Valentine - überarbeitet von Yu_B_Su (Kaiba im Wald) ================================================================================ Kapitel 1: (This is) The Beginning ---------------------------------- Hi, wie ihr seht, habe ich diesmal kapys gebildet, was mir schwer fiel, und normalerweise sind sie auch nciht allzu lang, nur der Vorspann ist etwas länger ... viel spaß beim Lesen! „Herr Kaiba, der Brief an die Plastik OHG muss noch fertig werden!“, tönt die Stimme meiner Sekretärin aus dem Telefon. Die Plastik OHG, ausgerechnet die. Ich freue mich riesig. Das wird ein großartiger Tag! Es ist Donnerstagmorgen, ich bin übermüdet, unkonzentriert und habe noch ein Meeting sowie zwei Konferenzen vor mir. Es ist Donnerstagmorgen, eine halbe Stunde nachdem ich mein Büro betreten habe. Die halbe Stunde, in der ich mich hinsetze, meinen Kaffee trinke, E-Mails checke und den üblichen Kleinkram erledige - wenn mich nicht gerade so ein „äußerst wichtiges“ Telefon belästigt. Und zu meinem Unglück ist heute nicht nur Donnerstag sondern auch noch Valentinstag! V-A-L-E-N-T-I-N-S-T-A-G! Ein „wundervoller“ Tag für alle Verliebten, ein schlechter Tag für alle Getrennten, aber vor allem ein ertragreicher Tag für die Blumenhändler und Geschenkeläden. Wenn es wenigstens ein profitabler für MICH wäre, dann hätte das ganze wenigstens einen Sinn. Stattdessen werde ich von überall mit Herzen belästigt, die Stadt ist voll mit Rosen und rosafarbenen Gütern jeglicher Art. Alle Menschen laufen gestresst durch die Stadt, um ein Geschenk für ihren „Liebsten“ zu kaufen. Das hält doch keiner aus! Bin ich froh, dass ich NICHT verliebt bin! Dieser Tag wurde doch nur von den Geschäftsleuten erfunden, um die Leute dazu zu animieren, Geld für irgendwelchen Kram auszugeben – Geld, das ihnen dann für meine Produkte fehlt! Vor allem: Liebe! Es gibt einen Tag für die Liebe! Warum ausgerechnet für die Liebe? Liebe ist das sinnloseste, was es auf der Welt gibt! Es gibt nicht einmal eine richtige Definition dafür – Liebe, was ist das? Die Anziehungskraft zweier Menschen? Nein, jeder Mensch fühlt sich von einem Menschen angezogen – manchmal negativ, manchmal positiv! Also die positive Anziehungskraft zweier Menschen? Und was ist mit der Liebe zu einem Produkt? Nein, die Liebe ist die schlimmste Erfindung, die die Menschheit je gemacht hat, denn niemand hat es geschafft, sie zu erklären. Liebe ist relativ, genauso wie die Zeit. Sie hängt von den Umständen ab. Genauso wie die Zeit von der Masse und der Geschwindigkeit und der Energie. Oder wie der Preis von der Nachfrage und dem Angebot. Oder wie jede andere mathematische Gleichung. Sie ist abhängig von Vorzeichen, Variablen, der Umwelt. Nur wenn man eine passende Kombination aus allen möglichen Umständen findet, dann kommt etwas dabei heraus, und je nachdem, welche Kombination und welche Umstände man verwendet, kommt eine andere Art von Liebe heraus. Wenn man Glück hat, entsteht als Ergebnis eine Liebe, die ein Leben lang hält. Und wenn man Pech hat, dann trennt man sich. Oder man wird getrennt. Man wird getrennt. Auseinandergerissen. Getrennt. GETRENNT. Getrennt. Und es ist für mich unverständlich, wie man so etwas feiern kann. Ich verstehe es nicht. Ich hasse ihn, den Valentinstag. Ich hasse ihn aus ganzem Herzen! Und ich hasse diesen Tag! Genervt nehme ich einen Schluck Kaffee und konzentriere mich ganz auf das Aroma. Auch wenn es offensichtlich eine qualitativ minderwertige Lieferung war, beruhigt mich dieses Ritual irgendwie. Ich muss jetzt wieder ruhig werden, gaaaanz ruuuhhhhiiig werden. Ich habe in zwei Stunden eine Konferenz und darauf muss ich mich noch vorbereiten! Und erst recht lasse ich mir den Morgen, MEINEN Morgen, von nichts und niemandem nehmen. Weder von meiner Sekretärin, noch von diesem Brief noch von diesem Valentinstag! Ich drehe meinen Stuhl zum Fenster und genieße den Blick nach draußen. Der Kaffeeduft strömt gemächlich durch meine Nase, meine Augen streifen sanft über die Häuser, mein Herzschlag wird langsam leiser. … … Warum ist mir das nie aufgefallen? … Die vielen Wolkenkratzer? Die Lichter auf den Straßen? Die kleinen Vögel auf den Bäumen unter mir? … Warum habe ich früher nie den Sonnenaufgang beobachtet? … Es ist schön. Ein Wunder der Natur, … wie sie zuerst einen gelben Streifen an den Horizont schickt, als wöllte sie sehen, was auf der Erde los ist, und dann immer schneller nach oben steigt und dabei alles erst in Rosa, dann in ein orange-rotes Farbspiel taucht, als umarme sie die Welt…. Ich breite die Arme aus und schließe die Augen. … Für einen Moment bin ich an einem anderen Ort. Ich atme tief ein. Der Duft der der Bäume strömt durch meine Lungen. Er ist kühl und erfrischend. Ich höre die Vögel zwitschern. Sie singen für mich und für dich ein Lied. Unter meinen nackten Füßen fühle ich das feuchte Gras. Der Tau hat es mit Wasser benetzt, und es ist weich. So weich wie deine Haut. Mit einem fröhlichen Lächeln empfange ich die Umarmung der Sonne. Sie ist so warm, wie eine Decke, die für eine Sekunde alles verschwinden lässt. Die größten Probleme werden winzigklein. Der schlimmste Schlag wird zum liebevollen Kuss. Die tiefste Traurigkeit zu überwältigender Hoffnung… Doch nur für diesen kurzen Moment. Danach steigt die Sonne zum Himmel empor und strahlt ewiggelb auf die Erde. Dann fällt ihr Licht auf die Glasfassaden und blendet mich. Danach tötet ihre zerstörerische Hitze meinen Körper. Und zum Schluss tötet Ihr Untergang auch meine Seele. Doch noch genieße ich diesen Moment, diesen Augenblick des Glücks. Er erinnert mich an dich, an deine Umarmung. Sie sieht anders aus, sie fühlt sich anders an. Der Duft deines Körpers, das Flüstern deiner Stimme, die Berührungen deiner Haut. Sie ist anders als die der Sonne. Aber sie macht mich glücklich. Nicht nur für eine Sekunde, sondern für tausende, und abertausende. Deine Umarmung machte mich selig. Und nun ist sie weg. Ich vermisse sie. Die Sonne hilft mir jeden Tag nur kurz. Ich vermisse deine Umarmung und weis doch, dass sie nie mehr wiederkehren wird. Niemals. NIEMALS. Aber was rede ich hier? Ich habe keine Zeit für so was! Ich habe keine Zeit für Gefühle! Ich habe keine Zeit dafür. Ich muss ein Unternehmen leiten.!. „Herr Kaiba, sind Sie noch dran?“, reißt mich die Stimme meiner Sekretärin aus meinen Gedanken. Was fällt dieser Frau eigentlich ein? „NATÜRLICH BIN ICH NOCH DRAN ODER HÖREN SIE SCHLECHT?“, antworte ich genervt. „A-Aber Sie wirkten irgendwie abwesend ….“, stottert sie. „Ich – abwesend? Ich habe kurz über das nachgedacht, was Sie sagten! Wenn Sie das schon als abwesend bezeichnen, sollte ich mir eine neue Sekretärin suchen! Falls Sie es in Ihrer kurzen Zeit hier noch nicht verstanden haben: Ich, Seto Kaiba, bin der FIRMENCHEF, ich kann es mir gar nicht LEISTEN nicht anwesend zu sein! Und jetzt verschwinden Sie!“, fauche ich sie an und hoffe, dass das Gespräch damit beendet ist. „A-Aber Herr Kaiba, i-ich bezweifle nicht, dass Sie da sind, aber der CEO der Plastik OHG hat gerade angerufen. Er meint, die Stellungnahme müsse morgen bei ihm sein!“, erklärt meine Sekretärin ausführlich. Sie hat noch nicht aufgelegt! Rede ich so undeutlich? Ich sollte mir langsam Sorgen machen…. denke ich resigniert und erwidere noch etwas lauter: „Dann schreiben Sie sie! Sie kennen sich bestens mit der Sachlage aus. Also nehmen sie ihre Eins Zwei Drei 10 kleinen Fingerchen und tippen diesen Brief! Ich habe nämlich keine Zeit! Falls Sie vergessen haben sollten, heute morgen in meinem Terminkalender zu sehen - wovon ich ausgehe - helfe ich Ihnen gerne nach: Ich habe in zwei Stunden ein Meeting mit einem wichtigen Großkunden, um eins eine Konferenz mit den Spielehändlern der Stadt und um fünf folgt die Vorstandssitzung, die Sie unbedingt noch heute einplanen mussten! …“ „A-Aber Herr Kaiba…“ „UNTERBRECHEN SIE MICH NICHT! Ich muss mich auf all diese äußerst wichtigen Termine intensiv vorbereiten und ich habe keine Zeit für die Plastik OHG!“, brülle ich sie an. Ist es denn so schwer zu begreifen, dass ich aus objektiven, und subjektiven, nein, eigentlich nur objektiven Gründen, keine Zeit habe, mich mit diesen Leuten zu beschäftigen? „Herr Kaiba, Sie sind der Chef, Sie fällen die Entscheidung, ob wir dem Zulieferer kündigen oder nicht! - Ich kann Sie ja verstehen, das war in letzter Zeit wirklich etwas viel, die Aktien, die Steuerfahndung, die …“ „VERSTEHEN? Sie können mich überhaupt nicht verstehen, sie sollen nicht mal versuchen mich zu verstehen, was bilden Sie sich eigentlich ein? Denken Sie, in den paar Monaten, die ich Sie hier schon dulde - dulde, wohlgemerkt - hätten Sie mich durchschaut? Sie haben nicht mal einen Hauch Ahnung von mir – und das ist gut so! Mein Innerstes geht nämlich nur mich etwas an – MICH und niemanden sonst! Und erst recht keine kleine Hobby-Möchtegern-Psychologin, die nicht nur ihre Arbeitsstätte zum Versuchslabor auserkoren hat sondern auch noch die Dreistigkeit besitzt, ihren Vorgesetzten, ihren VORGESETZTEN, mit ihren PSYCHO-Taschenspieler-Tricks zu belästigen, was laut meiner Kenntnis nicht zu ihrem Aufgabengebiet gehört. Aber warum rege ich mich überhaupt darüber auf? Wenn Sie ihren Arbeitsvertrag gründlich gelesen hätten, würden SIE vielleicht etwas verstehen: Ich bin der Leiter dieses Unternehmens und Sie meine Angestellte. Sie arbeiten mir zu, organisieren meine Termine und passen auf, dass niemand dieses Büro betritt, ohne sich bei mir angemeldet zu haben. Und ich führe diese Firma, ich habe dieses Unternehmen gegründet; ich diskutiere auf irgendwelchen Sitzungen mit mehr oder weniger freundlichen Kunden, ich treffe die großen Entscheidungen und ich zahle Ihnen am Monatsende Ihr Gehalt. Das ist meine Aufgabe und das ist Ihre Aufgabe, mehr nicht! Und wissen Sie, was das schlimmste daran ist? Sie benutzen dieses Wort, von dem Sie nicht mal im Ansatz wissen, was es bedeutet, um mir zusätzliche Arbeit zu übertragen, die SIE ohne Problem allein erledigen könnten – wenn Sie denn Lust hätten! Es geht Ihnen nicht um meine Person sondern um Ihre Kaffeepause, die Sie gern über den ganzen Tag ausdehnen würden, aber da muss ich Sie enttäuschen: ich lasse mir weder die Seele „analysieren“, noch sinnlose Arbeit aufdrängen, also reden Sie hier nicht dumm rum sondern machen Sie sich an die Arbeit!!!“, brülle ich und knalle den Hörer auf die Gabel. Diese Sentimentalität geht mir so auf die Nerven, besonders, wenn sie derart dahergeheuchelt ist! Niemand, NIEMAND kann mich verstehen. Und das ist gut so. Nur du, … ja… du,… du konntest mich verstehen. Du konntest in meine Seele hineinsehen. Du hast sie mit deinem Schlüssel geöffnet, als wäre es das einfachste der Welt. Nur du konntest mein Innerstes erkennen, und auch wenn es paradox klingt, ich wusste, dass du es niemals verbreiten würdest. Meine Seele blieb in deiner eingeschlossen und würde nie von irgendjemand anderem gesehen werden. Du hast sie beschützt. Du hast sie vor der Außenwelt geschützt. Du hast sie nicht ausgenutzt. Aber das ist lange her. So lange her …. Und ich bin immer noch in dir eingeschlossen - aber du bist weg. Du bist verschwunden und wirst nie mehr zurückkommen. Nie mehr. Nie mehr….Oh, langsam werde ich noch sentimental. Nein, das darf ich nicht! Ich muss dagegen ankämpfen! Ich kann es mir nicht leisten, auch nur für eine Sekunde weich zu werden! Aber … ich … ich kann es nicht. …. Aber ich muss! Ich muss es verdrängen! Wenn ich jetzt nachgebe, dann ist alles verloren. Es hat mich damals fast das Leben gekostet, und die KaibaCorp auch. Aber vor allem mich. Ich habe gelitten… NEIN! Mein Herz ist fast zersprungen… NEIN! Es, es war so …. Schrecklich, nur schrecklich! Ich habe keine Zeit für so etwas, ich muss ein Unternehmen leiten. Meine Firma, die KaibaCorp. Ich habe sie aufgebaut und will sie niemals untergehen sehen. Und dafür muss ich jeden Tag hart arbeiten. Jeden Tag. Und ich kann es mir nicht leisten, während der Arbeit auch nur für den Bruchteil einer Sekunde an etwas anderes zu denken. Aber aus irgendeinem Grund quälen mich die Gedanken. Was hast du nur mit mir gemacht? Klingeling! reißt mich das Telefon erneut aus meinen Gedanken. Sofort steigt die Wut wieder in mir hoch. Hatte ich dieser inkompetenten Person nicht gesagt, sie solle mich in Ruhe lassen? Versteht sie selbst solche einfachen Anweisungen nicht?, frage ich mich und hole tief Luft, um ihr ein letztes Mal laut und deutlich die Meinung zu sagen. Doch die Person am anderen Ende ist schneller: „Herr Kaiba, wie lange soll ich noch auf meine Stellungnahme warten?!“, schreit mich eine männliche Stimme an. Sie ist extrem laut und wenn ich nicht wüsste, dass es einer meiner wichtigsten Lieferer ist, würde ich zurückbrüllen, aber leider können die neuen Hologramm-Projektoren nicht ohne die Teile der Plastik OHG fertig gestellt werden. Also nehme ich den Atem, der eigentlich für meine Sekretärin bestimmt war, und puste ihn mit einem soweit wie möglich fröhlichen „Guten Morgen, Herr Kunststoff!“ aus. „Guten Morgen? Das nennen Sie einen guten Morgen?! Ich nenne so etwas Schlamperei! Seit vier Wochen warten wir nun schon auf die Bestätigung der Vertragsverlängerung und Sie haben sich immer noch nicht gemeldet! Wie lange soll ich noch warten?“, fragt er immer noch sehr aufgebracht. Er sollte aufpassen, dass er nicht irgendwann an einem Herzinfarkt stirbt, denke ich und antworte: „Es tut mir sehr leid, Herr Kunststoff, aber in den letzten Wochen hatten wir sehr viel zu tun. Die Änderung der Einfuhrbeschränkungen führte zu erheblichen Neuplanungen im gesamten Unternehmen. Wir konnten Ihnen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht antworten.“, und das ist nicht gelogen. Es war wirklich eine harte Zeit: nur weil irgendwelche Politiker mit irgendwelchen Situationen, von denen sie sowieso keine Ahnung haben, nicht zufrieden sind, verschärfen sie einfach die Import-Vorschriften und wir haben die Probleme! „Aber Herr Kaiba, das verstehe ich sehr gut, aber verstehen Sie doch bitte auch uns: Sie sind unser wichtigster Kunde, wir verkaufen ihnen jährlich Millionen von Rohteilen, ohne Sie geraten wir in arge Zahlungsnöte.“, ist das mein Problem? „Herr Kunststoff, ich verstehe Sie sehr gut, das Schreiben wird morgen bei Ihnen sein.“, sind Sie jetzt beruhigt oder wollen Sie mich noch weiter belästigen, ich habe zu tun! „Sie haben sich verändert, Herr Kaiba. Früher musste ich auf Ihre Antworten nur wenige Tage warten, jetzt sind es vier Wochen. Sind Sie sicher, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist?“, jetzt fängt er auch noch an! Nur mit Mühe kann ich mich beherrschen. „Ja, Herr Kunststoff, es ist alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen.“, sage ich und suche mit den Augen den Raum nach dem Ordner „Gutes Geschäftsdeutsch“ ab. Das wird wohl noch etwas dauern. Wenn der Alte erstmal anfängt hört er so schnell nicht wieder auf …. „Herr Kaiba, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber Sie sind noch so jung, erst 21, und leiten schon so eine große Firma. Es ist völlig normal, dass Sie mal eine Pause brauchen. Kommen Sie, machen Sie eine Woche Urlaub und lassen Sie Ihren Vizechef, diesen … Yami Muto, die Geschäfte leiten. Er scheint sehr qualifiziert zu sein.“, ich brauche keinen Urlaub! Und eher sitzt Mokuba auf diesem Stuhl als dieser Besserwisser Yami Muto! „Herr Kunststoff, es ist wirklich alles in Ordnung. Ich brauche keine Pause. Belasten Sie sich nicht mit einer Person wie mir, kümmern sie sich lieber um Ihre Kinder, ihr Sohn liegt doch schon seit ein paar Wochen im Krankenhaus.“, versuche ich so gütig wie möglich, fast schon überfreundlich, vom Thema abzulenken. Hoffentlich erregt DAS bei ihm erst recht keine Sorgen. „Mein Sohn ist vor einem halben Jahr aus dem Krankenhaus entlassen worden, Herr Kaiba,“, Mist, das war nicht so gut, „Und es macht mir keine Umstände. Ich meine, ich kann Sie ja verstehen, zuerst die Aktien, dann die Steuerfahndung…“, jetzt platzt mir der Kragen! Ist Verstehen etwa das Wort des Tages oder warum hat jeder das Bedürfnis, mich zu verstehen? Ich bin wütend. Sehr wütend. Wie eine Supernova, die sich erst zusammenzieht und dann explodiert brülle ich ihn an: „Sagen Sie mal, haben Sie vielleicht bei meiner Sekretärin einen Hobby-Psychologie-Kurs absolviert? Die hat nämlich vor fünf Minuten exakt das Gleiche gesagt! Und ich werde Ihnen jetzt auch exakt das Gleiche sagen wie ihr zuvor: Maßen Sie sich nicht im Geringsten an, mich auch nur ein bisschen verstehen zu wollen, denn das werden sie niemals tun können! Ich bin Seto Kaiba, ich leite diese Firma, mehr müssen Sie nicht verstehen! Und selbst wenn ich jemanden bräuchte, der mich verstünde, würde ich sicher nicht Sie fragen und jetzt verschwenden Sie nicht noch mehr meine Zeit!“, krachend knalle ich den Hörer auf den Tisch. Das hat gereicht, hoffe ich. Und das tut es offenbar, denn eine ganze Weile höre ich nichts. Gar nichts. Keinen einzigen Ton. Bis er mit viel Mühe einen Rest Kraft zusammenkratzt und langsam, fast sterbend, ich bin ja so poetisch!, zwei kleine Sätze zu Stande bringt: „Bitte schicken Sie die Stellungnahme heute raus. Auf Wiedersehen, Seto.“, Auf Wiedersehen, Herr Seelenklempner, denke ich und lege den Hörer auf. Warum denken alle Leute, sie müssten sich um mich kümmern? Ich kann mich um mich selbst kümmern! Ich brauche niemanden, der mich bemitleidet, der meint er müsse etwas für mich tun. Nur du…, du wusstest, wann es mir schlecht geht, du hast es immer sofort gespürt. Du hast dann immer deinen Arm um mich gelegt, mir mit dem Zeigefinger über die Nase gestrichen und meine Wange geküsst. Und dann hast du immer gesagt: „Alles wird gut!“. Es klang mal mitfühlend-traurig, mal witzig-fröhlich, je nachdem. Aber es hatte immer so einen hoffnungsvoll-enthusiastischen Nachgeschmack. Und egal was, es wurde alles gut. Allein durch deine Nähe wurde alles gut. Aber jetzt bist du weg. Und mir geht es gut. Mir geht es hervorragend. Mir ging es nie besser! Und gerade weil es mir nie besser ging als jetzt, hebe ich den Hörer ab, um meiner Sekretärin nochmals klar und deutlich zu sagen, dass sie den Brief an die Plastik OHG schreiben soll. Doch am anderen Ende ist nur ein lautes Tuten zu hören. Wahrscheinlich telefoniert sie wieder mit ihrem Freund, denke ich. Während der Arbeitszeit! Genervt lege ich auf, checke meine Mails und probiere es erneut. Immer noch nichts. Schlimm genug, dass sie private Telefonate nicht lassen kann, jetzt verbringt sie damit auch noch Stunden. Sie ist wohl nicht ausgelastet, ich sollte ihr noch etwas mehr geben. Doch es nützt nichts, ich habe weder Zeit noch Lust noch auch nur einen Hauch von Laune. Du machst mich ganz sentimental! Ich vermisse dich. Fünf Minuten später probiere ich es zum dritten Mal. Wieder nichts. Ich habe es satt, mich darüber aufzuregen! Also bleibt mir nichts anders übrig, als mich selbst an die Arbeit zu machen. Ich nehme den dicken Aktenordner auf meinem Schreibtisch und lese das Schreiben, das meine Sekretärin draufgeheftet hat …. Sie wollen die Preise erhöhen, wegen gestiegener Transport- und Energiekosten … „Innerhalb des letzten Jahres ist der Benzinpreis um ein Drittel gestiegen, die Kosten für Strom und Wasser haben sich sogar verdoppelt. Deshalb ist der derzeit vereinbarte Preis aus unserer Sicht nicht haltbar…“ Zwanzig Prozent wolle sie mehr verlangen?! Glücklicherweise hat sie wenigstens eine Kostenrechnung erstellt! … Naja… Ich denke nach und rechne und überlege…. Nach einer Weile öffne ich genervt das Schreibprogramm und suche nach der passenden Vorlage. Mist, unser EDV-Mann muss sie alle gelöscht haben! Das kann doch nicht sein! Ich greife zum Hörer, doch dann fällt mir ein, dass seit der EDV-Tagung vor zwei Tagen die gesamte Mannschaft mit Grippe im Bett liegt. Das kann doch nicht wahr sein, heute ist echt nicht mein Tag! Dass ich hier auch alles allein machen muss! Doch es hilft nichts. Ich öffne ein Neues Dokument und denke nach. Was muss ich jetzt tun? Ich krame in meinem Gehirn und finde schließlich ein paar Notizen von der Manager-Schulung vor vier Jahren. Zuerst die Seitenränder einstellen: oben 4,5 cm, links 2,41 cm, rechts 1 cm und unten 2 cm. Danach in der ersten Zeile in Schriftgröße 8 die Adresse der KaibaCorp: Kaiba Coperation Tokyo Street 3 42517 Domino Dann in der nächsten Zeile in Schriftgröße 11 die Adresse der Plastik OHG: Plastik OHG Herrn Friedrich Kunststoff Polyethylenallee 15 10013 Malefiz In Zeile 18 der Betreff, fett formatiert: Stellungnahme zur Vertragsverlängerung Zwei Zeilen frei, danach die Anrede, eine Zeile frei, dann der Text: Sehr geehrter Herr Kunststoff, hiermit .. beantworte ich Ihre Stellungnahme … nein, Quatsch, beantworte ich Ihr Angebot zur Vertragsverlängerung und –änderung …. nein, das entspricht nicht dem Stil der KaibaCorp …. nehme ich Stellung …, nein, das geht irgendwie auch nicht … Mist! … Vielleicht sollte ich doch lieber die altmodische Variante wählen und den Text erst mal mit der Hand schreiben. Das ist eine gute Idee! Ich nehme das Stifte-Etui, das links neben meinem Stiftehalter liegt, und öffne es. Bedächtig nehme ich meinen Füller heraus. Er ist azurblau und hat als Verzierung einen eisblauen Drachen. Den Weißen Drachen mit eiskaltem Blick. Meinen Drachen. Mokuba hat ihn mir zu meiner Ernennung zum Firmenchef geschenkt. Auf den Griffel hat er eingravieren lassen: „Man sollte stets an sich arbeiten“, und den Deckel „Viel Erfolg“. Sehr schlicht, aber ich freue mich, wenn ich es lese, weil ich dann immer an seinen fröhlichen Blick denken muss. Er hat sich soviel Mühe gegeben und sich sehr gefreut, als er mir den Füller überreichte. Und wenn ich die dritte Zeile – natürlich nur heimlich - lese, läuft mir manchmal eine Träne aus dem Auge; er hat auf der Innenseite des Deckels nämlich selbst noch etwas eingeritzt: „Ich habe dich lieb. Mokuba“. Seine Handschrift ist krackelig, aber er hat es mit viel Liebe geschrieben. Ich wische mir die nächste Träne aus dem Auge. Ja, unsere Verbindung ist einzigartig. Ich passe auf ihn auf und er auf mich. Wenn ich Hilfe brauche, ist er immer da, und wenn er Hilfe braucht, ich meistens auch. Wir hatten nur uns und auch wenn wir irgendwann jemand anders finden werden, werden wir uns immer noch haben. Das Band zwischen uns ist unkaputtbar. Niemand kann es zerstören. Nicht mal du konntest es. Aber das wolltest du auch nicht. Du wolltest ihn nicht von seinem Platz in meinem Herzen verdrängen sondern friedlich neben ihm koexistieren. Doch dazu kam es nicht. Ich werde schon wieder sentimental. Wenn das so weitergeht, bin ich morgen noch nicht fertig! Aber heute scheint ein besonderer Tag zu sein. Ich nehme meine Füller und ein leicht gräuliches Blatt Papier. Das ist umweltfreundlicher und man hat nicht dieses erdrückende Weiß vor seinen Augen. Nachdem ich getestet habe, ob mein Füller auch schreibt, nehme ich einen großen Schluck Kaffee und schreite zur Tat: to be continued ... ich danke meiner Umwelt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)