zu deiner Mama gehe, weint sie nur noch mehr. Sie will mich nicht sehen, verstehst du?“ Das sah Jonas nicht ein. April mochte Fireball genauso gerne, wie er es tat. Auch, wenn er nicht wusste, warum die beiden sich stritten und weshalb seine Mama genau weinte, aber Jonas wusste definitiv, dass zumindest seine Mama den Rennfahrer lieb hatte. Sie hatte ihn noch nie mit einem Mann von der Schule abgeholt und so viel mit ihm unternommen. Seine Mama hatte Fireball ganz sicher lieb. Aber was war mit seinem Freund, der ihm erklärte, dass es nicht klug wäre, zu April zu gehen. Jonas’ großen, dunklen Augen sahen Fireball fragend an. Er konnte seinen kindlichen Charme schon gut nutzen und er hatte auch schnell gemerkt, dass Fireball ihm eher zuhörte, wenn er ihn ein bisschen traurig ansah. Und da Jonas im Augenblick sowieso traurig war, weil seine Mama im Flur saß und ohne Grund weinte, brauchte er diese Emotion gar nicht erst nachzustellen. Er blinzelte Fireball an: „Hast du die Mama denn gar nicht lieb? Kein bisschen?“ Fireball schloss die Augen und horchte in sich hinein. Was fühlte er noch für die Blondine? War sie noch immer das, was sie früher einmal für ihn gewesen war? Der Japaner legte seinem Sohn die Hand auf den Schenkel und verzog bedrückt das Gesicht: „Ich hab sie sogar sehr lieb, Jonas. Mehr, als du es dir vorstellen kannst. …Aber.“, er seufzte traurig: „Sie hat mich nicht lieb.“ Jonas schüttelte den Kopf und bewies Fireball das Gegenteil: „Doch, sie hat dich lieb, Papa. Ganz fest sogar. Sie hat gesagt, dass du bei uns bleiben sollst.“ Das war zwar nicht die korrekte Wahrheit, aber Jonas war überzeugt davon, dass seine Mama auch wollte, wenn Fireball bei ihnen blieb. Sie hatte es ihm doch quasi gesagt. Der Zweck heiligte die Mittel, das wusste auch der kleine Dreikäsehoch. Und in dem Fall war oberstes Ziel, einen Mann für Mama zu finden und damit auch gleich einen Vater für sich zu bekommen. Fireball stand wieder auf. Mit den Gedanken bei April, fragte er noch einmal: „Hat sie das?“ Der Rennfahrer wand sich zum Gehen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er tatsächlich nach April sehen musste. Es schien ihr wirklich schlecht zu gehen. Er hatte ihr wieder einmal einen Grund zum Weinen gegeben. Fireball war gerade noch wütend und traurig gewesen, aber seit Jonas auf der Terrasse aufgetaucht war, machte sich die Sorge um April in ihm breit. Nach all den Jahren konnte er sie immer noch nicht weinen sehen und er wollte sie nach wie vor glücklich sehen. Ohne auf Jonas noch zu achten, bahnte sich Fireball einen Weg in den Flur. Da saß sie. Weinend und schluchzend, mit einem Stapel Fotos in Händen. Es brach Fireball das Herz, sie so zu sehen. Unbemerkt trat er auf sie zu, kniete sich zu ihr hinab und nahm ihr die Bilder ab. Ohne sie anzusehen, hauchte er: „Ich habe dich immer geliebt.“ Aprils Augen folgten den Fotos, die ihr aus der Hand genommen worden waren. Der Tränenschleier vor ihren Augen ließ sie kaum etwas erkennen. Aber sie hatte gehört, was Fireball ihr zugeflüstert hatte. Weshalb sagte er das? War es nur ein Trick, damit sie sich wieder beruhigte? Fireball stand wieder auf, er schlichtete die Bilder wieder in die Schublade und bedachte sie mit einem unglücklichen Blick. Sie erinnerten ihn daran, wie gerne er immer wieder zu April nachhause gefahren war. Hier war sein Zuhause gewesen, an ihrer Seite. Aber nachdem sie ausgezogen war, war mit ihr auch das Gefühl von Geborgenheit gegangen. In kürzester Zeit waren alle Blumen in der Wohnung verwelkt, weil ihnen die Zuneigung und Fürsorge von April gefehlt hatten. Auch Fireball hatte sich oft so gefühlt, wenn er zuhause gewesen war. Deswegen war er so selten in der Wohnung geblieben, wie es gegangen war. Er war jedes Mal wieder traurig geworden und hatte sich einsam gefühlt, wenn er hier gewesen war. Und an all das erinnerten ihn die Fotos gerade. Fireball hatte auch manchmal geweint, weil sein Herz schwerer wog, als der klare Verstand. Aber ihm hatte es nie geholfen. Er hatte sich danach nicht besser gefühlt, eher das Gegenteil war der Fall gewesen. Deswegen murmelte er erstickt: „Hör bitte auf zu weinen, April. …Es hat doch keinen Sinn.“ Irritiert sah April zu ihm auf. Weshalb klang er plötzlich traurig? Was hatte ihn verletzt? Mit fahrigen Bewegungen wischte sich April die letzten Tränen aus den Augen und stand auf. Sie gesellte sich zu Fireball an die Kommode und flüsterte: „Was hat keinen Sinn?“ Niedergeschlagen legte Fireball die Fotos endlich aus den Händen. Immer noch sah er April nicht an, wenn er mit ihr sprach, sein Herz war überladen mit Gefühlen, die er ihr nicht offen zeigen konnte. Der Rennfahrer murmelte: „Ändert’s was an deinen Gefühlen, wenn du weinst, April? Ändert es was an der Situation, wenn du weinst?“ Die Blondine schniefte immer noch, aber mittlerweile hatte sie ihre Tränen wenigstens unter Kontrolle. Langsam fing sie sich wieder. Das lag nicht zuletzt daran, dass April allmählich begriff, was sie all die Jahre nicht verstanden hatte. Klar, sie hatte am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass Fireball Bindungsängste hatte, aber sie hatte sich immer davor verschlossen, dass auch der Rennfahrer mit der Trennung zu kämpfen hatte. Sie schloss aus den Bildern, die er im Gegensatz zu ihr, alle aufgehoben hatte und seiner bedrückten Stimmung, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dastand. April atmete noch einige Male tief durch, damit auch wirklich keine Tränen mehr nachkamen und gab Fireball schließlich recht: „Es stimmt, weinen hilft nichts.“ „Na also. Weshalb solltest du dann weinen?“, Fireball schloss die Schublade und drehte sich zu April um. Er hatte es geschafft, sie wieder zu beruhigen, ohne dass er sie berührt oder angesehen hatte. Und trotzdem fühlte sich Fireball schlecht. So schlecht, dass er am liebsten eigentlich neben ihr gesessen hätte und mitgeweint hätte. Um sich selbst von den trübsinnigen Gedanken abzulenken und das Gespräch mit April in eine neutrale Richtung zu führen, lehnte sich Fireball wieder mit dem Becken gegen die Kommode und setzte ein spitzbübisches Lächeln auf: „Und? Ich hab läuten hören, dass Colt Papa wird.“ April rückte näher an Fireball und nickte: „Ja, Colt wird wieder Papa.“, April staunte nicht schlecht, wie schnell Fireball das Thema wechseln konnte, wenn er was zu verbergen hatte. Die Blondine sah ihm ins Gesicht und fragte sich unweigerlich, wie oft er nur ein aufgesetztes Lächeln zur Schau gestellt hatte, weil er nicht glücklich gewesen war? April erkannte den Schmerz in seinen Augen, zum ersten Mal überhaupt konnte man aus seinen Augen etwas ablesen. Die Blondine deutete unauffällig auf die Schublade, vor der Fireball lehnte: „Warum hast du das alles aufgehoben, Turbo?“ Fireball wich Aprils Blicken sofort wieder aus. Er konnte sie beim Flunkern nicht ansehen, er war ja von Haus aus ein schlechter Lügner: „Ich hab alles von früher aufgehoben. Irgendwo in dem Stapel sind sicher auch Fotos von Saber, Colt und Robin, nicht nur von uns beiden.“ Das Ausweichmanöver war nicht geschickt genug für April gewesen. Sie hatte sich alle Bilder angesehen, da war kein einziges von den drei Genannten darunter gewesen. Die Blondine wollte Fireball jetzt auf den Zahn fühlen, er verbarg etwas vor ihr und wenn sie raten müsste, würde sie auf Gefühle für sie tippen. Sie wagte einen weiteren Vorstoß, Fireball war im Moment ruhig und sie wollte ihn auch nicht reizen. Ihre Stimme war warm und gütig, beinahe in einer solchen Tonlage, in die sie verfiel, wenn sie Jonas tröstete: „In dem Stapel waren sicher keine Fotos von den anderen dabei, Fireball.“, sie trat möglichst nahe an Fireball heran, damit er nicht auf die Idee kam, und ihr wieder auswich oder gar die Flucht ergriff. April blinzelte kurz und legte den Kopf schief: „Warum hast du sogar meinen Anhänger behalten?“ Die Blondine war neugierig, sie brannte auf die Wahrheit. Sie hatte auch lange genug darauf warten müssen und nun sah sie ihre Chance, mal ernst und vernünftig mit Fireball über alles zu sprechen und vielleicht sogar alles zu klären. Fireball wich vor April zurück, hatte aber das Problem, dass er schon mit dem Rücken an der Kommode stand und keinen Zentimeter mehr weiter nach hinten rücken konnte. Sie stand so nahe vor ihm, dass er ihr Parfum riechen konnte. Sie trug immer noch das selbe Parfum, wie Fireball ohne große Schwierigkeiten feststellte. Wie hätte er diesen Geruch auch jemals vergessen können. Das Bad, nein, die ganze Wohnung hatten monatelang noch nach ihr gerochen, wenn er nachhause gekommen war, teilweise sogar seine Sachen. Fireball lehnte sich etwas zurück und wich abermals ihren Blicken aus. Wenn er schon nicht die räumliche Distanz schaffen konnte, dann verweigerte er ihr wenigstens den Blickkontakt. Unsicher brachte er hervor: „Man braucht nicht für alles einen Grund, April. Auch dafür nicht. Warum hätte ich das alles denn wegschmeißen sollen?“ Vielleicht konnte er einen Teil seiner Unsicherheit auf sie übertragen, indem er ihr eine knifflige wie gemeine Gegenfrage stellte. Doch April ließ sich nicht verunsichern. Sie spürte, wie knapp davor sie war, mit allem abschließen zu können. Leichthin und selbstbewusst erklärte sie: „Vielleicht, weil man den anderen vergessen will.“ April hatte sich gerade selbst auf die Lösung gebracht. Er hatte sie nicht vergessen wollen! Weil Fireball ihr nicht antwortete und auch nicht das Gegenteil behauptete, sondern den Blick bekümmert zu Boden gerichtet hatte, verstand sie endlich, weshalb das alles in der Schublade versteckt war. Es waren nach wie vor Gefühle für sie da. Er liebte sie vielleicht sogar noch. Wieder standen April die Tränen in den Augen, aber sie war nicht traurig. Irgendwie löste sich ein riesiger Knoten in ihrem Herzen und die Blondine verstand, dass Fireball einfach nur nie gewusst hatte, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte. Er war sich selbst im Weg gestanden, hatte Angst davor gehabt, sich auf jemand anderen einzulassen und hatte sich selbst all die Jahre nicht besser gefühlt, als sie. April hatte jeden Tag Fireballs kleines Ebenbild vor sich gehabt, das dem Vater von Tag zu Tag ähnlicher geworden war. Sie hatte keine Fotos gebraucht um sich an Fireball zu erinnern und sich an die Gefühle zu erinnern, die alle mit ihm in Verbindung standen, sie hatte Jonas dafür gehabt. Alles schien ihr plötzlich so klar. Erleichtert seufzte April und näherte sich Fireball noch ein Bisschen mehr. Sie nahm all ihren Mut zusammen und drehte seinen Kopf zu sich, damit er sie endlich ansah. April hauchte: „Ich hab… Ich hab dich lieb.“ Beinahe hätte sie die Worte nicht über die Lippen gebracht, aber nun war sie unglaublich froh, es gesagt zu haben. April fühlte sich befreit und schwerelos. Sie hatte ihm gesagt, was sie immer noch empfand, nicht zuletzt deswegen war sie doch all die Jahre eifersüchtig auf die anderen Mädchen gewesen, die an Fireballs Seite gewesen waren. Der Rennfahrer hing an Aprils Lippen, in die Augen hatte er ihr dabei nicht sehen können. Er hatte ihrem Blick nicht standgehalten. Wieder war sie ihm so nah, dass er ein unbehagliches Gefühl hätte haben sollen. Aber es war ausgeblieben. So, wie sein Herzschlag. Einen Augenblick lang hatte es aufgehört zu schlagen. Fireball blinzelte zu Jonas hinüber, der ihm nachgegangen war und auf die zwei Erwachsenen schielte. Noch einmal horchte Fireball in sich hinein, aber die Antwort war immer noch die selbe. Mutiger hob der Japaner die rechte Hand und strich April zärtlich über die Wangen. Er beugte den Kopf zu April. Nach einem schüchternen, verhaltenen Kuss, flüsterte er: „Ich liebe dich… immer noch.“ Fireball hatte sie all die Jahre über geliebt, an seinen Gefühlen hatte sich nie etwas geändert. Eilig nahm sich Fireball vor, es dieses Mal besser zu machen. Er wollte bei April und Jonas bleiben, er wollte alles nachholen. April legte ihre Arme um Fireballs Nacken. Sie erwiderte den Kuss, der all die Leidenschaft wieder in ihr geweckt hatte. April schob sich so nahe wie möglich an Fireball heran, sie wollte seine Nähe nie wieder missen. Beide vergaßen ihre Umgebung um sich herum. Jonas grinste breit. Hatte er doch wieder Recht gehabt, seine Mama brauchte nur den einen Mann zum Glücklichsein, den sie gerade im Arm hatte. Sie hatten sich lieb und sein sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen. Lachend sprang er auf die beiden zu und drängte sich zwischen ihre innige Umarmung: „Mama und Papa haben sich wieder lieb!“ Fireball hob Jonas hoch und legte April wieder einen Arm um die Taille. Die Blondine nickte ihrem Sohn zu und hatte Freudentränen in den Augen: „Ja, wir haben uns wieder lieb, Jonas. Du hast endlich einen Papa.“ Wenige Tage später saß April mit Jonas bei Familie Wilcox auf der Terrasse, bei Kaffee und Kuchen. Die schwangere Robin schenkte ihrer Freundin Kaffee ein, bevor sie sich setzte. Auch Saber hatte es sich nicht nehmen lassen, mal wieder auf ein Tässchen vorbeizuschauen. Er war der einzige in der Runde, der weder Frau noch Kind hatte, aber er war nicht verstimmt deswegen. Der Schotte wusste, früher oder später würde auch er die Frau fürs Leben finden, so wie manch anderer. Colt las die Zeitung, während die anderen drei sich unterhielten und allerhand zu besprechen hatten. Mit einem Auge war der Cowboy immer bei den Kindern, bei seinen eigenen zwei und bei Jonas. Aprils Sohn war der älteste in der Runde, Colt hatte erst zwei Jahre nach ihr zugeschlagen, dafür aber gleich Zwillinge verbuchen können. Bill und John waren zwei aufgeweckte kleine Racker, die nur Unsinn im Kopf hatten. Aber im Großen und Ganzen waren sie brave Kinder, so wie Jonas. Immerhin, so grinste Colt in sich hinein, waren da ja auch ständig eine liebevolle Mutter und ein strenger Vater zuhause. Die Blondine war alleine mit Jonas zu Colt und Robin gefahren, der Rennfahrer war wieder auf Tour. Bis Saisonende musste er im Team bleiben, darauf hatten sich er und Scott geeinigt. Aber dann würde er in Yuma bleiben. Er würde mit April und Jonas ein gemeinsames Leben aufbauen. Scott würde sich um einen Job für Fireball in der Konstruktion und Entwicklung umsehen, das nötige Potential und Fachwissen dafür brachte der junge Mann aus dem Rennsport ohnehin mit. April lächelte glücklich in ihre Kaffeetasse und rührte das braune Getränk an diesem Nachmittag schwindelig. Bevor sie sich zu Colt auf den Weg gemacht hatte, hatte sie mit Fireball noch telefoniert. Er würde sofort nach dem Rennen am Sonntag wieder nach Yuma kommen. Robin stupste ihre Freundin an: „Na? Du bist wohl reifer für die Ferien als dein kleiner Jonas?“ Die zweite Blondine grinste von einem Ohr zum anderen, April ließ sich manchmal herrlich aufziehen. Robin wusste aus der Zeitung und nach vielen Gesprächen mit Colt, was gespielt wurde und das, obwohl weder Fireball, der seine alten Freunde noch immer nicht aufgesucht hatte, noch April ein Wort darüber verloren hatten. Ihr Mann war zwar manchmal ein Idiot, wie Robin lächelnd festhielt, aber in der Beziehung hatte er allen sein gutes Gespür voraus. Die Zeitungsberichte waren ohnedies ziemlich eindeutig gewesen und die Blicke konnte Colt noch von ihrem ersten Anlauf vor sieben Jahren zuordnen. April blinzelte verlegen: „Ja, so in etwa, Robin.“, sie konnte mit den Neuigkeiten nicht mehr länger warten, womöglich würde Jonas ihr noch zuvor kommen: „Ich hab einen Vater für Jonas gefunden.“ Es war ausgerechnet Saber, der unbeeindruckt konterte. Er nahm Colt die Zeitung aus der Hand und blätterte vor April auf den Sportteil: „Wir wissen’s. Stand ja groß genug in der Zeitung, April.“ Die junge Frau verstand kein Wort und überwältigt las sie den Artikel, der an diesem Tag erschienen war. Fireball hatte zum ersten Mal in seinem Leben ein Interview gegeben. Und das auch noch seitenlang, wie April feststellte. Interessiert las sie es zu Ende und war schließlich zu Tränen gerührt. Fireball hatte ihr nichts von seinem völligen Rückzug aus dem Rennsport erzählt. Sein Interview schloss mit den Worten: „…Ich trete zurück, weil es wichtigeres für mich gibt, als sportliche Erfolge. Manchmal muss man erst mit dem Kopf darauf gestoßen werden, um es zu erkennen. Aber ich habe im Urlaub gelernt, was das wichtigste ist. Die Liebe…“ Colt zog April lachend auf: „Wann kommt der kleine Hombre endlich wieder nach Yuma, April?“ Lachend schüttelte April den Kopf. Ihre Freunde hatten gewartet, bis sie von selbst zu reden begann, ehe sie ein Kommentar zu den Berichten und Artikel abgaben. Sie waren gute Freunde, immer gewesen. Und sie würden es auch bleiben. Der Nachmittag mit Kaffee und Kuchen wurde zu einem Abend mit Wein und Gesang, immerhin gab es einen Grund zu feiern. Zu jedem Topf gehörte ein Deckel und April hatte ihren endlich wieder. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)