Wie die neue Welt in die alte kam von Beluga ================================================================================ Kapitel 1: Wie die neue Welt in die alte kam -------------------------------------------- Meine Großmutter erzählte mir einmal von ihrer ersten großen Liebe. Die erste große Liebe vergisst man nicht, heißt es, und das ist wohl wahr. Sie war gerade sechzehn geworden und lebte auf einem ländlichen Bauernhof, und auf dem gleich Grundstück gegenüber wohnte Chris. Er war einer dieser gutaussehenden, jungen Kerls von 17, denen jedes Mädchen hinterher schaute, und er wusste dies. Trotzdem gab es etwas an ihm, was meine damals junge Großmutter über alle Maßen anziehend fand, sein herzliches Lächeln, und sie verliebte sich in ihn. Sie schaute ihn zu ihm herüber wenn er auf dem Hof seiner Eltern arbeitete, und eines Tages schaute er mit seinen freundlichen, blauen Augen jedes Mal zurück. Sie wurden Freunde. Dann geschah das, was bald in aller Munde als der Zweite Weltkrieg bezeichnet werden würde, und Christopher wurde von der Wehrmacht eingezogen. Es dauerte Jahre, bis er wieder in das kleine Dörfchen zurückkehrte. Sein Körper war inzwischen erwachsen geworden, aber er hatte den Krieg ohne körperliche Zeichnungen überstanden. Er war noch immer der gutaussehende junge Kerl von damals, vielleicht etwas magerer. Und meine Großmutter, die während des Krieges die ganze Zeit über zu Hause auf dem Hof geblieben war, Luftangriffe und viele andere Dinge überstanden hatte und der Vergewaltigung durch französische Soldaten der Besatzungsmächte mit Hilfe eines amerikanischen Offiziers entkommen war, schaute ihren heimgekehrten Chris wie früher an, und er begegnete ihrem scheuen Blick wie früher mit einem offenen Lächeln. Er war wieder da. Dann hob er eine der zappelnden, laut quäkenden Gänse, die er vom Garten seiner Familie eingefangen hatte, und rief über das Zetern des Tieres zu ihr herüber: „Hallo Maria. Möchtest du wissen, wie wir im Krieg Gänse geschlachtet haben?“ Er lachte laut, und mit einem gewaltigen Ruck riss er der Gans mit den Händen den Kopf ab, dass es spritzte. Maria hielt den Atem an und presste die Hände vor den Mund. Sie drehte sich langsam um, ging ein paar Schritte. Dann lief sie weg. Wie konnte sie es ihm verübeln, aber er war nicht mehr das, was er einmal war. Er schaute nach wie vor zu ihr herüber, aber sie nicht mehr, und darüber lachte er. Eines Tages zogen er und seine Familie weg. Der Krieg hatte ihn wiedergegeben, aber sie lebten nicht mehr in ihrer alten Welt, und in der neuen stießen sie sich ab, und ließen sich nicht mehr verbinden. Auch das kann der Krieg alles mit Menschen tun, und ihre Welt fortan verändern. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Nach einer wahren Begebenheit. Ein kleines Schiksal ohne melodramatische und tragische Hollywood-Würze, das mich so berührt hat, dass ich es aufschreiben wollte. Ich hoffe, ich bin dem Ereignis mit meinen Worten gerecht geworden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)