Erinnerungen von Turbofreak (meine Version der Folge *g*) ================================================================================ Kapitel 2: Differenzen ---------------------- Am späten Vormittag hatte Dr. Ambolat die Freunde noch einmal in sein Büro gebeten, es gäbe genauere Untersuchungsergebnisse, die er mit Fireballs Freunden besprechen wollte. Während Colt lautstark vorausgeprescht war, hatte April den Kopf geschüttelt und war stattdessen Richtung Krankenzimmer davongeschlichen. Sie wollte nicht mit dem Arzt sprechen, es würde reichen müssen, wenn Saber und Colt zuhörten, sie würde sich um Fireball kümmern und sich ein wenig mit ihm unterhalten. Schulter zuckend hatte Saber dies zur Kenntnis genommen und war kurz danach seinem Scharfschützen nachgelaufen, der ihm beinahe die Tür an den Kopf geknallt hatte. Dr. Ambolat hatte am Vortag lediglich eine erste grobe Diagnose gestellt, zwar eine bessere als bei Fireballs Einlieferung, aber doch nicht genau genug. Nun aber, nachdem er Fireball nicht nur durch den Computertomografen geschickt hatte, sondern sich auch lange und ausführlich mit ihm beschäftigt hatte, ihm Fragen gestellt hatte, Reflexe getestet und dergleichen, sah er sich in der Lage, seinen Freunden einen detaillierteren Befund darzulegen. Er schloss seinen Bericht: „Nun. Meine Befürchtungen von gestern haben sich leider teilweise bestätigt. Ihr Freund hat ein schweres Schädelhirntrauma davongetragen. Das MRT und das CT waren auch heute wieder eindeutig. Es äußert sich hauptsächlich durch den Verlust des episodischen Gedächtnisses. Vollkommen in Ordnung ist dagegen das implizierte Gedächtnis Ihres jungen Kollegen. Sowohl das Rechnen, als auch das Lesen und Schreiben, oder auch der Gebrauch der Fremdsprache sind für Fireball kein Problem. Alles, was er automatisch macht, bereitet ihm keine Schwierigkeiten.“ Colt rutschte unruhig auf seinem Stuhl umher, nichts von dem Gelaber hatte er richtig verstanden, weil er die Fachbegriffe alle nicht kannte. Aber, und da war er sich sicher, Fireball ging es nicht so schlecht, wie gestern angenommen. Zur Absicherung forderte er den Arzt aber noch auf, ihm das alles weniger kompliziert zu erklären, die Fachausdrücke hatten ihn durcheinander gebracht: „Weißkittel, können Sie das auch in einer Sprache sagen, derer ich mächtig bin? Was ist denn bitte der Unterschied zwischen dem epidronischen und dem imprägnierten Gedächtnis? Gedächtnis ist Gedächtnis und was soll das mit dem Brummschädel zu tun haben?“ Saber verdrehte genervt die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Den Kopf senkte er und starrte auf seine Füße. Er schämte sich für Colts Umgangsformen und teils auch für die Fragen, die sein Scharfschütze da stellte. Aber, es war eindeutig zu spät, Colt hatte den Mund ja schon aufgemacht. Dr. Ambolat lehnte sich zu Colt nach vor und stützte die Arme auf dem Tisch ab. Seinen Kopf wiederum legte er auf die gefalteten Hände. Er musterte die beiden Männer kurz, ehe er Colt anschmunzelte. Das war der erste Mann, der ihm keinen Honig um den Mund schmierte. Irgendwie gefiel es Dr. Ambolat, das war mal eine richtige Abwechslung. Leicht lächelnd erklärte er den beiden Freunden des Patienten: „Episodisch und Impliziert, Mister Wilcox. Das episodische Gedächtnis ist das – wir Ärzte nennen es – persönliche Gedächtnis. Dort werden Erinnerungen, Erlebnisse und Begebenheiten abgespeichert. Bei Ihrem Freund hat das Schädelhirntrauma die Gehirnregion, in der das persönliche Gedächtnis sitzt, arg in Mitleidenschaft gezogen. Es ist, als ob die Festplatte gelöscht wurde. Deshalb erinnert sich Ihr Freund weder an sich selbst, noch an Verwandte, Freunde oder sonstiges Erlebte, was in der Vergangenheit passiert ist. Im Vergleich dazu steht das implizierte Gedächtnis. Dort wird alles abgespeichert, was …für den Betroffenen alltäglich ist oder auch Allerweltswissen wird dort gespeichert. Alles, was Ihr Freund automatisch macht, wie zum Beispiel Schuhe binden oder auch der Sprachgebrauch der Fremdsprache, kann er nach wie vor. Er weiß nur nicht mehr, unter welchen Umständen oder wie er es gelernt hat.“ Dem Arzt war völlig klar, dass Fireballs Muttersprache eine andere war, deswegen legte er so großen Wert darauf, dass dessen Freunde wussten, wie selbstverständlich der junge Mann die Fremdsprache Englisch sprach. Hätte sein Patient nicht einen ganz leichten Akzent manchmal in der Aussprache, wäre es ihm nicht aufgefallen. So aber war sich Dr. Ambolat sicher, dass Fireball eine Muttersprache hatte, die sein Aussehen auch vermuten ließ. Während Saber leicht nickte und überlegte, was er mit dieser Information anfangen konnte, war Colt bereits einen Schritt weiter. Er richtete sich im Stuhl auf und lachte Saber an: „Also, das sind doch mal gute Nachrichten, sind das! Dann können wir Matchbox doch einpacken. Er kann Auto fahren, also kann er auch fliegen. Und der Rest fällt ihm schon wieder ein, wenn er erst mal hinter dem Steuer sitzt.“ Colts Optimismus war sagenhaft. Gedanklich war der Kuhhirte schon längst bei der Türe draußen und schleifte Fireball zurück zu Ramrod. Das sah Saber seinem Freund an der Nasenspitze an. Aber der blonde Recke konnte nicht recht daran glauben. Der Arzt hatte ihnen lediglich einen Strohhalm gegeben, damit sie nicht ganz vor Sorge umkamen. Das hatte nicht geheißen, dass sie Fireball mitnehmen konnten. Der Doktor hatte mit keinem Wort erwähnt, dass Fireball fit war. Im Gegenteil, der Rennfahrer hatte tatsächlich ein Schädelhirntrauma, er wusste absolut nicht, wer er oder wer seine Freunde waren. Er war weit davon entfernt, das Krankenhaus frühzeitig verlassen zu können, dessen war sich Saber bewusst. Seine Sorge um Fireball hatte sich nicht in Hoffnung aufgelöst, so wie sie es bei Colt getan hatte. Nein, seine Sorgen wuchsen mit jedem Atemzug weiter an. Saber bremste Colt bestimmt: „Das ist viel zu gefährlich, Colt. Selbst, wenn er Ramrod steuern könnte, er weiß nicht, wie er in brenzligen Situationen reagieren muss. Schlag es dir wieder aus dem Kopf. Wir werden Fireball nicht umbringen oder uns einer unnötigen Gefahr aussetzen.“ „Spinnst du?!“, empört sprang Colt von seinem Stuhl auf. Also, das war die Höhe. Wie konnte Saber so was nur von sich geben? Sich einer unnötigen Gefahr aussetzen? Was war denn beim Säbelschwinger kaputt gegangen? Colt war schier außer sich, Sabers Sachlichkeit war ihm eine Nummer zu hoch. Mit keinem Wort hatte der Schwertschwinger bisher seine Ängste oder Sorgen bezüglich Fireball kundgetan, dafür aber umso mehr über die Sicherheit der Mission. Colt konnte kaum glauben, was sich da gerade abspielte. Bis zum heutigen Tag war er davon ausgegangen, dass sie alle Freunde waren, aber da war er wohl schief gewickelt gewesen. Lauthals setzte Colt nach: „Das ist auch nicht gefährlicher als sonst!“ Verstimmt zog Saber die Augenbrauen zusammen. Colt war eben sehr respektlos in seiner Wortwahl und seinem Ton ihm gegenüber gewesen. Saber schnaubte aufgebracht: „Wie bitte? Ich glaub, ich hab mich grad verhört, Colt!“, rationaler jedoch versuchte er Colt noch einmal zu erklären: „Die Gefahr ist wesentlich größer, sowohl für uns drei als auch für Fireball. Mensch, Colt. Fireball weiß nicht, wie er im Notfall reagieren muss, das ist einfach so. Und was, wenn er ein Blutgerinnsel im Kopf hat?“, düster fügte Saber hinzu: „Willst du ihn umbringen?“ Als Colt sein Formfehler endlich auffiel, zog er verlegen seinen Hut ins Gesicht. Das war nicht die freundlichste Art Saber gegenüber gewesen. Er entschuldigte sich formhalber: „War keine absichtliche Absicht, Boss.“ Aber nur, weil er sich für den Ton entschuldigte, hieß das noch lange nicht, dass er sich von seiner Idee abbringen ließ. Colt war felsenfest davon überzeugt, dass Fireball körperlich in Ordnung war. Der kleine Rennfahrer war zäh wie altes Leder, der würde sich von seinem Sturz ganz sicher schon wieder erholen. Colt sah nicht ein, dass er nachgeben sollte, er war von seiner fixen Idee überzeugt. Er war wild entschlossen, die beiden Miesmacher hier von der Genialität seines Vorhabens zu überzeugen: „Ihr werdet sehen, wenn Fireball Ramrod erst einmal fliegt, dann fällt ihm alles andere auch wieder ein. Meine gute Güte, Saber. Doc Hollywood hier hat doch gesagt, dass er soweit in Ordnung ist. Sie haben nichts gefunden, auch kein Blutgerinnsel. Das kleine Defizit, nichts von seiner Vergangenheit zu wissen, macht er schon wett. Ich sage, lass uns die Pferde satteln und ihn mitnehmen!“ Dieses Mal war es Dr. Ambolat, der Colt den Wind aus den Segeln nahm. Er stand auf und umrundete seinen Schreibtisch. Er bedeutete Colt, auf die Röntgentafel zu sehen, während er Stellung nahm und harsch anordnete: „Blutgerinnsel können nach so einem schweren Unfall, wie ihn Ihr Freund gestern hatte, jederzeit auftreten. Und auch, wenn er seine Fertigkeiten vielleicht noch besitzt, so kann er sie nicht richtig anwenden. Wie Ihr Vorgesetzter schon erklärt hat, Fireball hat keine vergleichbaren Situationen im Gedächtnis, zumindest kann er nicht darauf zugreifen. Ich werde Ihren Freund bestimmt nicht frühzeitig entlassen, alleine schon im Interesse Ihres Freundes.“ Das waren deutliche Worte, aber das hielt Colt noch lange nicht davon ab, klein bei zu geben. Nachdem er bei Dr. Ambolat auf taube Ohren gestoßen war, wandte sich der Kuhhirte wieder an Saber. Er warf die Arme in die Luft und keuchte: „Lassen wir ihn eine Runde drehen, Säbelschwinger. Nur eine klitzekleine auf dem Übungsfeld. Komm schon, die halbe Stunde wird ihm schon nichts zustoßen, wenn er schon nicht mit auf Tour darf! Lass es uns wenigstens versuchen, Saber!“ Saber schüttelte betrübt den Kopf. Es kam nicht in Frage, das Risiko war einfach viel zu groß. Dabei machte sich Saber weniger Sorgen, dass Fireball Ramrod in den Sand setzen würde, als viel eher um den Freund. Der Anführer hatte sich die letzte Nacht nach dem Gespräch mit Commander Eagle noch allerhand Informationen vom Computer geben lassen, die er in seinem Zimmer dann studiert hatte. Saber wusste, was alles passieren konnte, welche organischen Schäden später noch auftreten konnten. Nein, es war viel zu riskant, sie mussten auf das Urteil des Arztes vertrauen, so gerne Saber Colt auch zugestimmt hätte. Der Arzt schmunzelte. Colt ließ nicht locker, ein richtiger Sturkopf. Abwertend verschränkte er die Arme vor der Brust und gab den beiden Herren ein weiteres Mal die Anweisung: „Sie tun weder sich noch Ihrem Freund etwas Gutes, wenn Sie ihn mitnehmen. Fireball bleibt solange in der Obhut dieses Krankenhauses, bis ich seine Entlassungspapiere aufgrund völliger Genesung unterschreibe. Haben Sie mich verstanden?“ Das war dem Kuhhirten zu viel des Guten gewesen. Schnaubend riss er den Arzt am Kittelkragen zu sich heran und drohte ihm. Am liebsten hätte Colt ausgeholt, so rasend hatte ihn die selbstgefällige Art des Mediziners gerade gemacht. Wie konnte der Kerl nur so einen Humbug von sich geben? Alarmiert griff Saber ein. Ehe Colt Schlimmeres anrichten konnte, trennte er seinen Freund von Fireballs Arzt und stieß ihn unsanft einige Schritte zurück. Was war bloß in ihn gefahren? Saber konnte sehr wohl verstehen, welche Sorgen sich Colt machte, aber dessen Übereifer und Optimismus waren in diesen Minuten nicht angebracht. Auch Colts überschäumende Art half ihnen hier nicht weiter. Alles, was sie tun konnten, war die Ruhe zu bewahren und die musste Saber zwangsläufig aufbringen. Der Schotte baute sich vor seinem Freund auf und herrschte ihn bedrohlich an: „Herrgott, Colt! Dr. Ambolat versucht Fireball zu helfen. Hör jetzt endlich auf damit.“ Colt atmete schwer aus und schnaubte: „Ich versuch unserem Minicooper auch zu helfen, verdammt!“, der Cowboy konnte sich nicht mehr beruhigen, für ihn stank es einfach viel zu sehr gegen den Wind. Saber und der Arzt da wollten Fireball von seiner Umwelt, von seinem alten Leben abschneiden. Und Colt verwettete seine geschniegelten Lederstiefel darauf, dass das der falsche Weg war. Es würde Fireball nicht ein bisschen helfen, wenn er im Krankenzimmer versauerte und mit Medikamenten gegen die Kopfschmerzen und den Schwindel vollgestopft wurde. Fireball musste raus, raus in die frische Luft und so schnell als möglich wieder in den Alltag. Weil beide gegen Colt waren, kam er sich missverstanden vor. Entnervt schrie er: „Von euch Pappnasen versteht mich keiner! Warum denn nur zum Henker noch eins?“ Saber drückte den Scharfschützen auf einen Stuhl hinab. Bestimmt, aber vor allem ruhig und besonnen suchte der Schotte nach den richtigen Worten, damit Colt ihn verstand: „Das tun wir doch, Colt. Aber ich bitte dich, bitte beruhige dich wieder, wir haben auch ohne deine Aussetzer genügend Probleme.“ Colt fühlte sich in seinem Verhalten erneut bestätigt. Er deutete auf den Arzt vor sich und stemmte sich gegen die Hand von Saber. Colt wollte wieder aufstehen, während er seine Idee noch einmal in die Welt hinausplapperte: „Worauf warten wir dann noch? Lass uns Fireball endlich einpacken und sehen, wie fit seine grauen Zellen wirklich noch sind.“ Diese Unvernunft und der Starrsinn seines Scharfschützen brachten Saber zur Weißglut. Dieses Mal gar nicht mehr freundlich und mit wesentlich mehr Krafteinsatz als kurz zuvor, drückte er den Kuhhirten wieder auf den Stuhl. Mit derselben Stimmlage, in der er normalerweise Befehle erteilte, fuhr er Colt an: „Das tun wir nicht. Es ist viel zu gefährlich und jetzt ist endlich Ende der Diskussion, Colt!“ Fuchsteufelswild sprang Colt von seinem Platz auf. Er schob Saber unsanft weg. Als dieser sich aber unbeeindruckt zeigte, stieß er seinen Freund und Vorgesetzten mit voller Wucht gegen die Wand. Colt war rasend vor Wut auf Saber. Der blonde Kerl zeigte keinerlei Gefühlsregung, die von April viel zitierte Kälte an Saber machte Colt unglaublich wütend. Es war dem Boss egal, was mit Fireball weiter passierte, Hauptsache die Mission wurde dabei nicht gefährdet. Colt tobte wie ein Wirbelsturm vor Saber: „Ende der Diskussion! Du tickst ja nicht ganz sauber, tust du nicht. …Das ist also deine Auffassung von verstehen. Ich glaub, ich sollte mir auch mal das Zeug reinkippen, was du literweise zu saufen scheinst!“ Saber keuchte kurz auf, Colt hatte einen ziemlichen Wums drauf, als er ihn gegen die Wand gedrückt hatte. Der Schotte wusste einen Augenblick lang nicht, wie ihm geschah, aber langsam zogen sich auch seine Augenbrauen bedrohlich zusammen. Saber bedachte Colt mit einem wütenden Blick. Die letzten beiden Tage waren turbulent gewesen, hatten Saber um den Schlaf gebracht und nun auch noch einen tobsüchtigen Cowboy wüten zu sehen, brachte auch bei Saber einiges durcheinander. Ungehalten wie selten zuvor fuhr er den Freund an: „Klasse! Nicht nur, dass der Pilot ausfällt, jetzt muss ich mich auch noch mit einem durch geknallten Scharfschützen herumschlagen!“ Colt drehte sich zur Tür und hob die Schultern an. Immer noch laut erwiderte er: „Daran bist du selber Schuld. Du befiehlst doch nur und wir sollen uns trollen und alles befolgen, als hätten wir keinen eigenen Kopf zum Denken.“ „Dann benütz ihn verdammt noch mal auch zum Denken!“, Saber ballte die Hände zu Fäusten und verzog grimmig das Gesicht. Alle Verantwortung lastete auf ihm und nun musste er einen Streit mit Colt ausfechten, der überflüssig wäre, wenn der Sturkopf da vorne auch nur einmal zuhören würde. Drohend zischte Saber: „Und wenn du schon nicht so weit denken kannst, dass das alles kompletter Schwachsinn ist, den du da verzapfst, dann denk gefälligst an Fireballs Gesundheit.“ Colt fuhr noch einmal herum. Wütend fixierten seine Augen den Schwertschwinger. Diese Unterstellung war Sabers Todesurteil, wenn er noch einen Ton von sich gab, würde er Colts fünf Freunde im Gesicht spüren. Alles, was recht war, aber er brauchte sich nicht von dem Blondschopf unterstellen zu lassen, er würde auf den kleinen Hombre nicht Acht geben. Colt schrie wutentbrannt: „Nichts anderes tu ich die ganze Zeit über! Im Gegensatz zu dir. Dir ist die scheiß Mission ja viel wichtiger.“ Saber glühte seinen Freund zornig an. Er verteidigte sich, seine Argumente waren sachlich, jedoch nicht leise: „Fireball ist hier in guten Händen. Das Neue Grenzland nicht. Die Menschen dort draußen verlassen sich darauf, dass wir zur Stelle sind, wenn sie uns brauchen.“, Saber stellte Colt vor eine Entscheidung, er würde sich von ihm nicht in eine Ecke drängen lassen, das letzte Wort hatte immer noch der blonde Highlander: „Entweder, du akzeptierst das, oder du lässt es bleiben! So einfach ist das, Colt!“ Unbestimmt fiel Colts Antwort aus. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und sah Saber gleichgültig an: „Vielleicht lass ich es bleiben.“ Saber sah seinem Scharfschützen immer noch rasend zu, wie dieser das Sprechzimmer des Arztes verließ. Ehe Colt die Tür zuschmeißen konnte, schrie er ihm hinterher: „Gut!“ Die Blondine hatte Fireball dazu überreden können, einen kleinen Spaziergang zu machen. Im Vergleich zum vergangenen Tag wirkte Fireball viel frischer, aber er war immer noch blass. April schlenderte mit Fireball durch den kleinen Garten, schwieg jedoch. Sie war befangen, weil ihr im Hinterkopf immer herumspukte, dass Fireball sich an nichts mehr erinnern konnte. Egal, was sie sagte, was sie ihn fragte, es gab keine Garantie darauf, dass er ihr eine Antwort geben konnte, oder dass sie ihn damit nicht durcheinander brachte. Dank seiner fürsorglichen Freunde hatte sich Fireball von dem Krankenhausoutfit schnell wieder trennen können. Eine Tasche mit den wichtigsten Utensilien war gepackt neben seinem Bett gestanden. Die Freunde hatten ihm am Vortag noch versichert, dass dort seine persönlichen Gegenstände zu finden waren. So setzte sich Fireball in seinen eigenen, weißen Hosen und einem roten Shirt auf eine kleine Holzbank im Schatten der Bäume. Aber er konnte nicht behaupten, dass er sich in diesen Klamotten wohler fühlte. Fireball konnte sich nicht vorstellen, dass er das wirklich getragen hatte, aber immerhin war es besser als die sterilen Kleidungsstücke aus dem Krankenhaus. Während des Spazierganges hatte er April immer wieder angesehen, sie eindringlich gemustert. Aber da war nichts. Er kannte sie nicht. Nichts in seinem Kopf konnte sich an die attraktive Blondine erinnern. Aber er konnte ihre Sorgen einwandfrei ablesen, das hatte er auch bei den anderen beiden Besuchern können, obwohl er sie nicht zuordnen konnte. Es war warm im Garten, was Fireball beinahe schon als zu warm einstufte. Seinem Kreislauf bekam die drückende Hitze nicht sonderlich gut und deshalb hatten sich schon nach wenigen Minuten dumpfe Kopfschmerzen gemeldet. Fireball lehnte sich leicht nach vor und ließ den Kopf hängen. Vielleicht würden die Kopfschmerzen auf diese Weise nachlassen. April setzte sich ebenfalls auf die Holzbank. Sie überkreuzte die Beine und betrachtete den Garten von ihrer neuen Position aus, bevor sie endlich zu Worten ansetzte. Leise und behutsam fragte die Blondine, ohne Fireball dabei anzusehen: „Kannst du dich an irgendwas erinnern?“ Diese Frage hörte er seit seinem Erwachen andauernd. Fireball knurrte missmutig, diese Frage würde ihm seine Erinnerung auch nicht zurückbringen: „An heute Vormittag.“ April erschrak und rutschte unwillkürlich etwas von Fireball weg. Seine Stimme war bedrohlich gewesen, ganz und gar nicht wie sonst auch. Mit scheuen Blicken musterte sie Fireball. Immer mehr Angst stieg in ihr auf. Jeder andere hätte sich gefreut, seinen Kollegen nach einem solchen Absturz bereits am nächsten Tag wieder spazieren gehen zu sehen, aber April tat das nicht. Äußerlich wirkte Fireball unversehrt, lediglich auf den nackten Armen konnte man ein paar kleine Blutergüsse sehen. Alle Knochen an Fireball waren heil geblieben. Auch sein Dickschädel. Aber das, was man nicht sehen konnte, hatte Schaden erlitten. April stiegen die Tränen in die Augen, sie konnte Fireball nicht helfen, so gerne sie auch alles für ihn getan hätte. Wie April erkennen musste, hatte sich nicht nur Fireballs Gedächtnis verabschiedet, auch sein Wesen hatte sich verändert. Wäre er gesund gewesen, hätte er April niemals so feindselig angeknurrt. Hart schluckte sie, ehe sie einen erneuten Versuch startete: „Ich möchte dir helfen, Fireball, deshalb frage ich.“ Fireball stützte die Arme auf den Oberschenkeln ab und legte den Kopf in seine Hände. Die Kopfschmerzen waren von der vorherigen Position schlechter geworden, vielleicht half es, den Nacken zu entlasten. Seine Augen linsten zur Blondine hinüber. Ihr Gesicht strahlte Besorgnis aus. Das Mädchen sorgte sich so sehr, dass es Fireball verwirrte. Sie musste eine Angehörige von ihm sein, kein fremder Mensch würde sich um einen anderen solche Sorgen machen. Vorsichtig, aber auch mit einem ruhigeren Ton, bat Fireball um Hilfe: „Kannst du mir etwas über mich erzählen? Ich meine, du scheinst mich ganz gut zu kennen, im Gegensatz zu mir. Aus dem Nichts bin ich doch hoffentlich nicht aufgetaucht.“ April blinzelte verwundert. Fireball drückte mit seiner Körperhaltung und seiner Tonlage soviel Unsicherheit aus, wie nie zuvor. Das alles passte nicht so recht zusammen. Zuerst fuhr er sie an und dann traute er sich fast nicht, nach Informationen zu fragen. April wurde immer unbehaglicher zumute. Inzwischen hatten die Sorgen um Fireball ein ungeahntes Ausmaß angenommen. Nur ein falsches Niesen oder Husten und April würde sofort einen Arzt holen. Es war ihr nicht geheuer. Mit einem leichten Lächeln lehnte sich die Blondine mit dem Rücken an die Lehne der Bank und begann zu erzählen: „In gewisser Weise bist du damals schon aus dem Nichts aufgetaucht, als du zu den Star Sheriffs gestoßen bist…“ April erzählte Fireball von ihrem ersten Zusammentreffen, wie sie sich alle kennen gelernt hatten und welche Abenteuer sie seither miteinander erlebt hatten. Immer wieder riskierte sie dabei einen Blick zu Fireball, der manchmal sichtlich Mühe hatte, ihr zu folgen. Fireball wurde immer bleicher und die Kopfschmerzen immer unerträglicher. Er richtete seinen Oberkörper auf und versuchte, den Kopf gerade zu halten, aber auch das brachte keine Besserung. Mit zusammengekniffenen Augen lehnte auch er sich zurück und legte den Kopf in den Nacken. Doch aus dieser Position richtete sich Fireball augenblicklich wieder auf. Das war das falsche gewesen, zu allem Übel wurde ihm jetzt auch noch schwindelig. Als der Patient merkte, dass Aprils Redefluss erstorben war, blinzelte er sie tapfer an und fasste zusammen: „Das klingt, als wären wir ein wild zusammen gewürfelter Haufen. Aber das Konzept scheint aufzugehen, immerhin gehören wir zur Elite des Ober…“ Fireball verzog schmerzverzerrt das Gesicht, ein stechender Schmerz durchfuhr seine Stirn bis hin zu den Augenhöhlen. April sah vom Boden auf. Sie war erstaunt darüber, dass Fireball ihr zugehört hatte. Für sie hatte es den Anschein gehabt, ihre Geschichten würden ihn langweilen, weil er so umtriebig auf der Bank hin und her gerutscht war. Sie ergänzte: „Des Oberkommandos. Das ist richtig. Wir vier sind die besten.“ Ihre blauen Augen erstarrten vor Schreck, als sie in Fireballs fahles Gesicht blickte. Unweigerlich meldete sich ihr Beschützerinstinkt und ihre mütterliche Fürsorge zu Wort. Fireball schien es wieder schlechter zu gehen und die glasigen Augen deuteten darauf hin, dass er Fieber hatte. April wollte ihre Vermutung untermauern, indem sie ihren rechten Handrücken sachte auf Fireballs Stirn legte: „Hast du Kopfschmerzen, Fire?“ Doch bevor sie etwas fühlen konnte, stieß der junge Mann ihre Hand von seiner Stirn und fuhr zurück. Aprils leichte Berührung hatte ihm höllische Schmerzen bereitet, als ob sie ihm abertausende feiner Nadeln in die Stirn und die Schläfen stechen würde. Er heulte schmerzerfüllt auf: „Ahhhhh, ja!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang April auf. Die Blondine hatte den Ernst der Lage sofort erkannt, nicht zuletzt seine Stimmlage hatte es verraten. April war schon einige Schritte von der Parkbank weggelaufen, als sie Fireballs Stimme erneut vernahm: „Wo willst du hin? Warum gehst du denn plötzlich?“ April drehte sich halb zu Fireball herum. Immer noch verzog er vor Schmerzen das Gesicht und stieß die Luft immer wieder keuchend zwischen den Zähnen hervor, weil ihm die Kopfschmerzen derart zusetzten. Seine beinahe ängstliche Frage brachte April dazu, wieder auf die kleine Bank zuzulaufen. Besorgt kniete sie sich vor Fireball hin und legte ihm vorsichtig eine Hand auf seinen Oberschenkel. Sie bat ihn: „Es ist besser, wenn du dich hinlegst, Fireball. Bitte warte hier, ich hole einen Arzt, damit er dir hilft.“ In April breitete sich die Hilflosigkeit wie ein Lauffeuer aus. Das einzig richtige im Moment schien zu sein, jemanden zu holen, der Fireball helfen konnte. Fireball sah aus, als würde er gleich das Bewusstsein verlieren, wenn die Schmerzen weiter anhielten. Sein ganzer Körper hatte sich unter der plötzlichen Schmerzattacke verkrampft, jeder Muskel war zum Zerreißen gespannt. Fireball wagte es nicht, seinen Kopf anzufassen oder zu bewegen, zuviel Angst hatte er davor, dass die Schmerzen dadurch schlimmer wurden. Doch Aprils Rat schien logisch. Langsam drehte sich Fireball herum, hob die Füße auf die Holzbank und legte sich schließlich mit dem Oberkörper auf die Sitzfläche. Der Schmerz in der Stirn und den Augenhöhlen ließ nach. Merklich. Erleichtert atmete Fireball aus und entspannte sich wieder. Er hatte die Augen geschlossen, hörte aber, wie sich April wieder in Gang setzte, nachdem sie ihn noch einmal kurz gemustert hatte. Ohne die Lider zu öffnen, griff Fireballs Hand nach April, als er flüsterte: „Bleib da, bitte. Ich brauche keinen Arzt.“ Die Unvernunft war noch da. Erstaunt blinzelte April. Was sollte sie nur tun? Firball hatte Schmerzen, eigentlich brauchte er einen Arzt, aber alleine lassen konnte sie ihn auch nicht. Schweren Herzens setzte sich April auf das letzte freie Eckchen der Bank an Fireballs Kopf. Sanft und behutsam strich sie ihm mit der Hand über die Schulter. Endlich hatte auch die Blondine das Gefühl, dass Fireballs Schmerzen nachließen, sie konnte es förmlich spüren. Ganz langsam glitten ihre Finger zur Stirn des malträtierten Rennfahrers hinauf. Sie berührte ihn kaum, denn vorher war er wegen einer solchen Berührung beinahe gestorben. Sekundenlang hielt April inne, aber Fireball zeigte keine Reaktion auf den sanften Druck, den ihre Finger auf seiner Stirn ausübten. Ein gutes Zeichen. Zumindest war es besser, als vor Schmerz wegzuzucken und aufzustöhnen. Mit kreisenden Bewegungen begann April den Rennfahrer zu massieren. Sie sprach leise mit ihm, hauptsächlich aber erzählte sie ihm allerhand von ihren gemeinsamen Missionen. Immer wieder warf sie dabei einen prüfenden Blick auf Fireballs Gesichtsausdruck. Der angeschlagene Pilot genoss die wohltuenden Berührungen, langsam aber sicher normalisierte sich der Zustand seines Kopfes wieder. Aufmerksam hörte er April zu, was sie zu erzählen hatte. Sie antwortete auf seine gestellten Zwischenfragen, so gut sie eben konnte. Er ließ sich von ihr alles erklären, auch was ein Outrider war. Nie zuvor hatte er von solchen Wesen gehört, schon gar nicht wusste er, dass sie eine eigene Dimension hatten. All das klang unrealistisch, aber April verriet jede Kleinigkeit so selbstsicher und detailreich, dass es einfach wahr sein musste. Fireball winkelte die Beine an, als er murmelte: „Bin ich eigentlich ein guter Freund?“ Für April war die Frage völlig unerwartet gekommen. Wie kam er denn darauf? Verwundert blinzelte sie zu Fireball hinab und musterte ihn. Sie versuchte, sich in seine Lage zu versetzen. Bis April endlich auffiel, wie sie ihm von ihren Missionen erzählt hatte. Sie hatte im Laufe der letzten halben Stunde mindestens drei Mal erwähnt, dass er ein furchtbares Energiebündel war und dass er manchmal mit dem Kopf durch die Wand musste. Für die Navigatorin war es selbstverständlich gewesen, sie kannte Fireball doch nur so und gerade diese Eigenschaften waren es, die sie so sehr an ihm mochte. Aber dass der junge Japaner, der keinerlei Erinnerung daran hatte, weder an ihre gemeinsame Aufgabe noch an ihre Freundschaft und den Umgang untereinander, deswegen den Eindruck erhalten könnte, er wäre mehr Last als Hilfe, war ihr keinen Augenblick auch nur in den Sinn gekommen. Schnell erklärte sie deshalb: „Du bist ein sehr guter Freund, Fireball. Immer bereit für diejenigen, die dir wichtig sind, ein zu stehen. Manchmal bist du ein richtiger Hitzkopf und schnell dabei, überzukochen, du trägst den Namen Fireball nicht zu Unrecht.“ Fireball nickte gerade, er hatte verstanden, was April versucht hatte, zu verdeutlichen, da überkam ihn erneut eine Welle unerträglicher Schmerzen. Mit einem unmenschlichen Schmerzensschrei stieß Fireball Aprils Hand von der Stirn und drückte beide Handflächen an den Kopf. Er krümmte sich und die unbändigen Qualen trieben ihm die Tränen in die Augen. Fireball biss die Zähne zusammen und schloss die Augen so fest er nur konnte. Es tat so weh! Die Tafel zeigte 99 Punkte an, der Schütze lachte überheblich, sein Konkurrent sollte es erstmal besser machen. Der Cowboy grinste keck und trat selbstsicher zu dem Schützen nach vor. Eine leichte Übung für ihn. Colt gab ein Zeichen, die Zielscheiben drehten sich herum und der Kuhhirte warf eine Münze in die Luft. Er vollführte mehrere akrobatische Kunststücke während er jede der Zielscheiben haargenau erwischte. Zum Schluss noch ein goldener Treffer in die Mitte der Münze. 100 Punkte leuchteten auf der Tafel auf. Der Cowboy steckte den Blaster breit grinsend wieder in den Holst und stupste sich den Hut aus dem Gesicht: „Ich hatte schon immer eine Schwäche für runde Zahlen!“… „Fireball! Fireball, was ist mit dir?!“, panisch sprang April hoch. Fireball reagierte nicht auf sie, ihre Worte verhallten ungehört. Die Blondine stand nun vor Fireball und wusste nicht, was sie nur tun sollte. Sie wippte in die entgegen gesetzte Richtung, kämpfte mit sich selbst. April musste einen Arzt holen. Doch sie kam nicht vom Fleck. Sie konnte sich keinen Zentimeter mehr bewegen. Instinktiv griff April nach Fireballs Schultern. Hoffentlich spürte er ihre Gegenwart, wenn er sie schon nicht hörte. Angsterfüllt blieb April bei dem Rennfahrer. Sie konnte nicht anders handeln. Auch, wenn es vernünftiger gewesen wäre, einen Arzt zu holen, April konnte ihn nicht alleine hier liegen lassen. Plötzlich keuchte Fireball: „Colt… Er hat …das Prinzenröllchen gedemütigt… Ahhhh!“ Unweigerlich griff April fester um Fireballs Schultern und beugte sich zu ihm hinab. Doch wagte sie nicht, zu sprechen. Sie hätte vor Angst und Sorge ohnehin keinen Ton herausgebracht. Der Anblick paralysierte sie, niemals zuvor hatte die Blondine einen Menschen so leiden gesehen. Es machte ihr unglaubliche Angst. „…Frieden auf Erden und allen Menschen zum Wohlgefallen“, die Schneeflocken tanzten vom dunklen Himmel, während die vier Freunde auf dem riesigen Balkon standen. König Jarred war der Allianz beigetreten und sie hatten Gattler eine böse Niederlage zugefügt. Das Weihnachtsfest im Palast war ein Dankeschön des Königs für die Hilfe und Unterstützung, die die Star Sheriffs trotz der fortwährenden Zurückweisung des Königs gegeben hatten… „Oh, Gott“, Fireball atmete schwer aus, als er endlich wieder die Augen aufschlug. Langsam ebbten die Schmerzen ab. Der Rennfahrer blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht zu April hinauf. Was war gerade passiert? Die Hände pressten sich immer noch an die Schläfen, die wie wild pochten. Zuvor hatte April immer wieder Wortfetzen von Fireball vernommen, es hatte nicht lange gedauert, bis sie festgestellt hatte, dass er sich erinnerte. Der Rennfahrer hatte sich an ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest erinnert. Es war ein Schritt in die richtige Richtung, aber April befürchtete, dass es nicht genug war. Die junge Frau strich Fireball über die Arme, immer noch war Fireballs Gesicht von unermesslichen Schmerzen gezeichnet. Ein Stoß Akten lag ausgebreitet vor ihm. Daneben Colts EDM. Die hatte Colt ihm wenige Stunden zuvor an den Kopf geknallt, nachdem ihr Streit neben Fireball und April in die nächste Runde gegangen war. Colt hatte einfach gekündigt! Saber schüttelte müde den Kopf. Colt und er hatten Fireball und April im Garten gefunden, sie waren gerade auf dem Weg zurück ins Zimmer gewesen. Saber hatte dem Piloten von weitem schon angesehen, dass er sich nicht gut fühlte, der Kuhhirte aber war immer noch von seiner Idee begeistert gewesen. Er hatte Fireball ein paar Meter mit sich geschleift und ihm vorgeschlagen, einfach mitzukommen. Da war Saber endgültig der Kragen geplatzt. Er hatte Colt in seine Schranken gewiesen, und April nebenbei flüchtig erklärt, was Dr. Ambolat gesagt hatte. Sein einziges Glück war gewesen, dass Fireball sich schlecht gefühlt hatte, sonst hätten Colt und April ihn locker davon überzeugen können, mitzukommen. Die Situation war eskaliert und Saber hatte Colts EDM zielgenau auf den Nasenrücken geschossen bekommen. Schweigend hatte er sie aufgesammelt, während Colt und April den jungen Japaner in sein Zimmer zurück begleitet hatten. Und nun saß er hier im Aufenthaltsraum und fühlte sich elend. Die Situation an Board lief seit gestern stetig aus dem Ruder. Fireball war ausgefallen, April hatte sich gegen ihn und sein Pflichtgefühl gestellt und Colt hatte einfach das Handtuch geworfen. Wie lange die Blondine noch mit ihm zusammen arbeitete, bevor sie es Colt gleich tat? Vorsichtshalber hatte sich Saber von Commander Eagle alles Wissenswerte von Fireball schicken lassen. Allerdings beherbergte der Fundus des Oberkommandos nur allgemeine Daten und die Missionsberichte. Die anderen Dinge würde sich Saber von anderen Quellen beschaffen müssen, wollte er Fireball helfen. Fürsorglich hatte der Commander auch die Akte von Sterncaptain Yamato vorausgeschickt, damit sich Saber auf dessen Arbeitsweise einstellen konnte. Der Säbelschwinger saß vor Aufgaben, die er unter normalen Umständen mit den anderen gemeinsam erledigt hätte, aber sie waren nicht hier. Sie hatten nicht die Zeit, alles hübsch der Reihe nach zu erledigen, Saber war schon froh, wenn der Sterncaptain vor den nächsten Übergriffen zu ihnen stieß. Erschöpft ließ sich Fireball in das Krankenbett fallen. Schweigend musterte er die beiden ungleichen Freunde noch einmal und dachte auch an das Spektakel, das sich gerade vor seinen Augen abgespielt hatte. Er und April hatten noch eine Zeit lang im Garten gesessen, sie hatte ihm von ihrer guten Freundschaft erzählt. Irgendwie hatte sie es geschafft, ihn zu verwirren, denn das, was er kurz nach dem Aufwachen erlebt und gesehen hatte, hatte nicht zu Aprils Ausführungen gepasst. Ihm war Saber nicht wirklich wie ein Freund vorgekommen, eher unterkühlt und distanziert. Daraufhin hatte April ihren drei Jungs jeweils eine Eigenschaft aus der Natur zugeteilt, um es Fireball besser erklären zu können. Aber, und das war gerade deutlich für Fireball geworden, Colt und Saber waren nicht so, wie April das kurz zuvor noch beschrieben hatte. Der Rennfahrer verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich ins Kissen zurück. Nachdenklich begann er: „Also, wenn Colt ein stiller Ozean ist und Saber ein kühler Eisberg… Au backe, dann will ich nicht wissen, welcher Weltuntergang erst herrscht, wenn der Vulkan ausbricht.“ Fireball war extrem verunsichert, wenn er Aprils Worten Glauben schenken konnte und auf ihr Urteil Verlass war, war er schlimmer als jeder Hurricane, wenn er erst mal in Fahrt geriet. Saber und Colt hatten sich so befetzt, dass Fireball Hören und Sehen vergangen war. Die zwei Freunde waren laut gewesen, total unbeherrscht, mit Ach und Krach, dass sie sich nicht geprügelt hatten. Also, nach guten Freunden sah das nicht aus. Colt verstand gar nichts. Er ein stiller Ozean? Na, da war Aprils Traumdeutung wohl ein bisschen daneben gegangen. Aber das machte Colt nichts aus. Er kam öfter mal wo nicht mit, das Gefühl war ihm nicht neu. Schon wieder gut gelaunt und überdreht zog er über April her und schlug die Richtung mit den Naturgewalten ein. Er erklärte Fireball das wichtigste, was es über April zu wissen gab: „Die Frau hier ist ein Dampfhammer und rasend eifersüchtig auf alles, was dir zu nahe kommt, Niki Lauda. Wenn sie erst mal anfängt, erzittert die Erde unter ihrer gewaltigen Faust.“ Zielgenau traf besagte Faust kurz darauf Colts Kopf, den er sofort wegzog und die Stelle vorsichtig berührte. April hatte voll durchgezogen, das tat verdammt weh. Aber was anderes hätte er von ihr nicht erwarten dürfen, es war dumm gewesen, die Freundin derart zu unterschätzen. War doch klar, dass er für diese Worte eine auf die Zwölf von ihr kassierte. Aber Colt war hart im Nehmen. Aus Trotz versetzte er gleich noch nach: „Die kleine Firenza zum Beispiel. Die hat April ausgebremst, bevor du überhaupt erahnen hättest können, was die hübsche Claudia von dir wollte. Und eins kann ich dir sagen, Matchbox“, Colt duckte sich noch einmal unter einer herannahenden Faust weg und lachte vergnügt auf: „die wollte dir nicht nur Tipps für das Rennen geben, sondern ihre Familiengeheimnisse mit dir teilen.“ Fireball zog die Augenbrauen so weit nach oben, wie er nur konnte. Kein Wort hatte er verstanden. Welches Rennen? Claudia Firenza? Sichtlich überfahren richtete sich Fireball wieder auf. Sein Leben dürfte zumindest für Colt ziemlich unterhaltsam gewesen sein, wenn der sich vor Lachen schon fast den Bauch halten musste. April war neben Colt rot angelaufen, sie schien sich unendlich für Colt und seine Worte zu schämen. Fireball entschied sich dafür, nachzuhaken, je mehr Infos er über sich einholte, desto besser standen seine Chancen, endlich wieder zu wissen, wo er hingehörte. Es machte ihm Angst, nichts von sich selbst zu wissen, teilweise auch nervös. Fireball wusste nicht, wie viele Erinnerungslücken er behalten würde, der Arzt hatte ihm heute Vormittag schon in Aussicht gestellt, dass alles, was nach zwei Wochen nicht wieder hergestellt war, für immer verloren war: „Welches Rennen? Und weshalb Familiengeheimnisse?“ Erschüttert richtete sich Colt daraufhin an April. Er strafte sie mit seinen Blicken und moserte: „Du hast ihm nichts von seinem berühmt berüchtigten Bleifuß erzählt, Weib?!“ Die nächste Kopfnuss raste auf Colt hinab, aber auf die war er gefasst gewesen. April fauchte ihn bitterböse an: „Ich kann ihm ja schlecht einen Crash-Kurs geben! Ihm von den Outridern zu erzählen war schon nicht einfach. Aber bitte! Wenn du meinst, du kannst das besser, dann mach!“ Herausfordernd deutete April auf den bleichen Rennfahrer im Bett und ging demonstrativ einen Schritt von Colt weg, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte und gespannt beobachtete, wie Colt das alles anstellen würde. Colt zuckte mit den Schultern und machte es sich auf dem Stuhl bequem. Mit einem leichten Lächeln begann er: „Also, ich starte bei den netten Details. Du bist der beste Rennfahrer im Neuen Grenzland. Nebenbei bemerkt auch der jüngste Champion aller Zeiten, kleiner Ayerton Senna. Du hast alles gewonnen, was in dem Sport wichtig war. Mario Firenza, der Papa deiner - nicht ganz so heimlichen – Verehrerin Claudia Firenza, war dein größter Konkurrent. Aber der hat abgedankt, war ja schließlich ein paar Momente älter als du und nicht mehr ganz so schnell, wie du, Turbofreak. …Na, also worauf ich hinaus will… Du hast Benzin im Blut und das wartet nur auf den richtigen Funken, um in Flammen aufzugehen, Fire“ der Kuhhirte drehte sich mit einem triumphierenden Lachen zu April herum: „Siehst du, so einfach ist das!“ „Abwarten“, April deutete mit einem Kopfnicken zu Fireball. April hatte vorhin auch geglaubt, dass es so einfach war, aber auch sie hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nur, weil es für sie beide logisch war, was alles passiert war und was Fireball alles erlebt hatte, hieß das noch lange nicht, dass der junge Pilot das auch so empfand. Immerhin war sein Gedächtnis weg und er sah keine Bilder vor seinen Augen, wenn sie davon sprachen. April hatte beim Erzählen immer das Bild dazu vor Augen, und bestimmt ging es Colt da nicht anders. Fireball seufzte ergeben. Er hatte mittlerweile raus gefunden, dass er grade mal volljährig war und ein Kampfschiff steuerte. Das war ohnehin schon schwer zu verstehen. Aber aufgetischt zu bekommen, dass man davor ein berühmter Rennfahrer gewesen sein sollte, war gleich noch viel unvorstellbarer. Entweder, so Fireballs schlichter Eindruck, war sein Leben wirklich so außergewöhnlich und irgendwie auch schillernd, wie es die beiden da erzählten, oder aber die zwei hatten eine blühende Fantasie. Fireball senkte den Kopf, langsam wurde ihm das alles etwas viel. Der Tag war lange gewesen, streckenweise erfüllt von Schmerzen und Erinnerungen, die er nicht zuordnen konnte, die er nicht verstand. Er murmelte: „Das ist auch der Grund, weshalb ich nur Spitznamen abgekriegt hab, die sich auf Autos und Geschwindigkeit beziehen, sehe ich das richtig?“ Colt lachte unbekümmert auf, im Gegensatz zum Arzt und zu Moralapostel Saber war Colt immer noch davon überzeugt, dass das alles halb so wild war. Fireball konnte reden, alles war noch dran am Kumpel und das wichtigste, alles, was er gelernt hatte, war immer noch da. Und alles andere würde er ihm schon wieder eintrichtern: „Und ein helles Köpfchen bist du auch, Mann. Fireball, im Ernst jetzt, alles, was einen Motor hat oder so was ähnliches, kannst du steuern. Egal, ob das ein Rennwagen mit ein paar Hundert PS ist oder unser Riesenbaby mit zwei ausgewachsenen Turbinen und weit mehr als ein paar lumpigen tausend PS. Du solltest dir Ramrod wirklich mal ansehen, dann weißt du, wovon ich rede.“ Unbemerkt war der Rennfahrer unter die Bettdecke geschlüpft und hatte sich hingelegt. Er konnte die vielen Informationen nicht verarbeiten, das überstieg im Augenblick die Grenzen des Machbaren. Er vertröstete Colt: „Vielleicht später, ja?“ „Klar. Ist ja erst mal wichtiger, dass du wieder weißt, wo dein Platz im Leben ist“, Colt steckte die Hände in die Hosentaschen. Seine Laune war wesentlich besser geworden, seit er Saber die EDM an den Kopf geworfen hatte. War ein befreiendes Gefühl gewesen, aber leider nicht lange. Seine Laune hatte eher der durchaus schon wieder fitte Eindruck seines Hombres steigen lassen. Es war doch alles Quatsch, was Saber und der Arzt verzapften. Fireballs Augen blickten traurig zu Boden. Sein Platz im Leben. Fireball war ohne sein Gedächtnis vollkommen orientierungslos, wusste nicht, wo er stand oder wo er hingehörte. Das Gefühl war beängstigend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)